Tagesblick – 31.8.2025 Sonntag

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FAZIT DES TAGES – oder: Nachrichten aus dem irrwitzigen Weltzirkus

  • ISRAEL-HAMAS-HISBOLLA-KRIEG: Israel greift weiteres hochrangiges hamas-Mitglied an.
    Israel tötet Minister der Huthi-Regierung im Jemen. Die nicht international anerkannte Huthi-Regierung hat Nachfolger ernannt.
    Große pro-palästinensische Demonstration in Franfurt/Main.
    Deutschland lehnt Sanktionen der EU gegenüber Israel vorerst ab; EU-Mitglieder reagieren mit deutlichem Missfallen an diesem Entschluss.
    Forderungen nach Rücknahme des Visa-Entzugs für palästinensische Organisationen und Präsident Abbas.
  • UKRAINE-KRIEG: Weitere Rückschläge für Russland durch ukrainische Militäraktionen.
    Großteil russischer Drohnen durch Ukraine abgefangen.
    Angaben zu russischen Vorrückungen sind angezweifelt worden.
    EU prüft weitere Sanktionen und erörtert Umgang mit eingefrorenem russischem Vermögen.
    Hin und Her in der US-Politik zum Ukraine-Krieg verschafft Russland Zeit für weitere Kriegsführung.
    Witkoff als Beispiel eines unzulänglichen US-Diplomaten.
    Rosneft-Ergebnis schlecht: Russlands Wirtschaft gerät in Bedrängnis.
  • USA: Musks neue Partei – ANALYSE
    Trump schlägt nicht nur in den USA auf vermeintliche Feinde ein, sondern auch in Europa – KOMMENTAR
  • RUSSLAND: Putin will sich an Chinas große Schulter lehnen.
  • ÖSTEREICH: Tanners neues Militärbefugnisgesetz im Anrollen.
    Medwedjew droht Österreich mit militärischem Eingreifen, wenn es zur NATO beiträte.
    Cyberangriff erschüttert Innenministerium, aber wesentliche Daten wurden nicht ergattert.
  • Weitere COMMENTS vorhanden

MÄRKTE – Schwach. Der Verlauf der Renditen von US-Anleihen verheißt nicht unbedingt Gutes – COMMENT.

THEMENREIGEN – ERZIEHUNG: Schimpfwörter in Kindes Mund. GESELLSCHAFT/POLITIK: Erst raunzen, dann schlucken dank sozialpsychologischer Mechanismen. GENDER & GESCHLECHT: Freie Geschlechtswahl sorgt für politische Posse, aber auch für Übergriffe in vornehmlich Frauen vorbehaltenen Räumen (KOMMENTARE). Autowahl offenbart Geschlechtspräferenzen.

Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!

Apropos Weltzirkus: Zirkus ist was für Kinder und Junggebliebene, Staunen und Lachen über die Clowns! Im Weltzirkus tummeln sich viele Zauberkünstler und Clowns. Lachen wir also, Lachen ist die beste Medizin gegen Depressionen. 

EMPFEHLUNG

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MÄRKTE

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

COMMENT: DAX unter 24.000 Punkten: charttechnisch erreicht der DAX bald die untere Unterstützungslinie (Gerade durch die so miteinander verbundenen Tiefpunkte des DAX seit Juli) des aufsteigenden Wimpels. Dies und die Hoffnung, dass die Trump-Zölle verschwinden werden machen Kurzfrist-Spekulanten Hoffnungen auf steigende Kurse. Mal schauen, was am Wochenanfang passiert …

Ein Blick auf den US-Rentenmarkt

Die 30-jährige US-Staatsanleihe zeigt einen Bemerken Rendite-Verlauf: die Rendite zeigt einen recht steilen Anstieg und landete zuletzt bei rund 5 Prozent. Interpretationen weisen auf die gestiegenen Langfristrisiken für die USA als Schuldner hin, aber auch darauf, dass sich darin eine Furcht vor einer wiederkehrenden Inflation spiegeln könnte. Im Chart gibt die rote Linie die Rendite wieder, die blaue zeigt den tatsächlich eingesetzten Zinssatz der FED auf; denn: die FED hat sich auf eine Zins-Spanne und nicht auf einen bestimmten Zinssatz festgelegt und justiert fein innerhalb dieser Spanne die Zinsen auf die gegebene Situation ab. Diese Zinsspanne liegt derzeit zwischen 4,25 und 5 Prozent.

Anders schaut der Chart für die 10-Jährige US-Staatsanleihe aus: hier pendelt die Rendite nach steilem Anstieg seit Ende 2022 um 4,25 Prozent. Seither sind keine Anstiege zu verzeichnen – im Gegensatz zur 30-jährigen US-Staatsanleihe.

Anders verhält sich die Rendite für Kurzläufer, hier die 6-monatige US-Staatsschuld: seit dem Hoch Mitte 2023 sinkt sie langsam.

Ein Blick auf die Zinskurve offenbart: in der letzten Zeit kam es nach einer Periode der Normalisierung wieder zu einer Tendenz, die nach Lesart einiger Kommentatoren eine inverse Zinskurve wahrscheinlicher machen. Eine inverse Zinskurve liegt dann vor, wenn Zinsen der Kurzläufer höher liegen als jene für Langläufer.

Ausgeprägt war die Inversion 2024 (blaue Linie). Anfang 2025 stabilisierte sich die Zinskurve (braune Linie), die Inversion verschwand. Zuletzt, am 29.8.2025, weist die Zinskurve einen interessanten Verlauf auf (rote Linie), Sie zeigt Zeichen der Inversion, aber am ganz langen Ende (30 Jahre) sind die Renditen nicht nur hoch, sondern Ausdruck eines ungebrochen weiteren Ansteigens – ein Warnzeichen, Vorboten einer schlechter werdenden Konjunktur, aber eben auch Ausdruck der Furcht vor den Folgen ausufernder Staatschulden und einer zurückkehrenden Inflation: kommt es in den USA zur gefürchteten Stagflation, also der Mischung aus Wirtschaftsflaute und hoher Inflation. .

Immer wieder sei darauf hingewiesen: die entscheidenden Märkte sind nicht die Aktienmärkte, sondern die der Anleihen. Sie haben eine erhebliche stärkere Aussagekraft als die irrlichternden Aktienmärkte.

WOCHENAUSBLICK: Dax steht vor weiteren Herausforderungen – 29.8.2025

FRANKFURT (dpa-AFX) – Dem zuletzt schwächelnden Dax steht wohl eine weitere schwierige Woche bevor. Neben dem monatlichen US-Arbeitsmarktbericht am Freitag rückt die Auseinandersetzung um die Führungsspitze der amerikanischen Notenbank Fed in den Fokus. Auch seitens der erratischen Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump sind angesichts seiner jüngsten Drohungen jederzeit Querschläger für die Aktienmärkte zu befürchten. Zudem beschäftigt die Anleger der befürchtete Sturz der französischen Regierung.

Im Ringen um die 24.000-Punkte-Marke drohe dem wichtigsten deutschen Aktienindex die Kraft auszugehen, warnt Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets. „Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“ Panikartige Verkäufe sind dem Experten zufolge allerdings nicht zu befürchten. Bereits bei 23.500 Punkten sieht er die nächste Haltelinie für den Dax, der inzwischen ein gutes Stück von seinem Rekordhoch bei gut 24.639 Punkten aus dem Juli zurückgefallen ist. Seit Jahresbeginn steht immer noch ein Kursplus von mehr als 20 Prozent zu Buche. Damit lässt der Dax die meisten anderen großen Indizes weit hinter sich.

Seine Bewertung ist damit allerdings weit über das Niveau der vergangenen zehn Jahre gestiegen. Daher sind einige Experten der Meinung, dass sich die massiven Konjunkturmaßnahmen der neuen Bundesregierung erst in den Unternehmensgewinnen niederschlagen müssen, bevor die Rekordrally neuen Schwung gewinnen kann. Die immer noch hohen Kurse spiegelten einen übertriebenen Optimismus mit Blick auf das Gewinnwachstum wider, sagte Will McIntosh-Whyte, Fondsmanager bei Rathbones Asset Management.

Der Dax trete seit Anfang Juni de facto auf der Stelle, weise aber immer noch ein historisch hohes Bewertungsniveau auf, konstatieren die Experten der DZ Bank. Stimmungsindikatoren deuteten zwar an, dass die Zahl der Pessimisten leicht zunehme. Bisher aber hielten sich die institutionellen Anleger mehrheitlich mit Verkäufen zurück. Für einen deutlichen Kursrückgang bräuchte es wohl einen Auslöser. Hier könnten die US-Börsen ungeachtet der zunehmenden Entkoppelung von Europa eine Rolle spielen. Stratege Molnar sieht in New York eine nachlassende Aufwärtsdynamik, auch wenn die wichtigsten Indizes zuletzt angezogen und Bestmarken aufgestellt haben.

Für etliche Marktbeobachter steht in den USA die jüngste Eskalation im Kampf zwischen Trump und der Fed im Fokus. Dass der US-Präsident die Gouverneurin Lisa Cook entlassen hat, lässt laut Ökonomin Tiffany Wilding von der Investmentgesellschaft Pimco zwar zunächst keine direkten Auswirkungen auf die Zinspolitik erwarten. Zudem will Cook mit einer Klage gegen Trump ihre Amtsenthebung wegen angeblichen Hypothekenbetrugs verhindern. Jedoch könne die öffentliche Debatte das Vertrauen in die institutionelle Unabhängigkeit der Fed belasten, so Wielding. Am 17. September steht die nächste Fed-Zinssitzung an. Dass die Währungshüter dann erstmals im laufenden Jahr den Leitzins senken, gilt als nahezu sicher – wenn auch nicht so deutlich wie von Trump seit langem gefordert.

Gegenwind für die Börsen droht auch aus Frankreich. Im Streit um den anstehenden Sparhaushalt wird Premierminister François Bayrou am 8. September die Vertrauensfrage stellen. Seine Regierung hat im Parlament keine eigene Mehrheit, weshalb ihr Sturz erwartet wird. Anschließende Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen. Dies dürfte nicht nur den französischen Cac-40-Index, sondern auch den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx50 beeinflussen, schreibt Analyst Frank Sohlleder vom Broker Activtrades.

Der Auftakt in die neue Börsenwoche dürfte wegen der feiertagsbedingt geschlossenen US-Börsen ruhig verlaufen. Neben dem Quartalsbericht des chinesischen Autoriesen BYD und dessen möglichem Einfluss auf die Branche sollten europäische und chinesische Einkaufsmanagerdaten aus der Industrie einen Blick wert sein. Am Dienstag hält der Vakuum-Technologie- und Messtechnikspezialist PVA Tepla einen Kapitalmarkttag ab. Außerdem stehen Preisdaten aus der Eurozone und Einkaufsmanagerdaten aus der US-Industrie auf der Agenda.

Zur Wochenmitte folgen Geschäftszahlen des Online-Gebrauchtwagenhändlers Auto1, des Versicherers Swiss Life und nach US-Börsenschluss vom SAP-Branchenkollegen Salesforce . Überdies werden in Japan, China und Europa Daten zur Unternehmensstimmung im Dienstleistungssektor sowie im Euroraum weitere Preisdaten veröffentlicht. Am Donnerstag berichtet der amerikanische Chipriese Broadcom über seine Geschäftsentwicklung. Dazu gibt es Stimmungsdaten aus der US-Dienstleistungsbranche./gl/la/he

— Von Gerold Löhle, dpa-AFX —

© 2025 dpa-AFX

GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN

findet sich am Ende des Tagesblicks

HELLMEYER-REPORT (Märkte u.a.m.)

Sommerferien – der Report entfällt bis Sonntag, 14.9.2025.

ZENTRALBANKEN

WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK

ISRAEL-IRAN-HAMAS-HISBOLLAH-KRIEG

ISRAEL-IRAN-KRIEG im n-tv Liveticker

ISRAEL – NAHOST-KONFLIKT im n-tv Liveticker

ISRAEL – NAHOST-KONFLIKT im FAZ-Liveblog

Im Jemen sind durch einen israelischen Luftangriff vor wenigen Tagen der Ministerpräsident der Huthi-Miliz und mehrere ihrer Minister getötet worden.

Ahmed al-Rahaui und die Minister seien in der Hauptstadt Sanaa zu Tode gekommen, teilte die vom Iran unterstützte Organisation mit. Bei dem Angriff auf eine Versammlung der Miliz seien auch weitere Mitglieder verletzt worden. Die Huthi-Regierung in Sanaa und im Norden des Jemens, den die Miliz seit rund zehn Jahren kontrolliert, werde ihre Arbeit fortsetzen, hieß es.

Die Regierung der Huthi wird international nicht anerkannt. Die Organisation hatte al-Rahaui vor einem Jahr zum Regierungschef ernannt. Er galt wie seine Vorgänger aber als eher symbolische Figur ohne wirkliche Macht. Anführer der Miliz ist Abdel Malik al-Huthi, dessen Bruder die schiitische Organisation vor etwa 30 Jahren gegründet hatte.

Mit der Verkündung von al-Rahauis Tod wurde umgehend ein Nachfolger ernannt. Der oberste politische Rat der Huthi habe Mohammed Ahmed zum amtierenden Ministerpräsidenten ernannt, erklärte die Organisation laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Saba, die von den Huthi kontrolliert wird. Mohammed Ahmed diente bisher als Vize unter al-Rahaui. 

Israel hatte am Donnerstag die jemenitische Hauptstadt Sanaa erneut angegriffen. Nach eigenen Angaben griff die israelische Luftwaffe im Raum Sanaa ein „militärisches Ziel des Huthi-Terrorregimes“ an. Im Rahmen des Angriffs wurden offenbar auch al-Rahaui und die Minister getötet.

Die radikal-islamische Hamas bestätigt den Tod ihres Militärchefs im Gazastreifen, Mohammad Sinwar.

Israel hatte bereits im Mai gemeldet, ihn bei einem Angriff getötet zu haben. Die Hamas macht keine Angaben zu den Umständen seines Todes. 

Die Huthi-Miliz im Jemen hat nach der Tötung ihres Regierungschefs bei einem israelischen Luftangriff Vergeltung angekündigt.

„Wir werden uns rächen“, sagte der Huthi-Anführer Mahdi al-Maschat am Samstag in einer Videobotschaft. Der Huthi-Ministerpräsident Ahmed Ghaleb Nasser al-Rahawi, der vor einem Jahr sein Amt angetreten hatte, war nach Angaben der Miliz am Donnerstag zusammen mit mehreren Ministern bei einem israelischen Angriff getötet worden.

Huthi-Anführer al-Maschat warnte, Israel stünden „dunkle Tage bevor“. Er rief ausländische Unternehmen, Israel zu verlassen, „bevor es zu spät ist“.

Mehr als 10.000 Menschen nahmen heute an der propalästinensischen Demonstration „United 4 Gaza“ in Frankfurt teil.

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen ranghohen Funktionär der islamistischen Terrororganisation Hamas in der Stadt Gaza angegriffen.

Es war zunächst unklar, um wen genau es sich handelte. Israelische Medien berichteten übereinstimmend, Ziel des Angriffs sei der langjährige Sprecher des militärischen Arms der Hamas, der Qassam-Brigaden, gewesen. Dieser ist unter seinem Kampfnamen Abu Obeida bekannt. Er gilt als einer der bekanntesten Vertreter der Hamas. Bei Auftritten und Videobotschaften zeigt er sich nur vermummt.

Das israelische Militär teilte mit, vor dem Luftangriff in der Stadt im Norden des Gazastreifens seien Maßnahmen ergriffen worden, um das Risiko ziviler Opfer zu minimieren. Der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz sprach indes von mindestens sieben Toten bei einem Angriff im Westen der Stadt Gaza. Ein Wohnhaus im Rimal-Viertel, das vor dem Krieg als eine wohlhabende Gegend galt, sei angegriffen worden, hieß es weiter. Unter den Trümmern wurden demnach weitere Menschen vermutet. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Deutschland und die anderen 26 EU-Staaten kritisieren die US-Visa-Sanktionen gegen Repräsentanten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sowie gegen die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO).

„Wir alle fordern nachdrücklich, diese Entscheidung zu überdenken“, sagte die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas nach einem Außenministertreffen in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen.

Das US-Außenministerium hatte die Visa-Sanktionen gegen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und zahlreiche weitere Personen und die PLO zuvor bestätigt. Sie könnten zur Folge haben, dass die Betroffenen nicht zur nächsten UN-Vollversammlung nach New York können. Bei ihr wollen mehrere Staaten, darunter Frankreich, Kanada und Australien, im September einen palästinensischen Staat anerkennen. 

Ausgenommen von den Visa-Einschränkungen ist laut Mitteilung die offizielle Vertretung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) bei den Vereinten Nationen. Diese hat nur einen Beobachterstatus und ist kein volles UN-Mitglied.

Tausende Menschen haben in Frankfurt gegen den Gaza-Krieg demonstriert.

Nach Polizeiangaben versammelten sich am Nachmittag rund 6.500 Menschen am Hafenpark  – angemeldet waren ursprünglich 5.000. 

Unter Sprechchören wie „From the River to the Sea – Palestine will be free“ [diese Forderung kommt einer Eliminierung israels gleich und wiederholt somit Artikel 7 der Hamas-Grund-Charta, die als Ziel die Vernichtung Israels anführt].und „Freiheit für Palästina“ setzten sich die Demonstranten mit Palästina-Flaggen und Protestplakaten in Bewegung. Das Motto der Demonstration war „United4Gaza – Stoppt den Völkermord jetzt!“, die Strecke sollte vom Frankfurter Osten bis zum Roßmarkt in der Innenstadt führen.

Größere Zwischenfälle oder Ausschreitungen gab es nach Polizeiangaben bis zum Nachmittag nicht. Einzelne Personen wurden auf das Vermummungsverbot hingewiesen. 

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hält eine Massenevakuierung der Stadt Gaza für unmöglich und israelische Anordnungen dazu für völlig unverständlich.

„Eine solche Evakuierung würde angesichts der weitverbreiteten Zerstörung der zivilen Infrastruktur und der extremen Verknappung von Nahrungsmitteln, Wasser, Unterkünften und einer medizinischer Versorgung massive Bevölkerungsbewegungen auslösen, die kein Ort im Gazastreifen bewältigen kann“, erklärte das IKRK (Samstag) in Genf. Sie könne unter den gegenwärtigen Umständen niemals sicher oder gar würdevoll durchgeführt werden.

Die Zivilbevölkerung sei infolge der monatelangen Kämpfe bereits traumatisiert und habe Angst davor, was als Nächstes passiert, betont das Rote Kreuz. Viele Menschen seien schlicht nicht in der Lage, einer Evakuierungsanordnung zu folgen, weil sie hungerten, krank, körperlich behindert oder verletzt seien. Das humanitäre Völkerrecht schütze die Zivilbevölkerung, unabhängig davon, ob sie ihr Zuhause verlassen hat oder vor Ort geblieben ist.

Vertreter anderer EU-Staaten haben deutliches Unverständnis über die Ablehnung des Kommissionsvorschlages zur Sanktionierung Israels durch Deutschland geäußert.

So sagte etwa der spanische Außenminister José Manuel Albares in Kopenhagen, die EU könne ihre Beziehungen zu Israel nur auf der Grundlage der Menschenrechte gestalten. Wenn es wie von der EU-Kommission festgestellt, massive Verletzungen gebe, müsse man handeln. In Gaza seien Tausende Palästinenser durch eine von Israel verursachte Hungersnot dem Tod ausgesetzt sind. „Wir sprechen von Kindern, von Babys. Das ist inakzeptabel“, sagte er. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat sich in Bezug auf eine mögliche Sanktionierung Israels durch die EU wenig zuversichtlich gezeigt. „Ich bin nicht sehr optimistisch“, sagte die EU-Chefdiplomatin vor Beginn eines EU-Außenministertreffens in Kopenhagen am Samstag. Selbst der aktuelle „recht nachsichtige“ Sanktionsvorschlag, demzufolge israelische Startups keine EU-Gelder mehr erhalten würden, habe keine Mehrheit. „Das sendet die Botschaft, dass wir gespalten sind“, fügte Kallas hinzu. 

Deutschland wird dem Vorschlag der EU-Kommission zur Sanktionierung Israels wegen der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen vorerst nicht zustimmen.

Die vorgesehene Einstellung von Zusammenarbeit im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe sei eine Maßnahme, die vermutlich keinen Einfluss auf die politische Willensbildung und auf das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen hätte, erklärte Außenminister Johann Wadephul bei einem EU-Treffen in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen.

Frankreich hat sich angesichts der von den USA angekündigten Verweigerung von Visa für Palästinenservertreter für einen freien Zugang zur UN-Generaldebatte ausgesprochen.

„Eine Generaldebatte der Vereinten Nationen sollte keinerlei Zugangsbeschränkungen unterliegen“, sagte Außenminister Jean-Noël Barrot am Samstag in Kopenhagen am Rande eines Treffens der EU-Außenminister – ohne die USA oder die Palästinenser direkt zu nennen. 

Der Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York sei „ein Ort der Neutralität“ und ein „Zufluchtsort im Dienste des Friedens“, sagte Barrot weiter. Er werde sich hierzu auch mit seinen europäischen Amtskollegen äußern, sagte er mit Blick auf die informellen Gespräche im sogenannten Gymnich-Format in Kopenhagen.

Die Vereinten Nationen hoffen, dass die USA die Einreiseverbote für Palästinenser zur UN-Generalversammlung in New York zurücknehmen.

Es sei wichtig, dass alle Mitgliedstaaten und ständigen Beobachter repräsentiert werden, besonders weil es auf Bitten von Frankreich und Saudi-Arabien ein Treffen zu einer möglichen Zweistaatenlösung geben solle, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric. „Wir hoffen selbstverständlich, dass das gelöst wird.“

Israels Außenminister Gideon Saar begrüßte den Schritt hingegen. In einem Post auf der Plattform X dankte er US-Außenminister Marco Rubio dafür, PLO und PA dafür zur Verantwortung zu ziehen, dass sie „Terrorismus und Aufwiegelung“ belohnten. Saar dankte zudem US-Präsident Donald Trump und dessen Regierung für „diesen mutigen Schritt und dafür, dass Sie Israel erneut zur Seite stehen“.

Das Büro von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas brachte in einer von der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa veröffentlichten Erklärung ihr „tiefes Bedauern und Erstaunen“ über die Entscheidung des US-Außenministeriums zum Ausdruck. Das Vorgehen verstoße gegen internationales Recht. Deshalb hoffe man, dass die Regierung in Washington diesen Schritt überdenkt und revidiert.

WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN

08:05ROUNDUP 2: Israel tötet Regierungsmitglieder der Huthi-Miliz im Jemen177dpa-AFX
07:37Israels Militär greift ranghohen Hamas-Funktionär in Gaza an278dpa-AFX
SaROUNDUP: Deutschland will EU-Israel-Sanktionen nicht zustimmen641dpa-AFX

URAINE-KRIEG im n-tv Liveticker

Detaillierte Meldungsübersicht. Daraus eine Auswahl:

+++ 09:30 Ukraine: 126 von 142 Drohnen abgewehrt +++
Das ukrainische Militär hat letzte Nacht nach eigenen Angaben 126 von 142 russischen Drohnen abgewehrt. An 16 Orten kam es demnach zu Einschlägen oder Abstürzen von Drohnen. Berichte über eine verletzte Person sowie Schäden an Infrastruktur und Gebäuden kommen aus dem Großraum Odessa. Zudem berichtet die Region Cherson am Morgen von mindestens drei Verletzten durch russischen Beschuss.

+++ 08:39 Odessas Gouverneur: Zehntausende Menschen sind ohne Strom wegen Drohnenattacke +++
Die ukrainischen Behörden melden einen russischen Drohnenangriff auf den Großraum Odessa. Getroffen worden sei eine Energieanlage in der Nähe der Hafenstadt am Schwarzen Meer, schreibt Regionalgouverneur Oleh Kiper bei Telegram. Mehr als 29.000 Menschen hätten keinen Strom. Wichtige Einrichtungen würden über Generatoren mit Elektrizität versorgt. Von dem Angriff am stärksten betroffen sei der an die Stadt Odessa angrenzende Ort Tschornomorsk. Hier seien auch Wohnhäuser und Verwaltungsgebäude beschädigt worden. Eine Person sei infolge der Angriffe verletzt worden, so Kiper. Eine Stellungnahme aus Moskau liegt nicht vor.

+++ 08:04 Russland: 21 ukrainische Drohnen abgefangen +++
Die russische Luftwaffe hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in der Nacht 21 Drohnen aus der Ukraine abgefangen. Elf davon seien über der Region Wolgograd im Süden Russlands unschädlich gemacht worden, heißt es aus Moskau. Die übrigen Drohnen wurden demnach über den Regionen Rostow, Belgorod und Brjansk im Südwesten des Landes abgeschossen. Das Verteidigungsministerium meldet nur die Zahl der abgefangenen, nicht die Gesamtzahl der auf das Land gerichteten Drohnen. Eine Stellungnahme aus Kiew liegt nicht vor. Zuletzt nahm die Ukraine vor allem die Energie-Infrastruktur Russlands ins Visier.

Militärblogger sauer auf Führung Angriffe auf Raffinerien: ISW sieht größere Probleme auf Russland zukommen

+++ 07:08 ISW hält russische Darstellung von Geländegewinnen für übertrieben +++
Analysten der Washingtoner Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) widersprechen der jüngsten russischen Darstellung von Geländegewinnen im Krieg gegen die Ukraine. So hält das ISW die am Samstag gemachten Angaben des russischen Generalstabschefs Waleri Gerassimow für übertrieben. Dieser behauptete, die russischen Streitkräfte hätten seit diesem März 3500 Quadratkilometer Territorium und 149 Siedlungen erobert. Das ISW geht jedoch nur von etwa 2346 Quadratkilometern eroberten Territoriums und 130 Siedlungen seit März aus. Ähnlich ordnen die Analysten die Angaben des russischen Verteidigungsministers Andrej Belousow vom Samstag ein. Dieser sprach von Geländegewinnen von derzeit 600 bis 700 Quadratkilometern pro Monat. Das ISW hingegen geht davon aus, dass die russischen Streitkräfte im Juni, Juli und August nur 440 bis 500 Kilometer pro Monat vorgerückt sind. Zudem erleide Russland erhebliche personelle Verluste. „Der Kreml versucht wahrscheinlich, die westliche Politik zu beeinflussen, indem er den falschen Eindruck erweckt, dass russische Fortschritte und ein Sieg unvermeidlich sind“, schreibt das ISW in seiner Einschätzung.

„Tor zu weiterer Invasion“ Darum ist der „Festungsgürtel“ im Donbass für die Ukrainer so wichtig

+++ 06:23 Cherson erhält leistungsstarke Generatoren +++
Die Energieinfrastruktur der Ukraine ist seit Kriegsbeginn immer wieder Ziel russischer Angriffe geworden – nun erhält die Region Cherson nach Angaben des Gouverneurs von Unterstützern in den USA drei leistungsstarke Generatoren im Wert von insgesamt rund einer Million Dollar. Einer der Generatoren soll den Betrieb eines Krankenhauses sicherstellen, die anderen beiden sollen in Zusammenhang mit der Wärmeversorgung der Bevölkerung eingesetzt werden. Gouverneur Oleksandr Prokudin teilt bei Facebook mit, Tausende Menschen würden somit auch unter den schwierigsten Bedingungen Zugang zu medizinischer Versorgung und Wärme haben.

