Tagesblick – 3.4.2024 Mittwoch

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FAZIT DES TAGES

COMMENT – FAZIT:

  • Gaza-Krieg: Druck auf Israel nimmt weiter zu, Biden und die USA sind ‚empört‘  
  • Ukraine-Krieg: demographisches Damoklesschwert wegen brain-drains ins Ausland, body-drains in den Krieg
  • Ukraine-Krieg: Geht Russland das Geld aus?
  • Europa/EU Zukunfts-fit?

Märkte – Report – Zentralbanken

Israel, Ukraine

Meldungen – Wahlumfragen

Themenreigen – Medizin, Gesundheitspolitik, Cybercrime- Datensicherheit, Medien

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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!

HELLMEYER-Report (gekürzt)

  • Märkte: Zinsunsicherheit belastet Aktienmärkte
  • Deutschland: Preiserwartungen der Unternehmen sinken
  • EZB: Kurzfristige Inflationserwartungen auf 2-Jahrestief
  • Fed: Drei Zinssenkungen realistisch

Märkte: Zinsunsicherheit belastet Aktienmärkte

Die Finanzmärkte zeigten sich in den letzten 24 Handelsstunden zinssensibel. Befürchtungen,

dass das unterstellte Zinssenkungsregime sich in den USA nicht erwartungsgemäß einstellen

könnte, führten zu schwachen Renten- als auch Aktienmärkten.

Die Daten und Nachrichten aus der Eurozone standen dabei im klaren Widerspruch zu dieser

Nervosität am Finanzmarkt. Deutschlands Inflation markierte ein Dreijahrestief. Das IFO-

Preiserwartungsbarometer markierte ein Dreijahrestief. Die EZB-Inflationserwartungsumfrage

ergab das entspannteste Ergebnis seit zwei Jahren.

Schlussendlich lieferten Frau Daly (Fed San Francisco) und Frau Mester (Fed Cleveland) verbale Beruhigung, indem sie drei Zinssenkungen per 2024 als realistisch klassifizierten. Frau Mester ging sogar weiter, indem sie den Juni als Möglichkeit des Beginns des US-Zinssenkungszyklus thematisierte. Als Fazit steht im Raum, dass die Befürchtungen und die Emotionalität der Märkte sehr dünnen faktischen Boden haben.

Das Datenpotpourri war bezüglich der Einkaufsmanagerindices des Verarbeitendes Gewerbes per März erbaulich. Es lässt sich optimal am von JP Morgan ermittelten PMI für die Weltwirtschaft

ablesen. Dieser Index legte von 50,3 auf 50,6 Punkte zu. Er markierte den höchsten Indexwert seit

August 2022.

Das gilt leider nicht für den deutschen PMI des Verarbeitenden Gewerbes (41,9). Wir

fallen negativ ab, wie kein anderes Land. Vor diesem Hintergrund ein freundliches „Danke!“

(Ironie!) an Berlin für die aktuelle Erhöhung der Energiesteuern. Ist das politische Wertschätzung?

Die Aktienmärkte reüssierten in „Rot“. Der Late DAX sank um 1,04%, der EuroStoxx 50 um 0,83%.

Der Dow Jones verlor 1,47%, der S&P 500 0,65% und der Citi US Tech 100 0,58%. In Fernost ergibt

sich Stand 07:25 folgendes Bild. Der Nikkei (Japan) verliert 0,59%, der CSI 300 (China) 0,22%, der

Hangseng (Hongkong) 1,00%, und der Sensex (Indien) 0,07%.

An den Rentenmärkten kam es zu einer Zinsversteifung. 10-jährige Bundesanleihen rentieren mit

2,40% (Vortag 2,30%), 10-jährige US-Staatsanleihen mit 4,36% (Vortag 4,31%).

Der USD konnte das Unterstützungsniveau bei 1.0700 – 30 halten und sich zart erholen. Gold und

Silber legten stark zu. Silber hat anders als Gold noch einen weiten Weg zum Allzeithoch ☺!

Nachrichten in Kurzform:

• Berlin: Die Verbraucherpreise legten gemäß vorläufiger Berechnung per März im

Jahresvergleich um 2,2% zu. Es war der geringste Anstieg seit April 2021.

• Berlin: Finanzminister Lindner schlug eine Tilgungsstreckung der Corona-Schulden

vor, um Spielräume für den Verteidigungsetat zu generieren (Voraussetzung

Gesamtschuldenstand unter 60% des BIP, aktuell 63%).

• Brüssel. Nato-Chef Stoltenberg schlug ein 100 Mrd. USD-Paket für die Ukraine vor

(Laufzeit 5 Jahre), um eine langfristige Grundlage der Hilfen zu etablieren.

• New York: Der von JP Morgan ermittelte PMI für das Verarbeitende Gewerbe der

Weltwirtschaft stellte sich per März auf 50,6 Punkte (Vormonat 50,3, D. 41,9).

• Washington: Auf Veranlassung der USA kam es zum Telefonat des US-Präsidenten

Biden mit dem chinesischen Präsidenten Xi.

Deutschland: IFO Barometer der Preiserwartungen der Unternehmen sinkt

Die Preiserwartungen der Unternehmen in Deutschland sind im März laut IFO-

Barometer auf den tiefsten Stand seit drei Jahren gesunken. Das Barometer fiel von

zuvor 15,0 auf 14,3 Punkte.

IFO-Konjunkturchef Wollmershäuser sagte, die Inflation sei weiter auf dem Rückzug und

dürfte im Sommer unter die 2%-Marke sinken. Aus deutscher Sicht spräche nichts gegen eine baldige Zinssenkung durch die EZB.

Kommentar: Das Bild hat sich markant entspannt. In der Tat ist aus deutscher Sicht bezüglich der Themen Preiserwartungen und Niveau der Preisinflation Handlungsspielraum für die EZB gewährleistet. Ein Tropfen Wasser in den Wein ist jedoch gegeben, denn durch aktuelle Steuererhöhungen bei Energie kommt es jetzt zu einer Portion administrierter Inflation (diskretionäre Politik der Regierung!) in Deutschland, „danke“ Berlin! Tut das gut (Ökonomie)?

EZB: Kurzfristige Inflationserwartungen (Verbraucher) auf 2-Jahrestief

Laut Umfrage der EZB sind die Inflationserwartungen der Verbraucher per Februar 2024 auf

das tiefste Niveau seit 2 Jahren gesunken. Im Mittel erwarten die Verbraucher eine

Preisinflation in 12 Monaten bei 3,1% (Vormonat 3,3%). Auf Sicht von drei Jahren liegt die

Erwartung der Verbraucher bei 2,5%.

Kommentar: Die Einschätzung der Verbraucher korreliert mit der Verbraucherpreisentwicklung. Sie hinkt dieser sogar hinterher (aktuell Verbraucherpreisanstieg bei 2,6%). Die Tendenz als auch die Tatsache des Zweijahrestiefs passen zu den jüngsten Einlassungen der EZB-Vertreter, die den Beginn des Zinssenkungszyklus per Juni 2024 andeuten.

Federal Reserve: Drei Zinssenkungen 2024 realistisch

Die Präsidentin der San Francisco Federal Reserve Mary Daly hält drei Zinssenkungen im

laufenden Jahr für eine realistische Erwartungshaltung. Die Präsidentin der Federal Reserve

Cleveland Mester implizierte die Juni-Sitzung als möglichen Beginn des Zinssenkungszyklus.

Auch sie hält drei Zinssenkungen per 2024 für realistisch.

Kommentar: Zuletzt nahm die Unsicherheit über die Zinspolitik der US-Notenbank zu. Diese

Einlassungen sind hilfreich, Erwartungen zu steuern. Damit wird der Erwartungshorizont auf

dem mäßigsten Niveau bezüglich der Anzahl der Zinssenkungen verankert (4. Quartal 2023 bis zu 10 Senkungen unterstellt). Bezüglich des Zeitpunktes wäre es in der Tat „galant“ (auch bezüglich des Devisenmarktes), gemeinsam mit der EZB zu agieren.

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden

Einkaufsmanagerindices des Verarbeitenden Gewerbes

Die Aufstellung macht deutlich, wie Deutschland, Frankreich und die Eurozone im Verhältnis

zur Welt aufgestellt sind. Das Bild ist trotz des Anstiegs der Indices im relativen Vergleich

prekär. Was für Handlungsmaximen gibt es in Berlin, Paris und Brüssel? Sind sie ansatzweise ausreichend oder tolerieren unsere Eliten den Verfall zu Lasten der Unternehmjen/Bürger?

Deutschland: Die Verbraucherpreise legten laut vorläufiger Berechnung per März im

Monatsvergleich um 0,4% (Prognose 0,6%) nach zuvor 0,4% zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 2,2% (Prognose 2,2%) nach zuvor 2,5%.

USA: Keine neuen Erkenntnisse

Der Auftragseingang der Industrie verzeichnete per Berichtsmonat Februar im Monatsvergleich einen Anstieg um 1,4% (Prognose 1,0%) nach zuvor -3,8% (revidiert von -3,6%).

Der JOLTS-Report (offene Stellen) lieferte per Februar mit 8,756 Mio. offenen Stellen (Prognose 8,750 Mio.) nach zuvor 8,748 Mio. (revidiert von 8,863 Mio.) wenig Veränderung.

China: Caixin-Dienstleistungsindex etwas höher

Der von Caixin ermittelte PMI des Dienstleistungssektors stellte sich per Berichtsmonat März

auf 52,7 nach zuvor 52,5 Zählern.

Japan: Finale PMI-Werte etwas schwächer, aber weiter stark/solide

Hier den Hellmeyer Report lesen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)

MÄRKTE

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

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08:01MORNING BRIEFING – Deutschland/Europa201Dow Jones News 
08:01MORNING BRIEFING – USA/Asien159Dow Jones News 
07:13MÄRKTE ASIEN/Breite Verluste – Werksschließungen belasten TSMC320Dow Jones News
06:43EUREX/Bund-Future im Frühhandel niedriger191Dow Jones News
06:40EUREX/DAX-Future im frühen Handel niedriger209Dow Jones News
DiNACHBÖRSE/XDAX +0,1% auf 18.304 Pkt455Dow Jones News
DiMÄRKTE USA/Börsen deutlich im Minus – Anleiherenditen steigen449Dow Jones News
DiAktien New York Schluss: Gewinnmitnahmen – Zinsen bleiben im Blick427dpa-AFX
DiUS-Anleihen geben weiter nach454dpa-AFX 
DiAktien Europa Schluss: Gewinnmitnahmen nach starkem ersten Quartal317dpa-AFX 
DiAktien Frankfurt Schluss: Dax verliert nach Rekordhoch deutlich418dpa-AFX 
DiAktien Wien Schluss: Gegenwind von Wall Street bremst ATX aus340dpa-AFX 

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„Da brauche ich keine Glaskugel“: Saurenz: Börsen fallen, wenn keiner mehr damit rechnet – Kurzvideo

Der DAX eilt von Rekord zu Rekord. Das könnte im nächsten Quartal schon wieder ganz anders aussehen, mahnt Daniel Saurenz von Feingold Research. Gründe dafür zeichnen sich gleich mehrere ab, so der Finanzprofi.

Geldanlage-Check: Nach Zinssenkungen, „geht’s vielleicht nicht so weiter“ Kurzvideo

Heute zu Gast in der Telebörse: Carsten Mumm, Privatbank Donner & Reuschel.

ISRAEL

n-tv aktuell ISRAEL

„War ein schwerer Fehler“ Israels Militärchef nennt Grund für Angriff auf Helfer

Ein Hilfskonvoi mit mehreren Mitarbeitern der Hilfsorganisation World Central Kitchen wird im Gazastreifen von einem israelischen Luftschlag getroffen. Mehrere Tote sind die Folge. Nun äußert sich Israels Militärchef dazu.

„Das passiert in Kriegszeiten“ Netanjahu: Israel verantwortlich für Angriff auf Hilfskonvoi

Helfer der Organisation World Central Kitchen wollen im Gazastreifen Nahrung für die Bevölkerung bereitstellen. Ein Autokonvoi mit mehreren Mitarbeitern wird jedoch von einem Luftschlag getroffen, mehrere Menschen sterben. Israel übernimmt erstmals Verantwortung für den direkten Angriff auf Zivilisten.

Chamenei will Rache an Israel Irans Staatsoberhaupt befeuert Sorgen vor neuem Krieg

Nach einem Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien mit mehreren toten Mitgliedern der Revolutionsgarden macht Teheran Israel verantwortlich und sinnt auf Rache. In die Drohgebärden steigt jetzt auch Staatsoberhaupt Chamenei mit ein.

Nacht im Überblick – ISRAEL

ROUNDUP 2: Nach Tod von Gaza-Helfern wächst Druck auf Israel – Die Nacht im Überblick

GAZA/WASHINGTON/TEL AVIV (dpa-AFX) – Der Tod von ausländischen Helfern im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff droht den jüdischen Staat weiter zu isolieren und sorgt für zusätzliche Spannungen mit seinem wichtigsten Verbündeten USA. US-Präsident Joe Biden machte Israel am Dienstagabend (Ortszeit) schwere Vorhaltungen: „Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen.“ Dies sei einer der Hauptgründe, warum die Verteilung humanitärer Hilfe im Gazastreifen so schwierig sei, beklagte Biden in einer schriftlichen Stellungnahme. Israels Generalstabschef Herzi Halevi bezeichnete den Luftangriff, bei dem mehrere Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) getötet wurden, als „schweren Fehler“.

Israels Militärchef: Das hätte nicht passieren dürfen

„Der Angriff wurde nicht in der Absicht durchgeführt, den WCK-Helfern zu schaden. Es war ein Fehler, der auf eine falsche Identifizierung folgte – in der Nacht während eines Krieges unter sehr komplexen Bedingungen. Das hätte nicht passieren dürfen“, sagte Halevi in der Nacht zum Mittwoch in einer Videostellungnahme. Dies habe eine vorläufige Untersuchung ergeben. Ein unabhängiges Gremium werde den Vorfall gründlich untersuchen und „in den nächsten Tagen“ abschließen. Die Armee werde aus den Schlussfolgerungen lernen „und sie sofort umsetzen“, sagte der israelische Generalstabschef und drückte sein Bedauern aus.

Biden: Das ist kein Einzelfall

„Das ist kein Einzelfall“, beklagte Biden. „Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht.“ Israel habe auch nicht genug getan, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen.

Sieben Mitarbeiter von World Central Kitchen waren durch den israelischen Luftschlag getötet worden. Israels Präsident Izchak Herzog entschuldigte sich beim Gründer der Hilfsorganisation, José Andrés. Er habe ihm sein tiefes Bedauern über den „tragischen Verlust der Leben der WCK-Mitarbeiter“ ausgedrückt, schrieb Herzog auf der Plattform X (vormals Twitter). Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem „tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen“.

„Jeder fühlt sich jetzt bedroht“, zitierte die „New York Times“ am Dienstag (Ortszeit) Michael Capponi, Gründer der Hilfsorganisation Global Empowerment Mission. Es müsse der internationalen Gemeinschaft von Nichtregierungsorganisationen „garantiert werden, dass wir bei unserer Arbeit, die so wichtig ist, sicher sind“, forderte Capponi. Die Organisation World Central Kitchen (WCK) will angesichts des Tods ihrer Mitarbeiter ihren Einsatz in der Region sofort stoppen und bald Entscheidungen „über die Zukunft unserer Arbeit treffen“.

Israel wolle, dass das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA, dem es Unterstützung der islamistischen Hamas vorwirft, durch Organisationen wie World Central Kitchen im Gazastreifen ersetzt wird, schrieb das „Wall Street Journal“. Der Tod der WCK-Mitarbeiter könne dieses Bestreben jetzt zum Scheitern bringen. Israel riskiere, am Ende ohne Partner für die Bereitstellung und Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen dazustehen, zitierte die Zeitung „Times of Israel“ einen Beamten der US-Regierung.

Das UN-Hilfswerk UNRWA war stark in die Kritik geraten. Einigen Mitarbeitern wurde vorgeworfen, am Massaker der Hamas vom 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel beteiligt gewesen zu sein.

DRK-Chefin fordert Sicherheitsgarantien

Auch die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, fordert einen besseren Schutz für humanitäre Einsatzkräfte. „Wir brauchen dringend Sicherheitsgarantien für Helferinnen und Helfer“, sagte Hasselfeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) (Mittwochsausgabe). Anders sei die Unterstützung der Menschen in Gaza und der Schutz der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr zu gewährleisten. Sie forderte zudem kontinuierlichen Zugang für humanitäre Hilfe in Gaza. „Wir tun mit unseren Partnern aus der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung alles, um weiter bedarfsgerecht Hilfe für die Menschen in Not zu leisten“, sagte sie, „aber es wird immer schwieriger und die Situation vor Ort ist für die Helferinnen und Helfer sehr gefährlich.“

Helfer: Wahr gewordener Albtraum

Tess Ingram, Sprecherin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef), sagte der „New York Times“, sie hoffe, dass der Tod der Mitarbeiter von WCK „die Welt dazu bringen wird, zu erkennen, dass das, was hier passiert, nicht in Ordnung ist“. „Die Nachricht von dem Angriff ist entsetzlich – ein wahr gewordener Albtraum für uns“, sagte Soraya Ali, Sprecherin der Organisation Save the Children, der Zeitung. „Mehr als 200 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden in diesem Konflikt getötet, der damit zu einem der schlimmsten Konflikte für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der jüngeren Geschichte zählt“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Dienstag.

USA: Israel auch für Angriff in Damaskus verantwortlich

Israel ist nach Einschätzung der US-Regierung auch für den Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus verantwortlich. Das machte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh bei einer Pressekonferenz in Washington deutlich. Singh war gefragt worden, ob die USA an dem Luftangriff am Montag beteiligt gewesen seien. Darauf antwortete sie: „Die USA haben keinen Angriff in Damaskus durchgeführt. Ich möchte Sie auf die Israelis verweisen, um mit ihnen über ihren Angriff zu sprechen.“ Die Nachfrage, ob es die offizielle Einschätzung der US-Regierung sei, dass Israel für den Schlag verantwortlich sei, bejahte Singh: „Das ist unsere Einschätzung.“

Bei dem Angriff wurden zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) getötet. Die IRGC sind Irans Elitestreitmacht und werden als mächtiger eingeschätzt als die konventionellen Streitkräfte des Iran. Das Land verurteilte die Attacke scharf und drohte dem Erzfeind Israel mit Vergeltung. Ein israelischer Militärsprecher sagte auf Anfrage, man kommentiere keine Berichte in ausländischen Medien. Unterdessen protestierten erneut Tausende Israelis am Dienstagabend den vierten Tag in Folge gegen die Regierung und für ein Abkommen zur Freilassung der in Gaza weiter festgehaltenen Geiseln.

Zusammenstöße in Israel bei erneuten Protesten

Die Demonstranten versammelten sich israelischen Medienberichten zufolge mit Fackeln in der Hand in der Nähe des Parlamentsgebäudes in Jerusalem. Sie forderten demnach auch erneut Neuwahlen. Die Mutter eines entführten Mannes warf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Berichten zufolge in einer Ansprache vor, einem Geisel-Deal im Wege zu stehen. Bei den Protesten sei es zu Zusammenstößen zwischen Polizisten und Demonstranten gekommen, hieß es. Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der islamistischen Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch aus Israel verschleppter Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. Knapp 100 Entführte in der Gewalt der Islamistenorganisation dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.

Palästinenser bemühen sich um UN-Vollmitgliedschaft

Der palästinensische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Riyad Mansour, bat unterdessen in einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, einen Antrag von 2011 auf eine Vollmitgliedschaft für einen Staat Palästina bei der Organisation erneut dem Sicherheitsrat vorzulegen. Den Brief teilte die palästinensische UN-Mission am Dienstag auf X. Im November 2011 war ein Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft am zuständigen Sicherheitsrat gescheitert. Die Veto-Macht USA und andere wollten, dass die Palästinenser zuvor mit Israel Frieden schließen. Im November 2012 räumten die UN den Palästinensern gegen den Widerstand der USA Beobachterstatus ein. Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt. Deutschland gehört nicht dazu./ln/DP/zb

ROUNDUP 3: Entsetzen über Tod von Gaza-Helfern bei israelischem Angriff

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) – Der Tod von ausländischen Helfern im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff hat international große Empörung ausgelöst. Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) bestätigte am Dienstag den Tod von sieben ihrer Mitarbeiter. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem „tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen“. Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit er sich nicht wiederhole.

Organisation will Einsatz im Gazastreifen stoppen

Die sieben Opfer stammten laut der Mitteilung von World Central Kitchen aus Australien, Polen, Großbritannien und den Palästinensergebieten – zudem habe eines der Opfer die amerikanische und kanadische Staatsbürgerschaft. Die Organisation will angesichts des tödlichen Vorfalls ihren Einsatz in der Region sofort stoppen und bald Entscheidungen „über die Zukunft unserer Arbeit treffen“.

„Das WCK-Team war in einer konfliktfreien Zone in zwei gepanzerten Fahrzeugen mit dem WCK-Logo und einem ungeschützten Fahrzeug unterwegs“, schrieb die Hilfsorganisation. Der Konvoi sei getroffen worden, obwohl man die Fahrt mit der israelischen Armee koordiniert habe. Die Helfer hätten gerade ein Lagerhaus in der Ortschaft Deir al-Balah im zentralen Abschnitt des Gazastreifens verlassen, als sie beschossen worden seien. Dort hätten sie mehr als 100 Tonnen humanitärer Lebensmittelhilfe entladen, die auf dem Seeweg in den Gazastreifen gebracht worden sei.

