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FAZIT DES TAGES – oder: Nachrichten aus dem irrwitzigen Weltzirkus
- Israel-Hamas-Hisbollah-Krieg: IAEA sieht Iran befähigt, weiter Uran anzureichern. Israel tötet ranghohen Hamas-Kommandeur. Huthis beshießen Israel erneut. Unzumutbare Zustände in Gaza, Lebensmittelausgabestellen als Todesfallen (BERICHT). Israel vor neuen Abkommen mit arabischen Staaten? (KOMMENTAR)
- Ukraine-Krieg: weitere ukrainische Nadelstiche. Russland fährt Bomber-Produktion hoch.
Krieg der Narrationen und das Zwei-plus-Vier-Abkommen 1990/1991 – Wiederholung mit Korrekturen und Ergänungen (ANALYSE) – COMMENT - USA: Oberster Gerichtshof stellt Persilschein für Trumps Entscheidungen aus.
- IRAN: Schah Reza Pahlevi-Sohn träumt von Rückkehr an die Macht im Iran.
Leere Moscheen – Iran wurde zum säkularsten Staat. Religionsdrill der Mullas hat bei der Bevölkerung nicht verfangen. - EU: Mangelnde Einigkeit beim Gipfel (KOMMENTAR & LESERSTIMME)
- UNGARN: Budapest gegen Orban: Pride Parade mit großem Zulauf abgehalten, EU-Parlamentarier laufen mit.
- SERBIEN: Massive Studentenproteste gegen Vucic.
- ÖSTERREICH: 2026 mit besseren Wirtschaftsaussichten für Österreich, so das Wifo.
Chinesische Online-Shops mit Österreich-Feeling erweisen sich als Betrug.
Auslieferungsanträge der Ukraine nur in einem Fall stattgegeben.
Google entfernte Skigebiet-Markierungen auf Google Maps. Nun gibt’s Ausweichlösungen für die Touristik. - Weitere COMMENTS vorhanden
MÄRKTE – US-Unternehmen mit glänzenden Aussichten auf wachsende Profite
Themenreigen – MEDIZIN: Alltag beeinflusst den Schlaf. Überzuckerte Milchprodukte.
Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
Apropos Weltzirkus: Zirkus ist was für Kinder und Junggebliebene, Staunen und Lachen über die Clowns! Im Weltzirkus tummeln sich viele Zauberkünstler und Clowns. Lachen wir also, Lachen ist die beste Medizin gegen Depressionen.
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MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
COMMENT: na also, da ist er ja wieder, der Kletterdax …
Zollhoffnungen als Steigbügelhalter für gewinnhungrige Seelen. Wann ist nur der Ukraine-Krieg aus? Dann geht’s aber ran mit dem Scheffeln von Geld.
Die wundervolle Welt der US-Profite – Der Chart des Tages, 26.6.2025
Trotz aller Unkenrufe könnte im US-Aktienmarkt die Gewinnmarge auf ein neues Rekordhoch steigen.
Die kotierten Gesellschaften in den USA rennen dem Rest der Welt bei der Profitabilität weiterhin weit voraus. Der obige Chart zeigt die durchschnittliche Gewinnmarge in verschiedenen globalen Aktienmärkten. Diese Zahl bezieht sich auf die von Analysten erwarteten Umsätze und Gewinne der Unternehmen in den jeweiligen MSCI-Indizes. Die Zahlen werden wöchentlich von Yardeni Research berechnet.
Für die USA implizieren die Analystenprognosen eine Gewinnspanne von 13,6% (rote Linie). Seit der globalen Finanzkrise hat sich der Vorsprung der US-Titel gegenüber den anderen Märkten immer weiter erhöht. Die Margen ausserhalb der USA – insbesondere in den Schwellenländern (grüne Linie) – steigen wieder. Doch ist von einem Ende des «Exzeptionalismus» – der aussergewöhnlichen Stellung des amerikanischen Markts – noch nichts zu erkennen. Ausserhalb der USA liegt die mittlere erwartete Marge unter 10%.
Dabei wird schon seit Jahren die Nachhaltigkeit der hohen Gewinnspannen der US-Unternehmen in Zweifel gezogen. Doch die Unkenrufe lagen falsch. So hat der Siegeszug des margenträchtigen Technologiesektors ein Ende des Aufwärtstrends bisher verhindert. Ob und wie lange diese wundervolle Profitabilität anhält, bleibt eine entscheidende Frage.
Weitere Charts des Tages finden Sie hier.»
ZEITGESCHEHEN – ZEITDIAGNOSEN
Bodenversiegelung in Österreich, Bevölkerungswachstum und Verkehrslösungen – Pragmaticus
mit Blick auf Bodenversiegelung in Österreich, Bevölkerungswachstum und Verkehrslösungen
GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN
findet sich am Ende des Tagesblicks
HELLMEYER (Märkte u.a.m.)