+++ 03:49 Russlands Präsident Putin zu mehrtägigem Besuch in China eingetroffen +++
Russlands Staatschef Wladimir Putin ist zu einem mehrtägigen Besuch in der Volksrepublik China eingetroffen. Wie russische Staatsmedien berichten, landete der Kreml-Chef in der nordchinesischen Hafenstadt Tianjin. Dort nimmt Putin an dem bis Montag dauernden Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) unter Vorsitz von Chinas Staatschef Xi Jinping teil. Das Treffen des Bündnisses ist das größte seit seiner Gründung im Jahr 2001.

+++ 02:28 Litauen installiert „Drachenzähne“ an der Grenze zu Belarus +++
Das litauische Militär installiert Hindernisse, um die Sicherheit an ungenutzten Straßen an Grenzkontrollpunkten zu Russland und Weißrussland zu verstärken, berichtet der Sender LRT. Die sogenannten Drachenzähne – pyramidenförmige Betonhindernisse zur Panzerabwehr – wurden als Teil der Baltischen Verteidigungslinie errichtet, einer geplanten Verteidigungslinie entlang der Grenzen der baltischen Staaten zu Russland und Weißrussland. Litauen, Lettland und Estland, drei NATO-Mitglieder, die an Russland und dessen Verbündeten Weißrussland grenzen, haben seit Beginn der vollständigen Invasion der Ukraine durch Moskau im Jahr 2022 zunehmend Alarm wegen der russischen Bedrohung geschlagen.

+++ 01:07 EU prüft Verwendung eingefrorener russischer Vermögen +++
Die Europäische Union will prüfen, wie eingefrorene russische Vermögenswerte letztendlich zur Finanzierung der Verteidigung und des Wiederaufbaus der Ukraine nach dem Krieg verwendet werden könnten. Eine Beschlagnahmung zum jetzigen Zeitpunkt sei politisch nicht realistisch, sagt die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Die EU hat im Rahmen der Sanktionen wegen der vollständigen Invasion Russlands in der Ukraine russische Vermögenswerte in Höhe von rund 210 Milliarden Euro (245,85 Milliarden US-Dollar) eingefroren. Kiew und mehrere EU-Mitglieder – darunter Estland, Litauen und Polen – haben auf eine sofortige Beschlagnahmung der Gelder gedrängt, um die milliardenschwere Haushaltslücke der Ukraine für das nächste Jahr zu schließen. Frankreich, Deutschland und Belgien, die den größten Anteil an den Vermögenswerten halten, haben sich jedoch dagegen gewehrt. Nach einem Treffen der EU-Außenminister in Kopenhagen erklärte Kallas, alle Mitglieder seien sich einig, dass „es undenkbar ist, dass Russland dieses Geld jemals wieder sehen wird, wenn es die Ukraine nicht vollständig für die Kriegsschäden entschädigt“.

+++ 00:12 Ukraine meldet Erfolge – Russische Truppen an Vormarsch gehindert +++
Die ukrainischen Streitkräfte erzielen nach Angaben von Militärsprecher Wiktor Trehubow Erfolge an der Front. Sie hindern demnach russische Truppen daran, Ziele in der Region Donezk einzunehmen und stoppen weitere Vorstöße in die Region Dnipropetrowsk. In einem Abschnitt seien zudem russische Einheiten eingekesselt worden. Eine russische Stellungnahme liegt zunächst nicht vor.

+++ 23:03 Ukraine: Russische Truppen bei Dobropillja „eingekesselt“ +++
Russische Streitkräfte sind in der Nähe von Dobropillja im Gebiet Donezk vom ukrainischen Militär eingekesselt, wie der Militärsprecher Viktor Trehubov bekannt gibt. „Zumindest vorläufig sind die russischen Einheiten, die auf Dobropillja vorrückten abgeschnitten und eingekesselt worden“, sagt Trehubov während der Fernsehsendung „Yedyni Novyny“. Dobropillja, eine Stadt im ukrainischen Gebiet Donezk, liegt im Bezirk Pokrowsk – derzeit ein umkämpfter Abschnitt der Frontlinie.

+++ 21:12 Indiens Regierungschef Modi trifft Putin – und spricht vorher mit Selenskyj +++
Indiens Regierungschef Narendra Modi hat vor seinem geplanten Treffen mit Kreml-Chef Wladimir Putin in China mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über die Friedensbemühungen im Ukraine-Konflikt beraten. „Wir haben uns über den anhaltenden Konflikt, seine humanitären Aspekte und die Bemühungen um die Wiederherstellung von Frieden und Stabilität ausgetauscht“, schrieb Modi am Samstag nach dem Telefonat mit Selenskyj in Onlinenetzwerken. „Indien unterstützt alle Bemühungen in dieser Richtung uneingeschränkt“, fügte er hinzu. Modi traf am Samstagabend in der chinesischen Hafenstadt Tianjin ein. Dort findet ab Sonntag der Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) statt. An dem zweitägigen Treffen nehmen mehr als 20 Staats- und Regierungschefs teil, unter ihnen auch Putin. Modi plant für Montag ein bilaterales Treffen mit dem russischen Präsidenten.

+++ 20:45 Nächtliche Attacke auf Großstadt: Zahl der Verletzten in Saporischschja steigt +++
537 Drohnen und 45 Raketen zählte die ukrainische Luftabwehr in der Nacht zu Samstag. Es war einer der massivsten russischen Luftangriffe seit Beginn der Großinvasion im Februar 2022. Erneut wurden zivile Ziele in der Ukraine getroffen, am folgenreichsten in der Stadt Saporischschja: ein Mensch starb. Die Zahl der Verletzten ist nach Angaben der Militärverwaltung im Bezirk auf 30 gestiegen: „Wir wissen jetzt von 30 Opfern: Menschen, die bei dem russischen Nachtangriff verletzt wurden, haben medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Die meisten von ihnen haben Schrapnellwunden, Schnittverletzungen und akute Stressreaktionen.“

+++ 19:26 „Lassen wir sie eine Weile kämpfen“: Trump angeblich genervt von Europäern +++
US-Präsident Donald Trump kommt mit seinen Bemühungen um ein Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine nicht voran – auch weil er und seine wichtigsten Betrauten sich wohl überschätzen. Nach einem Bericht des US-Mediums Axios machen hochrangige Mitarbeiter Trumps nun Europa verantwortlich für ausbleibende Fortschritte. Die europäischen Staaten würden Kiew ermutigen, auf ein „besseres Abkommen“ mit Russland zu warten. „Wenn Europa diesen Krieg eskalieren will, ist das seine Entscheidung“, zitiert Axios einen Mitarbeiter des Weißen Hauses. In dem Fall werde Europa aber verlieren. Weiter sagte die Quelle laut Axios: „Wir werden uns zurücklehnen und beobachten. Lassen wir sie eine Weile kämpfen und sehen, was passiert.“ Trumps wechselhafte Stimmungslagen und Interessen sind bekannt. Möglich, dass Mitarbeiter des Präsidenten schon einmal die Schuldfrage klären, sollte Trump sich nicht länger für eine Friedenslösung engagieren wollen.

+++ 18:19 Russischer Generalstabschef kündigt weitere Angriffe an – und lügt +++

Moskaus Generalstabschef Waleri Gerassimow hat nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums eine Fortsetzung der umfangreichen Luftangriffe gegen die Ukraine angekündigt. Gerassimow wird mit einem Satz zitiert, wonach sich diese Attacken „ausschließlich gegen militärische Einrichtungen und die Verteidigungsindustrie der Ukraine“ richteten. Tatsächlich feuert Russland fast täglich dutzende bis hunderte Drohnen und Raketen auf zivile Ziele und Wohngebiete in der Ukraine ab. In der vergangenen Nacht wurde dabei ein Zivilist getötet und mindestens 25 weitere wurden verletzt. Weiter kündigte Gerassimow an, der Generalstab werde im Verlauf des Wochenendes die Ziele der russischen Truppen für den Herbst festlegen. Er erklärte, „dass die strategische Initiative vollständig in den Händen der russischen Streitkräfte liegt“.

+++ 17:25 Bericht: Trump erwägt private US-Militärfirmen als Teil von Sicherheitsgarantien +++
Ein Friedensabkommen oder zumindest eine dauerhafte Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine scheint momentan in weiter Ferne. Dennoch gehen die Planungen der westlichen Unterstützerstaaten weiter, wie diese im Fall eines Abkommens Russland von einem erneuten Angriff abschrecken könnten. Der britische „Telegraph“ berichtet, dass die USA ein europäisches Engagement zumindest mit privaten US-Militärfirmen unterstützen könnten. Eigene Bodentruppen in der Ukraine lehnt Donald Trump ab. Der US-Präsident soll aber dafür vorgeschlagen haben, dass private US-Militärs die ukrainischen Verteidigungsstellungen entlang der künftigen Grenzziehung bauen und Militärbasen absichern könnten. Auch zum Schutz von Unternehmen, an denen US-Investoren beteiligt sind, könnten diese Firmen eingesetzt werden – etwa bei der Förderung von Bodenschätzen. Das Kalkül: Auch der mögliche Tod von US-Amerikanern könnte Moskau dann von einem erneuten Angriff auf die Ukraine abhalten.

+++ 16:25 EU sucht nach weiteren Sanktionsmöglichkeiten gegen Russland +++
Deutschland und die anderen EU-Staaten sollen der EU-Kommission in den nächsten Tagen mitteilen, welche neuen Strafmaßnahmen sie sich für das nächste Paket mit Russland-Sanktionen wünschen. „Ich habe die Mitgliedstaaten um ihre Vorschläge für die kommende Woche gebeten“, sagte EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas nach einem EU-Außenministertreffen in Kopenhagen. Ziel müsse es sein, mit dem neuen Paket maximalen Druck auf Russland auszuüben. Als Optionen für neue Strafmaßnahmen nannte Kallas neue Importverbote und Zölle auf russische Produkte sowie weitere Sanktionen gegen Akteure aus Drittstaaten, die von Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine profitieren. Zudem sprach sie sich für ein noch entschlosseneres Vorgehen gegen die sogenannte russische Schattenflotte zur Umgehung von Energiesanktionen sowie Russlands Ausweichen auf Kryptowährungen aus.

+++ 15:49 Gewinn von Russlands Ölgiganten Rosneft bricht drastisch ein +++
Der russische Ölkonzern Rosneft hat im ersten Halbjahr einen Gewinneinbruch von mehr als 68 Prozent auf 245 Milliarden Rubel (umgerechnet rund 2,6 Milliarden Euro) hinnehmen müssen. Konzernchef Igor Setschin machte am Samstag für die Entwicklung Produktionssteigerungen der Opec-Staaten wie Saudi-Arabien, Irak und Kuwait verantwortlich. Diese Maßnahmen hätten zu einem Preisverfall geführt. Die Äußerungen des langjährigen Vertrauten von Präsident Wladimir Putin gelten als erstes Anzeichen von Unbehagen in Russland über die Strategie der Opec+. Die Gruppe aus Opec-Staaten und ihren Verbündeten wie Russland hatte nach jahrelangen Förderkürzungen in diesem Jahr eine Kehrtwende vollzogen, um Marktanteile zurückzugewinnen. Setschin ist für seine Skepsis gegenüber der Zusammenarbeit mit der Opec bekannt.

+++ 14:20 Merz: Wirtschaftliche Gründe könnten Russland zu Kriegsende bewegen +++
Bundeskanzler Friedrich Merz rechnet damit, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine erst stoppt, wenn es ihn aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen nicht mehr führen kann. „Alle Bemühungen der letzten Wochen sind beantwortet worden mit einer noch aggressiveren Vorgehensweise dieses Regimes aus Moskau gegen die Bevölkerung in der Ukraine“, sagte Merz auf dem Landesparteitag der CDU-NRW. „Das wird auch so lange nicht aufhören, bis wir nicht gemeinsam dafür sorgen, dass Russland diesen Krieg zumindest aus wirtschaftlichen Gründen, vielleicht auch aus militärischen Gründen … nicht länger führt.“ Merz fordert verstärkte Sanktionen gegen Russland.

+++ 13:27 US-Botschafter bei Nato: Trump stellt sicher, dass sich Kiew weiterhin verteidigen kann +++
Nach den Worten des US-Botschafters bei der Nato, Matthew Whitaker, stellen die USA weiterhin sicher, dass sich die Ukraine gegen Russland verteidigen kann. Dafür sorge US-Präsident Donald Trump unter anderem, indem er der Ukraine eine „tiefere Schlagkraft verleiht, die ihr offensichtlich bei Offensivmaßnahmen helfen könnte“, sagt Whitaker am Freitag in einem Interview bei Fox News. Zudem erhalte Kiew von den USA nicht nur über direkte Waffenverkäufe militärische Unterstützung, sondern auch durch US-Waffenverkäufe an Nato-Verbündete. Diese hätten einen Wert von etwa einer Milliarde US-Dollar im Monat. Die USA hatten kürzlich den Verkauf von 3350 luftgestützten Raketen vom Typ Extended Range Attack Munition (ERAM) an die Ukraine bekanntgegeben. Die Raketen sollen eine Reichweite von 240 bis 450 Kilometern haben. Bezahlen sollen für die Militärhilfen europäische Länder.+++ 12:42 Umbach: „Moskau kann sein Glück kaum fassen“ +++
Trotz Friedensbemühungen von verschiedener Seite führt Russland den Krieg in der Ukraine unerbittlich weiter. Sicherheitsexperte Frank Umbach sieht „Unprofessionalität“ auf Seiten der US-Regierung. Moskau sei immer wieder überrascht vom starken Entgegenkommen Trumps. Trumps Russland-Kurs Umbach: „Moskau kann sein Glück kaum fassen“

+++ 12:11 Ukrainischer Ex-Parlamentschef in Lwiw getötet +++
Der frühere ukrainische Parlamentschef Andrij Parubij ist im Westen des Landes in der Stadt Lwiw nach Behördenangaben getötet worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von einem „schrecklichen Mord“ an dem 54 Jahre alten Abgeordneten, der in der Vergangenheit auch Vorsitzender des Parlaments in Kiew gewesen war. Selenskyj spricht den Angehörigen des Politikers sein Beileid aus. Medien berichten, der Abgeordnete sei mit mehreren Schüssen getötet worden. Nach Angaben der Sicherheitskräfte wird nach dem Schützen gefahndet. Die Hintergründe der Tat sind bisher unklar. Der bekannte Politiker Parubij war von 2016 bis 2019 Parlamentspräsident des Landes und diente zuvor als Vorsitzender des ukrainischen Sicherheitsrats. Auch an den großen pro-europäischen Bewegungen der jüngeren ukrainischen Geschichte hatte Parubij teilgenommen: an der Maidan-Revolution von 2014 sowie der orangefarbenen Revolution im Jahr 2004. Mehr dazu lesen Sie hier.

Truppen bereiteten Vorstoß vor Kiew warnt vor neuer russischer Großoffensive im Donbass

+++ 10:46 Deutscher Hersteller testet „hörende“ KI-Drohnen in der Ukraine +++
Der bayerische Drohnenhersteller Quantum Systems entwickelt in der Ukraine seine Überwachungsdrohnen weiter und lässt sie dort von Drohnenpiloten testen. Als Beispiel nennt der Geschäftsführer von Quantum Systems Ukraine, Oleksandr Berezhny, eine neue aktualisierte KI-gestützte Aufklärungsdrohne, die mit einem akustischen Sensor ausgestattet ist, um gegnerische Geräusche wahrzunehmen. Dieser Sensor „ermöglicht es Drohnenpiloten, Artillerie und andere Waffen anhand der Geräusche, die sie verursachen, aus großer Entfernung zu erkennen“, sagt Berezhny gegenüber „Politico Europe“. Man teste ihn derzeit, „um die Reichweite, die Präzision und die technischen Spezifikationen zu regeln“. Man führe die Funktionstests durch, damit die ukrainischen Streitkräfte dann die angepassten Drohnen einsetzen können, erklärt er. Quantum Systems hat mehrere Produktionsstandorte in der Ukraine.

+++ 10:07 Gouverneur schildert massiven kombinierten Angriff auf Dnipropetrowsk +++
Die ukrainische Region Dnipropetrowsk berichtet von Schäden nach russischen Angriffen in der Nacht. Russland habe Raketen und Drohnen eingesetzt, sagt Gouverneur Serhiy Lysak. Die Flugabwehr habe 18 auf die Region Dnipropetrowsk gerichtete Raketen sowie 20 Drohnen abgeschossen. Jedoch gab es auch Einschläge, wie Lysak weiter erklärt. Seinen Worten zufolge wurden in den Städten Dnipro und Pawlohrad Infrastruktureinrichtungen beschädigt, es brachen mehrere Brände aus, es gibt Gebäudeschäden. Zudem sei der Raum Nikopol mit Mehrfachraketenwerfern attackiert worden. Bisher wurden keine Opfer gemeldet.

+++ 09:39 Ukraine verkündet Drohnenangriffe auf russische Ölraffinerien +++
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben in der Nacht zwei russische Ölraffinerien mit Drohnen angegriffen. Die Ziele seien Raffinerien in den russischen Städten Krasnodar und Sysran gewesen, teilt der Kommandeur der Drohnenkräfte der Ukraine, Robert Brovdi, mit. In den Anlagen seien Brände ausgebrochen, so das Militär. In sozialen Medien kursieren unverifizierte Videos, die die Brände zeigen sollen. Auch berichteten Anwohner laut russischen Telegramkanälen von Drohnengeräuschen und Explosionen. Laut den Behörden in Krasnodar wurde das Feuer dort durch herabstürzende Trümmerteile entfacht und ist inzwischen gelöscht. Die Anlage sei evakuiert worden, es habe keine Opfer gegeben, teilen die Behörden auf Telegram weiter mit. Das russische Verteidigungsministerium erklärt, in der Nacht elf ukrainische Drohnen über der Region Krasnodar abgeschossen zu haben. Der Gouverneur der Region Samara, in der Sysran liegt, bestätigt lediglich einen Angriffsversuch auf einen Industriebetrieb. Sysran liegt rund 900 Kilometer südöstlich von Moskau.

WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN

SaUkraine meldet Opfer und Schäden nach russischen Angriffen636dpa-AFX
SaDeutschland verspricht Ukraine im UN-Sicherheitsrat Hilfe526dpa-AFX

Kallas an Russland: Keine eingefrorenen Vermögenswerte ohne Reparationen – Euronews, 30.8.2025

Die EU-Außenbeauftragte erklärte, die EU müsse sich intensiv mit der Frage der eingefrorenen russischen Vermögenswerte befassen – für den Fall eines möglichen Waffenstillstands oder Friedensabkommens.

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat erklärt, dass eingefrorene Vermögenswerte nicht an Russland zurückgegeben werden, solange Moskau keine Reparationen an die Ukraine zahlt. Kallas argumentierte bei dem informellen Treffen der Außenminister in Kopenhagen, dass die Union auf einen möglichen Waffenstillstand oder Friedensvertrag vorbereitet sein müsse.

„Wir können uns unmöglich vorstellen, dass diese Vermögenswerte im Falle eines Waffenstillstands oder eines Friedensabkommens an Russland zurückgegeben werden, wenn es keine Reparationen gezahlt hat“, sagte die Hohe Vertreterin.

Die Außenminister der EU treffen sich in Kopenhagen zu einem informellen Rat für Auswärtige Angelegenheiten, um Fragen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zu erörtern. In diesem Format treffen die Minister keine Entscheidungen, sondern diskutieren die Themen eingehend.

Staatsvermögen in Höhe von 210 Milliarden Euro eingefroren

Nach der vollständigen Invasion der Ukraine beschloss die Europäische Union, Staatsvermögen im Wert von 210 Milliarden Euro einzufrieren. Dieser Betrag wird nicht beschlagnahmt, aber die EU verwendet die Zinsen, um die Kriegsanstrengungen der Ukraine zu unterstützen.

Zuvor hatten Experten gewarnt, dass die mögliche Beschlagnahmung und Verwendung eingefrorener Vermögenswerte ein Neuland sei und zu einem rechtlichen Minenfeld für die EU führen könnte.

Der größte Teil der Vermögenswerte, 183 Milliarden Euro, wird in Belgien gehalten, dem Sitz der Clearingstelle Euroclear für Finanztransaktionen. Diese Vermögenswerte gehören der russischen Zentralbank, die sie ursprünglich als kurzfristige Staatsanleihen hielt.

In der EU sprachen sich Polen und die baltischen Staaten für die vollständige Einziehung der eingefrorenen Vermögenswerte aus, während Belgien, Deutschland und Frankreich rechtliche Vorbehalte hatten.

Anfang dieser Woche verklagte Ungarn den Rat der EU wegen einer Entscheidung, der Ukraine Milliarden Euro an Hilfe aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten zu gewähren.

Budapest argumentierte, dass die Europäische Friedensfazilität (EPF), ein Finanzprogramm, das Militärhilfe für verbündete Länder ermöglicht, gegen EU-Recht verstößt, indem sie den Widerstand Ungarns in dieser Angelegenheit ignoriert.

Die Ukraine erhält jedes Jahr zwischen drei und fünf Milliarden Euro aus dem EPF-Programm, das fast vollständig aus den Zinsen der eingefrorenen russischen Vermögenswerte in Europa finanziert wird.

Ungarn weigert sich, den jüngsten russischen Angriff auf Kyjiw zu verurteilen – Sandor Zsiros, Euronews, 30.8.2025

Der Hohe Vertreter der EU gab eine Erklärung ab, in der er die tödlichen Angriffe Russlands als Kriegsverbrechen bezeichnete und zu mehr Unterstützung für die Ukraine aufrief. Das Dokument wurde von 26 Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Ungarn weigerte sich.

Ungarn hat sich geweigert, eine EU-Erklärung zu unterzeichnen, in der der jüngste russische Angriff auf die Ukraine verurteilt wird. Das von der Hohen Vertreterin Kaja Kallas vorbereitete Dokument wurde von den übrigen 26 Mitgliedsstaaten unterstützt.

Russland hat in der Nacht zum Mittwoch die ukrainische Hauptstadt angegriffen, wobei 23 Menschen, darunter mehrere Kinder, ums Leben kamen. Es war der zweitgrößte Luftangriff auf die Ukraine seit Beginn der umfassenden Invasion Russlands.

Auch die EU-Vertretung im Zentrum Kyjiws und das Gebäude des British Council wurden beschädigt. In der Erklärung wird darauf hingewiesen, dass die Gefährdung des Lebens von Diplomaten einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt.

„Vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten und nichtmilitärische Ziele sind Kriegsverbrechen. Alle Befehlshaber, Täter und Komplizen dieser schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, heißt es in der Erklärung.

Am Donnerstag forderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Reaktion auf die Anschläge ebenfalls strenge Sanktionen gegen Russland. Es ist nicht klar, warum Ungarn den Brief nicht unterzeichnet hat. Budapest hat bisher jedoch systematisch alle Forderungen nach finanzieller oder militärischer Unterstützung für die Ukraine abgelehnt. Euronews hat sich an die ungarische Regierung gewandt und um eine Stellungnahme gebeten.

Ungarn ist wegen der Bombardierung der Pipeline mit der Ukraine zerstritten

Die diplomatischen Beziehungen Ungarns zur Ukraine sind besonders angespannt, seitdem die Ukraine die Druschba-Pipeline auf russischem Territorium bombardiert und damit die Ölimporte nach Ungarn und in die Slowakei tagelang gestoppt hat. Als Reaktion darauf verbannte Ungarn den Kommandeur der ukrainischen Drohneneinheit, Robert Brovdi, nicht nur aus seinem Hoheitsgebiet, sondern auch aus dem gesamten Schengen-Raum.

Die Angelegenheit führte auch zu einem langwierigen Streit zwischen dem ungarischen und dem ukrainischen Außenminister auf der Social-Media-Plattform X. Die ungarische Regierung versucht zudem, den EU-Beitritt der Ukraine zu blockieren. In einer von der Regierung organisierten Meinungsumfrage – Voks2025 – sprachen sich mehr als zwei Millionen Ungarn, rund 95 % der Befragten, gegen einen EU-Beitritt der Ukraine aus.

Ungarn hat in der Vergangenheit häufig sein Veto gegen gemeinsame EU-Erklärungen zur Ukraine eingelegt. In letzter Zeit neigen die übrigen 26 EU-Länder jedoch dazu, Budapest zu umgehen und Erklärungen auch im Namen Ungarns abzugeben.

Vor zwei Wochen weigerte sich Ungarn, eine Erklärung zur Unterstützung der Ukraine im Vorfeld der Alaska-Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten und Russland zu unterzeichnen. Damals sagte Ministerpräsident Viktor Orbán, die EU solle keine Bedingungen für ein Treffen stellen, zu dem sie nicht eingeladen sei und schlug stattdessen vor, die EU solle einen eigenen Gipfel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin veranstalten.

Lesen Sie auch:

Trumps schlechtester Diplomat? Witkoff soll bei Putin entscheidende Aussetzer gehabt haben – n-tv, 29.8.2025

Kreml-Truppen besetzten ukrainischen Regionen nicht aufzählen: US-Diplomat Steve Witkoff steht immer wieder in der Kritik. Beim Gespräch mit Kremlchef Putin soll er sich weitere Fehler geleistet haben.

Kurz nach dem Treffen mit Wladimir Putin in Moskau am 6. August überbrachte der US-Sondergesandte Steve Witkoff US-Präsident Donald Trump wichtige Neuigkeiten: Der russische Präsident sei bereit, erhebliche territoriale Zugeständnisse zu machen, um seinen Krieg in der Ukraine zu beenden. Nach Witkoffs Bericht, der jetzt von zwei anonymen Quellen, die über die Angelegenheit informiert waren, beschrieben wurde, lobte Trump den „großen Fortschritt“ seines Gesandten und stimmte zu, ein Gipfeltreffen mit Putin abzuhalten.

Doch auf den diplomatischen Vorstoß folgte bald Verwirrung. In einem Telefonat am 7. August mit mehreren europäischen Staatsführern deutete Witkoff zunächst an, dass Putin bereit sei, sich aus den ukrainischen Regionen Saporischschja und Cherson zurückzuziehen. Und zwar im Gegenzug dafür, dass Kiew Donezk und Luhansk abtritt, so eine Quelle. Der Vorschlag überraschte viele europäische Staatsführer, da er stark von ihren eigenen Einschätzungen von Putins Position abwich, sagten vier Beamte aus den USA und Europa mit Kenntnis der Gespräche.

Am nächsten Tag schien Witkoff seine Darstellung dann plötzlich zu ändern. In einem Telefonat, das von US-Außenminister Marco Rubio mit europäischen Sicherheitsberatern einberufen wurde, sagte der Gesandte, dass Putin tatsächlich nicht bereit sei, sich aus den beiden umstrittenen Gebieten zurückzuziehen, so eine der Quellen. Stattdessen deuteten US-Beamte an, dass Putin Washington geringere Zugeständnisse signalisiert habe, darunter, dass er nicht verlangen würde, dass der Westen Saporischschja und Cherson offiziell als russisch anerkennt.