Israels Armee kündigt gründliche Untersuchung an

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Dienstag, Israels Armee sei an internationales Recht gebunden. „Wir sind verpflichtet, unsere Einsätze gründlich und transparent zu untersuchen“, sagte Hagari. „Wir werden eine Untersuchung eröffnen, um diesen schwerwiegenden Vorfall weiter zu prüfen. Dies wird uns dabei helfen, die Gefahr zu verringern, dass sich so ein Vorfall wiederholt.“ Er sprach dabei von der Untersuchung durch ein unabhängiges und professionelles Expertengremiums. Man werde der Sache auf den Grund gehen und die Ergebnisse transparent teilen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage im Gazastreifen steht Israel international immer stärker in der Kritik.

Hilfsorganisation versorgt Menschen in Katastrophengebieten mit Essen

World Central Kitchen ist eine Hilfsstiftung, die der aus Spanien stammende Starkoch José Andrés 2010 unter dem Eindruck des verheerenden Erdbebens in Haiti gegründet hat. WCK versorgt seitdem Menschen in Katastrophengebieten auf der ganzen Welt mit Mahlzeiten. „Dies ist nicht nur ein Angriff auf WCK, dies ist ein Angriff auf humanitäre Organisationen, die in schlimmsten Situationen kommen, in denen Nahrung als Waffe im Krieg eingesetzt wird“, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Erin Gore. „Dies ist unverzeihlich.“

Die Familie einer getöteten Mitarbeiterin aus Australien sagte, die 43-Jährige sei ums Leben gekommen, „während sie die Arbeit verrichtete, die sie liebte“. Sie werde „ein Vermächtnis des Mitgefühls, des Mutes und der Liebe für alle in ihrem Umkreis hinterlassen“.

Internationale Empörung über Tod der Helfer

Unter anderem Ägypten verurteilte den Angriff scharf. Das ägyptische Außenministerium sprach in seiner Erklärung vom Dienstag von anhaltenden Angriffen Israels auf Organisationen, die im humanitären Bereich tätig seien. Ägypten fordere eine dringende und ernsthafte Untersuchung, um die Verantwortlichen „für diese systematischen und vorsätzlichen Verletzungen der palästinensischen Menschenrechte zur Rechenschaft zu ziehen“. Jordaniens König Abdullah II. betonte, humanitäre Organisationen im Gazastreifen müssten geschützt werden.

Der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, hob den Mut der sieben getöteten humanitären Helfer in Gaza hervor. „Sie waren Helden. Sie wurden getötet, während sie versucht haben, hungernde Menschen zu ernähren“, schrieb er auf X.

Die britische Regierung forderte nach dem tödlichen Angriff Aufklärung von Israel. Die Nachricht sei zutiefst erschütternd, teilte der britische Außenminister David Cameron am Dienstag mit. Berichten zufolge seien auch britische Staatsbürger getötet worden. „Wir arbeiten daran, diese Informationen zu verifizieren, und werden ihren Familien umfassende Unterstützung bieten.“

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte: „Ich erwarte und fordere, dass die israelische Regierung so schnell wie möglich die Umstände dieses brutalen Angriffs aufklärt, der sieben Mitarbeitern einer Hilfsorganisation das Leben gekostet hat, die nichts anderes getan haben, als zu helfen“.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schrieb bei X: „Ich würdige die Helfer, die in Gaza ihr Leben verloren haben.“ Die Hilfsorganisation sei ein entscheidender Partner bei der Linderung des Leidens der Menschen in Gaza, unter anderem durch die Bereitstellung von Nahrungsmitteln über den Seekorridor.

Parteigründerin Sahra Wagenknecht fordert ein sofortiges Waffenembargo gegen Israel. „Das Sterben in Gaza und die Angriffe Israels in Nachbarländern müssen unverzüglich enden“, sagte Wagenknecht am Dienstag. „Dass Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen, die Hungernde versorgen wollten, ins Visier der israelischen Armee geraten sind, muss Konsequenzen haben.“/arj/DP/men

Biden kritisiert Israel scharf nach Tod von Gaza-Helfern

WASHINGTON (dpa-AFX) – Nach dem Tod mehrerer ausländischer Helfer im Gazastreifen durch einen israelischen Luftangriff hat US-Präsident Joe Biden Israel schwere Vorhaltungen gemacht. „Das ist kein Einzelfall“, beklagte Biden am Dienstagabend (Ortszeit) in einer schriftlichen Stellungnahme. „Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht.“ der Demokrat kritisierte: „Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen.“ Dies sei einer der Hauptgründe, warum die Verteilung der humanitären Hilfe im Gazastreifen so schwierig sei.

„Israel hat auch nicht genug getan, um die Zivilbevölkerung zu schützen“, beklagte Biden weiter. Die Vereinigten Staaten hätten Israel wiederholt aufgefordert, Militäroperationen gegen die islamistische Hamas von humanitären Einsätzen zu entkoppeln, um zivile Opfer zu vermeiden.

Sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen waren im Gazastreifen durch einen Luftschlag des israelischen Militärs getötet worden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem „tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen“. Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit er sich nicht wiederhole.

Biden forderte eine zügige Untersuchung und eine Veröffentlichung der Ergebnisse. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Biden erklärte, er sei „empört und untröstlich“ über den Tod der humanitären Helfer, unter denen ein Amerikaner gewesen sei. „Sie versorgten mitten im Krieg hungernde Zivilisten mit Lebensmitteln. Sie waren mutig und selbstlos. Ihr Tod ist eine Tragödie.“

Angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer in dem Konflikt gibt es zunehmende Kritik am militärischen Vorgehen Israels, auch vom wichtigsten Verbündeten USA. Biden und seine Regierung hatten sich lange mit öffentlichen Einwänden zurückgehalten, in den vergangenen Wochen aber zunehmend die Tonlage gegenüber der israelischen Führung verschärft. Die Beziehungen zwischen den Partnern, auch zwischen Biden und Netanjahu direkt, sind schwer angespannt./jac/DP/zb

USA ‚empört‘ über Tod von Gaza-Helfern bei israelischem Angriff

WASHINGTON (dpa-AFX) – Die US-Regierung hat empört auf den Tod mehrerer ausländischer Helfer im Gazastreifen durch einen israelischen Luftangriff reagiert und von Israel eindringlich Aufklärung gefordert. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte am Dienstag im Weißen Haus in Washington, die US-Regierung sei „empört“ gewesen, als sie von dem Luftschlag des israelischen Militärs erfahren habe, bei dem sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen getötet wurden. Das Weiße Haus erwarte, dass Israel nach der vorläufigen Prüfung des Vorfalls zügig eine tiefergehende Untersuchung durchführe.

„Wir hoffen, dass die Ergebnisse öffentlich gemacht werden und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte Kirby. Die US-Regierung habe diese Haltung auch gegenüber Israel „sehr klar“ gemacht.

„Mehr als 200 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden in diesem Konflikt getötet, der damit zu einem der schlimmsten Konflikte für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der jüngeren Geschichte zählt“, sagte Kirby. „Dieser Vorfall steht sinnbildlich für ein größeres Problem und ist Beweis dafür, warum die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen so schwierig ist.“ Die israelischen Streitkräfte müssten deutlich mehr tun, um Zivilisten und humanitäre Helfer besser zu schützen, forderte er.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte, US-Präsident Joe Biden habe den Gründer der Organisation, den in den USA lebenden spanischen Starkoch José Andrés, angerufen, um ihm sein Beileid auszusprechen. „Der Präsident hielt es für wichtig, den enormen Beitrag von World Central Kitchen für die Menschen in Gaza und Menschen in aller Welt zu würdigen.“

Die Hilfsorganisation hatte am Dienstag den Tod von sieben Mitarbeitern im Gazastreifen bestätigt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem „tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen“. Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit er sich nicht wiederhole.

Netanjahu: Israelischer Angriff auf Helfer in Gaza war unbeabsichtigt

Der nach den Vereinten Nationen wichtigste Nahrungsmittellieferant im Gazastreifen hat am Dienstag seine Tätigkeit im gesamten Nahen Osten eingestellt, nachdem sieben seiner Mitarbeiter, darunter einer mit US-kanadischer Staatsbürgerschaft, bei einem israelischen Angriff getötet wurden. Nach Aussage von Premierminister Benjamin Netanjahu war dieser Angriff unbeabsichtigt. „Leider gab es in den vergangenen Tagen einen tragischen Vorfall, bei dem unsere Streitkräfte unschuldige Menschen im Gazastreifen unbeabsichtigt getroffen haben. So etwas passiert im Krieg“, sagte Netanjahu.

Hilfsorganisation setzt nach Tod von Mitarbeitern Gaza-Lieferungen aus

World Central Kitchen, der nach den UN größte Lieferant von Nahrungsmitteln für den Gazastreifen, setzt nach dem Tod von sieben Mitarbeitern bei einem Israel zugeschriebenen Luftangriff seine Tätigkeit vorerst aus. Die Gruppe erklärte, ihre Mitarbeiter hätten ihre Bewegungen im Vorfeld mit dem israelischen Militär abgestimmt. Konteradmiral Daniel Hagari, der oberste Sprecher des israelischen Militärs, drückte sein „aufrichtiges Bedauern“ aus und sagte, man prüfe die Umstände des Vorfalls.

Helfer nach tödlichem Vorfall in Gaza: Jeder fühlt sich jetzt bedroht

GAZA (dpa-AFX) – Der Tod von ausländischen Helfern im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff stellt Medienberichten zufolge die weitere Versorgung der Menschen in dem Kriegsgebiet infrage. „Jeder fühlt sich jetzt bedroht“, zitierte die „New York Times“ am Dienstag (Ortszeit) Michael Capponi, Gründer der Hilfsorganisation Global Empowerment Mission. Es müsse der internationalen Gemeinschaft von Nichtregierungsorganisationen „garantiert werden, dass wir bei unserer Arbeit, die so wichtig ist, sicher sind“, forderte Capponi. Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) hatte am Dienstag den Tod von sieben ihrer Mitarbeiter bestätigt. Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi sprach in der Nacht zum Mittwoch von einem „schweren Fehler“ des Militärs und drückte sein Bedauern dafür aus.

Israel riskiere, am Ende ohne Partner für die Bereitstellung und Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen dazustehen, zitierte die „Times of Israel“ einen Beamten der US-Regierung. Tess Ingram, Sprecherin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef), sagte der Zeitung „New York Times“, sie hoffe, dass der Tod der Mitarbeiter von WCK im Gazastreifen „die Welt dazu bringen wird, zu erkennen, dass das, was hier passiert, nicht in Ordnung ist“. „Die Nachricht von dem Angriff ist entsetzlich – ein wahr gewordener Albtraum für uns“, sagte Soraya Ali, Sprecherin der Organisation Save the Children, der US-Zeitung.

Auch die US-Regierung hatte empört auf den Tod der Helfer von World Central Kitchen reagiert und von Israel eindringlich Aufklärung gefordert. „Mehr als 200 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden in diesem Konflikt getötet, der damit zu einem der schlimmsten Konflikte für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der jüngeren Geschichte zählt“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Dienstag.

In komplexen Konfliktgebieten wie dem Gazastreifen teilten die Vereinten Nationen und andere Hilfsorganisationen den Kriegsparteien freiwillig die Koordinaten ihrer Büros, Lagerhäuser und anderer Einrichtungen mit, um zu vermeiden, dass sie versehentlich getroffen werden, schrieb das „Wall Street Journal“. Einsätze im nördlichen Gazastreifen, der als besonders risikoreich gilt, müssten von der für die Koordinierung von Hilfe zuständigen israelischen Militärbehörde Cogat genehmigt werden. Die meisten Anträge würden abgelehnt. Dennoch seien bereits mehrfach Hilfskonvois in Gaza angegriffen worden, hieß es. Es sei nicht klar, warum der sogenannte „Deconfliction“-Mechanismus wiederholt versagt habe, um die Sicherheit der Helfer zu gewährleisten, schrieb die US-Zeitung weiter./ln/DP/zb

Gaza: WHO verurteilt Zerstörung von Al-Schifa-Krankenhaus

Gaza – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Zerstörung der Al-Schifa-Klinik im Gazastreifen deutlich kritisiert. „Die Zerstörung des Al-Shifa-Krankenhauses – der größten Gesundheitseinrichtung von Gaza – hat dem Gesundheitssystem das Herzstück gerissen“, schrieb die zuständige Regionalabteilung der UN-Organisation auf der Plattform X. „Wir wiederholen: Die Gesundheit darf nicht militarisiert oder angegriffen werden.“

Die Bemühungen der WHO und ihrer Partner um die Wiederherstellung von Gesundheitsleistungen seien gescheitert, hieß es. Über 21 Patienten seien bei dem Kämpfen in der Klinik gestorben.

Das Krankenhaus hatte laut WHO ursprünglich 750 Betten, 25 Operationssäle und 30 Intensivstationsräume. In einem von der WHO veröffentlichten Video sagte der Direktor der Klinik, Marwan Abu Saadah, es sei nicht mehr möglich, unter den aktuellen Bedingungen das Krankenhaus zu betreiben. „Der medizinische Komplex Al Shifa ist für immer verloren.“ Von ursprünglich 36 Krankenhäusern im Gazastreifen bleiben der UN-Organisation zufolge nur noch zehn in einem funktionsfähigen Zustand.

Die Weltgesundheitsorganisation hatte Israel in den vergangenen Tagen immer wieder aufgefordert, die Belagerung zu beenden. Am Ostersonntag schrieb WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, unter den Patienten seien vier Kinder und 28 Patienten in kritischem Zustand, denen die notwendige Pflege fehle. „Keine Windeln, Urinbeutel, Wasser zum Reinigen von Wunden. Viele haben infizierte Wunden und sind dehydriert“, so Tedros. „Seit gestern gibt es nur noch eine Flasche Wasser pro 15 Personen. Aufgrund extrem unhygienischer Bedingungen und Wassermangel breiten sich ansteckende Krankheiten aus.“ Tedros hatte zudem vorgeschlagen, einen humanitären Korridor einzurichten, um die Patienten zu verlegen.

Gaza und Ukraine übersät mit Blindgängern / Internationaler Anti-Minentag am 4. April

München (ots) – Anlässlich des Internationalen Tages zur Aufklärung über die Minengefahr am 4. April weist die humanitäre Hilfsorganisation Handicap International (HI) auf die hohe Anzahl an Minen und Blindgängern hin, die vor allem den Gazastreifen, die Ukraine und auch Syrien kontaminieren. Nicht explodierte Sprengkörper bedrohen die Zivilbevölkerung, behindern humanitäre Hilfe und verhindern den Wiederaufbau.

Minen und explosive Kriegsreste stellen eine Bedrohung für das Leben und Wohlergehen der Zivilbevölkerung dar, verursachen Verletzungen und Todesfälle und hindern Menschen daran, Häuser, Felder und Straßen zu nutzen. „Es wird Jahrzehnte dauern, bis nach Ende eines Konflikts ein sicheres Leben wieder möglich sein wird. Die Blindgänger werden zweifellos noch viele Jahre lang zu weiteren Verlusten an Menschenleben, Gliedmaßen und zu psychologischen Traumata führen“, betont Dr. Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland.

Ein Leben mit Minen: Ukraine, Gaza, Syrien

Die Ukraine gilt derzeit als eines der am stärksten mit Landminen und explosiven Kriegsresten verseuchten Länder der Welt. Die Regierung der Ukraine schätzt, dass 174.000 km2 (oder fast 29 %) des ukrainischen Territoriums auf Kontamination untersucht werden müssen. Im Gazastreifen ist das Ausmaß der Kontamination mit explosiven Kriegsresten derzeit noch kaum abzuschätzen. Experten von HI haben bereits erste Untersuchungen vor Ort durchgeführt. Angesichts der Intensität der Bombardierungen in den letzten Monaten rechnen sie mit einer erheblichen Zunahme von Blindgängern. Auch Syrien ist weiterhin stark kontaminiert. Stand Oktober 2023 gab es weltweit in 60 Staaten und Gebieten nachweislich eine Bedrohung durch Antipersonen-Minen. Allein Syrien, Ukraine und Gaza von Minen und Blindgängern zu befreien, ist eine gigantische Herausforderung, die wohl mehrere Generationen dauern wird.



Aufklärung vor der Minen-Gefahr in Schulen und Gemeinden

Die Teams von Handicap International führen derzeit humanitäre Minenräumung in Ländern wie zum Beispiel Syrien, Senegal oder Kolumbien durch. „Darüber hinaus klären unsere Expert*innen in über 30 Projekten in diesen und weiteren Ländern die Zivilbevölkerung vor den Gefahren auf“, erklärt Fischer. „So gehen wir in der Ukraine beispielsweise in Schulen und Gemeindezentren, um vor den Risiken durch Minen, Sprengfallen sowie Blindgängern zu warnen und Unfälle zu vermeiden. Wir müssen vor allem die Kinder schützen“, betont Fischer. Dabei zeigen die HI-Aufklärungsteams mit Broschüren, Postern und Faltblättern, wie Minen aussehen. „Wir erklären den Kindern, dass sie auf Drähte oder metallische Reste aufpassen müssen. Und vor allem, dass sie nicht in den Trümmerbergen spielen dürfen“, so Fischer.

Friedensnobelpreis für den Kampf gegen Minen

1997 wurde das Verbot von Antipersonen-Minen mit dem Ottawa-Abkommen beschlossen. Kurz darauf wurde die von Handicap International (HI) mit gegründete Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) mit dem Friedensnobelpreis für ihre „Rolle bei der Förderung der internationalen Bemühungen um ein vollständiges Verbot von Antipersonen-Minen“ ausgezeichnet.

Pressekontakt:

Huberta von Roedern
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mail: h.vonroedern@hi.org
Tel.: +49 89/54 76 06 34
Mobil: +49 151 73 02 32 06
www.handicap-international.de

Original-Content von: Handicap International e.V., übermittelt durch news aktuell
Originalmeldung: https://www.presseportal.de/pm/16206/5748374

Schätzung: 18,5 Milliarden Dollar Sachschaden im Gazastreifen

WASHINGTON (dpa-AFX) – Der Gaza-Krieg hat einer Schätzung der Weltbank und der Vereinten Nationen zufolge in dem abgeriegelten Küstenstreifen einen Sachschaden in zweistelliger Milliardenhöhe verursacht. Die Institutionen bezifferten den Schaden an der kritischen Infrastruktur im Gazastreifen mit rund 18,5 Milliarden US-Dollar (rund 17,2 Milliarden Euro), wie aus einem am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Bericht hervorgeht. Dies entspricht den Angaben zufolge 97 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Gazastreifen und Westjordanland im Jahr 2022. In dem Bericht erfasst worden seien Schäden, die zwischen Oktober 2023 und Ende Januar 2024 entstanden seien, hieß es.

Dem Bericht zufolge machten Schäden an Wohngebäuden 72 Prozent des Gesamtschadens aus. Knapp zehn Prozent der Schäden betrafen demnach Nichtwohngebäude und knapp 20 Prozent die Infrastruktur wie Straßen oder Strom- und Wasserversorgung. Die Zerstörungen hätten in dem Zeitraum schätzungsweise 26 Millionen Tonnen Schutt und Trümmer hinterlassen, deren Beseitigung noch Jahre dauern dürfte.

Der Bericht befasst sich auch mit den Auswirkungen auf die Menschen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens stehe „am Rande einer Hungersnot“ und die gesamte Bevölkerung leide unter akuter Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung. Mehr als eine Million Menschen seien obdachlos, 75 Prozent der Bevölkerung seien vertrieben worden. Frauen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen treffe der Krieg am schlimmsten./trö/DP/he

ANALYSE – Angst vor großer Eskalation in Nahost nach Schlag in Damaskus – Frage & Antwort

Tote Zivilisten bei einem Angriff auf einen Hilfskonvoi in Gaza, zwei tote iranische Generäle in Damaskus – der Konflikt in Nahost droht erneut zu eskalieren. Ein Frage & Antwort aus Jerusalem

Im Nahen Osten droht die Situation weiter außer Kontrolle zu geraten: Im Gazastreifen wurde ein Hilfskonvoi getroffen, in Syrien starben vermutlich zwei iranische Generäle bei israelischen Angriffen, und Al Jazeera wird in Israel verboten. DER STANDARD versucht, die wichtigsten Fragen dazu zu beantworten.

Frage: Mindestens sieben Tote bei einer Hilfsaktion in Gaza: Nach einem mutmaßlichen Luftschlag auf Autos der NGO World Central Kitchen in Gaza ist die Empörung groß. Hat Israels Armee tatsächlich die Hilfsorganisation angegriffen?

Antwort: Videos zeigen ein ausgebranntes Auto und einen Wagen mit dem Logo der humanitären NGO World Central Kitchen mit einem Einschlagloch im Autodach. Die Autos begleiteten kurz nach Mitternacht eine Nahrungsmittellieferung bei Deir Al-Balah. Der Transport war laut der NGO mit dem israelischen Militär koordiniert. Israels Armee bezeichnet den Vorfall in einem Pressestatement als „tragischen Zwischenfall“, den man einer „gründlichen Untersuchung auf höchster Ebene“ zuführe. Premier Benjamin Netanjahu nannte den Vorfall „unbeabsichtigt und tragisch“. Man habe „unbeabsichtigt Unschuldige getroffen – das passiert in Zeiten des Krieges“.