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ISRAEL-IRAN-HAMAS-HISBOLLAH-KRIEG
29.06.2025 07:09
IAEA-Chef Grossi ist besorgt „Iran könnte schon in einigen Monaten wieder Uran anreichern“
Wie wirkungsvoll waren die israelischen und die US-amerikanischen Angriffe auf die Atominfrastruktur des Iran? US-Präsident Trump sagt, sehr wirkungsvoll. Doch IAEA-Chef Grossi ist davon nicht überzeugt.
28.06.2025 08:47
Generäle und Atomexperten Iran begeht „historische“ Trauerfeier nach Krieg mit Israel
Bei den israelischen Angriffen auf den Iran werden Dutzende Generäle getötet. Drei von ihnen hatten nicht nur militärisch, sondern auch politisch und ideologisch einen enormen Einfluss im Land.
WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN
Grossi: Der Iran könnte schon bald wieder Uran anreichern – ORF, 29.6.2025
Nach den Angriffen der israelischen und der US-Armee auf den Iran könnte die Islamische Republik nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bereits in einigen Monaten wieder mit der Anreicherung von Uran beginnen. Das iranische Atomprogramm sei nicht völlig zerstört worden, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi laut einem am Samstag veröffentlichten Transkript am Freitag in einem Interview mit dem US-Sender CBS.
Die Iraner könnten „binnen Monaten“ oder sogar „weniger“ wieder mit einigen Kaskaden von Zentrifugen Uran anreichern, sagte Grossi. Abgesehen davon sei unbekannt, was nach den Bombardements aus den schätzungsweise gut 408 Kilogramm Uran geworden sei, die der Iran bereits auf einen hohen Grad von 60 Prozent angereichert hatte. „Wir wissen nicht, wo dieses Material sein könnte“, räumte der IAEA-Chef ein. Weiter angereichert auf 90 Prozent würde dieses Uran für mindestens neun Atombomben reichen.
Ein Teil davon sei womöglich bei den Angriffen zerstört worden, „aber etwas davon könnte fortgebracht worden sein“, sagte Grossi in dem CBS-Interview, das am Sonntag vollständig ausgestrahlt werden soll. Der Verbleib des atomaren Materials müsse noch geklärt werden.
Das iranische Parlament hat dafür gestimmt, die Zusammenarbeit mit der IAEA auszusetzen. Teherans Ansinnen, IAEA-Inspektoren zu den bei den Angriffen beschädigten iranischen Atomanlagen zu schicken, wurde abgelehnt.
Israel hatte am 13. Juni einen Großangriff auf den Iran gestartet und dies mit dem fortgeschrittenen iranischen Atom- und Raketenprogramm begründet. Der Iran überzog Israel seinerseits mit massiven Angriffswellen.
Die USA griffen schließlich vor einer Woche in den Krieg zwischen Israel und dem Iran ein und bombardierten die iranischen Atomanlagen Fordo, Natans und Isfahan. Am Dienstag trat nach zwölf Tagen Krieg eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran in Kraft.
Nach den Angriffen ist umstritten, wie schwer das iranische Atomprogramm getroffen wurde. US-Medien hatten unter Berufung auf einen vorläufigen Geheimdienst-Bericht berichtet, die Angriffe hätten das iranische Atomprogramm nur um einige Monate zurückgeworfen und die iranischen Zentrifugen sowie die Vorräte an angereichertem Uran seien nicht vollständig zerstört. US-Präsident Donald Trump wies die Berichte als Fake News zurück. Nach seiner Darstellung wurde das iranische Atomprogramm um „Jahrzehnte“ zurückgeworfen.
Am Wochenende bekräftigte er seine Einschätzung, dass der Iran seine Uranvorräte vor den Angriffen auf die Atomanlagen nicht fortgebracht habe. „Das ist sehr schwierig, außerdem haben wir kaum Vorwarnung gegeben“, sagte Trump laut vorab veröffentlichten Auszügen in einem Interview für die Fox-News-Sendung „Sunday Morning Futures“. „Sie haben überhaupt nichts weggebracht.“
US-Außenminister Marco Rubio sprach sich am Samstag für einen Besuch von IAEA-Inspektoren im Iran aus. Die USA unterstützten eine Überprüfung und Überwachung des iranischen Atomprogramms durch die IAEA, erklärte Rubio im Onlinedienst X und lobte Grossi und seine Organisation für „ihren Einsatz und ihre Professionalität“.
