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FAZIT DES TAGES – oder: Nachrichten aus dem irrwitzigen Weltzirkus
- Israel-Hamas-Hisbollah-Krieg: Weiter internationaler Druck auf Israel.
Hamas will weiterverhandeln, aber unter Bedingungen und wirft Israel vor, die Verhandlungen grundlos verlassen zu haben.
Hamas veröffentlicht neuerlich Lebenszeichen einer einzelnen Geiseln.
Israel wirft weiter Hilfsgüter aus der Luft ab.
Slowenien wird allen Waffenhandel Richtung Israel unterbinden.
KOMMENTAR: Hamas und Israel werden sich immer ähnlicher. Lesenswert - Ukraine-Krieg: Russland rückt in Tschassiw Jar vor, Kiew dementiert, Reuters bestätigt.
Anti-Korruptionsgesetz: Hoher Vertrauensverlust für die ukrainische Regierung.
KOMMENTAR: Putin hat dem Westen längst den Krieg erklärt. Lesenswert – COMMENT
ANALYSE: China und Russland könnten sich militärisch gegen den Westen zusammenschließen. LESENSWERT. - ZENTRALBANKEN: FED belässt Zinssatz bei 4,0-4,5 Prozent zum Ärger von Trump.
- USA: Neue, teils höhere Zölle nicht sofort, aber ab 7. August.
- ÖSTEREICH: Weiter schwächelnde Wirtschaft.
Sommertourismus mit stabiler Bilanz: Angst vor ausbleibenden deutschen Gästen.
Nulllohnrunde für Politiker von der Regierung beschlossen.
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MÄRKTE
VERMÖGEN – Unterschiedliche Ansichten zur Vermögenssteuer
WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK – US-Wirtschaft bleibt weiter robust gemessen an Stimmungsindikator und Arbeitslosenzahlen. u.a.m.
Themenreigen – UMWELT: Plastikteilchen werden eingeatmet, Folgen noch unklar. GESCHICHTE: Was brachte die Schlussakte von Helsinki und wie ist es damit heute bestellt?
Unternehmen
- KTM
Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
Apropos Weltzirkus: Zirkus ist was für Kinder und Junggebliebene, Staunen und Lachen über die Clowns! Im Weltzirkus tummeln sich viele Zauberkünstler und Clowns. Lachen wir also, Lachen ist die beste Medizin gegen Depressionen.
EMPFEHLUNG
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Dazu allerdings ca. 15 bis 20 Minuten Zeit für konzentriertes Zuhören einplanen.
MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
VERMÖGEN
Faktencheck: Wo steckt das Vermögen der Superreichen? – MDR, 31.7.2025
Die Bundesregierung plant für 2026 eine Neuverschuldung von 174 Milliarden Euro – offen bleibt, wer die Schulden tragen soll. Linke fordern höhere Abgaben für Reiche, da deren Vermögen weiter wächst. CDU-Politiker Middelberg lehnt das ab und warnt, Vermögenssteuern träfen vor allem Unternehmen, weil Reichtum meist im Betriebsvermögen stecke. Zwar sind sich Ökonomen einig, dass viel Vermögen in Betrieben steckt, doch über die Folgen einer Vermögenssteuer gehen die Einschätzungen weit auseinander.
ZUSAMMENFASSUNG:
Laut Institut der deutschen Wirtschaft steckt viel Vermögen der Superreichen in Betrieben – ob es aber wirtschaftlich wirkt oder nur geparkt wird, bleibt unklar.
Ein Ökonom warnt, eine Vermögenssteuer könne investitionsschwache Firmen belasten und dem Standort schaden.
Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hingegen hält Vermögenssteuern für verkraftbar und verweist auf die Thiele-Erben, die ohne Firmenverkäufe Milliarden zahlten.
Superreiche schweigen meist über ihren Super-Reichtum. Für Wissenschaftler wie Martin Beznoska ist das ein Problem. Der Volkswirt forscht am arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln zur Vermögensverteilung. Bei Erhebungen, bei denen private Haushalte nach ihrem Vermögen abgefragt werden, erreiche man meist keine Milliardäre, sagt er. „Da hat man schon Probleme, überhaupt Leute mit mehr als 10 Millionen zu bekommen. Deswegen muss man schätzen“, erklärt Beznoska. Auch, wie viel ein Unternehmen genau wert ist, ist schwer zu sagen – sofern es nicht gerade verkauft wird.
IW: Kapital steckt in Familien-Unternehmen
Trotz dieser Unschärfen kam eine Studie des IW 2021 zu dem Schluss: Das meiste Kapital der reichsten ein Prozent steckt tatsächlich in deren Familien-Unternehmen. „Ungefähr 65 Prozent des gesamten Vermögens dieser Personen sind Betriebsvermögen. Insoweit stimmt die Aussage, dass ein Großteil dieses Vermögens Betriebsvermögen und Maschinen, Fabriken, die Grundstücke und die Unternehmen sind“, sagt Beznoska.
Die Aussage von CDU-Politiker Middelberg sei im Grunde richtig, sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit – aber nur zum Teil. Denn bei der Frage, ob Betriebsvermögen tatsächlich „wirtschaftliche Tätigkeit“ finanziere, also beispielsweise neue Maschinen davon gekauft würden, sei diese Statistik blind.
Die großen Vermögen seien größtenteils in Betrieben investiert, sagt Trautvetter. Der Grund: Es mache keinen Sinn, das Vermögen als Bargeld unter dem Kopfkissen aufzuheben, auch die Wohnimmobilie falle bei sehr reichen Menschen kaum ins Gewicht. „Ob es aber tatsächlich wirtschaftliche Tätigkeit fördert und Investitionen oder Arbeitsplätze sichert oder ob es angespart und wieder am Finanzmarkt investiert wird, das sagen die Statistiken nicht“, sagt Trautvetter.
Beznoska: Vermögenssteuer würde Unternehmen treffen
Bei gleicher Ausgangslage schätzen die beiden befragten Ökonomen völlig anders ein, wie eine Vermögenssteuer wirken würde. Laut IW-Forscher Beznoska würde sie Unternehmen hart treffen, deren Kasse gerade weniger voll ist. Zudem reduziere schon ein Prozent Vermögenssteuer den Gewinn und damit die Investitionsmöglichkeiten von Firmen um ein Vielfaches – weil Unternehmen ein Vielfaches ihres Gewinns wert seien.
Das sind laut Beznoska zwei Gründe, warum Vermögenssteuern relativ hohe Ausweichreaktionen haben: „Und wirklich das Unternehmensvermögen reduzieren in dem Land, das eine Vermögenssteuer erhebt. Das muss man bedenken, weil das für den Wirtschaftsstandort nicht unbedingt gut ist.“
Trautvetter: Kaum Auswirkungen für Superreiche
Trautvetter führt als Gegenbeispiel die Erben des Industriellen Heinz Thiele an. Dessen Nachkommen zahlten gerade 4 Milliarden Euro Erbschaftssteuer an den Staat, weil sie ihr Vermögen nicht rechtzeitig steueroptimiert hatten.
Auswirkungen? Keine nennenswerten: Die Familie habe diese 4 Milliarden Euro Steuern dadurch finanziert, dass sie einen Teil ihrer Aktien verkauften, sagt Trautvetter. „Jetzt besitzen andere Menschen diese Aktien. Aber es gab weder große Kursstürze, noch irgendwelche Unternehmen, die verkauft werden mussten oder Betriebe, die schließen mussten. Und trotzdem sind 4 Milliarden Euro Steuern gezahlt worden.“
GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN
findet sich am Ende des Tagesblicks
HELLMEYER (Märkte u.a.m.)
Wie angekündigt nicht eingelangt.
ISRAEL-NAHOST-KONFLIKT
Angeblich Waffenruhe verletzt: Israel greift erneut Ziele der Hisbollah an
Zwischen Israel und dem Libanon herrscht seit Monaten eine Waffenruhe. Doch die Regierung in Tel Aviv schreckt nicht zurück, zu attackieren, wenn sie sich bedroht fühlt. Jetzt gibt es den nächsten Schlag gegen die Hisbollah. Minister Katz spricht von einer „Politik der maximalen Repression“.
Unterstützung von „Terrorismus“? Washington sanktioniert Palästinenser-Vertreter
Während inzwischen mehrere G7-Staaten laut über die Anerkennung eines Palästinenserstaates nachdenken, verhängen die USA eine de facto Einreisesperre für Mitglieder der Autonomiebehörde im Westjordanland und der PLO. Washington macht Ramallah schwere Vorwürfe.
Bauarbeiten dauern einige Wochen: Emirate helfen Menschen in Gaza mit neuer Wasserleitung
Schon bevor der gegenwärtige Krieg im Gazastreifen ausgebrochen ist, musste die ansässige Bevölkerung mit einer schlechten Wasserversorgung klarkommen. Doch seit einigen Monaten hat sich das Problem dramatisch verschärft. Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen Abhilfe schaffen.
ISRAEL-NAHOST-FAZ-Liveblog
Außenminister Johann Wadephul hat die israelische Führung eindringlich vor einer internationalen Isolierung gewarnt,
wenn sie die humanitäre Lage im Gazastreifen nicht umgehend verbessert. „In vielerlei Hinsicht stehen der Nahost-Friedensprozess und letztlich die ganze Region an einem Scheideweg“, sagte der CDU-Politiker nach politischen Gesprächen in Jerusalem.
Wadephul verwies auf Diskussionen in der Europäischen Union über Sanktionen gegen Israel und auf die steigende Bereitschaft von Staaten, einen palästinensischen Staat anzuerkennen. „Israel läuft Gefahr, international immer weiter isoliert zu werden. Ich sehe es als Deutschlands Aufgabe an, alles dafür zu tun, das zu verhindern.“ Daher sei er nach Israel gekommen.
Mit Blick auf die hungernde Bevölkerung im Gazastreifen, sagte Wadephul: „Das ist ein vollkommen untragbarer Zustand, der sich sofort ändern muss.“ Nötig sei eine „fundamentale Verbesserung für die Menschen im Gazastreifen“. Das habe er auch in seinen Gesprächen zum Ausdruck gebracht. Die israelische Regierung sei in der Pflicht, auf dem Landweg „schnell, sicher und ausreichend humanitäre und medizinische Hilfe zuzulassen, damit ein Massensterben im Rahmen einer Hungersnot abgewendet werden kann“. Wadephul sagte: „Ich habe den Eindruck, dass das heute verstanden wurde.“
Der CDU-Politiker fordert außerdem einen Waffenstillstand in Gaza. Es brauche jetzt mehr als Kampfpausen. „Es ist an der Zeit, diesen Krieg zu beenden.“ Diese Forderung richte sich in erster Linie an die Terrororganisation Hamas. Sie müsse erkennen, „dass jetzt die Stunde gekommen ist, die Geiseln freizulassen und die Geiseln zu strecken“.
Der Außenminister war am Nachmittag in Tel Aviv eingetroffen und von dort weiter nach Jerusalem gefahren. Dort führte er zunächst ein Gespräch mit seinem israelischen Kollegen Gideon Saar. Anschließend traf er Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Izchak Herzog. Am morgigen Freitag will Wadephul in das Westjordanland fahren und in Ramallah mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas reden.
Die islamistische Hamas hat sich zur Fortsetzung der ins Stocken geratenen Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen bereit erklärt
— unter der Bedingung, dass sich zuvor die humanitäre Lage in dem Gebiet verbessert. Dies erklärte die Terrororganisation am Abend in einer Stellungnahme. Die Fortsetzung der Gespräche sei unter den derzeit gegebenen Umständen „sinn- und wirkungslos“, hieß es weiter.
Zuletzt waren die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas in der katarischen Hauptstadt Doha, bei denen die USA, Ägypten und Katar vermitteln, ins Stocken geraten. Nach israelischer und amerikanischer Darstellung hatte die Hamas mit überzogenen Forderungen die Verhandlungen zum Entgleisen gebracht. Die Delegationen der USA und Israels wurden daraufhin zu Konsultationen in ihre jeweiligen Hauptstädte zurückberufen. Die beiden Kriegsparteien machten sich anschließend gegenseitig Vorwürfe, für die Rückschritte in den Gesprächen verantwortlich zu sein. Die Gespräche als gescheitert bezeichnet hat allerdings bisher keine der beiden Parteien.
Die Hamas wirft Israel vor, sich „ohne Begründung“ zurückgezogen zu haben. Israel wirft seinerseits der Hamas vor, die Gespräche herauszuzögern.
Außenminister Gideon Saar erklärte nach einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Johann Wadephul (CDU), die Hamas sei nicht an einer Einigung interessiert. Die Organisation fühle sich angesichts der immer lauter werdenden internationalen Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen gestärkt, sagte Saar laut einer Mitteilung.
Auf dem Verhandlungstisch lag zuletzt ein Vorschlag für eine 60 Tage lange Waffenruhe. Während dieser Zeit sollte die Hamas zehn der noch lebenden Geiseln freilassen. Es wird vermutet, dass noch 20 Geiseln am Leben sind.
Slowenien hat angekündigt, jeglichen Waffenhandel mit Israel wegen des Krieges im Gazastreifen zu untersagen.
„Slowenien ist das erste europäische Land, das den Import, Export und Transit von Waffen nach und aus Israel verbietet“, erklärte die Regierung in Ljubljana am Donnerstagabend. Sie betonte, im Alleingang zu handeln, da die EU aufgrund von Uneinigkeiten „nicht in der Lage sei, konkrete Maßnahmen zu ergreifen“.
Inmitten des Krieges im Gazastreifen, „wo Menschen … sterben, weil ihnen humanitäre Hilfe systematisch verweigert wird“, sei es die „Pflicht jedes verantwortungsvollen Staates, Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn dies bedeutet, einen Schritt voraus zu sein“, erklärte die slowenische Regierung. Sie betonte, seit Oktober 2023 aufgrund des Konflikts keine Genehmigungen für den Export von Militärausrüstung nach Israel mehr erteilt zu haben.
Anfang Juli 2025 hatte Slowenien zwei rechtsextremen israelischen Ministern die Einreise verboten. Im Juni 2024 hatte das slowenische Parlament die Anerkennung eines palästinensischen Staates verabschiedet.
Die Terrorgruppe Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) hat ein neues Video von einer israelischen Geisel veröffentlicht.
Der 21 Jahre alte Rom Braslavski aus Jerusalem war bei dem Massaker der Hamas und anderer extremistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober 2023 von Terroristen von einem Musikfestival entführt worden, wo er als Wächter arbeitete. Vor wenigen Monaten war bereits ein Video von Braslavski veröffentlicht worden. Israel verurteilt solche Videos als abscheuliche Mittel psychologischer Kriegsführung.
Die Familie Braslavskis gab nach Angaben des Forums der Geiselfamilien zunächst keine Genehmigung, das Video zu zeigen oder seinen Inhalt wiederzugeben. Nur ein Standbild wurde veröffentlicht, auf dem Braslavski weinend zu liegen scheint. Der junge Mann sieht auf der Aufnahme abgemagert und sehr blass aus. Unter welchen Umständen das Video entstand, ist unbekannt.
Braslavksis Familie ließ nach der Veröffentlichung über das Forum der Geiselfamilien mitteilen: „Wir sind zutiefst erschüttert. Die Menschen sprechen viel über die Ereignisse in Gaza, über den Hunger, und ich möchte alle, die über den Hunger gesprochen haben, fragen: Habt ihr unseren Rom gesehen? Er bekommt weder Essen noch Medikamente. Er wurde dort einfach vergessen.“
Erneut sind nach israelischen Angaben Hilfsgüter aus der Luft über dem abgeriegelten Gazastreifen abgeworfen worden.
Die Lieferungen umfassten 43 Paletten mit Lebensmitteln für die notleidende Bevölkerung, die in den vergangenen Stunden an Fallschirmen von jordanischen, emiratischen sowie ägyptischen Flugzeugen abgeworfen wurden, wie das Militär mitteilte. Die drei Länder koordinieren ihre Abwürfe mit Israels Behörden.
Israel hatte am Sonntag erstmals seit Monaten die Einfuhr von Hilfslieferungen in größerem Stil zugelassen. Seitdem gelangen durchschnittlich um die 200 Lastwagenladungen pro Tag in den Gazastreifen. Außerdem werden seitdem wieder Hilfsgüter aus der Luft über dem umkämpften Küstenstreifen abgeworfen. Mehrere andere Länder — darunter auch Deutschland — wollen in den kommenden Tagen ebenfalls mit solchen Hilfsaktionen beginnen.
Helfer befürworten die Wiederaufnahme der Hilfslieferungen in größerem Stil für die notleidende palästinensische Zivilbevölkerung, sie halten den Abwurf aus der Luft aber wegen der relativ geringen Mengen für ineffektiv und zu teuer. Im Vergleich zu Lastwagen können damit nur sehr wenige Lebensmittel transportiert werden. Sie weisen auch darauf hin, dass die Paletten in einem so dicht besiedelten Gebiet Menschen am Boden verletzen oder töten könnten.
ISRAEL-IRAN-KRIEG im n-tv Liveticker
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WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN
KOMMENTARE – ANALYSEN
Israel und die Hamas: Feinde, die sich ähnlicher werden – NZZ, 1.8.2025
Der Vorwurf, Israel verübe einen Genozid in Gaza, ist haltlos. Schuld an der Katastrophe ist die Hamas. Und doch hat der jüdische Staat viel von seiner moralischen Überlegenheit verloren.
Es mag zynisch klingen, aber die Israeli haben dem Hamas-Schlächter Yahya Sinwar einiges zu verdanken. Ohne die Wahnsinnstat vom 7. Oktober 2023 hätte die Regierung in Jerusalem kaum den Mut zu zwei riskanten Unternehmen gefunden: den Angriffen auf Iran und seine libanesischen Hilfstruppen.
Beide Kriege endeten mit einem triumphalen Sieg. Der jüdische Staat verfügt nun über eine beinahe hegemoniale Stellung im Nahen Osten. Vor kurzem hätten das die meisten Beobachter noch für unmöglich gehalten.
Doch ausgerechnet der Konflikt, mit dem vor zwei Jahren alles begann, hängt in einer Endlosschlaufe fest. Zwar ist die Hamas als militärische Organisation zerschlagen. Die die für die Massaker Verantwortlichen, allen voran Sinwar, sind tot. Die stärkste Festung der Welt, der Gazastreifen mit seinen Tunneln, ist erobert. Auch diese Leistung hielten die meisten für ausgeschlossen. Die Festung Gaza galt als uneinnehmbar oder nur mit schwersten Verlusten zu bezwingen.
COMMENT: Aber wo stecken die restlichen Geiseln? Noch ist es Israel nicht gelungen, deren Versteck – in den Händen der Hamas – ausfindig zu machen.
Und doch wird niemand von einem Erfolg sprechen.
Das liegt nicht nur an den Bildern wie aus Dantes Inferno: hungernde Kinder; Erwachsene im verzweifelten Kampf um Essen; israelische Soldaten, die auf die Menge bei den viel zu wenigen Ausgabestellen schiessen.
In Iran und Libanon hat Israel strategische, die ganze Region verändernde Siege errungen. In Gaza hingegen dominiert kurzsichtige Taktik. Die ursprüngliche Überlegung war rational: Die israelischen Streitkräfte evakuieren die Bevölkerung, um dann die unter Spitälern und Wohnhäusern verborgenen Stellungen zu zerstören.
Damit sollen zivile Verluste auf einem Schlachtfeld minimiert werden, auf dem sich Kämpfer und Nichtkombattanten kaum unterscheiden lassen. Denn die Terroristen hatten den Kampfplatz in der barbarischen Absicht gewählt, ihrem Volk möglichst grosses Leid zuzufügen. Palästinensische Opfer ziehen im Informationskrieg immer, und die Hamas beutet das aus.
Die Hauptverantwortung für die Apokalypse trägt die Hamas
Doch das Vorgehen der Israeli ist eben nur Taktik, keine langfristige Strategie. Sie können die Bevölkerung nicht ewig im Gazastreifen herumjagen. Deshalb verfiel die Regierung Netanyahu auf die Idee, die Überlebenden des Krieges in einer «humanitären Stadt» zusammenzupferchen.
Solche Lager sind so wenig humanitär wie Dantes Unterwelt. Auch sie sind keine Lösung. Genauso wenig wie der Versuch, die Einwohner von Gaza auszuhungern, um ihren Exodus zu beschleunigen. Afrikanische Warlords oder orientalische Despoten dürfen so mit Zivilisten umspringen, das ist der Weltöffentlichkeit gleichgültig.