„The Atlantic“ berichtete kürzlich unter Berufung auf eigene Quellen, Witkoff habe es bei dem Treffen mit Putin verpasst nachzufragen, was im Falle von territorialen Zugeständnissen durch Russland mit den Kreml-Truppen geschieht, die in besetzten Gebieten stationiert sind. Über einen Rückzug soll demnach nicht gesprochen worden sein – sondern nur über einen von Putin vorgeschlagenen Verzicht auf den angeblichen „russischen Rechtsanspruch“ auf die Gebiete.

Keine Aufzeichnungen vorhanden

Was erschwerend hinzukommt: Witkoff, ein Immobilienmagnat ohne diplomatischen Hintergrund, brach bei dem Treffen am 6. August mit dem Standardprotokoll, indem er ohne einen Protokollführer des Außenministeriums zu dem Treffen ging. Somit würden Aufzeichnungen von Putins genauen Vorschlägen fehlen, sagte eine Quelle. Das wiederum soll zu gehörigen Irritationen bei europäischen Partnern geführt haben.

Der offensichtliche Mangel an Details zu den Gesprächen zwischen Putin und Witkoff habe viele Politiker, die auf einen Durchbruch gehofft hatten, mit der Realität konfrontiert, dass sich Putins Forderungen seit Kriegsbeginn kaum geändert haben, schrieb „The Atlantic“.

Trumps Gipfeltreffen mit Putin am 15. August in Anchorage in Alaska brachte schließlich keine offensichtlichen Fortschritte. Der US-Präsident hatte die Erwartungen bereits in den Tagen vor dem Treffen gesenkt und es als einen Schritt in einem diplomatischen Prozess dargestellt, anstatt als Gelegenheit, einen Deal abzuschließen.

Quelle: ntv.de, rog/rts

WEITERE MELDUNGEN AUS ALLER WELT

ORF MELDUNGBÜNDEL WELT

Ukraine-Krieg

Kiew: Russische Truppen an Vormarsch gehindert

Ex-Parlamentspräsident wurde erschossen

Ausland

Trump will US-Wahlrecht per Dekret verschärfen

Kölner Demo gegen Aufrüstung artete in Gewalt aus

Chicago will Kooperation mit Nationalgarde verweigern

Hamas bestätigt Tod Sinwars

IKRK: Evakuierung von Gaza-Stadt derzeit „undurchführbar“

Anti-Israel-Protest bei Filmfestival in Venedig

USA

KOMMENTAR – ANALYSE – HINTERGRUND

ANALYSE – Musk will mit neuer Partei die USA umkrempeln – heute klingt das ganz anders – Natascha Wittmann, GMX, 30.8.2025

Elon Musk wollte mehr als nur Elektroautos bauen und Raketen ins All schießen. Er wollte auch Amerikas verkrustetes Parteiensystem aufbrechen. Mit der „America Party“ kündigte er Anfang Juli eine neue politische Kraft an, die das Land jenseits von Republikanern und Demokraten einen sollte. Doch nur wenige Wochen später ist von der großen Vision nichts mehr übrig.

Es klang nach Revolution. Elon Musk : Starunternehmer, Milliardär, X-Besitzer – und bald auch Parteigründer. Mit der „America Party“ kündigte der Tech-Mogul Anfang Juli eine neue politische Bewegung an, jenseits von Republikanern und Demokraten. „Für die 80 Prozent in der Mitte“, wie er es selbst formulierte.

Millionen klickten, teilten, diskutierten die Pläne des gebürtigen Südafrikaners. Doch nur wenige Wochen später ist die Aufregung schon wieder verflogen – und mit ihr Musks Parteipläne. Der eigentliche Auslöser für Musks Pläne war politisch wie persönlich: Am 4. Juli unterzeichnete Donald Trump das umstrittene „Big Beautiful Bill“-Gesetz – ein Mammutpaket mit drastischen Haushaltskürzungen.

Musk, bis dahin enger Verbündeter des US-Präsidenten, reagierte wütend auf seiner Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) und bezeichnete das Gesetz als „Abscheulichkeit“. Wenige Tage später ließ er seine Follower abstimmen: Braucht Amerika eine neue Partei? Die – angebliche – Mehrheit sagte Ja. Nur einen Tag später folgte die Ankündigung: Die „America Party“ sei geboren.

Musks Partei: ein politischer Schnellschuss ohne Substanz?

Doch wie sich nun zeigt, war Musks Parteigründung mehr Impuls als Plan. Laut „Business Insider“ hat der Unternehmer bislang keine formellen Schritte zur Parteigründung unternommen – keine Registrierung bei der Wahlkommission, keine Kandidaten, keine Infrastruktur. Stattdessen investierte Musk kurz vor der Ankündigung 15 Millionen Dollar in republikanische Organisationen – unter anderem zugunsten von Donald Trump .

Der Rückzug von seinen eigenen Parteiplänen kam demnach so schnell wie der Anlauf: Aus seinem Umfeld heißt es, Musk wolle sich wieder auf seine Unternehmen konzentrieren. Für Ross Barkan, Politikexperte und Kolumnist beim „New York Magazine“ und der „New York Times„, kommt Musks Rückzieher nicht überraschend: „Das Zwei-Parteien-System in den USA ist nicht für Kompromisse oder dritte Wege ausgelegt. Wer es herausfordert, wird entweder ignoriert oder geht gnadenlos unter“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion

Hinzu komme laut Barkan eine grobe Fehleinschätzung von Musk, denn: „Er hat nie verstanden, wie viel Zeit, Geld und Organisation es braucht, um eine echte politische Bewegung in Gang zu setzen, besonders in einem Land, in dem Wähler nur zwischen Rot und Blau zu wählen gewohnt sind.“ Seine Vermutung: „Die ‚America Party‘ war weniger ein politisches Projekt als ein egozentrischer Reflex auf eine persönliche Niederlage.“

Der Milliardär habe zwar versucht, gemäßigte Republikaner, wirtschaftlich frustrierte Unabhängige oder technologieaffine Jungwähler für sich zu gewinnen, doch genau diese Gruppen seien schwer greifbar und noch schwerer langfristig zu organisieren. Trotzdem: „Was Musk richtig erkannt hat, ist: Der Frust über das bestehende System ist real.“

Angst vor dem „Spoiler-Effekt“?

Ein möglicher Grund für Musks plötzlichen Rückzieher? Eine neue Partei könnte sein Verhältnis zu republikanischen Entscheidungsträgern, insbesondere Vizepräsident JD Vance , gefährden. Laut mehreren Berichten war Musk zunehmend besorgt, dass er mit seiner Drittpartei nur dafür sorgen würde, dass der „Gegner“ – also die demokratische Partei – am Ende als Sieger dasteht.

Besonders die Republikaner hätten durch die „America Party“ Stimmen verlieren können, was Musk wiederum in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hätte. Denn trotz aller Differenzen mit Trump ist Musk in vielen Bereichen auf gute Beziehungen zur Politik angewiesen – etwa bei Subventionen für Tesla oder SpaceX. Auch „Fox News“ berichtet: Musk habe intern betont, eine Parteineugründung könne seine wirtschaftlichen Interessen gefährden.

Dies zeigt einmal mehr: Der Bruch mit Trump war zwar heftig, aber nicht endgültig. Musk kritisierte öffentlich das Haushaltsgesetz, doch inzwischen scheint der Ton wieder versöhnlicher. Trump erklärte zuletzt auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social, er wolle, dass Musks Unternehmen „so erfolgreich wie nie zuvor“ seien. Musk wiederum soll derweil bereits auf den innerparteilichen Wandel der Republikaner setzen.

JD Vance, Trumps Vizepräsident und möglicher Präsidentschaftskandidat 2028, gilt als technologieoffener Politiker und als Hoffnungsträger der Nach-Trump-Ära. Musk soll laut „The Independent“ zuletzt wieder den Kontakt zu Vance gesucht haben. Eine eigene Partei könnte dieses Verhältnis gefährden.

Nur eine Episode – oder ein Testballon?

War die „America Party“ also nie ernst gemeint? Vielleicht. Musk ist bekannt für impulsive Ideen, die er oft so schnell wieder fallenlässt, wie er sie ins Leben ruft. Mal schläft er in der Tesla-Fabrik, mal will er auf den Mars, mal kündigt er eine Meinungsrevolution an.

„Er ist kein Politiker, er ist ein Performer“, sagt Ross Barkan. „Und das war einfach nur seine neueste Bühne.“ Die „America Party“ ist damit also (vorerst) Geschichte. Dennoch hat Elon Musk mit seinen Plänen einmal mehr gezeigt, wie groß der Wunsch nach Alternativen in der amerikanischen Politik ist. Aber auch, wie schwer es ist, tatsächlich eine zu schaffen.

Ob die Idee dauerhaft beerdigt ist? Nicht unbedingt. Doch aktuell scheint Musk lieber Unternehmer zu sein, kein Parteigründer. Dafür fehlt ihm bisher der lange Atem.

Über den Gesprächspartner

  • Ross Barkan ist Kolumnist bei UnHerd und regelmäßiger Autor für das „New York Magazine“ sowie die „New York Times“. Der US-Journalist gilt als scharfsinniger Beobachter der amerikanischen Innenpolitik mit einem besonderen Fokus auf die strukturellen Schwächen des politischen Systems.

Verwendete Quellen

Empfehlungen der Redaktion

KOMMENTAR – Weht Trumps Rachefeldzug über den Atlantik? – Stefan Grobe, Euronews, 30.8.2025

Donald Trump setzt die US-Regierung als Waffe gegen seine – vermeintlichen und tatsächlichen – Feinde ein, und seine Angriffe rücken näher an Europa heran.

In den letzten Wochen des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2024 hatte US-Präsident Donald Trump eine besondere Botschaft für die Wähler: ein Versprechen von Rache und Vergeltung.

Auf Kundgebungen im ganzen Land schwor Trump, den „Feind im Inneren“ auszurotten, und sagte, er würde sogar das Militär einsetzen, um gegen seine politischen Gegner vorzugehen, seien sie nun vermeintlich oder tatsächlich.

Mit seinen Worten: „Diejenigen, die in skrupelloses Verhalten verwickelt sind, werden aufgespürt, gefasst und strafrechtlich verfolgt werden, und zwar in einem Ausmaß, das es in unserem Land leider noch nie gegeben hat.“

Es scheint, dass Trump, der seine zweite Amtszeit nach Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar, im Weißen Haus begonnen hat, glaubt, dass die Zeit für die Bestrafung „skrupellosen Verhaltens“ gekommen sei.

Trumps Vergeltung

„Wir sehen sicherlich eine Intensität der Vergeltung durch Trump, die es vorher nicht gab“, sagte Sudha David-Wilp, eine Senior Fellow und Vizepräsidentin des German Marshall Fund, einer globalen Denkfabrik, gegenüber Euronews.

Und das, nachdem er die Bundesregierung und das Militär von vermeintlichen Feinden gesäubert und Universitäten, Medien, kulturelle Einrichtungen und sogar Sportmannschaften angegriffen hat.

„Die Frage ist, wie viel Biegung das US-System unter Trump aushalten kann“, fügte David-Wilp hinzu.

In der vergangenen Woche führte das FBI eine Razzia in der Wohnung und im Büro des ehemaligen nationalen Sicherheitsberaters von Trump, John Bolton, durch – offenbar im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung wegen des möglichen Missbrauchs von Verschlusssachen.

Bolton war nach seiner Entlassung im Jahr 2019 zu einem häufig geäußerten Kritiker von Trump geworden und hatte sich mit der ersten Trump-Regierung wegen eines brisanten Memorandums angelegt, das er über seine Zeit im Weißen Haus geschrieben hatte. Ein Buch, dessen Veröffentlichung Trump zu verhindern versuchte.

Bolton, der in der Regierung von George W. Bush zwei Jahre lang als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen tätig war, schien sich nicht einschüchtern zu lassen. Nur wenige Tage nach der Razzia veröffentlichte er eine vernichtende Bewertung von Trumps Ukraine-Politik.

„Da die Verhandlungen zwischen der Ukraine, Russland, mehreren europäischen Ländern und den USA durch Verwirrung, Eile und das Fehlen einer erkennbaren Verständigung zusammengebrochen sind, könnten Trumps Verhandlungen in den letzten Zügen liegen, ebenso wie seine Kampagne für den Friedensnobelpreis“, schrieb Bolton in einem Meinungsartikel, der im Washington Examiner, einem konservativen Nachrichtenmagazin, veröffentlicht wurde.

Trump reagierte mit wütenden Beiträgen in den sozialen Medien und sagte, dass der Zeitpunkt der Razzia reiner Zufall sei und er nichts damit zu tun habe.

Das gleiche Muster zeigte sich im Fall von Chris Christie.

Trump lässt „Bridgegate“ wieder aufleben

Der ehemalige Gouverneur von New Jersey war eine der ersten Persönlichkeiten des republikanischen Establishments, die Trump bei dessen unwahrscheinlicher Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2016 unterstützten, und wurde sogar Vorsitzender von Trumps Übergangsteam.

Aber das war damals. Während Trumps erster Amtszeit kam es zu einem heftigen Streit zwischen Christie und dem unerfahrenen Präsidenten, die sich gegenseitig vorwarfen, völlig inkompetent zu sein.

Nach der Bolton-Razzia trat Christie im nationalen Fernsehen auf und kritisierte Trump dafür, dass er das Justizministerium in sein eigenes Vergeltungskommando verwandelt hatte.

„Es ist schon komisch, den Präsidenten so über Bolton und geheime Informationen reden zu hören, aber als er die geheimen Informationen hatte, galten die gleichen Regeln nicht“, sagte Christie auf ABC News.

Auch hier war Trump wütend. Er droht nun damit, eine weitere föderale Untersuchung zu „Bridgegate“ einzuleiten, einem Skandal, der die politische Welt 2013 erschütterte, als Christie Gouverneur war.

Er entstand durch die fünftägige Sperrung von zwei lokalen Fahrspuren der George Washington Bridge, die den Hudson River westlich von Manhattan überspannt. Eine Maßnahme, die zu lähmenden Verkehrsbehinderungen auf der Seite von New Jersey führte, angeblich um einen örtlichen Bürgermeister dafür zu bestrafen, dass er sich weigerte, Christies Wiederwahl zu unterstützen.

Zwei enge Mitarbeiter von Christie mussten sich vor Gericht verantworten, aber die Verurteilungen wurden später vom Obersten Gerichtshof aufgehoben. Christie selbst wurde zwar entlastet, konnte aber den politischen Gestank des Skandals nie ganz loswerden.

Trump hat sich nie für „Bridgegate“ interessiert. Bis jetzt.

„Chris hat sich geweigert, die Verantwortung für diese kriminellen Handlungen zu übernehmen“, schrieb Trump nach dem jüngsten Fernsehinterview von Christie. „Um der GERECHTIGKEIT willen sollten wir uns vielleicht noch einmal mit dieser sehr ernsten Situation befassen? KEINER STEHT ÜBER DEM GESETZ!“

Trump wies andere scharfe Kritiker darauf hin, dass sie einen Preis zu zahlen haben, wenn sie ihm in der Öffentlichkeit in die Quere kommen. Dies kann in Form einer tatsächlichen Untersuchung geschehen, wie bei Bolton, oder in Form einer drohenden Untersuchung, wie bei Christie.

Anfang August leitete Trumps Justizministerium Ermittlungen gegen zwei seiner schärfsten juristischen Widersacher ein: Der demokratische Senator Adam Schiff aus Kalifornien, der das erste Amtsenthebungsverfahren des Repräsentantenhauses gegen Trump im Jahr 2019 leitete, und die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James, deren Büro Trump in einem Fall von Zivilbetrug erfolgreich verfolgte.

Letzte Woche hat Trump die Gouverneurin der Federal Reserve, Lisa Cook, entlassen, deren geldpolitische Vorstellungen nicht mit denen des Präsidenten übereinstimmen.

In allen drei Fällen nutzte die Regierung Hypothekenunterlagen als Waffe gegen ihre Gegner, indem sie James, Schiff und Cook unterstellte, sie hätten Kreditgeber angelogen, um günstige Kredite zu erhalten.

Lange Liste von Demokraten auf Tramps Fahndungsliste

Es gibt eine lange Liste von Demokraten, die auf Trumps Fahndungsliste stehen, von Joe Biden und Kamala Harris bis hin zu ehemaligen hochrangigen Militär- und Geheimdienstmitarbeitern sowie praktisch jedem, der ihm öffentlich widersprochen hat.

In einem berühmt gewordenen Beitrag auf Truth Social teilte er im Juli ein von einer künstlichen Intelligenz generiertes Video, in dem Barack Obama von FBI-Agenten in Handschellen aus dem Oval Office gezerrt wird.

Trump hat viele politische Gegner in den Vereinigten Staaten – aber was ist mit Europa? Schützt die Trennung eines großen Ozeans ehemalige und aktuelle EU- und nationale Regierungsvertreter vor Trumps Zorn?

Die EU-Kommission lehnte es ab, sich zu möglichen Befürchtungen über einen Rachefeldzug gegen Europa von Trump zu äußern.

„Dies sind reine Spekulationen“, sagte eine Sprecherin der Kommission gegenüber Euronews.

Spekulationen vielleicht, aber nicht unberechtigt.

Vor zwei Wochen kündigte die Trump-Administration Sanktionen gegen zwei Richter und zwei Staatsanwälte des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag an, weil sie Amerikaner und Israelis verfolgt hatten.

Dies ist nur der letzte in einer Reihe von Schritten, die Trump unternommen hat, um den Gerichtshof zu schwächen.

Unterdessen gehen Trumps Angriffe weiter.

Letzte Woche verblüffte sein Botschafter in Paris die politische Klasse Frankreichs, indem er die Regierung öffentlich und scheinbar aus heiterem Himmel der Untätigkeit gegen den zunehmenden Antisemitismus beschuldigte.

Botschafter Charles Kushner, der Vater von Trumps Schwiegersohn Jared und ein verurteilter Verbrecher, der von Chris Christie strafrechtlich verfolgt wurde, ignorierte daraufhin eine Vorladung ins französische Außenministerium, um sich zu erklären – und wahrscheinlich, um sich eine Abreibung anzuhören.

Der Schritt kam Tage, nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron seine Bereitschaft erklärt hatte, Palästina als Staat anzuerkennen – eine Position, die Trump entschieden ablehnt.

Einige Tage später drohte Trump mit Sanktionen gegen Beamte der EU oder der Mitgliedstaaten, die für die Umsetzung des bahnbrechenden Digital Services Act (DSA) der EU verantwortlich sind, da sich die USA darüber beschwert hatten, dass das Gesetz die Amerikaner zensiert und den US-Tech-Unternehmen Kosten auferlegt.

Ein solcher Schritt wäre eine beispiellose Maßnahme, die den Kampf der Trump-Regierung gegen das, was sie als Europas Versuch ansieht, konservative Stimmen zu unterdrücken, eskalieren würde.

Die Europäische Kommission wies diese Anschuldigungen entschieden zurück. Ein Sprecher fügte hinzu, dass sich die letzten drei DSA-Durchsetzungsentscheidungen gegen AliExpress, Temu und TikTok richteten – allesamt in chinesischem Besitz.

Nach Ansicht von Experten könnte Trump Einzelpersonen mit Visabeschränkungen oder anderen Strafen sanktionieren.

„Menschen könnten ihr Vermögen in den USA einfrieren oder ihre Namen auf internationale Fahndungslisten setzen lassen, von denen sie nur schwer wieder entfernt werden können“, sagte Sven Biscop, Professor an der Universität Gent und am Egmont Royal Institute for International Relations, gegenüber Euronews.

Bretonische Äußerungen zum Weißen Haus von Trump

„Es ist beängstigend. Trump versucht, seine Version der Wahrheit durchzusetzen. Nicht einmal die Chinesen tun das“, fügte er hinzu.

Eine Person, die in Trumps Fadenkreuz geraten könnte, ist die ehemalige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, unter deren Leitung die EU eine harte Haltung gegenüber US-Tech-Giganten wie Google, Facebook oder Apple eingenommen hat.

In einem Interview mit Fox Business Network während seiner ersten Amtszeit sagte Trump über Vestager, dass sie „die Vereinigten Staaten vielleicht mehr hasst als jeder andere Mensch, den ich je getroffen habe“.

Ein weiterer scharfer Kritiker Trumps ist der ehemalige EU-Binnenmarktkommissar und französische Wirtschaftsminister Thierry Breton.

In einem Meinungsartikel in einer britischen Zeitung griff er diese Woche das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA scharf an und warnte vor weiteren Demütigungen und Instabilitäten, falls Brüssel sich nicht gegen Trumps Versuche wehrt, gegen die europäischen Technologievorschriften vorzugehen.

Trumps Verbündete im US-Kongress haben Breton „eingeladen“, nächste Woche vor einem Ausschuss auszusagen, was Breton öffentlich ablehnte. Beobachten Sie diese Stelle!

Auch die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist in der Vergangenheit in Trumps Fadenkreuz geraten.

In ihren Memoiren „Freiheit“, die 2024, drei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt, veröffentlicht wurden, stellt Merkel fest, dass Trump sie und Deutschland in seinem erfolgreichen Wahlkampf 2016 ins Visier genommen hat, indem er behauptete, dass ihre Aufnahme von mehr als einer Million Flüchtlingen Deutschland „ruiniert“ habe, und Berlin beschuldigte, sich an den US-Militärinvestitionen zu bereichern.

Sie sagte auch, ihr erster Fehler gegenüber Trump sei gewesen, ihn zu behandeln, „als ob er völlig normal wäre“.

NAHER OSTEN – MENA WATCH (Mena-Watch auf Wikipedia)

EURASIEN

Treffen mit Xi: Putin sucht Schulterschluss mit China – ORF, 30.8.2025

Während die USA Russland dazu drängen, die Angriffe gegen die Ukraine einzustellen, will der russische Präsident Wladimir Putin mit seiner mehrtägigen China-Reise die Achse zu seinem Verbündeten stärken. Neben Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping ist die Teilnahme an der Militärparade zum Tag des Siegs geplant. Den Auftakt macht der Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) am Sonntag, der laut Putin den Aufbau einer multipolaren Weltordnung vorantreiben soll. Entscheidend sind aber Chinas Positionen zum Ukraine-Krieg.

Der Kreml erklärte am Freitag, dass die Beziehungen zwischen Russland und China eine privilegierte strategische Partnerschaft darstellten, deren Potenzial noch lange nicht voll ausgeschöpft sei. Moskau wolle wissen, ob es mit weiterer Unterstützung aus China rechnen könne und wie Peking reagieren würde, wenn es von den USA aufgefordert würde, Druck auf Russland auszuüben, um die Kämpfe zu beenden, analysierte Alexander Gabuev vom Carnegie Russia Eurasia Centre im Interview mit dem „Guardian“.

Der Ukraine-Krieg sei „zu einem der wichtigsten Pfeiler ihrer Beziehung geworden“, entsprechend sei eine Abstimmung ihrer Positionen zum Krieg erforderlich. China wurde während des Ukraine-Krieges zudem zum wichtigsten Handelspartner für Russland.

Wirtschaftliche Abhängigkeit, „grenzenlose Freundschaft“

Der bilaterale Handel stieg 2024 auf über 245 Mrd. Dollar (rund 209 Mrd. Euro) – etwa zwei Drittel mehr als vor der Invasion Russlands in der Ukraine 2022. Die Geschäfte werden vor allem in Rubel und Yuan abgewickelt. Vor allem als Hauptabnehmer von russischem Öl und Gas ist China unverzichtbar geworden. Diese Abhängigkeit würde sich Fachleuten zufolge auch nach einem Ende des Ukraine-Krieges fortsetzen.

Daher wird erwartet, dass Putin die wirtschaftliche Tangente thematisiert, um den Trend zurückgehender Ölexporte nach China umzukehren. Auch eine Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit ist für Putin relevant. China liefert laut den USA Russland wesentliche Teile für die Kriegsproduktion.

Der Kreml spricht von einem wegen der Länge und des Umfangs an Treffen und Themen bisher beispiellosen China-Aufenthalt Putins. Kommentatoren in Moskau sehen die Reise als neuen Beweis der klaren Abkehr Russlands vom Westen und für die „grenzenlose Freundschaft“ mit China. Moskau und Peking zeigten damit zudem, dass es den USA nicht gelinge, einen Keil zwischen die beiden Nachbarn zu treiben, hieß es. Beide Länder hatten 2022 eine „grenzenlose“ strategische Partnerschaft ausgerufen.

Putin Ehrengast bei Militärparade

Beim SCO-Gipfeltreffen in der nordchinesischen Stadt Tianjin nehmen mehr als 20 Staats- und Regierungschefs teil. Neben dem indischen Premier Narendra Modi und Putin werden auch der iranische Präsident Massud Peseschkian und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erwartet. Die SCO wurde vor 24 Jahren als Organisation für den Kampf gegen Terrorismus und für wirtschaftliche Zusammenarbeit gegründet.

In einem Interview mit der chinesischen staatlichen Agentur Xinhua sprach sich Putin im Vorfeld des Gipfels erneut für ein Ende der US-Vorherrschaft und eine Schwächung des Dollars aus. Symbolisch kann das Großmachtdenken bei der Militärparade am Mittwoch demonstriert werden, anlässlich des 80. Jahrestags der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg. Putin wird wie schon Xi bei der Siegesparade in Moskau im Mai Ehrengast sein.

„Schicksalsgemeinschaft Grundlage für Partnerschaft“

Wasiliy Kaschin vom Institut für Fernoststudien an der Russischen Akademie der Wissenschaften sieht bei Russland und China eine ähnliche Sichtweise auf die Geschichte. Sie sähen sich als Siegermächte des Zweiten Weltkrieges: „Dieses Gefühl einer gemeinsamen Schicksalsgemeinschaft bildet nun die Grundlage ihrer Partnerschaft“, sagte Kaschin gegenüber dem „Guardian“.

Auch Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un erhielt eine Einladung für die Parade. Er wird zum ersten Mal seit sechs Jahren in China erwartet. Außer dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico wird kein westlicher Staats- und Regierungschef teilnehmen.

Position der Stärke gegenüber den USA

In den USA wird Putins China-Reise intensiv beobachtet, versucht doch die US-Regierung, Moskau von Peking zu entfernen. Das sei aber unrealistisch, so Kaschin: „Die Beziehungen zwischen Russland und China werden immer eng bleiben.“ Zudem befinden sich beide Länder derzeit in einer Position der Stärke gegenüber den USA.

Obwohl China wie Indien in großem Ausmaß Öl aus Russland bezieht, wurde nur Indien mit US-Strafzöllen deswegen belegt. Putin wiederum hält bisher den Drohungen von US-Präsident Donald Trum stand, Russland zu strafen, sollte es den Krieg nicht beenden.

red, ORF.at/Agenturen

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DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN

ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGENAPA-WAHLTREND

Abwassermonitoring

COMMENT: Bemerkenswerter Weise sind Wien, Salzburg und Vorarlberger Treiber des Anstiegs. Es handelt sich um Länder mit vermehrtem Touristenaufkommen. Neutraler formuliert: es handelt sich um Länder mit hohem Personenaufkommen und starker Fluktuation. Kärnten liegt im unteren Bereich.