Israels Armee: Ranghoher Hamas-Kommandeur getötet – ORF, 28.6.2025
Bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen ist nach Angaben der Armee von gestern ein hochrangiger Kommandeur der islamistischen Hamas getötet worden. Wie das Militär weiter mitteilte, galt Hakem al-Issa als einer der Gründer der Hamas. Er sei vor allem im militärischen Flügel der Terrororganisation tätig gewesen. Er soll zudem eine wichtige Rolle bei der Planung und Durchführung des Massakers in Israel am 7. Oktober 2023 gespielt haben.
Issa war nach Armeeangaben einer der letzten hochrangigen Kommandeure der Hamas im Gazastreifen. Zuletzt fungierte er demzufolge als Chef einer wichtigen Einheit der Terrororganisation und arbeitete am strukturellen Wiederaufbau der Hamas nach rund eineinhalb Jahren Gaza-Krieg.
Hamas-Zivilschutz: 37 Tote bei israelischen Angriffen
Unterdessen sind bei israelischen Angriffen nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes gestern 37 Menschen getötet worden, unter ihnen mindestens neun Kinder, wie es hieß.
Aufgrund der Einschränkungen für Medien in dem Palästinensergebiet lassen sich die Angaben nicht unabhängig überprüfen.
Zivilschutzsprecher Mahmud Bassal erklärte, Israel habe insgesamt sieben Angriffe mit Kampfflugzeugen und Drohnen auf verschiedene Orte im Gazastreifen geflogen und dabei 35 Menschen getötet. Zwei weitere Menschen wurden demzufolge getötet, als sie am Nezarim-Korridor im Zentrum des Palästinensergebiets auf die Verteilung von Hilfsgütern warteten.
red, ORF.at/Agenturen
Huthis melden neuen Raketenangriff auf Israel – ORF, 28.6.2025
Die Huthi-Miliz im Jemen hat nach eigenen Angaben erneut eine Rakete Richtung Israel abgefeuert. Eine ballistische Rakete sei auf ein „empfindliches feindliches israelisches Ziel im besetzten Gebiet von Beer Scheva“ im Süden Israels abgeschossen worden, erklärte Huthi-Militärsprecher Jahja Sari gestern. In Israel gab es in mehreren Gegenden Luftalarm, bevor die Armee erklärte, dass die Rakete „höchstwahrscheinlich erfolgreich abgefangen“ worden sei.
Die Attacke sei eine „Antwort auf Verbrechen des zionistischen Feindes gegen Zivilisten im Gazastreifen“, erklärte Sari. Die Huthis würden ihre „Unterstützungsmaßnahmen“ fortsetzen, „bis die Aggression gegen Gaza aufhört und die Besatzung aufgehoben wird“.
Die islamistische Miliz hat Israel seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 immer wieder mit Raketen und Drohnen angegriffen – nach eigenen Angaben aus „Solidarität“ mit den Palästinensern. Die meisten Geschoße werden von der israelischen Luftabwehr zerstört. Anfang Mai war auf dem Gelände des Ben-Gurion-Flughafens aber eine Rakete in der Nähe eines Terminalgebäudes eingeschlagen, es gab mehrere Verletzte.
Die Huthis kontrollieren einen Großteil des Jemen, darunter auch die Hauptstadt Sanaa. Sie gehören neben der Hisbollah im Libanon und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen zu der vom Iran angeführten und gegen Israel und die USA gerichteten „Achse des Widerstands“. Deren erklärtes Ziel ist die Vernichtung Israels.
Israel greift Ziele im Libanon an
Unterdessen griffen die israelischen Luftstreitkräfte nach eigenen Angaben Ziele der Hisbollah im Libanon an. Bei einem Angriff in der Nähe von Kunin im Süden des Landes sei ein Terrorist der vom Iran unterstützten Miliz getötet worden, teilte das Militär mit. Der Mann sei für die Koordinierung der Panzerabwehrraketen der Hisbollah zuständig gewesen und habe während des Krieges Angriffe mit Panzerabwehrraketen auf israelisches Gebiet geleitet.
Das Gesundheitsministerium in Beirut bestätigte den Toten in Kunin und meldete außerdem zwei Tote sowie Verletzte nach einem israelischen Drohnenangriff in der Gemeinde Mahruna in der Nähe der Stadt Tyros im Süden des Landes. Von Israels Militär gab es dazu zunächst keine Angaben.
red, ORF.at/Agenturen
Herzzerreißende Szenen in Gaza: 62 Tote und kein Ende des Leids – Euronews, 28.6.2025
Copyright Jehad Alshrafi/Copyright 2025 The AP. All rights reserved. Von Euronews mit AP
Erneut sind im Gazastreifen zahlreiche Menschen getötet worden – auch beim Beschuss einer Schule. Weiterhin versuchen Familien verzweifelt, Lebensmittel zu bekommen.
