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FAZIT DES TAGES – oder: Nachrichten aus dem irrwitzigen Weltzirkus
- Israel-Hamas-Hisbollah-Krieg: Netanjahu versteigt sich in Annexionsfantasien. Es hagelt Kritik, die der Premierminister überhört, um den rechtsextremen Finanzminister im Kabinett zu halten. Ohne ihn ist die Regierung Netanjahu am Ende. – KOMMENTARE
- Ukraine-Krieg: Erstaunliche Wende: Trump und Putin wollen sich treffen, der Kreml hat das bestätigt. Die Börsen atmen auf: keine Prohibitiv-Zölle für Indien? Doch die neuerliche Erhöhung der Zölle für Russlands wichtigsten Öl-Abnehmer hat er dennoch erhöht, wenn auch nicht so drastisch. – KOMMENTAR
Ukrainische Nadelstiche.
Inzwischen bezieht die Welt weiter Waren aus Russland, allerdings nicht genügend mehr nach diversen Sanktionen. – ANALYSE - USA: Neueste Entwicklungen der Trump’schen Zollpolitik: Erhöhungen.
Trumps erratische Zollpolitik dämpft Reiselust der US-Amerikaner.
Indien kassiert bis zu 50 Prozent US-Zölle. – KOMMENTAR
Subventionsentzug: US-Gesundheitsminister hemmt mRNA-Impfstoffforschung. - JAPAN: 80 Jahre nach dem Atombombenabwurf denkt Japan über nukleare Aufrüstung nach.
Wie die US-Amerikaner dazu denken: gespalten (Link). - EUROPÄISCHE UNION: Deutsche Politiker kritisieren
EU-Reformpaket. – KOMMENTAR - DEUTSCHLAND: Leichte Erholung des Immobilienmarktes.
Schwarzarbeit: Regierung gegen Frisiersalons und Nagelstudios.
Rentenpaket inkl. neuer Mütterrente – KOMMENTAR
Politische Nostalgie – KOMMENTAR - ÖSTERREICH: Österreichs Wirtschaft schwächelt weiter (Statistik Austria)
Sebastian Kurz im INTERVIEW – Lesenswert! - Weitere COMMENTS vorhanden
MÄRKTE – Ukraine-Hoffnungs-Erholung
REPORT – Reformen angemahnt.
WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK – Euroland: Jobverlust durch Chinas Wirtschaft. Deutschland: Industrieumsatz angestiegen, doch vor allem Auftragseingang gesunken.
Themenreigen – KI: Deutsche gespalten über Bedeutung der KI.
Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
Apropos Weltzirkus: Zirkus ist was für Kinder und Junggebliebene, Staunen und Lachen über die Clowns! Im Weltzirkus tummeln sich viele Zauberkünstler und Clowns. Lachen wir also, Lachen ist die beste Medizin gegen Depressionen.
EMPFEHLUNG
INFORADIO als Nachrichtensender am laufenden Band ist mit einem DAB-fähigen Radio zu empfangen. Es wird betrieben von RTR – KommAustria.
Das INFORADIO ist eine wertvolle Ergänzung zu anderen Agenturmeldungen und zum ORF.
Dazu allerdings ca. 15 bis 20 Minuten Zeit für konzentriertes Zuhören einplanen.
MÄRKTE
DAX mit Startverlauf heute.
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN
findet sich am Ende des Tagesblicks
HELLMEYER (Märkte u.a.m.)
- Märkte: Hoffnungen auf erfolgreiche Diplomatie
- Deutschland: DIHK-Umfrage zu US-Zöllen
- Deutschland: Enttäuschender Auftragseingang
Nachrichten in Kurzform
• Washington: Trump verfügte eine Erhöhung der Zölle von bisher 25% auf 50%
gegenüber Indien wegen der Ölimporte Indiens aus Russland.
Kritisch
• Washington: Trump will Sonderzölle auf Halbleiterimporte in Höhe von 100%
erheben. Befreit seien Unternehmen, die in den USA produzieren oder das planten.
Apple will weiter 100 Mrd. USD in den USA investieren (jetzt 600 Mrd. USD).
IT-Unternehmen auf dem Weg in die USA!
• Brasilia: Brasilien will internationalen Widerstand gegen die US-Zollpolitik
anstoßen.
Verständlich
Höhere US-Zölle traten in Kraft
In den USA sind die von Trump angeordneten Zölle auf Importe in Kraft getreten. Die
US-Zollbehörde begann mit der Erhebung der höheren Zölle, die zwischen 10% und
50% liegen. Für Importe aus der EU gilt ein Basiszollsatz von 15%.
Negativ
Diplomatische Fortschritte im Ukraine-Konflikt
Die USA haben sich hinsichtlich eines Endes des Konflikts zuversichtlich gezeigt. Man
habe große Fortschritte erzielt, so Trump nach dem Treffen Witkoffs mit Putin.
Russland habe den Wunsch nach einem Treffen mit Trump geäußert, und man sei
offen für ein Treffen mit Putin als auch mit Selenskyj (laut New York Times kommende
Woche). US-Außenminister Rubio sagte, Kernpunkte eines Abkommens seien
territoriale Zugeständnisse. Man habe jetzt ein besseres Verständnis der Bedingungen,
unter denen Russland dazu bereit sei, den Krieg zu beenden.
Positiv
Deutschland: DIHK-Umfrage zu US-Zöllen
Nach der vorläufigen Einigung zwischen der EU und den USA im Zollstreit erwartet eine
Mehrheit der deutschen Unternehmen laut Umfrage neue Belastungen im US-Handel.
58% befürchten weitere Beeinträchtigungen, Bei Unternehmen mit direktem US-
Geschäft geben dies 74% an. 5% rechnen mit positiven Effekten.
Negativ
Märkte: Hoffnungen auf erfolgreiche Diplomatie – Deutschland: DIHK-Umfrage zu US-Zöllen –
Deutschland: Enttäuschender Auftragseingang
EUR/USD eröffnet bei 1,1673 (06:35 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,1571 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 147,42. In der Folge notiert EUR-JPY bei 172,12. EUR-CHF oszilliert bei 0,9397.
Märkte: Hoffnungen auf erfolgreiche Diplomatie
An den Finanzmärkten zeigte man sich nach dem Treffen zwischen Witkoff und Putin als auch den sich anschließenden Bewertungen des Treffens durch Trump in entspannterer Verfassung, was zu freundlichen/stabilen Entwicklungen an den Finanzmärkten führte.
Derweil setzt sich die Zoll-Aggression fort. Trump verfügte eine Erhöhung der Zölle von bisher 25% auf 50% gegenüber. Zwei große BRICS-Länder, Indien und Brasilien, sind damit mit 50% Zöllen konfrontiert, China mit 30%. Laut Medienberichten werden sich die Staatschefs Indiens und Chinas Ende des Monats ob der US-Zollpolitik treffen. Brasilien will internationalen Widerstand gegen die US-Zollpolitik anstoßen. Die Wahrscheinlichkeit, dass bedeutende Länder des Globalen Südens ihr Machtpotential bündeln und sich weiter vom Westen emanzipieren, um dieser US-
Politik entgegenzutreten, ist sehr hoch. Wo findet die EU in diesem Kontext ihren Platz, als Helot der USA oder als souveräne Veranstaltung, die die Interessen der EU-Länder, der EU-Bürger und des EU-Kapitalstocks unbestechlich vertritt. Wenn der Rest der Welt sich gegen diese rechtlose US-Politik wehrte, wäre diese US-Politik unmöglich.
Auf den Punkt: Trump kann die US-Finanzen nach aktuellen Berechnungen in Teilen sanieren. Letztes Jahr lag das Importvolumen bei 3,36 Billionen USD. Unterstellt man einen
Durchschnittszoll von 25% ergibt sich eine Zolleinkommen in Höhe von circa 840 Mrd. USD.
Aktienmärkte: Late Dax +0,31%, EuroStoxx 50 +0,27%, S&P 500 +0,73%, Dow Jones +0,18%, NASDAQ 100 +1,29%.
Aktienmärkte in Fernost Stand 06:36 Uhr: Nikkei (Japan) +0,75%, CSI 300 (China) +0,05%, Hangseng (Hongkong) +0,52%, Sensex (Indien) –0,39% und Kospi (Südkorea) +0,77%.
Rentenmärkte: Die 10-jährige Bundesanleihe rentiert heute früh mit 2,64% (Vortag 2,62%), während die 10-jährige US-Staatsanleihe eine Rendite in Höhe von 4,23% (Vortag 4,22%) abwirft.
Devisenmärkte: Der EUR (+0,0094) gewann im Tagesvergleich gegenüber dem USD an Boden.
Gold (+4,50 USD) und Silber (+0,20 USD) legten gegenüber dem USD weiter zu.
Der Bitcoin notiert bei 114.430 USD (06:37 Uhr). Gegenüber der Eröffnung am Vortag ergibt sich ein Anstieg um 910 USD.
Deutschland: DIHK-Umfrage zu US-Zöllen
Nach der vorläufigen Einigung zwischen der EU und den USA im Zollstreit erwartet eine Mehrheit der deutschen Unternehmen neue Belastungen im transatlantischen Handel. 58% befürchten weitere Beeinträchtigungen, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer unter rund 3.500 Betrieben hervorgeht. Bei Unternehmen mit direktem US-Geschäft geben dies 74% an. 5% rechnen mit positiven Effekten.
Die DIHK-Hauptgeschäftsführerin Melnikov fasste die Ergebnisse der Umfrage wie folgt
zusammen: Die Einigung, die ab heute US-Zölle von 15% auf die meisten EU-Waren vorsieht, möge politisch notwendig gewesen sein. Für viele Unternehmen sei sie eine bittere Pille. Sie bringe zusätzliche Belastungen statt Entlastungen, höhere Zölle, mehr Bürokratie sowie sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Besonders problematisch sei, dass noch nicht einmal sicher sei, ob dieser Kompromiss auch halte. Nichts sei garantiert. Deshalb müsse die EU-Kommission in den weiteren Gesprächen dringend auf Verbesserungen drängen.
Kommentar: Das Umfrageergebnis, aber auch die Einlassungen des DIHK können nicht
erstaunen. Neben der realen deutschen Politik, die bestenfalls jetzt kleinteilig pro Wirtschaft
ausfällt, nachdem sie seit Merkel contra Wirtschaft gepolt war, ergeben sich derzeit Wirtschafts-Aggressionen losgelöst von internationalen Handelsrecht (wie konnte man der Abwrackung der WTO-Gerichtsbarkeit tolerieren?) seitens der USA. In den letzten Jahren wurde die Abhängigkeit von den USA außen- und wirtschaftspolitisch massiv ausgebaut unter dem Hinweis, sich von Abhängigkeiten von Russland und China zu lösen.
Haben Russland und China jemals zuvor eine vergleichbare erpresserische Politik gegen
Deutschland und die EU forciert? Der Globale Süden schafft verbindliche Strukturen, will das
rechtsbasierte System und steht für Multipolarität und nicht für US-Unilateralismus
(Unterordnung unter US-Interessen). Der Globale Süden steht für die Wachstumskatalysatoren der Weltwirtschaft. Wo liegen die Skaleneffekte für unsere und die europäische Ökonomie?
„Food for thought! – are we barking at the wrong tree?“
Deutschland: Enttäuschender Auftragseingang
Der Auftragseingang der Industrie verzeichnete per Berichtsmonat Juni im Monatsvergleich
einen unerwarteten Rückgang um 1,0% (Prognose +1,0%) nach zuvor -0,8% (revidiert von-1,4%).
Im Jahresvergleich ergab sich ein Plus in Höhe von 0,8% nach zuvor 6,1% (revidiert von 6,2%).
Kommentar: Der Blick auf die nachfolgende Grafik verdeutlicht die Verzwergung der deutschen Wirtschaft. Der Auftragsindex basiert auf dem Jahr 2021 mit 100 Punkten. Aktuell liegen wir klar unter dem Wert! Wer jetzt nicht massive Reformen anschiebt und den Ausverkauf des Kapitalstocks (EU 600 Mrd. Investitionen in kommenden 3 Jahren in USA und hier?) konterkariert, unterminiert unser Geschäftsmodell, die Stabilität des Sozialstaats, die Stabilität der Gesellschaft, die Stabilität der Demokratie und damit unsere Zukunftsfähigkeit.
Vorschlag: Wie wäre es mit einem offenen „Gipfel“ des Globalen Südens und der EU?
Hier den Hellmeyer Report lesen!
ISRAEL-IRAN-HAMAS-HISBOLLAH-KRIEG
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ISRAEL-IRAN-KRIEG im n-tv Liveticker
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ISRAEL – NAHOSTKONFLIKT im n-tv Liveticker
Schreiben an Kanzler Merz Weitere Prominente schließen sich Israel-Appell an
Vergangene Woche fordern mehr als 200 Prominente Bundeskanzler Merz in einem Brief auf, die Waffenlieferungen an Israel einzustellen. Jetzt setzen zahlreiche weitere bekannte Gesichter ihre Namen unter das Schreiben. Kritik bleibt nicht aus.
06.08.2025 12:51
Zweifel an Gaza-Plänen? Israels Verteidigungsminister weist den Armeechef zurecht
Anders als die Regierung in Jerusalem strebt Israels Armeechef Samir Berichten zufolge keine vollständige Besetzung des Gazastreifens an. Verteidigungsminister Katz richtet daher jetzt deutliche Worte an ihn.
ISRAEL – NAHOSTKONFLIKT im FAZ-Liveblog
Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben abermals Ziele der Hizbullah in Libanon angegriffen.
Dazu gehörten verschiedene Stellungen der von Iran unterstützten Miliz – unter anderem Waffenlager und Raketenabschussrampen sowie Einrichtungen zur Lagerung technischer Ausrüstung, wie das Militär am Abend mitteilte. Libanesische Medien berichteten zuvor von israelischen Luftangriffen im Süden des Landes. Eigentlich gilt seit Ende November vergangenen Jahres eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hizbullah in Libanon.
Die libanesische Armee wurde in dieser Woche damit beauftragt, einen Plan zur Entwaffnung der Hizbullah auszuarbeiten. Bis zum Jahresende sollen alle Waffen im Land unter staatliche Kontrolle gestellt werden. Die Hizbullah hat wiederholt betont, dass sie sich nicht auf einen solchen Zeitplan einlassen wolle. Israels Militär müsse zunächst seine Angriffe einstellen und seine Truppen von den fünf verbleibenden Posten im Südlibanon abziehen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will Medienberichten zufolge am Donnerstag das Sicherheitskabinett einberufen, um über eine vollständige Besetzung des Gazastreifens zu entscheiden. Nach Berichten über Zweifel der Armeeführung an den Plänen wies Verteidigungsminister Israel Katz Armeechef Ejal Samir am Mittwoch in die Schranken. Wenn die Politik Entscheidungen getroffen habe, müsse die Armee diese „mit Entschlossenheit und Professionalität“ ausführen, erklärte Katz. In verschiedenen Teile des Küstenstreifens rief die Armee derweil zu Evakuierungen auf.
Am Dienstagnachmittag habe es bereits eine „fast dreistündige Sicherheitsbesprechung im kleinen Kreis“ gegeben, erklärte Katz im Onlinedienst X.Dabei habe der Armeechef „Optionen für die Fortsetzung der Operationen“ im Gazastreifen vorgestellt. Den Berichten zufolge strebt Netanjahu die vollständige Besetzung des Gazastreifens an.
Armeechef Samir hat sich nicht öffentlich dazu geäußert. Der israelische Sender KAN berichtete aber, der Armeechef lehne eine vollständige Besetzung des Gazastreifens ab, weil die Armee damit in eine „Falle“ laufe. Der Sender Kanal 12 berichtete zudem, Samir habe ein alternatives Vorgehen im Gazastreifen vorgeschlagen, etwa die Einkreisung mutmaßlicher Rückzugsorte von Kämpfern der radikalislamischen Hamas.
Ein 30 Lastwagen umfassender jordanischer Hilfskonvoi auf dem Weg in den Gazastreifen ist nach Regierungsangaben aus Jordanien von israelischen Siedlern angegriffen worden.
Die jordanische Nachrichtenagentur Petra berichtet unter Berufung auf Informationsminister Mohammad Momani, dass Angreifer die Straße blockiert hätten. Die Fahrzeuge seien mit Steinen beworfen und vier Lastwagen beschädigt worden. Die Weiterfahrt des Konvois habe sich um Stunden verspätet. Es war bereits der zweite derartige Vorfall innerhalb weniger Tage. Am Sonntag hatten ähnliche Angriffe zwei Hilfslaster zur Umkehr nach Jordanien gezwungen.
Momani warf Israel vor, Siedlergewalt nicht entschieden zu unterbinden, und forderte die Behörden zum Einschreiten auf. Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, es sei an dem im von Israel besetzten Westjordanland gelegenen Allenby-Grenzübergang zu Jordanien zu einer Ansammlung israelischer Zivilisten gekommen. Soldaten hätten sie auseinandergetrieben, die Lastwagen seien anschließend zu ihrem Zielort begleitet worden.
Neben den Attacken kritisierte der jordanische Minister die logistischen Hürden für Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Darunter seien lange Inspektionszeiten, begrenzte Öffnungszeiten an den Übergängen, komplizierte Antragsverfahren und neueste Zollgebühren von bis zu 400 US-Dollar pro Lkw. Die Fahrt von Amman nach Gaza dauere aufgrund von Beschränkungen und gezielten Verzögerungen mittlerweile bis zu 36 Stunden, statt wie früher rund zwei Stunden.
Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland ist weiter auf hohem Niveau.
Das Bundeskriminalamt (BKA) registrierte im ersten Quartal 2025 insgesamt 1047 antisemitisch motivierte Straftaten, darunter 27 Gewalttaten und 422 Voksverhetzungen, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervorgeht. Die Antwort umfasst alle bis 30. Juni gemeldeten Taten und lag AFP am Mittwoch vor. Zuvor hatte die Zeitung „Welt“ berichtet.
Die meisten Fälle ordneten die Behörden dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ zu. Aus diesem Bereich kamen elf Gewalttaten und 554 sonstige Straftaten. Den Bereichen „ausländische Ideologie“ und „religiöse Ideologie“ wurden 267 beziehungsweise 145 sonstige Straftaten sowie sechs beziehungsweise fünf Gewalttaten zugeordnet. Linksmotivierte Straftaten machten mit 15 nur einen geringen Teil aus, Gewalttaten wurden hier nicht registriert. Der Rest wurde keinem Phänomenbereich zugeordnet. Das BKA hatte vor Kurzem für das Jahr 2024 einen Höchststand an erfassten antisemitischen Straftaten in Deutschland gemeldet. 6560 Fälle gab es den Angaben zufolge 2024, was einem Anstieg von mehr als 20 Prozent entsprach. Fast jede zweite dieser Taten wurde dem rechten Spektrum zugeordnet.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte die Zahlen in einem Interview der Zeitung „Welt“ „alarmierend, für Jüdinnen und Juden aber kaum überraschend“. Sie machten vielmehr „das Ausmaß an Anfeindungen und Hass greifbar, das Jüdinnen und Juden tagtäglich entgegenschlägt“. Die Linken-Politikerin Clara Bünger, die die Anfrage stellte, erklärte, es sei „schädlich“, wenn deutsche Politiker „Antisemitismus als vermeintlich importiertes Problem bezeichnen, dem man mit einer noch härteren Ausweisungspolitik und Abschiebungen begegnen könne.“ Das sei eine Verharmlosung des europäischen Antisemitismus und des „Vernichtungsantisemitismus der Nazis.“
Israels Präsident Izchak Herzog hat bei einem Besuch in Estland eine sofortige Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas gefordert.
Alle Geiseln befänden sich in Lebensgefahr, sagte Herzog nach einem Treffen mit seinem estnischen Amtskollegen Alar Karis in Tallinn und appellierte an die Weltgemeinschaft, auf einen Geiseldeal und einen Waffenstillstand hinzuwirken. Dabei hielt er wie schon an den Vortagen bei Besuchen in Lettland und Litauen die Bilder von zwei Geiseln hoch, die von der Hamas kürzlich zur Schau gestellt wurden.
Nach israelischen Angaben werden noch 50 aus Israel entführte Menschen im Gazastreifen festgehalten, von denen noch 20 am Leben sein sollen. Das Forum der Geisel-Angehörigen hatte zuletzt einen Bericht veröffentlicht, demzufolge die Geiseln in unmittelbarer Lebensgefahr schweben. Zu diesem Schluss seien medizinische Experten auch auf der Basis der zuletzt veröffentlichten Videos gelangt, die bis auf die Knochen abgemagerte Geiseln zeigten. Einer davon ist auch deutscher Staatsangehöriger.
Herzog rief zudem zu einem kritischen Umgang mit Fotos und Videos von hungernden Menschen aus Gaza auf, die seiner Meinung nach inszeniert sein könnten. „Wir scheuen uns nicht vor der humanitären Notwendigkeit, den Menschen in Gaza zu helfen. Aber wir fordern die Welt auf, nicht auf die Lügen hereinzufallen.“ Die Hamas müsse verurteilt und aufgefordert werden, die Geiseln freizulassen.
Israel hat Herzog zufolge in der vergangenen Woche 30.000 Tonnen Hilfsgüter in den Gazastreifen gebracht. Die UN dagegen halte dagegen fast 800 Lastwagen mit Gütern zurück und schaffe es nicht, sie zu verteilen, sagte das israelische Staatsoberhaupt. Die UN weisen derartige Vorwürfe zurück und werfen ihrerseits Israel vor, durch seine Kriegsführung die Verteilung von Hilfsgütern zu behindern.
Folgenreicher Unfall: Mindestens 20 Menschen sind einem Medienbericht zufolge getötet worden, als ein mit Hilfsgütern beladener Lastwagen auf eine Menge im Gazastreifen gestürzt ist.
Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete unter Berufung auf medizinische Kreise, bei dem Vorfall im zentralen Abschnitt des Küstenstreifens seien außerdem Dutzende Menschen verletzt worden.
Zahlreiche hungernde Zivilisten hätten sich versammelt, um humanitäre Hilfe zu erhalten, hieß es in dem Bericht. Der Lastwagen sei von der israelischen Armee auf eine unsichere Route gezwungen worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Das Fahrzeug habe sich überschlagen und sei in die Menge gestürzt.
Zum Hergang berichteten palästinensische Augenzeugen, Plünderer hätten versucht, den Lastwagen in ihre Gewalt zu bringen. Sie hätten dabei geschossen, der Fahrer sei tödlich getroffen worden und das Fahrzeug umgestürzt.
Nach UN-Angaben werden die meisten Lastwagen nach der Einfahrt in den Gazastreifen geplündert, bevor sie ihren Zielort erreichen – von hungrigen Zivilisten und Bewaffneten.
Dabei kommt es oft zu chaotischen und gefährlichen Szenen. Nach UN-Angaben droht in dem umkämpften Gebiet mit zwei Millionen Einwohnern eine Hungersnot, obwohl Israel seit mehr als einer Woche wieder mehr Hilfslieferungen zulässt. Auch in der Nähe von Hilfszentren kommt es immer wieder zu tödlichen Vorfällen.
Herzog dankt: Bundeskanzler Friedrich Merz hat laut einem Regierungssprecher am Dienstagabend mit dem israelischen Staatspräsidenten Yitzak Herzog telefoniert.
Herzog habe sich „beim Bundeskanzler persönlich für seine klare Haltung, seine klaren Worte und auch für seine sehr klaren Worte gegenüber der israelischen Regierung“ bedankt, sagt Vize-Regierungssprecher Sebastian Hille. Herzog ist ein Kritiker der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu.
Deutschland versuche weiter zu erreichen, dass die israelische Regierung mehr Hilfslieferungen nach Gaza möglich mache, auch wenn diese zuletzt gestiegen seien, ergänzt Hille. Beschlüsse habe die Bundesregierung bei der Kabinettssitzung etwa zu Sanktionen gegen Israel oder zur Aufnahme verletzter Kinder aus Gaza nicht gefasst.
Mehrere Fraktionsvorsitzende des Europäischen Parlaments werfen Israel Völkermord vor und drängen mit Blick auf die „katastrophale Situation“ im Gazastreifen auf eine sofortige Reaktion der EU-Spitzen.
Die Situation könne nicht länger als bloßer Notfall betrachtet werden, heißt es in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, an den EU-Ratspräsidenten António Costa und an die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas: „Es gibt eindeutige Beweise dafür, dass in Gaza ein Genozid begangen wird.“
Das Schreiben stammt von den Fraktionsvorsitzenden der sozialdemokratischen S&D, Iratxe García, der Grünen, Terry Reintke und Bas Eickhout, sowie der Linken, Martin Schirdewan und Manon Aubry. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. „Wir können uns keine weiteren Verzögerungen leisten. Wir können uns kein weiteres Blutvergießen leisten. Die Geschichte wird Schweigen angesichts von Massenleiden und Straflosigkeit nicht verzeihen“, heißt es darin.
COMMENT: Die üblichen israelkritischen Verdächtigen aus dem linken Eck. Dieses Mal ist ihr Aufschrei nachvollziehbar, aber mit Blick auf die Hamas leider kontraproduktiv.
Die Vorsitzenden fordern mit Blick auf die Not leidende Bevölkerung im Gazastreifen und im Westjordanland unter anderem die sofortige Aussetzung eines Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und Israel sowie gezielte Sanktionen. Darüber hinaus sprechen sie sich dafür aus, bestimmte Projekte des Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe zu beenden.
Ende Juli hatte auch die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beteiligung Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe teilweise auszusetzen. Dafür braucht es aber eine ausreichende Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten – die gab es bei einer ersten Aussprache zunächst nicht.
COMMENT: wie sinnvoll sind solche Sanktionen? Wem nutzen sie? Weder Israel noch Europa. Sanktionieren müsste man die Hamas, doch Hilfsgelder fließen weiterhin Richtung PLO und auf Umwegen Richtung Hamas. Bravo!
Militärisch gehen wir zwar in Afrika gegen missliebige Umstände vor, aber nicht gegen die Terrororganisation Hamas. Das hätte bereits in breiter europäischer Front vor Jahren geschehen müssen. Zugegeben: Ausgang ungewiss. Also Füße stillhalten und weiter moralisieren. Welch‘ außenpolitisches Versagen.
Noch immer befinden sich deutsche Staatsbürger im Gazastreifen.
Zwei Deutsche sowie zwei enge Familienangehörige konnten heute aus dem Kriegsgebiet ausreisen. Das erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts gegenüber der F.A.Z. Zuvor hatte das Magazin „Spiegel“ berichtet. Die Ausreise geschehe „in enger Abstimmung mit den israelischen Behörden“, so die Sprecherin. Die Gruppe werde mit dem Bus durch Israel und das Westjordanland bis nach Jordanien gebracht. Von dort aus sollen die vier Personen mit einem Linienflug weiter nach Deutschland reisen.
Wie das Magazin berichtet, sollten sie den Gazastreifen über den von Israel kontrollierten Übergang Kerem Shalom verlassen und über die Allenby-Brücke nach Jordanien einreisen, dem einzigen Übergang zum Westjordanland. Sie sind Teil einer Gruppe westlicher Ausländer, denen die israelischen Behörden die Ausreise gestattet haben. Insgesamt sollte eine niedrige zweistellige Zahl an Personen das Gebiet verlassen können, unter ihnen Staatsangehörige aus den EU-Ländern Belgien, Frankreich, Italien und Schweden sowie aus Australien und Japan.
Die Bundesregierung setze sich mit „größtem Einsatz“ dafür ein, dass auch die Deutschen, die seit dem 7. Oktober 2023 noch immer in der Geiselhaft der Hamas sind, freikommen, sagte die Sprecherin weiter. Die Sicherheit deutscher Staatsangehöriger habe für Bundesregierung höchste Priorität. „Nach Kenntnis der Bundesregierung befinden sich nunmehr nur noch sehr wenige Deutsche mit ihren Familienangehörigen im Gazastreifen.“
Irans Justiz hat nach dem Krieg gegen Israel einen mutmaßlichen Spitzel für den israelischen Auslandsgeheimdienst hinrichten lassen.