Für Israel aber gelten höhere Standards als für alle anderen. Auch diese Heuchelei ist Teil des Informationskrieges. Die Empörung der Europäer kann Jerusalem egal sein. Das ist nicht mehr als eine Operette der Machtlosen – mit Präsident Macron als dem umtriebigsten Impresario.
Die Meinung in Amerika, in der jüdischen Diaspora und in Israel selbst lässt sich indes nicht dauerhaft ignorieren. Die meisten Israeli wollen keine Barbaren sein, auf einer Stufe mit der Hamas. Daher gelangt seit einigen Tagen wieder mehr Nahrung nach Gaza.
Zu ihrer Verteidigung kann die Regierung von Ministerpräsident Netanyahu anführen, dass die Versorgungslage bewusst verzerrt dargestellt wird. So gab die Uno früher die Zahl der Gaza täglich versorgenden Lastwagen für das Jahr 2022 mit 270 an, davon 70 mit Lebensmitteln. Inzwischen behauptet die Uno, zu Friedenszeiten seien täglich 500 Trucks gefahren. Es ist eine wundersame Vermehrung, welche die heutigen Lieferungen noch unzulänglicher erscheinen lässt. In diesem Konflikt ist die Uno keine neutrale Instanz.
Ebenfalls in den Bereich der Propaganda gehört der Vorwurf, Israel verübe einen Genozid. Die Hamas, die nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet, gibt die Zahl der Toten in zwei Jahren mit 60 000 an. Das sind angesichts der von der Hamas zu verantwortenden Bedingungen auf dem Schlachtfeld weniger als erwartet.
Hätte Israel wirklich die Absicht, alles Leben im Gazastreifen auszurotten, wäre es ein Leichtes, sehr viel mehr Menschen zu töten. Plausibler ist eine andere Erklärung: Die Streitkräfte versuchen, unter schwierigen Bedingungen Menschenleben zu schonen – und sei es nur aus Opportunismus, weil sie in ihrem Krieg auf Amerika Rücksicht nehmen müssen. Und es ist immer noch ein Krieg, kein blosses Abschlachten von Zivilisten.
Solange Hamas-Einheiten weiterkämpfen, sind sie ein legitimes militärisches Ziel. Warum also legen die Kämpfer nicht die Waffen nieder, um ihrem Volk weiteres Leid zu ersparen?
Sogar die Nazis kapitulierten am Ende. Sie verweigerten Hitlers Nero-Befehl, der Deutschland vollends in eine Wüstenei verwandelt hätte. Doch Sinwars Anhänger zeigen nicht einmal diesen Rest an Humanität. Dass die Lage in Gaza apokalyptische Züge trägt, liegt zuallererst an der Hamas. Das geht bei aller Kritik an Israel zu oft vergessen.
Ein politischer Neuanfang in Jerusalem ist überfällig
Gleichwohl entkommt Israel seiner Verantwortung für die Zivilbevölkerung nicht. Der Plan, die Menschen aus Gaza zu vertreiben, ist nichts als ein Hirngespinst israelischer Eiferer, die der Hamas in Fanatismus kaum nachstehen.
Wie ähnlich sich die beiden Seiten werden, ist eine Kernfrage in diesem Konflikt. Netanyahu begann den Kampf mit den Terroristen in einer Position moralischer Überlegenheit. Davon ist nicht viel geblieben. Gnade kennt dieses Kabinett nicht.
Abgesehen davon, dass der Deportationsplan die Erinnerungen an die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan weckt, hat er einen Makel: Er lässt sich nicht umsetzen. Niemand ist willens, zwei Millionen Menschen aufzunehmen, von denen viele der Hamas und damit den islamistischen Muslimbrüdern nahestehen.
Die Islamisten sind der Feind aller säkularen Regime in der Region. Jeder wird die mit ihrer Ideologie infizierten Einwohner Gazas auf Abstand halten. Schon früher erschöpfte sich die Solidarität mit den Palästinensern in wohlfeilen Lippenbekenntnissen. Das gilt nach dem Zivilisationsbruch vom 7. Oktober erst recht.
Die arabischen Potentaten sehen in Israel eine Rückversicherung gegen ihre drei grössten Bedrohungen: Iran, die Türkei und die Muslimbrüder. Sollten die USA eines Tages ihre Ankündigung wahr machen und sich aus dem Nahen Osten zurückziehen, wäre Israel als Schutzmacht erst recht unerlässlich. Nie waren die Palästinenser isolierter.
Sinwar hat seinem Volk die Zukunft geraubt. Die Zweistaatenlösung ist obsolet. Den Staat Palästina wird es nicht geben, auch wenn Paris und London das Phantom anerkennen. Der Paria-Status der Palästinenser ist zementiert, da kann die westliche Linke noch so lange antisemitische Slogans brüllen.
Die Hamas bot Israel mit dem Pogrom den Anlass, seine Macht in der Region erheblich auszudehnen. Sie lieferte ihr Volk dem jüdischen Gegner auf Gedeih und Verderb aus und verursachte die grösste Katastrophe in der palästinensischen Geschichte, grösser als die ebenfalls weitgehend selbstverschuldete «Nakba», die Flucht und Vertreibung im Krieg von 1948.
Auch die Bilanz Israels fällt nicht gut aus. Die militärischen Erfolge in Gaza sind schal, eine politische Strategie für das Gebiet existiert nicht, und das Schicksal der Geiseln ist grausam. Sieger sehen anders aus.
Sofern Washington nicht eingreift, bleiben die Palästinenser ein Spielball der israelischen Innenpolitik. Die wenigsten Wähler wollen noch eine Verständigung mit den Palästinensern, aber dennoch sind die radikalen Nationalisten eine Minderheit. Das Beste wären Wahlen und ein Kabinett ohne die extremistischen Parteien.
Ein politischer Neuanfang böte die Chance, nach einem Notausgang aus dieser Feindschaft ohne Ausweg zu suchen. Nicht einmal dazu scheint die jetzige Regierung willens. Nur eine unbelastete Regierung kann ferner gegen die Siedler vorgehen, denen auch für das Westjordanland eine ethnische Säuberung vorschwebt. Im Schatten des Krieges haben sie freie Bahn, und sie nützen das derart brutal aus, dass selbst Trumps Botschafter protestiert.
Ob die Siedler die Mehrheit ihrer Landsleute in einen unendlichen Mahlstrom aus Gewalt und Gegengewalt reissen können? Ausgeschlossen ist das nicht. Es gibt genügend Beispiele für die nihilistische Kraft des Extremismus von Hitler bis zur Hamas.
Gewiss ist nur, dass Israel die Palästinenser nicht zum Verschwinden bringt. Alle Versuche, sie durch hohe Mauern aus dem Gesichtsfeld zu verbannen, sind gescheitert – letztmals im Oktober vor zwei Jahren. Juden und Araber sind aneinandergefesselt. Siamesische Zwillinge, die einander hassen und doch nicht voneinander loskommen.
URAINE-KRIEG im n-tv Liveticker
Detaillierte Meldungsübersicht. Daraus eine Auswahl:
+++ 08:54 Nächtliche Explosionen über Taganrog: Bürgermeisterin schweigt über vermuteten Drohnenangriff +++
In der russischen Stadt Taganrog in der Region Rostow ist in der Nacht eine Reihe von Explosionen zu hören. Nach Angaben des russischen Telegram-Kanals Baza wird vermutet, dass es sich um einen ukrainischen Drohnenangriff handelt. Anwohner berichten demnach, sie hätten etwa zehn Explosionen am Himmel über der Stadt gehört. Berichten zufolge seien sowohl Flugabwehrsysteme als auch Hubschrauber an der Abwehr beteiligt gewesen. Die Bürgermeisterin von Taganrog, Switlana Kambulowa, bestätigt später den Einsatz der örtlichen Luftabwehr, äußert sich jedoch nicht weiter zu dem Drohnenangriff.
+++ 08:18 Neues Kreml-Gesetz nennt 72 neue „Vergehen“, die zum Verlust der Staatsbürgerschaft führen +++
Der russische Präsident Wladimir Putin unterzeichnet ein neues Gesetz, das die Gründe für den Entzug der eingebürgerten russischen Staatsbürgerschaft erheblich ausweitet. Die aktualisierte Gesetzgebung fügt der Liste der Straftaten, die zum Verlust der erworbenen russischen Staatsbürgerschaft führen können, laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASS 72 neue Punkte hinzu. Darunter befinden sich schwere Gewaltverbrechen wie Mord, sexuelle Gewalt gegen Minderjährige, schwere Körperverletzung und fahrlässige Tötung. Die überarbeitete Liste zielt auch auf Handlungen ab, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen werden, wie etwa öffentliche Aufrufe zu terroristischen Aktivitäten, die Rechtfertigung oder Propagierung von Terrorismus und unrechtmäßige Handlungen gegen die kritische Informationsinfrastruktur Russlands. Die Staatsbürgerschaft kann nun auch für die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Staat entzogen werden, wenn dies als Verstoß gegen die Sicherheitsinteressen Russlands angesehen wird. Das Gesetz nennt weitere Gründe für den Entzug der Staatsbürgerschaft, darunter die wissentliche Unterstützung von Aktivitäten, die als Untergrabung der Sicherheit Russlands gelten, der öffentliche Aufruf zu Aktionen gegen die Sicherheit des Staates und die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen oder ausländischen staatlichen Stellen, die Russland als feindlich betrachtet.
+++ 07:14 Microsoft: Russische Hackergruppe „Secret Blizzard“ attackiert Botschaften in Moskau +++
Eine große russische Cyberspionage-Gruppe, die von Microsoft unter dem Namen „Secret Blizzard“ geführt wird, attackiert nachweislich ausländische Botschaften in Moskau. Die Gruppe setzt eine ausgeklügelte „adversary-in-the-middle“-Technik ein, um ihre maßgeschneiderte Malware, „ApolloShadow“, für die Sammlung von Informationen einzusetzen, heißt es von Microsoft. Diese Kampagne, die seit mindestens 2024 läuft, sei ein hohes Risiko für diplomatische Einrichtungen und andere sensible Organisationen, die in der russischen Hauptstadt tätig sind, insbesondere für solche, die auf lokale Internetanbieter angewiesen sind. Die ApolloShadow-Malware ermöglicht es Secret Blizzard, ein vertrauenswürdiges Stammzertifikat auf den Zielgeräten zu installieren. Mit diesem Zertifikat können Geräte dazu gebracht werden, bösartigen, von den Akteuren kontrollierten Websites zu vertrauen, wodurch die Cyberspionagegruppe einen dauerhaften Zugang zu diplomatischen Geräten aufrechterhalten kann, vermutlich zum Zweck der Informationsbeschaffung. Im Februar 2025 beobachtete Microsoft diese Technik speziell gegen ausländische Botschaften in Moskau.
+++ 06:42 Einer der schwersten Angriffe auf Zivilisten: Opferzahl in Kiew steigt auf 26 +++
Die Zahl der Opfer nach dem großen russischen Drohnen- und Raketenangriff auf Kiew in der Nacht auf Donnerstag steigt noch immer. Weitere Opfer wurden bei Bergungsarbeiten unter Trümmern entdeckt. Tymur Tkachenko, Leiter der Militärverwaltung der Stadt, erklärt auf Telegram, dass mittlerweile 26 Todesopfer und 159 Verletzte zu beklagen sind. Unter den Todesopfern befinden sich demnach auch drei Kinder. Zwölf Kinder wurden zudem verletzt. „Leider haben sich die schlimmsten Voraussagen über die Zahl der unter den Trümmern eingeschlossenen Menschen bestätigt“, so Tkatschenko. Rund 30 Menschen befanden sich am Donnerstag noch im Krankenhaus. Damit handelt es sich um einen der schwersten Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022.
+++ 06:04 Ukraine: Einnahme von Tschassiw Jar ist „russischer Fake“ +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erklärt, dass es sich bei den Berichten über eine russische Einnahme von Tschassiw Jar um eine Falschmeldung handle. Es gibt russische Fälschungen. Wie Sie gesehen haben, sind Informationen über die Besetzung von Tschassiw Jar russische Desinformationen“, so der ukrainische Präsident. „Die ukrainischen Einheiten verteidigen unsere Stellungen und wir schlagen jeden russischen Vorstoß in den Oblasten Donezk, Sumy und Charkiw zurück.“ An der Pokrowsk-Front halte man die Stellungen, so Selenskyj. „Es ist wichtig, dass unsere Kämpfer russische Sabotage- und Aufklärungsgruppen zurückschlagen, kleine Gruppen, die ständig versuchen, in die Stadt einzudringen, die ständig versuchen, dort Fuß zu fassen. Das ist die russische Taktik, und unsere Antwort darauf ist die Vernichtung der Besatzer.“
+++ 04:21 Trump schickt Sondergesandten Witkoff erneut nach Moskau +++
Ein Ausschuss des US-Senats hat am Donnerstag einen Gesetzesentwurf gebilligt, der rund eine Milliarde Dollar zur Unterstützung der Ukraine enthält. Der Bewilligungsausschuss des Senats stimmt mit 26:3 Stimmen für den Haushalt des Verteidigungsministeriums in Höhe von 852 Milliarden Dollar. Dieser enthält 800 Millionen Dollar für die Initiative zur Unterstützung der Sicherheit in der Ukraine (USAI) und 225 Millionen Dollar für die Baltische Sicherheitsinitiative, von welcher der größte Teil für die Unterstützung Kiews vorgesehen ist.
+++ 00:53 Trump nennt Vorgehen Russlands in der Ukraine „widerwärtig“ +++
US-Präsident Donald Trump hat die erneuten Angriffe Russlands in der Ukraine als „widerwärtig“ bezeichnet und neue Sanktionen gegen Moskau angekündigt. „Russland – ich finde es widerwärtig, was sie tun“, so Trump. „Wir werden Sanktionen verhängen. Ich weiß nicht, ob ihn Sanktionen stören“, fügt der US-Präsident mit Blick auf seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin hinzu.
+++ 19:20 Putin unterzeichnet Gesetz zu Verbot von Suche nach „extremistischen“ Inhalten +++
Der russische Präsident Wladimir Putin hat ein Gesetz unterzeichnet, das die Internetsuche nach als „extremistisch“ eingestuften Inhalten unter Strafe stellt. Es sieht Geldstrafen von bis zu 5000 Rubel (rund 55 Euro) für entsprechende Suchen im Internet vor. Mit der Maßnahme wird die Zensur in Russland weiter verstärkt. Was als „extremistisch“ gilt, wird in der russischen Gesetzgebung sehr weit gefasst und kann neben angeblichen Terrorgruppen auch politische Gegner oder religiöse Bewegungen betreffen. Die Organisation des verstorbenen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny wird beispielsweise als extremistisch eingestuft, ebenso die „internationale LGBT-Bewegung“.
+++ 18:41 Oberst Reisner erklärt drei Beulen in der Ukraine-Front +++
Russland verkündet den Fall der strategisch wichtigen Stadt Tschassiw Jar – doch Kiew widerspricht. Oberst Markus Reisner erklärt, was nun auf die Ukraine im Donbass zukommen könnte.
Wird Tschassiw Jar zum Schlüssel? Oberst Reisner erklärt drei Beulen in der Ukraine-Front
+++ 17:11 USA: Abkommen zu Kriegsende muss bis zum 8. August stehen +++
Die USA dringen im UN-Sicherheitsrat auf eine Vereinbarung zum Ende des Krieges bis zum 8. August. „Es ist Zeit für eine Einigung. Präsident Trump hat klargemacht, dass dies bis zum 8. August geschehen muss“, sagt der US-Diplomat John Kelley vor dem Gremium. Die USA seien bereit, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um den Frieden zu sichern. Trump drohte am Dienstag mit Zöllen und anderen Maßnahmen gegen Russland, sollte die Regierung in Moskau keine Fortschritte bei einer Friedenslösung zeigen.
Hohe Strafzölle drohen Trump präzisiert sein Ultimatum an Putin auf zehn Tage
+++ 16:32 Korruptionsermittler: EU begrüßt Selenskyjs Rückzieher +++
Spitzenvertreter der EU begrüßen den Rückzieher des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einer umstrittenen Entscheidung zu Korruptionsermittlern. Die Unterschrift Selenskyjs unter das Gesetz zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der speziellen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft und des nationalen Antikorruptionsbüros sei ein erfreulicher Schritt, kommentieren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa in einer gemeinsamen Nachricht. Die Rechtsstaats- und Antikorruptionsreformen der Ukraine sollten fortgesetzt werden. Sie blieben entscheidend für den Fortschritt der Ukraine auf ihrem Weg in die EU.
+++ 15:53 Bundeswehr vermeldet Erfolge bei Rekrutierung von mehr Soldaten +++
Die Bundeswehr vermeldet bei der Rekrutierung neuer Soldaten und anderem Personal Erfolge. Zum 21. Juli hätten so rund 183.100 Soldaten Dienst geleistet und damit etwa 2000 mehr als im Vorjahresmonat, wie das Verteidigungsministerium mitteilt. Besonders stark fällt der Zuwachs bei den freiwillig Wehrdienstleistenden aus. Ihre Zahl steigt um rund 15 Prozent auf 11.350. Angesichts der Bedrohung durch Russland und neuer Nato-Vorgaben soll die Armee allerdings in den nächsten Jahren auch rasant wachsen. Dabei kämpft sie wie andere Arbeitgeber auch damit, dass immer mehr ältere Beschäftigte in den Ruhestand gehen.
Interesse an Militär steigt Bundeswehr meldet Rekordzuwachs bei neuen Soldaten
+++ 15:04 Archivfund: Putin stellte 1994 Russlands Grenzen gegenüber deutschem Diplomaten infrage +++
Im Archiv des Auswärtigen Amts ist laut einem Medienbericht ein früher Hinweis aufgetaucht, dass der heutige Kremlherrscher Wladimir Putin Russlands Grenzen nicht anerkennt. Wie der „Spiegel“ berichtet, notierte der deutsche Generalkonsul in Sankt Petersburg, Putin habe am 14. Januar 1994 „mit Emphase“ wiederholt, was er ihm schon früher gesagt habe: „Die Krim, die östliche Ukraine und das nördliche Kasachstan – diese Gebiete zumindest – seien für Russland niemals Ausland, sondern immer Teil des russischen Territoriums gewesen. Keinem Russen sei verständlich zu machen, dass dies jetzt für sie Ausland sei.“ Die Russen empfänden national, das sei für Deutsche „vielleicht schwerer verständlich“. Der Vermerk findet sich laut dem Bericht in einer Edition, die das Institut für Zeitgeschichte herausgibt. Putin war damals stellvertretender Bürgermeister, er galt als Reformer.
Gegenüber deutschem Diplomaten Archivfund: Putin stellte schon 1994 Russlands Grenzen infrage
+++ 13:39 Löhne explodieren, Unternehmen finden keine Arbeitskräfte – Russische Wirtschaft am Anschlag +++
Die Hoffnungen auf eine Entspannung auf dem russischen Arbeitsmarkt schwinden. Nach Angaben der staatlichen Statistikbehörde Rosstat blieb die russische Arbeitslosenquote im Juni mit 2,2 Prozent auf einem historischen Tiefstand. Die starke Nachfrage nach Arbeitskräften hat die Löhne steigen lassen. Im Mai erreichte der durchschnittliche Monatslohn 99.422 Rubel (1071 Euro), gegenüber 97.375 Rubel (1048 Euro) im April, was einem jährlichen Anstieg von 14,5 Prozent entspricht. Inflationsbereinigt entspricht dies einem Reallohnzuwachs von 4,2 Prozent. Die Zentralbank stellt fest, dass viele Unternehmen zunehmend nicht mehr in der Lage sind, mit den raschen Lohnerhöhungen Schritt zu halten, und begonnen haben, sich von dem, was sie als „Lohnwettlauf“ bezeichnen, zurückzuziehen. Das Analyseunternehmen Tverdyye Tsifry berichtet, dass der russische Arbeitsmarkt trotz der hohen Löhne nach wie vor historisch angespannt ist, denn die Zahl der offenen Stellen übersteigt weiterhin die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte. Die Gazprombank schätzt, dass die Wirtschaft etwa 1,8 Millionen Arbeitskräfte benötigt, während die Gesamtzahl der Arbeitslosen nur 1,7 Millionen beträgt.