Veränderungen in den Virenmutationen:

COMMENT: Die Veränderungen seit Frühjahr 2025 liegen im hellgrünen Bereich mit insbesondere den XFG-Varianten.

Tanner will mehr Befugnisse für Militärnachrichtendienste – APA, 31.8.2025

Das Verteidigungsministerium hat eine Neufassung des Militärbefugnisgesetzes in die Koordinierung der Koalition geschickt. Der Gesetzesvorschlag enthält Adaptierungen, damit die Nachrichtendienste „auf der Höhe der Zeit“ operieren können, wie Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) im APA-Interview erklärte. Etwa gehe es dabei um die Erfassung und Auswertung von Reisedaten, die Nutzung von Daten sowie generell die Befugnisse anzupassen, um im Vorhinein Gefahren erkennen zu können.

„Es ist ein ganz wichtiger Bereich, und es ist wichtig, dass wir da auf Augenhöhe auf Bedrohungen reagieren können“, erklärte Tanner. Die Verteidigungsministerin hatte die Forderung nach einer Neufassung des Gesetzes im Zuge der Debatte nach dem vereitelten Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert im vergangenen Jahr erneut erhoben. Begründet hat sie dies damit, dass in Sachen Terrorabwehr das Militärbefugnisgesetz denselben Restriktionen unterliege, welche die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) vor Probleme stelle.

Gleichzeitig verwies sie darauf, dass es mit dem Rechtsschutzbeauftragten auch ein Gremium gebe, „das sich intensiv mit jedem einzelnen dieser Aufträge beschäftigt“, so Tanner. Außerdem erhält der geheime Unterausschuss im Landesverteidigungsausschuss einen Bericht über alle Aktivitäten. „Die Nachrichtendienste sollten die nötigen Mittel bekommen, Gefahren frühzeitig erkennen zu können und auf Augenhöhe zu sein, insbesondere was die neuesten technischen Entwicklungen anbelangt“, sagte Tanner: „Der Gesetzestext ist fertig, liegt bereits in der Koordinierung und jetzt starten wir die Gespräche mit den Koalitionspartnern und hoffen mit den aktuellen Partnern auf ein zufriedenstellendes Ergebnis zu kommen.“

Tanner hat trotz der angespannten Budgetsituation „keinen Grund irgendwie daran zu zweifeln“, dass der Aufbauplan 2032+ des Heeres halten wird. Abstriche schließt sie aus. Auch geht die Verteidigungsministerin weiter davon aus, dass die im Regierungsprogramm festgeschriebene Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) bis 2032 tatsächlich kommen wird: „Alle in der Bundesregierung sind sich bewusst, in welcher sicherheitspolitischen Lage wir uns befinden. Und wenn man auf andere Staaten blickt, dann sprechen wir nicht von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, sondern von sehr, sehr viel mehr.“

Dass angesichts weiterer Sparmaßnahmen der Unmut der Bevölkerung hinsichtlich Militärausgaben versus Sozialausgaben bzw. Ausgaben für Bildung und Gesundheit größer werden könnte, fürchtet Tanner nicht. „In der Vergangenheit ist das sehr oft passiert, gerade wenn eben Budgets knapper geworden sind, dass man als erstes beim Bundesheer eingespart hat“, so Tanner, die darauf vertraut, dass sich die Sicht der Bevölkerung aufgrund aktueller Umbrüche geändert hat: „Ich glaube, dass sich dieser Fehler der Vergangenheit, also die soziale Sicherheit gegen die militärische Sicherheit auszuspielen, nicht wiederholen wird.“ Zudem ortet Tanner ein großes Vertrauen der Bevölkerung ins österreichische Bundesheer.

Die Kritik der Opposition im Zusammenhang mit dem ventilierten Bericht der Beschaffungsprüfkommission, der strukturelle Mängel bei großen Rüstungskäufen ortet, kann Tanner nicht nachvollziehen. Schließlich fehle in dem Bericht noch ein „gewichtiger Teil“, nämlich jene Stellungnahmen der Experten der verschiedenen Abteilungen und Juristen aus dem Ministerium, erläuterte Tanner: „Wir haben ja eine auch sehr strenge Revision, und das ist gut so.“ Nachdem alle Abteilungen ihre Stellungnahme abgegeben haben, wird der Bericht im Landesverteidigungsausschuss diskutiert. Laut Tanner werden pro Jahr etwa 4.000 bis 5.000 Beschaffungsprozesse abgearbeitet. Zudem wies sie darauf hin, dass sie die Kommission selbst ins Leben gerufen habe, „um eben Verbesserungsvorschläge auch zu erarbeiten“.

Dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bei den Ermittlungen keinen Anfangsverdacht für strafrechtlich relevante Vorgänge beim Beschaffungsverfahren der Leonardo M-346FA-Jet gefunden hat, nahm Tanner mit Wohlwollen zur Kenntnis. Schließlich hätten die Rüstungsdirektion und Rüstungsdirektor, Generalleutnant Harald Vodosek hier „Großartiges“ geleistet. Enttäuscht zeigte sie sich vom Verteidigungssprecher des ehemaligen grünen Koalitionspartners, David Stögmüller, der Ungereimtheiten bei der Beschaffung vermutet und interne Dokumente aus dem Verteidigungsministerium an die WKStA übergeben hatte: „Ich habe Verständnis für politische Auseinandersetzungen, das gehört zum Diskurs, aber ich habe kein Verständnis für politische Spielchen im Bereich der Sicherheit“. Mit der endgültigen Vertragsunterzeichnung für die Leonardo-Jets rechnet Tanner bis Jahresende.

Was die Nachfolge der Eurofighter anbelangt, die spätestens 2035 ausscheiden werden, bleibt Tanner bei dem im Koalitionsabkommen festgeschriebenen Ziel, diese noch in der laufenden Legislaturperiode auf den Weg zu bringen, „also spätestens 2028“. Die Warnung aus den Reihen der Luftstreitkräfte, dass ab dem Jahr 2030 die Kosten für die Ersatzteile der hierzulande im Einsatz befindlichen, ältesten Eurofighter-Baureihe massiv ansteigen werden, kann Tanner „nachvollziehen“. Es werde intensiv am technischen Pflichtenheft gearbeitet. Das andere sei die Finanzierung, die nicht aus dem laufenden Budget erfolgen werde, sondern aus einem Sonderbudget. Tanner will jedenfalls keine Lücke in der Luftraumüberwachung zulassen: „Daher werden wir so schnell wie möglich arbeiten.“

Die Einbindung der Bevölkerung in die Überarbeitung der österreichischen Sicherheitsstrategie mittels dreier Dialogforen im Herbst lobt Tanner als „sehr sinnvoll“. Vor allem auch, weil sich die geopolitische Situation drastisch verändert habe. Freilich werde man sich auch um eine „sehr, sehr breite parlamentarische Mehrheit bemühen“. Stehen soll die Sicherheitsstrategie vor Weihnachten. Dass am Ende dabei die österreichische Neutralität in Frage gestellt werden könnte, schließt die Verteidigungsministerin aus: „Die Neutralität ist in der Verfassung festgeschrieben, und ich sehe derzeit niemanden, der die Neutralität im verfassungsrechtlichen Sinne abschaffen will. Und ich halte das auch für richtig so.“

Den begonnenen Verhandlungsprozess zum Ukraine-Krieg begrüßt Tanner, wiewohl nur schwer abzuschätzen ist, wie schnell es tatsächlich zu Frieden kommen wird: „Aber, jede diplomatische Bemühung ist zu begrüßen.“ Über eine Beteiligung Österreichs an einer etwaigen Friedensmission zu spekulieren, sei „viel zu früh“. Zunächst brauche es Frieden und dann müsse man abwarten, unter welchem Mandat so eine Mission durchgeführt wird, so Tanner: „Und erst dann kann man beginnen zu urteilen.“ Wichtig ist Tanner „jedenfalls zu betonen“, dass „jede unserer friedenserhaltenden Missionen, jeder Auslandseinsatz eines Soldaten, einer Soldatin freiwillig ist“. Kritik übte sie diesbezüglich an den Freiheitlichen, die mit gegenteiligen Falschinformationen politisches Kleingeld wechseln wollten.

Nach Drohung gegen Österreich: Meinl-Reisinger weist Aussagen Medwedjews „entschieden“ zurück – APA / Die Presse, 30.8.2025

Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedjew drohte Österreich bei einem Nato-Beitritt mit Militärgewalt.

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) hat im Vorfeld des informellen EU-Außenministertreffens in Kopenhagen die Aussagen des russischen Ex-Präsidenten Dmitri Medwedjew entschieden zurückgewiesen. Dieser hatte Österreich bei einem Nato-Beitritt mit Militärgewalt gedroht. „Ich weise aufs entschiedenste zurück, dass sich Russland in unsere inneren Angelegenheiten einmischt.“ Zudem forderte Meinl-Reisinger, den Druck auf Moskau zu erhöhen und ein Ende der Gewaltspirale in Nahost.

Grund für die Adaptierung der österreichischen Sicherheitsstrategie sei der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, erklärte die Außenministerin in Richtung Medwedew und Kreml weiter. „Es sind ausschließlich die Österreicherinnen und Österreicher die souverän und frei über unsere Sicherheit und unsere Freiheit entscheiden und niemand sonst und definitiv nicht Russland“ erklärte sie weiter. Sie sei sehr dankbar, dass es eine solche Breite gegen diese Drohungen gegeben habe, „sogar von der FPÖ“. Für sie sei „ganz klar“, dass uns Neutralität alleine nicht schütze.

Der Gipfel in Alaska habe für sie gezeigt, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nicht daran interessiert sei, ernsthaft in Friedensverhandlungen zu treten. Auch wegen der zuletzt aufgeflammten russischen Attacken auf die Ukraine müsse der Druck auf Moskau hochgehalten werden, damit es zu einer Waffenruhe und ernsthaften Verhandlungen komme.

„Klare Botschaft vor allem an die radikalen Kräfte in Israel“

Bezüglich Nahost sagte Meinl-Reisinger beim „Doorstep“, dass die Gewaltspirale beendet werden müsse. Es sei von Wien eine klare Botschaft „vor allem an die radikalen Kräfte in Israel“ gesendet worden, dass die Vorgangsweise in Gaza von Österreich nicht gutgeheißen werde. Es müsse aber auch Druck auf die Hamas gemacht werden, „dass es zu einem Waffenstillstand kommt, zu einer Freilassung der Geiseln.“

Ziel müsse eine Zweistaatenlösung sein, erklärte die Außenministerin, die ergänzte, dass es für Wien nicht akzeptabel sei, dass von diesem Ziel von sämtlichen Mitgliedern der israelischen Regierung abgegangen werde. Außerdem dürfe nicht die palästinensische Bevölkerung den Preis der Gräueltaten der Hamas zahlen und humanitäre Hilfe nicht komplett enthalten werden dürfe, denn auch Israel müsse sich an das Völkerrecht halten, „insbesondere auch an das humanitäre Völkerrecht.“ (APA)

Russischer Ex-Präsident droht Österreich mit Militärgewalt – Vorarlberger Nachrichten, 29.8.2025

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew droht Österreich bei einem Beitritt zum Verteidigungsbündnis NATO mit Militärgewalt. Durch eine Aufgabe der Neutralität „steigt das Risiko erheblich, dass die Einheiten des österreichischen Bundesheeres in die Langstrecken-Einsatzpläne der russischen Streitkräfte einbezogen werden könnten“, schrieb Medwedew in einem Kommentar für den staatlichen Sender RT. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) zeigte sich empört.

Tanner: Lassen uns nicht erpressen

Tanner betonte, dass ein Beitritt Österreichs zur NATO nicht zur Debatte stehe. Medwedews Aussagen seien „gegen die Resilienz der österreichischen Bevölkerung“ gerichtet, meinte sie: „Wir lassen uns von niemandem erpressen und schon gar nicht drohen! Das ist inakzeptabel und ein kläglicher Versuch, unsere Unabhängigkeit in Frage zu stellen!“, hieß es in einer schriftlichen Mitteilung der Ministerin vom Freitag.

Die NEOS bezeichneten den Text Medwedews in einer Aussendung als „gezielte und einzigartige Provokation“: „Über die Ausrichtung unserer Sicherheitspolitik entscheiden ausschließlich die Bürgerinnen und Bürger Österreichs. Unsere Souveränität ist unantastbar“, so NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos.

Medwedew: Aufgabe der Neutralität wäre Bruch internationaler Verträge

In dem Text Medwedews, der in Anspielung auf Österreichs Anschluss an Deutschland 1938 mit „Anschluss der NATO“ betitelt wurde, wird betont, dass Österreich nicht einseitig und ohne Zustimmung der vier damaligen Alliierten – einschließlich Russlands – die Neutralität aufgeben könne. So ein Schritt wäre eine „Verletzung internationaler Verträge“, betonte Medwedew, derzeit Vizechef des russischen Sicherheitsrates. „Das gesamte Gebäude der österreichischen Staatlichkeit würde zwangsläufig zusammenbrechen.“ Medwedew gibt in der Moskauer Außendarstellung oft den Scharfmacher, neben dem Kremlchef Wladimir Putin gemäßigt und vernünftig wirken soll.

Die schwarz-rot-pinke Bundesregierung hatte sich in ihrem Programm Anfang des Jahres zur österreichischen Neutralität bekannt. Zuletzt hatte Bundespräsident Alexander van der Bellen in Alpbach zu dem Thema gesagt, er würde nicht dazu raten, ausgerechnet jetzt um eine NATO-Mitgliedschaft anzusuchen. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine 2022 waren die bisher neutralen nordischen Staaten Finnland und Schweden dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis beigetreten.

(VOL.AT)

„Gegenmaßnahmen“: Russlands Ex-Präsident Medwedjew droht Österreich – Die Presse, 29.8.2025

Dmitrij Medwedjew, der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, wirft der österreichischen Bundesregierung vor, die Neutralität aufzugeben und einen Nato-Beitritt anzustreben. Er kündigt „Gegenmaßnahmen“ an – und erhält Schützenhilfe von Ex-Außenministerin Karin Kneissl. Verteidigungsministerin Tanner zeigt sich empört. Das Außenamt hat den russischen Geschäftsträger einbestellt.

Dmitrij Medwedjew, nunmehriger Vizevorsitzender des russischen Sicherheitsrats, hat Österreich ins Visier genommen. Der Ex-Präsident unterstellt der Bundesregierung, der „militaristischen Raserei“ verfallen zu sein. Und er droht mit dem Abzug internationaler Organisationen aus Wien.

Seine Ausführung hat Medwedjew in einer Kolumne für den russischen Staatssender RT dargelegt. Der Text trägt den Titel „Der Nato-Anschluss“.

Innenministerium betroffen: Cyberangriff war „höchst professionell“ – ORF, 30.8.2025

Vor mehreren Wochen ist ein Cyberangriff auf die IT-Infrastruktur des Innenministeriums (BMI) entdeckt worden, wie am Samstag bekanntgegeben worden ist. Personenbezogene Daten von Bürgerinnen und Bürgern waren nicht betroffen, betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Er wolle nicht über die Täter spekulieren, doch sei die Attacke „höchst gezielt und höchst professionell“ erfolgt, nach einem Muster, dessen sich staatliche und halbstaatliche Akteure bedienen.

Aufgedeckt wurde die Cyberattacke, nachdem Unregelmäßigkeiten in einem der Büro-IT-Systeme des BMI registriert worden waren. Dahinter steckte ein gezielter und professioneller Angriff, hieß es am Samstag aus dem Ministerium. Konkret kam es dabei zu unberechtigten Zugriffen auf Mailserver des BMI. Aktuell ist eine Einschränkung des externen E-Mail-Verkehrs die Folge der ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen.

Rund 100 der etwa 60.000 E-Mail-Accounts des BMI waren in Teilbereichen davon betroffen, wobei sensible Inhalte grundsätzlich nicht per Mail kommuniziert werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesen Accounts wurden laut BMI direkt informiert, die betroffenen Systeme isoliert sowie externe IT-Sicherheitsexperten hinzugezogen. Das sei in einem derartigen Fall üblich – die IT-Sicherheitsmaßnahmen seien weiter zielgerichtet verstärkt worden.

Daten nicht betroffen

Derzeit werde die vollständige Bereinigung und Sicherung der IT-Systeme durchgeführt, so Karner bei einem kurzfristig angesetzten gemeinsamen Pressestatement mit Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ). Die Erfüllung der polizeilichen Kernaufgaben sei zu keinem Zeitpunkt auch nur irgendwie beeinträchtigt worden, das polizeiliche Informationssystem, Register und personenbezogene Daten von Bürgern in keiner Weise betroffen, betonte Karner.

„Die Arbeitsfähigkeit ist vollumfänglich gegeben, und die wesentlichen IT-Services stehen zur Verfügung“, hieß es vom Innenministerium.

Anzeige erstattet

Es sei Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen widerrechtlichen Zugriffs auf ein Computersystem erstattet worden, und die Ermittlungen würden „auf Hochtouren laufen“, so Karner. Das Innenministerium wies darauf hin, dass während der Ermittlungen keine näheren Details zur exakten Vorgangsweise und zu den konkreten Abläufen bekanntgegeben werden können. Die Sicherheitsexperten führten aktuell umfassende Untersuchungen durch.

Während der Bereinigung der betroffenen Systeme kann es zu temporären Einschränkungen der elektronischen Erreichbarkeiten des BMI kommen, insbesondere was den angesprochenen externen E-Mail-Verkehr betrifft. Auch die Presseaussendungen der Polizei konnten am Samstag nicht per Mail verschickt werden.

Bekanntes Muster

Darüber, wer hinter dem Angriff stecken könnte, wollte Karner am Samstag nicht spekulieren. Das Muster des Angriffs entspreche aber jenem, dem sich staatliche bzw. halbstaatliche Akteure bedienen würden. Wenn es Bereiche gebe, wo als Republik nachgerüstet werden muss, „dann wird das passieren“, so der Innenminister.

Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sei vom Angriff nicht betroffen gewesen, so Leichtfried. Derartige hochprofessionelle Angriffe würden international immer häufiger vorkommen, sagte er.

FPÖ: „Totalversagen Karners“

Anfang 2020 war das Außenministerium Ziel eines schwerwiegenden Cyberangriffs, der erst nach Wochen beendet werden konnte. „Nach dem Desaster im Außenministerium beweist nun auch ausgerechnet das Innenministerium, dass es seine Hausaufgaben nicht gemacht hat“, empörte sich FPÖ-Sicherheitssprecher Gernot Darmann per Aussendung. Der Vorfall sei ein „erschütterndes Zeugnis des Totalversagens Karners in Sachen Cybersicherheit“. Problematisch sei auch, dass der Angriff erst jetzt kommuniziert wurde, so Darmann.

red, ORF.at/Agenturen

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WIRTSCHAFTS-NACHRICHTEN für Österreich

ÖSTERREICHISCHES PARLAMENT

ORF-MELDUNGSBÜNDEL ÖSTERREICH

Inland

Tanner startet Gespräche zu Militärbefugnisgesetz

Schwerpunktaktionen der Polizei zum Schulstart im Osten

ÖGK schreibt Telemedizin neu aus

Amtsgeheimnis fällt: Neuer Umgang mit Informationen

Wirtschaft

Benko-Pleite: Forderungen bereits bei 27,6 Mrd. Euro

ÖBB-Sommersperren enden zu Schulbeginn

Diskonter Hofer könnte Stellen abbauen

ORF – Meldungen für die slowenische Volksgruppe (deutsch)

ORF – Meldungen für die slowenische Volksgruppe (slowenisch)

ORF – Meldungen für Volksgruppen in Österreich

MEDIZIN

INTERVIEW – Männer häufiger betroffen: Dieser Risikofaktor für Krebs wird oft unterschätzt – GMX, 11.4.2025

An Blasenkrebs erkranken Männer fast viermal so oft wie Frauen, auch die meisten anderen Tumoren treten bei ihnen öfter auf. Die Krebsforscherin Andrea Kindler-Röhrborn erklärt, welchen Einfluss das biologische Geschlecht dabei hat, weshalb sich die Zahlen beim Lungenkrebs zwischen den Geschlechtern zuletzt angenähert haben und warum der Faktor Gewicht unterschätzt wird.

Frau Kindler-Röhrborn, wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit Geschlechterunterschieden bei Krebserkrankungen zu beschäftigen?

Andrea Kindler-Röhrborn: Ich habe zu bestimmten Grundlagen der Krebsentstehung geforscht und in diesem Zusammenhang Ratten mit krebsauslösenden Substanzen behandelt. Dabei habe ich gemerkt, dass die männlichen Ratten viel häufiger und viel schneller Tumore entwickelt haben als die weiblichen. Mein erster Impuls war ehrlich gesagt, das unter den Tisch zu kehren.

Warum das?

Ich dachte: Oh nein, nicht noch mehr Faktoren, die ich bei der Auswertung berücksichtigen muss, es ist doch alles schon kompliziert genug. Aber am Ende stellte es sich als wissenschaftliche Goldgrube heraus. Obwohl ich für mein erstes Paper 2006 noch viel Kritik abbekommen habe. Es hieß „Hat das überhaupt alles Hand und Fuß?“ oder „Wir wollen das mal nicht übertreiben“. Ich war völlig platt, als ich dann gesehen habe, dass es bei Menschen ähnlich ist wie bei den Tieren: Wenn man alle Tumorfälle auf der Welt abseits der Fortpflanzungsorgane betrachtet, entstehen bei Männern beinahe doppelt so viele Tumoren wie bei Frauen, nämlich 1,7-mal so viele.

Welche Krebsarten betrifft das?

Blasenkrebs trifft Männer bis zu viermal so oft wie Frauen. Aber auch bei Darm-, Lungen-, Nieren-, Magen- und Leberkrebs und bei Krebserkrankungen des Gehirns gibt es deutliche Unterschiede zu Ungunsten der Männer.

Warum ist das so?

Da spielen sowohl biologische Faktoren als auch Lebensstilfaktoren eine große Rolle. 30 bis 40 Prozent aller Tumor-Erkrankungen in Deutschland würden überhaupt nie auftreten, wenn unser Lebensstil nicht so extrem ausgeartet wäre.

Was meinen Sie damit?

Alkohol, Rauchen, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und starkes Übergewicht fördern die Entstehung von Tumoren. In geringerem Maße auch Umweltverschmutzung und beruflicher Kontakt mit Gefahrenstoffen wie zum Beispiel Asbest. Und Männer leben statistisch gesehen ungesünder als Frauen.

Beim Rauchen holen die Frauen allerdings auf.

Ja. Männer haben lange Zeit viel mehr geraucht als Frauen und unter älteren Menschen mit Lungenkrebs sind ungefähr doppelt so viele Männer wie Frauen. Im Laufe der Jahrzehnte ist aber die Zahl der rauchenden Frauen gestiegen und mit ihr auch die Lungenkrebsrate bei Frauen. Jüngere Frauen unter 45 Jahren erkranken fast genauso oft an Lungenkrebs wie jüngere Männer.

Ist das Rauchen nur für Lungenkrebs relevant oder auch für andere Krebsarten?

Auch für Brust- und Blasenkrebs zum Beispiel.

Sie haben vorhin auch Übergewicht erwähnt.

Bewegungsmangel und Adipositas, also krankhaftes Übergewicht, spielen eine ganz wichtige Rolle. Das wird oft unterschätzt. Männer sind häufiger übergewichtig oder adipös als Frauen – und adipöse Menschen bekommen sehr viel häufiger Krebs als Menschen mit Normalgewicht. Dass schon vor der Covid-19-Pandemie die Lebenserwartung in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern kaum mehr gestiegen ist, wird unter anderem der immer weiter verbreiteten Adipositas und ihren Folgeerkrankungen zugeschrieben.

Worin besteht der Zusammenhang zwischen starkem Übergewicht und Krebs?

Das hat wahrscheinlich mit bestimmten Stoffen im Fettgewebe zu tun, die Krebs fördern können. Aber die genauen Kausalzusammenhänge sind noch nicht ganz klar.

Sie sagten vorhin, dass neben Fragen des Lebensstils auch biologische Faktoren zum höheren Krebsrisiko von Männern beitragen. Woher weiß man das?

2022 kam ein sehr interessanter Fachartikel heraus: Die US-Forschungsbehörde National Institutes of Health hatte in den 1990er-Jahren Hunderttausende Menschen in langen Fragebögen haarklein zu ihrem Leben und ihren Gewohnheiten befragt. Ein Team um Sarah S. Jackson vom National Cancer Institute hat die Daten noch mal ausgewertet und geschaut, welche dieser Menschen bis 2011 an Krebs erkrankt waren. Dabei kam heraus, dass die ganzen Lifestyle-Faktoren den Geschlechterunterschied nicht vollständig erklären konnten. Auch die Forschung an Tieren zeigt das: Die Laborratten bekommen alle das gleiche Futter, das gleiche Wasser und haben den gleichen Hell-Dunkel-Zyklus. Unterschiede bei ihnen müssen also genetische Gründe haben.

Was ist zu diesen Gründen schon bekannt?

Vor allem die Geschlechtschromosomen machen einen Riesenunterschied, dazu ist gerade in letzter Zeit einiges neu herausgekommen. Die meisten Frauen haben zwei X-Chromosomen, davon ist eines immer deaktiviert. Aber einige Gene auf dem inaktivierten X-Chromosom können der Inaktivierung entkommen. Dazu gehören auch Gene, die Tumore unterdrücken können. Von diesen Genen haben die meisten Frauen also zwei aktive Kopien – und wenn ein solches Tumorsuppressor-Gen defekt ist, können sie es mit dem zweiten kompensieren. Das können Menschen mit je einem X- und Y-Chromosom, also die meisten Männer, nicht. Das ist offenbar ein wichtiger Mechanismus bei diesem Thema.

Welche gibt es noch?

Einige Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Gene auf dem Y-Chromosom die Krebsentstehung ankurbeln können. Diese Studien sind aber ganz neu und wurden bisher nur an Tieren durchgeführt. Da lässt sich noch nicht viel über den Menschen sagen.

Viele Geschlechterunterschiede in der Medizin entstehen durch die Geschlechtshormone. Welchen Einfluss haben sie auf Krebs?

Geschlechtshormone können zur Tumorentstehung beitragen. In einem Versuch hat man zum Beispiel weiblichen Tieren die Eierstöcke entfernt, sodass sie keine Geschlechtshormone mehr gebildet haben. Wenn man sie mit krebsauslösenden Substanzen behandelt hat, haben diese Tiere keine Tumore entwickelt, die mit intakten Eierstöcken schon. Man weiß auch, dass Frauen, die nach der Menopause mit Hormontherapien behandelt wurden, häufiger Eierstockkrebs bekommen haben als Frauen, die keine entsprechende Behandlung bekamen. Die Geschlechtshormone scheinen aber vor allem bei geschlechtsabhängigen Tumoren wie eben bei Eierstockkrebs eine Rolle zu spielen, nicht so sehr bei Erkrankungen wie Leber- oder Darmkrebs.