Es ist nicht das erste Mal in diesem Gazakrieg, dass Zivilisten im Zuge von Hilfskonvois zu Tode kommen. Erstmals sind unter den Opfern aber auch ausländische Helfer – etwa aus den USA, Kanada, Großbritannien und Polen. Zusätzlich zu einer Debatte über mögliche Völkerrechtsverstöße sind daher auch diplomatische Verstimmungen mit den jeweiligen Herkunftsstaaten der humanitären Helfer zu erwarten.

In Reaktion auf den Angriff teilte die World Central Kitchen mit, die Arbeit in der Region werde vorerst pausiert. Wie und ob es weitergehen kann, ist unsicher. Die Regierung Zyperns, von wo aus die Hilfsschiffe starten, gab am Dienstag bekannt, dass Boote der World Central Kitchen mit 240 Tonnen Lebensmitteln für Gaza an Bord wieder umgedreht hätten.

Frage: Bei einer Explosion nahe der iranischen Botschaft in Damaskus wurden laut syrischen und iranischen Angaben zwei iranische Generäle, fünf Mitglieder der Revolutionsgarden (IRGC) sowie sechs syrische Staatsbürger getötet. Warum ist das relevant?

https://5dc13f32bd1f5e52ee4999e47029a950.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-40/html/container.html Antwort: Immer wieder greift Israel iranische Ziele in Syrien an. Bei dem Schlag in Damaskus am Montagnachmittag soll es sich jedoch gleich um zwei wichtige Köpfe und fünf weitere Mitglieder der Revolutionsgarden handeln. Unter anderem nennen iranische Quellen Mohammad Reza Zahedi, der als iranischer Top-Mann in Syrien gilt.

Frage: Iran und Syrien nannten sofort Israel als verantwortlich für den Schlag. Ist das gesichert?

Antwort: Dass Israel hinter dem konkreten Schlag steckt, ist wahrscheinlich, aber nicht objektivierbar. Israel kommentiert solche Schläge in der Regel nicht. Die „New York Times“ nennt in einem aktuellen Bericht aber vier verschiedene verlässliche israelische Quellen, die bestätigen, dass Israel dahintersteckt. Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte am Dienstag, Israel operiere „überall, jeden Tag, um zu verhindern, dass unsere Gegner stärker werden“. Jeder im Nahen Osten, der das Land bedrohe, werde einen hohen Preis zahlen.

Frage: Teheran droht nun mit „reziproken Handlungen“. Womit muss man rechnen?

https://5dc13f32bd1f5e52ee4999e47029a950.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-40/html/container.html Antwort: Über einen Mangel an Optionen, was Racheakte gegenüber Israel betrifft, kann Teheran nicht klagen. Als wahrscheinlich gilt eine Kombination von Angriffen in mehreren Sphären: multiple Cyberattacken auf israelische Infrastruktur, Angriffe auf den israelischen Luftraum vom Libanon, aber auch vom Jemen aus, Attacken auf israelische diplomatische Vertretungen in der Welt – die israelischen Geheimdienste sind auf all diese Szenarien eingestellt. Israels Botschaften im Ausland wurden jedoch schon im Laufe des Gazakriegs mit zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Für besonderes Aufsehen sorgte, dass am Dienstag auch der geistliche Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, persönlich mit Vergeltung drohte.

Frage: Was bezweckt Israel mit solchen Schlägen, die eine weitere Eskalation in der Region nach sich ziehen könnten?

Antwort: Es geht um zwei Faktoren: Erstens antwortet Israel seinerseits auf eskalierende Schritte der Iran-treuen Milizen – so etwa einen Drohnenangriff in der südisraelischen Stadt Eilat. Auch an der Grenze zum Libanon häuften sich die Angriffe auf israelische Städte und Dörfer zuletzt wieder. Die Armee versucht, durch die Schläge ein Gleichgewicht der Abschreckung wiederherzustellen. Das erklärt aber wohl nur den Zeitpunkt der Attacke. Wahrscheinlich ist, dass der Schlag auch ganz unabhängig vom aktuellen Krieg stattgefunden hätte und auf Planungen zurückgeht, die vor dem 7. Oktober datieren. Das längerfristige Ziel der israelischen Iran-Strategie ist es, Teherans Infrastruktur personell zu schwächen. Der Schlag in Damaskus war eine Etappe auf diesem Weg.

Frage: Auf Kritik stößt Israels Entscheidung, den TV-Sender Al Jazeera zu schließen. Was steckt dahinter?

https://5dc13f32bd1f5e52ee4999e47029a950.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-40/html/container.html Antwort: Israel beschuldigt Al Jazeera, Falschinformationen und Hetze im Gazakrieg zu veröffentlichen. Im Eilverfahren wurde daher ein Gesetz verabschiedet, das es der Regierung ermöglicht, per Erlass einen Sender mitsamt Sendeinfrastruktur zu schließen, wenn dessen Inhalte Israels Sicherheit zu gefährden drohen. Der Sender mit Hauptquartier in Katar ist auch für viele Palästinenser und israelische Araber eine wichtige Informationsquelle im Krieg, da er seinen Fokus auf palästinensische Opfer legt – die wiederum in der Berichterstattung der israelischen TV-Sender eine untergeordnete Rolle spielen. Das Gesetz wird auch von israelischen zivilgesellschaftlichen NGOs scharf kritisiert und als Teil demokratiefeindlicher Medienzensur gesehen. Anzunehmen ist, dass das Gesetz vor dem Obersten Gerichtshof landet – mit unklarem Ausgang. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 2.4.2024)

Hinweis: Dieser Text wird laufend aktualisiert.

Mehr dazu:

Angst vor großer Eskalation in Nahost nach Schlag in Damaskus

World Central Kitchen: Eine Suppenküche für die Welt wird zum Kriegsopfer

UKRAINE

n-tv aktuell UKRAINE

+++ 08:34 Reisner: „Eindruck drängt sich auf, dass die Welt aus den Fugen gerät“ +++
In der Ukraine scheint ein Ende der Gefechte nicht absehbar. Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer erklärt, warum es demnächst dennoch eine kurze Verschnaufpause geben dürfte und wo er in Europa die „Frontlinie des neuen Kalten Krieges“ sieht.

Reisner zu „neuem Kalten Krieg“ „Eindruck drängt sich auf, dass Welt aus Fugen gerät“

+++ 08:13 ISW sieht derzeit keine größere russische Offensive +++
Die russischen Invasoren haben in diesem Jahr laut Auswertungen vom Institut für Kriegsstudien (ISW) rund 305 Quadratkilometer ukrainisches Territorium neu besetzt. Das entspricht ungefähr der Fläche von Dortmund. Die Ukraine hat insgesamt eine Fläche von rund 600.000 Quadratkilometern, wovon die russischen Streitkräfte circa ein Fünftel besetzt halten. Das ISW sieht angesichts des eher geringen Vormarschtempos derzeit keine größere russische Offensive laufen. Aufgrund der schlechten Ausstattung von Kiews Streitkräften an manchen Frontabschnitten bestehe jedoch die Gefahr von bedeutsamen Geländegewinnen. In diesen Sektoren sei das Risiko eines russischen Durchbruchs „erhöht“.

+++ 07:40 USA sollen Moskau vor Anschlag auf die Crocus City Hall gewarnt haben +++
Die USA warnten Russland offenbar davor, dass das Konzerthaus Crocus City Hall in einem Vorort von Moskau ein potenzielles Ziel für einen Terroranschlag sei. Wie die „Washington Post“ berichtet, sei dies mehr als zwei Wochen vor dem Angriff am 22. März geschehen, bei dem mindestens 143 Menschen ums Leben kamen. Unter Berufung auf ungenannte US-Beamte berichtet die Zeitung, dass die USA in ihren Informationen an Moskau die Crocus City Hall ausdrücklich als mögliches ISIS-Ziel genannt haben. Der Bericht stellt die Behauptung des Kreml infrage, die US-Warnungen seien zu „allgemein“ gewesen, um einen Angriff zu verhindern. Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete westliche Warnungen vor möglichen Terroranschlägen wenige Tage vor der Massenerschießung öffentlich als „reine Erpressung“ und als Versuch, „unsere Gesellschaft zu destabilisieren“.

+++ 07:07 ISW: „Bedeutender Wendepunkt“ bei Kiews Fähigkeiten, im russischen Hinterland zuzuschlagen +++
Der ukrainische Drohnenangriff auf Industrieanlagen in der russischen Republik Tatarstan zeigt die Fähigkeiten Kiews, weitreichende Angriffe tief auf russischem Territorium durchzuführen. Dies schreibt das Institute for the Study of War (ISW) in seinem jüngsten Bericht. „Die Entfernung der Ziele von der ukrainischen Grenze stellt einen bedeutenden Wendepunkt in der nachgewiesenen Fähigkeit der Ukraine dar, Angriffe mit großer Reichweite weit in das russische Hinterland hinein durchzuführen“, so das ISW. Gestern hatten ukrainische Drohnen laut dem Militärgeheimdienst in Kiew Drohnenfabriken in den tatarischen Städten Jelabuga und Nischnekamsk angegriffen. Jelabuga liegt 1.200 Kilometer von der russisch-ukrainischen Grenze entfernt. In den vergangenen Wochen hat das ukrainische Militär mit Hilfe von Langstreckendrohnen erfolgreich eine Reihe von russischen Ölraffinerien angegriffen. Der Minister für digitale Transformation, Mykhailo Fedorov, sagte am 1. April, dass die Ukraine Angriffsdrohnen hergestellt hat, die über 1.000 Kilometer weit fliegen können.

+++ 06:33 Außenminister von Berlin, Paris und Warschau dringen auf Aufrüstung +++
Angesichts des russischen Krieges dringen die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen auf eine noch stärkere Aufrüstung in Europa. „Wir müssen das gesamte industrielle Potenzial unseres Kontinents nutzen, um unsere militärischen Fähigkeiten zu verbessern“, schreiben Annalena Baerbock, Stéphane Séjourné und Radoslaw Sikorski in einem Gastbeitrag auf der Nachrichtenseite „Politico“. Diese dauerhafte Aufrüstung benötige verbindliche langfristige Verträge mit klaren Zeitplänen, ein „gewisses Maß an Ambitionen“ und feste finanzielle Zusagen sowie Abnahmegarantien der europäischen Regierungen. Ausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung könnten „nur ein Ausgangspunkt“ sein.

Deutschland, Frankreich, Polen Weimarer Dreieck will Europa massiv aufrüsten

+++ 06:02 Bundeswehr-General: Russland nutzt Vakuum in Afrika +++
Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Bernd Schütt, warnt vor einem weiter zunehmenden militärischen Einfluss Russlands in afrikanischen Staaten. Dies zeige, dass internationales Krisenmanagement und die Landes- und Bündnisverteidigung verknüpft seien, sagt der Generalleutnant. „Die Notwendigkeit, beides gleichzeitig militärisch bewältigen zu können, ist eine zentrale Herausforderung, nicht nur für die deutschen Streitkräfte. Eine reine Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung nach dem Motto, das Hemd ist näher als die Hose, wird nicht funktionieren.“ Die übergeordnete russische Intention sieht Schütt als „ein Füllen von sicherheitspolitisch relevanten Lücken“. Schütt sagt weiter: „Dabei geht es nicht darum, die Lage mit einem großen Schlag umzubrechen, sondern stetig zum eigenen Vorteil zu verändern und westlichen Einfluss zurückzudrängen. Dazu nutzt Russland unverzüglich und gezielt das entsprechende Vakuum.“

+++ 03:12 Schoigu: Ukrainische Streitkräfte Richtung Westen zurückgedrängt +++
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu drängt die russische Armee die „ukrainischen Verbände nach Westen zurück“. Laut russischen Medien sagt Schoigu bei einem Treffen von Kommandeuren, die russischen Streitkräfte hätten seit Neujahr 403 Quadratkilometer Territorium erobert und im März die Kontrolle über fünf Städte und Dörfer in der Ostukraine erlangt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij bestreitetdie Aussagen Schoigus in seiner abendlichen Videoansprache.

Reisners Blick auf die Front „Wir erkennen die Frontlinie des neuen Kalten Krieges“

+++ 01:55 Kostin: Russlands Verbrechen weisen Merkmale eines Völkermords auf +++
Der ukrainische Chefankläger Andriy Kostin berichtet, dass Russland nach seinen Erkenntnissen in den besetzten ukrainischen Gebieten Verbrechen begeht, die „Merkmale eines Völkermords“ aufweisen. Kostin erklärt demnach, das Massaker an Zivilisten in der Stadt Butscha, die 2021 einige Zeit von Russland besetzt wurde, gehöre zu den Verbrechen, die im eigenen Land und vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verfolgt werden sollten. Über 125.000 mutmaßliche Kriegsverbrechen durch russische Streitkräfte werden insgesamt von Kostins Büro registriert – Tausende davon sollen in Butscha stattgefunden haben, das vor den Toren Kiews liegt. Ukrainische Staatsanwälte haben nach Angaben von Kostin bereits 25 Russen wegen Kriegsverbrechen in der Region Kiew verurteilt. „Wir sind davon überzeugt, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt, und aus unserer Sicht tragen viele von ihnen die Merkmale eines Völkermords“, sagt er. Russland bestreitet vehement, dass es in der Ukraine Kriegsverbrechen begehe.

+++ 22:16 Russland zerbombt ukrainische Energieanlagen: USA liefern Generatoren +++
Die USA stellen der Ukraine 109 Generatoren und 19 Wärme- und Stromerzeugungsanlagen bereit. Dies teilt die US-Botschafterin in der Ukraine, Bridget Brink, in sozialen Medien mit. Im letzten Monat hat Russland seine Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur wieder verstärkt. Am 22. März starteten die russischen Streitkräfte einen kombinierten Raketen- und Drohnenangriff, bei dem Drohnen, ballistische und Marschflugkörper eingesetzt wurden, um Energieanlagen in zehn Regionen zu treffen. Energieminister Herman Haluschtschenko bezeichnete dies als den größten Angriff auf die Energieinfrastruktur des Landes in seiner Geschichte. Die Angriffe dauern jedoch an und führten immer wieder zu Notabschaltungen.

+++ 22:03 Menschenrechtskommissar geht offiziell von 10.500 toten ukrainischen Zivilisten aus +++
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, geht von mehr als 10.500 im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine getöteten Zivilisten aus. Diese Zahl nennt er in einer aktuellen Rede. Zudem seien mehr als 20.000 ukrainische Zivilisten verletzt worden. Tatsächlich dürfte die Zahl der Opfer deutlich höher liegen. Die ukrainischen Behörden gehen davon aus, dass Tausende Zivilisten allein bei der Belagerung Mariupols in den ersten Kriegsmonaten von russischen Streitkräften getötet wurden.

+++ 21:47 Russland schießt angeblich ukrainische Drohen ab: Dennoch brennt es in Kursk +++
Die russische Luftabwehr schießt nach eigenen Angaben am Abend zwei Drohnen über der Stadt Kursk ab. Das teilt der Gouverneur der Region, Roman Starovoit, mit. „Eine weitere ukrainische Drohne wurde über Kursk abgeschossen“, schreibt er auf Telegram. Der Gouverneur meldete bereits zuvor den Abschuss einer Drohne über dem Gebiet und gab eine Warnung vor einem Drohnenangriff heraus. In sozialen Medien gibt es allerdings Videos, die ein großes Feuer in der Stadt zeigen sollen. Ob es sich dabei tatsächlich um die Folge eines erfolgreichen ukrainischen Angriffs handelt oder aber Trümmerteile abgeschossener Drohnen den Brand verursacht haben, ist unklar.

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ROUNDUP: Ukraine mobilisiert mehr Reservisten – Die Nacht im Überblick

KIEW (dpa-AFX) – In der Ukraine können Reservisten künftig bereits ab einem Alter von 25 statt bisher 27 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Am Dienstag wurde ein entsprechender Eintrag auf der Parlamentsseite veröffentlicht. Ausgehend von den Geburtenziffern Ende der 1990er-Jahre könnten damit gut 400 000 weitere Männer zur Verteidigung gegen die russischen Angreifer eingezogen werden.

Angesichts der schweren Lage an der Front hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj vor dem Jahreswechsel den Zusatzbedarf an Soldaten mit bis zu 500 000 angegeben. Armeechef Olexander Syrskyj erklärte wiederum zuletzt, dass die Zahl doch niedriger sei.

Für kommende Woche wird außerdem ein Beschluss erwartet, mit dem die Regeln für eine Mobilmachung verschärft werden.

Selenskyj unterzeichnete am Dienstag zudem ein Gesetz, mit dem die Wehrtauglichkeit angepasst wird. Künftig gibt es demnach nur noch „tauglich“ und „untauglich“. Vormals als „bedingt tauglich“ eingestufte Männer müssen erneut bei der Musterungskommission vorstellig werden. Mit einem dritten Gesetz machte der Staatschef zudem den Weg für ein elektronisches Wehrregister frei.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg.

Verletzte in Dnipro – Kindergarten beschädigt

Infolge eines russischen Raketenangriffs sind in der ukrainischen Großstadt Dnipro offiziellen Angaben zufolge mindestens 18 Menschen verletzt worden. Unter ihnen seien auch fünf Kinder, die nun in Krankenhäusern behandelt würden, teilte der Gouverneur der zentralukrainischen Region, Serhij Lyssak, mit. Präsident Selenskyj erklärte in seiner abendlichen Videoansprache, dass eine Hochschule und ein Kindergarten beschädigt worden seien. Selenskyj forderte vor diesem Hintergrund erneut mehr internationale Hilfe bei der Luftverteidigung.

„Nato Mission Ukraine“: Generalsekretär will Bündnisrolle ausweiten

Die Nato soll nach dem Willen von Generalsekretär Jens Stoltenberg eine deutlich größere Rolle bei der Unterstützung der Ukraine bekommen. Wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten, hat der Norweger dafür unter anderem den Aufbau einer speziellen Nato-Mission für das von Russland angegriffene Land vorgeschlagen. Kernaufgabe der „Nato Mission Ukraine“ würde im Fall einer Zustimmung der Mitgliedstaaten die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte werden. Diese Koordination nehmen derzeit die USA wahr.

Die Idee von Stoltenberg sei es, die Unterstützung der Ukraine weniger abhängig von politischen Entwicklungen in einzelnen Bündnisstaaten zu machen, hieß es. Dies gelte besonders vor dem Hintergrund einer möglichen Rückkehr von Donald Trump als Präsident ins Weiße Haus. Damit verbunden ist die Sorge, dass der Republikaner dann die US-Unterstützung für die Ukraine stark reduzieren oder sogar einstellen könnte.

Blinken pocht in Paris auf weitere Unterstützung für die Ukraine

US-Außenminister Antony Blinken hat in Paris auf eine weitere Unterstützung der Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs gepocht. „Wir haben einen kritischen Moment erreicht, in dem es absolut entscheidend ist, den Ukrainern weiterhin die Unterstützung zu ihrer Verteidigung zu liefern, die sie benötigen, insbesondere wenn es um Munition und Luftverteidigung geht“, sagte Blinken bei einem Besuch des französischen Rüstungsunternehmen Nexter.

Zur Frage, ob Angriffe auf russische Ölraffinerien die richtige strategische Herangehensweise der Ukraine sei, äußerte der US-Außenminister sich zurückhaltend. „Was die Ukraine betrifft, so war es von Anfang an unsere Auffassung und Politik, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um der Ukraine zu helfen, sich gegen diese russische Aggression zu verteidigen“, sagte Blinken. „Gleichzeitig haben wir Angriffe der Ukraine außerhalb ihres Territoriums weder unterstützt noch ermöglicht.“

Russlands Verteidigungsministerium bestätigt neuen Marinechef

Russlands Verteidigungsministerium bestätigte unterdessen Berichte über die Ernennung von Admiral Alexander Moissejew zum neuen Oberbefehlshaber der Marine. Der 61-Jährige, der zuvor die russische Nordflotte leitete, löst damit Nikolai Jewmenow ab, der den Posten seit 2019 bekleidete, wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu bekannt gab.

Moissejews bisherigen Posten als Chef der Nordflotte übernimmt demnach Vizeadmiral Konstantin Kabanzow. Auf ein weiteres Dekret von Präsident Wladimir Putin hin wurde außerdem Vizeadmiral Sergej Pintschuk zum neuen Kommandeur der russischen Schwarzmeerflotte ernannt.

Offizielle Gründe für die Umbesetzung wurden nicht genannt. Im Zuge des von Moskau begonnenen Krieges hat die russische Schwarzmeerflotte allerdings immer wieder schwere Verluste durch ukrainische Angriffe hinnehmen müssen. Nach Angaben Kiews büßte die gegnerische Flotte knapp ein Drittel ihrer Kampfschiffe ein.

Was am Mittwoch wichtig wird

Die Außenminister der Nato-Staaten planen an diesem Mittwoch bei einem Treffen in Brüssel, die Vorbereitungen für den nächsten Bündnisgipfel voranzutreiben. Konkret soll es insbesondere um die Frage gehen, wie die Unterstützung der Ukraine noch schlagkräftiger gestaltet werden kann./haw/DP/zb

Biden warnt Xi vor Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine

In seinem ersten Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping seit dem Gipfeltreffen im November hat US-Präsident Joe Biden die wachsende Besorgnis der USA über Pekings beträchtliche Unterstützung für die russische Rüstungsindustrie zum Ausdruck gebracht. Wie ein hochrangiger US-Regierungsvertreter ausführte, hat China zwar davon abgesehen, tödliche Waffen für Russlands Krieg gegen die Ukraine zu liefern, nachdem die USA wiederholt davor gewarnt hatten, dass ein solcher Schritt eine große Belastung für die Beziehungen zwischen Washington und Peking darstellen würde. China habe jedoch andere Wege gefunden, um Russlands Verteidigungsfähigkeit zu stärken und Moskaus Militärkampagne in der Ukraine indirekt zu unterstützen.