+++ 13:04 Hunderte Kilometer hinter der Grenze: Ukrainische Drohnen treffen russische Rüstungsfabrik in Pensa +++
Ukrainische treffen ein russisches Radioelektronikwerk in der westlichen Stadt Pensa. Dort würde militärische Ausrüstung hergestellt wird, wie eine Quelle dem „Kyiv Independent“ mitteilt. „Mindestens elf Explosionen wurden nach einem Großbrand in der Fabrik JSC Radiozavod, einer sanktionierten Einrichtung des staatlichen russischen Rüstungskonzerns Rostec, verzeichnet“, so die Quelle. Andrii Kovalenko, Leiter des ukrainischen Zentrums für Desinformationsbekämpfung, sagt, das Radiozavod-Werk sei auf Ausrüstung für mobile Kommandoeinheiten, automatisierte Kampfsteuerungssysteme und militärische Funkstationen spezialisiert. „Es ist ein Schlüsselunternehmen des russischen militärisch-industriellen Komplexes“, so Kowalenko. Der Gouverneur des Gebiets Pensa, Oleg Melnichenko, bestätigt den Angriff, ohne die Art der Anlage zu nennen. Die beiden regierungsnahen russischen Telegram-Kanäle, Shot und Baza, veröffentlichen Bilder des Feuers und berichten über weit verbreitete Unterbrechungen der Mobilfunkdienste. Pensa liegt rund 625 Kilometer südöstlich von Moskau und etwa 600 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
+++ 12:33 Unabhängigkeit wieder hergestellt: Ukrainisches Parlament stimmt neuem Antikorruptionsgesetz zu +++
Mit großer Mehrheit hat das ukrainische Parlament dem neuen Gesetzentwurf zur Kontrolle zweier Antikorruptionsbehörden zugestimmt. Die Abgeordneten nehmen das neue Gesetz mit 331 zu 0 an. Das war nötig geworden, weil nach einem zuvor erlassenen Gesetz, deren Unabhängigkeit in Frage stand. Tausende protestierten in zahlreichen ukrainischen Städten gegen das von Präsident Selenskyj erlassene Gesetz. Daraufhin erklärte er, einen neuen Entwurf vorzulegen. Daran waren die Antikorruptionsbehörden beteiligt. Behörden wieder unabhängig Ukrainisches Parlament segnet neues Korruptionsgesetz ab
+++ 12:28 Sharma: „Selenskjs Ansehen hat stark gelitten“ +++
Die Ukraine sieht sich nicht nur äußeren Feinden gegenüber, sondern ist auch wachsendem innenpolitischen Druck ausgesetzt: Ein umstrittenes Antikorruptionsgesetz löst landesweite Proteste aus – die größten seit Kriegsbeginn. Selenskyj steht in der Kritik, seine Reputation leidet, so ntv-Reporterin Kavita Sharma. Anti-Korruptionskampf in Ukraine Sharma: „Selenskjs Ansehen hat stark gelitten“
+++ 10:47 Bericht: Republikaner wollen Europa für Waffen zahlen lassen +++
Zwei hochrangige republikanische Senatoren haben laut einem Bericht des „Wall Street Journals“ im Senat einen Plan vorgelegt, der es Washingtons Verbündeten ermöglichen würde, Waffenlieferungen an die Ukraine zu finanzieren. Das von Roger Wicker und Jim Risch vorgeschlagene Friedensgesetz bietet dem Bericht zufolge den bisher detailliertesten Überblick darüber, wie Trump seinen neuen Plan, Kiew mit europäischen Geldern auszustatten, umsetzen könnte. Ihr Gesetzentwurf würde einen Fonds im US-Finanzministerium schaffen, um Geld von Verbündeten anzunehmen. Das würde es dem Pentagon ermöglichen, die nach Kiew geschickten Waffen wieder aufzustocken. Der Vorschlag folgt auf Trumps Ankündigung vom 14. Juli, dass die USA die Ukraine weiterhin über die NATO mit fortschrittlichen Waffen versorgen würden, wobei die Verbündeten die Kosten tragen würden. Nach Angaben des „Wall Street Journals“ hoffen die Befürworter des Plans auf eine jährliche Finanzierung in Höhe von 5 bis 8 Milliarden US-Dollar, wobei Deutschland und das Vereinigte Königreich als die wahrscheinlichsten Geber gelten.
WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN
Ukraine: Parlament erneuert Unabhängigkeit von Korruptionsbekämpfern – 31.7.2025
KIEW (dpa-AFX) – Nach einer Protestwelle hat das ukrainische Parlament ein Gesetz zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit von zwei Behörden zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den Entwurf eingebracht, nachdem vor allem jungen Menschen in ukrainischen Großstädten gegen ein zuvor verabschiedetes, umstrittenes Gesetz protestiert hatten. Ausschlaggebend für die Gesetzesänderung war aber der Druck westlicher Staaten und der Europäischen Union auf Selenskyj gewesen.
Die Parlamentssitzung wurde erstmals seit dem russischen Einmarsch vom Februar 2022 live im Fernsehen übertragen.
Auslöser der Proteste war ein eilig verabschiedetes Gesetz Mittwoch vergangener Woche. Damit wurden das Nationale Antikorruptionsbüro und die Spezielle Antikorruptionsstaatsanwaltschaft faktisch der Generalstaatsanwaltschaft unterstellt.
Das neue Gesetz stellt die Unabhängigkeit beider Behörden wieder her. Mitarbeiter mit Zugang zu Staatsgeheimnissen müssen sich aber künftig regelmäßig Tests mit Lügendetektoren stellen. Befragt werden sie zu einer möglichen Zusammenarbeit mit Kriegsgegner Russland.
Beide Organe waren 2015 mit westlicher Förderung für den Kampf gegen Bestechung und Vetternwirtschaft bei hochrangigen Staatsangestellten und Politikern geschaffen worden.
Die verarmte Ukraine leistet sich parallel zu Staatsanwaltschaft und Polizei ein vom Westen gefordertes System von Organen zur Bekämpfung der Korruption im Land. Trotz der nach dem prowestlichen Umsturz 2014 neu geschaffenen Behörden gehört das Land der Nichtregierungsorganisation Transparency International zufolge weiter zu den korruptesten Staaten Europas./ast/DP/jha
© 2025 dpa-AFX
Ukrainisches Korruptionsgesetz nach Protesten zurückgenommen – APA, 31.7.2025
Nach massiven Protesten und scharfer Kritik europäischer Verbündeter hat die Ukraine die Unabhängigkeit von zwei wichtigen Anti-Korruptionsbehörden wieder hergestellt. Die Abgeordneten nahmen am Donnerstag mit 331 zu null Stimmen einen Gesetzentwurf an, mit dem unter Präsident Wolodymyr Selenskyj veranlasste Einschränkungen der Behörden wieder rückgängig gemacht werden. Selenskyj setzte das neue Gesetz kurz darauf mit seiner Unterschrift in Kraft.
Sein Vorgehen hatte die schwerste politische Krise in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs ausgelöst. Auf Druck von Demonstranten und mehreren europäischen Spitzenpolitikern lenkte er jedoch anschließend ein und legte den Gesetzentwurf zur Kurskorrektur vor, der nun das Parlament passierte.
„Die Ukraine ist eine Demokratie, daran gibt es keinerlei Zweifel“, erklärte Selenskyj über den Kurznachrichtendienst Telegram. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Behörden.
Abgeordnete von Selenskyjs Regierungspartei hatten in der vergangenen Woche zunächst Änderungen durchgesetzt, die die Behörden entmachteten. Dies löste tagelange Proteste Tausender Menschen in Kiew und anderen Städten aus – ein seltener Ausdruck der Unzufriedenheit seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Selenskyj vollzog nach dem Aufschrei eine Kehrtwende. Er stand zudem unter dem Druck hochrangiger europäischer Vertreter. Diese hatten gewarnt, die Ukraine gefährde ihren Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft, wenn sie die Befugnisse ihrer Anti-Korruptionsbehörden beschneide.
BERICHT: Hoher Vertrauensverlust bleibt zunächst: Das ukrainische Parlament stellt die Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden wieder her – NZZ, 31.7.2025
In der Ukraine wurde ein Gesetz wieder aufgehoben, das den Kampf gegen die Korruption stark geschwächt hatte. Die Krise ist damit aber nicht ausgestanden. Der Verlust des Vertrauens in die Staatsführung wiegt schwer.
Das ukrainische Parlament hat am Donnerstag einen Gesetzesentwurf angenommen, der die kontroversesten Elemente eines erst vergangene Woche verabschiedeten Gesetzes aufhebt. Das Nationale Antikorruptionsbüro (Nabu) und die zuständige Sonderstaatsanwaltschaft Sapo, die beiden wichtigsten Antikorruptionsbehörden des Landes, sind somit wieder vor äusserer Einflussnahme geschützt.
Das Gesetz von vergangener Woche hatte das Nabu und die Sapo dem Generalstaatsanwalt unterstellt, der wiederum vom Präsidenten ernannt wird. Der offensichtliche Schlag gegen eine politisch unabhängige Korruptionsbekämpfung, eine Errungenschaft der Maidan-Proteste von 2014, hatte in der Ukraine die grössten Proteste seit dem russischen Überfall vor dreieinhalb Jahren ausgelöst und zu erheblicher Kritik aus den europäischen Partnerstaaten geführt. Die EU soll sogar mit der Einstellung von Hilfszahlungen gedroht haben.
Angesichts des grossen Drucks legte Präsident Wolodimir Selenski, dessen Stab diese Reaktion offensichtlich nicht erwartet hatte, noch vergangene Woche einen weiteren Gesetzesentwurf vor. Über diesen wurde nun abgestimmt. Der Präsident muss das neue Gesetz noch unterschreiben. Das gilt allerdings als Formsache.
Klares Ergebnis trotz Missmut in der Fraktion
In den vergangenen Tagen war in den Medien über die Möglichkeit einer Ablehnung spekuliert worden. Zwar verfügt die Regierungspartei Diener des Volkes, der auch Selenski entstammt, über eine knappe Mehrheit im 450-köpfigen Parlament. Jedoch herrscht unter den Abgeordneten grosser Missmut über die eigene Führung.
Die Abstimmung von vergangener Woche war äusserst kurzfristig anberaumt worden, Zeit für eine Auseinandersetzung mit dem kontroversen Gesetzestext blieb nicht. Auf einige Abgeordnete soll Druck ausgeübt worden sein, anderen sei der Eindruck vermittelt worden, die Gesetzesrevision sei mit den westlichen Partnern abgestimmt worden, berichtet die Onlinezeitung «RBC».
Viele fühlten sich deshalb getäuscht und waren wenig geneigt, dem Präsidenten und seinem Stab aus der selbstverschuldeten Notlage zu helfen. Anderen Parlamentariern wiederum, die allenfalls selber Ermittlungen zu befürchten haben, dürfte der Schlag gegen die Antikorruptionsbehörden gelegen gekommen sein.
Am Ende war das Ergebnis jedoch klar. 331 Parlamentarier aus acht Parteien stimmten am Donnerstag für Selenskis neuen Gesetzesvorschlag, Gegenstimmen gab es keine. Welchen politischen Preis Selenski für diese Unterstützung bezahlen muss, bleibt abzuwarten. Beobachter gehen davon aus, dass das Parlament dem Präsidentenpalast gegenüber nun selbstbewusster auftreten wird.
Vertrauensverlust wiegt schwer
Das neue Gesetz stellt den Status quo wieder her. Die Chefs des Nabu und der Sapo sowie unabhängige Experten erklärten im Vorfeld der Abstimmung, dass die institutionelle Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden dadurch wieder gewährleistet sei. Die Krise der letzten Tage wird aber noch lange nachwirken. Der Verlust des Vertrauens der Bevölkerung und der westlichen Partner in die Reformbereitschaft der Staatsführung wiegt schwer. Dies lässt sich nicht auf die Schnelle ungeschehen machen.
Zudem war der Schlag gegen Nabu und Sapo nur das jüngste Kapitel in einer ganzen Reihe von Massnahmen gegen eine effektive Korruptionsbekämpfung in der Ukraine gewesen. Unter anderem weigerte sich die Regierung Anfang Juli mit fadenscheinigen Gründen, den von einer unabhängigen Expertenkommission ernannten Kandidaten für die Leitung des Büros für Wirtschaftliche Sicherheit einzusetzen.
Das Büro ist für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität zuständig und spielt etwa für die Kontrolle des notorisch korrupten Zollwesens eine wichtige Rolle. Der Internationale Währungsfonds macht die Besetzung des Postens zur Bedingung für weitere Zahlungen aus seinem Unterstützungsprogramm.
Anfang August soll die Ukraine von der Europäischen Union eine weitere Rate von 1,5 Milliarden Dollar erhalten, die über Gewinne eingefrorener russischer Vermögenswerte finanziert wird. Dank der Annahme des Gesetzes am Donnerstag dürfte diese Zahlung erfolgen. Dennoch werden die EU und die europäischen Partnerstaaten nun noch stärker auf ukrainische Fortschritte bei der Reformagenda drängen.
Schwerer Luftangriff auf Kiew
Die innenpolitische Krise hat das Kriegsgeschehen etwas aus den internationalen Schlagzeilen verdrängt. An der prekären Lage der Ukraine hat sich aber nichts verändert. In der Nacht auf Donnerstag führte Russland einen weiteren Grossangriff mit 309 Drohnen und 8 Raketen aus. Hauptziel der Angriffe war die Hauptstadt Kiew.
Ein Marschflugkörper des Typs Iskander schlug dabei in ein grosses, mehrstöckiges Wohnhaus ein und zerstörte einen Treppenaufgang mit 56 Wohnungen. Mindestens 8 Personen wurden getötet, unter ihnen ein Kind. Bis zu 20 weitere Personen wurden am Donnerstag vermisst. Der amerikanische Präsident Donald Trump hatte diese Woche die Frist auf zehn Tage verkürzt, innert derer sich Russland zu einem Waffenstillstand bereit erklären müsse, um nicht von weiteren Sanktionen getroffen zu werden.
An der Front nimmt derweil der Druck auf die ukrainischen Verteidiger zu. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Donnerstag, russische Truppen hätten die seit 16 Monaten heftig umkämpfte Stadt Tschasiw Jar vollständig eingenommen. Kiew dementierte. Die Nachrichtenagentur Reuters hat jedoch Videoaufnahmen russischer Soldaten aus dem Stadtzentrum verifiziert. 60 Kilometer südwestlich machen die Russen weitere Fortschritte bei der Einkreisung der Stadt Pokrowsk.
KOMMENTARE – ANALYSEN
KOMMENTAR – Putin hat uns längst den Krieg erklärt – Georg Häsler, NZZ, 31.7.2025
Russland steht vor dem Durchbruch in der Ukraine. Die Angriffe Moskaus auf die Souveränität auch von Nato-Staaten nehmen zu. Die Allianz sollte den Bündnisfall diskutieren – und die Schweiz ihre militärische Bereitschaft bereits bis 2028 erhöhen.
Krieg und Frieden sind für die russische Gesandtschaft in Berlin kein Widerspruch. Über den Sommer versandte das Presseteam von Botschafter Sergei Netschajew via soziale Netzwerke abwechslungsweise charmante Erinnerungen an die deutsch-russische Freundschaft und dann wieder ziemlich direkte Drohungen.
Die Posts richten sich an eine verunsicherte Öffentlichkeit. Es könnte doch alles wieder so sein wie früher: günstiges Gas aus den Nord-Stream-Pipelines und keine teure Kriegsanstrengung einer angeblich aggressiven deutschen Regierung. Gleich danach feiert der Kreml-Kanal die russische Flotte, die Sowjetunion und das Zarenreich.
Die propagandistische Sommeroffensive in deutscher Sprache erhöht die Lautstärke synchron zum russischen Vormarsch in der Ukraine. Russland hat das Momentum auf seiner Seite. Der chaotische Versuch der USA, einen raschen Frieden zu erzwingen, hat Kiew politisch und militärisch geschwächt.
Doppelte Zeitachse der Kriegsvorbereitung
Die USA wollen der Ukraine zwar wieder Waffen liefern, aber die Kosten dafür auf die europäischen Nato-Partner überwälzen. Zudem werden die Bestände an technologisch überlegenen Lenkwaffen knapp. Der Zwölf-Tage-Krieg zwischen Israel und Iran hat die Mittel der amerikanischen Luftverteidigung zusätzlich reduziert, weil sich die USA aktiv an der Abwehr der iranischen Angriffe beteiligten.
Selbst die Schweiz spürt nun die Folgen dieser Abnützung. Die USA haben in einer einseitigen Kommunikation mitgeteilt, dass sie ihre Patriot-Systeme für die Luftverteidigung erst irgendwann nach 2026 erhalten würden. Washington priorisiert die Staaten, welche die Ukraine unterstützen. Die Schweiz befindet sich am unteren Ende der westlichen Nahrungskette.
Der selbstgefällige Verweis auf die Neutralität erweist sich in der Konfrontation zwischen dem Westen und Russland als Sicherheitsrisiko für die Schweiz, ebenso ein militärisches Beschaffungswesen, dessen Bedingungen auf den vergangenen Frieden ausgerichtet sind. Natürlich wird das neue Kampfflugzeug nach der Corona-Krise und den Kriegen im Nahen Osten und in der Ukraine teurer. Aber die Politik glaubt tatsächlich noch immer, dass die amerikanischen Steuerzahler die Mehrkosten übernehmen.
Während sich die Schweiz weiterhin über einen mutmasslichen Fixpreis für den F-35 echauffiert, droht die Lage in Europa zu eskalieren. In den nächsten Wochen (oder Tagen) läuft das amerikanische Ultimatum an den Kreml ab, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Doch Donald Trumps Drohungen mit Zöllen scheinen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wenig zu beeindrucken.
Vielmehr versucht Russland, diesen Sommer einen militärischen Durchbruch zu erzwingen. Leider mit guten Chancen. Die Front ist überdehnt, zu wenige Truppen stemmen sich an zu vielen, teilweise weit voneinander entfernten Abschnitten gegen die Angreifer. Die russische Armee kann dagegen ihre Verbände hinter den Linien leicht manövrieren.
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist zwingend
Die Europäer stehen nun vor der Herausforderung, sich auf einer doppelten Zeitachse auf eine direkte Konfrontation mit Russland vorzubereiten: kurzfristig, falls der Kreml den Schwung seiner Sommeroffensive nutzt und die Souveränität Estlands oder Lettlands angreift, mittelfristig, bis sich die USA ab 2027 militärisch wohl ganz auf den Pazifik und die Konkurrenz mit China konzentrieren.
Die europäischen Länder müssen gegen Ende des Jahrzehnts in der Lage sein, sich ohne die USA aktiv zu verteidigen – mit der Nato als operativer Klammer. Der EU fehlen allein schon die Kommandostrukturen, um die militärischen Kräfte einzusetzen und zu führen. Gleichzeitig sollte die Nato stärker in die europäischen Institutionen eingebunden werden, um ein einheitliches Handeln zu ermöglichen und auch die Entscheide zu beschleunigen.
Am Nato-Gipfel im Juni haben die Verbündeten – viel zu spät – griffige Massnahmen beschlossen, um die USA von ihren militärischen Verpflichtungen in Europa zu entbinden, darunter das 5-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben.
Doch den Versprechen müssen Taten folgen. Geld und teure Beschaffungen allein reichen nicht. Insbesondere Deutschland wird nicht darum herumkommen, die Wehrpflicht wiedereinzuführen. Anders werden nicht genügend Soldaten zur Verfügung stehen, um die bisherigen Reserven der Amerikaner zu ersetzen.
Die USA scheinen Europa für diesen Kraftakt der Wiederbewaffnung noch einmal eine letzte Frist zu setzen, was auch die Aktivitäten der amerikanischen Streitkräfte belegen: Die Aufklärungsdrohnen der US Air Force kontrollieren weiterhin die Nato-Ostflanke. Zudem kreuzt die Carrier Strike Group «Gerald Ford» im Mittelmeer. Die F/A-18-Kampfjets an Bord des Flugzeugträgers beteiligen sich an der Nato-Übung «Neptune Strike 2025», die explizit auch der Abschreckung Russlands dient.
Wann beginnt der Krieg – oder hat er schon begonnen?
Trump zieht sich trotz all seinen rhetorischen Ausfällen gegen die Europäer nicht aus der Verantwortung zurück, verlangt aber eine Gegenleistung für die amerikanische Sicherheitsgarantie – unter anderem mit einem Zollabkommen, das klar zugunsten der USA ausfällt. Die EU kauft sich damit Zeit, die sie eigentlich nicht mehr hat.