Jetzt weiß die Forschung also: Fast alle Krebsarten kommen bei Männern häufiger vor. Was kann man mit diesem Wissen in der Praxis anfangen?

Man kann nach den Resistenzfaktoren suchen, die Frauen vielleicht haben, und so einen Schlüssel dazu finden, die Erkrankung zu stoppen oder von vornherein zu verhindern.

Salopp gesagt schaut man also: Wie machen die Frauen das? Und versucht, daraus eine Methode zu entwickeln?

Genau. Ein anderer Punkt ist, dass ja bestimmte vererbte Genvarianten Menschen anfälliger für Krebs machen. Jetzt hat man festgestellt: Die gleichen Gene, die dazu führen, dass Sie oder ich Krebs bekommen, haben unter Umständen bei Männern gar keine Auswirkungen – und umgekehrt. Ein bestimmtes Gen kann also bei einem Geschlecht ganz wichtig für die Tumoranfälligkeit sein und bei einem anderen gar nicht. Man denkt also auch darüber nach, wie man die entsprechenden Faktoren blocken könnte.

Gibt es Beispiele, wo das schon umgesetzt wird?

Noch nicht. Wir reden hier über Prävention, und die meisten Forschenden wissen: „There is no glory in prevention“ (zu Deutsch: „Vorbeugung bringt keinen Ruhm“). Meist denkt man vor allem darüber nach, wie man eine Krankheit stoppt, wenn sie schon da ist. Deswegen ist dieser Forschungszweig noch ein bisschen unterentwickelt. Es gibt Ideen und im Tiermodell auch Erkenntnisse, bei denen man hellhörig wird, aber in die klinische Forschung hat das noch nicht Eingang gefunden.

Eine Krebsart sticht in den Statistiken hervor: Schilddrüsenkrebs trifft Frauen zwei- bis dreimal häufiger als Männer.

Ja, Schilddrüsenkrebs ist ein komplizierter Fall.

Inwiefern?

In der Schilddrüse entstehen häufig kleine Tumore, sogenannte Mikrokarzinome. Sie wachsen eine gewisse Zeit lang und wenn sie zirka einen Zentimeter groß sind, hören sie plötzlich auf zu wachsen. Niemand weiß genau, warum. In den allermeisten Fällen sind diese Karzinome harmlos und es gibt eine große Debatte darüber, ob man sie überhaupt rausnehmen muss. Die meisten Menschen, bei denen so ein Karzinom festgestellt und entfernt wird, sind Frauen. Aber meiner Meinung nach kommt dieses Ungleichgewicht daher, dass Frauen sich generell mehr um ihre Gesundheit sorgen, eher zum Arzt gehen, wenn sie einen kleinen Knoten am Hals ertasten und mehr Berührungspunkte mit der Schilddrüse haben: Sie leiden rund zehnmal so oft an der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis wie Männer und die Funktion der Schilddrüse ist bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft wichtig. Männer hingegen interessieren sich meist überhaupt nicht für ihre Schilddrüse.

Das heißt, Schilddrüsenkrebs tritt bei Frauen gar nicht häufiger auf, sondern wird bei ihnen nur häufiger erkannt?

Darüber wird gerade heftig debattiert, andere Forschende und Ärzt*innen sehen das anders, aber in meinen Augen ist das so. In Studien hat man bei bis zu 30 Prozent aller Autopsien von Menschen, die an anderen Ursachen verstorben sind, Mikrokarzinome in der Schilddrüse gefunden – ohne Unterschied zwischen den Geschlechtern.

Sie haben am Anfang erzählt, dass Ihre ersten Fachartikel zu Geschlechterunterschieden bei Krebs heftig kritisiert und angezweifelt wurden. Ist das Thema unter Fachleuten mittlerweile akzeptiert oder weiterhin umstritten?

In der onkologischen Forschung hatte ich weniger Probleme, da zählt einfach, was man zeigt. Unter Mediziner*innen, vor allem unter den älteren, gibt es immer noch viel Skepsis. Bei den fortschrittlicheren ist es inzwischen anerkannt. Es kristallisiert sich zum Beispiel immer mehr heraus, dass auch bestimmte onkologische Therapien je nach Geschlecht unterschiedlich durchgeführt werden müssen. Früher hat man die ganzen Studien gar nicht nach Geschlecht getrennt ausgewertet – jetzt, wo man das häufiger macht, findet man viele Unterschiede.

Worin bestehen die?

Bei bestimmten Krebserkrankungen brauchen Sie als Frau ein anderes Regime (ein Therapieplan; Anm.d.Red.) als ein Mann. Also unterschiedliche Substanzen oder unterschiedliche Mengen davon. Allein durch die unterschiedlichen Anteile von Fett und Muskelmasse im Körper wirken manche Therapien je nach Geschlecht unterschiedlich und zwar unabhängig von Größe und Gewicht einer Person.Haben Sie ein Beispiel dafür?Bestimmte Chemotherapeutika, die standardmäßig unter anderem bei Magenkrebs und bei fortgeschrittenen Dickdarmkarzinomen eingesetzt werden, lösen bei Frauen häufiger Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall aus als bei Männern. Von den sogenannten EGFR-Inhibitoren (Arzneistoffe, die bestimmte, das Tumorwachstum fördernde Rezeptoren blockieren; Anm.d.Red.) profitieren Frauen mit einer bestimmten Art von Lungenkarzinom mehr als Männer mit dem gleichen Karzinom. Und bei der unter Erwachsenen in westlichen Industrieländern häufigsten Form von Leukämie, der chronischen lymphatischen Leukämie, zeigt eine ganze Reihe von Kombinationstherapien mit dem Antikörper Rituximab bei Frauen eine bessere Wirkung als bei Männern.

Über die Gesprächspartnerin

  • Dr. Andrea Kindler-Röhrborn ist Krebsforscherin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschlechtersensible Medizin des Universitätsklinikums Essen, das sie 2024 mitgegründet hat. Zuvor hat sie am dortigen Institut für Pathologie die Forschungsgruppe Molecular Cancer Prevention Research geleitet.

Über RiffReporter

  • Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter.
  • Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

Verwendete Quellen

ERZIEHUNG – PÄDAGOGIK

Was sollen Eltern tun, wenn das Kind plötzlich beleidigt? – dpa / GMX, 30.8.2025

Die meisten Eltern werden es kennen: Ab einem gewissen Alter entdecken kleine Kinder Schimpfwörter für sich. Wie reagieren Eltern am besten, wenn der Nachwuchs anfängt zu fluchen oder gar zu beleidigen? Ein Erziehungsexperte weiß Rat.

Arschloch, Pupskopf, Scheiße – aus dem Mund eines Kleinkindes können amüsieren und schockieren. Wenn der Nachwuchs die Sprache entdeckt, kann das Blüten treiben. Doch wie reagiert man als Mutter oder Vater, wenn das vierjährige Kind plötzlich „Arschloch“ sagt?

Der Erziehungsberater und Buchautor Jan-Uwe Rogge erklärt im Interview, warum die für Eltern manchmal irritierende Schimpfwort-Nutzung der Kleinen nichts Ungewöhnliches ist und man das ab einem bestimmten Alter dennoch nicht mehr nur weglächeln sollte.

Herr Rogge, gibt es so etwas wie eine Schimpfwortphase bei kleinen Kindern?

Jan-Uwe Rogge: Viele Eltern erzählen, dass das zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr anfängt. Das hat mit der kindlichen Entwicklung zu tun. Wenn das Kind in den Kindergarten kommt, trifft es mit älteren Kindern zusammen, die solche Worte nutzen. Und auch bei den Eltern wird das Kind hellhörig. Beispielsweise, wenn es mit im Auto sitzt und Papa, es sind meistens die Väter, sich über einen anderen Autofahrer ärgert und „Du Arsch!“ ruft.

Dazu kommt: Worte wie Arschloch oder Scheiße faszinieren Kinder auch von der Art und Weise, wie man sie spricht. Scheiße zum Beispiel hat auch etwas Weiches im Wortklang.

Die Eltern machen dann große Augen. Ist es auch die Reaktion der Erwachsenen, die Kleinkinder fasziniert und animiert, solche Wörter zu sagen?

Das Kind kommt aus dem Kindergarten und sagt: „Hallo Arschloch!“ Dann guckt es Mama oder Papa an, sieht, wie deren Augenlid zuckt – und weiß: Treffer versenkt. Wenn Eltern darauf reagieren, merken Kinder: Das ist etwas, mit dem können sie jede langweilige Situation aufmischen. Man nimmt das kleinen Kindern ja nicht übel, in aller Regel.

Nun wollen Eltern in der Regel nicht, dass das Kind mit solchen Wörtern und Sätzen um sich wirft. Wie lässt sich das eindämmen?

Wichtig ist, dass man das Verständnis für die sprachlichen Grenzüberschreitungen seines Kindes nicht mit Akzeptanz verwechselt. So zu tun, also würde man es überhören, ist nicht ratsam – gerade, wenn es gegen die eigene Person geht. Zur Kommunikation zwischen Eltern und Kind gehört nämlich Wertschätzung und Respekt.

Wenn das Kind ein Wort wie Arschloch in einer Frustsituation sagt, kann ich das natürlich verstehen: Es ist Ausdruck von Ärger. Aber ich muss dem Kind auch verdeutlichen, dass solche Worte etwas mit mir als Mutter oder Vater machen. Dass das berühren und verletzen kann.

Ab welchem Alter sollte man Schimpfwörter nicht mehr „durchgehen“ lassen?

Ich finde wichtig, so etwas spätestens vom vierten bis fünften Lebensjahr an klar zu vermitteln. Nicht unbedingt in der Situation, sondern vielleicht fünf bis zehn Minuten später: Wenn ich mich beruhigt habe und auch das Kind wieder in einem anderen Gefühlszustand ist.

Ein Kind muss spüren: Ich habe die Freiheit, Arschloch zu sagen. Ich muss aber auch die Verantwortung für die Wirkung meiner Worte übernehmen und wissen, dass das bei dem anderen etwas auslösen kann. Das ist eine immerwährende Aufgabe für Eltern. Das Kind wird älter und in der Entwicklung – vom Grundschulalter bis zur Pubertät – taucht das Thema immer wieder auf. Aber je früher man damit anfängt, desto besser ist das.

Abgesehen davon zu versuchen, Schimpfwörter selbst zu vermeiden: Gibt es noch etwas, das Eltern aktiv tun können ?

Eltern überschreiten in emotionalen Situationen manchmal selbst sprachliche Grenzen – dafür sollten sie sich entschuldigen. Sie können damit Vorbild sein, weil sie dem Kind zeigen: Mir passiert das auch, und ich habe dann die Souveränität, um Verzeihung zu bitten. (dpa/bearbeitet von mak)

Über den Gesprächspartner

  • Jan-Uwe Rogge, 1947 geboren, ist seit fast 50 Jahren als Familien- und Kommunikationsberater tätig und hat mehrere Sachbücher zu Erziehungsthemen geschrieben.

BILDUNG – UNIVERSITÄTEN

Uni Klagenfurt startet neues Studium zu TikTok und Co – Kleine Zeitung, 30.8.2025

Im Herbst startet an der Universität Klagenfurt erstmals ein englischsprachiges Studium, das sich mit den Chancen und Herausforderungen digitaler Medien beschäftigt.

Die Universität Klagenfurt erweitert ab Oktober 2025 ihr Studienangebot: Mit Digital Media, Culture, and Communication (DMC²) startet erstmals ein englischsprachiges Bachelorstudium, das sich intensiv mit den Chancen und Herausforderungen digitaler Medien beschäftigt.

Digitale Kommunikation

Digitale Kommunikation verändert sich rasant – ob durch Social-Media-Plattformen, Apps oder neue Formen der Datenverwertung. Das Studium richtet sich an alle, die diese Entwicklungen verstehen, kritisch hinterfragen und praktisch anwenden möchten.

Inhaltlich deckt DMC² ein breites Feld ab: von Datenanalyse und Plattformkulturen über Nachhaltigkeits- und Gesundheitskommunikation bis hin zu digitaler Partizipation. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Analyse der Mechanismen hinter Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube. Gleichzeitig lernen die Studierenden, wie Organisationen, NGOs oder Unternehmen digitale Tools gezielt nutzen.

Sechs Semester Studiendauer

Das Studium ist auf sechs Semester angelegt und umfasst 180 ECTS-Punkte. Es kombiniert einen Major mit frei wählbaren Minors, wodurch individuelle Schwerpunkte gesetzt werden können. Besonderes Augenmerk gilt zudem den ethischen Fragen der Digitalisierung – etwa dem Umgang mit Daten oder den Folgen algorithmischer Entscheidungen.

GESELLSCHAFT – POLITIK

Am Beispiel Tempolimit: Warum wir zu Regeln erst Nein sagen und dann mentale Akrobatik machen –GMX, 29.8.2025

Wird in der Politik über eine neue Regelung diskutiert, wie beispielsweise das Tempolimit, ist die Aufregung immer groß. Neue Regeln werden grundsätzlich erst einmal abgewehrt – doch diese Haltung ist nicht von Dauer, wie eine Studie zeigt. Denn ist eine Regel erstmal in Kraft gesetzt worden, betreiben wir „mentale Akrobatik“, wie eine Forscherin erklärt.

COMMENT: Diese „Automatik“ ermöglicht der Politik, Dinge gegen die öffentliche durchzusetzen. Die Verminderung der kognitiven Resonanz spielt dabei eine Rolle, so die Forscher. Eine Erkenntnis, die Politiker ermutigt, ihre politischen Ziele sozusagen stur zu verfolgen, seien diese vernünftig oder unvernünftig. Von der Sozialforschung gibt es nun Anregungen, die Akzeptanz zunächst abgelehnter politischer Ziele zu fördern: es müsse für die Bevölkerung ein „Gewinn“ durch die bevorstehende Änderung herausschauen.

In der Auto-Nation Deutschland das Wort Tempolimit fallen zu lassen, sich womöglich sogar dafür auszusprechen, ist ein heikles Experiment. Schnell kochen in der Büroküche oder am Abendbrottisch Emotionen hoch. Die Freiheit, auf der Autobahn so schnell fahren zu dürfen, wie man will, scheint den Deutschen heilig. Oder?

Die Datenlage ist gar nicht so eindeutig: Umfragen zufolge würde eigentlich sogar eine Mehrheit ein Tempolimit befürworten. Das zeigte zuletzt im März eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Targobank, in der 57 Prozent ein generelles Tempolimit befürworteten. Frühere Umfragen kamen auf noch höhere Zustimmungswerte. Trotzdem macht die befürchtete Wut der Gegner das Thema für die meisten Politikerinnen und Politiker zum roten Tuch.

Neue Regeln werden abgewehrt – aber nur kurz

Forscher der Technischen Universität München und der Universität Wien haben in sieben Studien ein interessantes Phänomen erforscht, das im Hinterkopf haben sollte, wer politische Entscheidungen zu treffen hat: Möge die Ablehnung neuer Regeln und Vorgaben am Anfang riesig sein – diese Abwehr könnte schnell verpuffen.

Zentral dabei: die sogenannte Reaktanz. So bezeichnet die Psychologie den Widerstand, den Menschen verspüren, wenn sie persönliche Freiheiten eingeschränkt sehen.

Werden politische Maßnahmen wie Rauchverbote, Anschnallpflichten oder Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt, lehnen dies vorher viele Menschen ab.

Das Erstaunliche: Diese Einstellung ändert sich oft sehr schnell. „Die Reaktanz ist oft nur vorübergehend und nimmt kurz nach der Einführung einschränkender Maßnahmen beträchtlich ab“, sagt der Leiter der kürzlich im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ („PNAS“) veröffentlichten Studie, Armin Granulo von der Technischen Universität München. „Der Widerstand ist also weniger stabil, als viele Politikerinnen und Politiker befürchten.“

Forscher haben Meinung zu Tempolimit, Impfpflicht & Co. analysiert

Um dies herauszufinden, analysierte das Team Umfragen zur Einführung von Rauchverboten an Arbeitsplätzen in mehreren Ländern Europas, zu verschärften Tempolimits in den Niederlanden und zur Anschnallpflicht in den USA.

In Experimenten testete es außerdem die Reaktanz von Menschen in Deutschland und Großbritannien mit Blick auf eine Impfpflicht, ein Tempolimit sowie neuen Steuern auf Alkohol und Fleisch. In diesen hypothetischen Szenarien mussten die Hälfte der Teilnehmenden die Aussage beurteilen, dass die jeweiligen Maßnahmen bald eingeführt werden sollten, die andere Hälfte, dass sie bereits vor einem Jahr eingeführt worden.

Bevorstehende Regelungen erfahren mehr Ablehnung

In einer Teilstudie bekamen die Teilnehmenden Informationen über die Einführung eines Tempolimits von 120 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen zur Verringerung von CO2-Emissionen. Eine Gruppe bekam zu lesen, dass das Limit bereits vor einem Jahr eingeführt worden sei – die andere, dass es in einem Jahr eingeführt werden solle.

Unabhängig von der grundsätzlichen Einstellung zum Tempolimit, die ebenfalls abgefragt wurde, fiel die Ablehnung der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer stärker aus, wenn die fiktive Einführung der Maßnahme noch bevorstand.

Die Umfragen zu tatsächlichen gesetzlichen Änderungen zeigten genauso wie die Experimente den gleichen Verlauf: Die Ablehnung nahm nach der Einführung der Maßnahmen deutlich ab. Dies galt den Autoren zufolge unabhängig von den Meinungen der Menschen zum jeweiligen Thema.

Die Forschenden gehen davon aus, dass vor der Einführung die Veränderung an sich für die Befragten im Mittelpunkt steht. „Wenn eine neue Regel angekündigt wird, denken die Menschen zuerst an das, was sie verlieren: Freiheit, Gewohnheit, Komfort“, erklärt der beteiligte Forscher Robert Böhm von der Universität Wien. Dabei kann der Studie zufolge auch eine Rolle spielen, dass Menschen dazu neigen, Verluste stärker zu gewichten als Gewinne – zumal es bei den genannten Beispielen oft um den Verlust oder die Beschneidung persönlicher Freiheiten zugunsten gesellschaftlicher Vorteile geht.

Böhm ergänzt: „Nach der Einführung treten diese persönlichen Verluste in den Hintergrund. Dann achten wir viel stärker auf das, was die Maßnahme für die Gesellschaft bringt, etwa beim Gesundheits- oder Klimaschutz.“

Reaktanz: Lässt sich die Maßnahme noch abwenden?

Die Sozialpsychologin Christina Mühlberger von der Universität Salzburg hat auch viel zu Reaktanz geforscht und bestätigt die Erkenntnisse. „Bei neuen Verordnungen passiert es oft, dass Menschen mit psychologischer Reaktanz reagieren.“

Aber: „Reaktanz tritt nur dann ein, wenn die Möglichkeit besteht, die Freiheit wiederherzustellen.“ Das könnte einerseits in einer Phase sein, in der es noch möglich scheint, neue Regelungen – und damit den Verlust der jeweiligen Freiheit – noch abzuwenden. Eine andere Variante könne sein, die Freiheiten herzustellen, indem Regeln gebrochen würden. „Sobald ein Gesetz wirklich in Kraft tritt, ist es einfach so – dann akzeptiere ich das auch eher“, erklärt Mühlberger.

Die britische Autorin und Forscherin Sarah Stein Lubrano hat kürzlich ein Buch veröffentlicht, es heißt „Don’t Talk About Politics“ (Deutsch: „Redet nicht über Politik“) und beschäftigt sich mit psychologischen und soziologischen Faktoren, die Politik prägen.

Auch Lubrano ist von den Befunden aus München und Wien nicht überrascht. Sie hat sich viel mit dem psychologischen Konzept der kognitiven Dissonanz beschäftigt. Diese besagt, dass Menschen bemüht sind, Widersprüche aufzulösen, wenn sich diese in ihrem Weltbild ergeben – etwa durch einander widersprechende Handlungen oder Einstellungen. Die Theorie kann ebenfalls helfen, zu erklären, warum Menschen ihre Meinungen mitunter so schnell ändern.

Nach Veränderung betrieben wir „mentale Akrobatik“

Nach der Einführung von Rauchverboten würden Menschen sich etwa oft einreden, sie hätten ohnehin nie viel in Restaurants geraucht. „Das passiert vermutlich zum Teil dadurch, dass die Person weniger Dissonanz empfindet“, so Lubrano. Wenn Leute sich ans Rauchverbot hielten, aber es gleichzeitig ablehnten, sei das sehr unangenehm. Wenn eine Regeländerung nicht mehr abzuwenden sei, machten die Menschen „mentale Akrobatik“ und erklärten sich, warum die Änderung doch ganz in Ordnung sei.

Als im vergangenen Sommer auf einmal die Deckel fest an Tetrapaks oder Flaschen hingen und sich nicht mehr abnehmen ließen, war die Aufregung groß: nervig beim Trinken, kleckeranfällig, sinnlos – so lautete die Kritik von Verbrauchern im Netz. Diverse Medienberichte griffen dies auf. Tatsächlich soll die EU-weit vorgegebene Änderung dazu dienen, dass nicht mehr so viele kleine Plastikabfälle in die Umwelt gelangen. Heute, Mitte 2025, scheint das Thema „Tethered Caps“ – so heißen die verbundenen Deckel – keines mehr zu sein. Man hat sich damit arrangiert, so scheint es.

„Gewinn-Framing“: Wie die Politik vorgehen müsste

Sozialpsychologin Mühlberger weist zudem darauf hin, dass die Forschung zeige: Je mehr man sich mit den Gründen einer Freiheitseinschränkung auseinandersetze, desto geringer sei die Ablehnung durch Reaktanz.

Für die Politik sei es daher wichtig, Regeln, die Freiheiten einschränken, ausreichend zu begründen und gut zu kommunizieren. Auch ein „Gewinn-Framing“ könne helfen, so Mühlberger. Menschen müssten verstehen, was für Vorteile mit der Änderung einhergingen.

Dies schlagen auch die Forscher der Studie aus München und Wien vor. In einem ihrer Experimente erklärten sie den Studienteilnehmerinnen vor der Einführung der angekündigten Maßnahmen bereits auch, welche gesellschaftlichen Vorteile diese haben solle. „Die Studienteilnehmenden, die sich gleich mit den Vorteilen beschäftigten, lehnten die Maßnahme dann auch schon vor Einführung deutlich weniger ab“, betont der ebenfalls beteiligte Wirtschaftswissenschaftler Christoph Fuchs von der Universität Wien.

Autorin Lubrano schlägt sogenannte „Gateway Actions“ vor – also Angebote für konkrete Schritte, bei denen Vorteile einer Veränderung greifbar werden. Aus ihrer eigenen Londoner Nachbarschaft berichtet sie von sogenannten „Play Days“, bei denen Kinder zu bestimmten Zeiten auf der Straße spielen dürfen und die ganze Nachbarschaft eingeladen sei. So werde greifbar, wie Straßen – statt etwa für den Autoverkehr und das Parken – auch genutzt werden könnten. Das Beispiel macht greifbar, dass sich Einstellungen dadurch verändern können, dass Menschen Veränderungen auch aktiv positiv erleben können.

Studienautor Granulo sieht in seiner Forschung hilfreiche Erkenntnisse für die Politik: „Wer sich der psychologischen Mechanismen bewusst ist, kann die Reaktionen vieler Menschen, den Verlauf der Debatten und die Erfolgsaussichten von Gesetzen besser beurteilen und danach handeln.“ Das Team appelliert an Entscheidungsträger, mutiger zu sein – denn die Forschung zeigt: Der Trotz muss nicht von langer Dauer sein. (Von Larissa Schwedes, dpa/bearbeitet von mak)

GENDER & GESCHLECHT

Klischee wahr: Frau fährt „A1“ und Mann „A6“- Portal Verivox hat 100 der am häufigsten über die Plattform versicherten Modelle untersucht – Pressetext, 29.8.2025

Heidelberg (pte021/29.08.2025/12:30) – Kfz-Versicherungen werden überwiegend von Männern abgeschlossen, auch, weil sie häufiger Fahrzeughalter sind. Wenn Frauen selbst Autos besitzen und versichern, bevorzugen sie ganz andere Modelle. Das zeigt eine Auswertung der 100 am häufigsten über das Vergleichsportal Verivox versicherten Fahrzeuge.

Power und Platz für Männer

Laut der Erhebung liegt beim Audi „A1“ der Frauenanteil 73 Prozent über dem Durchschnitt. Im Gegensatz dazu ist der Herrenanteil beim Audi „A6“, der E-Klasse von Mercedes und dem „5er“ von BMW 25 Prozent über dem Schnitt. Mercedes‘ „CLA“, VWs „Golf“, Renaults „Megane“, Seats „Leon“ oder Toyotas „Auris“ – sie begeistern laut der Statistik beide Geschlechter gleich.

Ganz anders sieht es beim Audi „A1“, dem „i10“ von Hyundai, Kias „Picanto“, Fiats „500“ und Nissans „Micra“ aus – allesamt Frauenautos. Der Anteil von Frauen liegt hier weit über dem Durchschnitt aller über Verivox versicherten Autos. 73 Prozent über dem Schnitt liegt der Frauenanteil beim „A1“, 62 Prozent beim „i10“ und 61 Prozent beim „Picanto“. Der „500“ und der „Micra“ ist zu je 60 Prozent häufiger über eine Frau versichert als der Schnitt aller Autos.

Kleinwagen sind Frauensache

Unter den Top 30 der bei Frauen beliebtesten Autos sind fast nur Klein- und Kleinstwagen. Erst auf dem 29. Platz des Rankings landet mit dem Dacias „Sandero“ ein etwas größeres Fahrzeug der Kompaktklasse. Männern hingegen lieben große Modelle: Beim „A6“ von Audi liegt der Herrenanteil 25 Prozent über dem Schnitt (Frauenanteil: 46 Prozent unter Schnitt), ebenso bei der „E-Klasse“ von Mercedes und im „5er“ von BMW (Frauenanteil: 45 Prozent unter Schnitt).

(Ende)

Ein Straftäter hat den Streit über den Geschlechtswechsel in Deutschland erneut entfacht – nun taucht er offenbar kurz vor seinem Haftantritt unter – Jonas Hermann (Berlin), NZZ, 29.8.2025

Der Rechtsextremist Sven Liebich gibt sich als weiblich aus, vor dem geplanten Antritt seiner Haft in einem Frauengefängnis verschwindet er aber. Die Befürworter des Gesetzes stellen die Posse als Einzelfall dar, aber so einfach ist es nicht.

Der deutsche Rechtsextremist Sven Liebich tritt seit Januar als Frau auf, nennt sich Marla-Svenja und trägt Lippenstift. Seinen Geschlechtseintrag hat er offiziell ändern lassen und er klingt nun wie eine linke Aktivistin: Er sei «eine ganz normale Frau, die massiv verärgert worden ist. Eine, die sich nicht alles gefallen lässt, die im Netz gegen Hass, Hetze und Misogynie kämpft – aus Überzeugung.»