ROUNDUP/Staaten: Russland muss für Aggressions-Krieg gegen Ukraine zahlen

DEN HAAG (dpa-AFX) – Russland muss nach dem Willen von 44 Staaten für Kriegsschäden in der Ukraine bezahlen. Zugleich sollte es wegen des Aggressionskrieges strafrechtlich verfolgt werden. Russland müsse zur Verantwortung gezogen werden, hieß es in einer Erklärung zum Abschluss eines internationalen Ministertreffens in Den Haag am Dienstag.

Minister sowie Vertreter der EU-Kommission und internationaler Justizbehörden hatten auf Einladung der Ukraine und der Niederlande über Möglichkeiten der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen in der Ukraine beraten. Auch Vertreter nichteuropäischer Länder wie die USA, Kanada und Australien nahmen teil. Möglicherweise soll ein internationales Tribunal zur Verfolgung der russischen Aggression errichtet werden.

Am Dienstag wurde das erste Register für Kriegsschäden in Betrieb genommen. Mehr als einhundert Schadenersatzforderungen gingen bis zum Abend ein. „Dies ist der erste Schritt zu voller Entschädigung“, sagte die niederländische Außenministerin Hanke Bruins Slot. Dafür soll Russland aufkommen. Möglicherweise sollen die beschlagnahmten russischen Geldmittel genutzt werden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in einer Videobotschaft die internationale Gemeinschaft gedrängt, sich mit vereinten Kräften für die Verfolgung von russischen Kriegsverbrechen einzusetzen. Die Aggressoren müssten für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Selenskyj. Die Botschaft müsse klar sein: „Gerechtigkeit ist stärker als der Krieg des Kreml.“

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sprach vom „Hunger des ukrainischen Volkes nach Gerechtigkeit“. Er erinnerte an das Massaker an Zivilisten in der Stadt Butscha vor zwei Jahren. Dies sei zum Symbol der russischen Gräuel in der Ukraine geworden. „Die gesamte Welt sah in Butscha dem Bösen ins Auge.“

Mehr als 120 000 mutmaßliche Kriegsverbrechen wurden nach Angaben des ukrainischen Generalstaatsanwaltes Andrij Kostin bisher registriert. 551 Verdächtige seien bisher identifiziert worden, 374 angeklagt und 104 rechtskräftig verurteilt. Doch die Ermittlungen seien schwierig und Spurensuche oft gefährlich, sagte Kostin. „Wir brauchen Ihre Unterstützung.“ Die strafrechtliche Verfolgung sei von weitreichender Bedeutung. „Nur Gerechtigkeit kann den Menschen ihre Würde zurückgeben“, so Kostin.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, Karim Khan, sprach von einer beispiellosen Partnerschaft. „Wir müssen uns dazu verpflichten, den Prozess noch zu beschleunigen“, sagte Khan. Das Weltstrafgericht mit Sitz in Den Haag erließ bereits vier internationale Haftbefehle gegen hochrangige Russen, darunter Präsident Wladimir Putin./ab/DP/he

ROUNDUP/’Nato Mission Ukraine‘: Generalsekretär will Bündnisrolle ausweiten

BRÜSSEL (dpa-AFX) – Die Nato soll nach dem Willen von Generalsekretär Jens Stoltenberg eine deutlich größere Rolle bei der Unterstützung der Ukraine bekommen. Wie mehrere Diplomaten am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur bestätigten, hat der Norweger dafür unter anderem den Aufbau einer speziellen Nato-Mission für das von Russland angegriffene Land vorgeschlagen.

Zudem will er die Bündnispartner dazu bewegen, der Ukraine für die kommenden fünf Jahre militärische Unterstützung im Wert von 100 Milliarden Euro zuzusagen. Gespräche zu den Vorschlägen laufen den Angaben zufolge derzeit im Verteidigungsbündnis. Endgültige Entscheidungen sollen beim Bündnisgipfel im Juli in Washington getroffen werden.

Koordinierung von Waffenlieferungen

Kernaufgabe der „Nato Mission Ukraine“ würde im Fall einer Zustimmung der Mitgliedstaaten die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte werden. Diese Koordination nehmen derzeit die USA wahr. Sie organisieren dazu regelmäßig Treffen auf ihrem Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein oder zum Beispiel in Brüssel.

Die Idee von Stoltenberg sei es, die Unterstützung der Ukraine zu vergemeinschaften, um sie weniger abhängig von politischen Entwicklungen in einzelnen Bündnisstaaten zu machen, hieß es. Dies gelte besonders vor dem Hintergrund einer möglichen Rückkehr von Donald Trump als Präsident ins Weiße Haus. Damit verbunden ist die Sorge, dass der Republikaner dann die US-Unterstützung für die Ukraine stark reduzieren oder sogar einstellen könnte. Um einen Einsatz von Nato-Truppen in der Ukraine gehe es nicht, wurde betont.

Gerechtere Lastenteilung

Details zu dem Vorschlag für das 100-Milliarden-Euro-Paket blieben zunächst offen. Insbesondere die Frage, ob bereits getätigte Unterstützungszusagen von einzelnen Staaten eingerechnet werden sollten oder nicht, blieb unbeantwortet. Diplomaten sagten, es gehe bei dem Vorstoß Stoltenbergs auch um eine gerechtere Lastenteilung bei der Unterstützung der Ukraine. Derzeit ist es so, dass östliche Alliierte sowie Länder wie Deutschland, die Niederlande und die USA im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft deutlich höhere Beiträge leisten als Länder wie Frankreich, Italien und Spanien.

Eine weitere Idee von Stoltenberg ist es den Angaben zufolge, einen Nato-Rahmen für bilaterale Sicherheitsvereinbarungen mit der Ukraine zu schaffen. Details blieben allerdings auch bei diesem Punkt zunächst unklar.

Keine Entscheidungen bei Außenministertreffen

Ein Nato-Sprecher wollte sich am Dienstagabend nicht inhaltlich zu den Vorschlägen äußern. Er sagte lediglich, bei dem Außenministertreffen an diesem Mittwoch und Donnerstag solle darüber diskutiert werden, wie man die Unterstützung der Nato für die Ukraine schlagkräftiger, berechenbar und dauerhaft machen könne. Endgültige Entscheidungen werde es aber noch nicht geben.

Als schwierig gelten die Gespräche auch wegen der Positionierung der Bundesregierung. Insbesondere das Kanzleramt hatte sich in der Vergangenheit immer wieder ablehnend zu Vorschlägen geäußert, die ein stärkeres Nato-Engagement bei der Unterstützung der Ukraine vorsehen. Begründet wurde dies hauptsächlich mit der Sorge vor einer Eskalation und Ausweitung des Ukraine-Kriegs auf Nato-Gebiet. Bis heute werden beispielsweise von der Nato selbst keine tödlichen Waffen an die Ukraine geliefert./aha/DP/jha

Blinken pocht in Paris auf weitere Unterstützung für die Ukraine

PARIS (dpa-AFX) – US-Außenminister Antony Blinken hat in Paris auf eine weitere Unterstützung der Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs gepocht. „Wir haben einen kritischen Moment erreicht, in dem es absolut entscheidend ist, den Ukrainern weiterhin die Unterstützung zu ihrer Verteidigung zu liefern, die sie benötigen, insbesondere wenn es um Munition und Luftverteidigung geht“, sagte Blinken am Dienstag bei einem Besuch des französischen Rüstungsunternehmen Nexter gemeinsam mit Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu.

Zur Frage, ob Angriffe auf russische Ölraffinerien die richtige strategische Herangehensweise der Ukraine sei, äußerte der US-Außenminister sich zurückhalten. „Was die Ukraine betrifft, so war es von Anfang an unsere Auffassung und Politik, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um der Ukraine zu helfen, sich gegen diese russische Aggression zu verteidigen“, sagte Blinken. „Gleichzeitig haben wir Angriffe der Ukraine außerhalb ihres Territoriums weder unterstützt noch ermöglicht.“

Blinken appellierte sowohl bei seinem Treffen mit Lecornu als auch nach Gesprächen mit seinem französischen Amtskollegen Stéphane Séjourné von Paris aus an das US-Repräsentantenhaus, das in der Schwebe hängende, milliardenschwere Hilfspaket für die Ukraine endlich freizugeben. Die Hilfe werde jetzt benötigt. Sie sei zugleich eine Investition in die USA, um zu produzieren, was benötigt werde.

Frankreichs Verteidigungsminister kündigte unterdessen an, die Produktionskapazitäten für die Haubitze vom Typ Caesar hochzufahren. Statt zwei würden bereits sechs der Geschütze pro Monat gefertigt, und künftig könnten es zwölf werden, sagte Lecornu.

Nach seinem Treffen mit den beiden Ministern wollte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Abend Blinken empfangen./evs/DP/jha

Ukraine senkt Alter für Einberufung von Reservisten

KIEW (dpa-AFX) – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach langem Zögern zugestimmt, dass Reservisten bereits ab einem Alter von 25 Jahren eingezogen werden können. Bislang waren es 27 Jahre. Damit ist eine Einberufung von zwei weiteren Jahrgängen für den laufenden Krieg mit Russland möglich. Am Dienstag wurde der entsprechende Eintrag auf der Parlamentsseite veröffentlicht. Selenskyj hatte sich vor der Entscheidung neun Monate Bedenkzeit genommen.

Die Regierung hat nach der noch ausstehenden Publikation der Novelle im Amtsblatt ein halbes Jahr Zeit, diese umzusetzen. Ausgehend von den Geburtenziffern Ende der 1990er-Jahre können dann theoretisch gut 400 000 weitere Männer für den Kriegsdienst eingezogen werden. Parallel dazu wird weiterhin für kommende Woche der Beschluss von verschärften Mobilmachungsregeln erwartet.

Das Parlament hatte das Gesetz zum Reservistenalter bereits im Mai vorigen Jahres verabschiedet. Nach der Unterschrift von Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk wurde es im Juni Selenskyj zur Unterschrift vorgelegt. Selenskyj machte jedoch im Dezember geltend, dass er für eine Unterzeichnung noch gewichtige Argumente benötige. Diese Bedenken scheinen nun ausgeräumt worden zu sein.

Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren eine groß angelegte russische Invasion ab. Mit der Verhängung des Kriegsrechts ist Männern im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise mit wenigen Ausnahmen verboten. Eingezogen wurden bisher jedoch nur Männer im Reservistenalter ab 27. Angesichts der schweren Lage an der Front hatte Selenskyj vor dem Jahreswechsel den Zusatzbedarf an Soldaten mit bis zu 500 000 angegeben. Armeechef Olexander Syrskyj erklärte wiederum zuletzt, dass die Zahl doch niedriger sei./ast/DP/jha

Waffenhilfe für Ukraine: Nato-Generalsekretär will Rolle für Bündnis

BRÜSSEL (dpa-AFX) – Die Nato soll nach dem Willen von Generalsekretär Jens Stoltenberg eine deutlich größere Rolle bei der Unterstützung der Ukraine bekommen. Wie mehrere Diplomaten am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur bestätigten, hat der Norweger dafür unter anderem den Aufbau einer speziellen Nato-Mission für das von Russland angegriffene Land vorgeschlagen. Zudem will er die Bündnispartner dazu bewegen, der Ukraine für die kommenden fünf Jahre militärische Unterstützung im Wert von 100 Milliarden Euro zuzusagen. Gespräche zu den Vorschlägen laufen den Angaben zufolge derzeit im Verteidigungsbündnis. Endgültige Entscheidungen sollen beim Bündnisgipfel im Juli in Washington getroffen werden./aha/DP/jha

Artilleriemunition für Ukraine: Deutschland gibt 576 Millionen Euro

BERLIN (dpa-AFX) – Die von Deutschland zugesagte Beteiligung an der tschechischen Munitionsinitiative für die Ukraine wird 576 Millionen Euro kosten. Dies sei der Betrag, der für die Beschaffung von 180 000 Artilleriegranaten gegeben werde, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin am Dienstag. Tschechien will insgesamt 800 000 Granaten in Ländern außerhalb der Europäischen Union einkaufen, um die unter Munitionsmangel leidenden ukrainischen Streitkräfte bei der Verteidigung gegen Russland zu unterstützen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte die deutsche Beteiligung im März nach einem Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein (Pfalz) verkündet./cn/DP/jha

ANALYSE – Exporteinnahmen sind gesunken Ökonom: „Russland geht schon das Geld aus“

Russlands Wirtschaft leidet unter den Sanktionen – wenn auch nicht so stark, wie vom Westen erhofft. Ukrainische Angriffe auf Ölraffinerien setzen ihr zusätzlich zu. Wie Kremlchef Putin ab kommendem Jahr den Ukraine-Krieg finanzieren wolle, sei unklar, sagt der russische Ökonom Igor Lipsiz.

Russland könnte bald Schwierigkeiten haben, seinen Krieg weiter zu finanzieren. Der liquide Teil des Nationalen Wohlfahrtsfonds betrage jetzt noch knapp fünf Billionen Rubel, sagte der russische Wirtschaftsprofessor Igor Lipsiz, der zu den Gründern der Moskauer Hi­gher School of Economics gehörte, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Das sei etwas mehr als das Haushaltsdefizit, das in diesem Jahr drei Billionen Rubel umfassen soll.

Nach Auffassung des Ökonomen gelingt es Russland nicht, den Fonds aufzufüllen, da die Exporteinnahmen unter anderem wegen der Sanktionen und ukrainischen Drohnenangriffe auf Ölraffinerien sinken. Die Ukraine hatte Russlands Energieinfrastruktur in den vergangenen Wochen verstärkt angegriffen, um die russische Kriegslogistik zu schwächen.

Nach Einschätzung des Leiters der Gunvor Group, einem Handelsunternehmen für Rohstoffe, Torbjorn Tornquist, gegenüber dem Nachrichtenportal Bloomberg kosteten diese Drohnenangriffe die russische Wirtschaft in den vergangenen Wochen rund 600.000 Barrel raffiniertes Öl täglich. Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War schrieb kürzlich unter Berufung auf Insider, dass Russland aufgrund der Attacken sogar zunehmend auf Benzinimporte aus Belarus angewiesen sei.

„Die Leute hungern dann eben“

„Tatsächlich geht dem Land schon das Geld aus“, so Lipsiz. „Mir und auch anderen Ökonomen scheint, dass Russland in diesem Jahr den Krieg noch finanzieren kann. Aber danach ist unklar, wo das Geld herkommen soll.“ Lipsiz erwartet auch bei einer wirtschaftlichen Verschlechterung in Russland keine Massenproteste. Auch wenn Nahrungsmittel wie in der Sowjetunion wieder nur mit Marken gekauft werden könnten, werde das Volk es aushalten. „Die Leute hungern dann eben, Rentner nehmen nur noch billige Medikamente und sterben einfach.“

Auf der Suche nach Einnahmequellen gerät auch die russische Elite ins Visier von Kremlchef Wladimir Putin. So sind seit Beginn des Ukraine-Krieges zunehmend Unternehmen enteignet worden. In seiner Rede zur Lage der Nation ruft Putin die Teilnehmer der militärischen Spezialoperation, wie der Krieg in Russland lange Zeit nur genannt wurde, zur neuen Elite aus, die künftig an der Spitze der Konzerne stehen sollen. Diese Aussage sei aber nur eine „Nebelkerze“, sagt Lipsiz. In Wirklichkeit gehe das Vermögen der enteigneten Unternehmen an die Leute, die Putins Macht sichern. Der Ökonom rechnet auch mit keinerlei Widerstand der betroffenen Oligarchen. „Sie werden weinen, aber alles abgeben, und noch glücklich sein, wenn sie nicht ins Gefängnis kommen“, meint er. Quelle: ntv.de, lar

ZENTRALBANKEN

EZB: Inflationserwartungen der Konsumenten im Februar uneinheitlich

Die Inflationserwartungen von Konsumenten im Euroraum haben sich im Februar uneinheitlich entwickelt, lagen aber weiterhin oberhalb des Inflationsziels der EZB von 2 Prozent. Wie aus der jüngsten Konsumentenumfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) hervorgeht, erwarteten die Konsumenten, dass die Verbraucherpreise in den nächsten zwölf Monaten um 3,1 (Januar: 3,3) Prozent steigen werden. Auf Sicht von drei Jahren sahen sie die Inflation weiterhin bei 2,5 Prozent.

MELDUNGEN

DiUSA: Israel für Angriff in Damaskus verantwortlichdpa-AFX
DiÜBERBLICK am Abend /Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
DiAuftragseingang der US-Industrie im Februar gestiegenDow Jones News
DiZahl offener US-Stellen steigt im Februar leichtDow Jones News
DiUSA: Industrieaufträge steigen stärker als erwartetdpa-AFX
DiDeutsche HVPI-Teuerung sinkt im März wie erwartetDow Jones News
DiGroßbritannien: Russland malt zur Täuschung Flugzeuge auf Betondpa-AFX
DiDeutschland: Inflation verliert weiter an Tempodpa-AFX
DiÜBERBLICK am Mittag /Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
DiBanken fragen 3,717 Milliarden Euro weniger EZB-Liquidität nachDow Jones News
DiGroßbritannien: Industriestimmung verbessert sich mehr als erwartetdpa-AFX
DiTABELLE/Inflation in Bundesländern sinkt um 0,4 ProzentpunkteDow Jones News
DiEuroraum-Industrie-PMI für März deutlich nach oben revidiertDow Jones News
DiS&P Global: Deutsche Industrie schrumpft im März stärkerDow Jones News
DiEZB: Inflationserwartungen der Konsumenten im Februar uneinheitlichDow Jones News
DiÜBERBLICK am Morgen/Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
DiPRESSESPIEGEL/Unternehmen: APPLE, EU-VERTEIDIGUNG/RHEINMETALLDow Jones News
DiUSA: Treffen mit Israel zu geplanter Rafah-Offensive in nächsten Tagendpa-AFX

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Auftragseingang der US-Industrie im Februar gestiegen

Der Auftragseingang der US-Industrie hat sich im Februar um 1,4 Prozent gegenüber dem Vormonat erhöht. Volkswirte hatten dagegen mit einem Anstieg von 1,0 Prozent gerechnet. Für den Vormonat ergab sich ein Minus von 3,8 Prozent, wie das US-Handelsministerium weiter mitteilte. Vorläufig war eine Abnahme von 3,6 Prozent berichtet worden. Beim Bestelleingang für langlebige Wirtschaftsgüter meldete das Ministerium für Februar einen Anstieg von 1,3 Prozent nach vorläufig plus 1,4 Prozent. Der Auftragseingang ohne Berücksichtigung des Rüstungssektors stieg um 1,8 Prozent.

Zahl offener US-Stellen steigt im Februar leicht

Die Zahl der offenen Stellen in den USA ist im Februar etwas höher als erwartet gewesen. Wie das Arbeitsministerium im Rahmen seiner Job Openings and Labor Turnover Summary (Jolts) mitteilte, gab es 8,76 (Januar revidiert: 8,75) Millionen offene Stellen. Analysten hatten auf Basis eines vorläufigen Januar-Wertes von 8,86 Millionen einen Rückgang auf 8,75 Millionen prognostiziert. Die Zahl der freiwilligen Kündigungen stieg auf 3,48 (3,45) Millionen und die Zahl der Entlassungen auf 1,72 (1,60) Millionen.

Donald Trump hinterlegt Bürgschaft von 175 Millionen US-Dollar

Donald Trump hat eine Bürgschaft in Höhe von 175 Millionen US-Dollar wie gefordert aufgebracht, um seine zivilrechtliche Verurteilung wegen Betrugs während seines Berufungsverfahrens zu garantieren. Der Schritt bewahrt den Präsidentschaftskandidaten wahrscheinlich davor, seine endgültige Strafe in diesem Fall noch vor den Präsidentschaftswahlen zahlen zu müssen.

Google verpflichtet sich zur Vernichtung von Browsing-Daten

Google plant die Vernichtung von Daten, die das Surfverhalten von Millionen von Nutzern widerspiegeln. Dies ist Teil einer Einigung in einem Rechtsstreit, in dem das Unternehmen beschuldigt wurde, Nutzer ohne deren Wissen zu erfassen. In der Sammelklage, die im Jahr 2020 eingereicht wurde, wurde Google vorgeworfen, die Nutzer darüber in die Irre geführt zu haben, wie der Browser Chrome die Aktivitäten derjenigen verfolgt, die die private Option „Inkognito“ zum Surfen nutzen.

Euroraum-Industrie-PMI für März deutlich nach oben revidiert

Die Aktivität im verarbeitenden Gewerbe des Euroraums hat sich im März nicht ganz so deutlich wie zunächst angenommen abgeschwächt. Der von S&P Global erhobene Einkaufsmanagerindex (PMI) sank in zweiter Veröffentlichung nur auf 46,1 (Februar: 46,5) Punkte. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten eine Bestätigung der in erster Veröffentlichung gemeldeten 45,7 Punkte prognostiziert.

Ist die Europäische Union fit für die Zukunft? – Euronews, 31.3.2024

Einige fordern eine Reform der EU-Institutionen, um die Union effizienter und demokratischer zu machen und sie besser an die Herausforderungen der heutigen Zeit anzupassen.

15 Jahre sind seit der letzten Aktualisierung eines Vertrags der Europäischen Union vergangen. Der 2007 unterzeichnete und 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon klärte unter anderem die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, verlieh der EU eine eigene Rechtspersönlichkeit und sah zum ersten Mal ein formelles Verfahren für den Austritt eines Mitgliedstaates aus der Union vor.