Wie die mit der Justiz verbundene Nachrichtenagentur Misan mitteilte, wurde das Todesurteil am Morgen durch Erhängen vollstreckt.
Der Mann soll dem Bericht zufolge in sensiblen Einrichtungen der Islamischen Republik gearbeitet und Informationen an den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad weitergereicht haben. Zum Alter und Beruf des Mannes machte die Justiz keine Angaben.
Misan zufolge hatte der Mann auch Informationen an den Mossad geliefert, die im Krieg mit Israel zur gezielten Tötung eines Atomwissenschaftlers führten. Neben militärischen Zielen hatte Israel im Juni auch mindestens zehn Forscher getötet, um das iranische Nuklearprogramm zu sabotieren.
WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN
Endspiel in Gaza: was eine Annexion durch Israel bedeuten würde – Richard C. Schneider, NZZ, 6.8.2025
Netanyahu will offenbar den gesamten Gazastreifen besetzen, eine Annexion wäre dann nur noch ein kleiner Schritt. Die Folgen wären für Israel ebenso verheerend wie für die Palästinenser.
Benjamin Netanyahu plant offenbar, den gesamten Gazastreifen zu besetzen, wie israelische Medien diese Woche übereinstimmend berichtet haben. Der israelische Ministerpräsident wolle damit die Hamas unter Druck setzen, einem Waffenstillstand zuzustimmen und alle im Küstenstreifen verbliebenen israelischen Geiseln freizulassen. Netanyahu versuche damit obendrein, den rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich in der Regierung zu halten.
Ohne ihn wäre Netanyahu am Ende, nachdem bereits zwei ultraorthodoxe Parteien die Regierung verlassen haben. Smotrich verlangt von allen Rechten am vehementesten die Annexion des Küstenstreifens sowie den Wiederaufbau von jüdischen Siedlungen in Gaza nach dem vollständigen Rückzugs Israels aus Gaza, den der damalige Ministerpräsident Ariel Sharon im Jahr 2005 befohlen hatte.
Die politische Debatte um Gaza hat eine neue Stufe erreicht
Hatte es zunächst geheissen, die Androhung einer Annexion sei nur Taktik, um die Hamas zurück an den Verhandlungstisch zu bringen, so hat die politische Debatte darüber jetzt eine neue Qualität erreicht. Nun spricht Netanyahu laut israelischen Medienberichten tatsächlich von einer vollständigen Besetzung des Gazastreifens. Eine Annexion wäre dann nur noch ein kleiner Schritt.
Angeblich ist der Generalstabschef Eyal Zamir gegen eine Besetzung. Aus Regierungskreisen heisst es, Zamir könne ja seinen Hut nehmen, wenn ihm das nicht passe. Erstmals seit Beginn des Krieges im Oktober 2023 wird eine dauerhafte territoriale Einverleibung oder mindestens eine vollständige Besetzung offenbar ernsthaft erwogen.
Diese Entwicklung wurde lange als absurder Wunschtraum der radikalen Rechten belächelt und vom Ministerpräsidenten vehement abgelehnt. Nun hat sie an Realitätsnähe gewonnen. Nicht zuletzt, weil Israel keine vernünftige Strategie hat, wie es diesen Krieg beenden kann und will. Bereits jetzt kontrolliert die israelische Armee rund 75 Prozent des Gazastreifens.
Eine Annexion Gazas – ob offen erklärt oder de facto über «Sicherheitszonen», Pufferzonen oder neue israelische Siedlungen – wäre ein Tabubruch. Nach dem Rückzug Israels aus Gaza galt die Trennung der beiden Territorien als Grundpfeiler des international akzeptierten Nahostrahmens. Auch wenn die Welt Israel nach dem Abzug weiterhin als Besatzungsmacht ansah, wurde Gaza de facto bei allen politischen Diskussionen als eigenständig betrachtet. Erst recht, nachdem die islamistische Hamas 2007 gewaltsam die alleinige Kontrolle über den Küstenstreifen übernommen und die Palästinensische Autonomiebehörde vertrieben hatte.
Der Krieg hat Gaza in ein Trümmerfeld verwandelt. Über 80 Prozent der Infrastruktur sind zerstört, laut Uno-Angaben befinden sich über 70 Prozent der Bevölkerung auf der Flucht, die Wasserversorgung ist zusammengebrochen, Nahrungsmittel sind kaum verfügbar, Seuchen breiten sich aus. In diesem Kontext eine Annexion zumindest theoretisch zu erwägen, bedeutet, aus einer humanitären Katastrophe politisches Kapital schlagen zu wollen. Es wäre ein Schritt, der moralisch, politisch und völkerrechtlich katastrophale Folgen hätte.
Wenn also Israel tatsächlich ganz Gaza besetzen will, was könnte es in einem nächsten Schritt annektieren? Den gesamten Küstenstreifen oder bloss Teile davon?
Zur Debatte stehen strategisch bedeutende Gebiete, insbesondere der sogenannte Netzarim-Korridor, der den Gazastreifen quer durchtrennt und als militärisch kontrollierter Puffer fungiert. Ebenso im Fokus stehen die Grenzgebiete nahe Israel, darunter der ehemalige Siedlungsblock Gush Katif und der Morag-Korridor im Süden. Diese Regionen sind derzeit weitgehend entvölkert und stehen unter vollständiger Kontrolle der israelischen Armee. Bereits heute existieren dort militärische Aussenposten, Strassen und logistische Infrastruktur. Es ist ein schleichender Prozess einer De-facto-Annexion, der durch eine offizielle Erklärung nur noch formalisiert würde.
Eine Annexion hätte für Israel weitreichende Konsequenzen
Die rechtsextremen Kräfte in Netanyahus Regierung drängen den Ministerpräsidenten zu einer Entscheidung in ihrem Sinne. Ihr Argument: Wer für immer verhindern wolle, dass Gaza zur Gefahr für Israel werde, müsse das Gebiet direkt kontrollieren. Im Klartext würde das langfristig entvölkerte Zonen, jüdische Siedlungen und eine permanente militärische Präsenz bedeuten. Es ist eine brutale Logik.
Der Widerstand der Palästinenser wäre absehbar, doch genau das kalkulieren viele rechtsextreme Stimmen ein. In ihrer Sichtweise ist der dauerhafte Krieg kein Ausnahmezustand, sondern ein Mittel zu einer grundsätzlichen politischen und religiösen Transformation Israels und der gesamten Region.
Für Israel wären eine Wiederbesetzung und möglicherweise eine Annexion des Gazastreifens ein historischer Wendepunkt, sie kämen einem endgültigen Bruch mit der internationalen Ordnung gleich. Schon jetzt ist Israels weltweites Ansehen durch den Gaza-Krieg schwer beschädigt.
Uno-Organisationen sprechen offen von «systematischer Zerstörung ziviler Infrastruktur». Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag untersucht mögliche Kriegsverbrechen. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International werfen Israel schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht vor. Inzwischen sprechen sogar israelische Menschenrechtsorganisationen von «Genozid».
Eine formelle Annexion Gazas würde diese Vorwürfe bekräftigen. Sie wäre ein offener Bruch mit der Uno-Charta, mit der Genfer Konvention und mit der Resolution 242 des Uno-Sicherheitsrats, die eine territoriale Expansion im Zuge militärischer Gewalt verurteilt.
Hinzu käme wohl eine umfassende politische Isolation. Zwar unterstützen vor allem die USA die israelische Regierung. Doch selbst Donald Trump dürfte Schwierigkeiten haben, eine offene Annexion gegenüber den amerikanischen Bürgern zu legitimieren, wenn sie inmitten einer humanitären Katastrophe stattfindet. Zumindest einer vollständigen Besetzung soll er laut israelischen Berichten zugestimmt haben.
In Europa ist der Widerstand bereits jetzt deutlich. Mehrere europäische Staaten – darunter Spanien, Irland, Norwegen und Slowenien – haben Palästina als Staat anerkannt, Frankreich will im Herbst folgen, möglicherweise auch Grossbritannien.
Die Weltöffentlichkeit spaltet sich zusehends
Eine Besetzung mit anschliessender Annexion könnte eine Kettenreaktion auslösen: wirtschaftliche Sanktionen, juristische Anklagen, diplomatische Verwerfungen, Einschränkungen bei militärischer Zusammenarbeit, Forschungsförderung oder der Vergabe von Visa. Auch der internationale Boykottaufruf gegen Israel (BDS), bislang politisch umstritten, könnte dadurch neuen Auftrieb erhalten.
Schon heute ist die Weltöffentlichkeit durch den Krieg in Gaza ideologisch verhärtet: Während rechte Parteien und Bewegungen Israel offen unterstützen, wächst der Widerstand in liberalen, linken, progressiven Milieus. In Ländern des sogenannten globalen Südens ist die Solidarität mit Palästina selbstverständlicher als in westlichen Staaten. Eine Annexion würde all diese Spannungen verschärfen, sie wäre ein Katalysator für eine gespaltene Welt. Es ist ein gefährliches Szenario in einer ohnehin angespannten geopolitischen Lage.
Auch innenpolitisch würde Israel einen hohen Preis zahlen. Das ohnehin fragile gesellschaftliche Gleichgewicht würde weiter strapaziert. Schon jetzt spaltet die Gaza-Politik das Land. Für viele Israeli ist die Vorstellung, dauerhaft zwei Millionen Palästinenser unter Kontrolle zu halten, unvereinbar mit einem liberalen, demokratischen Staatsverständnis. 74 Prozent aller Israeli befürworten eine Freilassung aller noch in Gaza verbliebenen jüdischen Geiseln, verbunden mit einer sofortigen Beendigung des Krieges. Andere hingegen sprechen offen von «Transferlösungen» – ein Euphemismus für Vertreibung.
Israel würde sich mit einer Annexion in ein politisch-militärisches Projekt verstricken, das Ressourcen binden und die eigene Gesellschaft zermürben würde. Eine Annexion Gazas würde zudem vielen Palästinensern endgültig die Hoffnung nehmen, einmal einen eigenen Staat zu haben. Damit aber dürfte sich der Widerstand gegen Israel immer weiter radikalisieren.
Nur eine politische Lösung wäre nachhaltig
Israel kann Gaza nicht einfach wie einen leeren Landstrich verwalten. Es kann die Rechte, Bedürfnisse und Hoffnungen von rund zwei Millionen Menschen nicht einfach ignorieren. Eine dauerhafte Kontrolle ohne politische Lösung würde zu einem Unterdrückungssystem führen – mit allen moralischen, rechtlichen und historischen Konsequenzen.
Die einzige Alternative kann nur heissen: sofortiger Kurswechsel zu einem echten Waffenstillstand mit Freilassung aller israelischen Geiseln, einem internationalen Schutzmechanismus für Gaza und dem Wiederaufbau ziviler Strukturen. Vor allem muss die Hamas entwaffnet und entmachtet werden, wie das nun auch siebzehn arabische Staaten, darunter Ägypten, Katar und Saudiarabien, fordern. Nur dann kann es eine Rückkehr zu einem politischen Prozess geben.
Eine vollständige Besetzung oder gar Annexion Gazas hingegen könnte sich für Israel als der bitterste Irrtum seiner Geschichte erweisen.
Begeht Israel einen Genozid im Gazastreifen? Viele in Europa möchten, dass der jüdische Staat des schlimmsten aller Kriegsverbrechen bezichtigt wird – Roman Bucheli, 5.8.2025
«Es ist ein Genozid», soll der israelische Schriftsteller David Grossman im Gespräch mit der italienischen Tageszeitung «La Repubblica» gesagt haben. Im Interview kommt der Satz nicht vor.
Ein Interview mit dem israelischen Schriftsteller David Grossman titelte die italienische Zeitung «La Repubblica» am 1. August mit diesem Zitat: «Es ist ein Genozid. Es zerreisst mir das Herz, aber ich muss es sagen.» Das Zitat gab eine gute Schlagzeile her. Sie sorgte für Aufsehen und machte darum auch gleich die Runde. In der Montagsausgabe der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» wird die angebliche Kernaussage des Gesprächs so zusammengefasst: «Lange Zeit habe Grossman den Begriff ‹Völkermord› abgelehnt, aber was er sehe und höre, lasse für ihn keinen anderen Schluss zu.»
Doch weder hat der als Friedensaktivist bekannte Schriftsteller im Wortlaut gesagt, was die «Repubblica» als Zitat mit fetten Lettern in den Titel stellte, noch gibt die «FAZ» seine Aussagen angemessen wieder.
Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 und dem Überfall der Hamas auf Israel weiss man, dass sich David Grossman nicht scheut, klare Worte zu sprechen, dass er sie aber mit grossem Bedacht wählt. Noch bevor er damals die Hamas verurteilte, kritisierte er den «kriminellen Leichtsinn» der israelischen Regierung, die alles verraten habe, «was uns als Bürgern dieses einen bestimmten Landes teuer war».
Ebenso bedachtsam ist er nun, wenn er sich zu dem schwersten Vorwurf äussert, den man Israel machen kann. Nie sagt er den Satz: Es ist ein Genozid. An keiner Stelle heisst es, die Ereignisse liessen keinen anderen Schluss zu. Es sind Feinheiten gewiss, aber auf die feinsten Unterschiede kommt es an, wenn vom Schlimmsten die Rede ist; mehr noch als sonst zählt hier, wie einer sagt, was er sagt.
Es geschieht Schreckliches
Versuchen wir darum genau hinzuschauen und hinzuhören. David Grossman stellt zunächst eine Frage an sich selbst und seine Landsleute: «Wie ist es möglich, dass wir an diesem Punkt angelangt sind? Dass wir des Völkermords bezichtigt werden? Auch nur das Wort auszusprechen, ‹Genozid›, mit Bezug auf Israel und das jüdische Volk: Diese Verbindung allein müsste reichen, um festzuhalten, dass etwas Schreckliches geschieht.»
Ob er mit der Aussage einverstanden sei, im Gazastreifen sei ein Genozid im Gange, will der Journalist der «Repubblica» wissen. Grossman sagt nicht Ja oder Nein. Jahre habe er sich geweigert, «dieses Wort zu benutzen: ‹Genozid›. Aber jetzt, nach allem, was ich gelesen habe, kann ich mich nicht mehr zurückhalten, es zu gebrauchen.» Dann schränkt er sogleich wieder ein. Das Wort eigne sich dazu, eine Definition zu geben, es diene juristischen Zwecken, er aber wolle als Mensch sprechen, der in diesem Konflikt geboren worden sei und dessen ganze Existenz von diesem Krieg und der Besetzung zerstört worden sei. «Und jetzt muss ich mit unfassbarem Schmerz und gebrochenem Herzen festhalten, was vor meinen Augen geschieht. ‹Genozid›.»
Da steht kein Doppelpunkt vor dem entscheidenden Wort. Und dieses setzt Grossman in Anführungszeichen. Das hat etwas zu bedeuten. Da wir ihn nicht fragen konnten – eine Anfrage blieb unbeantwortet –, muss man mutmassen. Fest steht jedoch: Es gibt kein «ist» zwischen «was vor meinen Augen geschieht» und dem Wort «Genozid». Die Anführungszeichen könnten so viel besagen wie: Es ist nicht mein Wort.
Das kann man für spitzfindig halten; was im Interview darauf folgt, ist es jedoch nicht und unterstützt diese Sichtweise. Grossman sagt, «Genozid» sei ein «Lawinenwort», ist es einmal ausgesprochen, wächst es an wie eine Lawine. «Und es bringt noch mehr Zerstörung und noch mehr Leiden.» Oder anders gesagt: Wer das Wort ausspricht, sei es zustimmend oder ablehnend, bringt keine Geisel nach Hause, gibt keinem hungernden palästinensischen Kind zu essen, holt keine Toten ins Leben zurück. Er schafft nur noch mehr Elend.
Missbrauchter Genozid-Begriff
In der Samstagsausgabe der «Repubblica» hat Grossmann Antwort und Unterstützung von berufener Seite erhalten. Liliana Segre, Holocaustüberlebende und italienische Senatorin auf Lebenszeit, reagierte auf den Beitrag des israelischen Autors. Die Stimme der 94-Jährigen hat in Italien umso mehr Gewicht, als sie sich seit Monaten mit öffentlichen Aussagen zurückgehalten hat. Doch das Interview mit Grossman habe sie nun zu einer Stellungnahme veranlasst, sagt sie. Auch ihr fällt auf, wie Titel und Inhalt des Interviews weit auseinanderklaffen. Im Gespräch mit der Zeitung hält sie lakonisch fest: «Jenseits des Titels kann man seinen Überlegungen vorbehaltlos zustimmen.»
Und wo Grossman fragt, ob Israel stark genug sei, dem «Keim des Genozids» zu widerstehen, bekräftigt auch Segre, es bestehe in Israel das Risiko, beim Unsagbaren anzukommen. Zumal mit einer Regierung, wie sie schreibt, der einige fanatische Minister mit Ansichten von «virulenter Unmenschlichkeit» angehörten.
Ungeachtet all dessen jedoch habe sie sich immer dagegen gewehrt und wehre sich auch weiterhin, dass man den Begriff «Genozid» verwende. Das Wort habe keinerlei analytischen Wert, vielmehr werde es aus rachsüchtigen Gründen verwendet.
«Europa schüttelt damit die historische Verantwortung ab, indem man eine Art sinnlose Vergeltung erfindet. Die Schuld soll auf die Opfer des Nationalsozialismus abgewälzt werden, indem man das heutige Israel als neuen Nationalsozialismus darstellt.» Dann erinnert Segre daran, dass der Missbrauch des Genozid-Vorwurfs schon am ersten Tag nach dem Massaker vom 7. Oktober begonnen habe. Das Denkmuster gründe auf einer – vielleicht unbewussten – antisemitischen Haltung.
Man hat in den letzten Tagen in der Zeitung «La Repubblica» zwei besonnene Stimmen von höchst besorgten Juden vernehmen können, die Israel, so sagt es Segre, am «Rand eines Abgrunds» sehen. Die Redaktoren der «Repubblica» haben sich die Freiheit genommen, mit einer möglicherweise unautorisierten Titelwahl, einer jedenfalls, die vom Interview nicht gedeckt war, den Staat Israel rhetorisch in diesen Abgrund zu stossen. Was sie dazu bewogen haben mag, hat ihnen danach Liliana Segre zu erklären versucht.
URAINE-KRIEG im n-tv Liveticker
Detaillierte Meldungsübersicht. Daraus eine Auswahl:
+++ 10:40 Moldau kämpft vor der Wahl gegen Einfluss aus Moskau +++
Die Republik Moldau wehrt sich beständig gegen die versuchte politische Einflussnahme aus Russland. Nun ist die prorussische Regionalpolitikerin Evghenia Gutul zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Zuvor wird bereits ihre Partei verboten. Haftstrafe als Signal an den Kreml Wie Moldau vor der Wahl gegen Einfluss aus Moskau kämpft
+++ 10:13 Selenskyj fordert persönliches Treffen mit Putin +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert erneut ein persönliches Treffen zwischen ihm und Kremlchef Wladimir Putin. Die Ukraine habe bereits wiederholt betont, dass eine „echte Lösung“ des Krieges nur auf Ebene der Staats- und Regierungschefs gefunden werden könne, erklärt Selenskyj in Onlinediensten. Nun sei es notwendig, „den Zeitpunkt für ein solches Format und den Umfang der zu behandelnden Themen festzulegen“.
+++ 10:00 Kreml: Putin und Trump treffen sich „in den nächsten Tagen“ +++
Moskau bestätigt russischen Medienberichten zufolge ein baldiges Treffen von Kremlchef Wladimir Putin mit US-Präsident Donald Trump. Die Entscheidung über ein Treffen zwischen Putin und Trump in den nächsten Tagen wurde getroffen, die Parteien haben mit der Ausarbeitung begonnen, erklärt der Berater des russischen Präsidenten, Jurij Uschakow. Es werde die kommende Woche angepeilt. Es sei aber noch unklar wie viel Zeit die Vorbereitungen in Anspruch nähmen. Auf den Ort habe man sich bereits geeinigt, er werde zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben.
„In den nächsten Tagen“ Kreml bestätigt Treffen zwischen Trump und Putin
+++ 08:12 General Keller: Russische Armee entrichtet „völlig unverhältnismäßigen Blutzoll“ +++
Generalmajor Maik Keller hält es für „dringend erforderlich“, die Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuherhalten. „Grundsätzlich gibt es einen hohen Unterstützungsbedarf, um die Verteidigung zu halten, Artilleriemunition beispielsweise“, sagt Keller der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Ebenso braucht es Langstreckenwaffen, um im russischen Hinterland militärische Logistik wie Industrie, Flughäfen oder Treibstoffdepots zu treffen.“ Allerdings sei die Verfügbarkeit in den Lagern der westlichen Partner „endlich – was abgegeben werden konnte, ist weitgehend abgegeben. Und die Produktionskapazitäten sind ebenfalls begrenzt.“ Wie Keller, der die Nato-Ukraine-Unterstützung koordiniert, erklärt, gibt es derzeit einen täglichen, minimalen Geländegewinn für Russland. Dabei entrichte die russische Armee „für jeden Meter einen ungeheuren, völlig unverhältnismäßigen Blutzoll entrichtet, von teilweise über 1000 Verlusten am Tag ist die Rede. Das ist Irrsinn.“
+++ 07:14 Kauf von russischem Öl: Trump will in Kürze über weitere Sekundärsanktionen entscheiden +++
Kommt es in Kürze zu weiteren US-Sekundärsanktionen? Am frühen Mittwoch sagt ein Beamter des Weißen Hauses, dass die Sekundärsanktionen wegen des Kaufs von russischem Öl „voraussichtlich noch am Freitag umgesetzt werden“. Später klingt US-Außenminister Marco Rubio etwas anders: Trump werde in den nächsten 24 bis 36 Stunden entscheiden, ob er die Sekundärsanktionen verhängt würden, sagt Rubio bei Fox News. Gegen Indien verhängte Trump wegen anhaltender Ölimporte aus Russland bereits einen Zusatzzoll von 25 Prozent. Ähnliche Sekundärsanktionen könnten China, Brasilien oder auch die EU treffen. EU-Länder wie Ungarn oder Österreich beziehen weiter Gas und Öl aus Russland. Milliarden für Moskau Was USA und EU noch von Russland kaufen
+++ 06:41 Berichte und Videos über brennenden Bahnhof im russischen Surowikino +++
Das ukrainische Militär trifft ukrainischen Angaben zufolge bei einem Drohnenangriff auf die russische Region Wolgograd den Bahnhof in der Stadt Surowikino. Dies berichtet „Kyiv Independent“ und beruft sich auf den Gouverneur Andrej Bocharow sowie geolokalisierte Videos, die in sozialen Medien gepostet wurden. Laut Bocharow brach das Feuer sei in einem Verwaltungsgebäude des Bahnhofs aus. Auch der Flugverkehr beim Flughafen Wolgograd soll vorübergehend eingeschränkt sein. Der Bahnhof dient offenabar als logistischer Knotenpunkt für Militärgüter, die für die Front und die von Russland besetzten Gebiete bestimmt sind. Treibstoffdepots, Eisenbahninfrastruktur und Munitionslager innerhalb Russlands und in den besetzten Gebieten sind zunehmend Ziele ukrainischer Drohnen- und Raketenangriffe mit großer Reichweite.
+++ 06:16 „Washington Post“: USA wollen Menschenrechtskritik an Russland lockern +++
Die US-Regierung will einem Medienbericht zufolge ihre Kritik an der Menschenrechtslage in Russland zurückfahren. Dies berichtet die „Washington Post“ unter Berufung auf Entwürfe der jährlichen Menschenrechtsberichte des US-Außenministeriums. Ein Vertreter des Ministeriums erklärt demnach, die Berichte für das Jahr 2024 seien neu strukturiert worden, um Wiederholungen zu vermeiden und die Lesbarkeit zu erhöhen. Die Berichte sollten kein Verzeichnis jeder einzelnen Menschenrechtsverletzung sein, sondern ein illustratives und breites Bild der Lage in jedem Land vermitteln, heißt es weiter. Die neue Politik gilt auch gegenüber El Salvador und Israel.
+++ 03:36 Ukraine: 1370 Menschen in Pokrowsk sind kaum noch zu erreichen +++
Ukrainischen Angaben zufolge ist die schwer umkämpfte Stadt Pokrowsk in der Region Donezk kaum noch zu erreichen. Dies berichtet der ukrainische Militärblog Deepstate auf Telegram. „In Pokrowsk befinden sich noch immer etwa 1370 Menschen. Es ist fast unmöglich, in die Stadt zu gelangen. Täglich wirft der Feind Dutzende von Fliegerbomben auf die Städte an der Front, ganz zu schweigen von FPV-Drohnen und Beschuss mit anderen Waffen“, zitiert das Projekt den Leiter der regionalen Militärverwaltung von Donezk, Wadym Filaschkin. Die russischen Streitkräfte zerstören die Stadt, heißt es weiter. Die Aktivitäten würden aufgrund der russischen Erfolge in der Gegend von Rodynske zunehmen.
+++ 00:48 „Es könnte passieren“: Trump erwägt weitere Zölle gegen China +++
US-Präsident Donald Trump hat weitere Zölle gegen China in Aussicht gestellt, weil das Land russisches Öl kauft. „Es könnte passieren … Ich kann es Ihnen noch nicht sagen“, sagt Trump vor Reportern. „Wir haben es mit Indien getan. Wir tun es wahrscheinlich mit ein paar anderen. Einer von ihnen könnte China sein.“ Weitere Details nennt er nicht. Erst am Mittwoch hatte Trump einen zusätzlichen Zoll von 25 Prozent auf indische Waren verhängt und dies ebenfalls mit dem Kauf von russischem Öl begründet.
+++ 23:08 Putin erlaubt per Dekret Erhöhung der Treibhausgas-Emissionen +++
Kreml-Chef Wladimir Putin erlaubt per Dekret eine Erhöhung der Treibhausgas-Emissionen Russlands. Die Obergrenze für den Treibhausgas-Ausstoß im Jahr 2035 soll etwa ein Fünftel höher liegen als die Emissionen des Landes im Jahr 2021, wie aus dem heute unterzeichneten Dekret hervorgeht. Russland stößt weltweit die viertgrößte Menge Kohlendioxid (CO2) aus.
+++ 21:26 Selenskyj sieht Fortschritte nach Verhandlungen von Putin mit Witkoff +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht nach dem Besuch eines US-Gesandten in Moskau eine größere Bereitschaft Russlands zu einer Feuerpause. „Es scheint, dass Russland nun eher zu einem Waffenstillstand neigt“, sagt Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache. Der Druck auf das Land wirke. Das Wichtigste sei jedoch, dass Russland „uns bei den Details nicht täuscht – weder uns noch die USA“.
+++ 20:06 Trump: Witkoff erzielt beim Gespräch mit Putin „große Fortschritte“ +++
Das Treffen des US-Sondergesandten Steve Witkoff mit Kreml-Chef Wladimir Putin ist nach Angaben von US-Präsident Donald Trump „hochproduktiv“ verlaufen. „Es wurden große Fortschritte erzielt“, schreibt Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social. Er habe bereits einige europäische Verbündete über die Ergebnisse des Treffens informiert. „Alle sind sich einig, dass dieser Krieg beendet werden muss, und wir werden in den kommenden Tagen und Wochen darauf hinarbeiten.“ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilt mit, er habe nach dem Treffen von Witkoff und Putin mit Trump telefoniert. An der Telefonkonferenz seien auch europäische Spitzenpolitiker beteiligt gewesen und er sei „jedem von ihnen für seine Unterstützung dankbar“, so Selenskyj.