Das ganze Theater fand am Freitag seinen Höhepunkt. Liebich sollte an diesem Abend seine Haft antreten. Er wurde wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt. Seine Strafe sollte er in einem Frauengefängnis in der ostdeutschen Stadt Chemnitz verbüssen. Zum Haftantritt hatte er zu einer «Einzugsparty» geladen, mit anschliessender Pressekonferenz. Doch Liebich tauchte selbst nie in Chemnitz auf. Er sei abgetaucht, verkündete er auf der Plattform X. Weder Anwalt noch Familie seien über seinen Plan informiert gewesen.

Missbrauch oder Gebrauch?

Das absurde Schauspiel um Lieblichs Geschlechtswechsel ist mehr als eine Posse aus dem deutschen Osten. Liebich beruft sich auf das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz, das Ende letzten Jahres beschlossen wurde. Es ermöglicht den Deutschen einen amtlichen Geschlechtswechsel – per reinem Sprechakt und ohne Belege. Die Frage ist nun: Macht Liebich bloss von dem Gesetz Gebrauch oder missbraucht er es?

Für den konservativen deutschen Innenminister Alexander Dobrindt ist der Fall klar: «Das ist ein Beispiel für den sehr simplen Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes», sagte er und merkte an, dass dessen Kritiker immer davor gewarnt hätten. Der CSU-Politiker will keine Nachahmer von Liebichs Aktion sehen. Deshalb brauche es eindeutige Regeln gegen den Missbrauch des Gesetzes.

CSU und CDU sahen das Gesetz stets kritisch und kündigten an, es nach einem Regierungswechsel abzuschaffen. Für ihren Koalitionspartner SPD mussten sie diese Ankündigung jedoch stark abschwächen. Im Koalitionsvertrag ist lediglich vereinbart, das Gesetz bis Sommer 2026 zu überprüfen.

Linke Politiker haben das Gesetz diese Woche erneut gepriesen und sehen in Liebichs Aktion nur einen bedauerlichen Einzelfall. Das Gesetz sei ein grosser Fortschritt für die Betroffenen, die nun endlich allein und ohne «entwürdigende Verfahren» über ihren Geschlechtseintrag entscheiden könnten, sagte Falko Drossmann, queerpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem Magazin «Spiegel».

Einen Extremfall könne man nicht als Massstab nehmen, sagte die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch. Sie sprach sich für das Selbstbestimmungsgesetz in der jetzigen Form aus und wies darauf hin, dass die lokalen Behörden in Fällen wie dem von Liebich grundsätzlich im Einzelfall entscheiden dürften.

Der Staat wird veralbert

Tatsächlich ist noch nicht völlig klar, ob Liebich wirklich seine gesamte Haftstrafe im Frauengefängnis verbringen soll. Letztlich entscheidet darüber die Leitung des Gefängnisses – und auf dieser Ebene spielt das Selbstbestimmungsgesetz wohl nicht die entscheidende Rolle.

Ohne das Gesetz hätte Liebich allerdings nicht so einfach seinen Geschlechtseintrag ändern lassen können. Noch vor einem Jahr wären dafür ein Gerichtsbeschluss und zwei psychiatrische Gutachten nötig gewesen. Der Beschluss wäre wohl kaum zu seinen Gunsten ausgefallen, zumal seine Ablehnung von Transsexuellen offenkundig ist. Erst vor wenigen Tagen machte er Werbung für einen Online-Versand, der T-Shirts vertreibt, die Transpersonen diffamieren.

Aber warum hat Liebich für einen Eintritt ins Frauengefängnis gekämpft? Die Haftbedingungen dürften dort in der Regel etwas besser sein als in Männergefängnissen, wo es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen kommt. Doch das ist wahrscheinlich nicht der Hauptgrund. Als Rechtsextremist ist Liebich offenkundig sehr daran interessiert, den Staat vorzuführen und lächerlich zu machen – das verdeutlicht er mit seinem Verschwinden kurz vor Haftantritt. Sicherlich kann fast jedes Gesetz ausgenutzt werden, aber beim deutschen Selbstbestimmungsgesetz scheinen die Hürden dafür besonders niedrig zu sein.

Der Rechtsextremist Sven Liebich heisst jetzt Marla-Svenja. Nun soll er die Haft im Frauengefängnis in Chemnitz antreten – Nathan Giwerzew (Berlin), NZZ, 21.8.2025

Mit dem deutschen Selbstbestimmungsgesetz lässt sich der Geschlechtseintrag spielend leicht ändern. Auch der Neonazi Liebich machte davon Gebrauch. Feministinnen fürchten um die Sicherheit von Frauen.

Ein Jahr und sechs Monate – so lange muss Sven Liebich wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung ins Gefängnis. Berufung und Revision scheiterten, das Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) ist seit Dienstag rechtskräftig. Zum Zeitpunkt der Verurteilung im Jahr 2023 hiess Liebich noch Sven mit Vornamen. Doch im Januar dieses Jahres änderte er seinen Vornamen und seinen Geschlechtseintrag.

Seither heisst Liebich Marla-Svenja und ist nach deutschem Recht eine Frau. Auf aktuellen Fotos ist er mit Walrossschnurrbart, Hut, Goldohrringen und Leopardentop zu sehen. Jetzt soll er innert zwei Wochen seine Haftstrafe im Frauengefängnis Chemnitz im ostdeutschen Bundesland Sachsen antreten. Ob es bei dieser Entscheidung bleibt, werde noch geprüft, heisst es aus dem dortigen Justizministerium. Wie konnte es so weit kommen?

Im November 2024 trat das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Seither ist es gegen eine Bearbeitungsgebühr möglich, den eigenen Geschlechtseintrag im Standesamt ändern zu lassen. Liebich, eine feste Grösse in der Neonaziszene des Bundeslands Sachsen-Anhalt, machte von dem Gesetz Gebrauch – allem Anschein nach, um es ad absurdum zu führen.

Nach seiner Personenstandsänderung klagte Liebich gegen mehrere deutsche Medien, die über ihn mit seinem alten Vornamen berichtet hatten. Erst am Montag stellte das Landgericht Berlin klar, dass Liebich als Mann bezeichnet werden dürfe. Die Plattform «Nius» gewann den Rechtsstreit mit Liebich. Das Recht des Mediums auf Meinungsfreiheit stehe über Liebichs Persönlichkeitsrecht, argumentierte das Gericht.

Übergriff von Trans-Häftling auf Mitgefangene in Chemnitz

Dass Liebich seine Freiheitsstrafe ausgerechnet im Frauengefängnis in Chemnitz antritt, ist aus Sicht der Frauenrechtlerin Ina Wagner von der Initiative «Lasst Frauen sprechen» bezeichnend. «Vor zwei Jahren hatte dort ein Mann, der sich als Frau ausgab, Mitgefangene und Wärterinnen sexuell belästigt, bevor er ins Männergefängnis verlegt wurde», sagt sie der NZZ.

Der Fall Liebich zeige, dass das Sicherheitsbedürfnis von Frauen gleich mehreren Instanzen «egal» sei, meint Wagner: «Zum einen dem Gesetzgeber, der das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen hat. Und zum anderen der JVA Chemnitz, die wiederholt ihre Schutzpflicht gegenüber inhaftierten Frauen vernachlässigt hat.» Viele der inhaftierten Frauen hätten bereits Gewalterfahrungen durch Männer gemacht, sagt Wagner. Dadurch wirke schon die Anwesenheit eines Mannes für sie «traumatisierend, einschüchternd und grenzüberschreitend».

In den meisten deutschen Bundesländern liegt es im Ermessen der jeweiligen Haftanstalt, wo sie einen transsexuellen Insassen langfristig unterbringt. So ist es auch in Sachsen. Es werde dabei auch der Frage nachgegangen, ob der Geschlechtseintrag nur für die Unterbringung in einem Frauengefängnis geändert worden sei, teilte das Sächsische Staatsministerium der Justiz dem Magazin «Der Spiegel» mit. Bei Liebich sei das derzeit nicht bekannt. Der Fall werde noch geprüft.

Dabei reicht schon ein flüchtiger Blick auf seine Beiträge auf der Plattform X, um zu erkennen, dass der Rechtsextremist mit seinem neuen juristischen Geschlecht den Staat zum Narren hält. Es sei ihm gelungen, «ein ganzes System zu ficken», schrieb er. Derweil hat er nach eigenen Angaben beantragt, in der Haftanstalt mit koscheren Speisen versorgt zu werden. Er sei nunmehr eine «gläubige Jüdin», teilte er mit. Auch das dürfte er wohl kaum ernst gemeint haben. 2021 bescheinigte ihm das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt eine «ideologische Nähe zum Nationalsozialismus».

Schwarz-Rot behielt das Selbstbestimmungsgesetz bei

Seit Liebichs Verurteilung sind zwei Jahre ins Land gegangen. Erst trat das Selbstbestimmungsgesetz der Koalition aus SPD, Grünen und FDP in Kraft, dann versprach die CDU im Wahlkampf, es abzuschaffen. Letztlich einigte sich die neue Koalition aus CDU, CSU und SPD auf eine Evaluation des Gesetzes im Hinblick auf den Schutz von Frauen und die Rechte trans- und intersexueller Personen bis Ende Juli kommenden Jahres.

Aus Sicht der Frauenrechtlerin Hilde Schwathe, die in der Initiative «Geschlecht zählt» aktiv ist, haben die Unionsparteien CDU und CSU damit ihr Wahlversprechen gebrochen. «Die Union trägt jetzt mit die Verantwortung dafür, dass Frauen ihr Recht auf Sicherheit und Schutz selbst in den Justizvollzugsanstalten verloren haben», sagt sie der NZZ.

Wagner gibt dagegen zu bedenken: Selbst wenn das Selbstbestimmungsgesetz abgewickelt würde, blieben Lücken beim Schutz von Frauen in Haftanstalten. Sie weist auf den Fall des mehrfach vorbestraften südafrikanischen Asylmigranten Hilton Henrico G. alias «Cleo» hin, der im April Schlagzeilen machte. Der biologische Mann G., der sich als Frau identifiziert, hatte in einer Potsdamer Asylunterkunft einen Wachmann erstochen.

Nach seiner Verurteilung trat er die Haft in einem Frauengefängnis an – obwohl er keine Personenstandsänderung vorweisen konnte. Erst nachdem ihn dort Mitgefangene wegen Morddrohungen angezeigt hatten, wurde G. in ein Männergefängnis verlegt. «Es braucht die klare Regel in allen Bundesländern: Männer kommen in Männergefängnisse, Frauen in Frauengefängnisse, so wie es die Genfer Konvention vorsieht», fordert daher Wagner. Die Sicherheit weiblicher Insassen dürfe nicht «Gegenstand behördlicher Willkür» sein.

Zwei transsexuelle Häftlinge bedrohen weibliche Mitinsassen – dann müssen sie zurück ins Männergefängnis. Das ist in Deutschland kein Einzelfall – Nathan Giwerzew (Berlin), NZZ, 19.2.2025

Manche Straftäter, die sich als Frauen identifizieren, dürfen ihre Haftstrafe in Frauengefängnissen verbüssen. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Übergriffen auf weibliche Mitgefangene.

Seit November vergangenen Jahres kann jeder, der in Deutschland lebt und sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlt, seinen Geschlechtseintrag im Standesamt ändern lassen. Dank dem neuen Selbstbestimmungsgesetz sind weder Gutachten von Sachverständigen noch die Entscheidung eines Gerichts mehr nötig. Aktivistengruppen wie der Bundesverband Trans begrüssten diese Neuerung als einen «Meilenstein für die Anerkennung von geschlechtlicher Vielfalt».

Aber das Gesetz hat auch seine Schattenseiten. Seit es in Kraft ist, kommt es immer wieder zu Konflikten: Biologische Männer begehren den Zutritt zu Räumen, die bisher Frauen vorbehalten waren, etwa Frauensaunen oder Umkleidekabinen. Manche schrecken auch vor Klagen nicht zurück, wenn sie per Hausrecht abgewiesen werden. Die Betreiber befürchten, es könnte zu Übergriffen auf die Frauen kommen.

Was seit November zu Konflikten zwischen biologischen Männern und den Betreibern von Fitnessstudios oder Saunen führt, ist in mehreren deutschen Haftanstalten seit Jahren Realität. Denn die Justizministerien mehrerer Bundesländer hatten entschieden, dass transsexuelle Häftlinge in Einzelfällen auch in Frauengefängnissen untergebracht werden können. Seither kommt es immer wieder zu Übergriffen.

Erst kürzlich ist ein weiterer Fall dieser Art publik geworden. Zwei inhaftierte Transfrauen mussten aus der Berliner Frauenhaftanstalt zurück in ein Männergefängnis verlegt werden, weil sie Frauen bedroht hatten. So steht es in der Antwort des Berliner Senats auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Rechtspolitikers Marc Vallendar, über die zuerst die «Berliner Zeitung» berichtet hat.

Vorfälle in Sachsen, Niedersachsen und NRW

Der zuständige Justizstaatssekretär Dirk Feuerberg hält sich in dem inzwischen öffentlich zugänglichen Schreiben mit Informationen zurück, die auf die Identität der transsexuellen Gefangenen hinweisen könnten. Er gibt lediglich an, die Übergriffe seien nicht sexueller Art gewesen.

Allerdings zeigen Vorfälle aus anderen Bundesländern, dass es auch zu sexueller Gewalt kommen kann. Im sächsischen Chemnitz etwa soll ein transsexueller Häftling im Jahr 2023 weibliche Mitgefangene und Wärterinnen belästigt, bedroht und zum Sex aufgefordert haben, berichtete die «Welt».

Der Fall sei durch das Schreiben einer Gefangenen publik geworden, heisst es im Bericht. Nachdem eine Lokalzeitung darüber berichtet hatte, sei er zunächst in ein Männergefängnis verlegt worden. Als die feministische Initiative «Lasst Frauen sprechen» dazu Informationen anfragte, wollte die sächsische Landesregierung diese nur gegen hohe Gebühren herausgeben. Erst auf Druck der AfD-Fraktion im sächsischen Landesparlament bestätigte die Landesregierung den Vorgang.

Laut der «Welt», die alle Justizministerien der Bundesländer abgefragt hatte, kam es in den vergangenen Jahren zu insgesamt fünf dokumentierten Übergriffen von Transsexuellen auf Frauen in deutschen Gefängnissen. Davon waren vier sexuell motiviert. Auch in der Justizvollzugsanstalt Vechta in Niedersachsen soll ein transsexueller Häftling weibliche Mitinsassen belästigt haben. In Nordrhein-Westfalen wurde in dem Zusammenhang ein Fall von Körperverletzung aktenkundig.

René Müller vom Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands wird im Bericht mit der Einschätzung zitiert, er hege daran Zweifel, dass alle Vorfälle «von Betroffenen zur Anzeige oder zur Meldung gebracht wurden». In den meisten deutschen Bundesländern waren Transsexuelle seit 2020 bereits in Frauengefängnissen inhaftiert, allein Brandenburg, Thüringen und das Saarland führen dazu keine Statistik. Derzeit sitzen laut einer Umfrage des Portals «Nius» 39 Transfrauen in deutschen Frauengefängnissen ein.

Feministinnen für strikte Geschlechtertrennung im Gefängnis

Nun könnte es erstmals zu dem Fall kommen, dass ein bekannter Aktivist aus der rechtsextremen Szene, der einen weiblichen Geschlechtseintrag nach dem Selbstbestimmungsgesetz wählte und sich seither Marla-Svenja Liebich nennt, eine Haftstrafe in einem Frauengefängnis verbüssen könnte.

In einem Gerichtsprozess wurde Liebich wegen Volksverhetzung belangt, in einem anderen könnte er wegen Körperverletzung schuldig gesprochen werden. Der Fall sorgte für eine breite mediale Diskussion und lenkte den Fokus auf das Missbrauchspotenzial des neuen Selbstbestimmungsgesetzes.

Feministische Organisationen kritisieren seit mehreren Jahren die Unterbringung biologischer Männer in Frauengefängnissen. «Die Rechte von Männern, die behaupten, Frauen zu sein», dürften nicht schwerer wiegen «als die Sicherheit von Frauen», sagt Hilde Schwathe von der Initiative «Geschlecht zählt». Aus ihrer Sicht bestätigen die Fälle genau das, «wovor unabhängige Frauenorganisationen seit langem warnen».

Ina Wagner engagiert sich bei der Initiative «Lasst Frauen sprechen». Es sei «bezeichnend», sagte sie der NZZ, «dass die Debatte um kriminelle Männer, die sich als Frauen ausgeben, erst durch den Fall Liebich an Fahrt gewonnen hat». Und sie führt aus: «Laut Kriminalstatistik haben Männer eine höhere Affinität zu Gewalttaten als Frauen, und sie werden auch mehr für Gewaltdelikte verurteilt – egal, wie sie sich subjektiv identifizieren.»

So habe es sexuelle Übergriffe biologischer Männer auf weibliche Mitgefangene auch in anderen europäischen Ländern gegeben. In Grossbritannien etwa wurde vor mehreren Jahren ein Fall von Vergewaltigung publik. Die britische Regierung zog daraus die Konsequenz, biologischen Männern per Gesetz den Zutritt zu Frauengefängnissen zu verwehren.

Für Wagner ist das der richtige Weg. «Unabhängig von jeder vorstellbaren selbstgewählten Identität bleibt ein Mann ein Mann», sagt sie. «Deshalb müssen Männer und Frauen in Gefängnissen immer getrennt untergebracht werden, damit Frauen von männlicher Gewalt geschützt sind.»

INTERVIEW – Strafverteidiger Udo Vetter: «Der Staat eröffnet mit diesem Gesetz auch Exhibitionisten die Möglichkeit, sich ganz legal Zutritt zu Schutzräumen für Frauen zu verschaffen» – Beatrice Achterberg (Berlin), NZZ, 18.8.2025

Udo Vetter hat Hunderte Sexualstraftäter verteidigt. Auch deshalb ist der Anwalt entsetzt über das geplante deutsche Selbstbestimmungsgesetz. Ein Gespräch über Transsexuelle und Trittbrettfahrer, Männer in Frauenduschen und besorgte Eltern.

COMMENT: Das Interview beleuchtet die Situation im August 2022. Ob Anpassungen an dem Gesetz vorgenommen wurden, wurde hier nicht weiter recherchiert.

Herr Vetter, die Ampelkoalition plant mit dem Selbstbestimmungsgesetz eine freie Geschlechtswahl. Was halten Sie davon?

Dieses Gesetz macht mich fassungslos. Die Rechte transsexueller Menschen müssen erleichtert werden, das ist ein berechtigtes Anliegen. Was mich als Juristen aber irritiert, ist das Schrankenlose. Alle Menschen, auch diejenigen, die nur Spass daran haben, ihr Geschlecht zu ändern, sollen das durch eine einfache Erklärung bei einer Behörde tun können. Für mich ist das unbegreiflich. Wer als Bürger zum Beispiel Wohngeld beantragen will, muss auch nachweisen, dass er anspruchsberechtigt ist.

Aber ist es nicht viel unwahrscheinlicher, dass jemand nur aus Spass sein Geschlecht wechselt, als dass jemand unberechtigt Wohngeld beantragt?

Wenn Sie als Bürger nicht darlegen müssen, warum Sie staatliche Hilfe benötigen, sind Sie unter Umständen verleitet, das auszunutzen. Beim geplanten Selbstbestimmungsrecht soll es noch einen Schritt weiter gehen. Da wird das Geschlecht zur Disposition des Einzelnen gestellt. Ich als Mann muss nicht einmal begründen, warum ich künftig eine Frau sein möchte. Es reicht, dass ich es möchte. Ich kann dazu nur Folgendes sagen: Wo immer der Staat solche Möglichkeiten eröffnet, werden sie auch genutzt.

Noch einmal: zum Spass?

Ja, genau das glaube ich: zum Spass, aus politischem Protest oder um einen Vorteil zu gewinnen. Wir leben in einer Zeit der Polarisierung, und dieses Gesetz wäre offensichtlich dazu geeignet, zu polarisieren. Teenager könnten ihr Geschlecht als Ausdruck einer Rebellion ändern. Auch Leistungsvorzüge sind ein denkbarer Grund. Es gab in der Schweiz einen Fall, in dem ein Mann kurz vor dem Renteneintritt die Rente als Frau beantragte, weil Frauen die Rente dort ein Jahr früher zur Verfügung gestellt wird.

Erfahrungen aus den USA und England zeigen Ähnliches. In England wird es Strafgefangenen ermöglicht, im Rahmen einer Selbstidentifizierung als Frau in den Frauenvollzug zu gehen, was tatsächlich zahlreich beantragt wird. In den USA wurden Insassinnen von selbsterklärten Transfrauen, die biologische Männer waren, geschwängert.

In der Schweiz können Bürger seit Anfang des Jahres frei wählen, ob sie Mann oder Frau sein möchten. Das Land scheint bisher kaum schlechte Erfahrungen mit der neuen Regelung gemacht zu haben.

Das ändert an meiner Einschätzung der Gefahren nichts. Die Schweiz ist ein kultiviertes Land mit kleiner Bevölkerungszahl. Den Medien aus England und den USA kann man entnehmen, dass sich wegen dieser Möglichkeit zur Selbstidentifizierung ein Sturm zusammenbraut. Die Frage ist auch, ob Übergriffe in den Kriminalstatistiken korrekt erfasst werden. Ich bin Strafverteidiger. Ich weiss, dass dieses Gesetz für Teile der Klientel, die ich vertrete, verführerisch wäre.

Können Sie Ihre Klientel beschreiben?

Ich bin seit dreissig Jahren ausschliesslich als Strafverteidiger tätig und habe Hunderte Sexualstraftäter verteidigt. Das gibt mir Einblicke in Täterpersönlichkeiten. Dieses Gesetz würde nicht nur für rational denkende Menschen gelten, sondern auch für Menschen, die triebgesteuert sind. Wenn der Staat jetzt die Möglichkeit eröffnet, dass man durch eine blosse Erklärung zum Beispiel keinen Exhibitionismus mehr begehen kann, dann kann das ein Exhibitionist ausnutzen. Dieser Straftatbestand ist auf Frauen nicht anwendbar.

Nur Männer können Exhibitionisten sein?

Laut Gesetz ja! Der Staat eröffnet mit diesem Gesetz auch Exhibitionisten die Möglichkeit, sich ganz legal Zutritt zu Schutzräumen für Frauen zu verschaffen. Das ist ein Punkt, den man einfach sehen muss: Wenn sich der Mann per Selbstbestimmung zur Frau macht und damit vor dem Gesetz als Frau gilt, darf ich ihn am Eingang nicht mehr kontrollieren. Und ich darf ihn nicht rausschmeissen, wenn er sich in der Umkleide auszieht und sich in voller Pracht präsentiert.

Hat der deutsche Justizminister Marco Buschmann dieses Problem übersehen?

Das kann ich Ihnen leider nicht erklären. Hier wird ein derartiges Missbrauchspotenzial präsentiert, da kann man sich nur an den Kopf fassen. Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn die wechselseitigen Interessen der Bürger gesehen werden und in einen gerechten Ausgleich gebracht werden. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso derartige Rechte nun mit der Giesskanne gewährt werden sollen. Transpersonen, die wirklich im falschen Geschlecht gefangen sind, sind ja nicht das Problem. Die Frage lautet: Wieso muss das jeder machen dürfen? Mindestens fünfzig Prozent der Bevölkerung, nämlich Frauen, müssen Angst davor haben, dass ihnen künftig ihre Schutzräume genommen werden.

Das halbe Land muss sich vor diesem Gesetz fürchten?

Die vorliegenden Eckpunkte zum Selbstbestimmungsgesetz schrauben die erforderlichen Selbstauskünfte und die medizinische Kontrolle auf null herunter. Die Missbrauchsgefahr ist dadurch einfach zu gross. Dabei kann sie leicht aus der Welt geschaffen werden: indem man vernünftige Anforderungen stellt, die auf die Interessen der anderen, potenziell beeinträchtigten Menschen Rücksicht nehmen – also Frauen, Kinder und Jugendliche.

Wie könnte eine solche Anforderung aussehen?

Ich denke an die gesetzliche Lösung, die wir beim Schwangerschaftsabbruch haben. Früher musste eine Frau ein wahres Martyrium durchstehen und sich inquisitorisch befragen lassen. Heute gibt es die sogenannte Beratungslösung. Warum keine Beratung für Menschen, die sich anders wahrnehmen, als ihre Biologie es vorgibt? Wenn du dein Geschlecht ändern möchtest, dann mach zuerst ein Beratungsgespräch. Die beratende Person müsste sagen können: Komm, veräppeln kann ich mich allein; ich werde keinen Menschen zur Frau machen, bei dem es offensichtlich ist, dass er nicht zur Zielgruppe des Gesetzes gehört.

Sie haben sich mehrmals öffentlich zum Selbstbestimmungsgesetz geäussert. Wer hat sich danach bei Ihnen gemeldet?

Vor allem Mütter und Väter, die dieses Gesetz umtreibt. Die wollen ihre Kinder zu eigenständigen Wesen erziehen und sie nicht noch mit 14 Jahren ins Schwimmbad begleiten müssen. Aber es bestünde das realistische Risiko, dass Kinder in Umkleiden und Duschen auch mit Menschen konfrontiert werden, die eben keine schützenswerten und vom Gesetz gemeinten Transpersonen sind, sondern die Situation missbrauchen wollen.

Plötzlich steht ein Mann in der Frauendusche.

Ja. Ein grosses Missverständnis ist, dass Menschen, die per Gesetz ihr Geschlecht ändern wollen, auch in irgendeiner Form angehalten sind, ihr Erscheinungsbild zu ändern. Das wäre aber nicht so. Ich kann mein Leben als Mann normal weiterleben und bin nach aussen der Macker, breitbeinig und mit Vollbart – und zugleich kann ich verlangen, dass ich als Frau behandelt werde und eben auch Zutritt zu solchen Schutzräumen erhalte. Ich habe in dreissig Jahren als Strafverteidiger wirklich alles erlebt. Ich habe grosse Missbrauchsfälle verteidigt, wo Kindern und Jugendlichen unsagbar schlimme Dinge passiert sind. Es gilt der Grundsatz: «Gelegenheit macht Diebe.» Auch deshalb wird die Kritik in den USA lauter über die Okkupation der Schutzräume und die «chilling effects», die sich daraus ergeben. Von «chilling effects» sprechen Juristen, wenn Bürger sich selbst beschränken, um einem möglichen Schaden zuvorzukommen. Das würde hier auch passieren.

Was heisst das konkret?

Die «chilling effects» werden eintreten, sobald Sie den ersten Missbrauchsfall haben, wenn zum Beispiel ein Exhibitionist nicht mehr belangt wird, weil er als Frau eingetragen ist. Mütter und Väter von minderjährigen Kindern werden anfangen, Schwimmbäder oder auch Diskotheken für zu riskant zu halten und den Besuch zu verbieten. Die Freiheit endet so schon vor dem konkreten Missbrauch.

Welche Folgen hätte das Gesetz für die Berufswelt?