Seitdem ist die **EU-**Erweiterung eine der Begründungen, die regelmäßig von den Befürwortern einer Reform der Institutionen, der Verträge und des EU-Haushalts angeführt wird, aber bei weitem nicht die einzige. Krieg in der Ukraine, digitaler und energiepolitischer Wandel, Kampf gegen die Klimaerwärmung und soziale Ungleichheit – all diese globalen Herausforderungen erfordern eine größere Handlungsfähigkeit der EU, so die Europäische Stiftung für progressive Studien in ihrem Bericht „EU Treaties: Why they need targeted changes“.

Die Erweiterung und interne Reformen standen in den letzten Jahren regelmäßig auf der Agenda der EU-Institutionen. Ende November gab das Europäische Parlament grünes Licht für Vorschläge zur Reform der EU-Verträge. Anfang Oktober rief die Präsidentin der Kommission, Ursula Von der Leyen, auf dem Gipfeltreffen in Granada dazu auf, mit der Erweiterung der EU nicht auf eine Änderung der Verträge zu warten. Auch auf der Konferenz über die Zukunft Europas, einer Reihe von Debatten, die von 2021 bis 2022 durchgeführt wurden, formulierten die Bürger:innen Empfehlungen und Vorschläge zur Zukunft der Union.

Konkret: Welche Reformvorschläge wurden gemacht? Wie würden sie angenommen werden? Hier sind sieben Schlüsselbereiche, die reformiert werden sollen.

1. Entscheidungsfindung und Erweiterung

Zunächst fordern die Europaabgeordneten eine Änderung der Abstimmungsmechanismen im Rat. Um eine Blockade der Institutionen zu vermeiden, fordern sie eine allgemeine Einführung der qualifizierten Mehrheit in allen Bereichen, in denen noch Einstimmigkeit erforderlich ist.

Derzeit wird eine qualifizierte Mehrheit erreicht, wenn mindestens 55% der Mitgliedstaaten (**d.**h. 15 von 27 Staaten) dafür stimmen und wenn diese Mitgliedstaaten mindestens 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Wir müssen zu Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit übergehen, da wir sonst gelähmt sind. Das gilt für das auswärtige Handeln. Das gilt für die Steuerpolitik. Das gilt auch für die Sozialpolitik.

Maria João Rodrigues

Vorsitzende der Europäischen Stiftung für Progressive Studien

Die Europaabgeordneten fordern darüber hinaus ein stärkeres Zweikammersystem, das die Rolle des Parlaments stärkt, sowie eine Umkehrung der derzeitigen Rollen bei der Wahl des Kommissionspräsidenten: In Zukunft würde das Parlament den Kommissionspräsidenten vorschlagen und der Rat ihn bestätigen.

Um die EU-Institutionen auf die Erweiterung vorzubereiten, befürwortet die „Gruppe der Zwölf“, eine deutsch-französische Arbeitsgruppe zu institutionellen Reformen, ihrerseits die Abschaffung des Vetorechts im Bereich der Außenpolitik, die Beibehaltung einer Höchstzahl von 751 Europaabgeordneten und die Ausweitung des Trio-Formats auf fünf Präsidentschaften im Rat der EU.

2. Frieden und Sicherheit

Der Krieg in der Ukraine hat darüber hinaus „die Reichweite und die Grenzen der Macht der Europäischen Union“ aufgezeigt, so die European Foundation for Progressive Studies in ihrem Bericht. Die Mitgliedstaaten haben zwar eine Reihe von Sanktionen gegen Russland verhängt und die Ukraine wirtschaftlich, militärisch und humanitär unterstützt, doch der Krieg hat gezeigt, dass sie nicht in der Lage waren, die Krise zu antizipieren, dass sie für ihre eigene Verteidigung von den USA abhängig sind und dass sie auf russische Gasimporte angewiesen sind.

Wir haben es hier mit einem anderen internationalen Kontext zu tun. Europa muss seine Fähigkeit zur Selbstverteidigung und zur Unterstützung der Ukraine erhöhen.

Maria João Rodrigues

Vorsitzende der Europäischen Stiftung für Progressive Studien

Daher schlagen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments vor, eine Verteidigungsunion mit militärischen Fähigkeiten zu schaffen.

3. Festigung der Rechtsstaatlichkeit

Eine der größten Schwächen der Europäischen Union in den letzten Jahren war, dass sie nicht in der Lage war, die Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten zu schützen.

Daniela Schwarzer

Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung

Die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimität der EU könnte durch institutionelle Reformen gestärkt werden. Um dies zu erreichen, empfehlen die Autoren des Berichts „Segeln auf hoher See: Reform und Erweiterung der EU im 21. Jahrhundert“, die Haushaltskonditionalität zu erhöhen und Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) zu verbessern, der es ermöglicht, die Stimmrechte eines Mitgliedstaats im Rat auszusetzen, wenn dieser seine Grundwerte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte nicht respektiert.

Artikel 7 wurde erstmals 2017 von der Europäischen Kommission gegen Polen eingesetzt, als Warschau eine Reform plante, die die Unabhängigkeit der Justiz bedrohte. Im Jahr 2018 wurde das gleiche Verfahren gegen Ungarn eingeleitet, nachdem es Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz, der Meinungsfreiheit, der Korruption und der Minderheitenrechte geäußert hatte. Da Artikel 7 von einem einstimmigen Beschluss mit nur einer Stimme im Rat abhängig gemacht wurde, kam er nie zum Tragen.

Artikel 7 hat einfach deshalb nicht funktioniert, weil, wenn ein Land beschuldigt wird, diese Regeln zu verletzen, es ausreicht, dass ein anderes Land die Beschlussfassung gegen dieses Land blockiert. Ungarn und Polen haben sich in den letzten Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten gegenseitig geschützt„, sagt Daniela Schwarzer, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.

4. Störung des Klimawandels

Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU enthält bereits einen Verweis auf den Umweltschutz. Zusätzlich forderten die Europaabgeordneten, die Verringerung der globalen Erwärmung und den Schutz der biologischen Vielfalt als Ziele der Union hinzuzufügen. Die Europäische Stiftung für progressive Studien schlägt außerdem vor, eine neue ausschließliche Zuständigkeit der EU für die internationale Klimapolitik einzuführen, die es der Union ermöglichen würde, Umweltregeln mit einer Stimme auszuhandeln.

Europa muss eine Schlüsselrolle bei der Verbesserung der globalen Steuerung im Kampf gegen den Klimawandel spielen.

Maria João Rodrigues

Vorsitzende der Europäischen Stiftung für Progressive Studien

5. Energiewende

Der Anstieg der Energiepreise nach dem Krieg in der Ukraine hat die Abhängigkeit einiger europäischer Länder von russischem Gas verdeutlicht.

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments schlagen unter anderem die Schaffung einer integrierten Europäischen Energieunion vor, um eine stabile, erschwingliche und nachhaltige Energieversorgung der Europäer:innen zu gewährleisten. Diese Strategie beruht auf fünf Säulen: Energiesicherheit, ein integrierter Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Dekarbonisierung der Wirtschaft sowie Forschung und Wirtschaft.

Es wäre sehr hilfreich, die EU im Hinblick auf die Energieversorgung weiter zu stärken. Eine gemeinsame Gasplattform ist eine sehr gute Idee, aber es kann noch mehr getan werden.

Daniela Schwarzer

Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung

6. Digitale Transformation

Im Vertrag von Lissabon wird der Begriff „digital“ nicht erwähnt. Daher muss der Text aktualisiert werden, finden viele Experten.

Die Europäische Union muss durch die Regulierung und Bereitstellung öffentlicher digitaler Infrastrukturen und Plattformen (…) zur Schaffung eines sicheren globalen digitalen Raums beitragen.

Daniela Schwarzer

Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung

Die Europäische Union hat bereits wichtige Texte zum Thema Digitalisierung verabschiedet. Der Digital Markets Act (DMA) ist beispielsweise ein Rahmen für die wirtschaftliche Tätigkeit großer digitaler Plattformen wie YouTube, Facebook, Amazon oder Microsoft in der Europäischen Union. Die Allgemeine Datenschutzverordnung (GDPR) hingegen schützt die persönlichen Daten der Nutzer. Laut den Autor:innen des Berichts „EU-Verträge: Warum sie gezielte Änderungen brauchen“ sollte die Digitalisierung eine zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit sein, um den Zugang zum Internet, das Recht auf Abschaltung, digitale Bildung, das Recht, ohne digitale Technologien zu leben, oder das Recht auf eine sichere Umgebung zu gewährleisten.

7. Gesundheit

Schließlich hat die Covid-19-Pandemie einen Bedarf an europaweiter Koordinierung und Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich gezeigt.

Eine Gesundheitskrise, die per definitionem transnational ist und nicht an Grenzen Halt macht, erfordert ein gemeinsames Vorgehen.

Daniela Schwarzer

Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung

Ein europäischer Raum für Gesundheitsdaten, ein gleichberechtigter Zugang zur Gesundheitsversorgung innerhalb der EU, gemeinsame Beschaffung von Impfstoffen und Arzneimitteln, Umgang mit seltenen Krankheiten oder Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten … all das sind öffentliche Güter, die laut der Europäischen Stiftung für progressive Studien auf europäischer Ebene entwickelt werden könnten, wenn die Kompetenzen der EU erweitert würden.

Doch einige Gegner solcher Reformen sind unter anderem der Ansicht, dass diese Kompetenzen den Staaten zustehen, und fordern mehr nationale Souveränität. Andere sind der Ansicht, dass Vertragsänderungen unnötig seien, weil die Texte bereits einen Teil dieser Maßnahmen ermöglichen.

Wie werden die Verträge geändert?

1. Ordentliches Revisionsverfahren

Die Regierung eines Mitgliedstaates, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission können dem Rat der Europäischen Union (bestehend aus den Ministern der Regierungen der Mitgliedstaaten) einen Vorschlag zur Änderung der Verträge vorlegen.

Der Rat der Europäischen Union legt diese Vorschläge wiederum dem Europäischen Rat (bestehend aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten) vor, dessen Präsident sich für die Einberufung eines Konvents entscheiden kann.

Eine Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten wird dann vom Präsidenten des Europäischen Rates einberufen, um die vorgeschlagenen Vertragsänderungen per Konsens anzunehmen. Diese Änderungen müssen dann von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden.

2. Vereinfachtes Revisionsverfahren

Der Vertrag von Lissabon schafft ein vereinfachtes Verfahren zur Änderung der internen Politikbereiche und Maßnahmen der EU.

Dieses Verfahren vermeidet die Einberufung des Konvents und der Konferenz der Vertreter. Änderungen der Verträge müssen von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden.

3. Die Brückenklauseln

Die Brückenklauseln sind ein zweites vereinfachtes Revisionsverfahren, das in zwei Fällen angewendet wird.

Bei Gesetzgebungsakten, die vom Rat der EU einstimmig angenommen wurden, kann der Europäische Rat den Rat ermächtigen, mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen.

Für Gesetzgebungsakte, die vom Rat der EU nach einem besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden, kann der Europäische Rat die Anwendung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gestatten.

DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN

Linke rutscht dramatisch ab, Scholz kommt Merz näher

Im neuen Trendbarometer fällt die Linkspartei unter den Wert von drei Prozent – und wird damit wie die Freien Wähler den sonstigen Parteien zugeordnet. Das Wagenknecht-Bündnis wächst vor allem auf Kosten der Linken, nicht der AfD. Der Aufwärtstrend für Olaf Scholz setzt sich derweil fort.

Der Abwärtstrend der Linkspartei setzt sich fort. Im neuen RTL/ntv-Trendbarometer liegt die Partei unter dem Wert von 3 Prozent, wo sie noch in der Vorwoche lag, und wird damit vom Institut Forsa den sonstigen Parteien zugeschlagen. Die Partei leidet offenkundig massiv unter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die neu gegründete Partei hat offenbar vor allem Stimmen der Linken gewonnen, weniger der AfD. Weil auch die Freien Wähler unter 3 Prozent fallen, springt der Anteil der Sonstigen von 8 auf 14 Prozent. Die großen Parteien stehen die dritte Woche in Folge unverändert da, was für die Ampel-Parteien keine gute Nachricht ist.

Würde der Bundestag in dieser Woche gewählt, könnten die Parteien mit folgendem Ergebnis rechnen: CDU/CSU 31 Prozent (Bundestagswahl im September 2021: 24,1 Prozent), AfD 17 Prozent (10,3 Prozent), SPD 16 Prozent (25,7 Prozent), Grüne 13 Prozent (14,8 Prozent), BSW 5 Prozent (-), FDP 4 Prozent (11,5 Prozent). Der Anteil der Nichtwähler und Unentschlossenen liegt mit 24 Prozent unverändert leicht über dem Anteil der Nichtwähler bei der letzten Bundestagswahl (23,4 Prozent).

Derweil kann Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Frage nach dem bevorzugten Kanzler erneut aufholen auf Oppositionsführer Friedrich Merz. Der Amtsinhaber klettert um einen Punkt auf 18 Prozent. Im Januar lag der Kanzler noch bei 13 Punkten. Grünen-Politiker Robert Habeck liegt mit unverändert 17 Prozent hinter Scholz. Merz bleibt bei 22 Prozent – und damit vorn in diesem Dreiervergleich. Sein Neun-Punkte-Vorsprung auf Scholz vom Dezember und Januar ist aber erheblich geschrumpft.

Wollte Außenministerin Annalena Baerbock anstelle von Habeck das Kanzleramt für die Grünen erobern, käme sie weiter auf 16 Prozent und Merz unverändert auf 25 Prozent. Scholz liegt in diesem Triell nun bei 22 Prozent, ebenfalls ein Plus von einem Prozent im Vergleich zur Vorwoche.

Mit den Problemen in Deutschland am besten fertig würden CDU und CSU, sagen weiterhin 16 Prozent der Befragten. Es folgt die SPD mit unverändert 10 Prozent, einen Punkt mehr als in der Vorwoche. Die Grünen springen von 6 auf 7 Prozent, gefolgt von der AfD mit unveränderten 6 Prozent.

Die FDP kommt erneut auf 2 Prozent, während sonstige Parteien von 3 Prozent der Befragten genannt werden. Keine Partei geben 56 Prozent der Befragten an – drei Punkte weniger als in der Vorwoche.

Wichtigstes Thema der vergangenen Woche war mit einer Nennung durch 62 Prozent der Befragten der Krieg in der Ukraine, gefolgt von der Bundesregierung mit 39 Prozent Nennung. Auf Platz drei rangiert mit 33 Prozent Nennung die wirtschaftliche Lage, gefolgt vom Terroranschlag in Moskau mit 23 Prozent sowie dem Nahostkonflikt mit 17 Prozent. Auf den weiteren Plätzen rangieren Klima und Umwelt (7 Prozent), die US-Präsidentschaftswahlen (7 Prozent) und das Thema Zuwanderung (5 Prozent).

Die Daten zum RTL/ntv-Trendbarometer wurden vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von RTL Deutschland zwischen dem 26. und 28. März erhoben. Datenbasis: 1508 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: plus/minus 2,5 Prozentpunkte.

Weitere Informationen zu Forsa hier.
Forsa-Umfragen im Auftrag von RTL Deutschland.

Quelle: ntv.de, shu/mmo

Deutsche HVPI-Teuerung sinkt im März wie erwartet

Der Inflationsdruck in Deutschland hat im März wie erwartet abgenommen, wobei die Inflation bei den Dienstleistungspreisen zunahm. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) stieg der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) gegenüber dem Vormonat um 0,6 Prozent und lag um 2,3 (Februar: 2,7) Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Volkswirte hatten exakt dieses Ergebnis prognostiziert. Der nationale Verbraucherpreisindex stieg auf Monatssicht um 0,4 Prozent und überstieg das Niveau des Vorjahresmonats um 2,2 (2,5) Prozent. Auch dieses Ergebnis war korrekt vorhergesagt worden.

Die Kerninflationsrate sank auf 3,3 (3,4) Prozent.  

Inflationsdruck in Bundesländern lässt im März nach

Der Inflationsdruck in Deutschland könnte sich im März etwas deutlicher als erwartet verringert haben. Wie aus Daten von Statistischen Landesämtern hervor geht, stiegen die Verbraucherpreise in sechs Bundesländern um 0,3 bis 0,5 (Durchschnitt: 0,4) Prozent, wodurch die Teuerung um rund 0,4 Prozentpunkte zurückging. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte prognostizieren für Deutschland einen monatlichen Preisanstieg von 0,6 Prozent und einen Rückgang der Jahresteuerung um 0,3 Prozentpunkte auf 2,2 Prozent.

S&P Global: Deutsche Industrie schrumpft im März stärker

Die Aktivität in der deutschen Industrie hat im März beschleunigt nachgelassen. Der von S&P Global (ehemals IHS Markit) in diesem Sektor erhobene Einkaufsmanagerindex sank auf 41,9 von 42,5 Punkten. Volkswirte hatten einen Stand von 41,6 erwartet – das Ergebnis der ersten Veröffentlichung. Ab 50 Zählern signalisiert das Konjunkturbarometer ein Wachstum, darunter eine Schrumpfung.

HDE: Verbraucherstimmung steigt leicht – aber keine „echte“ Erholung

Die Verbraucherstimmung hat sich im April nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zwar zum dritten Mal in Folge verbessert. Eine echte Erholung sei aber nicht in Sicht. Der Indexwert für das HDE-Konsumbarometer stieg auf 96,09 Punkte von 95,62 Zählern im März und 93,72 im Februar. Der Handelsverband betonte, dass sich die positive Entwicklung deutlich abschwäche und der Anstieg niedriger sei als im Vormonat.

Immowelt sieht Wendepunkt am Immobilienmarkt – Preise in Städten steigen

Am deutschen Immobilienmarkt hat sich im ersten Quartal angesichts sinkender Bauzinsen und niedrigerer Immobilienpreise die Stimmung gedreht. Die Angebotspreise stiegen laut einer Untersuchung des Immobilienportals Immowelt in 14 der 15 größten Städte nach 2 Jahren Flaute. Im Durchschnitt lag der Preiszuwachs bei 1,9 Prozent. Bereits im Vorquartal hatten sich die Kaufpreise in 11 von 15 Städten erhöht, allerdings nur um durchschnittlich 1,3 Prozent.  

Preisanstiege in Großstädten Auf dem Immobilienmarkt zeichnet sich Ende der Flaute ab

Zwei Jahre lang sorgen die Zinserhöhungen für eine sinkende Nachfrage auf dem Immobilienmarkt. Die Kaufpreise fallen. Nun zeichnet sich eine Wende ab.

Am deutschen Immobilienmarkt hat sich im ersten Quartal angesichts sinkender Bauzinsen und niedrigerer Immobilienpreise die Stimmung gedreht. Die Angebotspreise stiegen laut einer Untersuchung des Immobilienportals Immowelt in 14 der 15 größten Städte nach 2 Jahren Flaute. Im Durchschnitt lag der Preiszuwachs bei 1,9 Prozent. Bereits im Vorquartal hatten sich die Kaufpreise in 11 von 15 Städten erhöht, allerdings nur um durchschnittlich 1,3 Prozent.

„Nach zwei Jahren Flaute verdichten sich die Anzeichen, dass die Trendwende am Immobilienmarkt erreicht sein könnte. Hauptgrund ist, dass das Interesse am Immobilienkauf allmählich zurückkehrt“, sagte Immowelt-Geschäftsführer Felix Kusch. „Neben den zum Teil deutlich gesunkenen Kaufpreisen spielt der erste kleine Zinsrückgang nach dem rapiden Anstieg eine bedeutende Rolle. Sollten die Zinsen im Laufe des Jahres weiter sinken, dürfte das die Nachfrage zusätzlich befeuern.“ Er rechnet damit, dass sich der Trend aus dem 1. Quartal auch in den kommenden Monaten in den Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern fortsetzen wird.

In allen Metropolen, mit Ausnahme von Berlin, wurden demnach Preisanstiege verzeichnet. Während in Dortmund im ersten Quartal die Preise um 2,8 Prozent, in Köln um 2,7, in München um 2,4 und in Hamburg um 1,5 Prozent stiegen, fielen sie in Berlin um 1,0 Prozent.

Gesunkene Zinsen als wichtiger Treiber

In Frankfurt am Main hat das veränderte Zinsumfeld in den letzten zwei Jahren zu einem deutlichen Absacken der Preise (-16,5 Prozent) geführt. Doch nun ist laut Immowelt der mittlere Quadratmeterpreis das zweite Quartal in Folge wieder gestiegen: Nach noch moderaten 0,4 Prozent Anstieg im Vorquartal kletterte das Niveau in den ersten drei Monaten 2024 um 2,0 Prozent auf 5205 Euro.

„Ein wichtiger Treiber für die verbesserte Leistbarkeit sind die zuletzt gesunkenen Zinsen“, so das Immobilienportal. Im vergangenen Jahr habe der durchschnittliche Zinssatz für ein Baudarlehen mit zehnjähriger Sollzinsbindung bei 4,2 Prozent gelegen. Bis März sank der Durchschnittszins aber auf 3,6 Prozent.