„Große Fortschritte“ Trump: Treffen von Witkoff und Putin verlief „hochproduktiv“
+++ 19:42 Bundesregierung nimmt Fund russischer Drohne in Litauen „sehr ernst“ +++
Nach dem Fund einer mit Sprengstoff bestückten russischen Drohne in Litauen zeigt sich die Bundesregierung alarmiert. Man nehme den Vorfall „sehr ernst“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Deutschland stehe in engem Austausch mit Litauen – insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Bundeswehr, die derzeit eine Brigade mit rund 4800 Soldaten in dem Nato-Partnerland aufbaut. Die Drohne war vergangene Woche auf einem Truppenübungsplatz nahe Rukla entdeckt worden. Sie trug laut litauischen Behörden zwei Kilo Sprengstoff. Ob sie absichtlich oder versehentlich – etwa aus Belarus – über die Grenze flog, ist noch unklar. Litauen forderte umgehend mehr Nato-Unterstützung bei der Luftverteidigung. Es sei bereits der zweite Vorfall dieser Art innerhalb eines Monats.
COMMENT: Wann wird so ein Vorfall Anlass für den Eintritt der NATO in den Krieg?
+++ 18:41 Rubio lässt Ergebnis von Verhandlungen von Putin und Witkoff offen +++
US-Außenminister Marco Rubio lässt das Ergebnis des Gesprächs zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem US-Sondergesandten Steve Witkoff über eine rasche Beendigung der Kämpfe in der Ukraine offen. Die Verhandlungen mit Putin werden im Verlauf des Tages zu erörtern sein, kündigt er an. Mit Blick auf Spekulationen, Sanktionen gegen Russland würden noch diese Woche in Kraft treten, erklärt er, noch im Laufe des Tages werde es Ankündigungen geben. Diese würden „möglicherweise positiv, möglicherweise nicht (positiv)“ ausfallen.
+++ 17:24 Umfrage: Vertrauen in Selenskyj sinkt nach Anti-Korruptions-Streit +++
Das Vertrauen der Ukrainer in Präsident Wolodymyr Selenskyj ist laut einer neuen Umfrage des Kiewer Instituts KIIS von 65 Prozent im Juni auf 58 Prozent Anfang August gefallen. Hintergrund ist ein Gesetz vom 22. Juli, das die Anti-Korruptionsbehörden der Generalstaatsanwaltschaft unterstellen sollte – ein Schritt, der Massenproteste und internationale Kritik auslöste. Selenskyj machte das Gesetz zwar rückgängig, doch der Imageschaden bleibt: Der Anteil derer, die ihm nicht vertrauen, stieg von 30 auf 35 Prozent. Hauptgrund laut KIIS: Enttäuschung über anhaltende Korruption im Staat – weniger persönliche Vorwürfe gegen den Präsidenten selbst.
+++ 16:52 Drohnenangriff auf russisches Brjansk +++
Am frühen Morgen ist die russische Stadt Brjansk nahe der ukrainischen Grenze von Drohnen angegriffen worden. Laut örtlichen Berichten kam es gegen 5 Uhr zu über zehn Explosionen am Himmel. Die Luftabwehr habe mehrere Drohnen abgeschossen, teilt Gouverneur Alexander Bogomaz mit. Anwohner meldeten dichten schwarzen Rauch in einem Stadtteil – mutmaßlich dort, wo Trümmer niedergegangen sind. Berichte in sozialen Netzwerken deuten auf einen Angriff in der Nähe eines wichtigen Öldepots hin, das als Teil der Druschba-Pipeline auch russische Truppen versorgt. Verletzte oder Schäden gebe es laut Behörden nicht.
+++ 16:17 EU führt dynamischen Ölpreisdeckel für Russland ein +++
Die EU setzt ab dem 3. September einen neuen, dynamischen Preisdeckel für russisches Öl in Kraft. Statt des bisherigen Fixwerts von 60 US-Dollar pro Barrel soll der Höchstpreis künftig 15 Prozent unter dem globalen Drei-Monats-Durchschnitt liegen – aktuell wären das 47,60 Dollar. Das teilt EU-Kommissionssprecherin Arianna Podesta mit. Die Regel betrifft Dienstleistungen wie Transport und Versicherung durch EU- und G7-Firmen und zielt darauf ab, Russlands Energieeinnahmen zu kürzen, ohne den Weltmarkt zu destabilisieren. Auch Großbritannien unterstützt den neuen Mechanismus. Russlands Staatshaushalt gerät zunehmend unter Druck: Im Juli brachen die Öl- und Gaseinnahmen um 30 Prozent im Jahresvergleich ein.
+++ 14:57 Russisches Militär in Belarus eingetroffen – Vorbereitung auf gemeinsames Manöver +++
Erste russische Truppen sind in Belarus angekommen, um das gemeinsame Großmanöver „Sapad-2025“ vorzubereiten. Die Übung soll Mitte September stattfinden. Offiziell ist von über 13.000 Teilnehmern die Rede – doch NATO-Schätzungen gehen von bis zu 150.000 Soldaten aus. Wo genau die nun eingetroffenen russischen Einheiten stationiert werden, ließ Minsk offen. Die Ukraine warnt, das Manöver könne als Deckmantel für neue Angriffe dienen – ähnlich wie 2022, als russische Truppen nach einer Übung von Belarus aus in die Ukraine einmarschierten.
+++ 14:16 Munz: Kreml soll zwei wichtige Infos durchgesteckt haben +++
Der US-Sondergesandte Steve Witkoff reist nach Moskau. Während der Kreml sich offiziell über den Besuch des Trump-Vertrauten freut, zeichnet sich nicht nur bei russischen Kriegsbloggern laut ntv-Korrespondent Rainer Munz ein gänzlich anderes Bild ab. Im Hintergrund arbeite der Kreml weiter daran, Trump zu beeinflussen.
Eine „direkt an Trump“ Munz: Kreml soll zwei wichtige Infos durchgesteckt haben
+++ 13:59 Treffen zwischen Putin und Witkoff dauerte mehrere Stunden +++
Das Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem US-Sondergesandten Steve Witkoff ist einer Meldung der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge beendet. Es habe rund drei Stunden gedauert.
+++ 13:12 Selenskyj: Russland greift Gasanlage in Odessa an +++
Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Erdgasanlage in der Region Odessa im Süden der Ukraine angegriffen. Damit würden die Vorbereitungen für den Winter untergraben, erklärt Selenskyj auf Telegram. Der Angriff habe der Gasinfrastruktur im Dorf Nowosilske an der Grenze zu Rumänien gegolten. Dort befindet sich die Orlowka-Verbindungsleitung, über die die Ukraine Gas über die Transbalkanroute erhält. „Das war ein gezielter Schlag gegen unsere Vorbereitungen für die Heizsaison, absolut zynisch, wie jeder russische Schlag gegen den Energiesektor“, erklärt Selenskyj. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigt der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge den Angriff auf das ukrainische Gastransportsystem. Die Ukraine leidet seit einer Reihe verheerender russischer Raketenangriffe in diesem Jahr unter einem ernsthaften Gasmangel, die heimische Produktion ist deutlich zurückgegangen. Die Transbalkanroute ermöglicht die Gaslieferung von Griechenland über Bulgarien und Rumänien in die Ukraine.
+++ 12:35 Deserteure wieder an der Front: „Fahnenflucht ist wahnsinniges Problem in der Ukraine“ +++
Seit Russlands Angriff kämpft die ukrainische Armee mit der Rekrutierung neuer Soldaten. Viele, die es werden, entziehen sich dem Dienst an der Waffe. Ein neues Amnestiegesetz schickt Fahnenflüchtige jetzt wieder in den Krieg. ntv-Reporterin Kavita Sharma berichtet.
Deserteure wieder an der Front „Fahnenflucht ist wahnsinniges Problem in der Ukraine“
+++ 11:11 Bericht: Kreml erwägt Luft-Waffenstillstand +++
Der Kreml könnte einem Luft-Waffenstillstand in seinem Krieg gegen die Ukraine zustimmen, um US-Präsident Donald Trump davon abzuhalten, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen, sagen Quellen, die mit der Angelegenheit vertraut sind, gegenüber Bloomberg. Während eine Pause bei den Drohnen- und Raketenangriffen auf dem Tisch in Erwägung gezogen wird, bleibt Russland entschlossen, seinen Krieg fortzusetzen, so die Quellen gegenüber der Nachrichtenagentur, da die russischen Streitkräfte weiterhin Fortschritte auf dem Schlachtfeld machen. Im Gegenzug sagen drei dem Kreml nahestehende Quellen gegenüber Reuters, dass es unwahrscheinlich ist, dass Putin sich Trumps Sanktions-Ultimatum beugt.
+++ 10:31 Ukraine: Tote bei russischem Bombenangriff auf Ferienlager +++
Bei einem russischen Bombenangriff auf ein Ferienlager im Süden der Ukraine sind nach Behördenangaben mindestens zwei Menschen getötet worden. Weitere zwölf Personen seien bei dem Angriff nahe der Großstadt Saporischschja verletzt worden, teilt Gouverneur Iwan Fedorow auf Telegram mit. Den genauen Ort nennt er nicht. Neben anderen Gebäuden seien neun kleine Ferienhütten beschädigt worden. Durch russische Angriffe mit Drohnen und Artillerie in der Nacht wurden ukrainischen Angaben zufolge auch Gewerbebetriebe und ein Haus im Nachbargebiet Dnipropetrowsk beschädigt. Angegriffen wurden auch Orte ganz im Süden der Ukraine an der Donau. Ein Großbrand war Medienberichten zufolge zudem von der rumänischen Stadt Tulcea im Donaudelta aus zu beobachten.
+++ 09:56 Fischer: Trump sucht im Umgang mit Russland eine Hintertür +++
US-Präsident Trump hat in seinem Umgang mit Russland womöglich erstmals „zu hoch gepokert“, befürchtet Politikwissenschaftler Klemens Fischer. Putin spiele derweil seine Karten in aller Ruhe aus. Ob der Besuch des US-Sondergesandten Witkoff in Moskau etwas erreichen könne, sei aus mehreren Gründen fraglich.
Ultimatum und Putin-Poker Fischer: „Trump sucht eine Hintertür“
+++ 09:11 USA geben grünes Licht für Haubitzen-Support im Wert von 200 Millionen Dollar +++
Wie Verteidigungsminister Denys Schmyhal mitteilt, haben die USA ausländische Militärverkäufe an die Ukraine im Wert von über 200 Millionen Dollar für Artillerieunterstützung, Transport und Logistik genehmigt. „Das erste Paket umfasst Ausrüstung, Reparaturen und technische Unterstützung für M777 Haubitzen im Wert von 104 Millionen Dollar“, sagt Shmyhal auf X. Die Ankündigung erfolgt inmitten einer Veränderung der Politik der Trump-Administration, die durch neue Waffengeschäfte mit der Ukraine gekennzeichnet ist.
+++ 08:22 Wie zu Sowjet-Zeiten: Stadt Moskau rüstet Luftabwehr massiv auf +++
Als Reaktion auf die häufigen ukrainischen Drohnenangriffe verstärkt Russland seine Luftabwehr rund um Moskau und baut seine Luftabwehrringe aus der Zeit des Kalten Krieges wieder auf. Eine Untersuchung von Radio Liberty, die sich auf Satellitenbilder und OSINT-Daten stützt, zeigt, dass innerhalb von zwei Jahren über 50 neue Boden-Luft-Raketen-Stellungen (SAM) in der Region Moskau errichtet wurden. Dem Bericht zufolge begann dieser Umbau des Moskauer Verteidigungssystems, nachdem ukrainische Drohnen die Hauptstadt im Mai 2023 zum ersten Mal angegriffen hatten. Das Wiederaufleben dieser Architektur aus dem Kalten Krieg birgt jedoch auch neue Gefahren, heißt es in dem Bericht. Viele dieser SAMs befinden sich jetzt in der Nähe dichter städtischer Bebauung, die es beim Bau der sowjetischen Ringe noch nicht gab. Infolgedessen haben herabfallende Raketenverstärker und nicht explodierte Munition von abgefangenen Drohnen Schäden in der Zivilbevölkerung verursacht – manchmal mehr als die Drohnen selbst.
WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN
Trump erwartet baldiges Treffen mit Putin und Selenskyj – APA, 7.8.2025
US-Präsident Donald Trump will sich „sehr bald“ mit Kreml-Chef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Gesprächen über ein Ende des Ukraine-Krieges treffen. Der Republikaner entgegnete auf Nachfrage einer Journalistin, ob Putin und Selenskyj einem Treffen zugestimmt hätten: „Die Chancen stehen gut, dass es sehr bald zu einem Treffen kommen wird.“ Man habe sich aber noch nicht festgelegt, wo das Gespräch stattfinden könnte.
Trump hatte davor die europäischen Partner über das Gespräch zum Ukraine-Krieg informiert, das sein Sonderbeauftragter Steve Witkoff in Moskau mit Putin geführt hatte. In dem Telefonat mit dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz und anderen Regierungschefs erwähnte Trump auch die Absicht, sich persönlich mit dem russischen Präsidenten zu treffen, wie es aus Berliner Regierungskreisen hieß. Putin hatte Witkoff für etwa drei Stunden empfangen.
US-Außenminister Marco Rubio sagte dem TV-Sender Fox Business: „Heute war ein guter Tag.“ Aber es gebe noch viel zu tun, er wolle nicht übertreiben. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“ Man habe jetzt ein besseres Verständnis davon, unter welchen Bedingungen Russland bereit wäre, den Krieg zu beenden. Das müsse man nun mit dem abgleichen, was vor allem die Ukrainer und auch die europäischen Verbündeten bereit seien zu akzeptieren. Wenn beides nahe genug beieinander sei, gebe es für Trump die Möglichkeit eines Treffens.
Der US-Präsident hatte zuvor auf der Plattform Truth Social geschrieben, sein Unterhändler Witkoff habe ein „äußerst produktives“ Treffen mit Putin gehabt. „Große Fortschritte wurden gemacht.“ Details nannte Trump nicht. Er selbst habe aber danach einige der europäischen Verbündeten informiert – und alle seien sich einig, dass der Krieg beendet werden müsse. Man werde „in den nächsten Tagen und Wochen“ darauf hinarbeiten.
Trump informierte nach Angaben aus Kiew am Abend auch den ukrainischen Präsidenten Selenskyj über die Ergebnisse der Verhandlungen Witkoffs in Moskau.
Die „New York Times“ berichtete unter Berufung auf zwei mit dem Plan vertraute Personen, dass Trump beabsichtige, sich bereits nächste Woche persönlich mit Putin zu treffen. Kurz darauf solle es ein Dreier-Treffen mit Selenskyj geben. Ähnlich berichtete der TV-Sender CNN, der sich unter anderem auch auf eine Quelle aus einer europäischen Regierung berief.
KOMMENTARE – ANALYSEN – HINTERGRÜNDE
ANALYSE – Milliarden für Moskau Was USA und EU noch von Russland kaufen – n-tv, 6.8.2025
Dreieinhalb Jahre nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine importieren sowohl die USA als auch die Europäische Union noch immer russische Rohstoffe im Milliardenwert. Die Einfuhren reichen von Flüssigerdgas (LNG) bis hin zu angereichertem Uran. Indien kritisierte in dieser Woche westliche Doppelmoral, nachdem US-Präsident Donald Trump erneut Drohungen wegen der stark gestiegenen indischen Käufe von russischem Rohöl ausgesprochen hatte. Jetzt hat Trump Indien wegen der Ölgeschäfte mit Russland mit zusätzlichen Zöllen in Höhe von 25 Prozent belegt. Hier ein Überblick über die Handelsbeziehungen der EU, der USA und Indiens mit Russland.
EU-Importe aus Russland
Seit dem Kriegsbeginn im Februar 2022 ist der Handel zwischen der EU und Russland aufgrund von Sanktionen und Einfuhrbeschränkungen stark zurückgegangen. Die Importe aus Russland fielen nach den jüngsten Daten von Eurostat vom ersten Quartal 2022 bis zum ersten Quartal 2025 um 86 Prozent. Die Warenimporte summierten sich nur noch auf 8,74 Milliarden Euro. Seit Januar 2022 hat die EU russische Waren im Wert von 297 Milliarden Euro eingeführt. Die EU kauft weiterhin Öl, Nickel, Erdgas, Düngemittel sowie Eisen und Stahl aus Russland.
Öl: Der Anteil Russlands an den Erdölimporten der EU sank von 28,74 Prozent im Jahr 2021 auf aktuell 2,01 Prozent.
Erdgas: Etwa 17 Prozent des europäischen Gases stammen aus Russland, verglichen mit 48 Prozent im ersten Quartal 2021. Die Lieferungen erfolgen über die TurkStream-Pipeline und als Flüssigerdgas (LNG). Die russischen LNG-Exporte nach Europa gingen von Januar bis Juni 2025 im Jahresvergleich um 13 Prozent auf 7,9 Millionen Tonnen zurück.
Eisen und Stahl: Der russische Anteil an den Eisen- und Stahlimporten von außerhalb der EU sank im ersten Quartal 2025 auf 7,71 Prozent. Vier Jahre zuvor hatte er noch bei 18,28 Prozent gelegen.
Düngemittel: Russland blieb im ersten Quartal 2025 der größte Düngemittelexporteur in die EU. Der Anteil sank in den vergangenen vier Jahren nur leicht, und zwar von 28,15 auf 25,62 Prozent. Das EU-Parlament hat im Mai für die Einführung von Strafzöllen in diesem Sektor gestimmt.
Indiens Importe aus Russland
Im Gegensatz zu Europa schossen die indischen Importe aus Russland von 8,25 Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf 65,7 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr nach oben. Dies zeigen Daten des indischen Handelsministeriums.
Öl: Rohöl ist der größte Treiber dieses Wachstums. Die Importe wuchsen von 2,31 Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf 52,2 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr.
Kohleprodukte: Die indischen Importe von Kohle und Kohleerzeugnissen aus Russland nahmen von 1,12 Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf 3,5 Milliarden Dollar zu.
Düngemittel: Die indischen Düngemittelimporte aus Russland erhöhten sich von 483 Millionen Dollar im Jahr 2021 auf zuletzt 1,67 Milliarden Dollar.
US-Importe aus Russland
Die US-Einfuhren aus Russland fielen nach offiziellen Angaben im ersten Halbjahr 2025 auf 2,5 Milliarden Dollar. Vier Jahre zuvor waren es noch 14,14 Milliarden Dollar. Seit Januar 2022 haben die USA russische Waren im Wert von 24,51 Milliarden Dollar eingeführt.
Düngemittel: Im vergangenen Jahr importierten die USA russische Düngemittel im Wert von rund 1,27 Milliarden Dollar. 2021 waren es 1,14 Milliarden Dollar.
Uran und Plutonium: Die Vereinigten Staaten führten im vergangenen Jahr angereichertes Uran und Plutonium aus Russland im Wert von rund 624 Millionen Dollar ein. 2021 waren es 646 Millionen Dollar.
Palladium: Russland exportierte 2024 Palladium im Wert von rund 878 Millionen Dollar in die USA. 2021 waren es noch 1,59 Milliarden Dollar. Das Metall wird etwa in der Autoindustrie verwendet.
Quelle: ntv.de, gut/rts
KOMMENTAR – Trump überrascht mit einer neuen Wende in seiner Russland-Politik – er will sich bald mit Putin treffen – Andreas Rüesch, NZZ, 7-8-2025
Bei einem Besuch des amerikanischen Sondergesandten Witkoff im Kreml haben die USA und Russland offenbar ein Gipfeltreffen eingefädelt. Moskau kann hoffen, dass Trumps Ultimatum in der Ukraine-Frage damit fürs Erste vom Tisch ist.
Kurz vor Ablauf des amerikanischen Ultimatums an Russland zur Erreichung eines Waffenstillstands im Ukraine-Krieg haben die beiden Seiten eine überraschende Annäherung erzielt. Die Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin haben in ein baldiges Treffen eingewilligt, das möglicherweise bereits in einigen Tagen stattfinden soll. Dies bestätigte der Kreml am Donnerstag, nachdem amerikanische Medien schon am Vorabend unter Berufung auf Quellen im Weissen Haus über die Pläne berichtet hatten.
Die Vorbereitungen für den Gipfel hätten begonnen, teilte Putins aussenpolitischer Berater Juri Uschakow mit. Auch über den Ort des Treffens gebe es Einigkeit; er werde aber erst später bekanntgegeben. Wegen des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Putin sind die Reisemöglichkeiten des Kremlchefs eingeschränkt. Als Gastgeber haben sich schon vor Monaten die Vereinigten Arabischen Emirate ins Spiel gebracht. Ihr Präsident, Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, hält sich am Donnerstag zu Gesprächen in Moskau auf. Auch die Türkei hat sich als Gastgeber anerboten.
Sollten sich die Pläne verwirklichen, wäre es das erste russisch-amerikanische Gipfeltreffen seit mehr als vier Jahren. Im Juni 2021 hatte sich Putin in Genf mit seinem damaligen Amtskollegen Joe Biden getroffen. Grundsätzlich hatten Trump und Putin schon im Februar einen Gipfel ins Auge gefasst, aber es blieb eine unkonkrete Idee – bis jetzt.
Laut der «New York Times» will Trump in einem darauffolgenden Schritt auch ein Dreiertreffen unter Einbezug des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski abhalten. Trump bestätigte entsprechende Pläne am Mittwoch nur indirekt, indem er sich in einer Medienkonferenz optimistisch zeigte, dass Putin und Selenski bald zusammentreffen könnten.
Dreistündige Gespräche im Kreml
Die unerwartete diplomatische Initiative hatte sich am Mittwoch angebahnt, als Putin den amerikanischen Sondergesandten Steve Witkoff im Kreml empfing. Er führte mit ihm dreistündige Gespräche. Es war bereits Witkoffs fünfte Begegnung mit Putin in diesem Jahr – der New Yorker Immobilienhändler mit russischstämmigen Vorfahren scheint von allen amerikanischen Regierungsvertretern über den besten Draht zum Kreml zu verfügen.
Witkoffs Besuch in Moskau galt im Vorfeld als «Treffen der letzten Chance», weil am Freitag das amerikanische Ultimatum in der Ukraine-Frage abläuft. Bis dahin soll Moskau einem Waffenstillstand zustimmen; für den gegenteiligen Fall hat Trump mit harten Sanktionen gedroht. Was nun angesichts der Gipfelpläne aus dieser Drohkulisse wird, bleibt abzuwarten. Trumps Gesprächsbereitschaft deutet darauf hin, dass er Putin eine weitere «letzte Chance» geben könnte.
Eine intensive Vermittlungstätigkeit zeigt sich daran, dass Trump unmittelbar nach Witkoffs Kremlbesuch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski telefonierte, bereits zum zweiten Mal innert 24 Stunden. Am Telefonat vom Mittwoch waren auch mehrere europäische Staatsführer beteiligt, unter ihnen der deutsche Kanzler Friedrich Merz und der britische Premierminister Keir Starmer. Allem Anschein nach möchte Trump die europäischen Nato-Partner aber nicht in die Gipfeldiplomatie einbeziehen.
Waffenstillstand nicht in Griffnähe
In den vergangenen Tagen hatte es Spekulationen darüber gegeben, dass Russland zur Abwehr der Sanktionsdrohung ein Ablenkungsmanöver lancieren könnte. Das ist mit den Plänen für ein Gipfeltreffen nun geschehen. Es gab auch Gerüchte, dass Putin wie schon im Frühling eine zeitlich oder geografisch begrenzte Waffenruhe ins Spiel bringen könnte, beispielsweise ein Moratorium auf Luftangriffe.
Einen umfassenden Waffenstillstand lehnt Putin aber weiterhin ab. Trump hat denn auch klargestellt, dass man nicht von einem Durchbruch sprechen könne. Russland fühlt sich durch den Kriegsverlauf bestärkt und beharrt auf seinen territorialen Forderungen, namentlich auf dem ukrainischen Rückzug aus den drei nur teilweise besetzten Provinzen Donezk, Saporischja und Cherson. Von der Agentur Reuters zitierte Quellen im Umfeld des Kremls glauben, dass Putin die Sanktionsdrohung Trumps nicht sonderlich fürchtet, weil sich Russland mit den bisherigen Strafmassnahmen gut arrangiert hat. Putin hofft zwar auf eine strategische Annäherung an die USA, aber er ist nicht bereit, diesem Ziel seine Pläne in der Ukraine zu opfern.
Damit liegt der Ball bei den USA. In den vergangenen Wochen hatte Trump wachsenden Unmut über Putin geäussert, aber weder Sanktionen ergriffen noch neue Waffen an die Ukraine geliefert. Mit seinem Ultimatum hat er sich in Zugzwang gebracht, aber mit seinen Gipfelplänen findet er möglicherweise auch bereits wieder einen Ausweg. Selbst wenn die Idee eines Treffens scheitert, was gut möglich ist, kann Trump mit den Beratungen darüber Zeit gewinnen.
Erdölverkäufe im Visier
Dennoch ist offensichtlich, dass der amerikanische Präsident den Druck auf Moskau tendenziell erhöhen will. Dies demonstrierte er am Mittwoch, indem er die Sanktionskeule auf Russlands zweitwichtigsten Handelspartner, Indien, niedersausen liess. Dieses Land trägt als Käufer von russischem Erdöl massgeblich zur Finanzierung des Krieges bei. Als Vergeltung belegt Washington indische Importgüter nach einer Übergangsfrist mit einem Zusatzzoll von 25 Prozent, womit sich die Gesamtbelastung auf prohibitive 50 Prozent erhöht. Delhi erhält damit einen starken Anreiz, für eine Drosselung der Ölimporte aus Russland zu sorgen.
Bemerkenswert ist auch die in Trumps Dekret gewählte Formulierung. Darin hielt der Präsident fest, dass von Russland eine «ausserordentliche Bedrohung der nationalen Sicherheit» der USA ausgehe. Auch wenn es mit diesem Passus um die Erfüllung einer juristischen Vorgabe ging, zeigt sich gegenüber der Anfangszeit von Trumps Präsidentschaft eine veränderte Tonlage.
Im Gespräch sind auch neue amerikanische Sanktionen gegen Russlands Schattenflotte von Erdöltankern. Während die EU sukzessive immer mehr Schiffe ins Visier genommen hat, wäre es die erste solche Strafmassnahme seit dem Amtsantritt Trumps.
Der amerikanische Präsident scheint nachhaltig verärgert darüber zu sein, dass Putin ungeachtet aller Mahnungen den Luftkrieg gegen ukrainische Städte verschärft hat. Im Juni und Juli forderten die Luftangriffe mit Raketen und Kampfdrohnen insgesamt 310 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung. Damit wurde ein Höchstwert erreicht, der fast dreimal so hoch wie in den ersten beiden Monaten des Jahres lag. Auch nach den amerikanisch-russischen Verhandlungen im Kreml folgte in der Nacht auf Donnerstag eine weitere Welle von Luftangriffen, unter anderem auf die Stadt Dnipro.
Immer wieder forderte das Weisse Haus in den letzten Tagen, dass Putin «mit dem Töten aufhöre». Aufhorchen liess am Dienstag eine Aussage in einem Fernsehinterview, in dem Trump einen Zusammenhang mit Russlands Rohstofferlösen herstellte. Mit einer Senkung des Erdölpreises um 10 Dollar könne Russland zur Beendigung des Krieges gezwungen werden, sagte Trump. Er deutete damit an, dass er Russland auch auf diesem Weg unter Druck setzen möchte.