Denn je nach Entwicklung in der Ukraine könnte Russland den Krieg wesentlich früher ausweiten: Der Kreml geht aufs Ganze – nicht nur in der Ukraine. Die Rhetorik verschärft sich. Die Nato bedränge die russische Enklave Kaliningrad an der Ostsee, wummert die Propaganda-Basslinie im Netz, und suche einen Vorwand, Russland anzugreifen. In den letzten Jahren bereitete der Kreml mit solchen Narrativen die nächste Offensive vor.
COMMENT: Und die NATO rückte mit der Zunahme an NATO-Mitgliedsländern an Russland heran. Ein eskalatives Moment. Putin hat nie Zweifel daran gelassen, dass rote Linien möglicherweise überschritten würden, speziell, sollte die Ukraine NATO-Mitglied werden (Münchner Sicherheitskonferenz 2007, Nato-Konferenz in Bukarest 2008).
Nun wird fein weitereskaliert – vom Westen.
Deshalb braucht Europa eine zweite, eine dringlichere Planung, falls der russische Präsident Wladimir Putin seine Expansion beschleunigen will – mit einer hybriden, uneindeutigen Aktion im Baltikum vielleicht schon in diesem Herbst. So weit darf es aber nicht kommen: Die Häufung von Sabotageakten und Probeangriffen allein in der Ostsee würde es erlauben, den Artikel 4 des Nordatlantikvertrags anzurufen. Das bedeutet eine Konsultation über den Nato-Bündnisfall, den Artikel 5.
COMMENT: Nur weiter so, dann wird’s schon funken.
Ein solcher Schritt würde die Verbündeten dazu zwingen, sich formell mit der Lage zu beschäftigen. Auch ohne gleich den Bündnisfall auszurufen: Die Allianz könnte feststellen, dass Russland regelmässig die Souveränität einzelner Mitgliedstaaten verletzt. Ein solcher Schritt würde die mentale Bereitschaft erhöhen, dem Kreml deutlich energischer als bisher entgegenzutreten: Die Verbündeten handelten dann nicht erst, wenn eine bewaffnete Gruppe analog der Krim-Annexion 2014 eine Ortschaft in Estland oder Lettland besetzt.
Schon im September wird die Nato an der Grenze zum Baltikum und zu Polen mit einer Massierung russischer Truppen konfrontiert sein. Russland führt dort mit den Verbänden, die nicht in der Ukraine gebunden sind, die wiederkehrende Sapad-Übung durch. Auch deshalb ist die Frage relevant, ob sich Europa bereits heute im Kriegszustand mit Russland befindet – oder zumindest in einem offenen Konflikt.
COMMENT: Sie ist vielleicht nicht formalrechtlich, aber faktisch schon länger nach dem Februar 2022.
Russland will ein schwaches Europa
Die Schweiz glaubt, dass sie das alles nichts angeht. Doch mit Blick auf die Lage sollten der Bundesrat und das Parlament jetzt handeln. Es geht darum, mindestens einen Teil der Armee bereits 2028 mobilisieren zu können. Die Schweiz muss verhindern, dass mitten in Europa ein Sicherheitsvakuum entsteht, sobald Frankreich, Deutschland und vielleicht auch Italien ihre Truppen an die Ostflanke verschoben haben.
Für eine minimale Verteidigungsbereitschaft braucht es ein zusätzliches Rüstungsprogramm: vor allem für zusätzliche Lenkwaffen, Munition oder die vollständige Ausrüstung der Infanterie mit modernen Kommunikationsmitteln. Doch das Verteidigungsdepartement befindet sich in einer anhaltenden Vertrauenskrise. Gleich nach der Sommerpause braucht es deshalb eine Lageanalyse des Gesamtbundesrats – und eine entsprechende Kommunikation.
COMMENT: Die Rückkehr des Militarismus, das Ende des Pazifismus.
Gleichzeitig sollte die Landesregierung auf die USA zugehen und einen Patriot-Deal aushandeln. Das wichtigste Argument ist die militärische Bedeutung der Schweiz als Infrastruktur-Drehscheibe im erweiterten Alpenraum. Russland reicht ein Treffer einer ballistischen Rakete auf eine zentrale Schaltanlage des europäischen Stromnetzes auf Schweizer Boden, um eine Strommangellage in Deutschland auszulösen.
Damit Europa funktioniert, braucht die Schweiz ein Minimum an Luftverteidigung. Die Mittel zur souveränen Verteidigung erhält sie nur, wenn sie ihre Partner bei der Abschreckung Russlands unterstützt.
Doch gegenwärtig senden die Schweiz und andere Länder, die etwas weiter von der Nato-Ostflanke entfernt sind, eher Zeichen des Appeasements und der Normalisierung aus. Der Kreml nutzt den Wunsch nach Frieden und Verhandlungen geschickt aus. Erst Ende Juli diente das internationale Genf als Kulisse der üblen Inszenierung, als Walentina Matwijenko, eine mit Sanktionen belegte Putin-Vertraute, an einem internationalen Treffen über den «richtigen Weg zum Frieden» sprach.
Russland will ein hilfloses Europa. Jede Schwachstelle kommt gelegen. Eine unbewaffnete Neutralität der Schweiz genauso wie ein Deutschland ohne Wehrpflicht.
Die doppelzüngigen Botschaften, die der Kreml in den europäischen Hauptstädten verbreiten lässt, müssen deshalb als Teil eines kriegerischen Akts gegen die europäische Demokratie verstanden werden. Dagegen hilft nur, zu sagen, was ist: Russland hat uns allen, den liberalen Demokratien, längst den Krieg erklärt.
COMMENT: Zündstoff des Westens, diese Entwicklung anzuleiern, gab es vor dem Februar 2022 durchaus. Teil des Zündstoffs war die NATO-Erweiterung.
Was aus der Helsinki-Schlussakte wurde, ist weiter unten nachzulesen. Was aus der NATO in der Zukunft wird, weiß niemand. Keine Erklärungen oder Abkommen sind in Stein gemeißelt. Wir aus dem westlichen Verteidigungspakt so etwas wie ein westlicher Angriffspakt? Es ist nicht ausgeschlossen, dass die künftige Entwicklung darauf hinausläuft – nicht plump, sondern durch die Hintertür. Die entsprechende Propaganda dürfte bereits aktiv sein. Die eskalativen Tendenzen sind jedenfalls unübersehbar.
ANALYSE: China und Russland könnten einen Zwei-Fronten-Krieg gegen den Westen starten. Europa muss mit allen Szenarien rechnen – Lukas Mäder, Georg Häsler, NZZ, 15.7.2025
Moskau könnte Peking bei einem Angriff auf Taiwan unterstützen – und gleichzeitig die Nato angreifen. Die autoritären Regime arbeiten bereits heute zusammen. Drei Faktoren könnten eine Eskalation beschleunigen.
Im Roten Meer richtet ein chinesisches Kriegsschiff den Laser zur Zielerfassung auf ein deutsches Aufklärungsflugzeug. Berlin protestiert, Peking dementiert. In der Ostsee reisst ein Unterseekabel. Die Behörden vermuten einen Sabotageakt. Das chinesische Schiff «Yi Peng 3» soll den Anker absichtlich am Meeresgrund hinter sich hergezogen haben. Klare Beweise gibt es nicht, aber hinreichend viele Verdachtsmomente.
China mischt sich ein, auch auf der anderen Seite der eurasischen Landmasse, in Europa und in Nahost. Der autokratische Angriff auf die westlichen Demokratien beschränkt sich nicht auf territoriale Ansprüche in der Nachbarschaft, sondern entwickelt sich zu einem globalen Konflikt.
Anfang Juli teilte Chinas Aussenminister der EU-Aussenbeauftragten Kaja Kallas unumwunden mit, Peking habe ein Interesse daran, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine gewinne – oder zumindest nicht verliere. Kurz darauf warnte der Nato-Generalsekretär Mark Rutte davor, dass Russland und China den Westen gemeinsam angreifen könnten. Wenn Peking die Invasion Taiwans startet, würde der Kreml gleichzeitig mit einer Eskalation die Nato-Kräfte in Osteuropa binden.
Die strategische Position der Huthi
Ein solches Szenario wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen. Inzwischen nimmt seine Wahrscheinlichkeit zu. Die Achse Moskau–Peking entwickelt sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs in Richtung einer Allianz zweier Autokratien mit imperialen Ansprüchen. Die Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Werte dient als verbindendes Element.
Die Gefahr einer globalen Eskalation wächst. Die einzelnen Konflikte verschmelzen miteinander, die beteiligten Akteure sind eng miteinander verbunden. Die Huthi-Milizen in Jemen stehen exemplarisch für diese Entwicklung: Sie erhalten Unterstützung von Iran, das eng mit Russland zusammenarbeitet. China wiederum liefert nicht nur Iran technologische Unterstützung, sondern auch der Huthi-Miliz selbst. Das Rote Meer wird zu einem geopolitischen und weltwirtschaftlichen Brennpunkt.
Zudem kämpfen die Huthi nicht nur um ihre Vormachtstellung in Jemen. Mit ihren Angriffen auf Frachtschiffe stören sie auch die Handelsroute zwischen Europa und Asien erheblich. Nicht zuletzt deshalb fliegen die USA seit Monaten regelmässig Luftangriffe gegen Stellungen in Südjemen. Daran hat sich auch mit dem Machtwechsel in Washington nichts geändert. Die Trump-Administration setzt fort, was unter Biden begann.
Washington ordnet die jüngsten Einsätze den Freedom of Navigation Operations (Fronop) zu, welche sicherstellen, dass die Schiffe auf den Weltmeeren freie Fahrt haben. Die USA begründen das Vorgehen im Roten Meer ähnlich wie die militärische Präsenz im Indopazifik. Die chinesischen Nadelstiche gegen die maritime Freiheit vor der eigenen Küste sind mit den Angriffen der Huthi zwar nicht koordiniert, aber aufgrund ihrer ähnlichen Wirkung verbunden.
Die Eskalation der letzten Wochen und Monate im Nahen Osten bindet politische und militärische Kräfte des Westens. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die diplomatischen Bemühungen und die amerikanischen Streitkräfte sind auf das Dreieck Iran–Israel–Jemen fokussiert. Der Ukraine-Krieg tritt dadurch in den Hintergrund. Diese Entwicklung nützt Russland.
Dem Westen geht die Munition aus
Der Kreml hat in den letzten Monaten Schritt für Schritt die Oberhand gewonnen: mit intensiven Drohnenangriffen gegen zivile Ziele auch weit im Westen der Ukraine und dem Versuch, die ukrainische Armee auseinanderzureissen. Die Front ist überdehnt. Die russischen Truppen versuchen mit ihrer Sommeroffensive an mindestens drei Stellen den Durchbruch.
Die Versuche von Präsident Donald Trump, seinen Amtskollegen Wladimir Putin zu einem Waffenstillstand zu bewegen, sind gescheitert – und haben die Ukraine empfindlich geschwächt. Zudem ist es dem Kreml gelungen, den Abnützungskrieg gegen den Westen zu internationalisieren: Nordkorea liefert Soldaten, Iran hilft mit Drohnen, und China stellt Technologie und Satellitendaten zur Verfügung.
Die USA dagegen haben ihre Militärhilfe in den letzten Monaten gedrosselt. Bereits Anfang 2024 blockierte der Kongress die Lieferung von Waffen. Seit dem Amtsantritt Trumps war der Nachschub zeitweise ganz unterbrochen. Trotz allem Lärm aus Washington geht es dabei weniger um eine Disziplinierung Kiews, sondern um die tiefen Lagerbestände an Munition und Lenkwaffen.
Ob in Europa oder auch im Nahen Osten: Die USA verbrauchen die Munition, die sie eigentlich für eine glaubwürdige, konventionelle Abschreckung im Indopazifik brauchen. Zeitweise mussten die Amerikaner sogar in Israel Artilleriegranaten beschaffen, damit die ukrainische Armee die russische Feuerwalze bremsen konnte. Unterdessen haben die Ukrainer den eigenen Verbrauch gedrosselt.
2027 als Schicksalsjahr
Ähnlich verhält es sich mit dem Schutz der israelischen Zivilbevölkerung gegen iranische Lenkwaffen. Sowohl Israel selbst als auch die Partner, die am System der integrierten Luftverteidigung im Nahen Osten beteiligt sind, scheinen die Grenzen des Möglichen erreicht zu haben. Laut vertrauenswürdigen Quellen setzten die Israeli gegen Ende der jüngsten Konfrontation nur noch eine statt drei Lenkwaffen ein, um eine gegnerische Rakete abzuwehren.
Der «Zwölf-Tage-Krieg» von Ende Juni 2025 ist der vorläufige Höhepunkt des iranisch-israelischen Konflikts. Zuerst köpften die Israeli den Hizbullah in Libanon, dann bekämpften sie die Huthi in Jemen und schliesslich das Regime in Teheran direkt. Selbst wenn die Folgen des Kurzkriegs noch nicht abschliessend beurteilt werden können: Israel ist es gemeinsam mit den USA gelungen, Iran und die iranische «Achse des Widerstands» zu schwächen sowie Teherans Nuklearambitionen zurückzuwerfen.
Die Versuche Washingtons, die Kriege der Gegenwart zu beenden, sind geopolitisch motiviert: Im Zentrum der amerikanischen Sicht liegt der Pazifik, wie eine Karte der CIA von März 2025 zeigt. Europa und der Nahe Osten liegen in dieser Darstellung an der Peripherie einer neuen Weltordnung. Trump will vollenden, was bereits unter Präsident Barack Obama begann: die Hinwendung nach Asien, der «pivot to Asia». Doch dieser funktioniert nur, wenn an den Rändern Ruhe herrscht.
Neuste Karte des amerikanischen Nachrichtendiensts CIA mit dem Pazifik im Zentrum. Europa und der Nahe Osten wandern bei der Hinwendung nach Asien an die geopolitische Peripherie. CIA
Die Amerikaner rechnen damit, dass die chinesische Volksarmee 2027 militärisch bereit ist, in die Offensive zu gehen. Unabhängig davon, welche Absicht Peking tatsächlich hat, wollen die USA spätestens dann das Gros ihrer Streitkräfte im Pazifik konzentrieren. Verteidigungsminister Pete Hegseth hat die grundsätzliche Stossrichtung Ende Mai am Shangri-La-Dialog, der asiatischen Sicherheitskonferenz, noch einmal bestätigt – inklusive des Schlüsseljahrs 2027.
Die Sicherheitsexperten im Indopazifik sehen eine direkte Invasion Taiwans in den nächsten Jahren nicht als das wahrscheinlichste Szenario. Vielmehr versucht Peking die Insel zu umzingeln und unter Druck zu setzen. Trotzdem spült es regelmässig Videos von Landungsübungen und neuen amphibischen Systemen in die Timelines der sozialen Netzwerke. Ganz ausgeschlossen ist deshalb eine militärische Überraschung nicht – ganz besonders nicht in einer Absprache mit Moskau.
Die «grünen Männchen» könnten in der EU auftauchen
Dass Moskau und Peking zunehmend enger zusammenarbeiten, birgt ein enormes Eskalationspotenzial. Bei einem militärischen Angriff auf Taiwan ist es im Interesse Chinas, wenn Russland gleichzeitig eine Eskalation des Konflikts mit Europa herbeiführt. Dieses Szenario hat der Nato-Generalsekretär Mark Rutte kürzlich in einem Interview mit der «New York Times» angesprochen.
Wie diese Eskalation geschehen könnte, lässt sich am russischen Vorgehen auf der Krim oder in der Ostukraine 2014 ablesen. Damals tauchten dort bewaffnete Kräfte auf, wegen ihrer Uniformen als «grüne Männchen» bezeichnet. Es handelte sich um russische Soldaten, die sich aber nicht als solche zu erkennen gaben. Sie bezeichneten sich als Unabhängigkeitskämpfer und übernahmen die Kontrolle über die Gebiete.
Ein analoges Vorgehen ist an mehreren Orten in Europa denkbar. Oft ist vom «Narwa-Szenario» die Rede: Eine bewaffnete Gruppe angeblicher Aufständischer könnte in der estnischen Stadt Narwa das Rathaus besetzen und die Unabhängigkeit ausrufen. Narwa liegt im äussersten Nordosten des Nato-Mitglieds Estland, direkt an der russischen Grenze. 97 Prozent der Bevölkerung sprechen Russisch als Muttersprache.
Eine solche verdeckte Operation des Kreml würde Estland und die Nato insgesamt herausfordern, weil sich die Frage nach einer verhältnismässigen Reaktion stellen würde. Doch die Eskalation muss nicht in Narwa stattfinden. «Grüne Männchen» könnten beispielsweise auch in der lettischen Provinz nahe der russischen oder der weissrussischen Grenze auftauchen, wo viele Leute russischsprachig sind, zum Beispiel im Eisenbahnknoten Rezekne.
Die Inselgruppe Spitzbergen mit der russischen Bergbaustadt Barentsburg würde sich aufgrund ihres speziellen völkerrechtlichen Status ebenfalls für eine Eskalation anbieten. In der Moldau kann Russland bereits Einfluss nehmen auf die abtrünnige Republik Transnistrien. Eine verdeckte Operation wäre etwa in der autonomen Teilrepublik Gagausien denkbar, die als russlandfreundlich gilt. Zwar gehört die Moldau weder zur EU noch zur Nato. Doch ein bewaffneter Konflikt in unmittelbarer Nachbarschaft würde Europa politisch und militärisch stark fordern.
Die russische Bedrohung besteht unabhängig von China
Eine koordinierte Eskalation an mehreren Schauplätzen wäre im Interesse der autoritären Achse Moskau–Peking. Die USA müssten auf den chinesischen Angriff auf Taiwan reagieren, wären aber über die Nato auch an der europäischen Ostflanke involviert. Die EU wäre politisch mit den eigenen Angelegenheiten beschäftigt und könnte deshalb einen zusätzlichen offenen Konflikt mit China meiden. Die Absicht der autokratischen Staaten ginge auf.
Doch der Fokus darf nicht allein auf diesem extremen Szenario liegen, das bereits nahe an einen dritten Weltkrieg heranreicht. Die geopolitischen Verflechtungen der Grossmächte in den verschiedenen Konfliktregionen bestehen bereits heute. Das «Narwa-Szenario» darf nicht allein als russische Unterstützung Chinas verstanden werden. Die Bedrohung durch den Kreml besteht bereits heute – unabhängig von Pekings Plänen.
Westliche Sicherheitsbehörden befürchten seit Monaten, dass der Kreml in den nächsten Jahren eine Operation lancieren könnte, um den Zusammenhalt der Nato auszutesten. Es wäre der logische nächste Schritt angesichts der verstärkten Konfrontation, die Russland mit dem Westen sucht. Sabotage an Unterseekabeln, militärische Provokationen, Brandanschläge und aggressivere Beeinflussungsaktionen zeigen, dass der Kreml Europa zunehmend offen angreift.
Russland hat sich auf Krieg eingestellt. Eine Niederlage in der Ukraine ist nicht vorgesehen. Entsprechend hoch ist vermutlich die Bereitschaft des Kreml, mit dem chinesischen Regime zu kooperieren. Ein koordinierter Angriff auf Taiwan und auf einen Nato-Staat ist ein extremes Szenario, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Wahrscheinlicher ist, dass beide autokratischen Regime opportunistisch jene Möglichkeiten, die sich situativ bieten, nutzen, um den Konflikt mit dem demokratischen Westen zum eigenen Vorteil voranzutreiben.
Für Europa bedeutet dies, dass es die extremen Szenarien mitdenken und sich darauf vorbereiten sollte. Gleichzeitig müssen Politik und Sicherheitsbehörden jene Varianten einer Eskalation angehen, die unmittelbar drohen. Denn auch die Entwicklungen an der Front in der Ukraine oder der politische Zusammenhalt der EU haben einen geopolitischen Zusammenhang.
Aus europäischer Perspektive können drei Faktoren eine Eskalation erheblich beschleunigen:
- Russischer Durchbruch in der Ukraine: Russland treibt den Krieg in der Ukraine derzeit mit grossen Verlusten voran. Bisher konnten die ukrainischen Streitkräfte die Angriffe aufhalten. Die russischen Truppen kommen nur sehr langsam voran. Es besteht jedoch die Gefahr, dass ihnen in den nächsten Wochen an einer Stelle der Durchbruch gelingt. Dann könnte Moskau rasch grosse Geländegewinne machen und den Ukrainern schmerzhafte Verluste zufügen. Das würde Kiew politisch und militärisch noch stärker unter Druck setzen. Europa wäre vermutlich mit einer grösseren Flüchtlingswelle konfrontiert, was die politische Stimmung innerhalb der EU ebenfalls beeinflussen könnte.