„Gepaart mit den über die vergangenen zwei Jahre gesunkenen Kaufpreisen hat dies dazu geführt, dass die monatlichen Kosten für die Darlehensrückzahlung spürbar zurückgegangen sind – je nach Stadt um mehrere hundert Euro“, erklärte Immowelt. Quelle: ntv.de, mba/DJ

Autoindustrie in Deutschland setzt 2023 mehr um – Studie

Die in Deutschland ansässigen Autohersteller und -zulieferer haben im vergangenen Jahr dank überwundener Produktionsengpässe und wegen gestiegener Preise einen Rekordumsatz erzielt. Wie aus einer Studie der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hervorgeht, stieg der Umsatz der hiesigen Autoindustrie um 10 Prozent auf 558 Milliarden Euro. Die Autohersteller legten dabei um 11 Prozent zu, die Zulieferer um 9 Prozent. Die Aussichten sind laut EY jedoch durchwachsen.

Drei Viertel der 25- bis 64-Jährigen lebten 2023 von eigener Arbeit

Gut drei Viertel (76 Prozent) der Personen im Haupterwerbsalter von 25 bis 64 Jahren in Deutschland haben ihren Lebensunterhalt im Jahr 2023 überwiegend durch ihre eigene Erwerbstätigkeit finanziert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich der Veröffentlichung der Erstergebnisse des Mikrozensus 2023 mitteilt, waren dies 34,5 Millionen Personen. Für 8 Prozent der Personen in dieser Altersgruppe war die Unterstützung durch Angehörige (zum Beispiel im Haushalt lebende Partner) die Haupteinkommensquelle, 6 Prozent finanzierten sich überwiegend durch Arbeitslosengeld I oder Bürgergeld.

ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN

„Österreich: Inflation im März laut Schnellschätzung bei 4,2 Prozent“

von Statistik Austria finden Sie als PDF

Österreichischer Arbeitsmarkt: AMS-Chef Kopf besorgt wegen „besonders schlechter Entwicklung“ am Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosenquote liegt bei 6,9 Prozent und damit über jener des Vergleichsmonats des Vorjahrs. Knapp 370.000 Menschen waren beim AMS vorgemerkt

Die Arbeitslosenquote ist im März im Vergleich zum selben Monat des Vorjahrs um 0,7 Punkte auf 6,9 Prozent gestiegen. Insgesamt waren 369.640 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkt, 291.468 davon waren arbeitslos gemeldet, 78.172 Personen nahmen an AMS-Schulungen teil. Das teilten das AMS und das Arbeitsministerium am Dienstag mit. Saisonbedingt geht die Arbeitslosigkeit derzeit insgesamt zurück, doch der AMS-Chef sieht „eine besonders schlechte Entwicklung“.

„Die Zahl der beim AMS als arbeitslos oder in Schulung vorgemerkten Personen lag Ende März 2024 um fast 36.000 Personen bzw. rund elf Prozent über dem Vergleichstag im Vorjahr“, rechnete AMS-Chef Johannes Kopf vor. „Es ist dies für einen Stichtag, der noch dazu heuer auf den an sich für die Beschäftigung günstigen Ostersonntag fiel, eine besonders schlechte Entwicklung.“ Österreich befinde sich offenbar noch immer deutlich in der Rezession.

AMS-Chef Johannes Kopf (rechts) blickt pessimistisch auf die Zukunft des Arbeitsmarkts. Arbeitsminister Martin Kocher (links) zeigt sich vor allem ob der Entwicklung bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erfreut. Bei über 60-Jährigen gab es einen Anstieg der Beschäftigung um neun Prozent. „Anders als vor einem Jahr, als uns die Prognosen nur einen kurzen Konjunktureinbruch vorhersagten, glaube ich auch nicht mehr an eine rasche Erholung im Sinn eines baldigen Sinkens der Arbeitslosigkeit in Österreich“, sagt Kopf. Firmen hätten aufgrund der hierzulande hohen Inflation nicht nur an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, sondern auch noch personelle Überkapazitäten. „Selbst wenn das Wachstum wiederkommt, wird die Arbeitslosigkeit wohl erst verspätet sinken“, analysiert Kopf.

Prognose nach unten korrigiert

Pessimismus herrscht auch bei den Wirtschaftsforschungsinstituten IHS und Wifo, die kürzlich die Konjunkturprognose für heuer und kommendes Jahr nach unten korrigiert haben. Konkret rechnet man mit einem realen Wirtschaftswachstum von nur mehr 0,2 bzw. 0,5 Prozent für 2024. Im Dezember hatten sie noch ein Plus von 0,9 bzw. 0,8 Prozent vorausgesagt. 2025 solle sich das reale Wirtschaftswachstum deutlich auf 1,8 bzw. 1,5 Prozent beschleunigen.

Kocher ist optimistischer

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) zeigt sich weniger besorgt als Kopf: „Im Vergleich zu den Jahren vor Ausbruch der Covid-Pandemie ist das ein niedriger Wert. Die aktuell etwas höhere Arbeitslosigkeit als im März 2023 ist vor allem ein Resultat des wirtschaftlich herausfordernden Umfelds.“ Die Arbeitslosenquote lag im Vergleichsmonat 2019, vor Ausbruch der Corona-Pandemie, bei 7,5 Prozent. 2020 waren es 12,3 Prozent, 2021 9,3 Prozent, 2022 6,3 Prozent und vor einem Jahr 6,2 Prozent. Es zeige sich aktuell „nach wie vor eine relativ hohe Dynamik in Bereichen des österreichischen Arbeitsmarkts“, so Kocher. Bereiche wie der Bau oder der Handel haben diese Dynamik derzeit beispielsweise nicht so sehr.

Insgesamt zeige sich der österreichische Arbeitsmarkt „nach wie vor relativ resilient“. Positiv sei, dass die Zahl der am Arbeitsmarkt unselbstständig beschäftigten Personen mit 3.956.000 nach wie vor sehr hoch sei. Es seien im März um 6.000 Personen mehr beschäftigt gewesen als vor einem Jahr. Zudem verwies Kocher auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die älter als 60 Jahre sind. In dieser Gruppe habe es zuletzt im Jahresvergleich einen Beschäftigungszuwachs von rund neun Prozent auf knapp 182.000 gegeben.

Steigende Langzeitarbeitslosigkeit

Die Arbeiterkammer (AK) verwies auf eine wieder ansteigende Langzeitbeschäftigungslosigkeit. Menschen mit gesundheitlichen Problemen und Ältere seien hiervon besonders betroffen. Zudem würden finanzielle Schwierigkeiten von Haushalten, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, zunehmen. „Arbeitslosigkeit darf keinesfalls zu Armut führen“, so AK-Chefin Renate Anderl. „Das bereits jetzt schlechte Verhältnis zwischen Arbeitslosengeld und vorangegangenem Einkommen, die fehlende Angleichung an die Teuerung und die völlige Entwertung der Familienzuschläge, die seit 2001 nicht mehr angepasst wurden, erhöhen im Falle des Jobverlusts massiv die Armutsgefährdung.“

Offene Stellen

Allerdings ist die Zahl der offenen Stellen auch neuerlich nach oben gegangen, heißt es bei der monatlichen Erhebung des ÖVP-Wirtschaftsbunds. Nach 178.541 im Februar seien es im März 184.811 unbesetzte Jobs gewesen. Auch Kocher spricht von einer „in einigen Bereichen hohen Arbeitskräftenachfrage“. Laut dem Fachkräftebarometer des Arbeitsministeriums und des AMS sind etwa im Bereich Elektroinstallation gut 3.200 Stellen offen und gut 2.000 Jobs als Köchin oder Koch. Eine Linderung soll insgesamt und in speziellen Bereichen eine Verstärkung der Arbeitsbewilligungen über Rot-Weiß-Rot-Karten erfolgen. (APA, red, 2.4.2024)

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„Drogeneinsätze“ bei Berufsrettung steigen

Die Wiener Berufsrettung verzeichnet einen deutlichen Zuwachs bei Einsätzen in Zusammenhang mit Drogen- und Medikamentenmissbrauch. Alle Altersgruppen sind betroffen, was auf eine breitflächige Problematik hinweist.

Eine vergleichende Auswertung der Einsatzzahlen der Wiener Berufsrettung zeigt einen starken Anstieg bei Notfällen aufgrund von Drogen- und Medikamentenmissbrauch. Die Zahlen haben sich im Fünfjahresvergleich von 2018 bis 2023 deutlich erhöht, was auf eine zunehmende Problematik in allen Altersgruppen hinweist.

Verdoppelung bei Erwachsenen

So kam es bei Erwachsenen 2023 im Fünfjahresvergleich mit einem Anstieg von 1.121 auf 2.224 Einsätze wegen einer Drogenvergiftung nahezu zu einer Verdoppelung. Bei Personen unter 18 Jahren verdreifachten sich die Ausrückungen in dieser Kategorie mit einem Sprung von 75 Einsätzen im Jahr 2018 auf 231 sogar. Auch bei Personen mit nicht bekanntem Alter registriert die Rettung eine starke Zunahme: 2018 wurden 239 Einsätze erfasst, im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres waren es dagegen 506.

Ein ähnlicher Trend werde auch bei Medikamentenintoxikationen verzeichnet. Bei Erwachsenen stiegen die Zahlen in diesem Bereich vergangenes Jahr auf einen Wert von 2.190 und damit um 39,5 Prozent. Vor allem aber bei den unter 18-Jährigen stiegen die Zahlen stark. Bis 2023 kam es zu mehr als einer Verdoppelung von 149 auf 390 Einsätze. Eine Zunahme weist die Statistik auch bei Patientinnen und Patienten ohne bekanntes Alter aus, mit 71 Einsätzen 2018 und 137 im Vorjahr.

Die Symptome einer Intoxikation mit Drogen oder Medikamenten können dabei je nach Art der Substanz durchaus variieren. „Es kann schwierig sein, einen drogenkranken Menschen zu erkennen, da viele Betroffene ihre Sucht geheim halten oder versuchen, sie zu verbergen und die Einnahme verneinen“, sagte Oberarzt Bernhard Schefzick von der Berufsrettung.

„Möglichst schnell Alarm schlagen“

Dennoch gebe es einige grundsätzliche Anzeichen, an denen auch Laien einen Drogennotfall bemerken könnten. „Das Vorhandensein von Einstichstellen, umherliegenden Medikamentenpackungen, Getränkeflaschen oder Spritzen kann auf Substanzmissbrauch hinweisen.“ Daneben seien Bewusstseinsveränderungen wie Schläfrigkeit, Benommenheit, Ohnmacht oder Bewusstlosigkeit, aber auch Verwirrtheit, Desorientierung sowie Atembeschwerden mögliche Indikatoren einer Vergiftung bzw. Überdosis. Auch ein unregelmäßiger Herzschlag könne auf einen Drogennotfall deuten, genauso wie verengte oder erweiterte Pupillen zusammen mit roten, glasigen Augen auf unterschiedliche Substanzen hinweisen können. Auch Übelkeit, Erbrechen oder Bauchschmerzen seien mögliche Symptome.

Bei Verdacht auf einen Drogennotfall rät der Arzt, möglichst schnell Alarm zu schlagen. „Sofort den Notruf wählen und Hilfe von professionellen Rettungskräften anfordern“, so der Leiter des Departments für Intensivtransport bei der Rettung. „Es ist wichtig, schnell zu handeln, um das Leben der betroffenen Person zu retten.“ Der Mediziner rät bis zum Eintreffen der Rettung dazu, Informationen zu sammeln – „darüber wann, was und wie viel der Betroffene konsumiert hat“. Besonders wichtig: „Versuchen, kein Erbrechen beim Betroffenen auszulösen.“ Sonst besteht Erstickungsgefahr. Schefzick ergänzt, dass diese Anzeichen aber auch auf andere Erkrankungen hinweisen könnten. Es sei daher wichtig, „keine voreiligen Schlüsse zu ziehen“.

Kein signifikanter Anstieg beim Konsum

Die Wiener Sucht- und Drogenkoordination erklärte gegenüber der APA, dass kein signifikanter Anstieg beim Konsum von illegalen Suchtgiften verzeichnet werde, die Einnahme von Medikamenten aber grundsätzlich angestiegen sei. „Per se ist das aber noch kein Konsumproblem, wenn sie auf Rezept, unter ärztlicher Anweisung erfolgt“, so Leiter Ewald Lochner. Ein Problem seien jedoch Versuche der Selbstmedikation.

Auch der Konsum bei Risikogruppen sei riskanter geworden, so der Experte, der auf Mischkonsum verweist. „Das hängt mit der gesellschaftlichen Situation zusammen: Die Pandemie, die Teuerung, Kriege und Klimakrise sind Faktoren, die besonders vulnerable Gruppen stärker treffen.“ Vor allem unter jungen Menschen sehe man eine Gruppe, „die psychisch sehr belastet ist“. Dass die Pubertät allgemein heutzutage früher einsetze und damit auch Probierkonsum früher stattfinde, wirke zusätzlich als verstärkender Faktor. Es fehle an Risikobewusstsein, meinte Lochner.

Siehe dazu

Alarmierende Entwicklung: Jugendpsychiater Plener: „Sehen Drogenkonsum, wie ich ihn bisher nicht kannte“

Paul Plener über die eskalierende Drogensituation, schädliches Kiffen, Mädchen in hochriskanten Szenarios, perspektivlose junge Täter und bröckelnde Elternverantwortung …

Mehrheit sieht Sinn von U-Ausschüssen schwinden

Die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ist der Ansicht, dass Untersuchungsausschüsse immer weniger Sinn machen und vor allem dem „Anpatzen“ der politischen Gegner dienen.

In einer Onlineumfrage von OGM unter 1.019 Wahlberechtigten äußerten 53 Prozent diese Ansicht. 36 Prozent meinten dagegen, dass die Ausschüsse durchaus Sinn ergeben und der parlamentarischen Kontrolle dienen. Besonders skeptisch gegenüber Ausschüssen sind ÖVP- und FPÖ-Wähler bzw. ältere Befragte.

Skepsis besonders bei ÖVP-Wählern groß

Am deutlichsten ist die Skepsis gegenüber U-Ausschüssen in der ÖVP-Wählerschaft – hier sehen nur 15 Prozent einen Sinn bzw. ein wichtiges Mittel zur parlamentarischen Kontrolle und 75 Prozent ein politisches „Anpatz“-Instrument. Skeptischer als der Rest sind auch die FPÖ-Wähler, von denen 28 Prozent die Ausschüsse als ein wichtiges Kontrollmittel sehen, 61 Prozent sehen wiederum eher „Anpatz“-Potenzial im Vordergrund. red, ORF.at/Agenturen

MEDIZIN – GESUNDHEITSPOLITIK

Cannabis für Erwachsene in Deutschland ab 1. April legal

Der Besitz und Konsum von Cannabis ist für Erwachsene in Deutschland seit heute Mitternacht unter Auflagen legal. Mit 1. April trat das entsprechende Gesetz in Kraft, das die „Ampelkoalition“ (SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen) gegen große Widerstände von Oppositionsparteien, aus den Bundesländern und Verbänden aus Medizin, Justiz und Polizei durchgesetzt hatte.

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte den Schritt erneut. „Heute beenden wir eine gescheiterte Verbotspolitik“, sagte er in Berlin. Das sei eine historische Chance. „Ab jetzt kombinieren wir eine echte Alternative zum Schwarzmarkt mit besserem Kinder- und Jugendschutz.“

Argument Schwarzmarkt und Kontrolle

Die deutsche Bundesregierung argumentierte, dass der Cannabiskonsum trotz Verbots zugenommen habe, der Schwarzmarkt wachse und Cannabis, das dort bezogen werde, mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden sein könne. Der Wirkstoffgehalt sei dabei unbekannt, und es könnten giftige Beimengungen und Verunreinigungen enthalten sein.

Nun wird in einem ersten Schritt zunächst der Besitz, private Anbau und Konsum bestimmter Mengen Cannabis für Erwachsene erlaubt. Ab Juli sollen in einem zweiten Schritt Anbauvereine staatlich kontrolliert unter strengen Auflagen Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Gleichzeitig sieht das Gesetz Maßnahmen zur Suchtprävention vor. Der Konsum in der Öffentlichkeit ist an bestimmte Auflagen gebunden. Weitergabe und Konsum unter 18 Jahren bleiben verboten. red, ORF.at/Agenturen

Alarmierende Entwicklung: Jugendpsychiater Plener: „Sehen Drogenkonsum, wie ich ihn bisher nicht kannte“

Paul Plener über die eskalierende Drogensituation, schädliches Kiffen, Mädchen in hochriskanten Szenarios, perspektivlose junge Täter und bröckelnde Elternverantwortung

Paul Plener im Außenbereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie des AKH Wien. Pro Nacht kommen im Schnitt sieben Akutfälle, meist nach Selbstverletzungen oder Suizidversuchen. Stationär nimmt Drogenentzug zu.

Es waren grauenvolle Fälle, die zuletzt breites Entsetzen ausgelöst haben. Mit immer ähnlichen Eckdaten: sehr junge Mädchen in Hochrisikoszenarios, exzessiver Medikamenten- und Drogenkonsum, Alkohol fast immer sowieso dabei, sexuell missbraucht, eine Zwölfjährige in Favoriten über Monate von 17 Teenagern drangsaliert. Die schlimmsten Fälle endeten tödlich in den Wohnungen deutlich älterer Männer, oder sie wurden auf der Straße abgelegt.

Am Montag wurde zudem eine aktuelle Auswertung der Wiener Berufsrettung veröffentlicht, wonach die Blaulichtorganisation in den vergangenen fünf Jahren einen starken Anstieg der Einsätze wegen Drogen- oder Medikamentenmissbrauchs zu verzeichnen hatte – und zwar „kontinuierlich in allen Altersgruppen“.

Paul Plener, der die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Med-Uni Wien leitet, und seine Kolleginnen und Kollegen haben mit den jüngsten dieser Drogenopfer bis zu jenen in der Adoleszenz, also der Entwicklungsphase bis zum wirklichen Erwachsensein, die bis zum 24/25. Lebensjahr dauern kann, zu tun. Ein STANDARD-Interview auf der Suche nach möglichen Erklärungen für die sehr unterschiedlichen Notlagen von Jugendlichen.

STANDARD: Wie blickt der Kinder- und Jugendpsychiater auf die eingangs erwähnten, öffentlich breit diskutierten Fälle?

Plener: Wir kennen leider viele solcher Fälle. Von den publik gewordenen kannten wir einige aus kurzen ambulanten Kontakten. Wir sehen in den Nachtdiensten, dass das ein großes Problem geworden ist. Leider erleben wir auch Prostitution zur Drogenbeschaffung und in diesem Zusammenhang auch Vergewaltigungen.

STANDARD: Ist das mehr geworden?

Plener: Das sind zum Glück im Vergleich mit anderen Störungsbildern immer noch wenige Fälle, aber deutlich mehr als noch vor zwei Jahren. Wir sehen jetzt einen Drogenkonsum, wie ich ihn so aus meiner gesamten Karriere nicht kenne. Also 13-, 14-Jährige, nicht nur Einzelfälle, die Heroin konsumieren und vor allem Mischintoxikationen in großen Mengen einnehmen, durch die sie auch sterben. Wir haben auch auf der Station mehr Drogenentzug. Die sagen: „Ich schaffe es nicht alleine zu Hause. Könnt ihr auf mich aufpassen?“ Und dann schauen wir, dass wir langsam runterkommen.

STANDARD: Was ist passiert? Welche Erklärungen gibt es dafür?

Plener: Wir haben zu Beginn der Covid-Pandemie, obwohl die jetzt gar nichts mehr erklärt, ein sehr einheitliches Bild gesehen: Zuwächse bei depressiver Symptomatik und Angststörungen, im Bereich von Suizidversuchen und auch Suiziden sowie Essstörungen. Weltweit. Den Anstieg gab es vor allem bei Jugendlichen und da besonders bei den Mädchen. In Österreich ist diese Gemengelage auf ein ohnehin schon desaströses Versorgungssystem mit extremen Lücken getroffen.

STANDARD: Was wäre da nötig?

Plener: Kassenfinanzierte Psychotherapie für jeden, der sie braucht. Außerdem haben wir einen massiven fachärztlichen Mangel in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wir sollten 860 stationäre und teilstationäre Plätze haben, tatsächlich sind es nur 430. Wir sind komplett hintennach. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass wir da draußen viele unbehandelte psychische Probleme haben, und das sind nun mal Risikofaktoren für Suchterkrankungen, aber auch Suizidversuche. Wir brauchen eine ganz klare Präventionsschiene, die im Schulbereich und in Ausbildungsbetrieben greift. Wir dürfen ja nicht die Lehrlinge vergessen. Da müssten Bildungs-, Arbeits- und Gesundheitsressort zusammenarbeiten.

STANDARD: Was sind denn so klassische prekäre Gefährdungslagen?

Plener: Aufwachsen in Armut ist Gift für die psychische Gesundheit. Ein relativ großer Risikofaktor sind auch erkrankte Elternteile, psychisch, physisch oder Sucht. Für psychisch gesundes Aufwachsen brauche ich mindestens eine stabile erwachsene Bezugsperson. Das müssen nicht die Eltern sein, das kann auch die Tante oder der Trainer sein. Es braucht Standfestigkeit und Zeit. Ich muss wissen, wofür ich stehe und was mir wichtig ist. Man sollte nicht vergessen, dass Erziehung halt auch Arbeit ist. Das ist nicht immer lustig. Ich habe das Gefühl, das ist vielen nicht bewusst.

STANDARD: Was raten Sie Eltern?

Plener: Wir wissen, dass autoritative Erziehung, nicht autoritäre, den besten Outcome hat. Das heißt, es gibt klar abgesteckte Grenzen da, wo es gefährlich wird, und darin gibt es Spielräume, über die man verhandelt – außer so Dinge wie Drogenkonsum zum Beispiel. Natürlich experimentieren Jugendliche damit, auch mit Sexualität, aber man muss eine Grenze ziehen und sagen, es ist nicht okay, wenn du das machst, und es gibt eine Konsequenz, wenn ich draufkomme. Aber das hat sich verschoben, dass Eltern sagen: Ich gebe feste Grenzen vor, und wir können uns innerhalb derer Sachen ausmachen. Das bröckelt.