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USA
Neueste Entwicklungen: Handelsstreit: USA führen neue Zölle für Importe aus 70 Staaten ein – Trump will Halbleiterimporte mit 100 Prozent Zoll belegen – NZZ, 7.8.2025
Die USA hat neue Zölle für Importe aus knapp 70 Staaten eingeführt, unter anderem betroffen sind die Schweiz und die EU. Wenige Minuten vor Mitternacht (Ortszeit, 7. 8.) kündigte US-Präsident Donald Trump auf Truth Social an, dass die Zölle nun gleich in Kraft treten würden. «Es werden Milliarden Dollar in die USA fliessen, grossteils aus Ländern, die die USA über viele Jahre hinweg ausgenutzt und darüber gelacht haben», schrieb er in Grossbuchstaben. Die Schweiz erhält einer der höchsten Zollsätze. Neu erheben die USA Zölle in Höhe von 39 Prozent auf Schweizer Importe. Mit der EU konnte sich Trump einigen, für die EU-Importe sind es nur 15 Prozent. Die Europäische Kommission ging bisher davon aus, dass der neue Zollsatz erst am Freitag in Kraft tritt.
Der amerikanische Präsident Donald Trump hat am Mittwoch (6.8.) Zölle von 100 Prozent auf Chip-Importe in Aussicht gestellt. Unternehmen könnten diese umgehen, indem sie sich für Investments in den Vereinigten Staaten entscheiden oder bereits angefangen haben mit dem Bau, wie er bei einer Pressekonferenz mit Apple-Chef Tim Cook sagte. Trump zeigte sich davon überzeugt, dass die Chip-Unternehmen dadurch die Produktion in den USA ausbauen. Wenn ein solcher Schritt ohne Ausnahmen für grosse Anbieter umgesetzt wird, dürfte das quer durch die Bank die Preise für Elektronik in den USA erhöhen – denn die weitaus meisten Chips werden in Asien produziert. Vor allem die High-Tech-Chipsysteme für das iPhone und andere Smartphones kommen fast ausschliesslich aus Taiwan vom Auftragsfertiger TSMC.
Brasilien hat wegen der neuen US-Strafzölle unter Präsident Donald Trump die Welthandelsorganisation (WTO) eingeschaltet. «Mit den genannten Massnahmen verstossen die Vereinigten Staaten in eklatanter Weise gegen zentrale Verpflichtungen, die sie in der WTO eingegangen sind», teilte das brasilianische Aussenministerium am Mittwoch (6.8.) mit. Konkret geht es um Einfuhrzölle in Höhe von 50 Prozent auf eine breite Palette brasilianischer Exportprodukte, die seit Mittwoch gelten. Laut Angaben des brasilianischen Industrieministeriums ist rund ein Drittel der brasilianischen Exporte in die USA von den Strafzöllen betroffen.
Auf Anordnung von Donald Trump treten ab Donnerstag neue Zölle für Importe aus der EU und vielen anderen Ländern in die USA in Kraft. Laut US-Angaben gilt die Neuregelung von Mitternacht an (Ortszeit Ostküste). Die EU-Kommission geht hingegen davon aus, dass der Start für den 15-Prozent-Zollsatz auf den Import von den meisten EU-Produkten in die USA am 8. August ist. Die neuen und unterschiedlich hohen Abgaben gelten für Importe aus rund 70 Ländern sowie der Europäischen Union. Die EU und die USA hatten im Handelsstreit zuletzt eine Einigung erzielt. Zusätzlich zu dem 15-Prozent-Zollsatz hat die EU grosse Investitionen in den USA zugesichert. Über die konkrete Umsetzung dieser Investitionen besteht noch Abstimmungsbedarf.
Die amerikanische Regierung von Präsident Donald Trump belegt Indien wegen dessen Ölgeschäften mit Russland mit zusätzlichen Zöllen. Die neuen Abgaben in Höhe von 25 Prozent sollen 21 Tage nach der heutigen Unterzeichnung des entsprechenden Dekrets in Kraft treten, heisst es am Mittwoch (6.8.) in der Anordnung von Trump. Zuvor hatte Trump bereits Zölle in gleicher Höhe auf indische Importe angekündigt, aber offengelassen, wie hoch die zusätzliche «Strafe» wegen der Geschäfte mit dem Kreml ausfallen würde. Mit den nun angekündigten 25 Prozent würde sich der Satz auf insgesamt 50 Prozent verdoppeln. Indien hat die Ankündigung als unfair kritisiert. Das Land werde wegen seiner Öl-Importe aus Russland zur Zielscheibe gemacht, teilte das indische Aussenministerium mit. Indien werde alle nötigen Schritte unternehmen, um seine nationalen Interessen zu schützen.
25 Prozent Zusatzzoll Trump straft Indien wegen Kreml-Geschäften hart ab – n-tv, 6.8.2025
In Kürze läuft ein Ultimatum ab, das Trump Putin gesetzt hat, um einer Waffenruhe mit der Ukraine zuzustimmen. Sonst drohen Russlands Handelspartnern hohe Strafzölle. Nun belegt der US-Präsident Indien mit neuen Zöllen noch vor Ende der Frist, kurz nach einem Gespräch seines Sondergesandten in Moskau.
US-Präsident Donald Trump hat gegen Indien zusätzliche Strafzölle in Höhe von 25 Prozent verhängt. Grund seien die anhaltenden Käufe russischen Öls durch Indien, erklärte das Weiße Haus. Trump unterschrieb demnach ein Dekret, das den Zollsatz für viele indische Produkte auf 50 Prozent verdoppelt. Es tritt in drei Wochen in Kraft. Ab diesem Donnerstag greift für Indien zunächst der bereits angekündigte Zoll von 25 Prozent.
Damit setzt Trump seine Drohung mit einer „Strafe“ für Indien um. Er hatte mehrfach kritisiert, das Land beziehe ungeachtet des russischen Angriffskriegs weiter billiges russisches Öl und Gas sowie Waffen aus Russland. Indien kritisierte die Ankündigung zusätzlicher US-Zölle. Das Außenministerium in Neu-Delhi äußerte sich missbilligend darüber, dass die US-Regierung das südasiatische Land wegen seiner Öl-Importe aus Russland zur Zielscheibe gemacht habe. „Wir betonen, dass diese Aktionen unfair, ungerechtfertigt und unvernünftig sind.“ Indien wolle alle nötigen Schritte unternehmen, um seine nationalen Interessen zu schützen.
Am Dienstag hatte Trump erklärt, er wolle die Gespräche seines Sondergesandten Steve Witkoff in Moskau abwarten, bevor er eventuelle Strafmaßnahmen auf den Weg bringe. „Wir werden sehen, was passiert“, sagte Trump vor Journalisten. Nach dem Treffen des Kremlchefs Wladimir Putin mit Witkoff bezeichnete das russische Präsidialamt die Gespräche als „nützlich und konstruktiv“.
Beide Seiten hätten über den Krieg in der Ukraine und die Möglichkeit einer Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Russland gesprochen, sagt der außenpolitische Berater des Präsidialamtes, Juri Uschakow, dem russischen Nachrichtensender Swesda. Moskau habe bestimmte „Signale“ von US-Präsident Trump erhalten und entsprechende Botschaften gesendet. Witkoff und Putin berieten etwa drei Stunden lang.
Zum Inhalt machten beide Seiten keine Angaben. In Washington wurde für den Abend (22.30 Uhr MESZ) eine Äußerung von Trump zu Wirtschaftsfragen angekündigt. Am Freitag läuft eine Frist ab, die der US-Präsident Putin gesetzt hat und womit er eine Waffenruhe in der Ukraine erreichen will.
Indien und China im Visier
Indien ist das erste Land, gegen das der US-Präsident im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg sogenannte Sekundärsanktionen verhängt. Auch China, Brasilien und EU-Länder wie Ungarn oder Österreich treiben weiterhin Handel mit Russland. Der Ölexport zählt zu Moskaus wichtigsten Einnahmequellen, mit denen auch der kostspielige Krieg in der Ukraine finanziert wird.
Im Juni war Indien nach China der zweitgrößte Abnehmer von russischen fossilen Brennstoffen, eingekauft wurde im Wert von 4,5 Milliarden Euro. Rohöl machte nach Angaben von Energieexperten der unabhängigen Forschungsorganisation CREA 80 Prozent oder 3,6 Milliarden Euro aus. Das Land erhält das Öl und andere Energieträger zu deutlichen Preisnachlässen unter dem Weltmarktwert.
Quelle: ntv.de, gut/AFP/dpa/rts
USA: Wirtschaftliche Unsicherheit bremst Reiselust – Deloitte-Befragung zeigt Verhaltensänderung aufgrund der aktuellen Zollpolitik der Regierung – Pressetext, 6.8.2025
New York (pte022/06.08.2025/13:45) – Viele US-Amerikaner haben ihre Urlaubspläne wegen der von ihrer Regierung angestoßenen Zollturbulenzen überdacht und eingeschränkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte, landesweite repräsentative Umfrage des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte unter Reisenden. Demnach sind die durchschnittlichen Sommerreisebudgets nach Ankündigung der Zölle am 2. April 2025 um 361 Dollar gesunken.
Auto statt Flugzeug
Die erste Befragung wurde Ende März durchgeführt, also kurz bevor Präsident Donald Trump die geänderte Zollpolitik vorstellte. Die zweite folgte 14 Tage später. In diesem Zeitraum sank das durchschnittliche Sommerreisebudget der Befragten von 4.967 Dollar auf 4.606 Dollar. Außerdem sank die Zahl derjenigen, die ihre Ziele per Flugzeug erreichen wollten. Stattdessen planen sie mehr Roadtrips.
Die Reisebudgets, die die Umfrageteilnehmer im April angaben, lagen laut der Umfrage immer noch über denen von 2024. Die Nachfrage nach Freizeitreisen ist seit der COVID-19-Pandemie laut Kate Ferrara (Leiterin der Abteilung Transport und Gastgewerbe bei Deloitte) generell gestiegen, auch wenn die Verbraucher andere Arten von Ermessensausgaben zurückgefahren haben.
Finanzen entscheidend
Wie lange der aktuelle Trend anhält, hängt Ferrara zufolge davon ab, ob die finanziellen Sorgen der Reisenden anhalten. Sei dies der Fall, könnten sie weiterhin budgetfreundlichere Optionen bevorzugen, zum Beispiel Autofahren statt Fliegen oder Inlands- statt Auslandsreisen.
(Ende)
Kürzungen: Drastischer Einschnitt für mRNA-Impfstoffforschung – ORF, 6.8.2025
US-Gesundheitsminister Robert Kennedy Jr. will die Fördergelder für die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen streichen, die in der Pandemie eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Covid-19 gespielt haben. Laut einer österreichischen Expertin ist das ein drastischer Einschnitt für den ganzen Forschungsbereich.
Laut ersten Angaben des US-Gesundheitsministeriums sind 22 Projekte im Wert von fast einer halben Milliarde US-Dollar (rund 430 Mio. Euro) betroffen. Konkret geht es um die Entwicklung neuer mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19, gegen Influenza und gegen die Vogelgrippe. Der Vertrag mit dem Pharmakonzern Moderna für die späte Entwicklungsphase eines Vogelgrippeimpfstoffes beim Menschen ist bereits gekündigt worden, weitere schon vergebene Aufträge sollen abgelehnt bzw. annulliert werden, kündigt die amerikanische Gesundheitsbehörde an.
Für die Impfstoffentwicklung bedeute das einen drastischen Einschnitt, sagt die österreichische Impfstoffexpertin und Virologin Christina Nicolodi, die auch Pharmafirmen berät: Laufende Studien werden zwar zumeist noch beendet, aber bei Projekten, bei denen noch keine Studien begonnen wurden, sei es tatsächlich so, dass das jeweilige Projekt mit sofortiger Wirkung eingestellt wird.
Erwartbare Entwicklung
Während der Covid-19-Pandemie hat die biomedizinische Forschungsabteilung des amerikanischen Gesundheitsministeriums die Entwicklung neuer Impfstoffe maßgeblich vorangetrieben, vor allem durch finanzielle Unterstützung.
Die aktuellen Kürzungen kommen für die Expertin aber nicht überraschend. Es sei ein dramatischer Schritt, doch man habe diese Entwicklung bereits in den vergangenen Monaten gesehen: So haben die USA auch andere Impfstoffprojekte eingestellt, wie etwa die Förderung der Entwicklung eines neuen Pockenimpfstoffes. Von den Kürzungen der Fördergelder sind laut Nicolodi nun auch zahlreiche europäische Unternehmen betroffen.
Argumentiert werden die aktuellen Kürzungen unter anderem damit, dass etwa die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 auch Nebenwirkungen haben können, wie z. B. Myocarditis – also Herzmuskelentzündungen. Bisherige Studien zeigen, dass dies tatsächlich vorkam – allerdings war diese Nebenwirkung extrem selten und konnte in der Regel gut behandelt werden. Die schnell entwickelten mRNA-Impfstoffe retteten im Verlauf der Pandemie Millionen Menschen das Leben.
Barbara Reichmann, ORF Wissen
KOMMENTARE – ANALYSEN – HINTERGRÜNDE
KOMMENTAR – Zollhammer für den strategischen «Partner» Indien – Trump setzt die Beziehungen aufs Spiel, die über zwanzig Jahre aufgebaut wurden – Patrick Zoll (Taipeh), NZZ, 6.8.2025
Der amerikanische Präsident droht Indien mit einem Zollsatz von 50 Prozent – die Hälfte davon, weil das Land russisches Öl importiert. China könnte nun profitieren.
25 Prozent Zoll drohen auf alle Produkte, die Indien in die USA exportiert. Das, weil Delhi nicht rechtzeitig einen Deal von Trumps Gnaden abgeschlossen hat. Noch einmal 25 Prozent kommen dazu, weil Indien der grösste Importeur von russischem Rohöl ist. Das teilte das Weisse Haus am Mittwoch mit.
Indien hat die Ankündigung zusätzlicher amerikanischer Zölle in einer ersten Reaktion als unfair kritisiert. Das Aussenministerium in Neu-Delhi äusserte sich am Mittwochabend missbilligend darüber, dass die US-Regierung das Land wegen seiner Öl-Importe aus Russland zur Zielscheibe gemacht habe. Indien wolle alle nötigen Schritte unternehmen, um seine nationalen Interessen zu schützen. Weiter hiess es, die Einfuhren aus Russland basierten auf Marktfaktoren und erfolgten mit dem «übergeordneten Ziel, die Energiesicherheit für 1,4 Milliarden Inder sicherzustellen». Diese Position habe die Regierung schon vorher deutlich gemacht.
Die Männerfreundschaft zwischen Modi und Trump zerbricht
Neben den zusätzlichen Zöllen für Indien könnte es noch dicker kommen: Auch den Mitgliedsländern der Brics – das i steht für Indien – will Trump Strafzölle auferlegen. Der amerikanische Präsident wirft der Gruppierung, der unter anderem auch Russland, China und Iran angehören, vor, eine antiamerikanische Politik zu verfolgen.
Ebenso schlimm in indischen Augen: Trump hofiert den Erzfeind Pakistan; er hat den pakistanischen Armeechef zum Mittagessen getroffen.
Und Trump behauptet, Premierminister Narendra Modi zu einem Waffenstillstand mit Pakistan gezwungen zu haben, nachdem der jahrzehntealte schwelende Konflikt zwischen Indien und Pakistan im Mai in mehrtägige offene Kämpfe ausgeartet war. Der Auslöser war ein Anschlag auf Touristen im indischen Teil von Kaschmir im April gewesen. Indien machte Pakistan für den Angriff mit 26 Toten verantwortlich.
Modi sah sich im Parlament gezwungen, der trumpschen Darstellung, dass dieser den Frieden erzwungen habe, entschlossen zu widersprechen. Modi präsentiert sich gerne als starker Mann. Er kann es sich nicht leisten, als Schwächling dazustehen, der unter äusserem Druck einknickt.
Die offen zutage tretenden Spannungen zwischen Trump und Modi sind umso überraschender, als sich die beiden während Trumps erster Amtszeit gut zu verstehen schienen. In Indien habe man die Rückkehr Trumps ins Weisse Haus positiv gesehen, sagt Sana Hashmi, Indien-Expertin bei der Taiwan-Asia Exchange Foundation in Taipeh: «Man war erleichtert, nicht mehr mit Belehrungen in Sachen Demokratie rechnen zu müssen, wie unter Biden.» Noch im Februar war Modi in Washington zu Besuch und Trump bezeichnete ihn als guten Freund.
Auf Blockfreiheit folgte Multi-Alignment
Dass Trump auch Freunde vor Tiefschlägen nicht verschont, ist bekannt. Im Fall von Indien ist speziell, dass der Präsident mit seinem erratischen Vorgehen mehr als zwanzigjährige Anstrengungen der amerikanischen Aussenpolitik zunichtezumachen droht. Indien wurde in Washington über die Parteigrenzen hinweg als wichtiger Gegenpol in Asien zu China gesehen. Deshalb haben die USA versucht, Indien einzubinden, zum Beispiel in der Quad, einer losen Gruppierung, zu der auch Japan und Australien gehören.
Traditionell verfolgte Indiens Aussenpolitik den Ansatz, keine Allianzen einzugehen. Im Kalten Krieg war Delhi eine führende Kraft der sogenannten blockfreien Bewegung. Es pflegte gute Beziehungen zur Sowjetunion und später zu Russland. Diese Verbindung wurde gestärkt, als die USA und andere westliche Länder nach Delhis Atomtest 1998 Sanktionen verhängten.
2005 schlossen Washington und Delhi dann ein neues ziviles Atomabkommen ab. Seither näherten sich die beiden zusehends an – statt russischer Waffen kaufte Indien vermehrt westliche, insbesondere amerikanische Systeme. An die Stelle des Non-Alignment, der Blockfreiheit, sei in den letzten Jahren ein Multi-Alignment getreten, sagt Hashmi: «Indien ging enge Verbindungen mit unterschiedlichen Partnern ein. Doch die Partnerschaft mit den USA kam klar an erster Stelle.»
Eine Schwierigkeit für Delhi ist, dass man auf die USA als Partner nicht einfach verzichten kann. Zwar ist die indische Wirtschaft nicht sehr exportorientiert – doch ein Zollsatz von 50 Prozent würde das Land gegenüber asiatischen Konkurrenten stark benachteiligen.
Zusätzlich hat Trump amerikanische Unternehmen kritisiert, die ihre Produktionsstätte in Indien ausbauten, um weniger von China abhängig zu sein. Für die Regierung Modi ist ein wichtiger Pfeiler ihrer Wirtschaftspolitik in Gefahr.
Problematischer ist der sicherheitspolitische Aspekt. Indien ist kein Allianzpartner der USA, wie zum Beispiel Japan oder Südkorea es sind. Doch die Beziehungen mit Pakistan bleiben angespannt. Und auch das Verhältnis mit China ist belastet, seit es vor fünf Jahren an der gemeinsamen, nicht demarkierten Grenze im Himalaja zu Auseinandersetzungen gekommen ist.
Nähert sich Indien an China an?
Es gibt Stimmen, die angesichts des amerikanischen Drucks für eine Annäherung an China plädieren, insbesondere aus Wirtschaftskreisen. Erste Schritte der Normalisierung gibt es bereits. So trafen sich Modi und der chinesische Partei- und Regierungschef Xi Jinping vergangenen Oktober am Rande des Brics-Treffens in Russland. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Modi Ende August zum ersten Mal nach sieben Jahren wieder nach China reisen werde. Dann findet das Treffen der Shanghai Cooperation Organisation statt, einem regionalen Sicherheitsforum.
Experten der indischen Denkfabrik Observer Research Foundation sprechen von einer pragmatischen Hinwendung zu China. Hashmi argumentiert, dass Indien schlicht gezwungen sei, mit Peking einigermassen funktionierende Beziehungen zu führen. Diese Argumentation ist in vielen asiatischen Ländern gegenwärtig zu hören.
Allerdings sei der Spielraum für eine Annäherung beschränkt, sagt C. Raja Mohan, Professor am Institute of South Asian Studies in Singapur: «Die fundamentalen Widersprüche zwischen Indien und China sind nicht verschwunden.» Der Grenzkonflikt schwelt seit Jahrzehnten. In Indien ist das Misstrauen gross: Aus indischer Sicht ist Peking für die Kämpfe von 2020 im Galwan-Tal verantwortlich, die chinesische Armee sei einem nach Jahren der Ruhe heimtückisch in den Rücken gefallen. Das damals zerstörte Vertrauen muss langsam wieder aufgebaut werden.
Das gilt auch für den Schaden, den Trump gegenwärtig am indisch-amerikanischen Verhältnis anrichtet. Das Vorgehen und der Umgangston des amerikanischen Präsidenten erinnern viele in Indien an das Verhalten der britischen Kolonialherren, welche die lokale Bevölkerung herablassend behandelten und unterdrückten. In Delhi fühlt man sich allein schon deswegen unfair behandelt, weil neben China auch europäische Länder – etwa Italien, die Türkei, die Niederlande oder Frankreich – russisches Rohöl importieren. Doch nur Indien droht Trump deswegen mit Zöllen.
Westliche Belehrungen und Bevormundung kommen im heutigen, sehr selbstbewusst auftretenden Indien unter Modi schlecht an. Indiens Öffentlichkeit könne nicht akzeptieren, dass sie an den Pranger gestellt und gedemütigt werde, sagt Mohan: «Im postkolonialen Asien ist das schlicht inakzeptabel. Aber Trump kennt das Wort inakzeptabel nicht.»
FERNER OSTEN
Japan wurde vor achtzig Jahren zum Opfer der Atombombe. Jetzt spricht eine Partei offen über eine nukleare Bewaffnung – Martin Kölling (Tokio), NZZ, 6.8.2025
Jahrzehntelang setzte sich Japan für die atomare Abrüstung ein. Achtzig Jahre nach Hiroshima und Nagasaki zeigt dieser Konsens Risse. Was hat sich da verschoben?
Japan steht vor einer paradoxen Situation: Achtzig Jahre nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki belebt die Regierung ihre globale Friedensbotschaft einer atomaren Abrüstung erneut. Doch im Juli hat ein Teil der Bevölkerung in den Oberhauswahlen eine Partei stark gemacht, die offen über eine nukleare Bewaffnung des Landes spricht. Damit bricht die Partei ein Tabu.
Die Sanseito ist eine zuwanderungsfeindliche, rechtsnationale und atomfreundliche Partei. Im Wahlkampf sagte ihr Vorsitzender Sohei Kamiya, er denke nicht, dass Japan sofort Atomwaffen anschaffen solle. «Aber wir dürfen einer Diskussion nicht ausweichen.» Am 20. Juli wurde seine Partei bei den Oberhauswahlen mit 12,5 Prozent zur drittstärksten Kraft hinter der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) und der zentristischen Volksdemokratischen Partei.
Noch ist die Partei nur eine Randerscheinung. Sie zeigt jedoch, dass auch Japan nicht immun gegen einen globalen Trend ist. Iran will eine Atombombe, die Mehrheit der Südkoreaner befürwortet die Stationierung von amerikanischen Atomwaffen in ihrem Land, manche fordern gar ein eigenes Nuklearprogramm. Und selbst in Deutschland wird nach Donald Trumps Amtsantritt darüber nachgedacht, wie eine atomare Abschreckung ohne den atomaren Schutzschirm der USA aussehen könnte.
Für drei wichtige japanische Opferverbände der Atombombenabwürfe ist dieser Trend bereits so besorgniserregend, dass sie sich Ende Juli erstmals seit ihrer Spaltung im Kalten Krieg zu einer gemeinsamen Erklärung entschlossen haben: «Obwohl die Überlebenden der Atombombenabwürfe die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich gezogen haben, steigt das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen weiter an. Die Rolle der japanischen Anti-Atomkraft-Bewegung ist wichtiger denn je.»
Auch Militärs und Sicherheitsstrategen reagieren besorgt. So etwa der ehemalige Nato-Oberkommandant James Stavridis. Er sorgte sich öffentlich über die wachsende Verbreitung von Atomwaffen, weil damit auch das Risiko ihres Einsatzes steige. Bis jetzt besitzen die USA, Russland, China, Frankreich, Grossbritannien, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea Atomwaffen. Stavridis schätzt, dass Polen, Deutschland, die Türkei, Saudiarabien, Südkorea sowie das Atombombenopfer Japan hinzukommen könnten.
Zwischen Widerstand und atomarer Ambivalenz
Besonders angespannt ist die Lage in Asien. Die drei verbündeten Atommächte China, Russland und Nordkorea stehen den amerikanischen Alliierten Südkorea und Japan entgegen. Wenn Südkorea atomar aufrüstet, könnte das einen Dominoeffekt auslösen. Dann könnte auch in Japan die Forderung laut werden, Atomwaffen anzuschaffen.
Paul Midford ist Sicherheitsexperte an der japanischen Meiji-Gakuin-Universität. Er sagt, Japan habe alle technologischen Fähigkeiten, um schnell zur Atommacht zu werden. Auch wenn das Land dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen beigetreten sei, könne man es gewissermassen als latente Atommacht bezeichnen.
Das Land betreibt ein grosses ziviles Atomprogramm, es hat eine Wiederaufbereitungsanlage gebaut, es beherrscht die Anreicherung von Atombrennstoffen und besass Ende 2023 nach eigenen Angaben 44,5 Tonnen Plutonium, wovon 8,7 Tonnen in Japan und der Rest in Grossbritannien und Frankreich lagern. Das reicht für Hunderte, wenn nicht Tausende Bomben.
apan hätte die Fähigkeiten, ein eigenes Atomprogramm zu entwickeln. Darüber hinaus entwickelt Japan Raketen und hat von den USA 400 Marschflugkörper gekauft, die sich theoretisch atomar bewaffnen lassen.
Die grosse Frage lautet: Will Japan zur Atommacht werden?
Die Geschichte steht der Aufrüstung entgegen
Naoko Aoki ist Analystin bei der amerikanischen Denkfabrik Rand Corporation. Sie sagt, das sei wohl eher nicht der Fall. Auch wenn sich die Diskussion um das Thema geöffnet habe.
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022 brachte der damalige japanische Regierungschef Shinzo Abe die Idee auf, dass sich Japan wie die Nato-Staaten mit den USA auf eine nukleare Teilhabe verständigen könnte. Das würde bedeuten, dass Japan Stützpunkte, Flugzeuge und Personal für den potenziellen Einsatz von amerikanischen Atomwaffen bereitstellt und Teil einer gemeinsamen Planungsgruppe wird.
Aki sagt: «Wichtig ist jedoch, dass sich Japan nie für eine atomare Bewaffnung entschieden hat.» Ein Grund dafür ist die eigene Geschichte.
Beim ersten Atombombenabwurf der Welt am 6. August 1945 wurde die Stadt Hiroshima weitgehend ausgelöscht. Laut Schätzungen starben damals 80 000 der 350 000 Einwohner sofort, Zehntausende in den folgenden Tagen und Wochen. Drei Tage später löschte eine weitere Bombe, die auf Nagasaki abgeworfen wurde, 40 000 Menschenleben sofort aus.
Bis heute sind daher mehr als 80 Prozent der Japaner gegen eine atomare Bewaffnung. Die amtliche Position ist allerdings ambivalenter.
Einerseits gelten die drei nichtnuklearen Prinzipien, die der damalige Ministerpräsident Eisaku Sato 1967 formulierte, bis heute: Japan solle nukleare Waffen nicht besitzen, nicht herstellen und nicht im Land zulassen. Die Regierung setzt sich zudem global für atomare Abrüstung ein.
Andererseits setzt Japan wie viele europäische Länder auf eine nukleare Abschreckung durch den Verbündeten USA. Gleichzeitig hat sich die Regierung stets eine nukleare Option offengehalten. So erklärte die japanische Regierung im Jahr 2007, dass der Besitz von Atomwaffen grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar sei, obwohl Artikel 9 den Besitz von Kriegspotenzial verbiete. Denn die Waffen dienten der Selbstverteidigung.