- Konflikt mit den USA: Die Beziehungen der EU zu den USA haben sich seit Donald Trumps Amtsantritt im Januar rasch abgekühlt. Derzeit schwelt der Zollstreit. Die grosse Eskalation innerhalb der Nato ist bisher ausgeblieben, auch weil die europäischen Mitgliedstaaten grosse Versprechen abgegeben haben. Doch ob die Ruhe hält, ist unsicher. Die Differenzen bei Zolltarifen oder Nato-Ausgaben können jederzeit zu einem grösseren Konflikt ausarten. Das hätte für Europa schwerwiegende Folgen. Denn der Kontinent ist technologisch und militärisch von den USA abhängig. Zerbricht diese Zusammenarbeit, würde der Westen geschwächt – zur Freude der autokratischen Regime.
- Krise innerhalb der EU: Die rechts- und linkspopulistischen EU-feindlichen Kräfte haben in den letzten Jahren in mehreren Ländern zugelegt. Die EU kommt dadurch ganz grundsätzlich unter Druck. Das macht es schwieriger, eine kohärente Politik zu führen. Während die geopolitische Situation unberechenbarer wird und die Bedrohung für den freiheitlichen Westen steigt, ist die EU mit sich selbst beschäftigt. Ein Bündnis zwischen Links- und Rechtspopulisten in Deutschland könnte die europäische Einheit ernsthaft gefährden.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat recht, wenn er sagt, dass die Freiheit Frankreichs seit 1945 nicht mehr so stark unter Druck gewesen sei wie heute. Seine Aussage, die er am Vorabend des französischen Nationalfeiertags vor Soldaten gemacht hat, gilt für ganz Europa. Auf dem Spiel steht die Widerstandskraft der liberalen Demokratie gegen den Angriff der autoritären Achse Moskau–Peking.
Die europäischen Staaten stehen vor dem Kraftakt, sowohl die eigenen Streitkräfte aufzurüsten als auch die Ukraine zu befähigen, sich aus einer misslichen militärischen Lage zu befreien. Vielleicht braucht es dazu das Eingeständnis, dass sich Europa bereits im Krieg mit Russland befindet – oder zumindest in einem offenen Konflikt. Ein wirklicher Friede verlangt die innere Bereitschaft, einen Angriff auf die Freiheit abzuwehren.
COMMENT: Die hier feiner ausgeführten Gedanken wurden im Tagesblick schon vor etlichen Monaten allgemeiner formuliert vorgestellt.
ZENTRALBANKEN
BERICHT – Trump beisst bei Powell auf Granit: Das Fed schiebt die nächste Zinssenkung weiter hinaus – Zins weiter bei 4,0-4,5 Prozent – NZZ, 30.7.2025
Die Druckversuche des amerikanischen Präsidenten laufen ins Leere. Allerdings ist die Führung der Notenbank gespalten im Urteil darüber, ob Amerikas Wirtschaft nicht doch bald auf grössere Probleme zusteuert.
Donald Trump hat alle Register gezogen, um von der amerikanischen Zentralbank endlich tiefere Leitzinsen zu bekommen: Der US-Präsident hat den Fed-Chef Jerome Powell mehrfach beleidigt, ihm mit dem Rauswurf gedroht und ihn jüngst bei einem Überraschungsbesuch vor laufenden Kameras mit falschen Zahlen zu einem Bauprojekt attackiert.
Doch die Notenbank und ihr Chef lassen sich von der Schmutzkampagne des Weissen Hauses nicht beeindrucken. Am Mittwoch hat sie den Leitzins einmal mehr auf 4,25 bis 4,5 Prozent belassen. In diesem Band hält sie den wichtigsten Zinssatz der Welt schon seit vergangenem Dezember.
Powell lässt sich auch von den persönlichen Angriffen Trumps weiterhin nicht aus der Reserve locken. «Es war ein guter Besuch», sagte er etwa zu Trumps jüngster Stippvisite.
Mehr Dissens als üblich
Das Fed führt nun, nebst der Bank of England, die straffste Geldpolitik unter allen grösseren westlichen Notenbanken. Trump hatte das Fed mehrfach aufgefordert, den Leitzins um bis zu drei Prozentpunkte zu senken, damit seine Regierung weniger Schuldzinsen zahlen muss.
Eine solch drastische Senkung der Kreditkosten stand für die Fed-Spitze aber nie zur Debatte. Dennoch zeigt der jetzige Zinsentscheid, dass sich die führenden Geldpolitiker des Landes zusehends uneinig sind, wie es um die amerikanische Wirtschaft bestellt ist – und wie sie darauf reagieren sollen.
Die Fed-Gouverneure Christopher Waller und Michelle Bowman haben, wie sie zuvor angekündigt hatten, für eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte gestimmt. Dass gleich zwei Gouverneure von der Mehrheitsposition abweichen, ist beim Fed seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen. Zumindest Wallers Positionsbezug wird von vielen Analysten als Bewerbungsschreiben zuhanden von Trump interpretiert. Waller gilt als einer von vier Favoriten, die im Mai 2026 die Nachfolge von Jerome Powell antreten könnten.
Powell selbst zeigte sich am Mittwoch wegen der abweichenden Meinungen nicht beunruhigt. Es sei nicht überraschend, dass es unterschiedliche Ansichten gebe, weil die Unsicherheit in der Wirtschaft erhöht sei und Risiken bei der Erreichung beider Ziele des Fed bestünden. «Es ist eine unübliche Situation», sagte Powell.
Die Finanzmärkte rechneten bereits damit, dass der Leitzins trotz dem Dissens von Bowman und Waller nicht verändert wird. Man erhoffte sich aber mehr Klarheit, ob das Fed in der nächsten Sitzung im September die nächste Zinssenkung beschliessen könnte oder noch weiter zuwarten will.
Tatsächlich hat das Fed in seiner Pressemitteilung einen ersten Hinweis gegeben, dass es die Sorgen von Waller und Bowman bis zu einem gewissen Grad teilt. Die jüngsten Daten würden darauf hinweisen, dass sich das Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr verlangsamt habe, schreibt die Zentralbank. Bei der letzten Lagebeurteilung im Juni hat das Fed noch geschrieben, dass die Wirtschaft weiterhin in solidem Tempo wachse. Darüber hinaus wurde im jetzigen Communiqué auf die Aussage verzichtet, dass sich die Unsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Aussichten verringert habe.
Die Finanzmärkte haben auf den Zinsentscheid des Fed zunächst kaum reagiert. Manche Aussagen von Jerome Powell während der Pressekonferenz liessen sie aber zu dem Schluss kommen, dass das Fed die Geldpolitik auch in den nächsten Sitzungen nicht allzu rasch lockern wird. Daher verloren die amerikanischen Aktienindizes etwas an Wert, während die Rendite auf zehnjährige amerikanische Staatsanleihen anstieg und der Dollar leicht erstarkte.
Robuster Arbeitsmarkt
Das Fed richtet seine Geldpolitik an zwei Zielen aus: Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Während die Inflation in den Vereinigten Staaten noch immer über dem Zielwert von 2 Prozent liegt und in letzter Zeit sogar wieder angestiegen ist, kann der Arbeitsmarkt erstaunlich gut mit den hohen Leitzinsen umgehen.
Am Mittwochmorgen vermeldete das Bureau of Economic Analysis, dass die amerikanische Wirtschaft im zweiten Quartal um 3,0 Prozent gewachsen sei gegenüber dem Vorjahr, was das Weisse Haus zu einer Jubelmeldung veranlasste: «Präsident Trump befeuert das goldene Zeitalter Amerikas». Die Daten sind jedoch verzerrt wegen der Hamsterkäufe, die viele amerikanische Importeure und Konsumenten im Frühjahr getätigt hatten, um Trumps Zöllen zuvorzukommen.
Allerdings deuten auch andere Zahlenreihen darauf hin, dass sich die amerikanische Wirtschaft besser hält, als im Frühling zu befürchten war. Die Konsumenten haben wieder an Zuversicht gewonnen und die Arbeitslosenquote verharrt bei tiefen 4,1 Prozent. Viele der Unternehmen, die derzeit ihre Halbjahresergebnisse rapportieren, haben die Analysten beim Gewinn überdies positiv überrascht.
Waller und Bowman, die für eine Zinssenkung gestimmt haben, befürchten jedoch, dass sich der Arbeitsmarkt hinter den Kulissen bereits deutlich abgeschwächt habe; die Privatwirtschaft schaffe nur noch wenige Jobs. Dass die Arbeitslosenquote nicht angestiegen ist, liegt derweil auch am Unwillen der Unternehmen, Mitarbeiter zu entlassen, was sich nach Ansicht Wallers aber rasch ändern könnte.
Gleichzeitig hat die Zuwanderung in die USA abgenommen, weshalb weniger Kandidaten um die verfügbaren Jobs buhlen. Powell sprach in der Pressekonferenz genau das an: Parallel zur Zahl der offenen Stellen sei das Arbeitsangebot zurückgegangen, und deshalb sei für das Fed die Arbeitslosenquote der wichtigste Datenpunkt, um den Zustand des Arbeitsmarkts zu beurteilen.
Zölle sorgen für Unsicherheit
Kompliziert wird die Aufgabe der Zentralbank auch durch Trumps neue Importzölle. Bis vor kurzem war völlig unklar, auf welchem Niveau diese langfristig zu liegen kommen. Nun, da Trump mit den meisten wichtigen Handelspartnern Abkommen geschlossen oder zumindest Absichtserklärungen verschickt hat, erhält das Fed etwas Planungssicherheit: 15 bis 25 Prozent sind es für die meisten Länder und Güter, mit einigen Ausnahmen nach oben und wenigen nach unten.
Jerome Powell betonte vor den Medien nun jedoch, dass aus Sicht des Fed noch immer grosse Unsicherheit bestehe, auf welchem Niveau sich die effektiven Zollsätze stabilisieren werden. Die Trump-Regierung lieferte kurz vor dem Start von Powells Pressekonferenz ein Beispiel, das Powells Argument bestätigt: Sie präzisierte, dass gewisse Importe von Kupfer, anders als von den Märkten erwartet, nun doch keinen Einfuhrzöllen von 50 Prozent unterliegen würden. Der Kupferpreis an der New Yorker Börse stürzte in der Folge um bis zu 18 Prozent ab.
Die Zollsätze sind auf jeden Fall enorm hoch, und es muss davon ausgegangen werden, dass sie die Inflation in den USA früher oder später spürbar anheizen werden.
Die Fed-Gouverneure sind sich aber nicht einig, ob es sich dabei um einen einmaligen oder um einen anhaltenden Effekt handeln wird. Je nachdem müssen sie ganz anders auf den Preisschub reagieren. Wie auch immer die amerikanische Wirtschaft sich entwickelt: Der Fed-Spitze steht in den nächsten Monaten noch viel Arbeit bevor.
WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK
WEITERE MELDUNGEN
ORF MELDUNGBÜNDEL WELT
Ukraine-Krieg
Ukraine: 26 Tote nach Angriff auf Kiew
Trump schickt US-Gesandten Witkoff nach Russland
Ausland
US-Beamter: Zölle gelten erst ab 7. August
Auch Deutschland erhöht Druck auf Israel
El Salvador billigt unbegrenzte Wiederwahl des Staatschefs
Trumps Ballsaal im Weißen Haus soll 200 Millionen kosten
F: Empörung über Verbrennung von US-Verhütungsmitteln
EU
EU ebnet Weg für mehr Flüssigkeit im Flugzeughandgepäck
Wirtschaft
Apple mit Rekordquartal, iPhone-Absatz kräftig gestiegen
Nachfolge bei US-Notenbank: Kandidatenliste noch heuer
USA
Neue US-Zölle gelten erst ab 7. August – APA, 1.8.2025
Die neuen US-Zölle für Importe aus dem Ausland treten laut einem US-Regierungsbeamten erst am 7. August in Kraft, nicht bereits an diesem Freitag. Er bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstagabend (Ortszeit) weiter, dass dies auch für den Zollsatz von 15 Prozent auf Einfuhren aus der EU gelte. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump ein Dekret zu den neuen Zollbestimmungen unterzeichnet.
Bisher hatte der Republikaner als Termin für die Einführung neuer Zölle den 1. August genannt. Auch in einer EU-Übersicht zur kürzlich in Schottland geschlossenen Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und den USA wurde dieses Datum genannt – dort hieß es zu den Zöllen in Höhe von 15 Prozent: „Ab dem 1. August werden die USA diesen Höchstzollsatz auf den Großteil der EU-Exporte anwenden.“
Der Regierungsbeamte antwortete der dpa auf die Frage, weshalb das Startdatum nun doch nicht an diesem Freitag sei: Man wolle mehr Zeit dafür geben, die neuen Regeln umzusetzen.
Das Weiße Haus veröffentlichte eine Liste mit fast 70 Ländern und der EU, für die jeweils bestimmte Zollsätze gelten werden. Neben Großbritannien, der Schweiz und Japan sind viele weitere Handelspartner genannt.
Auf Importe dieser Länder werden folgende Zölle erhoben (Auswahl)
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Europäische Union 15 Prozent
Großbritannien 10 Prozent
Schweiz 39 Prozent
Norwegen 15 Prozent
Island 15 Prozent
Israel 15 Prozent
Südafrika 30 Prozent
Südkorea 15 Prozent
Taiwan 20 Prozent
Japan 15 Prozent
Malaysia 19 Prozent
Indien 25 Prozent
Brasilien 10 Prozent
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Trump begründet dieses Instrument damit, dass ein Ungleichgewicht im Handel mit anderen Ländern bestehe und ausgeglichen werden müsse. Er wirft den betroffenen Handelspartnern der USA vor, zu hohe Zölle zu erheben oder ihre Märkte nicht weit genug für Einfuhren aus den Vereinigten Staaten zu öffnen.
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Wenn Länder nicht in der Liste aufgeführt sind, wird in ihrem Fall pauschal ein Zollsatz von 10 Prozent erhoben, wie das Weiße Haus weiter mitteilte. Dabei bildet Kanada eine Ausnahme: Trump brummte dem Nachbarland per Dekret einen deutlich höheren Zollsatz auf. Ab dem 1. August sollen auf kanadische Einfuhren in die Vereinigten Staaten 35 Prozent statt 25 Prozent erhoben werden.
Trump begründete den Schritt mit der Behauptung, dass Kanada weiterhin zu wenig im Kampf gegen Drogenhandel unternehme und Rauschgift über die Grenze in die USA gelange. Allerdings liegt er mit der kanadischen Regierung bei einer ganzen Reihe von Themen im Clinch.
Trump will nach eigenen Angaben noch einmal mit Kanadas Ministerpräsident Mark Carney ins Gespräch kommen. Dem Nachrichtensender NVC News sagte er, dass er möglicherweise noch am heutigen Donnerstagabend (Ortszeit) mit Carney sprechen werde und allgemein für weitere Gespräche offen sei.
Am Donnerstag beschäftigten sich Berufungsrichter in einer Anhörung noch mit der Rechtmäßigkeit vieler dieser Zölle. Ende Mai hatte ein Berufungsgericht die juristisch verfügte Blockade fast aller Zölle des US-Präsidenten vorerst aufgehoben, die eine niedrigere Instanz – das Gericht für internationalen Handel in New York – kurz zuvor angeordnet hatte.
Das New Yorker Gericht hatte Trumps Regierung die Befugnis abgesprochen, weitreichende Zölle unter Berufung auf ein Notstandsgesetz zu verhängen. Die Entscheidung bezog sich auf fast alle Zölle, die von Trumps Regierung erlassen wurden. Sie umfasste auch länderspezifische Handelserschwernisse, die der Präsident Anfang April verhängt und danach mehrmals aufgeschoben hatte.
Die Argumentation Trumps lautet: Handelsdefizite mit anderen Ländern seien ein nationales Sicherheitsrisiko, damit bestehe ein nationaler Notstand. Mit dieser Begründung verhängte er die weitreichenden Zölle per Dekret – und umging damit das Parlament. Er nutzte dafür ein Gesetz aus dem Jahr 1977, das noch nie zuvor für Zölle angewandt worden war.
Die Berufungsrichter äußerten sich US-Medien zufolge nun skeptisch über dieses Vorgehen der Regierung. Eines seiner größten Bedenken sei, dass das herangezogene Notstandsgesetz das Wort „Zölle“ nirgendwo erwähne, zitierten etwa der Sender ABC News und das Nachrichtenportal „Politico“ einen der Richter. Bis zu einer Entscheidung in dem Fall könnten nach Einschätzung der „Washington Post“ noch Wochen vergehen. Und selbst dann könnte der Rechtsstreit noch weitergehen – und letztlich vor dem Obersten US-Gericht landen.
NAHER OSTEN – MENA WATCH (Mena-Watch auf Wikipedia)
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DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
UMFRAGEN
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN – APA-WAHLTREND
Österreichische Wirtschaft schwächelt weiter – WIFO, 30.7.2025 (PDF)
Gemäß der aktuellen Schnellschätzung des WIFO wurde die österreichische Wirtschaftsleistung im II. Quartal 2025 real um 0,1% ausgeweitet. Während einige Dienstleistungsbereiche gegenüber dem Vorquartal expandierten, verlief die Dynamik in der Industrie verhalten.
Auf der Nachfrageseite stützte eine positive Entwicklung im Konsum der privaten Haushalte die Gesamtwirtschaft.
Sommertourismus: „Nachfrage auf stabilem Niveau“ – ORF, 31.7.2025
Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen sind in Österreich im Juni so viele Nächtigungen verzeichnet worden wie heuer. Das zeigen am Mittwoch veröffentlichte Daten der Statistik Austria. In manchen Bundesländern wird befürchtet, dass die weitere Saison weniger positiv ausfällt. Seitens der Österreich Werbung (ÖW) betonte man gegenüber ORF.at, dass sich die Nachfrage auf einem stabilen Niveau bewege – aufgrund des sich verändernden Reiseverhaltens seien allerdings große Schwankungen möglich.
Die Zahl der Nächtigungen in Österreichs Beherbergungsbetrieben kletterte im Juni auf 13,38 Millionen. Gegenüber dem 2024 markiert dieser Wert laut Statistik Austria ein Plus von 13,9 Prozent. Zudem war es der nächtigungsstärkste Juni seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1972.
„Der wichtigste Einflussfaktor in diesem Zusammenhang war die Feiertagsverschiebung“, sagte ÖW-Sprecherin Tanja Gruber gegenüber ORF.at. Sowohl Fronleichnam als auch Pfingsten fielen heuer in den Juni. Die Sommersaison lag bisher um 3,1 Prozent über den Vorjahreswerten.
Im Mai und Juni wurden landesweit 21,92 Mio. Nächtigungen gemeldet. 14,60 Mio. entfielen auf ausländische Gäste, was einen Zuwachs von 3,2 Prozent bedeutet. Bei den inländischen Gästen wuchs die Nächtigungszahl um 2,8 Prozent auf 7,32 Mio.
Angst vor „Auslassen“ der deutschen Gäste
„Die ersten beiden Monate der Sommersaison zeigen ein sehr erfreuliches Bild“, sagte Tourismusstaatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP) in einer Aussendung. Auch Zehetner führt den Anstieg unter anderem auf die Feiertage zurück. Zudem verwies sie auf die starke Nachfrage aus Deutschland: Im Juni 2025 nächtigten um ein Drittel mehr Gäste aus dem nördlichen Nachbarland in heimischen Unterkünften als im Vorjahreszeitraum.
Acht Millionen Nächtigungen entfielen bisher laut ÖW in der bisherigen Sommersaison auf deutsche Touristinnen und Touristen. Dahinter folgen Urlaubende aus den Niederlanden, der Schweiz, den USA und Tschechien. Auch für Reisende aus China wird Österreich wieder attraktiver. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl der chinesischen Gäste um mehr als 20 Prozent.
Mancherorts wird freilich befürchtet, dass dieser Trend abreißt. Die Buchungslage im restlichen Sommer gebe Anlass zur Sorge, hieß es etwa aus der Kärntner Landesregierung. Vor allem die deutschen Gäste seien es, die heuer zum Teil ganz auslassen oder besonders sensibel auf die gestiegenen Preise reagieren würden, sagte jüngst der Tourismussprecher der Kärntner Wirtschaftskammer, Josef Petritsch – mehr dazu in kaernten.ORF.at.