STANDARD: Warum begeben sich diese jungen Mädchen überhaupt in so hochriskante Situationen?

Plener: Wir haben wenig bis gar keine Forschung dazu. Was können wir sagen? Mädchen kommen rein biologisch früher in die Pubertät. Schon vor der Pandemie waren Angst, Depression etc. quasi eine Domäne der Mädchen, und wenn das länger unbehandelt bleibt, gibt es manchmal den Versuch der Selbstmedikation. Sie suchen sich ein Mittel, um diesen Situationen zu entfliehen, und landen dann bei Drogen. Man muss auch mal sagen: Ein Rausch ist sehr billig geworden. Ein Ecstasy-Rausch ist billiger, als sich zu betrinken. Auch die Inhaltsstoffe werden immer potenter, wenn wir das Kiffen nehmen. Die THC-Konzentration bei Joints heute ist 14-mal höher als in den 70ern. Deswegen ist Kiffen für junge Gehirne wirklich schädlich. Bis 25, wo sich das Gehirn entwickelt, habe ich ein ziemlich großes Risiko, dass ich das Kiffen mit einer psychischen Erkrankung bezahle.

STANDARD: Zurück zu den Mädchen. Was weiß man über ihre Notlagen?

Plener: Viele diese Fälle waren der Kinder- und Jugendhilfe, für die ich gleich eine Lanze brechen will, bekannt. Wenn da reflexhaft kommt: Wieso lässt man die überhaupt noch auf die Straße?, muss man wissen: Das sind trotzdem Menschen, die gewisse Grundrechte haben. Sie können sich frei bewegen. Sechs Monate wegsperren, und alles ist gut – so funktioniert Suchttherapie nicht. Viele der betroffenen Mädchen waren aus problematischen Konstellationen, manche aber auch gutsituierten Familien. Das kann also überall passieren.

STANDARD: Reden wir über die Täter und ihre gewaltvolle Sexualität und Frauenverachtung. Was sehen Sie da?

Plener: Wenn wir über die Täter reden, dann reden wir über Jugendliche und junge Erwachsene, die offensichtlich eine gewisse Perspektivlosigkeit haben, also häufig am Arbeits- oder Ausbildungsmarkt nicht Fuß gefasst haben und dann ihre Zeit anderweitig organisieren. In Gruppen. Das ist so, so ticken Jugendliche, das ist ihre Entwicklungsaufgabe. Die Frage ist: Gibt es ein anderes Angebot, das ihnen gemacht werden kann? Offensichtlich waren wir als Gesellschaft – ich weiß schon, das klingt nach Kuschelkurs – nicht in der Lage, sie hereinzuholen. Da denke ich nicht nur an unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Wir sind eine alternde Bevölkerung. Unsere Chance wäre, dass wir massiv Geld in diesen Bereich stecken, weil wir alle, auch die, die zu uns kommen, ja unbedingt brauchen, um diesen Staat aufrechtzuerhalten, sonst wird unsere Gesellschaft kippen. Wenn wir nichts anbieten, wird bei vielen Jugendlichen aus Langeweile irgendwann, nachdem sie Grenzen austesten, etwas passieren, das Richtung Delinquenz gehen kann.

STANDARD: Wobei die allermeisten der Täter nicht unbegleitet waren, sondern sehr wohl Familie hier hatten.

Plener: Wir haben natürlich den Risikofaktor Armut und viele andere.

STANDARD: Aber nicht alle, die arm sind, sind sexuell gewalttätig.

Plener: Um Gottes willen, nein! Aber wir haben hier auch eine Bildungsschere offen und wissen, dass die Bildungsungerechtigkeit in der Pandemie massiv zugenommen hat. Und ich glaube schon, dass es eine Gruppe derer gibt, die sich einfach nicht zugehörig fühlen, unabhängig, ob es da Migrationshintergrund gibt oder nicht. Aber es ist natürlich auch immer eine Frage der Werte. Was bekomme ich von zu Hause mit über die Frage: Wie gehe ich mit meinen Mitmenschen um? Mit Frauen, mit Männern. Gewalt nicht als Mittel einzusetzen oder Sachen zu erzwingen hat auch mit Erziehung zu tun, egal, welche Kultur. Es gibt genauso Österreicher, die solche Sachen machen.

STANDARD: Allerdings hatten alle jugendlichen Täter in den publik gewordenen Fällen in irgendeiner Form eine migrantische Biografie. Es war quasi kein Thomas aus dem Gymnasium oder ein Leon aus der HTL darunter.

Plener: Eben. Wir wissen, dass Bildung in Österreich vererbt wird, und der Faktor Bildung ist oft mit sozioökonomischen Faktoren verknüpft. Der Thomas in der AHS hat oft Eltern, die ihn unterstützen, weil sie nicht in prekären Jobs arbeiten und insgesamt vielleicht ein familiäres Netz haben, wo das gestützt wird. Wir sehen aber unabhängig vom Migrationshintergrund auch die, die sich nicht zugehörig fühlen, weil sie mit Eltern aufwachsen, die selber am Straucheln sind, finanziell oder am Arbeitsmarkt, die krank sind und nicht diese Stabilität bieten können. Das ist die Risikokonstellation. Allerdings sehen wir auch extrem viele Jugendliche mit Migrationshintergrund, die toll unterwegs sind oder sich schulisch fast zu sehr unter Druck setzen, weil sie das Gefühl haben, sie müssen diejenigen sein in der Familie, die es rausreißen. Denen geht’s auch nicht immer gut.

STANDARD: Was muss mit den jugendlichen Tätern passieren?

Plener: Man muss mit ihnen arbeiten. Die Frage ist, passiert das? Es gibt ja die unsägliche Debatte über die Senkung des Strafmündigkeitsalters. Alle, die real mit Jugendlichen arbeiten, sagen: Bitte macht das nicht! Einsperren hat keine präventive Wirkung und wird nichts ändern. Wenn wir Zwölfjährige ins Gefängnis sperren, werden sie dort eher nicht viel von dem bekommen, was sie eigentlich bräuchten: sozialpädagogische, psychotherapeutische und psychiatrische Betreuung. (Lisa Nimmervoll, 2.4.2024)

Paul Plener (45) leitet seit 2018 die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Med-Uni Wien. Davor lehrte und forschte er am Universitätsklinikum Ulm. Der dreifache Vater ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

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Weniger Alkoholvergiftungen bei deutschen Jugendlichen

Hannover – Die Zahl der Fälle von exzessivem Alkoholkonsum bei den Zwölf- bis 18-Jährigen auf ein Rekord­tief ist gesunken. Das zeigt eine Erhebung von der KKH Kaufmännische Krankenkasse.

2022 seien bundesweit hochgerechnet rund 10.680 Kinder und Jugendliche dieser Altersgruppe wegen einer akuten Alkoholver­giftung im Krankenhaus behandelt worden. Dies seien fünf Prozent weniger als 2021 und dreizehn Prozent weniger als 2020.

Der Rückgang fiel im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 mit einem Minus von 40,5 Prozent sogar noch deutlicher aus, damals gab es fast 18.000 Alkoholvergiftungen bei Heranwachsenden. Der bisherige Höchst­wert waren 2012 rund 22.600 Fälle.

Damit sind die Fälle von exzessivem, stationär behandeltem Alkoholkonsum bei Heranwachsenden der Statistik zufolge nicht nur das dritte Jahr in Folge gesunken, sondern auch auf den niedrigsten Stand seit Beginn der KKH-Erhebung im Jahr 2006.

„Es ist sehr erfreulich, dass offenbar immer weniger Jugendliche ihr Limit in Sachen Alkohol derart über­schreiten“, sagte KKH-Psychologin Franziska Klemm. Trotz der positiven Entwicklung seien die Zahlen aber weiterhin besorgniserregend. Gerade für Heranwachsende sei exzessiver Alkoholkonsum hochgefährlich und mit besonderen Risiken für eine gesunde Entwicklung verbunden. © afp/aerzteblatt.de

Japan: Vermehrt Klinikeinweisungen wegen Cholesterinsenker

Tokio – Von dem Skandal um Cholesterinsenker auf der Basis von Rotschimmelreis in Japan sind nach Behör­denangaben noch mehr Menschen betroffen als bislang angegeben. Mindestens 157 Menschen seien im Zusammenhang mit der Einnahme der Mittel ins Krankenhaus eingewiesen worden, hieß es heute aus dem Gesundheitsministerium in Tokio.

Der Hersteller Kobayashi Pharmaceutical, der am vergangenen Freitag noch von 114 Krankenhauseinweisun­gen gesprochen hatte, bestätigte die neue Zahl der Betroffenen, ohne Details zu nennen. Der Konzern hatte zudem erklärt, dass fünf Todesfälle untersucht würden, die möglicherweise mit der Einnahme der Choleste­rinsenker im Zusammenhang stünden.

Die Cholesterinsenker auf Basis von Rotschimmelreis waren in Japan frei verkäuflich. In der vorvergangenen Woche rief das Unternehmen fünf Produkte zurück, nachdem Menschen nach der Einnahme mit Nierenprob­lemen ins Krankenhaus gekommen waren. Kobayashi Pharmaceutical erklärte, in einem seiner Werke sei eine potenziell giftige Säure entdeckt worden, die von dem Schimmelpilz produziert worden sei.

Kobayashi Pharmaceutical hatte etwa 50 weitere Unternehmen in Japan und zwei Unternehmen in Taiwan mit Rotschimmelreis beliefert, von denen einige ihrerseits Rückrufaktionen starteten. Die zurückgerufenen Produkte enthalten alle einen mit rotem Schimmelpilz fermentierten Reis. Der rot fermentierte Reis – der nicht mit roten Reissorten zu verwechseln ist – wird in Ostasien zum Färben von Lebensmitteln, etwa Salatsoßen, Brot und Sojapaste, aber auch als Heilmittel verwendet.

Nahrungsergänzungsmittel auf der Basis von Rotschimmelreis sind auch in Deutschland erhältlich. Sie wer­den als Cholesterinsenker beworben. Die Verbraucherzentrale warnt vor Nebenwirkungen. Der Skandal in Japan beherrscht dort seit Tagen die Schlagzeilen und wird lebhaft in Online-Netzwerken diskutiert. Dabei kursieren auch Desinformation und Verschwörungserzählungen. © afp/aerzteblatt.de

Morbus Alzheimer bei Mäusen durch Stammzellen aus dem Knochenmark übertragbar

Vancouver – Kanadische Forscher haben bei Mäusen eine seltene erbliche Form des Morbus Alzheimer durch eine hämatopoetische Stammzelltransplantation übertragen. Die in Stem Cell Report (2024; DOI: 10.1016/j.stemcr.2024.02.012 ) vorgestellten Ergebnisse werfen Fragen zur Sicherheit von allogenen Stammzelltherapien auf, die zunehmend häufiger durchgeführt werden. Experten stufen das Risiko jedoch als sehr gering ein.

Die meisten Forscher gehen davon aus, dass der Morbus Alzheimer im Gehirn entsteht. Die Ablagerungen der Beta-Amyloide, die das zentrale Kennzeichen der Erkrankung sind, werden dabei von Nervenzellen und even­tuell auch von Glia-Zellen freigesetzt.

Diese Hypothese stützt sich auf die Beobachtung, dass bestimmte Mutationen, etwa im ApoE-Gen, die Ablage­rung der Amyloide begünstigt. Patienten mit dieser genetischen Variante des Morbus Alzheimer erkranken schon im frühen Lebensalter an einer Demenz.

Nach einer anderen Hypothese könnte die Erkrankung auch von außen in das Gehirn gelangen und zwar durch ansteckende Eiweiße. Bereits geringe Mengen dieser Prionen sollen eine Kettenreaktion auslösen, bei der die 3-D-Struktur normaler Proteine so verändert wird, dass diese zu unlöslichen Aggregaten „verklumpen“.

Auch dafür gibt es Belege. Forscher konnten mit Hirnextrakten von Patienten, die am Morbus Alzheimer ver­storben waren, bei Mäusen und Primaten eine zerebrale Amyloidose auslösen. Bbei Mäusen gelang dies zuletzt auch durch Injektion der Extrakte in die Bauchhöhle.

Kürzlich berichteten britische Forscher, dass Patienten, die vor 1985 im Kindesalter mit Wachstumshormonen aus den Hypophysen von Verstorbenen behandelt wurden, Jahrzehnte später an einem Morbus Alzheimer er­krankten mit auffälligen histologischen Befunden: Die Beta-Amyloide wurden auch in den Wänden der Blut­ge­fäße gefunden, was zum vermuteten Eintritt der Prionen von außen in das Gehirn passt.

Ein Team um Wilfred Jefferies von der Universität von British Columbia in Vancouver hat die Erkrankung jetzt bei Mäusen durch eine hämatopoetische Stammzelltherapie übertragen. Diese Behandlung wird beim Menschen zunehmend bei Leukämien eingesetzt.

Sie besteht aus einer Konditionierung, bei der durch eine Chemotherapie (eventuell auch Strahlentherapie) das alte blutbildende Gewebe im Knochenmark zerstört wird, um es danach mit Stammzellen eines gesunden Spenders wieder aufzubauen.

In den Experimenten der kanadischen Forscher enthielten die neuen Stammzellen die schwedische Mutation „APPKM670/671NL“ im APP-Gen, die beim Menschen zu einem früh einsetzenden familiären Morbus Alzhei­mer führt. Die ersten Experimente wurden an Knock-out Mäusen durchgeführt, denen das APP-Gen fehlt.

Diese Tiere können kein Amyloid-Precursor-Protein (APP) bilden und damit auch nicht an einem Morbus Alz­heimer erkranken. Nach der Stammzellbehandlung mit der mutierten Version des APP-Gens erkrankten die Tiere frühzeitig an einer Demenz, und in ihrem Gehirn waren die typischen Amyloid-Ablagerungen vorhan­den.

Dies bedeutet, dass die Amyloide oder ihr genetischer Bauplan von den Stammzellen ins Gehirn gelangt sein musste. Eine Möglichkeit ist, dass die Amyloide außerhalb des Gehirns gebildet wurden – Jefferies hält Throm­bozyten für eine mögliche Quelle – und dann über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gespült wurden. Tatsächlich wiesen die Forscher im Gehirn der Mäuse eine zerebrale vaskuläre Neoangiogenese nach, was auf eine Störung der Blut-Hirn-Schranke hinweist.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass Abwehrzellen aus dem Knochenmark ins Gehirn gewandert sind und dort das pathologische APP-Gen exprimierten. Gliazellen des Gehirns gehören zum Immunsystem und werden regelmäßig durch Knochenmarkzellen ersetzt.

In einem zweiten Experiment haben die Forscher Mäuse mit einem intakten APP-Gen mit den mutierten Stammzellen behandelt. Auch dieses Mal erkrankten die Mäuse, wenn auch erst nach neun Monaten, an einer zerebralen Amyloidose.

Beide Experimente deuten darauf hin, dass die Erkrankung beim Menschen durch eine Stammzelltransplan­tation übertragbar sein könnte. Bewiesen ist dies nicht, wie die vom britischen Science Media Center befrag­ten Experten betonten.

Die Direktorin der führenden Forschungsgesellschaft „Alzheimer’s Research UK“ Sheona Scales erklärte, es gebe derzeit keine epidemiologischen Hinweise, dass Menschen, die Stammzellen oder Organtransplantate erhalten haben, häufiger als andere an einem Morbus Alzheimer erkranken. Eine Ansteckung sei sicherlich auch nicht durch den Kontakt mit einer erkrankten Person oder durch regelmäßige medizinische Behandlun­gen möglich.

Die Experimente seien zudem mit Stammzellen durchgeführt worden, die eine sehr seltene Mutation haben. Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass diese Mutation in den Knochenmarkzellen vorhanden sei, die bei einer Stammzelltransplantation verwendet werden.

Tatsache ist aber, dass Patienten bei einer Stammzelltransplantation die genetischen Prädispositionen der Spender erhalten. Dies muss nicht immer negativ sein, wie die Heilung des „Berliner Patienten“ und einiger anderer Menschen zeigt, die durch die Krebsbehandlung von einer HIV-Infektion geheilt wurden, weil die Stammzellen eine Mutation enthielten, die den Eintritt der HI-Viren in die Zellen verhindert. © rme/aerzteblatt.de

CYBERCRIME – DATENSICHERHEIT

IW: Jeder dritte Betrieb in Deutschland von Wirtschaftskriminalität betroffen

Jedes dritte Unternehmen in Deutschland war im vergangenen Jahr mit wirtschaftskriminellen Aktivitäten konfrontiert. Das war die höchste Quote seit 2014, so das Ergebnis einer Befragung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), aus der die Rheinische Post zuerst berichtet hat. Weltweit sei fast jedes zweite Unternehmen von Wirtschaftskriminalität betroffen. Der wirtschaftliche Schaden allein in Deutschland belaufe sich auf Milliardenhöhe. Für die IW-Untersuchung wurden im vergangenen Jahr 1.001 Unternehmen befragt.

Google spionierte Nutzer im Inkognito-Modus aus – Klage bringt Einigung – Die Presse,k 2.4.2024 (ZAHLPFLICHT)

Fünf Milliarden Dollar forderten Nutzer von Google, wegen des Browsers Chrome. Denn dieser habe auch im Inkognito-Modus heimlich Daten gesammelt. Nun gibt es eine Einigung mit der Google-Mutter Alphabet. Diese soll die Sicherheit der Nutzerdaten erhöhen.

Wer im Internet nach einem speziellen Produkt oder einem Hotel für den nächsten Urlaub sucht, wird in Wochen darauf mit Werbung für ähnliche Güter sowie andere Hotels im gewünschten Zielland regelrecht bombardiert. Grund dafür ist das Geschäftsmodell der Anbieter von Suchmaschinen und Browsern. Sie sammeln die Daten der Nutzer und verkaufen sie an Unternehmen, die so gezielt Werbung schalten können. Eine Vorgangsweise, die nicht immer im Interesse der Nutzer ist. Der Ausweg: der Inkognito-Modus. Besonders bei den Suchanfragen beliebt, die am besten keine Spur im World Wide Web hinterlassen. Denn in diesem Modus sollen keine Daten gesammelt werden. Doch dieses Versprechen hat Google nicht gehalten.

Google verpflichtet sich zur Vernichtung von Browsing-Daten

Google plant die Vernichtung von Daten, die das Surfverhalten von Millionen von Nutzern widerspiegeln. Dies ist Teil einer Einigung in einem Rechtsstreit, in dem das Unternehmen beschuldigt wurde, Nutzer ohne deren Wissen zu erfassen. In der Sammelklage, die im Jahr 2020 eingereicht wurde, wurde Google vorgeworfen, die Nutzer darüber in die Irre geführt zu haben, wie der Browser Chrome die Aktivitäten derjenigen verfolgt, die die private Option „Inkognito“ zum Surfen nutzen.

xz-utils: Wie die Computerwelt gerade haarscharf an einer Sicherheitskatastrophe vorbeigeschrammt ist

Nur durch Benchmarks eines einzelnen Programmierers flog die über Jahre vorbereitete Unterwanderung von Millionen Systemen auf. Dahinter dürften staatliche Angreifer stehen

Mit starken Worten und Superlativen gilt es in Fragen der Computersicherheit immer sparsam umzugehen, nicht jede schlimm klingende Lücke stellt in der Realität auch eine Bedrohung dar. Bei dem, was nun rund um eine vielgenutzte Open-Source-Komponente bekannt wird, können die Worte aber gar nicht stark genug sein. Geht es dabei doch um den jahrelang vorbereiteten Versuch, eine Hintertür in hunderte Millionen Systeme einzuschmuggeln. Einen Versuch, der nur dank eines einzelnen besonders aufmerksamen Entwicklers gestoppt werden konnte, bevor es zu größerem Schaden kommen konnte.

Unterwanderung

In aktuellen Versionen der xz-utils ist eine Hintertür versteckt, über die Angreifer von außen Systeme übernehmen können, schrieb am Freitag zunächst der Softwareentwickler Andres Freund in einer Mail an die Open Source Security Mailing List. Kurz danach folgten die ersten Warnungen von Linux-Distributionen, die an Deutlichkeit nichts vermissen ließen: Die Nutzer von betroffenen Systemen sollten umgehend deren Nutzung einstellen und die Rechner komplett neu aufsetzen, formulierte es etwa Red Hat drastisch.

Bei den xz-utils handelt es sich um eine jener Softwarekomponenten, die eine wichtige Rolle in der weltweiten Computerinfrastruktur spielen, die der weiteren Öffentlichkeit aber wenig bekannt sind. Die darin enthaltene liblzma wird von zahlreichen anderen Softwareprojekten zum Packen und Entpacken von Daten verwendet. Unbekannten Angreifern ist es nun gelungen, in den veröffentlichten Versionen 5.6.0 und 5.6.1 der xz-utils Schadcode unterzubringen, um über diesen Weg dann die Fernwartungssoftware OpenSSH zu unterwandern.

Wer betroffen ist

Die gute Nachricht dabei: Diese Versionen sind bisher noch relativ wenig verbreitet, bei den großen Linux-Distributionen waren sie zuletzt nur in Testversionen zu finden. Von dem Problem betroffen sind etwa Fedora Rawhide, Debian Testing und Unstable sowie openSUSE Tumbleweed. Die jeweils stabilen Versionen dieser Distributionen laufen hingegen alle noch mit älteren, nicht unterwanderten Generationen der xz-utils.