Das Gesetz macht Frauenquoten und Frauenförderung obsolet. Wenn ein Mann künftig im Management eines Unternehmens Karriere machen will, in dem eine Quotenregelung gilt, kann er dieses Gesetz ausnutzen. Was wollen Sie machen? Sie dürften nicht mehr sagen: Wir haben den Verdacht, dass Sie keine Frau sind. Im Zweifel könnte der Mann Sie anzeigen.

Halten Sie dieses Szenario wirklich für realistisch?

Absolut, das ergibt sich aus dem vorliegenden Eckpunktepapier der Ampelregierung. Im Prinzip handelt es sich um ein sogenanntes Offenbarungsverbot; wer jemanden beim alten oder falschen Namen nennt, dem soll ein Bussgeld von bis zu 2500 Euro drohen. Wenn das Gesetz so kommt, dann wird das biologische Geschlecht de facto für obsolet erklärt. Da kann auch kein Arbeitgeber mehr sagen: Bei uns gilt das nicht, wir haben unsere eigenen Regeln.

Was halten Sie von der geplanten Möglichkeit, das Geschlecht nicht nur einmal, sondern einmal im Jahr zu wechseln?

Das zeigt, wie undurchdacht dieses Gesetz ist. Und es muss auch bei Transpersonen auf Unverständnis stossen, deren Problematiken nachvollziehbar sind und . . .

. . . oft ein ganzes Leben andauern.

Eben. Die ganze Last von genuinen Transpersonen wird durch dieses beliebige Wahlrecht lächerlich gemacht. Die Wissenschaft sagt, dass die Zahl der Menschen, die meinten, nicht mit dem richtigen Geschlecht zu leben, deutlich unter einem Prozent liege.

Man kann das Gesetzesvorhaben aber auch als fortschrittlich bewerten: Warum soll man in einer freien Gesellschaft nicht frei über seine geschlechtliche Identität entscheiden können?

Wir kennen das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Die Grenzen dafür sind immer die Rechte anderer. Die wollen ihre Persönlichkeit auch frei entfalten.

Blogger und Anwalt

Der 1964 geborene Udo Vetter verteidigt auch Menschen, denen andere nicht die Hand geben würden, etwa Vergewaltiger. Dass Vetter seit Jahrzehnten in die Abgründe der menschlichen Seele blickt, hört man seiner freundlichen Plauderstimme nicht an. In Deutschland ist er vor allem für seinen «Law Blog» bekannt, einen der meistgelesenen Jura-Blogs des Landes.

KOMMENTAR – Ausgerechnet Neonazi Sven Liebich hält alle zum Narren. Das zeigt, auf welchem identitätspolitischen Irrweg sich Deutschland befindet – NZZ, 21.8.2025

Wer das subjektive Gefühl zum Rechtsmassstab erhebt, öffnet der Willkür Tür und Tor. Der Fall des Rechtsextremisten Liebich zeigt das anschaulich.

Der Rechtsextremist Sven Liebich möchte seit Januar mit dem Vornamen Marla-Svenja angesprochen werden. Offiziell ist er eine Frau.

Es gibt unvorhersehbare Desaster, gegen die keine Handhabe hilft: Naturkatastrophen etwa. Und es gibt Desaster mit Ansage. Ein solches ist der Fall des deutschen Neonazis Sven Liebich, der im Januar seinen offiziellen Geschlechtseintrag ändern liess. Seither heisst er Marla-Svenja und ist auf dem Papier eine Frau.

Liebich wurde wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung rechtskräftig zu anderthalb Jahren Haft verurteilt. Nun hat er innert zweier Wochen seine Strafe im Frauengefängnis der sächsischen Stadt Chemnitz anzutreten, bis die Gefängnisleitung abermals über seine Unterbringung entscheidet.

Das ist absurd, denn man kann begründete Zweifel daran haben, dass er sich überhaupt als Frau begreift. Erst vor ein paar Tagen schrieb er auf der Plattform X, er habe es geschafft, «ein gesamtes System zu ficken». Inzwischen bezeichnet er sich sogar als gläubige Jüdin, dabei ist er vorher durch Verharmlosung von Naziverbrechen aufgefallen. Liebich ist also offenkundig ein Mann, und jeder mit gesundem Menschenverstand kann das erkennen.

Doch mit dem sogenannten Selbstbestimmungsgesetz, das die frühere Regierung aus SPD, Grünen und FDP im November beschlossen hatte, war sein offizieller Geschlechtswechsel nur eine Formsache.

Alle wissen: Der Kaiser ist nackt

Damit ist genau das eingetreten, wovor Frauenrechtler immer wieder gewarnt haben. Sie fürchteten, dass sich Männer so reihenweise Zutritt zu geschützten Frauenräumen verschaffen würden. Doch davon wollte die vormalige Regierung nichts wissen. Die damalige Familienministerin Lisa Paus von den Grünen duldete keinen Widerspruch. «Transfrauen sind Frauen», sagte sie.

Liebich nahm Paus beim Wort. Dabei ist es ihm nicht nur gelungen, die deutsche Justiz zum Narren zu halten. Auch Medien spielten sein Spiel mit. Sie nannten Liebich wider besseres Wissen eine «Rechtsextremistin». Mag sein, dass dabei die übertriebene Rücksichtnahme gegenüber Minderheitenanliegen eine Rolle spielte.

Es dürfte aber auch banalere Gründe gehabt haben, nämlich die Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen. Wer Liebich weiterhin einen Mann nannte, den überzog er mit Klagen. Er berief sich dabei auf das sogenannte Offenbarungsverbot. Gemäss diesem ist es strafbar, das frühere Geschlecht und den alten Namen eines Menschen gegen seinen Willen offenzulegen. Erst am Montag entschied das Berliner Landgericht, dass es zulässig ist, Liebich einen Mann zu nennen.

Es ist wie in Hans Christian Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: Alle wissen, dass der Monarch nackt ist. Es wagt aber keiner, das auszusprechen. Das ist die Folge einer übertriebenen politischen Korrektheit, zu der man inzwischen sogar gesetzlich gezwungen ist.

Das Problem wird nach unten durchgereicht

Der Fall Liebich zeigt, was passiert, wenn der Gesetzgeber das subjektive Empfinden zum Rechtsmassstab erhebt und über die empirische Realität stellt. Wenn das Gefühl allein über das Geschlecht entscheidet, dann lässt es sich objektiv nicht mehr feststellen.

Die Folgen sind gravierend. Denn damit wird das Problem nach unten durchgereicht. Nun müssen die Betreiber von Fitnessstudios, Saunen oder Gefängnisleitungen entscheiden, ob sie dem jeweiligen Menschen seine gefühlte Geschlechtsidentität abnehmen oder nicht. Damit sind sie vollkommen überfordert. Noch dazu drohen Klagen, sobald sich jemand diskriminiert fühlt, tatkräftig unterstützt von der Antidiskriminierungsstelle der deutschen Regierung.

Dabei hätte man all das schon vorher wissen können. Gerade die Situation in deutschen Frauengefängnissen zeigt, wie schwierig es ist, wenn Gefängnisleitungen dem subjektiven Geschlechtsempfinden ihrer Insassen voreilig nachgeben.

Bereits vor Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes hatten die Justizministerien mehrerer Bundesländer entschieden, dass transsexuelle Häftlinge in Einzelfällen auch in Frauengefängnissen einsitzen können – selbst wenn sie keinen geänderten Geschlechtseintrag vorweisen können. Seitdem kommt es in den Frauengefängnissen immer wieder zu sexuellen Übergriffen von Transsexuellen gegen weibliche Mitgefangene.

Aktivistische Lobbygruppen setzten den Ton

Das Selbstbestimmungsgesetz macht all das nun noch schlimmer. Es setzt den Anreiz für Gefängnisleitungen, einfach dem offiziellen Geschlechtseintrag zu folgen, unabhängig davon, wie glaubhaft er ist.

Keine Frage: Die Absicht hinter der Liberalisierung der bisherigen Gesetzgebung war ehrenwert. Die Regierungen in Bund und Ländern wollten Transsexuellen das langwierige Prüfverfahren nach dem bisherigen Gesetz ersparen.

Dabei war es schon vorher möglich, sein Geschlecht zu ändern. Nur aktivistischen Lobbygruppen ging das nicht weit genug. Indem die Regierung auf sie hörte, verhalf sie einer kleinen Minderheit zu ihrem Recht. Doch damit unterminierte sie die Rechtssicherheit für die grosse Mehrheit.

Ursprünglich wollten CDU und CSU das Selbstbestimmungsgesetz abschaffen. Jetzt soll es erst einmal eine Prüfung geben. Doch wer braucht die noch nach dem Fall Liebich? Die Regierung sollte diesen identitätspolitischen Irrweg schnellstmöglich verlassen.

KOMMENTAR – Von wegen tolerant: Das neue deutsche Selbstbestimmungsgesetz ist ein Angriff auf die Lebensrealität der Mehrheit – Marc Felix Serrao, NZZ, 12.4.2025

In Deutschland können Menschen ihr eingetragenes Geschlecht auf dem Amt künftig einfach so ändern. Die Interessen von Kindern und Frauen bleiben dabei auf der Strecke, die Meinungsfreiheit auch.

Das nun vom Bundestag verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz ist auf den ersten Blick ein Schritt hin zu einer Gesellschaft, in der mehr Menschen nach eigener Fasson glücklich werden können – also eine gute Sache. Wer den behördlichen Eintrag seines Geschlechts und entsprechend auch seines Vornamens ändern möchte, braucht künftig keine ärztliche Bescheinigung mehr. Er oder sie geht zum Standesamt, gibt eine Erklärung ab, fertig. Ab 14 Jahren geht das Ganze im Zweifel auch gegen den Willen der Eltern und mit der Hilfe eines Familiengerichts. Davor müssen die Kinder dem Willen der Eltern zustimmen.

Wem der Schutz von Minderheiten ein Anliegen ist, der müsste das Selbstbestimmungsgesetz eigentlich begrüssen. Doch hinter dem vermeintlichen Schutz der wenigen steckt in diesem Fall ein Angriff auf die Lebensrealität der vielen. Er richtet sich vor allem gegen die Interessen von Kindern und Frauen.

Ein monströser Blick auf Kinder

Minderjährige hätten genau wie Erwachsene ein Recht darauf, sich frei zu entfalten, sagte die SPD-Parlamentarierin Anke Hennig am Freitag im Bundestag. Das klang noch richtig. Sodann sagte sie, dass zur Entfaltung des Menschen auch die geschlechtliche Identität zähle, und berichtete von ihrer Arbeit als «Kindertagespflegeperson». Schon die Jüngsten wüssten oft sehr früh, «wenn das ihnen zugewiesene Geschlecht» falsch sei. Ein sechsjähriges Kind habe sich ihr einmal so vorgestellt: «Hallo Anke, mein Name ist Lara, aber eigentlich bin ich ein Junge.» Mit dem Selbstbestimmungsgesetz gebe es nun auch für Lara einen Weg zur Entfaltung, ohne «erniedrigende Fragen und Zwangsbegutachtungen». In diesem Satz steckt ein monströser Blick auf Kinder.

Man tut Sechsjährigen und auch Lara – falls es diesen Jungen gibt – kein Unrecht, wenn man ihren Realitätssinn hinterfragt. Kinder glauben alles Mögliche, und sie haben noch keine gefestigte Persönlichkeit. Das mag auch auf einige Erwachsene zutreffen, aber es trifft auf alle Kinder zu. Ein Sechsjähriger, der von sich sagt, er lebe im falschen Körper, braucht keine blinde Bestätigung, wie «Ampel»-Politikerinnen behaupten. Er braucht, im Gegenteil, sehr ernstgemeinte Fragen und eine sehr gründliche Begutachtung.

Vielleicht zählt ein solches Kind am Ende tatsächlich zu der sehr kleinen Minderheit, auf welche die medizinische Diagnose der Geschlechtsinkongruenz zutrifft. In dem Fall hat es Unterstützung und Empathie verdient. Wahrscheinlich ist sein Körper angesichts der Zahlen – 1 bis 2 von 100 Menschen sind laut Schätzungen betroffen – aber der «richtige». Wahrscheinlich ist, dass Erwachsene Verhaltensweisen des Kindes, die geschlechtlichen Stereotypen widersprechen, im Sinne der seit einigen Jahren stattfindenden konstruktivistischen Umdeutung der Begriffe Mann und Frau interpretieren.

Protest von Feministinnen

Während sich Kinder nicht gegen die Erzählung vom Leben im «falschen Körper» wehren können, haben auffallend viele Frauen in Deutschland gegen das Gesetz protestiert, unter ihnen prominente Feministinnen wie Alice Schwarzer. Sie warnen unter anderem vor der Gefahr, dass biologische Männer die neue Rechtslage ausnutzen könnten, um in bisher geschützte Räume von Frauen und Mädchen einzudringen.

Der deutsche Gesetzgeber hat das Problem gelöst, indem er es kurzerhand in den privaten Bereich verschoben hat. Anbieter von Frauenparkplätzen oder Frauensaunen sollten im Zweifel ihr Hausrecht geltend machen und den Eintrag des Geschlechts auf dem Amt ignorieren können, heisst es. Man darf gespannt sein, wie die Sache ausgeht. Es gibt inzwischen etliche Berichte aus anderen Ländern, wo sich Frauen über Männer in ihren Umkleidekabinen empören und Trans-Aktivisten zum Boykott von Einrichtungen aufrufen, die Transfrauen keinen Einlass gewähren wollen.

Das deutsche Gesetz enthält weitere Fragwürdigkeiten, etwa ein angedrohtes Bussgeld für die Offenbarung des biologischen Geschlechts und früheren Vornamens eines Menschen in Höhe von bis zu 10 000 Euro. Wenn das Verbot, die behördlich besiegelte Vergangenheit eines Menschen auch nur auszusprechen, kein Angriff auf die Redefreiheit sein soll, was dann? Befremdlich wirkt auch der Hinweis, dass für Männer im Kriegsfall «die rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht» bestehen bleibt. Angesichts der Nachteile, die das Gesetz für Frauen und Kinder bedeutet, kann man darin vielleicht eine Art ausgleichende Gerechtigkeit sehen: Wenn es um Töten und Sterben geht, dann bleiben Transfrauen auch in Deutschland künftig Männer.

UNTERNEHMEN

GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN

*** nicht aktualisiert ***

Reset wie 1948: Droht die große Enteignung – rtl+, 14.8.2025

Zwangshypotheken, entwertete Konten, 90 Prozent Verlust beim Geldvermögen – die Währungsreform von 1948 zeigt, wie radikal ein Reset ablaufen kann. Und er könnte wiederkommen.

Raimund und Etienne sprechen in dieser Podcast-Folge darüber, wie solche Eingriffe in der Vergangenheit aussahen und warum die Reset-Gefahr auch in der Gegenwart nicht gebannt ist. Könnten sogar die USA im Zentrum eines neuen Resets stehen? Was passiert dann mit Geld, Schulden, Immobilien und Aktien? Und wie schützen Sie Ihr Vermögen am besten? Fragen und Anregungen bitte an brichtaundbell@ntv.de

Währungsreform von 1948 Das sind die wichtigsten Fragen zum „Reset-Szenario“ – n-tv, ab 31.7.2025

Zwangshypotheken, entwertete Konten, 90 Prozent Verlust beim Geldvermögen – die Währungsreform von 1948 zeigt, wie radikal ein Reset ablaufen kann. Dieses Szenario haben Raimund Brichta und Etienne Bell in der vorherigen Folge „Brichta und Bell – Wirtschaft einfach und schnell“ vorgestellt und selten so viel Feedback erhalten. In dieser Woche klären sie weitere wichtige Fragen: von den Auswirkungen auf Gold über Kryptos hin zu KI.

AKTIENEMPFEHLUNGEN – BUY & SELL

Aktuell (—): 
Aktien um 10 Euro je Stück sind FETT hervorgehoben.

Die erwarteten stolzen Kursgewinne sind dem Übermut der tollen Analystenzunft zu verdanken! Hirn selbst einschalten und kritisch bewerten. MERKE: Klappern gehört zum Geschäft. Es geht letztlich nicht so sehr um die Beratung der Anleger, sondern um die spekulativ selbst gehaltenen Aktien der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaften etc.), für die die Analysten tätig sind: wenn viele kaufen, steigen die Kurse, und 5% Plus sind zwar weniger als 15% oder 35%, aber besser als 5% Minus. Zudem lassen sich schnell noch eigentlich „schlechte“ Aktien im Portfolio des Hauses (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) verkaufen, für die der Analyst tätig ist, sofern die werten privaten Anleger den Kaufempfehlungen folgen. So schaut’s aus im Schneckenhaus! Nochmals: Hirn selbst einschalten. Die Finanzbranche lebt vom Trübe-Machen des Wassers!

NICHT ZULETZT: Verkaufsempfehlungen werden ungern gegeben, da sie auf das Portfolio der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) rückschließen lassen, zu denen die Analysten gehören. Verkaufsempfehlungen werden aus zwei Gründen gegeben: a) es ist tatsächlich Feuer am Dach des analysierten Unternehmens, b) das Haus möchte die Aktien des zum Verkauf empfohlenen Unternehmens billiger zurückkaufen, sofern den Verkaufsempfehlungen gefolgt wird. Letztlich agieren an der Börse die Optimisten, und die wollen positive Nachrichten hören, also werden sie von den Häusern und ihren Analysten entsprechend bedient.

UND ZU ALLERLETZT: die Analysten bespiegeln sich untereinander: wer hat was empfohlen oder nicht empfohlen, es kommt zu herdenpsychologischen Erscheinungen derart: der Leithammel hat empfohlen, also machen wir das auch. Die jeweiligen Analysen werden entsprechend (um)formuliert. Das zweite Moment: die Konkurrenz, die u.U. zu skurrilen Interpretationen des analysierten Unternehmens führt.

FAZIT: was die Analystenzunft von sich gibt, kann aufschlussreich sein, muss es aber nicht, vermittelt einen zusätzlichen Eindruck zu einzelnen Aktiengesellschaften. Wichtig ist der Blick auf zweierlei: a) entscheidend: auf die volkswirtschaftliche Situation des Landes, der Welt; b) sekundär (!) auf das Unternehmen und seine Branche: Charakter des Managements, klare, gut durchschaubare Produktpalette, Langlebigkeit des Unternehmens und seine Stetigkeit im Gebaren.

Renten- und Aktienmärkte

Man halte sich vor Augen: Aktienmärkte sind die Pfützen in der Welt der Veranlagungsmöglichkeiten. Anleihenmärkte (Rentenmärkte, Kapitalmärkte) sind die großen Ozeane ebendort. Daher sind Aktienmärkte volatil und reagieren auf den leisesten Windhauch mit u.U. kräftigen Ausschlägen. Die Seelen der Anleger sind sehr verletzlich: Angst und Gier bestimmen hier jegliches Handeln, die vernünftige Veranlagungsentscheidung steht an zweiter Stelle. Das verursacht in den kleinen Geldpfützen der Aktienmärkte hohe Wellen. Aber dort stehen nach erster Erschütterung später die rationalen Kaufs- und Verkaufsentscheidungen felsenfest – bis zur nächsten Seelenerschütterung.

Anleiheanleger sind cooler und gezügelter im Gemüt. Hier geht es eher um Langfristperspektiven. Alles dreht sich um den Zins und wie er sich weiterentwickelt. Wer an der Zinsschraube dreht, dreht am Schicksal ganzer Volkswirtschaften. Da ist das aufgeregte Gegackere an den Aktienmärkten geradezu uninteressant.

Aber kommen Anleihemärkte einmal ins Rutschen – nach oben oder nach unten – dann ist Feuer am Dach. Schon 0,5 oder gar 1 Prozent Veränderung in einem Anleihenindex sind eine „Weltbewegung“ im Milliarden- oder Billionengeldmeere der Anleiheozeane.

Dazu kommt: Die Anleiherenditen konkurrenzieren mit den Aktienrenditen. Eine hohe Anleiherendite jenseits der 3 Prozent wirkt umso „giftiger“ auf die Aktienkursentwicklungen, je höher sie ist. Liegt sie unter 3 Prozent, begünstigt sie die Aktienkäufe, Je deutlicher sie unter 3 Prozent liegt, umso eher. Das ist die Regel. Die Ausnahme – so, wie wir sie gerade sehen – bestätigt diese Regel. Früher oder später wird sie ihre dominante Stellung als Regel wieder einnehmen.

Diese Verhältnisse sind es, die im Tagesblick in der Regel die Berichte zu den Anleihemärkten wiedergeben lassen, dass aufgeregte Geflattere und Gegackere an den Aktienmärkten im Detail interessiert in der Regel nicht die Bohne.

Zur Renditebestimmung bei Anleihen: notiert die Anleihe zu 100 Prozent, dann stimmen Anleihezinssatz (der Couponzins) und Anleiherendite überein. Sinkt der Anleihekurs unter 100 Prozent, steigt die Rendite, umgekehrt gilt: steigt der Anleihekurs, so sinkt die Rendite. So einfach ist das. Und so weltbewegend in der Tat.

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Allgemeine Empfehlungen: Es geht vornehmlich um die Zukunft der Energiegewinnung und die Energielieferanten. Renner bleiben Telekommunikations-Unternehmen, deren Dienstleistungen in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft unabkömmlich sind. Unter den Logistik-Aktien sind in der Regel die Post-Aktien interessant. Diese Branchen sind weniger konjunkturabhängig als z.B. Konsumaktien, darunter die Post-Aktien noch am ehesten.

Hinzu kommt, dass die klassischen erdölverarbeitenden Energielieferanten (Up- und Downstream) mehr oder weniger energisch in großem Stil auf Alternativenergien umstellen. Es bleibt ihnen angesichts des Klimawandels, der öffentlichen Meinung und der in absehbarer Zeit erschöpften Welt-Erdölreserven auch nichts anderes übrig. Über das Kapital für den weltlebensnotwendigen Umbau verfügen sie dank ihrer Aktionäre. Es geht aus Sicht der Unternehmen um zukunftsträchtige Geschäftsmodelle in einer überschaubaren Branche – Energie – und aus Sicht der Aktionäre um steigende Unternehmenswerte / Aktienkurse als Inflationsschutz und sichere, möglichst stabil wachsende Dividenden, ebenfalls hinsichtlich des Inflationsschutzes.

Anti-Nachhaltigkeits-Bewegung in den USA als 180-Grad-Wendung in der Veranlagungsgebarung

Der aktuelle politische Druck in den USA zwingt eine Reihe großer Vermögensverwalter, darunter die weltgrößten wie Blackwater und Vanguard (verwaltetes Vermögen: 20 Billionen US-Dollar), nachhaltige Unternehmen potentiellen Anlegern nicht mehr zu empfehlen. Sie selbst verkaufen solche Unternehmen aus ihren Portfolios. Es gibt sogar seitens republikanisch regierter Bundesstaaten wie insbesondere Texas Kaufverbote für staatliche Pensions- u.a. Fonds.

Ausgestiegen sind bereits US-amerikanische Großbanken wie JP Morgan, Goldman Sachs, Wells Fargo, Bank of America, Citigroup (verwaltetes Vermögen: 9 Billionen). Ähnliches betrifft die Kreditvergabe. Offen bleibt, wie private und Unternehmensanleger (nicht-staatliche Fonds) künftig disponieren werden.

Unter den angebotenen Finanzanlagen kursieren seit geraumer Zeit besondere Nachhaltigkeitsprodukte in Form sog. ESG-Fonds (mehr dazu hier), die hohe Renditen versprachen und daher recht starken Zulauf hatten; die Renditen wurde seit Erhöhung der Kreditzinsen gebremst, da dadurch kreditfinanzierte Nachhaltigkeitsprojekte (Windparks, Solaranlagen etc.) weniger rentabel wurden.

In der Europäischen Union will man sich weiter an entsprechende Nachhaltigkeitsauflagen festhalten. Bislang wurden in europäische ESG-Fonds 9 Billionen Euro investiert, was 61 Prozent des gesamten Fondmarktvolumens entspricht. Der Zufluss hat sich 2024 allerdings um die Hälfte auf 37 Milliarden Euro reduziert. Zudem wurden mehr ESG-Fonds geschlossen als eröffnet. Nicht nur die hohen Zinsen, die die ESG-Fonds-Renditen beeinträchtigten, führten dazu, sondern auch „grüne Schönfärberei“: es stellte sich da und dort heraus, dass die versprochene Nachhaltigkeit mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit bestand. (Quelle: Wirtschaft vor Acht, ARD, 10.1.2025 (KURZVIDEO, bis 17.1.2025 verfügbar))

FAZIT: Es bleibt abzuwarten, was das für den Klimaschutz in den USA und weltweit künftig bedeutet. Für Österreich stellt sich die Frage, wie eine künftige Regierung sich in Sachen Klimaschutz verhalten wird.

Aktienkauf – der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung – bedeutet Übernahme eines Risikos in Hinblick auf das künftige Unternehmensschicksal. Die Dividende stellt eine Risikoprämie dar.

Aktienanalytischer Blick auf Aktien im Euroraum und speziell Österreich (Stand: 24.2.2025):

ACHTUNG – STEUERVERÄNDERUNGEN ANTE PORTAS:
Ins Gerede kommen in absehbarer Zeit auf EU-Ebene und auf Österreich-Ebene vermutlich Aktienbesteuerung (Verkaufsgewinne, Dividenden) ebenso wie Vermögens- und Erbschaftssteuer. Diese Steuern sind in Veranlagungsüberlegungen mit einzubeziehen.

Im Folgenden sind Aktien um 10 Euro je Stück und darunter FETT hervorgehoben.
Neu aufgenommene Aktien werden mit ### gekennzeichnet.

Beobachtenswert ist der Umweltschutz- und Wasserwirtschaftswert Veolia

Ein Kaufsignal liefern weiterhin ENI, UNICREDIT und TOTAL ENERGIES, im Vergleich zum 3.2.2025 stabile Bewertung mit jeweils fünf Sternen bewertet.

Ein Kaufsignal liefern ENEL, PORR, SHELL, VERBUND, ### VIENNA INSURANCE GROUP mit jeweils vier Sternen bewertet.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung mit jeweils vier Sternen bewertet.

Ein niedriges KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zeichnet aus:
RWE, TOTAL ENERGIES, ### UNICREDIT SPA, PORR, OMV, ### UNIQA, EVN, ENEL, TELECOM AUSTRIA, ### STRABAG, WIENERBERGER, SHELL, PALFINGER.

Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktie RWE ist die mit dem niedrigsten KGV = 4,8, PALFINGER die mit dem höchsten KGV = 9,3.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung.

Ein niedriges dynamisches KGV (PEG, Price-Earning-to-Growth) weisen u.a. auf:

ENI, UNICREDIT, ### KONTRON AG, OMV, SHELL, PORR, WIENERBERGER, PALFINGER,

Nicht mehr dazu gehören: VIENNA INSURANCE GROUP, TELECOM AUSTRIA.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktien ENI = 0,5 ist die mit dem niedrigsten, PALFINGER die mit dem höchsten PEG = 1,4.
Im Vergleich zum 3.2. 2025 ist die Auswahl verändert, einzelne Aktien kamen dazu, andere fehlen nun!