„Ob im Juli tatsächlich weniger deutsche Gäste kommen, lässt sich erst mit der Veröffentlichung der Juli-Zahlen abschließend beurteilen“, betonte ÖW-Sprecherin Gruber gegenüber ORF.at. In einigen österreichischen Regionen könne bereits der Eindruck entstanden sein, dass vergleichsweise wenige deutsche Gäste zugegen seien. Dies hänge jedoch möglicherweise damit zusammen, dass die Sommerferien in Nordrhein-Westfalen heuer Mitte Juli begonnen haben und in Bayern erst Anfang August starten.
Große Schwankungen möglich
Die aktuelle Entwicklung der Nächtigungen im Mai und Juni zeigt laut Gruber deutlich, „dass die Nachfrage im heimischen Tourismus auf einem stabilen Niveau ist“. Für die gesamte Sommersaison rechne man bei der Österreich Werbung mit einem ähnlichen Ergebnis wie im Vorjahr.
Allerdings könnten die Schwankungen „ungewöhnlich groß“ sein. Die Ferienzeiten hätten sich teilweise nach hinten verschoben. „Außerdem gibt es eine Tendenz zu kurzfristigeren Buchungen – etwa zwei von zehn Gästen buchen kurzfristig –, das bedeutet, dass auch Schlechtwetterphasen und schlechte Wetterprognosen eine Rolle spielen können“, sagte Gruber.
Für den Tourismussektor erschwere das längerfristige Einschätzungen und stelle höhere Anforderungen an Flexibilität und Kommunikation. Seitens der ÖW versuche man, Österreich als „vielseitige Urlaubsdestination“ zu positionieren und mit einem Fokus auf „Natur, Kultur und Kulinarik“ unabhängig von der Wetterlage zu machen. „Wir wollen den Ganzjahrestourismus weiter stärken, die Aufenthaltsdauer erhöhen und nachhaltige Angebote gezielt fördern“, betonte auch Tourismusstaatssekretärin Zehetner.
Philip Pfleger, ORF.at
Regierung einigt sich auf Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker – APA, 1.8.2025
Die Regierung verordnet sich selbst und den anderen Spitzenverdienern auf Bundesebene eine neuerliche Nulllohnrunde. Die Gehälter von Bundespräsident, Regierungsmitgliedern und Parlamentariern werden auch kommendes Jahr nicht an die Inflation angepasst, darauf hat sich die Dreierkoalition geeinigt. Die gesetzliche Grundlage dafür soll im Herbst im Parlament beschlossen werden. Für die Zukunft will die Regierung die Valorisierung der Politikerbezüge neu regeln.
Auch die Politik müsse „einen Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten“ und mit gutem Beispiel vorangehen, erklärten Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) in einer gemeinsamen Stellungnahme. Betroffen von der Nicht-Valorisierung sind der Bundespräsident, die Regierungsmitglieder und Staatssekretäre, die Nationalratspräsidenten, die Rechnungshof-Präsidentin, die Klubobleute, die Volksanwälte, Nationalratsabgeordnete sowie Bundesratsmitglieder. In welcher Höhe die Bezüge für Politiker auf Landesebene erhöht werden, bleibt den Ländern überlassen. Die Bundesregierung appellierte jedoch, „dass es in Zeiten gesamtstaatlicher Konsolidierung eine gemeinsame Kraftanstrengung auf allen Ebenen“ brauche.
Zugleich kündigte die Regierung an, für die Zukunft einen Vorschlag zur Neuregelung der Valorisierung von Politikerbezügen zu erarbeiten. Ziel sei „eine transparente, faire und nachvollziehbare Lösung für die kommenden Jahre, die auch der Wertigkeit der politischen Arbeit Ausdruck verleiht“. Derzeit steigen die Politikereinkommen grundsätzlich gemäß der Inflation. Herangezogen werden dafür entweder der Anpassungsfaktor für die Pensionen oder die Inflation von Juli des Vorjahres bis Juni des laufenden Jahres – je nachdem, welcher der beiden Werte niedriger ist. Jedoch wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Nulllohnrunden oder Erhöhungen unter der Inflation für die Spitzenverdiener beschlossen, weshalb die Gehaltspyramide für Politikerinnen und Politiker seit ihrer Einführung vor über 25 Jahren massiv an Wert verloren hat.
ÖSTERREICHISCHES PARLAMENT
ORF-MELDUNGSBÜNDEL ÖSTERREICH
Inland
Regierung will erneut Nulllohnrunde im Bund
Liezen führt Tempo 30 im Stadtgebiet ein
Weitere Grünpfeile für Radverkehr in Wien
Neuer Schutz vor Hitze auf dem Weg
UMWELT
Menschen atmen Zehntausende Mikroplastikteile ein – ORF, 31.7.2025
Menschen atmen laut neuen Berechnungen deutlich mehr Mikroplastik ein als bisher angenommen. Besonders in Innenräumen wie Wohnungen und in Autos könnten täglich im Schnitt rund 68.000 winzige Plastikpartikel in die Atemwege eines Erwachsenen gelangen – bei Kindern sind es etwa 47.000.
Die Forschenden um Nadiia Yakovenko vom Geowissenschaftlichen Institut der Universität Toulouse berichten in der Fachzeitschrift „PLOS One“, dass die Belastung mit besonders kleinen Teilen zwischen einem und zehn Mikrometern Durchmesser weit höher liegt als zuvor vermutet.
Teilchen dieser Größe gelten als besonders problematisch, weil sie tief in die Lunge eindringen und dort möglicherweise Entzündungen, Zellschäden oder andere gesundheitliche Probleme auslösen können. Frühere Schätzungen, die auf größeren Partikeln basierten, lagen rund hundertfach niedriger. „Die tatsächliche Belastung durch eingeatmetes Mikroplastik wurde bislang massiv unterschätzt“, heißt es in der Studie.
Innenräume stark belastet
Gemessen wurde die Belastung unter anderem in Privatwohnungen und in Autoinnenräumen in Südfrankreich. Während in Wohnräumen im Schnitt 528 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter Luft nachgewiesen wurden, lag die Konzentration in Autos mit 2.238 Partikeln deutlich höher. 94 Prozent dieser gefundenen Teilchen war kleiner als zehn Mikrometern, also fähig in die Lunge einzudringen. Im Anschluss wurden Berechnungen vorgenommen, wie viel davon Menschen durchschnittlich am Tag einatmen.
Hauptquellen der Belastung sind laut Studie der Abrieb von Textilien, Kunststoffmöbeln oder der Innenverkleidung von Fahrzeugen. Die Mehrheit der nachgewiesenen Partikel bestand aus Polyethylen und Polyamid – Kunststoffe, die häufig in Alltagsprodukten vorkommen.
Mikroplastik im Körper
Die gesundheitlichen Auswirkungen sind bisher noch wenig erforscht. Einige der winzigen Partikel können tief in die Lunge eindringen und dort möglicherweise Entzündungsprozesse auslösen.
Eleonore Fröhlich von der Medizinischen Universität Graz und Professorin an der Universität Tübingen weist darauf hin, dass Mikroplastik zwar potenziell gesundheitlich relevant ist – im Vergleich zur deutlich höheren Feinstaubbelastung jedoch derzeit als weniger gravierend einzuschätzen sei. Feinstaub enthalte oft toxischere Substanzen und sei in deutlich größeren Mengen in der Luft vorhanden.
Aber auch die Form der Partikel spiele eine Rolle für ihre Wirkung im Körper: Während Feinstaub meist aus eher runden Partikeln besteht, handele es sich bei Mikroplastik oft um Fasern oder unregelmäßige Fragmente. Solche faserförmigen Teilchen können laut Fröhlich weniger tief in die Lunge eindringen, da sie sich besonders leicht an Verzweigungen in den Atemwegen ablagern. Da die Lunge Partikel, die sich einmal festgesetzt haben, nur begrenzt abtransportieren kann, kann dies ihre Funktion auf Dauer beeinträchtigen.
Forschung am Anfang
Die Autorinnen und Autoren der Studie betonen, dass ihre Ergebnisse ein starkes Argument dafür seien, die gesundheitlichen Folgen der Mikroplastikbelastung in Innenräumen systematisch zu erforschen. Menschen in modernen Gesellschaften verbringen rund 90 Prozent ihrer Zeit in geschlossenen Räumen – potenziell also in einer Umgebung mit erhöhter Belastung durch Plastikpartikel in der Luft.
Der direkte Nachweis von Mikroplastik im menschlichen Körper wurde im Rahmen der Studie nicht versucht. Stattdessen wurden Luftproben in Innenräumen genommen und auf dieser Basis berechnet, wie viele Partikel beim Atmen theoretisch aufgenommen werden – etwa im Alltag zu Hause oder im Auto. Dabei legten die Forschenden Standardwerte für das Atemvolumen ruhender Personen zugrunde.
Fröhlich weist darauf hin, dass die Daten auf Messungen aus relativ kleinen Luftvolumina und auf der Analyse nur eines kleinen Teils der Gesamtprobe basieren und deshalb mit Unsicherheiten behaftet sein können: „Jeder kleine Messfehler setzt sich fort.“ Zudem könne körperliche Aktivität die tatsächliche Aufnahme deutlich erhöhen. Für belastbare Aussagen sei eine breitere Datengrundlage notwendig.
red, science.ORF.at/Agenturen
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GESCHICHTE
Schlussakte von Helsinki: Die neue Weltordnung von damals – ORF, 1.8.2025
Am 1. August 1970 ist mit der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki der Durchbruch zu einer Entspannung des Kalten Kriegs erzielt worden. Ost und West verständigten sich auf die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Wahrung der Menschenrechte in Europa – angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine ist davon nicht mehr viel übrig.
Am Anfang stand ein Pallawatsch: Staats- und Regierungschefs von 35 Nationen sollten das dicke Regelwerk unterzeichnen. Die Reihenfolge der Unterzeichner war aber durcheinander gekommen, vor der versammelten Weltpresse in der Finlandia-Halle von Helsinki wurde das Vertragswerk hektisch hin und her gereicht.
Die Wirrnis aber war bald überwunden. Zunächst von US-Präsident Gerald Ford, von SED-Chef Erich Honecker und gleich danach von Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ). Die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), dem Vorläufer der OSZE, war damit gültig.
Dem 30.000 Worte starken Dokument waren zwei Jahre Verhandlungen zwischen den USA, Kanada, der Sowjetunion und fast allen europäischen Staaten vorausgegangen. Die Staaten verpflichteten sich zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Tauschgeschäft zwischen Ost und West
Es war ein klassisches Quidproquo der Diplomatie: Für den Ostblock brachte sie die Anerkennung der Grenzen der Nachkriegsordnung und einen stärkeren wirtschaftlichen Austausch mit dem Westen. Im Gegenzug machte der Osten Zugeständnisse bei den Menschenrechten.
Diese Bestimmungen leiteten nach Ansicht mancher Fachleute den Zusammenbruch der kommunistischen Ostblockdiktaturen ein. Die Sowjetunion hatte zur Schlussakte gedrängt, um den Status quo der Grenzziehung einzuzementieren.
OSZE
1995 ging aus der KSZE die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit Sitz in Wien hervor. Heute hat die Organisation 57 Mitglieder. Die OSZE-Botschafter beraten in wöchentlichen Sitzungen in der Hofburg über aktuelle Konflikte und deren Eindämmung. Die Organisation spielt auch eine wichtige Rolle bei der Wahlbeobachtung.
Entsprechend frenetisch ließ sich Generalsekretär Leonid Breschnew in Moskau feiern. Dass daraus aber die Gründung von Helsinki-Komitees zur Wahrung der Menschenrechte in den Ostblockländern folgen würde, hätte Breschnew bei der Unterzeichnung nicht vorhersehen können.
Sowohl die Dissidenten der tschechischen Charta 77 als auch die polnische Solidarnosc beriefen sich auf die Bestimmungen der Schlussakte, die die Ostblockstaaten zur Gewährung von mehr Meinungsfreiheit und grenzüberschreitenden Kontakten verpflichten sollte.
Die Schlussakte von Helsinki ist allerdings kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern eine Selbstverpflichtung. Nach der Konferenz in Helsinki gab es auch scharfe Kritik daran, der Zweifel, dass die Schlussakte auch eingehalten wird, war groß. Auch Kreisky war skeptisch, verteidigte die Resultate in der Öffentlichkeit aber vehement.
Österreich als Makler
Die Historikerin Anna Graf-Steiner vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung beschreibt in ihrem kürzlich erschienen Buch „Brückenbauer im Kalten Krieg“, dass das neutrale Österreich eine produktive Rolle beim Zustandekommen der Schlussakte, die als einer der „größten Erfolge der Entspannungspolitik in Europa“ galt, gespielt habe.
Bereits 1964/1965 und somit lange Zeit vor dem Auftakt konkreter diplomatischer Verhandlungen in Helsinki im November 1972 hat es laut Graf-Steiner aus dem sowjetischen Außenministerium Signale gegeben, dass Österreich eine größere Rolle als Makler der europäischen Sicherheit spielen sollte.
Die Bedeutung Kreiskys allerdings erachtet sie dabei als „gemeinhin überschätzt“, der Bundeskanzler habe sich im Jänner 1972 dem sowjetischen Vizeaußenminister Wladimir Semjonow gegenüber sogar verächtlich über eine „weitere Diplomatenkonferenz“ ausgesprochen. Es waren aber die österreichischen Diplomaten, für die die humanitären Aspekte des Dokuments prioritär waren, teils formulierten sie diese auch.
Der damalige Spitzendiplomat und ÖVP-Politiker Ludwig Steiner habe das seinerzeit damit begründet, dass der Entspannungsprozess nur dann für den einzelnen Staatsbürger sichtbar gemacht werde, wenn er in seinem eigenen Bereich Erleichterungen feststellen könne.
Ein verändertes Europa
Die Grundsätze der Akte hielt schließlich in großen Teilen über Jahrzehnte. 50 Jahre später scheint der Geist von Helsinki weit entfernt, auch wenn sich viele Staaten auf die Schlussakte berufen, um die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland zu verurteilen. Der russische Überfall aber zertrümmerte auch die Sicherheitsarchitektur Europas.
Ein Symbol dafür war auch die erneute Auflösung der Moskauer Helsinki-Gruppe 2023, diesmal durch die russischen Machthaber. Dass die Entspannung „in gewissem Sinne unwiderruflich“ ist, wie es der französische Präsident Valery Giscard d’Estaing formulierte, scheint widerlegt.
Inwiefern die OSZE auch heute noch zur Befriedung beitragen kann, ist umstritten. Der frühere US-Vizeaußenminister James C. O’Brien, der im Juni bei einer Podiumsdiskussion in Wien war, sagte: „Wir sehen in einigen Ländern – jenes, das ich am besten kenne, eingeschlossen – eine Entwicklung, gewählte Regierungen als persönliche Regierungen zu gestalten. Das ist eine Revolution gegen Institutionen und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.“ Die „Checks and Balances“ würden geschwächt. Die OSZE könne aber weiterhin dazu beitragen, demokratische Institutionen zu sichern.
red, ORF.at/Agenturen
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UNTERNEHMEN
Österreichs Kultmarke KTM versucht einen Neustart – und wird indisch – Meret Baumann, NZZ, 1.8.2025
Vor zwei Jahren feierte der Motorradhersteller noch Rekordumsätze, dann schlitterte er in die Pleite. Sie war eine Folge von Managementfehlern, wirft aber auch ein Schlaglicht auf die Schwäche des Standorts Österreich.
Bei Europas grösstem Motorradhersteller KTM herrscht Erleichterung. Diese Woche konnte er die Produktion wieder aufnehmen, auf den Tag drei Monate nach einem neuerlichen Stillstand. Alle rund tausend Mitarbeiter der Fertigung seien in die beiden Stammwerke im oberösterreichischen Innviertel nahe der Grenze zu Deutschland zurückgekehrt, teilte das Unternehmen mit. «Endlich dürfen wir wieder arbeiten», sagte ein Monteur den «Oberösterreichischen Nachrichten». Was wolle man nach dieser schweren Zeit mehr?
Tatsächlich hat KTM äusserst turbulente Monate hinter sich. Die Traditionsfirma war Ende letzten Jahres in finanzielle Schieflage geraten und musste im November Insolvenz anmelden. Kurz darauf standen die Produktionslinien ein erstes Mal für gut drei Monate still, 1200 Gläubiger meldeten Forderungen von über 2 Milliarden Euro an, und Hunderte Beschäftigte verloren ihre Stellen.
Lange war unklar, ob das Unternehmen überhaupt weitergeführt werden kann. Nach Annahme des Sanierungsplans dauerte es nochmals drei Monate, bis der indische Miteigentümer Bajaj kurz vor Ablauf der gesetzten Frist im Mai weiteres Kapital in Höhe von knapp 450 Millionen Euro einschoss, um die Gläubiger wie vorgesehen zu befriedigen.
Eine Pleitewelle hat Österreich erfasst
Damit war der Fortbestand von KTM vorerst gesichert. Allerdings stehen bedeutende Veränderungen an: Das indische Familienimperium Bajaj stieg bereits 2007 beim Motorradhersteller ein und kontrollierte bisher gemeinsam mit dem langjährigen Geschäftsführer Stefan Pierer das Joint Venture Pierer Bajaj. Die Muttergesellschaft von KTM, Pierer Mobility AG, ist in der Schweiz kotiert. Vorbehaltlich der regulatorischen Genehmigungen sollen die Inder nun Pierer Bajaj ganz übernehmen. Stefan Pierer hat sich bereits in den vergangenen Monaten aus dem operativen Geschäft zurückgezogen.
Sein Nachfolger als CEO, Gottfried Neumeister, sprach im Mai von einer «neuen, zweiten Chance». Das Stammwerk in Mattighofen bleibe die Basis für den zukünftigen Erfolg von KTM, betonte er. So klar ist das allerdings nicht. In Österreich werden vor allem Motocross- und Enduro-Maschinen hergestellt werden, während die preisempfindlichen Strassen- und Mittelklassemodelle bereits in China und Indien gefertigt werden. Diese Verlagerung könnte sich noch verstärken, wenn Bajaj vollständig das Sagen hat.
Motorräder aus Mattighofen waren einst ein Exportschlager, in letzter Zeit blieb KTM aber auf einem immensen Lagerbestand sitzen. Michaela Handrek-Rehle / Bloomberg
Die Probleme von KTM waren in zweifacher Hinsicht ein Schock für Österreich. Zum einen galt das 1934 aus einer Schlosserei entstandene Unternehmen als Kultmarke und erreichte bedeutende Erfolge im Motorsport, der in Österreich sehr populär ist. Lokal verwurzelt im Innviertel, machte es Ingenieurskunst made in Austria zum Exportschlager. Noch 2023 verzeichnete die Muttergesellschaft Pierer Mobility einen Rekordumsatz von 2,6 Millionen Euro – KTM sei «mit Vollgas unterwegs», jubelte die «Kronen Zeitung». Umso überraschender kam kurz darauf der tiefe Fall.
Zum anderen warf die Insolvenz ein grelles Schlaglicht auf die grundsätzlichen Probleme der österreichischen Industrie. Deren internationale Wettbewerbsfähigkeit leidet derzeit unter hohen Energiepreisen und viel Bürokratie. Der praktisch automatische Inflationsausgleich bei den Salären liess zudem die Lohnstückkosten stark steigen. Das Land hat deshalb eine Pleitewelle erfasst: Mehr als 6500 Firmen mussten 2024 Insolvenz anmelden, 23 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Im laufenden Jahr – dem möglicherweise dritten Rezessionsjahr in Folge – könnten es noch mehr sein.
Stefan Pierer, der KTM nach einem ersten Konkurs Anfang der neunziger Jahre übernommen und zu einem Weltmarktführer gemacht hatte, wurde nicht müde, diese Schwächen anzuprangern. Europa ruiniere den Standort und Österreich lege noch eins drauf, kritisierte er. Besonders bei der hohen Inflation und der Energiekrise sah er ein Versagen der Regierung: «Die Politik hat leider keinen Plan», sagte er der Zeitung «Der Standard» 2022.
Der langjährige CEO Stefan Pierer ist ein Feindbild der Linken
Auch sonst äusserte sich Pierer immer wieder politisch. Er positionierte sich als Verfechter von Leistung und Effizienz, kritisierte etwa Forderungen nach einer Arbeitszeitverkürzung als «sinnbefreit» und lehnte Vermögens- oder Erbschaftssteuern strikt ab. Damit wurde der Milliardär zu einem Feindbild der Linken, zumal er mit einer Konstruktion über Liechtenstein seine Steuern optimierte. 2017 unterstützte er die konservative ÖVP mit einer Grossspende , zeigte sich aber später enttäuscht. Er werde nie mehr politisch etwas spenden, seine Zeit als «Weltverbesserer» sei vorbei.