Für diese Argumentation spricht die Theorie der atomaren Abschreckung. Die Idee ist, dass ein atomar bewaffneter Staat von seinen Gegnern nicht angegriffen wird, da sie atomare Gegenschläge fürchten müssen.
Drei Szenarien für eine atomare Aufrüstung Japans
Doch bis jetzt hat Japan atomar nicht aufgerüstet. Das liegt nicht nur an der breiten Ablehnung eines solchen Projektes in der Bevölkerung. Die Aufrüstung würde auch hohe finanzielle und diplomatische Kosten verursachen. Bau und Unterhalt der Bomben sind teuer. Und würde Japan wie Nordkorea aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Atombomben austreten, könnte es mit Sanktionen belegt werden.
Bisher war es für Japan nicht notwendig, atomar aufzurüsten. Das Land steht unter dem atomaren Schutzschirm der USA – und es vertraute darauf. Durch Trumps Zollkrieg ist dieses Vertrauen jedoch ins Wanken geraten. Der amerikanische Präsident teilt die Welt in Freund und Feind an, für Deals opfert er durchaus auch Verbündete.
Je nachdem, wie sich Trump mit Blick auf Asien verhält, gibt es unterschiedliche Szenarien für die Debatte in Japan:
- Harmonie: Trump wendet sich deutlich Asien zu, um China einzudämmen. Er stärkt das Bündnis mit Japan. Das Land steht sicher unter dem nuklearen Schutzschirm der USA, und die Japaner vertrauen darauf.
- Weiter so: Trumps Politik bleibt weiterhin uneindeutig. Die Verunsicherung in Japan wächst zwar, die Japaner sprechen sich aber dennoch gegen eine atomare Aufrüstung aus. Erst ein Schock von aussen würde die öffentliche Meinung verändern. Das könnte zum Beispiel ein Angriff Chinas auf Taiwan sein, wobei die USA dem angegriffenen Land nicht zu Hilfe eilen und den Aggressor einfach gewähren lassen würden. Den Japanern würde deutlich, wie schutzlos sie sind.
- Bruch: Die USA treten einen globalen Rückzug an und überlassen Asien China. Südkorea würde atomar aufrüsten, um sich vor China zu schützen. Japan würde alsbald folgen.
Die Rolle als Friedensmacht: zwischen Moral und Realpolitik
Wie es weitergeht, weiss niemand. Der Atomwaffenexperte Ankit Panda glaubt nicht daran, dass sich die Abrüstungsbewegung bald auflöst. «Sie wird mit uns sein, solange es Atomwaffen gibt», sagt er. Japans Geschichte könne dabei eine wichtige Rolle für die Welt spielen.
Er sagt: «Japan hat die enorme Gelegenheit und zugleich die Last, die Erinnerung an den nuklearen Einsatz von 1945 weiterzutragen.» Japan habe eine moralische Autorität, die immer wertvoller werde. Dieser Tage sei das Tabu gegen Atomwaffen brüchig geworden.
Panda hofft, dass Japan im neuen Atomzeitalter weiterhin die Balance findet. Eine Balance zwischen Friedensmacht, latenter Atommacht, dem atomaren Schutzschirm der USA und dem Verzicht auf die Bombe.
Doch in einer zunehmend multipolaren Welt ist der Verzicht auf Atombomben nicht mehr selbstverständlich – weder in Japan noch im Rest der Welt.
Siehe zum Einsatz der Atombome 1945 die Sichtweise der US-Amerikaner:
80 years later, Americans have mixed views on whether use of atomic bombs on Hiroshima, Nagasaki was justified – Pew Research Center, 28.7.2025
Today, 35% of Americans say using the atomic bomb on Japan in 1945 was justified, while 31% say it was not justified. A third say they are not sure….
NAHER OSTEN – MENA WATCH (Mena-Watch auf Wikipedia)
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EUROPA
Deutsche Politiker kritisieren von der Leyen für Zoll-Abkommen – 6.8.2025
Berlin – Einen Tag vor Inkrafttreten des 15-Prozent-Zollsatzes auf die Importe von EU-Produkten in die USA sorgen die jüngsten Äußerungen des US-Präsidenten für Empörung bei deutschen Politikern. Trump hatte im TV-Sender CNBC gedroht, falls die EU nicht wie angekündigt 600 Milliarden Dollar in den USA investiert, werde er Zölle von 35 Prozent verhängen. Zudem bezeichnete der US-Präsident die 600 Milliarden als „Geschenk“ der EU. Er könne damit machen, was er wolle.
Der JU-Vorsitzende Johannes Winkel (CDU) kritisierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die die Vereinbarung mit Trump verhandelt hatte, nun scharf. „Die Kommissionspräsidentin hat mit der Investitionszusage ein Versprechen abgegeben, das sie im Zweifel gar nicht halten kann“, sagte er dem „Spiegel“. Der Grundfehler der Vereinbarung mit Trump bleibe jedoch, „dass Europa seinen beachtlichen Hebel bei digitalen Dienstleistungen nicht in die Verhandlungen eingebracht hat“, so Winkel. „Dieser ‚Deal‘ ist vorne und hinten schief.“
Linkenchefin Ines Schwerdtner sagte, Trumps Äußerungen zeigten, „dass die Zustimmung zu diesem Deal für Europa ein Fehler war“. Trump werde „in typischer Schulhofbully-Manier weiter provozieren und die EU vor sich hertreiben“, sagte Schwerdtner dem Nachrichtenmagazin. Es brauche nun Strategien, damit Europa eigenständiger werde. „Statt auf diesen Deal zu setzen, müssen wir alles daransetzen, künftig weniger erpressbar zu sein“, sagte Schwerdtner. „Dazu gehören ein stärker integrierter Binnenmarkt, eine bessere Lohnentwicklung in den Mitgliedstaaten und eine eigenständige Industriepolitik.“
Der Vizevorsitzende der Grünen im Europaparlament, Sergej Lagodinsky, sagte dem „Spiegel“, es sei schwer, mit dem Weißen Haus zu belastbaren Absprachen zu kommen. „Insofern würde ich die Unsicherheit, die bleibt, nicht Frau von der Leyen vorwerfen.“ Allerdings sei Trumps Vorgehen eine Erinnerung an alle in der EU, dass Absprachen mit Trump möglichst eindeutig sein müssten. „Es geht nicht, dass wir Zugeständnisse machen, die in beide Richtungen unterschiedlich verkauft werden, das kann mit diesem Präsidenten gefährlich werden.“
© 2025 dts Nachrichtenagentur
KOMMENTARE – ANALYSEN – HINTERGRÜNDE
Das Vertrauen ist weg: Warum Europa handeln muss – Michael Süss, Nzz, 7.8.2025
Wenn es Europa gelingt, wieder Vertrauen zu schaffen in seine Institutionen, in seine Politik, in seine Wirtschaft, wird es wieder wachsen. Gefragt sind weniger Ideologie und mehr Realitätssinn.
Europa steht an einem Wendepunkt: Vertrauen, wirtschaftliche Stärke und politische Handlungsfähigkeit schwinden, Investoren wenden sich ab, Talente bleiben fern, Unternehmen zögern mit Investitionen. Der wirtschaftliche Motor Europas stottert – nicht weil es an Potenzial fehlt, sondern weil es an Vertrauen mangelt. Vertrauen in die Politik, in die Institutionen, in die Zukunftsfähigkeit des Kontinents.
Regulatorische Sackgasse
Insbesondere die EU hat sich in eine regulatorische Sackgasse manövriert. Statt Ziele zu setzen, werden Verbote ausgesprochen. Statt Innovation zu fördern, wird kontrolliert, gelenkt, gegängelt. Beispiel Automobilindustrie: Während Europa sich selbst mit Verboten für Verbrennerfahrzeuge knebelt, verlagert sich die Produktion in Länder mit deutlich höheren CO2-Emissionen. Das ist nicht Klimaschutz, das ist Realitätsverweigerung. Die Schweiz zeigt, wie es besser geht: klare Rahmenbedingungen, wenig Bürokratie, viel Eigenverantwortung. Europa muss lernen, mit Augenmass zu regulieren – und der Wirtschaft wieder Luft zum Atmen geben.
Politik, Wissenschaft, Kultur, Gesundheitswesen – sie alle geben Geld aus. Aber nur die Wirtschaft verdient es. Wer das vergisst, gefährdet die Grundlage unseres Wohlstands. Und doch erleben wir in Europa eine Politik, die genau das tut: Sie belastet die Wirtschaft mit immer neuen Auflagen, Steuern, Abgaben. Sie verunsichert Investoren mit ständig wechselnden Regeln. Sie ignoriert, dass Vertrauen die Voraussetzung für Investitionen ist – nicht Subventionen, nicht Planwirtschaft, sondern Vertrauen in stabile, verlässliche Rahmenbedingungen.
Ob Zölle der USA oder Exportkontrollen durch China – Europa duckt sich weg. Jüngstes Beispiel: der 15-Prozent-Zoll-Kompromiss mit den USA. Was als Erfolg verkauft wird, ist in Wahrheit ein Deal aus der Defensive – abgeschlossen, um noch drastischere Strafzölle auf europäische Exporte zu verhindern. Dabei hätte Europa, im Gegensatz zur kleinen Schweiz, das Gewicht – mit fast einer halben Milliarde Bürgern und rund 15 Prozent des globalen BIP –, selbstbewusst aufzutreten. Doch statt einer aktiven Verhandlungsstrategie erleben wir eine Politik der Schadensbegrenzung. Wer aus Angst vor dem Schlimmeren Kompromisse eingeht, stärkt nicht das Vertrauen – er schwächt es.
Sozialstaat am Limit – Zeit für Ehrlichkeit
Europa hat kein Einnahmenproblem – es hat ein Ausgabenproblem. Die demografische Entwicklung ist eindeutig: Überalterung, sinkende Geburtenraten, steigender Pflegebedarf. Gleichzeitig explodieren die Sozialausgaben – nicht zuletzt durch eine Migrationspolitik, die mehr moralisch als strategisch motiviert ist. Integration gelingt nicht durch Alimentierung, sondern durch Teilhabe. Und Teilhabe setzt voraus, dass Menschen bereit und in der Lage sind, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen.
Zugleich muss Europa anerkennen, dass eine unklare oder überforderte Asylpolitik gesellschaftliche Spannungen verschärfen kann – und damit auch Radikalisierung Vorschub leistet. Wer diese Realität ignoriert, überlässt das Feld jenen, die sie politisch instrumentalisieren.
Als Bayer, der seit über zehn Jahren in der Schweiz lebt und arbeitet, kann ich sagen: Deutschland und Europa können viel von der Schweiz lernen. Die Schweiz lebt Subsidiarität, Pragmatismus und Bürgernähe. Sie vertraut ihren Bürgern – und wird dafür mit wirtschaftlicher Stabilität belohnt. Klare Regeln, schlanke Strukturen, ein starker Mittelstand. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer politischen Kultur, die auf Eigenverantwortung setzt.
Unternehmer tragen Verantwortung – nicht nur für ihre Unternehmen, sondern auch für das gesellschaftliche Umfeld, in dem sie agieren. Es reicht nicht, Missstände zu beklagen. Als Unternehmer müssen wir unsere Stimme erheben, uns einmischen, Lösungen vorschlagen. Nicht aus politischem Kalkül, sondern aus Sorge um die Zukunft unseres Kontinents. Wer schweigt, macht sich mitschuldig. Wer handelt, gestaltet mit.
Zurück zur sozialen Marktwirtschaft
Was Europa jetzt braucht, ist eine Rückkehr der sozialen Marktwirtschaft. Ein System, das Leistung belohnt und niemanden zurücklässt, das Innovation fördert und Verantwortung einfordert; ein System, das auf Vertrauen basiert – in Menschen, Unternehmen und Gesellschaft. Die soziale Marktwirtschaft ist kein Relikt, sondern ein Erfolgsmodell. Sie ist das Gegenteil von Planwirtschaft und Turbokapitalismus. Sie ist das Fundament eines Europas, das wieder wachsen will.
Wenn Europa wieder Vertrauen schafft – in seine Institutionen, seine Politik, seine Wirtschaft –, dann wird es auch wieder wachsen. Dann werden Investoren zurückkehren, Talente bleiben, Unternehmen investieren. Aber dafür braucht es Mut zur Veränderung. Weniger Ideologie, mehr Realitätssinn. Weniger Symbolpolitik, mehr Substanz. Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen.
Europa hat das Potenzial, gestärkt aus dieser Phase hervorzugehen. Aber nur, wenn es jetzt handelt.
Michael Süss ist seit 2015 Präsident des Verwaltungsrats der OC Oerlikon Corporation und seit 2022 Executive Chairman sowie Vorsitzender der Konzernleitung.
DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
UMFRAGEN
08:45 | Tiroler SPÖ im Umfragetief: Haben „nicht das beste Bild abgegeben“ | 1 | Kurier | |
Mi | Gewerkschaftsumfrage: Fast 90 Prozent der Berliner Kita-Erzieherinnen sind überlastet | 1 | RBB Online | |
Mi | Wolters Kluwer-Umfrage offenbart wichtige Faktoren für die Jobzufriedenheit niederländischer Accounting-Fachkräfte | 315 | Business Wire | |
Mi | Umfrage zur US-Zollpolitik: Zwei Drittel der Berliner Exporteure klagen über Einbußen | 2 | Der Tagesspiegel | |
Mi | Umfrage: Viele Händler haben Probleme bei Social-Media-Marketing | 262 | dts Nachrichtenagentur | |
Mi | Scheidung und Finanzen: Mehr Beratung gewünscht / Repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag von Canada Life | 260 | news aktuell | |
Mi | Umfrage: Unternehmen bleiben bei Investitionen auf der Bremse | 3 | Reuters Deutschland | |
Mi | Blitzumfrage: Deutsche Unternehmen sehen in US-Zolldeal „bittere Pille“ | 2 | Reuters Deutschland | |
Mi | Zollpolitik: Umfrage zeigt Sorgen deutscher Unternehmen | 1 | VerkehrsRundschau | |
Mi | DIHK-Umfrage: Zoll-Deal bringt deutschen Unternehmen neue Sorgen | 1 | tagesschau.de | |
Mi | Umfrage: Zoll-Deal bringt deutschen Unternehmen neue Sorgen | dpa-AFX |
GREIX Q2 2025: Leichtes Plus am Immobilienmarkt – Allzeithochs sind auf absehbare Zeit nicht in Sicht – Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel), 6.8.2025
Kurzfassung: Die Kaufpreise für Wohnimmobilien in Deutschland haben im zweiten Quartal 2025 erneut angezogen, große Sprünge blieben aber aus. Am deutlichsten stiegen die Preise für Einfamilienhäuser, während Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser nur leicht und im Gleichklang mit der allgemeinen Teuerung zulegten. Fast überall liegen die Kaufpreise aktuell noch deutlich unter den Allzeithochs aus dem Jahr 2022, bei der gegenwärtig eher schwachen Dynamik würden diese im bundesweiten Durchschnitt erst in rund 4 Jahren wieder erreicht. Diese Erkenntnisse basieren auf dem jüngsten Update des German Real Estate Index (GREIX), ein Gemeinschaftsprojekt der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte, ECONtribute und dem Kiel Institute für Weltwirtschaft (IfW Kiel).
Kabinett segnet Gesetzentwurf ab Bund nimmt „neue Brennpunkte“ der Schwarzarbeit ins Visier – n-tv, 6.8.2025
„Wir legen eine härtere Gangart ein“, sagt Finanzminister Klingbeil und stellt mit Arbeitsministerin Bas Maßnahmen gegen Schwarzarbeit vor. Die Ministerin nennt einen entsprechenden Gesetzentwurf einen „wichtigen Meilenstein“ im Kampf gegen illegale Beschäftigung. Die Opposition ist nicht begeistert.
Die Bundesregierung will den Kampf gegen Schwarzarbeit in Deutschland verstärken. Dafür beschloss das Kabinett einen Gesetzentwurf, der unter anderem Barbershops und Nagelstudios strengere Regeln auferlegt. Zugleich sollen Kompetenzen der Zoll-Einheit Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) erweitert, die Datenanalyse verbessert sowie Prüfungen vereinfacht werden, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte.
„Wir legen eine härtere Gangart ein, um gegen diejenigen vorzugehen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit und auf dem Rücken von illegal beschäftigten Arbeitskräften bereichern“, erklärte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas begrüßte den Entwurf „als wichtigen Meilenstein zur weiteren Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung“.
Mit dem Gesetz wird die Friseur- und Kosmetikbranche in den Katalog der von Schwarzarbeit besonders betroffenen Branchen aufgenommen. Dann wären Beschäftigte in diesem Sektor verpflichtet, ihre Ausweise mit sich zu führen. Für die Arbeitgeber gilt bei Inkrafttreten die Sofortmeldepflicht bei Neuaufnahme von Beschäftigungsverhältnissen.
SPD-Chef Klingbeil sagte bei einem gemeinsamen Termin mit seiner Partei-Co-Chefin Bas, dass die Aufnahme des Gewerbes „in enger Absprache mit dem Friseurhandwerk“ geschehe. Barbershops sowie Kosmetik- und insbesondere Nagelstudios gehörten zu den „neuen Brennpunkten der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung“, auf die sich die FKS künftig konzentrieren soll, erklärte das Finanzministerium.
Linke prangert „Generalverdacht gegen die Schwächsten“ an
Kritik kam von Linken-Chefin Ines Schwerdtner. „Profiteure der Schwarzarbeit sind nicht die Beschäftigten, sondern die Unternehmer, die Löhne drücken und Sozialabgaben umgehen“, sagte Schwerdtner dem Nachrichtenportal ZDFheute.de. „Es ist nicht Aufgabe jeder einzelnen Beschäftigten, ihre Arbeitsrechte durch Ausweiskontrollen selbst zu sichern.“ Sie wünsche sich klare Regeln und keinen „Generalverdacht gegen die Schwächsten“.
Andere Branchen werden laut Gesetzentwurf von der Liste genommen. Das ist zum einen die Forstwirtschaft, da sie „keine besondere Risikobranche mehr darstellt“. Die vorliegenden Zahlen gäben dies her, sagte Klingbeil.
Zum anderen wird das Fleischerhandwerk von der Fleischindustrie abgegrenzt und damit von der Liste gestrichen – im Vergleich zur Fleischindustrie sei es nach Erkenntnis der FKS weniger anfällig für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung, hieß es zur Begründung.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) begrüßte dies als „gut und richtig“. Die bisherigen Regelungen „orientierten sich klar an den Bedingungen der Fleischindustrie und wurden den Lebens- und Betriebswirklichkeiten im Fleischerhandwerk nicht gerecht“, erklärte ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt forderte auch die Einstufung der Landwirtschaft als Risikobranche. Für diese seien die Kontrollmaschen „weiterhin zu locker“, erklärte IG-Bau-Chef Robert Feiger. „Dabei sind immer wieder gerade bei der Arbeit auf den Feldern und in den Ställen illegale Machenschaften an der Tagesordnung.“
FKS soll gestärkt werden
Der Gesetzentwurf werde auch die Rolle der FKS als „kleine Staatsanwaltschaft“ stärken, sagte Klingbeil. Sie könne dann Fälle „von Anfang bis Ende verfolgen“. Überdies wird die Zoll-Einheit dem Entwurf zufolge am Polizeilichen Informationsverbund teilnehmen – das heißt laut Ministerium, dass sie nicht mehr aufwendig die Polizei etwa bei der Identifizierung von illegal Beschäftigten um Amtshilfe ersuchen muss.
Bundesarbeitsministerin Bas sagte, sie sei froh, dass Klingbeil die Datenbasis dafür geschaffen habe, dass die Erkenntnisse und Ermittlungen des Zolls „auch recht schnell an die Jobcenter weitergeliefert werden“, damit diese zu Unrecht gezahlte Sozialleistungen zurückfordern könnten. Sozialleistungsbetrug und auch Schwarzarbeit seien „kein Kavaliersdelikt“.
Durch das Gesetz entstehen laut Entwurf „erhebliche Mehreinnahmen“. So werden schon für das nächste Jahr Mehreinnahmen von mehr als 1,26 Milliarden Euro prognostiziert. Bis 2029 sollen sie auf über zwei Milliarden Euro anwachsen.
Quelle: ntv.de, fzö/AFP
Mütterrente und Haltelinie Kabinett beschließt milliardenschweres Rentenpaket – n-tv, 6.8.2025
Es wird teuer, so viel ist schon jetzt klar: Die Bundesregierung bringt das Milliarden-Paket zur Absicherung des Rentenniveaus und zur Ausweitung der Mütterrente auf den Weg. Die Kosten werden vollständig aus dem Bundeshaushalt getragen – und damit von den Steuerzahlern.
Die Bundesregierung hat ein milliardenschweres Rentenpaket zur Absicherung des Rentenniveaus und zur Ausweitung der Mütterrente auf den Weg gebracht. Das Kabinett billigte einen entsprechenden Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas von der SPD.
Damit wird das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent des jeweils geltenden Durchschnittslohns gesichert. Diese sogenannte Haltelinie verhindert, dass die Renten langsamer steigen als die Löhne. Das Rentenniveau ist eine Rechengröße, die das Verhältnis zwischen einer Standardrente und dem Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer beschreibt. Es sagt nichts über die konkrete Höhe der individuellen Rente aus. Ohne die neue Regelung würde das Niveau nach aktuellen Prognosen bis 2031 auf 47,0 Prozent und bis 2040 auf 45 Prozent sinken.
Zudem erhalten Eltern von vor 1992 geborenen Kindern ab 2027 drei statt bislang zweieinhalb Jahre Erziehungszeiten bei der Rente angerechnet. Dies soll spätestens 2028 umgesetzt sein, aber dann rückwirkend ab 2027 gezahlt werden. Die Erhöhung der Mütterrente bedeutet pro Kind rund 20 Euro mehr im Monat.
Die Kosten werden vollständig aus dem Bundeshaushalt und damit von den Steuerzahlern getragen. Laut Gesetzentwurf erhöhen sich die zusätzlichen Ausgaben für den Bund mit zunächst rund neun Milliarden Euro im Jahr 2027 bis zum Jahr 2030 auf 14,5 Milliarden Euro jährlich. Bis 2040 steigt der Betrag auf knapp 20 Milliarden Euro an. Der größte Teil davon entfällt auf die Sicherung des Rentenniveaus. Die Finanzplanung von Finanzminister Lars Klingbeil von der SPD für die Jahre bis 2029 weist allerdings hohe zweistellige Milliardenlücken auf.
Die im Koalitionsvertrag ebenfalls vereinbarte sogenannte Aktiv- und Frühstartrente sind nicht Teil dieses Gesetzespakets. Diese Vorhaben, die unter anderem Steuervorteile für arbeitende Rentner und eine private Altersvorsorge für Kinder vorsehen, liegen in der Federführung des Finanzministeriums und benötigen nach Angaben aus der Regierung mehr Zeit für die Umsetzung.
Quelle: ntv.de, ghö/rts
KOMMENTARE – ANALYSEN – HINTERGRÜNDE
KOMMENTAR – Milliardenschweres Reformpaket: Wann kollabiert das deutsche Rentensystem? – Johannes C. Bockenheimer (Berlin), NZZ, 6.8.2025
Die Bundesregierung hat sich auf eine Novelle der Altersvorsorge geeinigt. Zwei führende Ökonomen warnen: Die Massnahmen könnten die Probleme der Rentenkasse sogar verschärfen. Sie erklären, welche Schritte jetzt wirklich nötig wären – und wie viel Zeit dafür noch bleibt.
COMMENT: Die Ausführungen in diesem Artikel berühren auch Probleme des österreichischen Rentensystems. Auch in Österreich frönt man einer Vogel-Strauss-Politik, und dies seit langem.
Sommerloch – so nennen Journalisten die Wochen, in denen das Parlament pausiert und Spitzenpolitiker fernab des Berliner Regierungsviertels verweilen. Häufig füllen in dieser Zeit kuriose Tiergeschichten die Schlagzeilen: In der Vergangenheit war das etwa eine entlaufene Kuh namens Yvonne, ein Kaiman in rheinländischen Badeseen oder das Känguru Skippy im Sauerland.
In diesem Jahr aber sorgt kein Tier für Gesprächsstoff. Stattdessen beschäftigt eine überaus ernste Debatte die Republik, die weit über die Sommermonate hinausreicht: jene über die Zukunft des Rentensystems.
Losgetreten hat die Diskussion die Wirtschaftsministerin Katherina Reiche. «Die Lebensarbeitszeit muss steigen», hatte die CDU-Politikerin in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» gesagt. Es könne auf Dauer nicht gutgehen, wenn die Bürger nur zwei Drittel ihres Erwachsenenlebens arbeiteten und ein Drittel in Rente verbrächten.
Die Wortmeldung der Ministerin sorgte bereits kurz nach der Veröffentlichung für Ärger – nicht zuletzt beim sozialdemokratischen Koalitionspartner. In den Koalitionsverhandlungen sei sehr klar besprochen worden, dass es keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben werde, wies der Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil seine Kabinettskollegin zurecht. Es helfe nicht, wenn es Rufe «von der Seitenlinie» gebe. Die zuständige Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas von der SPD nannte die von ihrer CDU-Kollegin losgetretene Diskussion eine «Scheindebatte».
Selbst aus den Reihen ihrer eigenen Partei konnte Reiche nicht auf Unterstützung für ihre Forderung hoffen. Bundeskanzler Friedrich Merz hat die Äusserung seiner Parteikollegin bislang mit eisigem Schweigen bedacht. Eine Debatte über die Zukunft des Rentensystems, so scheint es, will der deutsche Regierungschef um jeden Preis vermeiden.
Wirtschaftsweiser sieht System in Schieflage
Dabei gäbe es viel zu besprechen. Davon jedenfalls sind Experten überzeugt. «Ohne Reformen gerät unser Rentensystem in Schieflage – die Frage ist nicht, ob, sondern wann», mahnt Martin Werding. Für den Ökonomen von der Ruhr-Universität Bochum hat der Zerfallsprozess längst begonnen. Denn schon heute liege die Abgabenquote für die Sozialsysteme bei 42 Prozent. «Das ist kritisch, denn die 40-Prozent-Marke ist ein Kipppunkt, an dem das System instabil wird.»
Der Ökonom, der als Wirtschaftsweiser auch die Bundesregierung berät, erinnert an die 1990er Jahre: Auch damals habe die Abgabenquote bereits jenseits dieser Schwelle gelegen – und schwere Folgen für die Wertschöpfung im Land gehabt. «Die hohen Lohnkosten verschärften damals die Massenarbeitslosigkeit. Erst durch Reformen und sinkende Abgaben konnte das System gerettet werden», sagt Werding.
Diesmal aber sei die Lage dramatisch anders. «Damals lag die hohe Belastung an der Massenarbeitslosigkeit – ein Problem, das sich lösen liess.» Heute hingegen rolle eine demografische Welle auf das Land zu: Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, gleichzeitig gibt es immer weniger junge Menschen, die für sie zahlen müssen.
Auch der Ökonom Bernd Raffelhüschen ist deshalb überzeugt: «Dies ist die letzte Bundesregierung, die unser Rentensystem noch retten kann.» Werde in den kommenden vier Jahren nichts getan, würden die politischen Hebel ihre Wirkung verlieren. Ab Mitte der 2030er Jahre, so der Freiburger Wissenschafter, seien Massnahmen wie eine Anhebung des Rentenalters kaum mehr wirksam. Dann bleibe nur noch ein Reagieren von Jahr zu Jahr – ein Flickenteppich aus Notmassnahmen und Kürzungen.
Altersvorsorge auf Kredit
Schon heute finanziert Deutschland seine Rente zumindest teilweise auf Kredit. Der Staat verschuldet sich immer stärker, um laufende Ausgaben zu decken. «Das funktioniert, solange Deutschland Vertrauen auf den Finanzmärkten geniesst», sagt Raffelhüschen. Doch sollte dieses Vertrauen schwinden, drohen harte Sparmassnahmen oder eine Geldpolitik, die die Inflation anheizt. Am Ende, so der Ökonom, «zahlen die Bürger die Zeche».