Als Aktien mit langfristigem Kurspotential werden u.a. gesehen:
TOTAL ENERGIES, ENI, VERBUND, E.ON.SE, EVN, RWE.

Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene mit der größten Langfristchance.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl stabil, die Reihenfolge hat sich geändert.

Als Aktien mit hoher Sicherheit werden u.a. bewertet VIENNA INSURANCE GROUP, VERBUND; die Bewertungen bleiben unverändert zum 3.2.2025.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene Aktie mit der größten Sicherheit.

Aktien mit hoher Dividendenrendite sind:
OMV, ORANGE, TELEFONICA, ENI, UNIQA, ENEL.


Aktien mit der größten Dividendenrendite stehen am Anfang der Reihe: OMV 12,6%, am Ende die mit der niedrigsten: Enel 6,7%, jeweils vor Steuer.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl gleich, die Reihenfolge hat sich geändert.

KAUFKRITERIEN neben den aktienanalytischen Kennzeichnungen sind der Reihe nach: WER? – Qualität und Charakter (Psychologie!) des Managements, Häufigkeit des Managementwechsels, Unternehmenskultur; WAS? – Produkteinfachheit: „einfach gestrickte“, leicht zu durchschauende/transparente Produkte oder Dienstleistungen, eher kleine Produktpalette bzw. enger umschriebenes Dienstleistungsangebot, Konstanz der Nachfrage; WIE? – Sicherheit, Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Wechselfällen, finanzielle Stabilität des Unternehmens, Konkurrenzsituation; WO? – geographische und „politische“ Lage möglichst fern von Krisengebieten inkl. solchen mit politischer Unruhe oder in Ländern mit totalitären Systemen oder deutlich defekten Demokratien (illiberale Demokratien); WANN? – Lebensdauer bzw. Überlebensdauer (Weltkriege etc.) des Unternehmens bisher, Stetigkeit der Dividendenzahlungen.

FAZIT: vor dem Kauf einer Unternehmensbeteiligung sich zur Aktiengesellschaft schlau machen: WER, WAS, WIE, WO, WANN.

ZWEI DINGE sind zusätzlich zu beachten:

# Langfristanlage durch Erwerb von Defensiv-Aktien (u.a. Energie, Telekom),

# Verbleib in einem Währungsraum, das ist der Euroraum. Daher werden die allseits seit Jahren gehypten US-Aktien hier mit Absicht außen vor gelassen, um das Währungsrisiko klein zu halten. Gleiches gilt für den Erwerb von Schweizer Aktien, wie die Vergangenheit mit Blick auf das sehr wechselhafte Wechselkursverhältnis Schweizer Franken / Euro gezeigt hat. 

Die Europäischen Union als Veranlagungsrisiko?

Das Staatssystem der Europäischen Union kommt einer defekten Demokratie gleich und erstreckt sich in den Währungsraum (Euroland), in dem gehandelt wird. Man spricht auch von einem Demokratie-Defizit der Europäischen Union. Risiken dieser defekten Demokratie, um einige zu nennen, sind: Regelungen „von oben herab“ auf nicht sehr transparente Weise und Steuervorgaben, die sich durch Negieren realer Alltagserfordernisse auszeichnen, Überwachungsbestrebungen, hoher Bürokratieaufwand für Unternehmen und Bürger. All dies markiert Abgehobenheit und Bürgerferne der EU-Politik.

Kennzeichnend für das Gebaren (Governance) der EU ist ein Ineinandergreifen von EU-Exekutive (Kommission mit ihren Kommissariaten) und einem nicht gut überschaubaren Geflecht zahlreicher, der EU nahestehenden und von ihr geförderten Institutionen, Organisationen und Einrichtungen, die auf vielen Ebenen EU-Kommissionsvorgaben umsetzen helfen. Sie helfen insbesondere dabei, die von EU-Rat- und EU-Kommission angedachten, aber für Bürger und Unternehmen noch nicht „akzeptablen“ Vorgaben „schmackhaft“ zu machen, um so zu einer ausreichend hohen Akzeptanz in der Bevölkerung zu führen, die eine politische Umsetzung ermöglicht.

Junker sagte 1999 dazu sehr verkürzt und sinngemäß: was wir heute als EU nicht durchsetzen, das werden wir dann schon später durchsetzen. Dem Lobbyismus Richtung EU-Exekutive (insbesondere seitens der Unternehmen) steht ein „Lobbyismus“ seitens der EU in Richtung auf die Einrichtungen der Mitgliedsländer sowie auf die Unternehmen und die Bevölkerung gegenüber, dessen Räderwerk für den Normalbürger praktisch nicht durchschaubar ist. Inwieweit kommt dies einem autokratischen Verhalten von der Maschek-Seite gleich?

Hauptziel der EU-Bestrebungen ist die Etablierung der Vereinigten Staaten von Europa, die den derzeit bestehenden Verbund der Mitgliedsstaaten ersetzen soll. Das deutet auch der Wechsel der Namensgebungen im Zeitverlauf an:

# Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, umgangssprachlich auch Montanunion, 1951)

# Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957 inklusive EURATOM)

# Europäische Gemeinschaften (EG, 1965 ff., Fusion von EWG, EURATOM und einzelnen EG-Organen, Fusions- und Folgeverträge)

# Europäische Gemeinschaft (EG, seit 1993 ff., Maastricht- und Folgeverträge)

# Europäische Union (EU, 2007, Lissabon- und Folgeverträge)

1948
1948
Brüsseler
Pakt
1951
1952
Paris
1954
1955
Pariser
Verträge
1957
1958
Rom
1965
1967
Fusions-
vertrag
1986
1987
Einheitliche
Europäische Akte
1992
1993
Maastricht
1997
1999
Amsterdam
2001
2003
Nizza
2007
2009
Lissabon
Europäische GemeinschaftenDrei Säulen der Europäischen Union
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom)
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)Vertrag 2002 ausgelaufenEuropäische Union (EU)
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)Europäische Gemeinschaft (EG)
Justiz und Inneres (JI)
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ)Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Westunion (WU)Westeuropäische Union (WEU)
aufgelöst zum 1. Juli 2011

Problematisch bleibt dabei: je größer die Zentralisation von Staatsmacht, umso größer die Machtfülle, die mit „eiserner Harke“ über berechtigte (!) Einzelinteressen der Mitgliedsstaaten und damit der Bürger drüberfährt. Das Prinzip der Subsidiarität bleibt dabei auf der Strecke, so wie dieses Prinzip z.B. Österreich 1994 anlässlich der Vorabstimmungskampagnen versprochen wurde. Wurde das Versprechen eingelöst?

Beispiele der Machtfülle durch Zentralisierung liefern alle großen Staaten, u.a. Russland und China, die geradezu Musterbeispiele dafür darstellen.

Ein Problem des Staates an sich ist das Machtmonopol, das bei ihm liegt und liegen muss, will er Gesellschaft – das Staatsvolk – und die Abläufe darin mit Erfolg, also: durchsetzungskräftig organisieren. Das Problem ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen unbeschränkter Freiheit des Individuums (Libertarismus) und unbeschränkter Freiheit des Staates (Totalitarismus).

Wie dieses Machtmonopol ausgestaltet wird, unterliegt in Demokratien dem Willen des Wahlvolkes, in nicht-demokratischen Staaten dem Willen des autoritären, totalitären oder autokratischen Machthabers. In defekten Demokratien ist die Mitbestimmung des Volkes eingeschränkt. Defekte Demokratien existieren in einer Grauzone, deren Konstituenten und ihre gegenseitige Einflussnahme nicht leicht zu bestimmen sind. Somit ist auch der Defektheitsgrad einer defekten Demokratie nicht leicht zu bestimmen und unterliegt, je nach politischer resp. ideologischer Perspektive, unterschiedlichen Wertungen.

Die idealtypische Dreiteilung der Regierungsformen existiert in der Wirklichkeit nicht: keine Demokratie der Welt entspricht der idealen Form, weist also im Ansatz Eigenschaften einer defekten Demokratie auf, kein totalitärer Staat schränkt die individuellen Freiheiten vollständig ein, es verbleibt den Bürgern dort ein mehr oder weniger großer Freiheitsraum.

Hinsichtlich des staatlichen Machtmonopols, das zudem bei anwachsender  Zentralisation der Staatsgewalt zur Zunahme neigt, ergibt sich die Erkenntnis: so wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig als einer Einrichtung, die mit einem mit Rechtsgewalt in das Leben seiner Bürger eingreifenden Machtmonopol versehen ist, das für das „Funktionieren“ einer Gesellschaft unaufgebbar ist.

Die dafür notwendigen rechtlichen Verregelungen des Alltagslebens durch Allgemeines Gesetzbuch, Strafgesetzbuch, Angestelltengesetz etc.etc. sind zahllos und gelten bei ausnahmslos jeder Handlung, werden aber – ebenso regelhaft – dem Bürger erst dann bewusst, wenn es zu schwerwiegenden Regelverstößen oder Regelbruch-Sanktionierungen kommt. 

Rechtliche Verregelungen sind Ausdruck der jeweiligen Ausprägungen eines Rechtsstaates; dieser wird in einer idealen Demokratie nicht durch Willküreinwirkungen korrumpiert: das ist ein wesentliches Kennzeichen demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Auf Rechtsstaatlichkeit pflegen sich auch autoritäre, totalitäre oder autokratische, kurz: diktatorische Systeme zu berufen, doch wird der Rechtsstaat dort durch Willküreingriffe korrumpiert: Rechtsbiegung als Kennzeichen von Autokratien etc. In einer defekten Demokratie wird die Rechtsstaatlichkeit (leicht) eingeschränkt, womit das Risiko entsteht, in eine Autokratie abzugleiten.

Nur in formalrechtlicher Hinsicht war zum Beispiel auch der NS-Staat ein Rechtsstaat, besaß er doch gemäß der NS-Grundsätze umgearbeitete Gesetze aus der Weimarer Republik und neue Gesetze im Sinne der NS-Ideologie, auf die er sich in der Rechtsprechung berief und von denen viele in einem „normalen“, d.h. hier NS-konformen Rechtssetzungsprozess entwickelt wurden. Daran ändert nichts die Gepflogenheit, den NS-Staat in inhaltlich-ethischer Hinsicht als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Ein krasses Beispiel für einen NS-Rechtserlass im autokratischen Sinn ist unter diesem Link einsehbar.

Kennzeichnend für die Biegsamkeit des Rechts je nach Staatsraison ist die Tatsache, dass Juristen nach einem Regimewechsel ihre Posten in der Regel nicht verloren, sondern im neuen Regime weiter im Dienst des Rechts ihre berufliche Tätigkeit frei oder im öffentlichen Dienst ausübten. So wurden Juristen und Richter nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes ohne weiteres in den öffentlichen Dienst der entstehenden Bundesrepublik Deutschland übernommen. Vergleichbares geschah nach dem Fall der UdSSR oder DDR.

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Demokratie das Herstellen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einerseits den rechtsstaatlich gesicherten Freiheitsbedürfnissen des Individuums unter für ihn zureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten und andererseits den „Freiheitsbestrebungen“, somit Machtbestrebungen des Staates, mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Gemeinwohl resp. Sozialfrieden in Freiheit herzustellen. Als Garant dafür dient die Gewaltenteilung und ein entsprechend stark regulierter und damit gewaltgebändigter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie als vierte Gewalt die Sicherstellung einer freien Presse. MOTTO: Nimm Freiheitsbeschränkungen mit Blick auf das Gemeinwohl aus Überzeugung an, wir helfen dir dabei durch politische Aufklärung und sachliche Bildungsarbeit!

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Autokratie, im Autoritarismus und vor allem im Totalitarismus Ausgesetztheit vor rechtsbeugenden willkürlichen Staatseingriffen auf die ohnehin reduzierten Freiheitsmöglichkeiten des Individuums unter nicht selten unzureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten zu Gunsten der Machtbestrebungen des Staates mit dem Ziel, ein Höchstmaß an „Gemeinwohl“ resp. „sozialem Frieden“ in Unfreiheit zu erzwingen. Als Garant dafür dient die Einschränkung, womöglich Aufhebung der Gewaltenteilung sowie ein entsprechend stark ausgeprägter und mit gering regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine allgegenwärtige Brachial-Propaganda unter Ausschaltung der Pressefreiheit. MOTTO: Kusch, sonst trifft dich der Polizeiknüppel und du landest im Gulag, folgst du nicht den Propaganda-vermittelten Staatszielen!

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit in einer defekten Demokratie gibt in (noch) geringem Ausmaß jene Prinzipien auf, die eine Demokratie hervorheben. Als Garant dafür dient eine Einschränkung der Gewaltenteilung und ein nicht allzu gestärkter und nicht allzu sehr mit herabgesetzter regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine verhältnismäßig subtil eingesetzte Propaganda und Beeinflussungsmaschinerie. MOTTO: Folge der politischen Verführung und glaube, es sei deine Entscheidung, sonst zwiebeln wir dich mit Exekutivmaßnahmen!

Eine solche Beeinflussungsmaschinerie hat die exekutiv im Grunde genommen schwach aufgestellte EU entwickelt, was zu eben der Ausbildung dieser „Schattenexekutive“ geführt hat. Sie trägt damit – nicht so ohne weiteres sichtbar für den Normalbürger – ein Kennzeichen einer defekten Demokratie. Damit steht die Gefahr im Raum, weiter an demokratischen Eigenschaften einzubüßen und zu einem politischen und wirtschaftlichen Risiko heranzureifen. In der Tat bemüht sich die EU um Stärkung ihrer Polizeigewalt (Frontex, 2004, weiterer Ausbau) und damit um Ausbildung eines weiteren Kennzeichens defekter Demokratien insofern der Vorwurf stimmte, dass Frontex auch innerhalb der EU eingesetzt werden könnte.

Was die Beeinflussungsmaschinerie der EU betrifft, hat 2011 der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (1929-2022) die Europäische Union als “sanftes Monster Brüssel“ bezeichnet und von der „Entmündigung Europas“ gesprochen. Er anerkennt segensreiche Folgen ihres Wirkens, macht aber zugleich auf die strukturellen Defizite dieser überstaatlichen Einrichtung aufmerksam, die durch massive Öffentlichkeitsarbeit, um nicht zu sagen: Propaganda – geschickt durch das vorbeschriebene Geflecht an Organisationen, Instituten, Einrichtungen etc. vermittelt –, übertüncht werden. Bezeichnend ist sein Ausspruch: „Je dünner die Legitimität [ihres politischen Handelns], umso dicker der Glibber der PR.“

Die geschilderte Gefahr liegt nicht darin, sich im Euro-Währungsraum zu bewegen. Sie liegt darin, dass infolge mangelnder demokratischer Kontrolle politisch einer Gesinnungsethik und nicht einer Verantwortungsethik gefolgt wird. Damit einher ginge eine Abgehobenheit von den Realitäten des täglichen Lebens der Bürger und Unternehmen. Das führte kurz über lang zu einer Schwächung des Euros im Währungskonzert. Ein Risiko erwüchse dann eher daraus, dass es nicht sicher ist, ob der Währungsraum „Euro“ eines Tages zerbricht, zum Beispiel dadurch, dass im Konzert mit anderen Währungen die derzeit ohnehin angekratzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union noch weiter geschwächt würde und der Euro fortgesetzt an Wert verlöre. Letzteres erleichterte das Auseinanderbrechen der Europäischen Union, die Eigeninteressen der Mitgliedsländer träten wieder stärker hervor.

Dieses Auseinanderbrechen der Europäischen Union ist derzeit unwahrscheinlich, aber denkmöglich als Folge von: fortgesetzter Wirtschaftsschwäche; weiter zunehmender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Zunahme nationalkonservativer bis rechtsextremer Haltungen; fortgesetztem „Rütteln an den Ketten“ seitens ehemaliger UdSSR-Bruderstaaten; fortgesetzter Aufnahme neuer Mitgliedsländer speziell aus dem Balkan und dem ehemaligem UdSSR-Einflussbereich (Serbien, Ukraine); gravierenden, von den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten nicht mitgetragenen außen- und innenpolitischen Entscheidungen. 

Bräche die EU, so bräche spätestens dann auch der Euro; im Übrigen weist die Geschichte der Währungsunionen auf deren Brüchigkeit hin: sie halten in der Regel nicht lange. Den Anleger zwingt unter anderem auch dies beizeiten zu überlegen, in welcher Währung er außerhalb des Euroraumes investieren soll. Angesichts des unsicheren Status des US-Dollars als Weltwährung ist dies eine herausfordernde Frage. Sie stellt sich glücklicherweise derzeit nicht, sondern taucht nur schemenhaft als Denkmöglichkeit am Horizont einer eher ferneren Zukunft auf. Aber: sie taucht auf und kann blitzesschnell elefantengroß im Raum stehen.  

FAZIT: die Europäische Union birgt für den Anleger derzeit nur am Zukunftshorizont sich abzeichnende Risiken. Sie entspringen u.a. daraus, dass die EU weniger aus der Position der Stärke als eher aus der der Schwäche handelt. Im Vergleich zur Situation des Kalten Krieges und damit zur Gründerzeit der EU-Vorläufereinrichtungen, in der es nur einen wirtschaftsmächtigen geopolitischen Spieler und gleichzeitigen Verbündeten – die USA – gab, steht die Europäische Union heute zwischen zwei Wirtschaftsblöcken: dem des USA-geführten Westens und dem des sog. globalen Südens. Das erzeugt Druck, allzumal Zeitdruck, treibt die EU an und lässt sie, will sie nicht aufgerieben werden, nach Machtvergrößerung durch Zentralisierung streben – ein Demokratierisiko ersten Ranges, damit in der weiteren Folge ein Wirtschafts- und letztlich Veranlagungsrisiko. 

Grundsätzliches zur Währungsspekulation

Währungs-Spekulation ist ein äußerst schwieriges, glitschiges, hochriskantes Geschäft, bedarf langjähriger Erfahrung, tagtäglicher Marktbeobachtung und eines guten Magens: Schocks und erratische Marktbewegungen müssen ausgehalten werden – psychisch und finanziell. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Währungsspekulanten im deutschsprachigen Raum ist Folker Hellmeyer (Hellmeyer-Website, Hellmeyer-Kurzportrait (Goldseiten), Hellmeyer auf Netfonds usf.).

Zweck der Währungsspekulation?

Wie bei den Warenoptionsmärkten dient auch der Währungsoptionsmarkt dazu, sehr starke Schwankungen im Wert einer Währung (Devise) zu verhindern: sehr starken Verteuerungen oder Verbilligungen einer Währung im Devisenmarkt (Währungs- oder FOREX-Markt) wird so gegengesteuert. Dafür sorgen die vielen Marktteilnehmer, von denen ein Teil den künftigen Wert einer Währung (Devise) höher, der andere diesen Wert tiefer einschätzt. Dies führt dazu, dass sich eine Art mittlerer Wert für diese Währung einstellt. Währungsoptionsmärkte sind rund um den Globus nahezu 24/7, also nahezu täglich rund um die Uhr, offen (Warenoptionsmarkt, Optionen im Freihandel).

Anders ausgedrückt: Die Spekulanten sichern sich mit ihrem Engagement gegen das Risiko eines Währungsverfalls oder eines Währungsanstiegs ab. Währungsanstiege sind ein Risiko für Käufer auf Warenmärkten, Währungsabwertungen sind ein Risiko für Verkäufer auf Warenmärkten. Gleiches gilt selbstverständlich auch für Dienstleistungen im internationalen Dienstleistungsaustausch. Die gegenläufigen Interessen auf dem Währungsoptionsmarkt „mitteln“ sich aus.

Allgemein gesprochen handelt es sich bei den Geschäften auf Optionsmärkten um Absicherungsgeschäfte oder Hedging.

Nochmals anders ausgedrückt: Auf aggregiertem Niveau (Makroebene) sorgt der Währungsoptionsmarkt für die Stabilität einer bestimmten Währung im Konzert der anderen Währungen im Devisen- resp. Währungsmarkt (Kassa- oder Spot-Markt, das Pendant zum Optionsmarkt).

Eine stabile Währung ist für die Volkswirtschaft, in deren Bereich diese Währung als Zahlungsmittel dient, eine Lebensnotwendigkeit für das optimale Funktionieren der volkswirtschaftlichen Grundvorgänge Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Erratische Schwankungen im Währungs- oder Devisenmarkt erschweren auf der Ebene der Unternehmen (Mikroebene) innerhalb und außerhalb einer Volkswirtschaft erheblich Kalkulationen mit Sicht auf künftig geplante Käufe und Verkäufe. Erratische Schwankungen einer Währung schwächen die Wirtschaftsleistung der zugehörigen Volkswirtschaft, eine stabile Währung fördert sie. Dies gilt auch für Volkswirtschaften außerhalb des entsprechenden Währungsraumes, sofern sie mit dieser Volkswirtschaft handelnd in Verbindung stehen.

FAZIT: Währungsoptionsmärkte sind für das Wirtschaftsgeschehen im Konzert der verschiedenen Volkswirtschaften überlebenswichtig.

Die heilige Trias

Diese Zusammenhänge bleiben in der Regel für Otto Normalverbraucher genauso verborgen wie die Bedeutung der nicht-demokratisch agierenden Zentralbanken, die mit ihren Zinsentscheidungen tief in das Wirtschaftsleben und somit in das Alltagsgeschehen der Menschen eingreifen. Warenmärkte, Währungsmärkte und Zentralbanken sind in einem fortlaufenden Marktgeschehen untrennbar und maßgeblich untereinander verbunden. Dabei modulieren und moderieren die Zentralbanken über den Zinssatz die Abläufe in Waren- und Währungsmärkten und den zugehörigen Optionsmärkten.

Für Otto Normalverbraucher sind Spekulanten auf diesen Märkten in aller Regel ganz, ganz böse Subjekte, die sich mit ihren Spekulationsgewinnen die Taschen vollstopfen.

Wer sind diese Subjekte auf Währungsoptionsmärkten?

Auf Währungs- und Währungsoptionsmärkten agieren in großer Zahl Staatsstellen, staatliche und private Pensionsfonds, multinationale und andere Unternehmen, Finanzinstitute (Banken u.a.), Hedgefonds u.a.

Otto Normalverbraucher verkennt in aller Regel den Sinn dieser Märkte und die Rolle der Spekulanten dort; denn:

Die Währungsoptionsmärkte zeichnen für das Wohl und Wehe im höchstpersönlichen Alltagsleben des kleinen Mannes auf der Straße verantwortlich, indem sie für relative Währungsstabilität sorgen. Doch Märkte sind keine Subjekte. Somit sind präzise gesprochen nicht „die Märkte“, sondern die Teilnehmer an Währungsoptionsmärkten – also die risikoübernehmenden Spekulanten – für das Wohl und Wehe von Otto Normalverbrauchers alltäglichem Leben verantwortlich.

Daher lässt sich interpretieren: In der Erhaltung der Währungsstabilität liegt der soziale Sinn der Spekulation. Dabei dient der Spekulationsgewinn als Entgelt für die risikobehaftete Sorge um eine stabile Währung.

Es kommt zu einem „paradoxen“ Effekt: die Befriedung der Einzelinteressen der Subjekte, den Spekulanten, trägt vermittels des Marktgeschehens zur Optimierung des Gemeinwohls bei.

Die Umsätze in Devisen- und Währungsoptionsmärkten sind die größten weltweit und erreichen täglich Milliarden bis Billionen von Währungseinheiten. Im Jahr 2022 wurden allein im Devisenmarkt täglich durchschnittliche Umsätze in Höhe von 7,5 Billionen US-Dollar gehandelt. Zu beachten ist, dass dabei immer Währungspaare gehandelt werden und zudem die Umsätze „doppelt“ anfallen: als Verkaufs- und als Kaufpreis in Summe. Das plustert das tägliche Handelsvolumen ordentlich auf.

Was für die Währungsoptionsmärkte gilt, gilt ebenso für die Warenoptionsmärkte: es geht um die Stabilisierung von in großen Mengen gehandelten Waren wie Weizen, Schweinehälften Orangensaft, Kaffee und vieles andere mehr. Die aufgezählten Waren stehen für solche, die für die Bevölkerungen hohe Bedeutung haben.

Wozu Optionsmärkte gut sind

Aber es gibt doch nach wie vor Preissprünge auf den Warenmärkten, von erratischen Ausschlägen an den Devisenmärkten war auch schon die Rede: wie passt das ins Bild?

Ohne die Terminbörsen wären die Ausschläge um einiges stärker, die Preise höher.

Drei Beispiele dazu:

#1 Hitler verbot die große Bremer Kaffeebörse. Daraufhin sicherte sich der Großhandel gegen Preisanstiege bei Kaffee ab, indem er von Haus aus deutlich höhere Preise für den Handel, die Geschäfte, einforderte. Resultat war der berühmt-berüchtigte Blümchenkaffee: die Konsumenten sparten am Kaffee, indem sie möglichst wenig davon zum Aufbrühen verwandten, also sah man durch den dünnen Kaffee das Blümchen am Grund der Kaffeetasse.

# 2 Waren, die nicht abgesichert werden können, weisen größere Preissprünge und höhere Preise auf; bremsend auf den Warenpreis (Aktienpreis, Devisenkurs) wirkt allein die Konkurrenz oder eine schwache Nachfrage oder ein überreichliches Angebot.

# 3 Die erste Warenoptionsbörse wurde 1848 in Chicago gegründet. Hintergrund war der bereits gewachsene Welthandel mit Waren, die großteils noch mit Segelschiffen über die Weltmeere transportiert wurden. Zwar befuhren die ersten Dampfschiffe Ende der 1830er Jahre den Atlantik, doch die eigentliche Verdrängung des Segelschiffs als Transportmittel setzte erst ab den 1870er Jahren ein.

Die Notwendigkeit, sich gegen den Verlust der Waren infolge Schiffuntergangs zu schützen oder sich überhaupt vor unerwarteten Preisveränderungen während der langen Schiffsfuhren abzusichern, führte zur Einrichtung der Chicagoer Warenbörse (Chicago Board of Trade), 1848 zunächst als Kassen- oder Spotmarkt, 1864 dann als Warenterminmarkt. Fortan konnten Käufer und Verkäufer Warenpreise vereinbaren für Warenlieferungen in ein, zwei, drei, sechs Monaten, was die Sicherheit der unternehmerischen Kalkulation erheblich erhöhte, da nun die Preisrisiken nicht von den Warenverkäufern und -käufern selbst, sondern von den Spekulanten übernommen wurden. Es entstand eine hochspezialisierte Zunft von Spekulanten, darunter viele Versicherungen.

Die Spekulanten hatten die Zeit und die Informationsmittel, sich über Warenpreisänderungen am Warenursprungsort und über Transportverzögerungen oder Schiffsunfälle zu informieren. Schlechte Kaffee- oder Kakao-Ernten, transportverzögernde Windflauten oder Schiffsunglücke blieben für sie kein Geheimnis, entsprechend diesen Informationen disponierten sie am Warenterminmarkt ihre Preisvorstellungen, doch in der Vergangenheit geschlossene Warenpreise für eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Termin blieben davon unberührt.