Mit dem Absturz seines Lebenswerks KTM geriet Pierer auch wegen Managementfehlern in die Kritik. Denn während das wirtschaftspolitische Umfeld in Österreich zweifellos zu den Problemen beitrug, schätzte die Unternehmensführung aber offenkundig auch den Markt falsch ein. Pandemiebedingte Lieferengpässe, hohe Rohstoffpreise und eine sinkende Nachfrage liessen die Absätze einbrechen. Auch von Qualitätsproblemen war die Rede. Dennoch setzte KTM weiter auf eine schuldenfinanzierte Wachstumsstrategie. Bei der Pleite Ende 2024 sass man so auf einem Lagerbestand von über 100 000 Motorrädern im Wert von rund 1,4 Milliarden Euro.
Durch das Sanierungsverfahren findet nun ein Neustart statt – ohne Stefan Pierer. Im ersten Halbjahr setzte die Gruppe 85 000 Motorräder ab, ein Minus von über 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das KTM mit dem Sanierungsverfahren erklärt. Die Lagerbestände hätten deutlich reduziert und die Effizienz entlang der Lieferkette gesteigert werden können, gab Pierer Mobility bekannt. Auch die Nettoverschuldung konnte auf gut 750 Millionen Euro halbiert werden, und die Eigenkapitalquote ist mit 27 Prozent wieder klar positiv.
Erleichterung herrscht deshalb weit über das Werk in Mattighofen hinaus. Der gesamte Standort Oberösterreich atme auf, liess die Landesregierung verlauten. Auch zahlreiche Zulieferbetriebe in der Region gerieten in den letzten Monaten in Schwierigkeiten, einige überlebten die Krise nicht. Wie lange KTM-Motorräder noch in der Region produziert werden, ist trotz den Bekenntnissen der Unternehmensführung ungewiss.
GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN
*** nicht aktualisiert ***
AKTIENEMPFEHLUNGEN – BUY & SELL
Aktuell (—):
Aktien um 10 Euro je Stück sind FETT hervorgehoben.
Die erwarteten stolzen Kursgewinne sind dem Übermut der tollen Analystenzunft zu verdanken! Hirn selbst einschalten und kritisch bewerten. MERKE: Klappern gehört zum Geschäft. Es geht letztlich nicht so sehr um die Beratung der Anleger, sondern um die spekulativ selbst gehaltenen Aktien der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaften etc.), für die die Analysten tätig sind: wenn viele kaufen, steigen die Kurse, und 5% Plus sind zwar weniger als 15% oder 35%, aber besser als 5% Minus. Zudem lassen sich schnell noch eigentlich „schlechte“ Aktien im Portfolio des Hauses (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) verkaufen, für die der Analyst tätig ist, sofern die werten privaten Anleger den Kaufempfehlungen folgen. So schaut’s aus im Schneckenhaus! Nochmals: Hirn selbst einschalten. Die Finanzbranche lebt vom Trübe-Machen des Wassers!
NICHT ZULETZT: Verkaufsempfehlungen werden ungern gegeben, da sie auf das Portfolio der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) rückschließen lassen, zu denen die Analysten gehören. Verkaufsempfehlungen werden aus zwei Gründen gegeben: a) es ist tatsächlich Feuer am Dach des analysierten Unternehmens, b) das Haus möchte die Aktien des zum Verkauf empfohlenen Unternehmens billiger zurückkaufen, sofern den Verkaufsempfehlungen gefolgt wird. Letztlich agieren an der Börse die Optimisten, und die wollen positive Nachrichten hören, also werden sie von den Häusern und ihren Analysten entsprechend bedient.
UND ZU ALLERLETZT: die Analysten bespiegeln sich untereinander: wer hat was empfohlen oder nicht empfohlen, es kommt zu herdenpsychologischen Erscheinungen derart: der Leithammel hat empfohlen, also machen wir das auch. Die jeweiligen Analysen werden entsprechend (um)formuliert. Das zweite Moment: die Konkurrenz, die u.U. zu skurrilen Interpretationen des analysierten Unternehmens führt.
FAZIT: was die Analystenzunft von sich gibt, kann aufschlussreich sein, muss es aber nicht, vermittelt einen zusätzlichen Eindruck zu einzelnen Aktiengesellschaften. Wichtig ist der Blick auf zweierlei: a) entscheidend: auf die volkswirtschaftliche Situation des Landes, der Welt; b) sekundär (!) auf das Unternehmen und seine Branche: Charakter des Managements, klare, gut durchschaubare Produktpalette, Langlebigkeit des Unternehmens und seine Stetigkeit im Gebaren.
Renten- und Aktienmärkte
Man halte sich vor Augen: Aktienmärkte sind die Pfützen in der Welt der Veranlagungsmöglichkeiten. Anleihenmärkte (Rentenmärkte, Kapitalmärkte) sind die großen Ozeane ebendort. Daher sind Aktienmärkte volatil und reagieren auf den leisesten Windhauch mit u.U. kräftigen Ausschlägen. Die Seelen der Anleger sind sehr verletzlich: Angst und Gier bestimmen hier jegliches Handeln, die vernünftige Veranlagungsentscheidung steht an zweiter Stelle. Das verursacht in den kleinen Geldpfützen der Aktienmärkte hohe Wellen. Aber dort stehen nach erster Erschütterung später die rationalen Kaufs- und Verkaufsentscheidungen felsenfest – bis zur nächsten Seelenerschütterung.
Anleiheanleger sind cooler und gezügelter im Gemüt. Hier geht es eher um Langfristperspektiven. Alles dreht sich um den Zins und wie er sich weiterentwickelt. Wer an der Zinsschraube dreht, dreht am Schicksal ganzer Volkswirtschaften. Da ist das aufgeregte Gegackere an den Aktienmärkten geradezu uninteressant.
Aber kommen Anleihemärkte einmal ins Rutschen – nach oben oder nach unten – dann ist Feuer am Dach. Schon 0,5 oder gar 1 Prozent Veränderung in einem Anleihenindex sind eine „Weltbewegung“ im Milliarden- oder Billionengeldmeere der Anleiheozeane.
Dazu kommt: Die Anleiherenditen konkurrenzieren mit den Aktienrenditen. Eine hohe Anleiherendite jenseits der 3 Prozent wirkt umso „giftiger“ auf die Aktienkursentwicklungen, je höher sie ist. Liegt sie unter 3 Prozent, begünstigt sie die Aktienkäufe, Je deutlicher sie unter 3 Prozent liegt, umso eher. Das ist die Regel. Die Ausnahme – so, wie wir sie gerade sehen – bestätigt diese Regel. Früher oder später wird sie ihre dominante Stellung als Regel wieder einnehmen.
Diese Verhältnisse sind es, die im Tagesblick in der Regel die Berichte zu den Anleihemärkten wiedergeben lassen, dass aufgeregte Geflattere und Gegackere an den Aktienmärkten im Detail interessiert in der Regel nicht die Bohne.
Zur Renditebestimmung bei Anleihen: notiert die Anleihe zu 100 Prozent, dann stimmen Anleihezinssatz (der Couponzins) und Anleiherendite überein. Sinkt der Anleihekurs unter 100 Prozent, steigt die Rendite, umgekehrt gilt: steigt der Anleihekurs, so sinkt die Rendite. So einfach ist das. Und so weltbewegend in der Tat.
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Allgemeine Empfehlungen: Es geht vornehmlich um die Zukunft der Energiegewinnung und die Energielieferanten. Renner bleiben Telekommunikations-Unternehmen, deren Dienstleistungen in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft unabkömmlich sind. Unter den Logistik-Aktien sind in der Regel die Post-Aktien interessant. Diese Branchen sind weniger konjunkturabhängig als z.B. Konsumaktien, darunter die Post-Aktien noch am ehesten.
Hinzu kommt, dass die klassischen erdölverarbeitenden Energielieferanten (Up- und Downstream) mehr oder weniger energisch in großem Stil auf Alternativenergien umstellen. Es bleibt ihnen angesichts des Klimawandels, der öffentlichen Meinung und der in absehbarer Zeit erschöpften Welt-Erdölreserven auch nichts anderes übrig. Über das Kapital für den weltlebensnotwendigen Umbau verfügen sie dank ihrer Aktionäre. Es geht aus Sicht der Unternehmen um zukunftsträchtige Geschäftsmodelle in einer überschaubaren Branche – Energie – und aus Sicht der Aktionäre um steigende Unternehmenswerte / Aktienkurse als Inflationsschutz und sichere, möglichst stabil wachsende Dividenden, ebenfalls hinsichtlich des Inflationsschutzes.
Anti-Nachhaltigkeits-Bewegung in den USA als 180-Grad-Wendung in der Veranlagungsgebarung
Der aktuelle politische Druck in den USA zwingt eine Reihe großer Vermögensverwalter, darunter die weltgrößten wie Blackwater und Vanguard (verwaltetes Vermögen: 20 Billionen US-Dollar), nachhaltige Unternehmen potentiellen Anlegern nicht mehr zu empfehlen. Sie selbst verkaufen solche Unternehmen aus ihren Portfolios. Es gibt sogar seitens republikanisch regierter Bundesstaaten wie insbesondere Texas Kaufverbote für staatliche Pensions- u.a. Fonds.
Ausgestiegen sind bereits US-amerikanische Großbanken wie JP Morgan, Goldman Sachs, Wells Fargo, Bank of America, Citigroup (verwaltetes Vermögen: 9 Billionen). Ähnliches betrifft die Kreditvergabe. Offen bleibt, wie private und Unternehmensanleger (nicht-staatliche Fonds) künftig disponieren werden.
Unter den angebotenen Finanzanlagen kursieren seit geraumer Zeit besondere Nachhaltigkeitsprodukte in Form sog. ESG-Fonds (mehr dazu hier), die hohe Renditen versprachen und daher recht starken Zulauf hatten; die Renditen wurde seit Erhöhung der Kreditzinsen gebremst, da dadurch kreditfinanzierte Nachhaltigkeitsprojekte (Windparks, Solaranlagen etc.) weniger rentabel wurden.
In der Europäischen Union will man sich weiter an entsprechende Nachhaltigkeitsauflagen festhalten. Bislang wurden in europäische ESG-Fonds 9 Billionen Euro investiert, was 61 Prozent des gesamten Fondmarktvolumens entspricht. Der Zufluss hat sich 2024 allerdings um die Hälfte auf 37 Milliarden Euro reduziert. Zudem wurden mehr ESG-Fonds geschlossen als eröffnet. Nicht nur die hohen Zinsen, die die ESG-Fonds-Renditen beeinträchtigten, führten dazu, sondern auch „grüne Schönfärberei“: es stellte sich da und dort heraus, dass die versprochene Nachhaltigkeit mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit bestand. (Quelle: Wirtschaft vor Acht, ARD, 10.1.2025 (KURZVIDEO, bis 17.1.2025 verfügbar))
FAZIT: Es bleibt abzuwarten, was das für den Klimaschutz in den USA und weltweit künftig bedeutet. Für Österreich stellt sich die Frage, wie eine künftige Regierung sich in Sachen Klimaschutz verhalten wird.
Aktienkauf – der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung – bedeutet Übernahme eines Risikos in Hinblick auf das künftige Unternehmensschicksal. Die Dividende stellt eine Risikoprämie dar.
Aktienanalytischer Blick auf Aktien im Euroraum und speziell Österreich (Stand: 24.2.2025):
ACHTUNG – STEUERVERÄNDERUNGEN ANTE PORTAS:
Ins Gerede kommen in absehbarer Zeit auf EU-Ebene und auf Österreich-Ebene vermutlich Aktienbesteuerung (Verkaufsgewinne, Dividenden) ebenso wie Vermögens- und Erbschaftssteuer. Diese Steuern sind in Veranlagungsüberlegungen mit einzubeziehen.
Im Folgenden sind Aktien um 10 Euro je Stück und darunter FETT hervorgehoben.
Neu aufgenommene Aktien werden mit ### gekennzeichnet.
Beobachtenswert ist der Umweltschutz- und Wasserwirtschaftswert Veolia
Ein Kaufsignal liefern weiterhin ENI, UNICREDIT und TOTAL ENERGIES, im Vergleich zum 3.2.2025 stabile Bewertung mit jeweils fünf Sternen bewertet.
Ein Kaufsignal liefern ENEL, PORR, SHELL, VERBUND, ### VIENNA INSURANCE GROUP mit jeweils vier Sternen bewertet.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung mit jeweils vier Sternen bewertet.
Ein niedriges KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zeichnet aus:
RWE, TOTAL ENERGIES, ### UNICREDIT SPA, PORR, OMV, ### UNIQA, EVN, ENEL, TELECOM AUSTRIA, ### STRABAG, WIENERBERGER, SHELL, PALFINGER.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktie RWE ist die mit dem niedrigsten KGV = 4,8, PALFINGER die mit dem höchsten KGV = 9,3.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung.
Ein niedriges dynamisches KGV (PEG, Price-Earning-to-Growth) weisen u.a. auf:
ENI, UNICREDIT, ### KONTRON AG, OMV, SHELL, PORR, WIENERBERGER, PALFINGER,
Nicht mehr dazu gehören: VIENNA INSURANCE GROUP, TELECOM AUSTRIA.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktien ENI = 0,5 ist die mit dem niedrigsten, PALFINGER die mit dem höchsten PEG = 1,4.
Im Vergleich zum 3.2. 2025 ist die Auswahl verändert, einzelne Aktien kamen dazu, andere fehlen nun!
Als Aktien mit langfristigem Kurspotential werden u.a. gesehen:
TOTAL ENERGIES, ENI, VERBUND, E.ON.SE, EVN, RWE.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene mit der größten Langfristchance.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl stabil, die Reihenfolge hat sich geändert.
Als Aktien mit hoher Sicherheit werden u.a. bewertet VIENNA INSURANCE GROUP, VERBUND; die Bewertungen bleiben unverändert zum 3.2.2025.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene Aktie mit der größten Sicherheit.
Aktien mit hoher Dividendenrendite sind:
OMV, ORANGE, TELEFONICA, ENI, UNIQA, ENEL.
Aktien mit der größten Dividendenrendite stehen am Anfang der Reihe: OMV 12,6%, am Ende die mit der niedrigsten: Enel 6,7%, jeweils vor Steuer.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl gleich, die Reihenfolge hat sich geändert.
KAUFKRITERIEN neben den aktienanalytischen Kennzeichnungen sind der Reihe nach: WER? – Qualität und Charakter (Psychologie!) des Managements, Häufigkeit des Managementwechsels, Unternehmenskultur; WAS? – Produkteinfachheit: „einfach gestrickte“, leicht zu durchschauende/transparente Produkte oder Dienstleistungen, eher kleine Produktpalette bzw. enger umschriebenes Dienstleistungsangebot, Konstanz der Nachfrage; WIE? – Sicherheit, Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Wechselfällen, finanzielle Stabilität des Unternehmens, Konkurrenzsituation; WO? – geographische und „politische“ Lage möglichst fern von Krisengebieten inkl. solchen mit politischer Unruhe oder in Ländern mit totalitären Systemen oder deutlich defekten Demokratien (illiberale Demokratien); WANN? – Lebensdauer bzw. Überlebensdauer (Weltkriege etc.) des Unternehmens bisher, Stetigkeit der Dividendenzahlungen.
FAZIT: vor dem Kauf einer Unternehmensbeteiligung sich zur Aktiengesellschaft schlau machen: WER, WAS, WIE, WO, WANN.
ZWEI DINGE sind zusätzlich zu beachten:
# Langfristanlage durch Erwerb von Defensiv-Aktien (u.a. Energie, Telekom),
# Verbleib in einem Währungsraum, das ist der Euroraum. Daher werden die allseits seit Jahren gehypten US-Aktien hier mit Absicht außen vor gelassen, um das Währungsrisiko klein zu halten. Gleiches gilt für den Erwerb von Schweizer Aktien, wie die Vergangenheit mit Blick auf das sehr wechselhafte Wechselkursverhältnis Schweizer Franken / Euro gezeigt hat.
Die Europäischen Union als Veranlagungsrisiko?
Das Staatssystem der Europäischen Union kommt einer defekten Demokratie gleich und erstreckt sich in den Währungsraum (Euroland), in dem gehandelt wird. Man spricht auch von einem Demokratie-Defizit der Europäischen Union. Risiken dieser defekten Demokratie, um einige zu nennen, sind: Regelungen „von oben herab“ auf nicht sehr transparente Weise und Steuervorgaben, die sich durch Negieren realer Alltagserfordernisse auszeichnen, Überwachungsbestrebungen, hoher Bürokratieaufwand für Unternehmen und Bürger. All dies markiert Abgehobenheit und Bürgerferne der EU-Politik.
Kennzeichnend für das Gebaren (Governance) der EU ist ein Ineinandergreifen von EU-Exekutive (Kommission mit ihren Kommissariaten) und einem nicht gut überschaubaren Geflecht zahlreicher, der EU nahestehenden und von ihr geförderten Institutionen, Organisationen und Einrichtungen, die auf vielen Ebenen EU-Kommissionsvorgaben umsetzen helfen. Sie helfen insbesondere dabei, die von EU-Rat- und EU-Kommission angedachten, aber für Bürger und Unternehmen noch nicht „akzeptablen“ Vorgaben „schmackhaft“ zu machen, um so zu einer ausreichend hohen Akzeptanz in der Bevölkerung zu führen, die eine politische Umsetzung ermöglicht.
Junker sagte 1999 dazu sehr verkürzt und sinngemäß: was wir heute als EU nicht durchsetzen, das werden wir dann schon später durchsetzen. Dem Lobbyismus Richtung EU-Exekutive (insbesondere seitens der Unternehmen) steht ein „Lobbyismus“ seitens der EU in Richtung auf die Einrichtungen der Mitgliedsländer sowie auf die Unternehmen und die Bevölkerung gegenüber, dessen Räderwerk für den Normalbürger praktisch nicht durchschaubar ist. Inwieweit kommt dies einem autokratischen Verhalten von der Maschek-Seite gleich?
Hauptziel der EU-Bestrebungen ist die Etablierung der Vereinigten Staaten von Europa, die den derzeit bestehenden Verbund der Mitgliedsstaaten ersetzen soll. Das deutet auch der Wechsel der Namensgebungen im Zeitverlauf an:
# Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, umgangssprachlich auch Montanunion, 1951)
# Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957 inklusive EURATOM)
# Europäische Gemeinschaften (EG, 1965 ff., Fusion von EWG, EURATOM und einzelnen EG-Organen, Fusions- und Folgeverträge)
# Europäische Gemeinschaft (EG, seit 1993 ff., Maastricht- und Folgeverträge)
# Europäische Union (EU, 2007, Lissabon- und Folgeverträge)
1948 1948 Brüsseler Pakt | 1951 1952 Paris | 1954 1955 Pariser Verträge | 1957 1958 Rom | 1965 1967 Fusions- vertrag | 1986 1987 Einheitliche Europäische Akte | 1992 1993 Maastricht | 1997 1999 Amsterdam | 2001 2003 Nizza | 2007 2009 Lissabon | ||||||||||||||||||||||
Europäische Gemeinschaften | Drei Säulen der Europäischen Union | ||||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) | → | ← | |||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) | Vertrag 2002 ausgelaufen | Europäische Union (EU) | |||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) | Europäische Gemeinschaft (EG) | ||||||||||||||||||||||||||||||
→ | Justiz und Inneres (JI) | ||||||||||||||||||||||||||||||
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) | ← | ||||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) | → | Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) | ← | ||||||||||||||||||||||||||||
Westunion (WU) | Westeuropäische Union (WEU) | ||||||||||||||||||||||||||||||
aufgelöst zum 1. Juli 2011 | |||||||||||||||||||||||||||||||
Problematisch bleibt dabei: je größer die Zentralisation von Staatsmacht, umso größer die Machtfülle, die mit „eiserner Harke“ über berechtigte (!) Einzelinteressen der Mitgliedsstaaten und damit der Bürger drüberfährt. Das Prinzip der Subsidiarität bleibt dabei auf der Strecke, so wie dieses Prinzip z.B. Österreich 1994 anlässlich der Vorabstimmungskampagnen versprochen wurde. Wurde das Versprechen eingelöst?
Beispiele der Machtfülle durch Zentralisierung liefern alle großen Staaten, u.a. Russland und China, die geradezu Musterbeispiele dafür darstellen.