Im Detail wird es dann schon komplizierter: Wer etwa gerade die aktuelle Beta von Fedora 40 testet, könnte mit etwas Pech betroffen gewesen sein, das entsprechende Update war nur kurz verfügbar. Ebenfalls einige Tage lang ausgeliefert wurde die unterwanderte Version von Kali Linux und Arch Linux.

Reaktion

Das macht auch klar, wie viel Glück die Computerwelt in diesem Fall hatte: Einige Wochen später wären die xz-utils wohl bereits in den stabilen Versionen diverser großer Linux-Distributionen gelandet. Mittlerweile haben all die erwähnten Projekte Updates ausgeliefert, mit denen die unterwanderten Versionen entfernt werden und das System auf eine ältere Version der xz-utils zurückkehrt.

Wer eine der betroffenen Linux/Unix-Distributionen einsetzt, sollte sich überlegen, diese komplett neu aufzusetzen. Zumindest ist aber ein umgehendes Update auf eine sichere Version dringend anzuraten. Ebenfalls kurzfristig wurde die unterwanderte Version der xz-utils via Homebrew unter MacOS ausgeliefert, das von Entwicklerinnen und Entwicklern viel genutzt wird. Andere User sind nach aktuellem Wissenstand nicht betroffen, für die breite Masse an Computerusern besteht also kein Handlungsbedarf, da der Angriff rasch genug gefunden wurde.

Benchmarks als Sicherheitstool

Dass nichts Schlimmeres passiert ist, ist dabei der Performance-Besessenheit des erwähnten Andres Freund zu verdanken. Dem bei Microsoft angestellten PostgreSQL-Datenbank-Entwickler waren bei aktuellen Benchmarks seltsame Ausreißer aufgefallen: Das Einloggen via SSH dauerte plötzlich mehr als doppelt so lang, zudem verbrauchte der SSH-Prozess auch nach erfolgter Authentifizierung unerwartet viel Rechenzeit.

Freund spricht davon, dass der Login „viel“ langsamer war, den meisten dürfte das aber kaum aufgefallen sein, ging es hier doch um ein paar hundert Millisekunden mehr. Bei seinen weiteren Analysen stellte er fest, dass über die liblzma Schadcode nachgeladen wurde, der einen installierten OpenSSH-Server unterwandert und den Angreifern einen Fernzugriff auf das System ermöglicht.

Spurensuche

In den vergangenen Tagen hat sich die Sicherheits- und Open-Source-Welt nun auf die Spurensuche gemacht, und was man dabei zutage gefördert hat, ist ziemlich beunruhigend – scheint die Unterwanderung doch nicht nur von langer Hand geplant gewesen zu sein, die Angreifer gingen dabei auch äußerst geschickt vor, um ihre Aktivitäten zu verschleiern. Das beginnt damit, dass die Unterwanderung des xz-utils-Codes nicht über eine klassische Attacke erfolgte, vielmehr wurde das Projekt gezielt unterwandert.

Die Entwicklung der Geschichte lässt sich dabei über öffentlich verfügbare Informationen gut nachvollziehen, der Entwickler Evan Boehs fasst die Eckpunkte auf einer eigenen Webseite zusammen: So hatte der hauptsächlich für die Wartung des Projekts zuständige Entwickler Lasse Collin schon länger über Überlastung und psychische Probleme geklagt. Im April 2022 tauchen dann einige davor und danach nie wieder gesehene Konten auf der Mailingliste von xz-utils auf, die Collin unter Druck setzen, sich einen Co-Maintainer zu suchen.

Kurz davor hat ein unter dem Namen Jia Tan auftretender Entwickler einen ersten – trivialen – Patch für die xz-utils auf der Mailing-Liste gepostet. Es folgen weitere Beiträge, irgendwann macht Collin dann Jia zum Co-Maintainer des Projekts.

Sicherheitstests: Ausgehebelt

In dieser Rolle übernimmt er im Juli 2023 einen vermeintlich harmlosen Code-Beitrag, in Wirklichkeit handelt es sich dabei um erste Vorbereitungsarbeiten für die folgende Unterwanderung. Diese Änderung führt nämlich zu Problemen bei automatisierten Sicherheitstests mit Googles oss-fuzz, die die xz-utils wie viele andere Open-Source-Projekte regelmäßig durchlaufen.

Mittlerweile ist Jia zum offiziellen Kontakt zu oss-fuzz für die xz-Utils aufgestiegen. In dieser Rolle gelingt es ihm nun mit dem Verweis auf die – von ihm selbst eingeführten – Probleme, gewisse Checks für die xz-utils bei oss-fuzz deaktivieren zu lassen. Das offenbar bereits mit dem Blick auf die kommenden Monate, geht es in Wirklichkeit doch darum zu verhindern, dass die Einführung des eigentlichen Schadcodes auffliegt.

Nicht so harmlose Tests und geschickte Tarnung

Anfang 2024 folgt dann der nächste große Schritt. Jia fügt dem Projekt eine Reihe von Tests hinzu, da so etwas durchaus üblich ist, fällt das nicht auf, zumal es sich um Binärdateien handelt und solche Tests üblicherweise ohnehin nicht auf Produktivsystemen ausgeführt werden. In Wirklichkeit verbirgt sich darin bereits jener Schadcode, der später zum Einsatz kommen soll.

Die Tarnung kennt aber noch eine weitere Ebene: In den offiziellen Codeverzeichnissen findet sich nämlich keinerlei Zeile, die diesen Schadcode ausführt. Dieser „Trigger“ ist lediglich in den veröffentlichten Tarballs, in denen der Source-Code zum Download angeboten wird, zu finden.

Hier machen sich die Angreifer eine Schwäche in der Open-Source-Praxis zunutze: Während Codebeiträge dank Versionskontrollsystemen wie Git gut nachvollziehbar sind, unterliegt die Erstellung dieser Tarballs den jeweiligen Projektverantwortlichen. Diese machen das auf unterschiedlichen Wegen, standardisierte oder gar reproduzierbare Tools werden üblicherweise nicht genutzt. Das erklärt auch, warum die Unterwanderung der xz-utils zunächst niemandem auffällt.

Druck aufbauen

Bemerkenswert ist aber auch, was sich in den Tagen vor dem Auffliegen der Affäre tut: Jia versucht nämlich gemeinsam mit weiteren – wieder zuvor und danach unbekannten – Accounts Druck auf mehrere Projekte auszuüben, damit diese die neue xz-utils-Generation in ihre nächsten Distributions-Releases aufnehmen.

Belegt ist das etwa bei Debian und Fedora, bei beiden wird damit argumentiert, dass die neue Version Fehler behebt. Das stimmt für die Version 5.6.1 übrigens wirklich, bereinigt diese doch einige Crashes – die allerdings mit der Hintertür in der Version 5.6.0 eingeführt wurden. Auch bei Ubuntu gab es den Versuch, die neue Version noch in die Beta für das in wenigen Wochen zur Veröffentlichung anstehende Ubuntu 24.04 unterzubringen.

Viele Fragen sind noch offen

Zum eigentlichen Schadcode laufen derzeit noch die Analysen, erste Einschätzungen sprechen aber von einer sehr ausgeklügelten Vorgehensweise. So lässt sich die Hintertür nur unter gewissen Bedingungen ausnutzen, reagiert zudem nur, wenn der Angreifer den richtigen, geheimen Schlüssel dafür hat, und tarnt sich sonst geschickt.

Zudem läuft derzeit die Untersuchung von anderen Codebeiträgen, die Jia über die Jahre beigesteuert hat. So wurde bereits eine weitere geschickt getarnte Schwächung der xz-utils-Sicherheit entdeckt. Über das Einfügen eines einzelnen Zeichens – eines Punkts – an der richtigen Stelle wurde verhindert, dass die Sandbox Landlock, und damit eine weitere Schutzmaßnahme, je aktiviert wurde. Auch in einem anderen Projekt, der libarchive, wurde mittlerweile ein „fehlerhafter“ Codebeitrag von Jia rückgängig gemacht, der unter gewissen Umständen die Sicherheit geschwächt hat.

Das waren keine Hobby-Hacker

Bleibt die Frage, wer eigentlich hinter alldem steht. Konkrete Zuordnungen sind bei alldem immer schwierig, überhaupt sollte man mit so etwas in diesen Dingen vorsichtig sein, versierte Angreifer wissen gut, ihre Spuren zu verwischen. Die Komplexität der Attacke, der lange Zeitrahmen: All das legt aber nahe, dass es sich dabei um einen staatlichen Akteur handelt.

Rechnet man, auf wie vielen Systemen diese Komponenten zum Einsatz kommen, welch große Rolle gerade Linux im Serverbereich, aber auch auf vielen Client-Systemen einnimmt, lässt es sich nicht anders sagen: Die Computerwelt ist in diesem Fall mit viel Glück an einer Sicherheitskatastrophe vorbeigeschrammt. Dass es ein großer Zufall war, dass ihm all das überhaupt aufgefallen ist, betont übrigens auch der Entdecker der Hintertür, Andres Freund.

Der Vorfall zeigt strukturelle Probleme auf

Doch diese Freude dürfte von kurzer Dauer sein, wirft die Episode doch einige unerfreuliche Fragen auf. Etwa wie es im Jahr 2024 noch immer sein kann, dass auf vielen Millionen Rechnern eingesetzte Komponenten von schwer überarbeiteten Hobby-Entwicklern gewartet werden, obwohl durchaus bekannt ist, dass genau solche Projekte zu einem immer größeren Ziel für Angreifer werden.

So hat etwa Google erst vor wenigen Tagen davor gewarnt, dass solche Drittsoftware angesichts der besseren Sicherheit bei den großen Zielen immer stärker in den Fokus von Angreifern kommt. Und auch im Interview mit dem STANDARD hat Googles Red-Team-Chef und Sicherheitsexperte Daniel Fabian vor einigen Monaten auf die wachsende Gefahr von solchen Supply-Chain-Attacken hingewiesen. Insofern ist es auch nicht überraschend, dass derzeit viele Rufe laut werden, dass große Firmen mehr Verantwortung zur Unterstützung dieser Projekte übernehmen müssen.

Das Unsicherheitsgefühl

Und so erfreulich es ist, dass selbst so gut getarnte Attacken dank Micro-Benchmarks eines einzelnen Entwicklers auffliegen, bleibt doch die Realität: Wäre diese Hintertür performanter, wäre sie wohl noch länger nicht entdeckt worden. Insofern lässt sich auch der Zweifel nicht ganz verdrängen, die Frage, ob Ähnliches nicht schon bei anderen Projekten gelungen ist, ohne dass es bislang aufgeflogen ist. (Andreas Proschofsky, 31.3.2024)

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MEDIEN

ORF übermittelte Transparenzbericht an Bundeskanzleramt

Der ORF hat gestern Abend den laut jüngster Novelle des ORF-Gesetzes vorgeschriebenen jährlichen Transparenzbericht an das Bundeskanzleramt übermittelt. Darin werden unter anderem die Jahresgehälter von ORF-Mitarbeitern und -Mitarbeiterinnen nach definierten Kategorien, darunter Alter und Geschlecht, dargestellt.

Namentlich genannt werden Personen, deren Jahresgehalt inklusive Zulagen, Überstundenabgeltungen und Boni die Grenze von 170.000 Euro übersteigt, weiters werden dabei etwaige Einnahmen aus Nebenbeschäftigungen angeführt. Der ORF wird den Bericht, der für mehr Transparenz über die Verwendung der Mittel aus dem ORF-Beitrag sorgen soll, auch selber veröffentlichen.

Weißmann: Namensnennung kritisch

Der ORF bekenne sich grundsätzlich zu den neuen, verschärften Transparenzvorgaben, die namentliche Nennung von Menschen mit Gehältern über 170.000 Euro sowie den Nebenbeschäftigungen sehe man aber, wie auch zahlreiche Juristen und Juristinnen, kritisch, sagte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann dazu.

Keine andere heimische öffentliche Institution sei zu einer derartigen Offenlegung verpflichtet, und es sei zu befürchten, dass es neben dem Schüren einer Neiddebatte auch vermehrt zu öffentlicher Polemik und persönlichen Angriffen auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses komme. Dagegen verwehre er sich, so Weißmann: „Der ORF wird jegliche rufschädigenden Äußerungen oder gar Drohungen gegen einzelne Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter rechtlich verfolgen.“

Viele Maßnahmen zur Kostenreduktion

Inhaltlich sei zu dem Bericht zu sagen, so der Generaldirektor, dass die Gehälter teilweise auch auf alten, auslaufenden Verträgen und langen Betriebszugehörigkeiten basieren. Die 62 namentlich genannten Personen würden 1,3 Prozent der gesamten Belegschaft entsprechen, die große Mehrzahl der Führungskräfte trage dabei Verantwortung für Dutzende bis Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und entsprechende Budgets in Millionenhöhe.

Rund ein Drittel der namentlich angeführten Personen gehe zudem in den kommenden drei Jahren in Pension beziehungsweise sei bereits im vergangenen Jahr ausgeschieden, so Weißmann weiter. Der ORF habe in den vergangenen Jahren immer wieder zahlreiche Maßnahmen gesetzt, darunter Lohnrunden weit unter der Inflation, um die Personalkosten nachhaltig zu senken. Ein neuer Ethikkodex mit klaren Rahmenbedingungen, vor allem im Bereich der Nebenbeschäftigungen und Umgang mit der Politik, werde für noch mehr Transparenz sorgen. red, ORF.at

ARBEITSWELT & KI

Arbeitsmarkt: KI wird am Arbeitsmarkt erst in einem Jahrzehnt entscheidend sein

Sie wird Arbeitsplätze vernichten, Berufsfelder werden verschwinden. Chat GPT wird den Arbeitsmarkt umkrempeln, aber bis es wo weit ist, werden noch einige Jahre vergehen, ist der Chef der Österreichischen Computergesellschaft (OCG) überzeugt.

Künstliche Intelligenz setzt sich derzeit wie ein Lauffeuer privat und in Firmen durch. Kipppunkt waren Programme wie ChatGPT, die selbstständig Texte, Bilder und inzwischen auch Videos auf gutem und rasant noch besser werdendem Niveau erstellen können. Bisher hat noch keine Firma deshalb Mitarbeiter gekündigt, ist Thomas Mück, Präsident der Computergesellschaft (OGC) überzeugt. „Aber im Fünf- bis Zehnjahreshorizont wird es natürlich einige Berufsgruppen treffen“, sagt er.

Der Boom der KI könne zwar auf der einen Seite den Abgang der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt teilweise kompensieren, werde aber zugleich gerade in Bereichen wie der Kreativwirtschaft jungen Menschen den Einstieg schwieriger machen.

Nach einer vorsichtigen Schätzung könnten die Programme, die heute unter generativer Künstlicher Intelligen (KI) laufen, also neue Inhalte erstellen, bei einer 40-Stunden-Woche netto rund 1,5 Stunden Zeit einsparen, schätzt Mück. Denn die ersten Entwürfe der Programme seien zwar keinesfalls ohne menschliche Kontrolle und Überarbeitung zu verwenden, man sei damit aber schneller „als wenn man auf der grünen Wiese startet“.

Wettbewerbsvorteil durch KI

Wer also KI nutzen könne, habe einen Wettbewerbsvorteil, betont Mück, der bis 2001 an der Universität Wien Vorstand des Institutes für Informatik und Wirtschaftsinformatik war und seit knapp einem Jahr neben seinem Brotberuf als stellvertretender Generaldirektor der Unfallversicherungsanstalt (AUVA) den gemeinnützigen Verein „Österreichische Computergesellschaft“ OCG führt. Zu dessen 1.200 Mitgliedern gehören IT-Firmen, Ministerien, Forschungs- und Bildungsinstitute. Ziel ist die „Förderung der Informatik und der Kommunikationstechnologie“.

Zum aktuellen Siegeszug der generativen KI beigetragen hat, dass sie für Private kostenlos und für Firmen kostengünstig zur Verfügung steht. Mück geht aber davon aus, dass dies bald ganz vorbei sein oder nur für Basismodelle gelten wird. Das sei wie bei den Girokonten, die anfangs von den Banken frei zur Verfügung gestellt wurden, aber „seitdem man ohne Girokonto nicht mehr vernünftig existieren kann, sind sie nicht mehr gratis“.

KI-Modelle müssen mit enormen Datenmengen bei sehr hoher Rechnerleistung trainiert werden. Je mehr Daten eingespeist werden, desto besser werden die Modelle – und je mehr sie genutzt werden, desto größer wird ihr Vorsprung. Nur wenige Großunternehmen haben die dafür nötigen Ressourcen. Der deutsche KI-Verband hat bereits 2021 in einer Analyse davor gewarnt, dass Monopole oder Oligopole für KI-Modelle entstehen könnten – und Europa bisher nicht vorne mit dabei ist.

So hat Amazon inzwischen in das KI-Startup Anthropic 4 Mrd. Dollar investiert, Microsoft hat sich mit 10 Mrd. Dollar in OpenAI eingekauft und in Großbritannien und Deutschland jeweils KI-Investitionen von rund 3 Mrd. Euro angekündigt. Milliardenbeträge fließen in den Bereich auch bei Google (Bard) und Facebook, aber auch etwa beim chinesischen Techriesen Baidu.

Europa kann nicht mithalten

Da kann Europa finanziell nicht mithalten. Mück nennt zwei Europäische Modelle als relevant. Die französische „Mistral AI“, die bisher etwa eine halbe Milliarde Euro an Mitteln eingesammelt hat und die Trust LLM an der schwedischen Linköping Universität, die sich bisher vor allem mit europäischen Forschungsmitteln finanziert. Mit rund einer halben Milliarde Euro ist auch die deutsche KI-Firma Aleph Alpha finanziert.

Die Wissenschaft kann finanziell inzwischen nicht mehr mithalten. Dabei wäre Europa in der KI-Forschung Spitze, aber die Umsetzung in die Praxis funktioniert nicht, sagt Mück. Der Großteil der derzeit genutzten marktreifen KI-Modelle werde von US-Firmen angeboten, während in Asien, vor allem Indien und China, die nötige enorme Rechnerleistung gebündelt sei. Europa drohe den Anschluss zu verlieren, wie schon bei E-Autos oder Photovoltaik. Denn am Ende werden weltweit nur wenige KI Modelle übrigbleiben, erwartet Mück.

Datenschutzbedenken hat Mück hin gegen nicht. Der Schutz der Daten sei wichtig und wäre sachlich gesehen gut beherrschbar, werde aber immer wieder „als Keule instrumentalisiert“, wenn Lobbygruppen Projekte zu Fall bringen wollen: „Wenn ich etwas im weitesten Sinn für politisch nicht opportun halte, ist es in Europa das Einfachste, mit dem Datenschutz zu kommen“, klagt Mück. Die strengen Gesetze in Österreich und Europa seien auch nicht der Grund, warum Projekte an dem Thema scheitern, sondern Interessengruppen, die das Thema nutzen, um ihnen unangenehme Dinge zu Fall zu bringen. Das könnte natürlich auch bei KI passieren räumt er ein. Andererseits sei klar, dass man in Europa mit der „Grundangst“ der Menschen, von der IT überrannt zu werden, umgehen müsse. „Durch die Digitalisierung gibt es extrem viele Menschen, denen die eigene Gegenwart fremd wird, die sich nicht mehr orientieren können“. Darauf müsse man Rücksicht nehmen.

Mück begrüßt AI Act

Mück begrüßt deshalb auch die vor kurzem auf EU-Ebene beschlossene Regulierung von KI, den „AI Act“. Dieser reguliert KI-Modelle je nach „Risiko“ für die Menschen unterschiedlich stark. Allerdings, „ob der AI Act schon der Weisheit letzter Schluss ist, da würde ich jetzt nicht darauf wetten“. Denn die Entwicklung gehe zu schnell, als dass der Gesetzgeber mithalten könne. Die Erstellung von Spielregeln sei zwar „nicht optimal gelungen, aber das macht nichts, es ist ein guter Versuch“ so Mück. In gewisser Weise sei die EU-Regulierung also Symbolpolitik, aber es sei wichtig, den Menschen zu signalisieren: „Wir wollten nicht Passagier sein“. Wettbewerbsnachteile befürchtet er durch die Regulierung nicht.

Nicht allen sei bewusst, dass die modernen KI-Modelle ein „Neuronales Netz“ abbilden und letztlich nur die Wahrscheinlichkeit gewisser Wortfolgen abschätzen – faktische Wahrheit oder Richtigkeit sind kein Kriterium. Die KI kann daher auch „halluzinieren“, also neue Fakten erfinden. Mück macht kein Hehl daraus, dass er lieber eine KI hätte, die sich an logisch-mathematischen Gesetzmäßigkeiten orientiert. Dieser Ansatz habe sich aber nicht durchgesetzt. „Der sentimentale Favorit, wie so oft, hat uns nicht wirklich weitergebracht“. Regelbasierte Algorithmen waren wohl nicht, oder nur für sehr eingeschränkte Anwendungen „die richtige Repräsentationsform“. Das neuronale Netz hingegen, das nichts mit formaler Logik zu tun habe, habe „in der Praxis funktioniert“, auch wenn man nicht immer genau wisse warum. Damit sei es „von außen betrachtet durchaus mit menschlichem Denken vergleichbar“, räumt Mück ein. In Wahrheit würden nun aber nicht „elegante Algorithmen“ Intelligenz abbilden, sondern „nur die enorme Rechenleistung“, also „Brute Force“. (APA)

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