Werding ergänzt, dass die Beitragssätze in der Rentenversicherung in den kommenden Jahren unweigerlich steigen werden – von derzeit knapp 19 Prozent auf 20 Prozent bis 2028, weil die Rücklagen der Rentenkasse erschöpft sind.
Hinzu kommt: Auch in den anderen Sozialkassen, der Kranken- und der Pflegekasse, klaffen riesige Finanzlücken. «Wir sprechen also von einer Zukunft, in der für jeden verdienten Euro 50 Cent in die Sozialkassen wandern werden. Bis 2080 könnten es sogar knapp 60 Cent werden.»
Ein Szenario, das nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht, glaubt Raffelhüschen. «Wenn die Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Steuern und Abgaben abgeben müssen, gerät der Generationenvertrag ins Wanken», mahnt er. Besonders die junge Generation könnte sich vom System abwenden.
Leider finde aber eine ernsthafte Debatte über notwendige Reformen nicht statt, bedauert Werding. Im Gegenteil, «die Rentenpolitik der Bundesregierung ist schizophren»: Einerseits würden Gesetzentwürfe beschlossen, die alles noch teurer machten – zum Beispiel die sogenannte Haltelinie, die das Rentenniveau stabilisiert, oder die Mütterrente. «Andererseits reden Regierungsmitglieder von notwendigen Reformen. Das passt nicht zusammen.»
Werding spielt damit auf die am Mittwoch getroffenen Beschlüsse des Kabinetts an. Arbeitsministerin Bas hat ihren Kollegen ein Paket vorgelegt, das das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent festschreiben soll. Ohne diese sogenannte Haltelinie würde die Rente nach und nach im Verhältnis zu den Löhnen sinken. Der Grund: Immer weniger Beschäftigte müssen für immer mehr Rentner aufkommen. Die Rentenformel sieht diesen Mechanismus bewusst vor, damit auch Rentner einen Teil der Kosten der älter werdenden Gesellschaft mittragen.
Geplant ist ausserdem, die Mütterrente zu erhöhen: Ab 2028 sollen Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, für jedes Kind drei statt bisher zweieinhalb Rentenpunkte bekommen. Diese Massnahmen sind allerdings teuer. Schon 2029 könnten Mehrkosten von 4,1 Milliarden Euro entstehen, bis 2031 wären es 11,2 Milliarden Euro. Langfristig rechnet das Ministerium mit jährlichen Mehrbelastungen von bis zu 20 Milliarden Euro bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts.
Ökonomen fordern Reformen ein
Was aber tun gegen den Kollaps des Systems? Einig sind sich die Ökonomen, dass die Wirtschaftsministerin Reiche mit ihrer Forderung nach längeren Lebensarbeitszeiten recht hat.
«Wir müssen das Rentenalter schnell auf siebzig anheben, um die geburtenstarken Jahrgänge länger im Arbeitsleben zu halten», sagt Raffelhüschen. Andererseits müssten aber auch die Arbeitnehmer entlastet werden: Die Beitragssätze dürften nicht weiter steigen; stattdessen müssten die Leistungen an das Machbare angepasst werden. Heisst also: Auch die Rentner sollten sich auf Kürzungen einstellen.
Werding warnt allerdings davor, dass der demografigerechte Umbau des gesetzlichen Rentensystems schwierig werden dürfte. «Dafür gibt es innerhalb eines reinen Umlagesystems keine passende Stellschraube.» Er plädiert deshalb dafür, umzusteuern auf mehr ergänzende Kapitaldeckung – etwa durch mehr betriebliche oder private Vorsorge, die verbindlicher werden muss als bisher.
Doch die Zeit drängt, wie Werding eindringlich mahnt: «Ergänzende Vorsorge braucht eine Ansparphase, die fliegt nicht ab sofort. Volle Effekte hat sie erst, wenn eine Erwerbstätigen-Generation vierzig Jahre lang vorsorgt.» Weitere vier Jahre zu verlieren, wäre fatal. «Jedes Jahr Stillstand macht die Rettung teurer und schwieriger.»
Die Hoffnung vieler Politiker auf Wirtschaftswachstum als Rettungsanker weist Werding indes als Illusion zurück: «Wenn die Lohnnebenkosten durch explodierende Sozialabgaben immer weiter steigen, wird Arbeit so teuer, dass Unternehmen weniger Leute einstellen.» Weniger Beschäftigte bedeuteten deshalb weniger Beitragszahler – und das verstärke die finanzielle Anspannung noch.
Die Sommerpause mag zu Ende gehen, die Debatte um die Rente aber wird bleiben. Die Frage ist nur, ob die Politiker den Mut aufbringen, die unbequemen Wahrheiten anzusprechen – bevor es zu spät ist.
KOMMENTAR – Merkel und Obama – das Traumpaar der regelbasierten Weltordnung wird nostalgisch verklärt – Benedict Neff, NZZ, 7.8.2025
Angesichts eines disruptiven US-Präsidenten und einer sich verändernden Welt sehen viele in Obama und Merkel die letzten Aufrechten. Doch war früher alles besser? In mancherlei Hinsicht öffneten die beiden die Tür zum Chaos.
Donald Trump ist die erste allgemeine Verunsicherung der Gegenwart. Mit eigenwilligen Berechnungen belegt er die Welt mit Zöllen. Er operiert mit Fristen, die sich plötzlich verlängern oder aber auch verkürzen können. Er droht anderen Ländern mit Gewalt und Annexionen, gleichzeitig betont er, nichts sei ihm wichtiger, als weltweit Frieden zu stiften. Alles ist darauf angelegt, nicht berechenbar zu sein. In dieser extremen Ausprägung ist Trump die personifizierte Absage an die regelbasierte Weltordnung.
Damit liefert Trump eine Politik, die perfekt zugeschnitten ist auf das Medienzeitalter. Sie ist eine Folge dramatischer Ansagen und Episoden – da nichts wirklich Bestand hat, heisst es täglich: Schalten Sie morgen wieder ein.
Trump hat wie kein anderer Politiker die Macht des Entertainments erkannt, und so sendet er nahezu permanent. Werte, Moral und insbesondere die Wahrheit sind bei ihm relative Kategorien. Trump hält sich an Fakten, an alternative Fakten und an Verschwörungstheorien. Er lügt und hat gleichzeitig eine Ehrlichkeit, die schon wieder entwaffnend ist. In seiner ersten Amtszeit befragte ihn der Journalist Bill O’Reilly zu Putin und sagte, dieser sei ein Mörder. Trump: «Glauben Sie, unser Land ist so unschuldig?»
Die Macht des Unsinns
Trump ist nicht der einzige Politiker, der die Welt daran erinnert, dass das Recht des Stärkeren gilt. Aber er ist der stärkste, und im Westen getraut sich kein anderer Politiker, Macht so roh darzustellen. Die absolute Machtdemonstration gipfelt darin, offensichtlich den grössten Unsinn zu erzählen und diesen Unsinn von den Versammelten abnicken zu lassen. Das macht Trump täglich.
Politiker anderer Länder müssen sich mit Trump arrangieren, und die wenigsten machen dabei eine gute Figur. Die Schweizer Bundesrätin Karin Keller-Sutter glaubte, das Trump-Management besonders im Griff zu haben und den Präsidenten telefonisch belehren zu können. Als sie den Hörer auflegte, war die Schweiz mit Zöllen von 39 Prozent konfrontiert. Andere Politiker sind erfolgreicher, aber müssen sich dafür oft bis an die Grenzen der Selbstachtung begeben.
Merkel mahnte noch Werte an
In dieser Zeit wirken Angela Merkel und Barack Obama wie die Figuren aus einer vergangenen Epoche, das Traumpaar der regelbasierten Weltordnung. Als Trump 2017 zum ersten Mal Präsident wurde, erinnerte ihn Merkel an eine Reihe von Werten wie Demokratie, Freiheit, Respekt vor der Würde des Menschen. «Auf der Basis dieser Werte» bot sie ihm eine Zusammenarbeit an. Wer würde das heute noch wagen? In ihrer Biografie «Freiheit» schreibt Merkel über das erste Gespräch in Washington: «Wir redeten auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Trump auf der emotionalen, ich auf der sachlichen.»
Über ihr Buch sprach Merkel Ende des letzten Jahres auch mit Barack Obama in einem Konzertsaal in Washington, vor 3000 Menschen. Die Medien haben darüber nostalgisch geschrieben. In der Berichterstattung klang die Zeile der «New York Times» an, die Merkel nach Obamas zweiter Amtszeit zur «letzten Verteidigerin des freien Westens» erhob.
Die Warnungen der Säulenheiligen
Sowohl Merkel als auch Obama rufen sich als Säulenheilige der Politik und Vertreter des Weltgewissens immer wieder in Erinnerung.
Obama warb im amerikanischen Wahlkampf für Kamala Harris und warnte vor einer Rückkehr Donald Trumps: «Dies sind keine gewöhnlichen Zeiten, und dies sind keine gewöhnlichen Wahlen.»
Merkel warnte Friedrich Merz davor, mit der AfD im Parlament zu paktieren. Sie kritisierte auch die nationalen Grenzkontrollen der Merz-Regierung. «Ich habe mich immer für europäische Lösungen eingesetzt», sagte sie am Rande einer ihrer Buchlesungen.
Besorgtheit, aber auch eine gewisse Selbstgefälligkeit sind diesen Auftritten eigen. Doch seit die Welt mit dem bombastischen Ego von Trump konfrontiert ist, wirken auch diese Einlagen bescheiden. Sowohl Obama als auch Merkel haben im Vergleich zu Trump ein entscheidendes Kapital: ihre Integrität. Selbst ihre grössten Kritiker machen ihnen kaum den Vorwurf, dass sie Politik zur eigenen Bereicherung betrieben haben. Bei Trump ist dies offensichtlich anders: Es gibt keine Trennlinie zwischen Macht- und Gewinnstreben. Schamlos lädt er die Top-Käufer seiner Krypto-Münzen zum exklusiven Galadinner mit ihrem «Lieblingspräsidenten» ein.
Bis heute erinnern Statistiken an das Vertrauen, das Merkel und Obama bei vielen Menschen geniessen. Zu Merkels 70. Geburtstag kam eine Yougov-Umfrage heraus, in der 61 Prozent der Deutschen erklärten, dass sich die Verhältnisse seit ihrem Abschied von der Politik verschlechtert hätten. Laut einer Yougov-Umfrage in den USA ist Barack Obama auch 2025 noch der beliebteste Politiker der Demokraten. «The Atlantic» schrieb kürzlich: «Die Demokraten lieben nichts mehr, als Obama als Denkmal für die Unaufrichtigkeit der Republikaner hochzuhalten.»
Obamas Mahnungen an Merkel
So schön das ist, es hat auch etwas irritierend Restauratives. Sollten die Demokraten nicht endlich eine neue Führungsfigur aufbauen? Nostalgie ist das Heroin des Alters, und so lohnt es sich, sich einige Aspekte der alten Politik kritisch zu vergegenwärtigen.
COMMENT: „Nostalgie ist das Heroin des Alters“ …
Merkel war eine vorsichtige Politikerin, im Effekt konnte dies bisweilen fast apathisch wirken. 2017 verkündete sie in einem bayrischen Bierzelt, dass die Zeiten der Verlässlichkeit vorbei seien: «Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.»
Diese Erkenntnis übersetzte sie allerdings nicht in politisches Handeln. In ihrer Biografie gesteht sie indirekt ein, dass sie die amerikanischen Mahnungen, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato einzuhalten, nicht wirklich ernst genommen hat. «Auch Obama hatte mir bei dem Thema immer wieder ins Gewissen geredet», schreibt Merkel in ihrer Biografie. «Bei Trump drohte die Sache aber gefährlicher zu werden, denn er stellte die Nato als gemeinsames Sicherheitsbündnis infrage.»
So statisch die Kanzlerin im Allgemeinen war, so sprunghaft konnte sie die Politik in manchen Feldern wechseln: Unter ihr vollzog Deutschland den Atomausstieg und begab sich in energiepolitische Abhängigkeit zu Russland. Die Kanzlerin wickelte auch die Aussetzung der Wehrpflicht ab. Beides sind folgenschwere Entscheide, die die deutsche Politik heute ausbaden muss.
Merkels Alleingänge
Angela Merkel verklärt ihre Politik gern als europäisch abgestimmt. Gerade in der Flüchtlingspolitik war das aber nur begrenzt der Fall, viele osteuropäische Länder lehnten die Willkommenspolitik von Anfang an ab. Es war eine Politik der moralischen Erpressung. Trotzig verteidigte sie ihre gesinnungsethische Haltung als die einzig richtige: «Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.» Im Falle der Flüchtlingskrise war Merkel selbst disruptiv.
Aber auch in der Russland-Politik setzte sie sich über die Bedenken der Nachbarländer hinweg. Polen und Balten warnten vor einer energiepolitischen Abhängigkeit Deutschlands von Putin. Merkel wollte billiges Gas und hielt an der Nord-Stream-2-Pipeline fest. Sie sah darin angeblich nie ein politisches, sondern nur ein wirtschaftliches Projekt. Eine rücksichtslose Politik zur Durchsetzung nationaler Interessen war auch Merkel nicht fremd.
Die idealistische Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, vielleicht ihr einziges visionäres Projekt, war gleichzeitig das Mobilisierungsmoment jener Kräfte, die sie gerade verhindern wollte: der Rechtspopulisten. Mit ihrer Willkommenspolitik löste sie bei vielen Bürgern erst Begeisterung und dann ein Gefühl von «Das ist nicht mehr mein Land» aus. Auf die Fremdeneuphorie folgte Ernüchterung bis offene Fremdenfeindlichkeit. Mit ihrem Werteabsolutismus hat Merkel eine Politik der Mitte verlassen. Auch wenn sie selbst Begriffe wie «Hell-» und «Dunkeldeutschland» nicht verwendete, so fallen sie doch auf ihre Politik zurück.
Verachtung fürs Volk
Diese wechselseitige Entfremdung von einer Regierungselite und von Teilen des Volks spielt auch in den USA eine grosse Rolle. Sie ist der Kern der grossen politischen Veränderungen im Westen überhaupt. Hillary Clinton, die Obama als Präsidentin beerben wollte, bezeichnete die Hälfte von Trumps Anhängern als «basket of deplorables» (Korb voller Bedauernswerter). Diese Leute seien rassistisch, sexistisch, homophob, fremdenfeindlich und islamfeindlich. Eine solche Arroganz gegenüber den Wählern glaubte man sich da noch leisten zu können, weil man die Macht der weissen Unterschicht völlig unterschätzte.
Der heutige Präsident attackierte Obama mit der Verschwörungstheorie, dass dieser kein Amerikaner sei. Niemand wisse, woher er komme, behauptete Trump und nötigte den Präsidenten 2011 schliesslich, der Öffentlichkeit eine Geburtsurkunde vorzulegen. An einem Galadinner im Weissen Haus machte sich Obama dann in Anwesenheit von Trump über ihn lustig. Nun, wo die Sache mit der Geburtsurkunde geklärt sei, könne sich Trump wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren, zum Beispiel auf die Frage: «Haben wir die Mondlandung nur vorgetäuscht?»
Das Video wurde millionenfach angeschaut, und so unterhielt Obama seinerseits mit Witz und Eloquenz ein linksliberales Milieu. Aber er fand kein Rezept, um ein amerikanisches Milieu anzusprechen, das zwar völlig anders lebte als Trump, aber mit diesem das Gefühl teilte, vom Establishment verachtet zu werden. Trump machte die «Bedauernswerten» zur Basis seines Erfolgs.
Gute Politik mit schlechten Absichten
Merkel verstehe Geschichte als eine Pendelbewegung, sagte der deutsche Politikwissenschafter Herfried Münkler einmal im «Spiegel». Um bei diesem Bild zu bleiben: Politik ist der grössenwahnsinnige Versuch, diese Pendelbewegungen zu beeinflussen. Sich den Zeitläuften nicht einfach zu ergeben, sondern gestaltend einzuwirken. Das Resultat der Gestaltungen von Merkel ist zu einem Teil die AfD, und das Werk von Obama ist zu einem Teil Donald Trump.
Das Verrückte und vielleicht auch Ungerechte ist, dass Politiker mit guten Absichten eine schlechte Politik und Politiker mit schlechten Absichten eine gute Politik machen können. Mit den Abraham-Abkommen hat Trump in seiner ersten Amtszeit etwa eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und dem Sudan angestossen. Die Bilanz von Obama im Nahen Osten ist hingegen miserabel. Nach dem überstürzten Abzug der Amerikaner aus dem Irak breitete sich der IS aus. In Syrien definierte Obama eine rote Linie, sollte das Asad-Regime Chemiewaffen einsetzen. Als es so weit kam, liess Obama das Land im Stich.
In mancherlei Hinsicht öffneten Merkel und Obama die Tür zu einer Welt, die sie heute besorgt kommentieren.
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN – APA-WAHLTREND
STATISTIK AUSTRIA
„Exporte im Mai 2025 rückläufig, Importe moderat gestiegen“
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„Umsatz von Handels- und Dienstleistungsunternehmen im Mai 2025 weiter über Vorjahr“
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„Großhandelspreise im Juli 2025 geringfügig unter Vorjahr“
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„Arbeitslosigkeit im 1. Quartal 2025 deutlich gestiegen“
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INTERVIEW – Sebastian Kurz: «Weil ich gegen Merkels Willkommenskultur war, wurde ich dargestellt, als sei ich ein Rechtsradikaler» – Benedict Neff, NZZ, 6.8.2025
Er war ein konservativer Hoffnungsträger in Europa. Nun äussert sich der ehemalige österreichische Bundeskanzler zu den migrationspolitischen Illusionen Europas und zu Gerichten, die als politische Waffe missbraucht werden.
Sebastian Kurz war in der Flüchtlingspolitik Angela Merkels Gegenspieler. Der damalige österreichische Aussenminister forderte schon früh ein «Ende der Einladungspolitik». Als Bundeskanzler machte er dann das, wovor viele Politiker und Journalisten in Europa immer noch warnen: Er ging eine Koalition mit den Rechtspopulisten ein.
Wie sieht er die europäische Migrationspolitik heute, wie den Umgang mit radikalen rechten Parteien? Und welche Rolle spielt dabei die Justiz? Das Gespräch findet an der Wiener Ringstrasse statt, in Sebastian Kurz’ Büro. Er ist jetzt Unternehmer, Investor und Berater.
Herr Kurz, Sie sind 2017 eine Koalition mit der FPÖ eingegangen. In Deutschland wiederum betreibt die Union eine Brandmauer-Politik gegen die AfD. Das heisst, eine Koalition kommt nicht infrage, nicht einmal Gespräche werden geführt. Was halten Sie davon?
Mein Weg war das nie, und ich glaube auch, dass das nicht unbedingt erfolgreich ist. Die Situation in Deutschland unterscheidet sich aber sehr von der in Österreich. Vor der letzten Wahl haben alle Parteien in Österreich eine Koalition mit der FPÖ unter Kickl klar ausgeschlossen. Das Ergebnis war, dass die FPÖ zum ersten Mal in der Geschichte den ersten Platz erreicht hat. Die AfD ist jedenfalls wesentlich radikaler als die FPÖ. Aber die Versuche der SPD in Deutschland, eine Partei zu verbieten, die bei der letzten Wahl über zwanzig Prozent der Stimmen erhalten hat, halte ich für demokratiepolitisch höchst problematisch. So ein Vorgehen sehen wir sonst nur in Ländern, auf die Europa mit dem erhobenen Zeigefinger weist. Was sowohl den rechten als auch den linken Parteien guttun würde, wäre eine konsequentere Abgrenzung von den extremistischen Rändern.
Sie haben einmal gesagt, die FPÖler seien nicht «Erben des Nationalsozialismus». Beurteilen Sie die AfD anders?
Die FPÖ ist deutlich breiter aufgestellt als die AfD. Sie war mehrmals in der Bundesregierung, regiert derzeit in fünf von neun Bundesländern und ist die stärkste Kraft im Parlament. Auch deshalb glaube ich, dass man die beiden Parteien nicht direkt miteinander vergleichen kann.
Hat die Regierungsbeteiligung die FPÖ gemässigt und pragmatischer gemacht?
Jede Partei, die regiert, wird pragmatischer. Sobald man in der Regierung ist, trägt man Verantwortung für ein ganzes Land, für hundert Prozent der Bevölkerung und nicht mehr nur für eine gewisse Gruppe. Es gibt einige rechte Politiker, die von den Medien hart bekämpft wurden und dann gezeigt haben, wie pragmatisch man regieren kann.
An wen denken Sie?
Zum Beispiel an Giorgia Meloni. Sie wurde von den Medien als Faschistin verteufelt, jetzt wird sie allseits gelobt und führt eine verlässliche und stabile Regierung. Heute steht Italien, was die Neuverschuldung anbelangt, deutlich besser da als Frankreich.
Auch vor Ihnen wurde gewarnt, als Sie Bundeskanzler wurden, besonders in Deutschland. In der Talk-Show «Maischberger» wurden Sie von der Moderatorin als «zarteste Versuchung, seit es Populismus gibt» angekündigt. Der Titel der Sendung lautete «Kanzler Kurz: Wunderknabe oder politischer Scharfmacher?».
Das war völlig absurd. Ich gehöre, seitdem ich 16 Jahre bin, der ÖVP an, einer christdemokratischen Partei. Weil ich gegen Merkels Willkommenskultur und gegen die Politik der offenen Grenzen war, wurde ich dargestellt, als sei ich ein Rechtsradikaler. Irgendwann einmal sollten wir in Europa eine normale Debattenkultur entwickeln, in der man auch Meinungen frei äussern kann, die im linken Mainstream nicht en vogue sind. Dieses permanente Moralisieren und Emotionalisieren tut uns nicht gut, es ist ein Grundproblem unserer politischen Auseinandersetzung.
Die «Financial Times» hat Sie 2018 einmal als «Rechtsaussen-Kanzler» bezeichnet. Sie haben dagegen über die österreichische Botschaft in Washington interveniert. Sind Sie zu dünnhäutig?
Mittlerweile ist es mir egal. Es war damals auch keine Intervention, sondern einfach nur ein Hinweis, dass es sachlich falsch ist. Das politische Spektrum reicht von sehr rechten bis sehr linken Parteien. Meine Partei, die ÖVP, ist einfach nicht rechts aussen angesiedelt, sondern Mitte rechts. Wenn man etwas anderes sagen will, soll man es sagen, das ist dann aber einfach falsch. Es ist so, als ob ich sagen würde: Ich heisse nicht Sebastian, sondern Franz. Mir gefällt auch das Wort «Rechtspopulismus» nicht.
Warum?
Meine Erfahrung ist diese: Wenn den Journalisten und Beobachtern das Wahlergebnis gefällt, dann ist es Demokratie, wenn ihnen das Wahlergebnis nicht gefällt, dann ist es Populismus. Der Begriff beinhaltet immer auch die Unterstellung, dass es den sogenannten Populisten gar nicht um Inhalte gehe. Aber Überraschung: Es gibt Menschen, die sind gegen ungehinderte Massenmigration. Das ist eine normale Haltung. Wer nicht links ist, ist nicht gleich unanständig oder ein Menschenfeind.
Der Begriff «Populismus» hat doch den Schrecken längst verloren. Man kann ihn benutzen, weil er das Beleidigende schon abgestreift hat.
Vielleicht wurde er schon so inflationär verwendet, dass es keinen mehr juckt. Ursprünglich war er der Versuch, alles, was nicht links ist, schlechtzumachen.
Sie haben aber gerade auch in Deutschland viel Lob bekommen. Konservative blickten während der Flüchtlingskrise und danach neidisch nach Österreich: «So geht regieren», schrieb etwa die «FAZ». Richard Grenell, der damalige amerikanische Botschafter in Berlin, bezeichnete Sie als «Rockstar». Sie waren für viele ein Sehnsuchtskanzler.
Als Politiker habe ich immer versucht, die Kritik nicht allzu ernst zu nehmen, aber mich auch nicht vom Applaus abhängig zu machen. Einfach meinem Instinkt zu folgen. Am Anfang war meine Linie in der Migrationspolitik für viele ein Skandal. Ich habe meine Haltung durchgestanden, als sie unpopulär war, und ich habe zur Kenntnis genommen, dass sie danach populärer wurde.
Wie beurteilen Sie die europäische Migrationspolitik heute?
Europa hat noch immer keinen funktionierenden Aussengrenzschutz. Wir verharren in alten Rechtsstrukturen, die nicht mehr zeitgemäss sind.
An welche denken Sie?
Die Regelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und vieler anderer europäischer Gesetze führen dazu, dass die EU handlungsunfähig ist. Wir können uns nicht aussuchen, wer zuwandern darf und wer nicht. Solange wir diese Entscheidung aber Schleppern überlassen, sind wir verloren. Und das halte ich für dramatisch. Es gibt kein erfolgreiches Land auf dieser Welt, das es in Kauf nimmt, Migrationsströme nicht zu steuern. Die Europäer glauben immer noch, es sei möglich, einen Wohlfahrtsstaat zu haben und gleichzeitig unbeschränkte Zuwanderung ins Sozialsystem. Das kann nicht funktionieren.
Was ist die Ursache für den Unwillen, dieses Problem zu lösen? Phänomene wie das Schleppersystem und der unzureichende EU-Aussengrenzschutz sind schon lange bekannt.
Es sind zwei Punkte. Zum einen die Furcht vieler Politiker, die notwendigen Entscheidungen zu treffen: rechtliche Veränderungen, ein robusteres Vorgehen gegen Schlepper, die Zurückweisung von Menschen, Pushbacks bei Flüchtlingsschiffen, generell ein ernsthafter eigener Grenzschutz. Zurzeit delegieren wir diese unangenehme Arbeit an Staaten wie die Türkei. Die Europäer haben Angst vor der eigenen Courage.
Was ist der zweite?
Es werden immer wieder Massnahmen ergriffen, die eine temporäre Reduktion der Migrationsströme bringen. Die Politiker weisen dann gern darauf hin, die Migrationszahlen seien um 30 oder 50 Prozent gesunken. Nicht selten vergleichen sie die Zahlen mit dem Jahr 2015.
Das heisst, zu sagen, die Zahlen gingen runter, ist für Sie nicht mehr als europäische Selbstbeschwichtigung?
Wer sich die absoluten Zahlen anschaut, sieht, dass diese trotz Rückgang immer noch extrem hoch sind. Unsere Gesellschaften verändern sich rasend. An den Wiener Schulen sind mittlerweile nur mehr 35 Prozent der Kinder christlich, über 40 Prozent der Kinder sind muslimisch. Die Kinder, die Deutsch als Muttersprache haben, werden immer weniger, und in manchen Bezirken sind es sogar unter 20 Prozent. Die Sicherheit in europäischen Städten wird prekärer, der importierte Antisemitismus nimmt zu. Abu Dhabi, die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, wurde gerade als sicherste Stadt der Welt ausgezeichnet. Europa konnte einmal so stolz auf seine Sicherheit und Lebensqualität sein. Wenn der Kampf gegen die illegale Migration nicht gelingt, dann werden viele grosse Städte irgendwann nicht mehr lebenswert sein. Die Sicherheitssituation wird katastrophale Ausmasse annehmen.
Ist das eine Dynamik, die Ihnen als Bürger Angst macht? Fürchten Sie eine Islamisierung der Gesellschaft?
Es geht nicht um die Frage der Religion, es geht einfach um die Frage: Wer tut unserem Land und unserer Gesellschaft gut? Wir brauchen mehr Menschen, die ins System einzahlen, und weniger, die aus dem System herausschöpfen. Das ist eine ganz einfache Logik. Europa muss die Talente und die Fleissigen anziehen.