Ein Problem des Staates an sich ist das Machtmonopol, das bei ihm liegt und liegen muss, will er Gesellschaft – das Staatsvolk – und die Abläufe darin mit Erfolg, also: durchsetzungskräftig organisieren. Das Problem ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen unbeschränkter Freiheit des Individuums (Libertarismus) und unbeschränkter Freiheit des Staates (Totalitarismus).
Wie dieses Machtmonopol ausgestaltet wird, unterliegt in Demokratien dem Willen des Wahlvolkes, in nicht-demokratischen Staaten dem Willen des autoritären, totalitären oder autokratischen Machthabers. In defekten Demokratien ist die Mitbestimmung des Volkes eingeschränkt. Defekte Demokratien existieren in einer Grauzone, deren Konstituenten und ihre gegenseitige Einflussnahme nicht leicht zu bestimmen sind. Somit ist auch der Defektheitsgrad einer defekten Demokratie nicht leicht zu bestimmen und unterliegt, je nach politischer resp. ideologischer Perspektive, unterschiedlichen Wertungen.
Die idealtypische Dreiteilung der Regierungsformen existiert in der Wirklichkeit nicht: keine Demokratie der Welt entspricht der idealen Form, weist also im Ansatz Eigenschaften einer defekten Demokratie auf, kein totalitärer Staat schränkt die individuellen Freiheiten vollständig ein, es verbleibt den Bürgern dort ein mehr oder weniger großer Freiheitsraum.
Hinsichtlich des staatlichen Machtmonopols, das zudem bei anwachsender Zentralisation der Staatsgewalt zur Zunahme neigt, ergibt sich die Erkenntnis: so wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig als einer Einrichtung, die mit einem mit Rechtsgewalt in das Leben seiner Bürger eingreifenden Machtmonopol versehen ist, das für das „Funktionieren“ einer Gesellschaft unaufgebbar ist.
Die dafür notwendigen rechtlichen Verregelungen des Alltagslebens durch Allgemeines Gesetzbuch, Strafgesetzbuch, Angestelltengesetz etc.etc. sind zahllos und gelten bei ausnahmslos jeder Handlung, werden aber – ebenso regelhaft – dem Bürger erst dann bewusst, wenn es zu schwerwiegenden Regelverstößen oder Regelbruch-Sanktionierungen kommt.
Rechtliche Verregelungen sind Ausdruck der jeweiligen Ausprägungen eines Rechtsstaates; dieser wird in einer idealen Demokratie nicht durch Willküreinwirkungen korrumpiert: das ist ein wesentliches Kennzeichen demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Auf Rechtsstaatlichkeit pflegen sich auch autoritäre, totalitäre oder autokratische, kurz: diktatorische Systeme zu berufen, doch wird der Rechtsstaat dort durch Willküreingriffe korrumpiert: Rechtsbiegung als Kennzeichen von Autokratien etc. In einer defekten Demokratie wird die Rechtsstaatlichkeit (leicht) eingeschränkt, womit das Risiko entsteht, in eine Autokratie abzugleiten.
Nur in formalrechtlicher Hinsicht war zum Beispiel auch der NS-Staat ein Rechtsstaat, besaß er doch gemäß der NS-Grundsätze umgearbeitete Gesetze aus der Weimarer Republik und neue Gesetze im Sinne der NS-Ideologie, auf die er sich in der Rechtsprechung berief und von denen viele in einem „normalen“, d.h. hier NS-konformen Rechtssetzungsprozess entwickelt wurden. Daran ändert nichts die Gepflogenheit, den NS-Staat in inhaltlich-ethischer Hinsicht als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Ein krasses Beispiel für einen NS-Rechtserlass im autokratischen Sinn ist unter diesem Link einsehbar.
Kennzeichnend für die Biegsamkeit des Rechts je nach Staatsraison ist die Tatsache, dass Juristen nach einem Regimewechsel ihre Posten in der Regel nicht verloren, sondern im neuen Regime weiter im Dienst des Rechts ihre berufliche Tätigkeit frei oder im öffentlichen Dienst ausübten. So wurden Juristen und Richter nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes ohne weiteres in den öffentlichen Dienst der entstehenden Bundesrepublik Deutschland übernommen. Vergleichbares geschah nach dem Fall der UdSSR oder DDR.
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Demokratie das Herstellen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einerseits den rechtsstaatlich gesicherten Freiheitsbedürfnissen des Individuums unter für ihn zureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten und andererseits den „Freiheitsbestrebungen“, somit Machtbestrebungen des Staates, mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Gemeinwohl resp. Sozialfrieden in Freiheit herzustellen. Als Garant dafür dient die Gewaltenteilung und ein entsprechend stark regulierter und damit gewaltgebändigter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie als vierte Gewalt die Sicherstellung einer freien Presse. MOTTO: Nimm Freiheitsbeschränkungen mit Blick auf das Gemeinwohl aus Überzeugung an, wir helfen dir dabei durch politische Aufklärung und sachliche Bildungsarbeit!
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Autokratie, im Autoritarismus und vor allem im Totalitarismus Ausgesetztheit vor rechtsbeugenden willkürlichen Staatseingriffen auf die ohnehin reduzierten Freiheitsmöglichkeiten des Individuums unter nicht selten unzureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten zu Gunsten der Machtbestrebungen des Staates mit dem Ziel, ein Höchstmaß an „Gemeinwohl“ resp. „sozialem Frieden“ in Unfreiheit zu erzwingen. Als Garant dafür dient die Einschränkung, womöglich Aufhebung der Gewaltenteilung sowie ein entsprechend stark ausgeprägter und mit gering regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine allgegenwärtige Brachial-Propaganda unter Ausschaltung der Pressefreiheit. MOTTO: Kusch, sonst trifft dich der Polizeiknüppel und du landest im Gulag, folgst du nicht den Propaganda-vermittelten Staatszielen!
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit in einer defekten Demokratie gibt in (noch) geringem Ausmaß jene Prinzipien auf, die eine Demokratie hervorheben. Als Garant dafür dient eine Einschränkung der Gewaltenteilung und ein nicht allzu gestärkter und nicht allzu sehr mit herabgesetzter regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine verhältnismäßig subtil eingesetzte Propaganda und Beeinflussungsmaschinerie. MOTTO: Folge der politischen Verführung und glaube, es sei deine Entscheidung, sonst zwiebeln wir dich mit Exekutivmaßnahmen!
Eine solche Beeinflussungsmaschinerie hat die exekutiv im Grunde genommen schwach aufgestellte EU entwickelt, was zu eben der Ausbildung dieser „Schattenexekutive“ geführt hat. Sie trägt damit – nicht so ohne weiteres sichtbar für den Normalbürger – ein Kennzeichen einer defekten Demokratie. Damit steht die Gefahr im Raum, weiter an demokratischen Eigenschaften einzubüßen und zu einem politischen und wirtschaftlichen Risiko heranzureifen. In der Tat bemüht sich die EU um Stärkung ihrer Polizeigewalt (Frontex, 2004, weiterer Ausbau) und damit um Ausbildung eines weiteren Kennzeichens defekter Demokratien insofern der Vorwurf stimmte, dass Frontex auch innerhalb der EU eingesetzt werden könnte.
Was die Beeinflussungsmaschinerie der EU betrifft, hat 2011 der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (1929-2022) die Europäische Union als “sanftes Monster Brüssel“ bezeichnet und von der „Entmündigung Europas“ gesprochen. Er anerkennt segensreiche Folgen ihres Wirkens, macht aber zugleich auf die strukturellen Defizite dieser überstaatlichen Einrichtung aufmerksam, die durch massive Öffentlichkeitsarbeit, um nicht zu sagen: Propaganda – geschickt durch das vorbeschriebene Geflecht an Organisationen, Instituten, Einrichtungen etc. vermittelt –, übertüncht werden. Bezeichnend ist sein Ausspruch: „Je dünner die Legitimität [ihres politischen Handelns], umso dicker der Glibber der PR.“
Die geschilderte Gefahr liegt nicht darin, sich im Euro-Währungsraum zu bewegen. Sie liegt darin, dass infolge mangelnder demokratischer Kontrolle politisch einer Gesinnungsethik und nicht einer Verantwortungsethik gefolgt wird. Damit einher ginge eine Abgehobenheit von den Realitäten des täglichen Lebens der Bürger und Unternehmen. Das führte kurz über lang zu einer Schwächung des Euros im Währungskonzert. Ein Risiko erwüchse dann eher daraus, dass es nicht sicher ist, ob der Währungsraum „Euro“ eines Tages zerbricht, zum Beispiel dadurch, dass im Konzert mit anderen Währungen die derzeit ohnehin angekratzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union noch weiter geschwächt würde und der Euro fortgesetzt an Wert verlöre. Letzteres erleichterte das Auseinanderbrechen der Europäischen Union, die Eigeninteressen der Mitgliedsländer träten wieder stärker hervor.
Dieses Auseinanderbrechen der Europäischen Union ist derzeit unwahrscheinlich, aber denkmöglich als Folge von: fortgesetzter Wirtschaftsschwäche; weiter zunehmender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Zunahme nationalkonservativer bis rechtsextremer Haltungen; fortgesetztem „Rütteln an den Ketten“ seitens ehemaliger UdSSR-Bruderstaaten; fortgesetzter Aufnahme neuer Mitgliedsländer speziell aus dem Balkan und dem ehemaligem UdSSR-Einflussbereich (Serbien, Ukraine); gravierenden, von den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten nicht mitgetragenen außen- und innenpolitischen Entscheidungen.
Bräche die EU, so bräche spätestens dann auch der Euro; im Übrigen weist die Geschichte der Währungsunionen auf deren Brüchigkeit hin: sie halten in der Regel nicht lange. Den Anleger zwingt unter anderem auch dies beizeiten zu überlegen, in welcher Währung er außerhalb des Euroraumes investieren soll. Angesichts des unsicheren Status des US-Dollars als Weltwährung ist dies eine herausfordernde Frage. Sie stellt sich glücklicherweise derzeit nicht, sondern taucht nur schemenhaft als Denkmöglichkeit am Horizont einer eher ferneren Zukunft auf. Aber: sie taucht auf und kann blitzesschnell elefantengroß im Raum stehen.
FAZIT: die Europäische Union birgt für den Anleger derzeit nur am Zukunftshorizont sich abzeichnende Risiken. Sie entspringen u.a. daraus, dass die EU weniger aus der Position der Stärke als eher aus der der Schwäche handelt. Im Vergleich zur Situation des Kalten Krieges und damit zur Gründerzeit der EU-Vorläufereinrichtungen, in der es nur einen wirtschaftsmächtigen geopolitischen Spieler und gleichzeitigen Verbündeten – die USA – gab, steht die Europäische Union heute zwischen zwei Wirtschaftsblöcken: dem des USA-geführten Westens und dem des sog. globalen Südens. Das erzeugt Druck, allzumal Zeitdruck, treibt die EU an und lässt sie, will sie nicht aufgerieben werden, nach Machtvergrößerung durch Zentralisierung streben – ein Demokratierisiko ersten Ranges, damit in der weiteren Folge ein Wirtschafts- und letztlich Veranlagungsrisiko.
Grundsätzliches zur Währungsspekulation
Währungs-Spekulation ist ein äußerst schwieriges, glitschiges, hochriskantes Geschäft, bedarf langjähriger Erfahrung, tagtäglicher Marktbeobachtung und eines guten Magens: Schocks und erratische Marktbewegungen müssen ausgehalten werden – psychisch und finanziell. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Währungsspekulanten im deutschsprachigen Raum ist Folker Hellmeyer (Hellmeyer-Website, Hellmeyer-Kurzportrait (Goldseiten), Hellmeyer auf Netfonds usf.).
Zweck der Währungsspekulation?
Wie bei den Warenoptionsmärkten dient auch der Währungsoptionsmarkt dazu, sehr starke Schwankungen im Wert einer Währung (Devise) zu verhindern: sehr starken Verteuerungen oder Verbilligungen einer Währung im Devisenmarkt (Währungs- oder FOREX-Markt) wird so gegengesteuert. Dafür sorgen die vielen Marktteilnehmer, von denen ein Teil den künftigen Wert einer Währung (Devise) höher, der andere diesen Wert tiefer einschätzt. Dies führt dazu, dass sich eine Art mittlerer Wert für diese Währung einstellt. Währungsoptionsmärkte sind rund um den Globus nahezu 24/7, also nahezu täglich rund um die Uhr, offen (Warenoptionsmarkt, Optionen im Freihandel).
Anders ausgedrückt: Die Spekulanten sichern sich mit ihrem Engagement gegen das Risiko eines Währungsverfalls oder eines Währungsanstiegs ab. Währungsanstiege sind ein Risiko für Käufer auf Warenmärkten, Währungsabwertungen sind ein Risiko für Verkäufer auf Warenmärkten. Gleiches gilt selbstverständlich auch für Dienstleistungen im internationalen Dienstleistungsaustausch. Die gegenläufigen Interessen auf dem Währungsoptionsmarkt „mitteln“ sich aus.
Allgemein gesprochen handelt es sich bei den Geschäften auf Optionsmärkten um Absicherungsgeschäfte oder Hedging.
Nochmals anders ausgedrückt: Auf aggregiertem Niveau (Makroebene) sorgt der Währungsoptionsmarkt für die Stabilität einer bestimmten Währung im Konzert der anderen Währungen im Devisen- resp. Währungsmarkt (Kassa- oder Spot-Markt, das Pendant zum Optionsmarkt).
Eine stabile Währung ist für die Volkswirtschaft, in deren Bereich diese Währung als Zahlungsmittel dient, eine Lebensnotwendigkeit für das optimale Funktionieren der volkswirtschaftlichen Grundvorgänge Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Erratische Schwankungen im Währungs- oder Devisenmarkt erschweren auf der Ebene der Unternehmen (Mikroebene) innerhalb und außerhalb einer Volkswirtschaft erheblich Kalkulationen mit Sicht auf künftig geplante Käufe und Verkäufe. Erratische Schwankungen einer Währung schwächen die Wirtschaftsleistung der zugehörigen Volkswirtschaft, eine stabile Währung fördert sie. Dies gilt auch für Volkswirtschaften außerhalb des entsprechenden Währungsraumes, sofern sie mit dieser Volkswirtschaft handelnd in Verbindung stehen.
FAZIT: Währungsoptionsmärkte sind für das Wirtschaftsgeschehen im Konzert der verschiedenen Volkswirtschaften überlebenswichtig.
Die heilige Trias
Diese Zusammenhänge bleiben in der Regel für Otto Normalverbraucher genauso verborgen wie die Bedeutung der nicht-demokratisch agierenden Zentralbanken, die mit ihren Zinsentscheidungen tief in das Wirtschaftsleben und somit in das Alltagsgeschehen der Menschen eingreifen. Warenmärkte, Währungsmärkte und Zentralbanken sind in einem fortlaufenden Marktgeschehen untrennbar und maßgeblich untereinander verbunden. Dabei modulieren und moderieren die Zentralbanken über den Zinssatz die Abläufe in Waren- und Währungsmärkten und den zugehörigen Optionsmärkten.
Für Otto Normalverbraucher sind Spekulanten auf diesen Märkten in aller Regel ganz, ganz böse Subjekte, die sich mit ihren Spekulationsgewinnen die Taschen vollstopfen.
Wer sind diese Subjekte auf Währungsoptionsmärkten?
Auf Währungs- und Währungsoptionsmärkten agieren in großer Zahl Staatsstellen, staatliche und private Pensionsfonds, multinationale und andere Unternehmen, Finanzinstitute (Banken u.a.), Hedgefonds u.a.
Otto Normalverbraucher verkennt in aller Regel den Sinn dieser Märkte und die Rolle der Spekulanten dort; denn:
Die Währungsoptionsmärkte zeichnen für das Wohl und Wehe im höchstpersönlichen Alltagsleben des kleinen Mannes auf der Straße verantwortlich, indem sie für relative Währungsstabilität sorgen. Doch Märkte sind keine Subjekte. Somit sind präzise gesprochen nicht „die Märkte“, sondern die Teilnehmer an Währungsoptionsmärkten – also die risikoübernehmenden Spekulanten – für das Wohl und Wehe von Otto Normalverbrauchers alltäglichem Leben verantwortlich.
Daher lässt sich interpretieren: In der Erhaltung der Währungsstabilität liegt der soziale Sinn der Spekulation. Dabei dient der Spekulationsgewinn als Entgelt für die risikobehaftete Sorge um eine stabile Währung.
Es kommt zu einem „paradoxen“ Effekt: die Befriedung der Einzelinteressen der Subjekte, den Spekulanten, trägt vermittels des Marktgeschehens zur Optimierung des Gemeinwohls bei.
Die Umsätze in Devisen- und Währungsoptionsmärkten sind die größten weltweit und erreichen täglich Milliarden bis Billionen von Währungseinheiten. Im Jahr 2022 wurden allein im Devisenmarkt täglich durchschnittliche Umsätze in Höhe von 7,5 Billionen US-Dollar gehandelt. Zu beachten ist, dass dabei immer Währungspaare gehandelt werden und zudem die Umsätze „doppelt“ anfallen: als Verkaufs- und als Kaufpreis in Summe. Das plustert das tägliche Handelsvolumen ordentlich auf.
Was für die Währungsoptionsmärkte gilt, gilt ebenso für die Warenoptionsmärkte: es geht um die Stabilisierung von in großen Mengen gehandelten Waren wie Weizen, Schweinehälften Orangensaft, Kaffee und vieles andere mehr. Die aufgezählten Waren stehen für solche, die für die Bevölkerungen hohe Bedeutung haben.
Wozu Optionsmärkte gut sind
Aber es gibt doch nach wie vor Preissprünge auf den Warenmärkten, von erratischen Ausschlägen an den Devisenmärkten war auch schon die Rede: wie passt das ins Bild?
Ohne die Terminbörsen wären die Ausschläge um einiges stärker, die Preise höher.
Drei Beispiele dazu:
#1 Hitler verbot die große Bremer Kaffeebörse. Daraufhin sicherte sich der Großhandel gegen Preisanstiege bei Kaffee ab, indem er von Haus aus deutlich höhere Preise für den Handel, die Geschäfte, einforderte. Resultat war der berühmt-berüchtigte Blümchenkaffee: die Konsumenten sparten am Kaffee, indem sie möglichst wenig davon zum Aufbrühen verwandten, also sah man durch den dünnen Kaffee das Blümchen am Grund der Kaffeetasse.
# 2 Waren, die nicht abgesichert werden können, weisen größere Preissprünge und höhere Preise auf; bremsend auf den Warenpreis (Aktienpreis, Devisenkurs) wirkt allein die Konkurrenz oder eine schwache Nachfrage oder ein überreichliches Angebot.
# 3 Die erste Warenoptionsbörse wurde 1848 in Chicago gegründet. Hintergrund war der bereits gewachsene Welthandel mit Waren, die großteils noch mit Segelschiffen über die Weltmeere transportiert wurden. Zwar befuhren die ersten Dampfschiffe Ende der 1830er Jahre den Atlantik, doch die eigentliche Verdrängung des Segelschiffs als Transportmittel setzte erst ab den 1870er Jahren ein.
Die Notwendigkeit, sich gegen den Verlust der Waren infolge Schiffuntergangs zu schützen oder sich überhaupt vor unerwarteten Preisveränderungen während der langen Schiffsfuhren abzusichern, führte zur Einrichtung der Chicagoer Warenbörse (Chicago Board of Trade), 1848 zunächst als Kassen- oder Spotmarkt, 1864 dann als Warenterminmarkt. Fortan konnten Käufer und Verkäufer Warenpreise vereinbaren für Warenlieferungen in ein, zwei, drei, sechs Monaten, was die Sicherheit der unternehmerischen Kalkulation erheblich erhöhte, da nun die Preisrisiken nicht von den Warenverkäufern und -käufern selbst, sondern von den Spekulanten übernommen wurden. Es entstand eine hochspezialisierte Zunft von Spekulanten, darunter viele Versicherungen.
Die Spekulanten hatten die Zeit und die Informationsmittel, sich über Warenpreisänderungen am Warenursprungsort und über Transportverzögerungen oder Schiffsunfälle zu informieren. Schlechte Kaffee- oder Kakao-Ernten, transportverzögernde Windflauten oder Schiffsunglücke blieben für sie kein Geheimnis, entsprechend diesen Informationen disponierten sie am Warenterminmarkt ihre Preisvorstellungen, doch in der Vergangenheit geschlossene Warenpreise für eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Termin blieben davon unberührt.