Könnte eine Situation wie 2015 heute wieder eintreten?
Eins zu eins nicht mehr. Es gibt keine deutsche Bundeskanzlerin mehr, die versucht, Migranten von den Aussengrenzen möglichst schnell nach Mitteleuropa zu transportieren, und dabei auch noch sicherstellt, dass dies vom Steuerzahler finanziert wird. Das Jahr 2015 war reich an solchen Absurditäten, die sich so nicht wiederholen. Aber was noch immer gleich ist: Schlepper verdienen Geld damit, Menschen illegal nach Griechenland und Italien zu transportieren, damit diese von dort illegal nach Österreich, Deutschland oder Schweden weiterziehen, weil es in diesen Ländern das beste Sozialsystem gibt.
Mit 31 Bundeskanzler
ben. · Sebastian Kurz, 39, ist mit 16 Jahren der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) beigetreten. Mit 24 wurde er Staatssekretär für Integration, mit 27 Aussenminister und mit 31 Jahren Bundeskanzler der Republik Österreich. Damit war er weltweit der jüngste amtierende Regierungschef und der jüngste Bundeskanzler in der Geschichte Österreichs. Als solcher ging Kurz erst eine Koalition mit der FPÖ (2017–2019) und später mit den Grünen ein. 2021 trat er infolge von Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts von seinen politischen Ämtern zurück.
In Ihrem Buch «Reden wir über Politik» äussern Sie sich auch zum Krieg in der Ukraine. Es sei «unredlich, so zu tun, als hätte uns eine andere Politik den Krieg erspart». Was wollen Sie damit genau sagen?
Es gab viele, die gesagt haben, wir hätten schon vor zehn, fünfzehn Jahren viel härter gegenüber Russland auftreten müssen, dann wäre es 2022 nicht zum Krieg gekommen. Das halte ich für falsch: Wir können es nicht wissen, vielleicht wäre dann der Krieg sogar schon früher ausgebrochen.
Henry Kissinger, den Sie gut kannten, war der Ansicht, die Invasion der Russen in die Ukraine sei grösstenteils «der Auswuchs eines gescheiterten strategischen oder nur halbherzig geführten Dialogs». Hat er recht?
Die Frage ist legitim. Aber auch hier gilt die Antwort: Wir wissen es nicht. Putin glaubt, er habe das Recht darauf, zu entscheiden, wie sich ehemalige Sowjetstaaten in der Nachbarschaft Russlands heute politisch entwickeln. Dieses Recht hat Russland aber nicht. Er hat sich auch mir gegenüber über die Nato-Osterweiterung beklagt. Aber diese kann keine Rechtfertigung für diesen brutalen Angriffskrieg sein.
Verstehen Sie die schwankende Ukraine-Politik von Donald Trump?
Donald Trump hat zunächst sanft versucht, eine friedliche Lösung herbeizuführen. Putin hat sich darauf nicht eingelassen, und nun versucht es Trump mit mehr Druck. Insofern ja, ich verstehe diese Linie.
Sie klingen irritiert darüber, dass Trumps Friedensinitiative in Europa kritisch gesehen wird.
Ja. In Europa gibt es gerade eine Tendenz, jeden Versuch des Dialogs und jede Friedensbemühung als prorussisch darzustellen. Das halte ich für gänzlich falsch. Ich hoffe, dass es bald zu einer Lösung am Verhandlungstisch kommt, denn klar ist: Auf dem Schlachtfeld wird es keinen Sieger geben.
In Europa gibt es eine starke Aufrüstungsdynamik. Angetrieben von den USA, die auf höhere Verteidigungsausgaben pochen. Gleichzeitig werden die höheren Militärausgaben auch mit der russischen Aggression begründet. Ist Russland eine Gefahr für Europa?
Russland gibt derzeit schon 40 Prozent des Budgets für diesen Krieg aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Putin ein Interesse hat, diesen Krieg auch noch auf Länder der Europäischen Union auszudehnen. Zum Zweiten: Russland hat eines der grössten Arsenale an Atomwaffen, eine immense Bedrohung besteht also schon lange. Und zum Dritten: Ich halte es für sinnvoll, dass Europa sich selbst verteidigen kann und die Abhängigkeit von den USA reduziert. Zurzeit drehen sich die Beschaffungsfragen aber zu stark um Geld statt um die Frage, was wir anschaffen sollten. Gerade der Krieg in der Ukraine zeigt, wie wichtig Technologie ist. Drohnen für wenige tausend Euro können einen unglaublichen Effekt haben und militärisches Equipment zerstören, das Dutzende Millionen kostet.
Sie gaben 2021 alle Ihre Ämter ab, nachdem Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Sie und weitere Mitglieder Ihrer Regierung eröffnet worden waren. Vom Vorwurf der Falschaussage beim Ibiza-Untersuchungsausschuss wurden Sie vor kurzem freigesprochen. Allerdings laufen weiterhin Ermittlungen gegen Sie: Sie werden verdächtigt, gefälschte Umfragen und positive Berichterstattung mit Steuergeldern eingekauft zu haben. Sie haben dies stets bestritten. Als Aussenstehender denkt man sich: Entweder sind Sie nicht ehrlich, oder die österreichische Justiz ist eine Farce.
Wir erleben in Österreich, was weltweit stattfindet: Die Justiz wird als politische Waffe missbraucht. Ich habe jetzt vier Jahre lang ein Verfahren geführt, in dem mir vorgeworfen wurde, dass ich im Untersuchungsausschuss gelogen hätte. Ich bin in erster Instanz verurteilt worden. Unter all den Richtern, die es in Österreich gibt, bin ich ausgerechnet vor einem gelandet, der selbst disziplinarrechtlich verurteilt wurde, weil er illegal Informationen weitergegeben hatte an einen Oppositionsabgeordneten, noch dazu an einen meiner stärksten politischen Gegner.
Sie glauben nicht an Zufall?
Nein. In der Berufungsinstanz habe ich dann nach vier Jahren endlich gewonnen, und das Urteil ist aufgehoben worden. Man sieht an diesem Fall, was alles möglich ist. In vielen Teilen der Welt wird die Justiz immer mehr als Waffe in der politischen Auseinandersetzung eingesetzt.
Das heisst, Sie glauben in Ihrem Fall ein Muster zu erkennen?
Blicken Sie nach Amerika: Egal, wie man zu Donald Trump steht, noch selten wurde ein Politiker mit einer solchen Vehemenz juristisch bekämpft mit dem Ziel, ihn ins Gefängnis zu bringen. Im Endergebnis hat er die Wahl in Amerika gewonnen. Blicken Sie nach Frankreich: Das Rassemblement national ist nun wirklich nicht meine politische Heimat, aber dass Marine Le Pen von einem Gericht von der nächsten Wahl ausgeschlossen wurde, halte ich für höchst problematisch.
Sie darf nicht antreten, weil sie EU-Gelder veruntreut hat.
Wenn jemand, der erstinstanzlich – also nicht einmal rechtskräftig – verurteilt ist, nicht kandidieren darf, obwohl er die derzeit grösste Partei anführt, ist das ein problematischer Eingriff in demokratische Prozesse. Entscheiden sollten schon noch immer die Wähler an der Urne. Eine solche Justiz, die wir aus Ländern wie der Türkei oder Russland kennen, sollte eigentlich im Westen keinen Platz haben. Ich glaube, dass diese Entwicklung am Ende des Tages allen schadet. Die Bevölkerung erhält den Eindruck, dass alle Politiker Lügner oder korrupt seien. In meinem Fall gab es über zehntausend Medienartikel darüber, dass ich im Parlament gelogen hätte – vier Jahre später dann ein paar Artikel, dass alles ein Schwachsinn war. Politische Urteile schaden aber auch dem Ansehen der Justiz. Und sie schaden der Demokratie insgesamt, die an Vertrauen verliert.
Der deutsche Politologe Philipp Manow glaubt, dass der Populismus letztlich eine Krankheit der liberalen Demokratie ist. Der Wille des Volkes werde durch engmaschige Gesetze und zunehmend aktivistische Gerichte immer mehr eingeschränkt. Dagegen wächst der Widerstand. Und dieser Widerstand motiviert eifrige Richter erst recht, um die gefährdete Demokratie noch entschiedener zu verteidigen. Wie kommt man aus dieser Dynamik wieder heraus?
In politischen und gesellschaftlichen Systemen gibt es Pendelbewegungen, Gott sei Dank. Irgendwann fallen die Fehlentwicklungen auf, und dann bewegen sich die Dinge wieder in die richtige Richtung. Vielleicht ist es mit den aktivistischen Gerichten so wie mit der Woke-Bewegung, die sich allmählich zurückbildet. Bis vor kurzem wurde man noch als Reaktionär angesehen, wenn man es bizarr gefunden hat, dass nun jedes Jahr das Geschlecht gewechselt werden darf. Jetzt glaube ich, dass die Gruppe derer immer grösser wird, die finden: Jeder soll leben, wie er will – aber wir müssen deswegen die Toleranz auch nicht ins Absurde treiben.
In den Medien wurden unter anderem Chat-Protokolle aus Ihrer Regierung veröffentlicht, die in Kontrast standen zu Ihrem sonst demonstrativ anständigen Auftreten. Warum gingen Sie nicht rechtlich gegen die Veröffentlichung vor?
Viele der Chats, die veröffentlicht wurden, habe ich weder geschrieben noch empfangen. Von den Chat-Nachrichten, die ich verfasst habe, war das Highlight, dass ich einmal in einer Nachricht über meinen Vorgänger als Parteichef geschimpft habe.
Gemeint ist Reinhold Mitterlehner, Sie haben ihn «Arsch» genannt.
Ja. Er hat versucht, mich politisch loszuwerden, und da habe ich in einem privaten Chat meinen Unmut über ihn kundgetan. Es war nicht für die Öffentlichkeit gedacht, und es kommt mir auch nicht jeden Tag über die Lippen. Aber irgendwann dachte ich schon: Wenn der schlimmste Vorwurf an mich lautet, dass ich mich einmal im Ton vergriffen habe, dann kann ich gut damit leben.
Trotzdem, Sie reklamieren ja immer wieder Höflichkeit und Respekt in der Politik. Ihr öffentlicher Auftritt wurde dadurch konterkariert.
Ich bin ein Mensch wie jeder andere. Ich habe mich stets bemüht, in der politischen Auseinandersetzung eine respektvolle Tonalität zu wählen. Aber ebenso bin ich ein Mensch, der Blut im Körper hat, der Emotionen hat, der mal fröhlich ist oder sich ärgert und unter vier Augen sagt, dass jemand ein Trottel ist. Da würde ich einmal gern denjenigen sehen, der so etwas noch nie von sich gegeben hat.
Wenn Schweizer auf die Ibiza-Affäre blicken, dürften wohl viele sagen: Kein Wunder, dass dies in Österreich passiert. Ist das Etikett des Unseriösen, das der österreichischen Politik anhaftet, berechtigt?
Leider gibt es dieses Bild. In Österreich gibt es eine Gabe dafür, Dinge medial so aufzublasen, dass man den Eindruck erhält, etwas unglaublich Dramatisches sei passiert. Ibiza ist ein gutes Beispiel. Da waren einige mehr als unpassende Formulierungen im betrunkenen Zustand, strafrechtlich ist allerdings überhaupt nichts hängengeblieben von all diesen Vorwürfen.
Gut, nun untertreiben Sie. Dieses Video wäre in jedem Land ein Skandal gewesen. Wo Sie recht haben, es war ein Gespräch auf fiktiver Grundlage. Die Oligarchen-Nichte, mit der der damalige Vizekanzler Strache Verträge zum eigenen politischen Vorteil abschliessen wollte, war eine Schauspielerin. Ein Deal hätte gar nicht zustande kommen können, dennoch demonstrierte Strache seine schlechte Absicht.
Eine acht Stunden lange Konversation wurde auf wenige Minuten zusammengeschnitten. Von den Vorwürfen blieb wenig übrig. Es war nicht der grösste Skandal der letzten hundert Jahre, bei weitem nicht. Manchmal würde uns allen der etwas unaufgeregte Zugang der Schweizer guttun.
In diesem Gespräch wird deutlich, dass Sie viele Ihrer zentralen politischen Anliegen noch nicht als gelöst betrachten.
Meine Überzeugungen haben sich ja nicht geändert, nur weil ich die Politik verlassen habe.
Die Frage ist, wollen Sie für Ihre Überzeugungen noch einmal kämpfen? Sie dementieren stets, dass Sie wieder ins Kanzleramt möchten. Ich nehme es Ihnen nicht ab.
Ich bin ein politischer Mensch, und ich werde auch als Staatsbürger weiterhin meine Meinung behalten. Meinen Beitrag in politischen Ämtern, den habe ich bereits geleistet.
Sebastian Kurz ist heute Unternehmer, Investor und Berater mit den Schwerpunkten Europa und Naher Osten. Unter anderem hat er das Cybersicherheitsunternehmen Dream mit Sitz in Tel Aviv, Israel, mitbegründet. Er ist ehrenamtlicher Beirat des Abraham Accord Peace Institutes (AAPI), das Jared Kushner, der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, gegründet hat. Seit 2022 arbeitet Kurz ausserdem als Global Strategist für Thiel Capital, ein Unternehmen von Peter Thiel, der unter anderem Paypal und Palantir mitgegründet hat. Sebastian Kurz hat zwei Söhne, er lebt mit seiner Familie in Wien.
Sebastian Kurz (*1986) (WIKIPEDIA)
ÖSTERREICHISCHES PARLAMENT
ORF-MELDUNGSBÜNDEL ÖSTERREICH
Inland
Terror in Villach: Ermittlungen abgeschlossen
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Falschaussageprozess gegen Ex-Justizminister Brandstetter
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Internetbetrug: Kärntnerin verlor Hunderttausende Euro
Wirtschaft
Faserhersteller Lenzing macht wieder Gewinn
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IT – KI – ROBOTIK – INTERNET
Deutsche sind gespalten in Wahrnehmung von GenAI – Bildungsstand und Beruf laut Online-Befragung entscheidende Faktoren für Einstellung und Nutzung – Pressetext, 6.8.2025
Exeter (pte014/06.08.2025/11:40) – Die Deutschen sind in ihrer Wahrnehmung generativer KI wie ChatGPT tief gespalten. Das gilt laut einer Studie der University of Exeter auch dafür, wie sie diese Technologie in Alltag und Beruf nutzen. Laut Forschungsleiter Florian Stoeckel sind diese Unterschiede von großer Bedeutung, denn sie beeinflussen den Zugang zu Chancen, die digitale Inklusion und wer die Gestaltung der Zukunft mittels KI beeinflussen wird. Die Daten für die Studie wurden von YouGov in einer Online-Umfrage unter 1.057 deutschen Erwachsenen erhoben. Der Bericht zu Stoeckels Umfrage in Deutschland und Großbritannien findet sich unter florianstoeckel.weebly.com.
Bedrohung und/oder Chance
Bei der Frage, ob die generative KI ihre Arbeitsplatzsicherheit, Jobmöglichkeiten oder beides beeinflussen wird, sehen 26 Prozent sehen diese Technologie als Bedrohung, 36 Prozent erachten sie sowohl als Bedrohung als auch als Chance. 36 Prozent nehmen generative KI als Chance wahr.
Die uneinheitliche Wahrnehmung der Befragten weist große Unterschiede hinsichtlich ihres Geschlechts, ihrer Bildung, der Berufe und Nutzung der KI auf. Mit 34 Prozent sehen Frauen sie eher als Bedrohung der Arbeitsplatzsicherheit. Bei den Männern haben nur 20 Prozent derartige Befürchtungen. Entscheidend ist auch die Bildung: Nur 16 Prozent der Befragten mit einem Universitätsabschluss sehen die KI als Gefahr. Bei Personen ohne diese formale Bildung ist der Anteil mit 31 Prozent deutlich höher.
Experten sehen Möglichkeiten
Fachleute und Manager machen sich die wenigsten Sorgen und sehen generative KI am ehesten als berufliche Chance. Lediglich 14 Prozent nehmen sie als Gefahr wahr. Bei Mitarbeitern in der Verwaltung, im Verkauf oder bei Dienstleistungen liegt dieser Wert bei 27 Prozent. Mit 30 Prozent wird eine Bedrohung am stärksten von Personen mit manuellen Tätigkeiten wahrgenommen.
Die wichtigste Trennlinie verläuft jedoch zwischen denen, die GenAI nutzen und jenen, die darauf verzichten. Nur 13 Prozent der User, die sie entweder privat oder im Job verwenden, sehen sie als Gefahr an. Mit 37 Prozent fühlen sich Personen, die diese Technologie nicht anwenden, am ehesten davon bedroht.
(Ende)
UNTERNEHMEN
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GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN
*** nicht aktualisiert ***
AKTIENEMPFEHLUNGEN – BUY & SELL
Aktuell (—):
Aktien um 10 Euro je Stück sind FETT hervorgehoben.
Die erwarteten stolzen Kursgewinne sind dem Übermut der tollen Analystenzunft zu verdanken! Hirn selbst einschalten und kritisch bewerten. MERKE: Klappern gehört zum Geschäft. Es geht letztlich nicht so sehr um die Beratung der Anleger, sondern um die spekulativ selbst gehaltenen Aktien der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaften etc.), für die die Analysten tätig sind: wenn viele kaufen, steigen die Kurse, und 5% Plus sind zwar weniger als 15% oder 35%, aber besser als 5% Minus. Zudem lassen sich schnell noch eigentlich „schlechte“ Aktien im Portfolio des Hauses (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) verkaufen, für die der Analyst tätig ist, sofern die werten privaten Anleger den Kaufempfehlungen folgen. So schaut’s aus im Schneckenhaus! Nochmals: Hirn selbst einschalten. Die Finanzbranche lebt vom Trübe-Machen des Wassers!
NICHT ZULETZT: Verkaufsempfehlungen werden ungern gegeben, da sie auf das Portfolio der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) rückschließen lassen, zu denen die Analysten gehören. Verkaufsempfehlungen werden aus zwei Gründen gegeben: a) es ist tatsächlich Feuer am Dach des analysierten Unternehmens, b) das Haus möchte die Aktien des zum Verkauf empfohlenen Unternehmens billiger zurückkaufen, sofern den Verkaufsempfehlungen gefolgt wird. Letztlich agieren an der Börse die Optimisten, und die wollen positive Nachrichten hören, also werden sie von den Häusern und ihren Analysten entsprechend bedient.
UND ZU ALLERLETZT: die Analysten bespiegeln sich untereinander: wer hat was empfohlen oder nicht empfohlen, es kommt zu herdenpsychologischen Erscheinungen derart: der Leithammel hat empfohlen, also machen wir das auch. Die jeweiligen Analysen werden entsprechend (um)formuliert. Das zweite Moment: die Konkurrenz, die u.U. zu skurrilen Interpretationen des analysierten Unternehmens führt.
FAZIT: was die Analystenzunft von sich gibt, kann aufschlussreich sein, muss es aber nicht, vermittelt einen zusätzlichen Eindruck zu einzelnen Aktiengesellschaften. Wichtig ist der Blick auf zweierlei: a) entscheidend: auf die volkswirtschaftliche Situation des Landes, der Welt; b) sekundär (!) auf das Unternehmen und seine Branche: Charakter des Managements, klare, gut durchschaubare Produktpalette, Langlebigkeit des Unternehmens und seine Stetigkeit im Gebaren.
Renten- und Aktienmärkte
Man halte sich vor Augen: Aktienmärkte sind die Pfützen in der Welt der Veranlagungsmöglichkeiten. Anleihenmärkte (Rentenmärkte, Kapitalmärkte) sind die großen Ozeane ebendort. Daher sind Aktienmärkte volatil und reagieren auf den leisesten Windhauch mit u.U. kräftigen Ausschlägen. Die Seelen der Anleger sind sehr verletzlich: Angst und Gier bestimmen hier jegliches Handeln, die vernünftige Veranlagungsentscheidung steht an zweiter Stelle. Das verursacht in den kleinen Geldpfützen der Aktienmärkte hohe Wellen. Aber dort stehen nach erster Erschütterung später die rationalen Kaufs- und Verkaufsentscheidungen felsenfest – bis zur nächsten Seelenerschütterung.
Anleiheanleger sind cooler und gezügelter im Gemüt. Hier geht es eher um Langfristperspektiven. Alles dreht sich um den Zins und wie er sich weiterentwickelt. Wer an der Zinsschraube dreht, dreht am Schicksal ganzer Volkswirtschaften. Da ist das aufgeregte Gegackere an den Aktienmärkten geradezu uninteressant.
Aber kommen Anleihemärkte einmal ins Rutschen – nach oben oder nach unten – dann ist Feuer am Dach. Schon 0,5 oder gar 1 Prozent Veränderung in einem Anleihenindex sind eine „Weltbewegung“ im Milliarden- oder Billionengeldmeere der Anleiheozeane.
Dazu kommt: Die Anleiherenditen konkurrenzieren mit den Aktienrenditen. Eine hohe Anleiherendite jenseits der 3 Prozent wirkt umso „giftiger“ auf die Aktienkursentwicklungen, je höher sie ist. Liegt sie unter 3 Prozent, begünstigt sie die Aktienkäufe, Je deutlicher sie unter 3 Prozent liegt, umso eher. Das ist die Regel. Die Ausnahme – so, wie wir sie gerade sehen – bestätigt diese Regel. Früher oder später wird sie ihre dominante Stellung als Regel wieder einnehmen.
Diese Verhältnisse sind es, die im Tagesblick in der Regel die Berichte zu den Anleihemärkten wiedergeben lassen, dass aufgeregte Geflattere und Gegackere an den Aktienmärkten im Detail interessiert in der Regel nicht die Bohne.
Zur Renditebestimmung bei Anleihen: notiert die Anleihe zu 100 Prozent, dann stimmen Anleihezinssatz (der Couponzins) und Anleiherendite überein. Sinkt der Anleihekurs unter 100 Prozent, steigt die Rendite, umgekehrt gilt: steigt der Anleihekurs, so sinkt die Rendite. So einfach ist das. Und so weltbewegend in der Tat.
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Allgemeine Empfehlungen: Es geht vornehmlich um die Zukunft der Energiegewinnung und die Energielieferanten. Renner bleiben Telekommunikations-Unternehmen, deren Dienstleistungen in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft unabkömmlich sind. Unter den Logistik-Aktien sind in der Regel die Post-Aktien interessant. Diese Branchen sind weniger konjunkturabhängig als z.B. Konsumaktien, darunter die Post-Aktien noch am ehesten.
Hinzu kommt, dass die klassischen erdölverarbeitenden Energielieferanten (Up- und Downstream) mehr oder weniger energisch in großem Stil auf Alternativenergien umstellen. Es bleibt ihnen angesichts des Klimawandels, der öffentlichen Meinung und der in absehbarer Zeit erschöpften Welt-Erdölreserven auch nichts anderes übrig. Über das Kapital für den weltlebensnotwendigen Umbau verfügen sie dank ihrer Aktionäre. Es geht aus Sicht der Unternehmen um zukunftsträchtige Geschäftsmodelle in einer überschaubaren Branche – Energie – und aus Sicht der Aktionäre um steigende Unternehmenswerte / Aktienkurse als Inflationsschutz und sichere, möglichst stabil wachsende Dividenden, ebenfalls hinsichtlich des Inflationsschutzes.
Anti-Nachhaltigkeits-Bewegung in den USA als 180-Grad-Wendung in der Veranlagungsgebarung
Der aktuelle politische Druck in den USA zwingt eine Reihe großer Vermögensverwalter, darunter die weltgrößten wie Blackwater und Vanguard (verwaltetes Vermögen: 20 Billionen US-Dollar), nachhaltige Unternehmen potentiellen Anlegern nicht mehr zu empfehlen. Sie selbst verkaufen solche Unternehmen aus ihren Portfolios. Es gibt sogar seitens republikanisch regierter Bundesstaaten wie insbesondere Texas Kaufverbote für staatliche Pensions- u.a. Fonds.
Ausgestiegen sind bereits US-amerikanische Großbanken wie JP Morgan, Goldman Sachs, Wells Fargo, Bank of America, Citigroup (verwaltetes Vermögen: 9 Billionen). Ähnliches betrifft die Kreditvergabe. Offen bleibt, wie private und Unternehmensanleger (nicht-staatliche Fonds) künftig disponieren werden.
Unter den angebotenen Finanzanlagen kursieren seit geraumer Zeit besondere Nachhaltigkeitsprodukte in Form sog. ESG-Fonds (mehr dazu hier), die hohe Renditen versprachen und daher recht starken Zulauf hatten; die Renditen wurde seit Erhöhung der Kreditzinsen gebremst, da dadurch kreditfinanzierte Nachhaltigkeitsprojekte (Windparks, Solaranlagen etc.) weniger rentabel wurden.
In der Europäischen Union will man sich weiter an entsprechende Nachhaltigkeitsauflagen festhalten. Bislang wurden in europäische ESG-Fonds 9 Billionen Euro investiert, was 61 Prozent des gesamten Fondmarktvolumens entspricht. Der Zufluss hat sich 2024 allerdings um die Hälfte auf 37 Milliarden Euro reduziert. Zudem wurden mehr ESG-Fonds geschlossen als eröffnet. Nicht nur die hohen Zinsen, die die ESG-Fonds-Renditen beeinträchtigten, führten dazu, sondern auch „grüne Schönfärberei“: es stellte sich da und dort heraus, dass die versprochene Nachhaltigkeit mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit bestand. (Quelle: Wirtschaft vor Acht, ARD, 10.1.2025 (KURZVIDEO, bis 17.1.2025 verfügbar))
FAZIT: Es bleibt abzuwarten, was das für den Klimaschutz in den USA und weltweit künftig bedeutet. Für Österreich stellt sich die Frage, wie eine künftige Regierung sich in Sachen Klimaschutz verhalten wird.
Aktienkauf – der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung – bedeutet Übernahme eines Risikos in Hinblick auf das künftige Unternehmensschicksal. Die Dividende stellt eine Risikoprämie dar.
Aktienanalytischer Blick auf Aktien im Euroraum und speziell Österreich (Stand: 24.2.2025):
ACHTUNG – STEUERVERÄNDERUNGEN ANTE PORTAS:
Ins Gerede kommen in absehbarer Zeit auf EU-Ebene und auf Österreich-Ebene vermutlich Aktienbesteuerung (Verkaufsgewinne, Dividenden) ebenso wie Vermögens- und Erbschaftssteuer. Diese Steuern sind in Veranlagungsüberlegungen mit einzubeziehen.
Im Folgenden sind Aktien um 10 Euro je Stück und darunter FETT hervorgehoben.
Neu aufgenommene Aktien werden mit ### gekennzeichnet.
Beobachtenswert ist der Umweltschutz- und Wasserwirtschaftswert Veolia
Ein Kaufsignal liefern weiterhin ENI, UNICREDIT und TOTAL ENERGIES, im Vergleich zum 3.2.2025 stabile Bewertung mit jeweils fünf Sternen bewertet.
Ein Kaufsignal liefern ENEL, PORR, SHELL, VERBUND, ### VIENNA INSURANCE GROUP mit jeweils vier Sternen bewertet.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung mit jeweils vier Sternen bewertet.
Ein niedriges KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zeichnet aus:
RWE, TOTAL ENERGIES, ### UNICREDIT SPA, PORR, OMV, ### UNIQA, EVN, ENEL, TELECOM AUSTRIA, ### STRABAG, WIENERBERGER, SHELL, PALFINGER.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktie RWE ist die mit dem niedrigsten KGV = 4,8, PALFINGER die mit dem höchsten KGV = 9,3.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung.
Ein niedriges dynamisches KGV (PEG, Price-Earning-to-Growth) weisen u.a. auf:
ENI, UNICREDIT, ### KONTRON AG, OMV, SHELL, PORR, WIENERBERGER, PALFINGER,
Nicht mehr dazu gehören: VIENNA INSURANCE GROUP, TELECOM AUSTRIA.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktien ENI = 0,5 ist die mit dem niedrigsten, PALFINGER die mit dem höchsten PEG = 1,4.
Im Vergleich zum 3.2. 2025 ist die Auswahl verändert, einzelne Aktien kamen dazu, andere fehlen nun!
Als Aktien mit langfristigem Kurspotential werden u.a. gesehen:
TOTAL ENERGIES, ENI, VERBUND, E.ON.SE, EVN, RWE.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene mit der größten Langfristchance.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl stabil, die Reihenfolge hat sich geändert.
Als Aktien mit hoher Sicherheit werden u.a. bewertet VIENNA INSURANCE GROUP, VERBUND; die Bewertungen bleiben unverändert zum 3.2.2025.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene Aktie mit der größten Sicherheit.
Aktien mit hoher Dividendenrendite sind:
OMV, ORANGE, TELEFONICA, ENI, UNIQA, ENEL.
Aktien mit der größten Dividendenrendite stehen am Anfang der Reihe: OMV 12,6%, am Ende die mit der niedrigsten: Enel 6,7%, jeweils vor Steuer.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl gleich, die Reihenfolge hat sich geändert.
KAUFKRITERIEN neben den aktienanalytischen Kennzeichnungen sind der Reihe nach: WER? – Qualität und Charakter (Psychologie!) des Managements, Häufigkeit des Managementwechsels, Unternehmenskultur; WAS? – Produkteinfachheit: „einfach gestrickte“, leicht zu durchschauende/transparente Produkte oder Dienstleistungen, eher kleine Produktpalette bzw. enger umschriebenes Dienstleistungsangebot, Konstanz der Nachfrage; WIE? – Sicherheit, Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Wechselfällen, finanzielle Stabilität des Unternehmens, Konkurrenzsituation; WO? – geographische und „politische“ Lage möglichst fern von Krisengebieten inkl. solchen mit politischer Unruhe oder in Ländern mit totalitären Systemen oder deutlich defekten Demokratien (illiberale Demokratien); WANN? – Lebensdauer bzw. Überlebensdauer (Weltkriege etc.) des Unternehmens bisher, Stetigkeit der Dividendenzahlungen.
FAZIT: vor dem Kauf einer Unternehmensbeteiligung sich zur Aktiengesellschaft schlau machen: WER, WAS, WIE, WO, WANN.
ZWEI DINGE sind zusätzlich zu beachten:
# Langfristanlage durch Erwerb von Defensiv-Aktien (u.a. Energie, Telekom),
# Verbleib in einem Währungsraum, das ist der Euroraum. Daher werden die allseits seit Jahren gehypten US-Aktien hier mit Absicht außen vor gelassen, um das Währungsrisiko klein zu halten. Gleiches gilt für den Erwerb von Schweizer Aktien, wie die Vergangenheit mit Blick auf das sehr wechselhafte Wechselkursverhältnis Schweizer Franken / Euro gezeigt hat.
Die Europäischen Union als Veranlagungsrisiko?
Das Staatssystem der Europäischen Union kommt einer defekten Demokratie gleich und erstreckt sich in den Währungsraum (Euroland), in dem gehandelt wird. Man spricht auch von einem Demokratie-Defizit der Europäischen Union. Risiken dieser defekten Demokratie, um einige zu nennen, sind: Regelungen „von oben herab“ auf nicht sehr transparente Weise und Steuervorgaben, die sich durch Negieren realer Alltagserfordernisse auszeichnen, Überwachungsbestrebungen, hoher Bürokratieaufwand für Unternehmen und Bürger. All dies markiert Abgehobenheit und Bürgerferne der EU-Politik.
Kennzeichnend für das Gebaren (Governance) der EU ist ein Ineinandergreifen von EU-Exekutive (Kommission mit ihren Kommissariaten) und einem nicht gut überschaubaren Geflecht zahlreicher, der EU nahestehenden und von ihr geförderten Institutionen, Organisationen und Einrichtungen, die auf vielen Ebenen EU-Kommissionsvorgaben umsetzen helfen. Sie helfen insbesondere dabei, die von EU-Rat- und EU-Kommission angedachten, aber für Bürger und Unternehmen noch nicht „akzeptablen“ Vorgaben „schmackhaft“ zu machen, um so zu einer ausreichend hohen Akzeptanz in der Bevölkerung zu führen, die eine politische Umsetzung ermöglicht.
Junker sagte 1999 dazu sehr verkürzt und sinngemäß: was wir heute als EU nicht durchsetzen, das werden wir dann schon später durchsetzen. Dem Lobbyismus Richtung EU-Exekutive (insbesondere seitens der Unternehmen) steht ein „Lobbyismus“ seitens der EU in Richtung auf die Einrichtungen der Mitgliedsländer sowie auf die Unternehmen und die Bevölkerung gegenüber, dessen Räderwerk für den Normalbürger praktisch nicht durchschaubar ist. Inwieweit kommt dies einem autokratischen Verhalten von der Maschek-Seite gleich?
Hauptziel der EU-Bestrebungen ist die Etablierung der Vereinigten Staaten von Europa, die den derzeit bestehenden Verbund der Mitgliedsstaaten ersetzen soll. Das deutet auch der Wechsel der Namensgebungen im Zeitverlauf an:
# Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, umgangssprachlich auch Montanunion, 1951)
# Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957 inklusive EURATOM)
# Europäische Gemeinschaften (EG, 1965 ff., Fusion von EWG, EURATOM und einzelnen EG-Organen, Fusions- und Folgeverträge)
# Europäische Gemeinschaft (EG, seit 1993 ff., Maastricht- und Folgeverträge)
# Europäische Union (EU, 2007, Lissabon- und Folgeverträge)
1948 1948 Brüsseler Pakt | 1951 1952 Paris | 1954 1955 Pariser Verträge | 1957 1958 Rom | 1965 1967 Fusions- vertrag | 1986 1987 Einheitliche Europäische Akte | 1992 1993 Maastricht | 1997 1999 Amsterdam | 2001 2003 Nizza | 2007 2009 Lissabon | ||||||||||||||||||||||
Europäische Gemeinschaften | Drei Säulen der Europäischen Union | ||||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) | → | ← | |||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) | Vertrag 2002 ausgelaufen | Europäische Union (EU) | |||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) | Europäische Gemeinschaft (EG) | ||||||||||||||||||||||||||||||
→ | Justiz und Inneres (JI) | ||||||||||||||||||||||||||||||
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) | ← | ||||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) | → | Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) | ← | ||||||||||||||||||||||||||||
Westunion (WU) | Westeuropäische Union (WEU) | ||||||||||||||||||||||||||||||
aufgelöst zum 1. Juli 2011 | |||||||||||||||||||||||||||||||
Problematisch bleibt dabei: je größer die Zentralisation von Staatsmacht, umso größer die Machtfülle, die mit „eiserner Harke“ über berechtigte (!) Einzelinteressen der Mitgliedsstaaten und damit der Bürger drüberfährt. Das Prinzip der Subsidiarität bleibt dabei auf der Strecke, so wie dieses Prinzip z.B. Österreich 1994 anlässlich der Vorabstimmungskampagnen versprochen wurde. Wurde das Versprechen eingelöst?
Beispiele der Machtfülle durch Zentralisierung liefern alle großen Staaten, u.a. Russland und China, die geradezu Musterbeispiele dafür darstellen.
Ein Problem des Staates an sich ist das Machtmonopol, das bei ihm liegt und liegen muss, will er Gesellschaft – das Staatsvolk – und die Abläufe darin mit Erfolg, also: durchsetzungskräftig organisieren. Das Problem ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen unbeschränkter Freiheit des Individuums (Libertarismus) und unbeschränkter Freiheit des Staates (Totalitarismus).
Wie dieses Machtmonopol ausgestaltet wird, unterliegt in Demokratien dem Willen des Wahlvolkes, in nicht-demokratischen Staaten dem Willen des autoritären, totalitären oder autokratischen Machthabers. In defekten Demokratien ist die Mitbestimmung des Volkes eingeschränkt. Defekte Demokratien existieren in einer Grauzone, deren Konstituenten und ihre gegenseitige Einflussnahme nicht leicht zu bestimmen sind. Somit ist auch der Defektheitsgrad einer defekten Demokratie nicht leicht zu bestimmen und unterliegt, je nach politischer resp. ideologischer Perspektive, unterschiedlichen Wertungen.
Die idealtypische Dreiteilung der Regierungsformen existiert in der Wirklichkeit nicht: keine Demokratie der Welt entspricht der idealen Form, weist also im Ansatz Eigenschaften einer defekten Demokratie auf, kein totalitärer Staat schränkt die individuellen Freiheiten vollständig ein, es verbleibt den Bürgern dort ein mehr oder weniger großer Freiheitsraum.
Hinsichtlich des staatlichen Machtmonopols, das zudem bei anwachsender Zentralisation der Staatsgewalt zur Zunahme neigt, ergibt sich die Erkenntnis: so wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig als einer Einrichtung, die mit einem mit Rechtsgewalt in das Leben seiner Bürger eingreifenden Machtmonopol versehen ist, das für das „Funktionieren“ einer Gesellschaft unaufgebbar ist.
Die dafür notwendigen rechtlichen Verregelungen des Alltagslebens durch Allgemeines Gesetzbuch, Strafgesetzbuch, Angestelltengesetz etc.etc. sind zahllos und gelten bei ausnahmslos jeder Handlung, werden aber – ebenso regelhaft – dem Bürger erst dann bewusst, wenn es zu schwerwiegenden Regelverstößen oder Regelbruch-Sanktionierungen kommt.
Rechtliche Verregelungen sind Ausdruck der jeweiligen Ausprägungen eines Rechtsstaates; dieser wird in einer idealen Demokratie nicht durch Willküreinwirkungen korrumpiert: das ist ein wesentliches Kennzeichen demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Auf Rechtsstaatlichkeit pflegen sich auch autoritäre, totalitäre oder autokratische, kurz: diktatorische Systeme zu berufen, doch wird der Rechtsstaat dort durch Willküreingriffe korrumpiert: Rechtsbiegung als Kennzeichen von Autokratien etc. In einer defekten Demokratie wird die Rechtsstaatlichkeit (leicht) eingeschränkt, womit das Risiko entsteht, in eine Autokratie abzugleiten.
Nur in formalrechtlicher Hinsicht war zum Beispiel auch der NS-Staat ein Rechtsstaat, besaß er doch gemäß der NS-Grundsätze umgearbeitete Gesetze aus der Weimarer Republik und neue Gesetze im Sinne der NS-Ideologie, auf die er sich in der Rechtsprechung berief und von denen viele in einem „normalen“, d.h. hier NS-konformen Rechtssetzungsprozess entwickelt wurden. Daran ändert nichts die Gepflogenheit, den NS-Staat in inhaltlich-ethischer Hinsicht als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Ein krasses Beispiel für einen NS-Rechtserlass im autokratischen Sinn ist unter diesem Link einsehbar.
Kennzeichnend für die Biegsamkeit des Rechts je nach Staatsraison ist die Tatsache, dass Juristen nach einem Regimewechsel ihre Posten in der Regel nicht verloren, sondern im neuen Regime weiter im Dienst des Rechts ihre berufliche Tätigkeit frei oder im öffentlichen Dienst ausübten. So wurden Juristen und Richter nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes ohne weiteres in den öffentlichen Dienst der entstehenden Bundesrepublik Deutschland übernommen. Vergleichbares geschah nach dem Fall der UdSSR oder DDR.
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Demokratie das Herstellen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einerseits den rechtsstaatlich gesicherten Freiheitsbedürfnissen des Individuums unter für ihn zureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten und andererseits den „Freiheitsbestrebungen“, somit Machtbestrebungen des Staates, mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Gemeinwohl resp. Sozialfrieden in Freiheit herzustellen. Als Garant dafür dient die Gewaltenteilung und ein entsprechend stark regulierter und damit gewaltgebändigter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie als vierte Gewalt die Sicherstellung einer freien Presse. MOTTO: Nimm Freiheitsbeschränkungen mit Blick auf das Gemeinwohl aus Überzeugung an, wir helfen dir dabei durch politische Aufklärung und sachliche Bildungsarbeit!
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Autokratie, im Autoritarismus und vor allem im Totalitarismus Ausgesetztheit vor rechtsbeugenden willkürlichen Staatseingriffen auf die ohnehin reduzierten Freiheitsmöglichkeiten des Individuums unter nicht selten unzureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten zu Gunsten der Machtbestrebungen des Staates mit dem Ziel, ein Höchstmaß an „Gemeinwohl“ resp. „sozialem Frieden“ in Unfreiheit zu erzwingen. Als Garant dafür dient die Einschränkung, womöglich Aufhebung der Gewaltenteilung sowie ein entsprechend stark ausgeprägter und mit gering regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine allgegenwärtige Brachial-Propaganda unter Ausschaltung der Pressefreiheit. MOTTO: Kusch, sonst trifft dich der Polizeiknüppel und du landest im Gulag, folgst du nicht den Propaganda-vermittelten Staatszielen!
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit in einer defekten Demokratie gibt in (noch) geringem Ausmaß jene Prinzipien auf, die eine Demokratie hervorheben. Als Garant dafür dient eine Einschränkung der Gewaltenteilung und ein nicht allzu gestärkter und nicht allzu sehr mit herabgesetzter regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine verhältnismäßig subtil eingesetzte Propaganda und Beeinflussungsmaschinerie. MOTTO: Folge der politischen Verführung und glaube, es sei deine Entscheidung, sonst zwiebeln wir dich mit Exekutivmaßnahmen!
Eine solche Beeinflussungsmaschinerie hat die exekutiv im Grunde genommen schwach aufgestellte EU entwickelt, was zu eben der Ausbildung dieser „Schattenexekutive“ geführt hat. Sie trägt damit – nicht so ohne weiteres sichtbar für den Normalbürger – ein Kennzeichen einer defekten Demokratie. Damit steht die Gefahr im Raum, weiter an demokratischen Eigenschaften einzubüßen und zu einem politischen und wirtschaftlichen Risiko heranzureifen. In der Tat bemüht sich die EU um Stärkung ihrer Polizeigewalt (Frontex, 2004, weiterer Ausbau) und damit um Ausbildung eines weiteren Kennzeichens defekter Demokratien insofern der Vorwurf stimmte, dass Frontex auch innerhalb der EU eingesetzt werden könnte.
Was die Beeinflussungsmaschinerie der EU betrifft, hat 2011 der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (1929-2022) die Europäische Union als “sanftes Monster Brüssel“ bezeichnet und von der „Entmündigung Europas“ gesprochen. Er anerkennt segensreiche Folgen ihres Wirkens, macht aber zugleich auf die strukturellen Defizite dieser überstaatlichen Einrichtung aufmerksam, die durch massive Öffentlichkeitsarbeit, um nicht zu sagen: Propaganda – geschickt durch das vorbeschriebene Geflecht an Organisationen, Instituten, Einrichtungen etc. vermittelt –, übertüncht werden. Bezeichnend ist sein Ausspruch: „Je dünner die Legitimität [ihres politischen Handelns], umso dicker der Glibber der PR.“
Die geschilderte Gefahr liegt nicht darin, sich im Euro-Währungsraum zu bewegen. Sie liegt darin, dass infolge mangelnder demokratischer Kontrolle politisch einer Gesinnungsethik und nicht einer Verantwortungsethik gefolgt wird. Damit einher ginge eine Abgehobenheit von den Realitäten des täglichen Lebens der Bürger und Unternehmen. Das führte kurz über lang zu einer Schwächung des Euros im Währungskonzert. Ein Risiko erwüchse dann eher daraus, dass es nicht sicher ist, ob der Währungsraum „Euro“ eines Tages zerbricht, zum Beispiel dadurch, dass im Konzert mit anderen Währungen die derzeit ohnehin angekratzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union noch weiter geschwächt würde und der Euro fortgesetzt an Wert verlöre. Letzteres erleichterte das Auseinanderbrechen der Europäischen Union, die Eigeninteressen der Mitgliedsländer träten wieder stärker hervor.
Dieses Auseinanderbrechen der Europäischen Union ist derzeit unwahrscheinlich, aber denkmöglich als Folge von: fortgesetzter Wirtschaftsschwäche; weiter zunehmender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Zunahme nationalkonservativer bis rechtsextremer Haltungen; fortgesetztem „Rütteln an den Ketten“ seitens ehemaliger UdSSR-Bruderstaaten; fortgesetzter Aufnahme neuer Mitgliedsländer speziell aus dem Balkan und dem ehemaligem UdSSR-Einflussbereich (Serbien, Ukraine); gravierenden, von den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten nicht mitgetragenen außen- und innenpolitischen Entscheidungen.
Bräche die EU, so bräche spätestens dann auch der Euro; im Übrigen weist die Geschichte der Währungsunionen auf deren Brüchigkeit hin: sie halten in der Regel nicht lange. Den Anleger zwingt unter anderem auch dies beizeiten zu überlegen, in welcher Währung er außerhalb des Euroraumes investieren soll. Angesichts des unsicheren Status des US-Dollars als Weltwährung ist dies eine herausfordernde Frage. Sie stellt sich glücklicherweise derzeit nicht, sondern taucht nur schemenhaft als Denkmöglichkeit am Horizont einer eher ferneren Zukunft auf. Aber: sie taucht auf und kann blitzesschnell elefantengroß im Raum stehen.
FAZIT: die Europäische Union birgt für den Anleger derzeit nur am Zukunftshorizont sich abzeichnende Risiken. Sie entspringen u.a. daraus, dass die EU weniger aus der Position der Stärke als eher aus der der Schwäche handelt. Im Vergleich zur Situation des Kalten Krieges und damit zur Gründerzeit der EU-Vorläufereinrichtungen, in der es nur einen wirtschaftsmächtigen geopolitischen Spieler und gleichzeitigen Verbündeten – die USA – gab, steht die Europäische Union heute zwischen zwei Wirtschaftsblöcken: dem des USA-geführten Westens und dem des sog. globalen Südens. Das erzeugt Druck, allzumal Zeitdruck, treibt die EU an und lässt sie, will sie nicht aufgerieben werden, nach Machtvergrößerung durch Zentralisierung streben – ein Demokratierisiko ersten Ranges, damit in der weiteren Folge ein Wirtschafts- und letztlich Veranlagungsrisiko.
Grundsätzliches zur Währungsspekulation
Währungs-Spekulation ist ein äußerst schwieriges, glitschiges, hochriskantes Geschäft, bedarf langjähriger Erfahrung, tagtäglicher Marktbeobachtung und eines guten Magens: Schocks und erratische Marktbewegungen müssen ausgehalten werden – psychisch und finanziell. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Währungsspekulanten im deutschsprachigen Raum ist Folker Hellmeyer (Hellmeyer-Website, Hellmeyer-Kurzportrait (Goldseiten), Hellmeyer auf Netfonds usf.).
Zweck der Währungsspekulation?
Wie bei den Warenoptionsmärkten dient auch der Währungsoptionsmarkt dazu, sehr starke Schwankungen im Wert einer Währung (Devise) zu verhindern: sehr starken Verteuerungen oder Verbilligungen einer Währung im Devisenmarkt (Währungs- oder FOREX-Markt) wird so gegengesteuert. Dafür sorgen die vielen Marktteilnehmer, von denen ein Teil den künftigen Wert einer Währung (Devise) höher, der andere diesen Wert tiefer einschätzt. Dies führt dazu, dass sich eine Art mittlerer Wert für diese Währung einstellt. Währungsoptionsmärkte sind rund um den Globus nahezu 24/7, also nahezu täglich rund um die Uhr, offen (Warenoptionsmarkt, Optionen im Freihandel).
Anders ausgedrückt: Die Spekulanten sichern sich mit ihrem Engagement gegen das Risiko eines Währungsverfalls oder eines Währungsanstiegs ab. Währungsanstiege sind ein Risiko für Käufer auf Warenmärkten, Währungsabwertungen sind ein Risiko für Verkäufer auf Warenmärkten. Gleiches gilt selbstverständlich auch für Dienstleistungen im internationalen Dienstleistungsaustausch. Die gegenläufigen Interessen auf dem Währungsoptionsmarkt „mitteln“ sich aus.
Allgemein gesprochen handelt es sich bei den Geschäften auf Optionsmärkten um Absicherungsgeschäfte oder Hedging.
Nochmals anders ausgedrückt: Auf aggregiertem Niveau (Makroebene) sorgt der Währungsoptionsmarkt für die Stabilität einer bestimmten Währung im Konzert der anderen Währungen im Devisen- resp. Währungsmarkt (Kassa- oder Spot-Markt, das Pendant zum Optionsmarkt).
Eine stabile Währung ist für die Volkswirtschaft, in deren Bereich diese Währung als Zahlungsmittel dient, eine Lebensnotwendigkeit für das optimale Funktionieren der volkswirtschaftlichen Grundvorgänge Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Erratische Schwankungen im Währungs- oder Devisenmarkt erschweren auf der Ebene der Unternehmen (Mikroebene) innerhalb und außerhalb einer Volkswirtschaft erheblich Kalkulationen mit Sicht auf künftig geplante Käufe und Verkäufe. Erratische Schwankungen einer Währung schwächen die Wirtschaftsleistung der zugehörigen Volkswirtschaft, eine stabile Währung fördert sie. Dies gilt auch für Volkswirtschaften außerhalb des entsprechenden Währungsraumes, sofern sie mit dieser Volkswirtschaft handelnd in Verbindung stehen.
FAZIT: Währungsoptionsmärkte sind für das Wirtschaftsgeschehen im Konzert der verschiedenen Volkswirtschaften überlebenswichtig.
Die heilige Trias
Diese Zusammenhänge bleiben in der Regel für Otto Normalverbraucher genauso verborgen wie die Bedeutung der nicht-demokratisch agierenden Zentralbanken, die mit ihren Zinsentscheidungen tief in das Wirtschaftsleben und somit in das Alltagsgeschehen der Menschen eingreifen. Warenmärkte, Währungsmärkte und Zentralbanken sind in einem fortlaufenden Marktgeschehen untrennbar und maßgeblich untereinander verbunden. Dabei modulieren und moderieren die Zentralbanken über den Zinssatz die Abläufe in Waren- und Währungsmärkten und den zugehörigen Optionsmärkten.
Für Otto Normalverbraucher sind Spekulanten auf diesen Märkten in aller Regel ganz, ganz böse Subjekte, die sich mit ihren Spekulationsgewinnen die Taschen vollstopfen.
Wer sind diese Subjekte auf Währungsoptionsmärkten?
Auf Währungs- und Währungsoptionsmärkten agieren in großer Zahl Staatsstellen, staatliche und private Pensionsfonds, multinationale und andere Unternehmen, Finanzinstitute (Banken u.a.), Hedgefonds u.a.
Otto Normalverbraucher verkennt in aller Regel den Sinn dieser Märkte und die Rolle der Spekulanten dort; denn:
Die Währungsoptionsmärkte zeichnen für das Wohl und Wehe im höchstpersönlichen Alltagsleben des kleinen Mannes auf der Straße verantwortlich, indem sie für relative Währungsstabilität sorgen. Doch Märkte sind keine Subjekte. Somit sind präzise gesprochen nicht „die Märkte“, sondern die Teilnehmer an Währungsoptionsmärkten – also die risikoübernehmenden Spekulanten – für das Wohl und Wehe von Otto Normalverbrauchers alltäglichem Leben verantwortlich.
Daher lässt sich interpretieren: In der Erhaltung der Währungsstabilität liegt der soziale Sinn der Spekulation. Dabei dient der Spekulationsgewinn als Entgelt für die risikobehaftete Sorge um eine stabile Währung.
Es kommt zu einem „paradoxen“ Effekt: die Befriedung der Einzelinteressen der Subjekte, den Spekulanten, trägt vermittels des Marktgeschehens zur Optimierung des Gemeinwohls bei.
Die Umsätze in Devisen- und Währungsoptionsmärkten sind die größten weltweit und erreichen täglich Milliarden bis Billionen von Währungseinheiten. Im Jahr 2022 wurden allein im Devisenmarkt täglich durchschnittliche Umsätze in Höhe von 7,5 Billionen US-Dollar gehandelt. Zu beachten ist, dass dabei immer Währungspaare gehandelt werden und zudem die Umsätze „doppelt“ anfallen: als Verkaufs- und als Kaufpreis in Summe. Das plustert das tägliche Handelsvolumen ordentlich auf.
Was für die Währungsoptionsmärkte gilt, gilt ebenso für die Warenoptionsmärkte: es geht um die Stabilisierung von in großen Mengen gehandelten Waren wie Weizen, Schweinehälften Orangensaft, Kaffee und vieles andere mehr. Die aufgezählten Waren stehen für solche, die für die Bevölkerungen hohe Bedeutung haben.
Wozu Optionsmärkte gut sind
Aber es gibt doch nach wie vor Preissprünge auf den Warenmärkten, von erratischen Ausschlägen an den Devisenmärkten war auch schon die Rede: wie passt das ins Bild?
Ohne die Terminbörsen wären die Ausschläge um einiges stärker, die Preise höher.
Drei Beispiele dazu:
#1 Hitler verbot die große Bremer Kaffeebörse. Daraufhin sicherte sich der Großhandel gegen Preisanstiege bei Kaffee ab, indem er von Haus aus deutlich höhere Preise für den Handel, die Geschäfte, einforderte. Resultat war der berühmt-berüchtigte Blümchenkaffee: die Konsumenten sparten am Kaffee, indem sie möglichst wenig davon zum Aufbrühen verwandten, also sah man durch den dünnen Kaffee das Blümchen am Grund der Kaffeetasse.
# 2 Waren, die nicht abgesichert werden können, weisen größere Preissprünge und höhere Preise auf; bremsend auf den Warenpreis (Aktienpreis, Devisenkurs) wirkt allein die Konkurrenz oder eine schwache Nachfrage oder ein überreichliches Angebot.
# 3 Die erste Warenoptionsbörse wurde 1848 in Chicago gegründet. Hintergrund war der bereits gewachsene Welthandel mit Waren, die großteils noch mit Segelschiffen über die Weltmeere transportiert wurden. Zwar befuhren die ersten Dampfschiffe Ende der 1830er Jahre den Atlantik, doch die eigentliche Verdrängung des Segelschiffs als Transportmittel setzte erst ab den 1870er Jahren ein.
Die Notwendigkeit, sich gegen den Verlust der Waren infolge Schiffuntergangs zu schützen oder sich überhaupt vor unerwarteten Preisveränderungen während der langen Schiffsfuhren abzusichern, führte zur Einrichtung der Chicagoer Warenbörse (Chicago Board of Trade), 1848 zunächst als Kassen- oder Spotmarkt, 1864 dann als Warenterminmarkt. Fortan konnten Käufer und Verkäufer Warenpreise vereinbaren für Warenlieferungen in ein, zwei, drei, sechs Monaten, was die Sicherheit der unternehmerischen Kalkulation erheblich erhöhte, da nun die Preisrisiken nicht von den Warenverkäufern und -käufern selbst, sondern von den Spekulanten übernommen wurden. Es entstand eine hochspezialisierte Zunft von Spekulanten, darunter viele Versicherungen.
Die Spekulanten hatten die Zeit und die Informationsmittel, sich über Warenpreisänderungen am Warenursprungsort und über Transportverzögerungen oder Schiffsunfälle zu informieren. Schlechte Kaffee- oder Kakao-Ernten, transportverzögernde Windflauten oder Schiffsunglücke blieben für sie kein Geheimnis, entsprechend diesen Informationen disponierten sie am Warenterminmarkt ihre Preisvorstellungen, doch in der Vergangenheit geschlossene Warenpreise für eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Termin blieben davon unberührt.