Laut palästinensischem Gesundheitspersonal sind bei israelischen Angriffen zwischen Freitag und Samstag im gesamten Gazastreifen mindestens 62 Palästinenser und Palästinenserinnen getötet worden.
Unter anderem wurden zwölf Menschen in der Nähe des Palästina-Stadions in Gaza-Stadt getötet. Dort sind Vertriebene untergebracht.
Nach Angaben des Shifa-Krankenhauses im Norden des Gazastreifens sind acht Menschen nach dem israelischen Beschuss einer Schule im Flüchtlingslager Jabaliya vollständig verbrannt.
Auch das Nasser Krankenhaus wurde palästinensischen Berichten zufolge von Israel beschossen.
Während einige Menschen aus Angst vor weiteren Angriffen flüchteten, trauerten andere um ihre toten Angehörigen.
Weiterhin gibt es im Internet herzzerreißende Szenen, in denen Kinder und Erwachsene verzweifelt auf der Suche nach Lebensmitteln sind. Israel hatte die von der UN organisierten Hilfslieferungen vor Wochen gestoppt. Erst an diesem Freitag wurden wieder einige Säcke Mehl im abgeriegelten Gazastreifen verteilt.
Die von Israel organisierten Hilfslieferungen endeten häufig im Chaos.
Unabhängige Berichte aus dem Konfliktgebiet sind selten. Internationale Journalisten lässt Israel seit Beginn des Krieges am 7. Oktober 2023 nicht in den Gazastreifen. Viele palästinensische Reporter wurden getötet.
Hat Israel auf Menschen geschossen, die für Lebensmittel anstanden?
Das israelische Militär hat einen neuen Bericht dementiert, wonach Soldaten den Befehl erhalten haben sollen, auf unbewaffnete Palästinenser zu schießen, die in Gaza auf Hilfe warten.
Nach mehreren Fällen, in denen Palästinenser auf dem Weg zu von den USA und Israel unterstützten Lebensmittelhilfsstellen erschossen und verwundet wurden, erklärte das israelische Militär, es untersuche die Vorfälle.
Unterdessen erklärte US-Präsident Donald Trump am Freitag im Oval Office, dass es innerhalb der nächsten Woche ein Waffenstillstandsabkommen geben könnte.
Wie aus gut informierten Kreisen verlautet, wird Israels Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, nächste Woche zu Gesprächen über den Waffenstillstand im Gazastreifen, den Iran und andere Themen nach Washington reisen.
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BERICHT: «Es sind Todesfallen», sagen Palästinenser über die neuen Hilfszentren. Stimmen aus dem Gazastreifen – Rewert Hoffer (Malak Tantesh, Gaza), NZZ, 28.06.2025
Hunderte Zivilisten wurden laut der Uno in der Nähe der neuen Verteilzentren im Gazastreifen getötet. Während die Preise für Nahrungsmittel immer weiter steigen, hat Israels Regierung am Donnerstag erneut einen teilweisen Stopp der Hilfslieferungen beschlossen.
Es war etwa 6 Uhr abends am 16. Juni, als sich Alaa al-Sawalhi von Khan Yunis auf den Weg nach Rafah machte. Sein Ziel: eines der Verteilzentren der Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Der 48-Jährige ging eine Stunde zu Fuss und wartete neben Tausenden anderen Hilfesuchenden die ganze Nacht darauf, eines der begehrten Nahrungsmittelpakete zu ergattern. «Die Verteilung sollte am folgenden Tag um 10 Uhr morgens beginnen», erzählt der Mann am Telefon. «Aber um 10 Uhr 15 wurden wir angegriffen.»
Sawalhi berichtet von Artilleriefeuer und Raketeneinschlägen, ein Splitter landete in seinem Nacken, er erlitt einen Kieferbruch. «Als ich verletzt wurde, bin ich kollabiert.» Der Familienvater wurde zunächst auf einem Esel und dann auf einem Tuk-Tuk zum Nasser-Spital nach Khan Yunis transportiert – so erzählen es ihm seine Retter später. «Wenn sich mein Gesundheitszustand in den nächsten zwanzig Tagen nicht verbessert, werde ich nicht mehr sprechen können.» Sawalhi hat seit fünf Tagen wegen der starken Schmerzen kaum geschlafen, Medikamente hat er nicht. «Mein Kiefer wird blockiert sein.»
Der Mann, der mit seiner Frau und den vier Kindern in einer Schule in Khan Yunis untergekommen ist, bereut es, zu einem der neuen Verteilzentren im Süden des Gazastreifens gegangen zu sein. «Selbst wenn sie jetzt vor dem Schultor Hilfsgüter verteilen und uns sagen würden, wir sollen uns für einen Sack Mehl anstellen, würde ich nicht hingehen.»
Israels gescheiterter Hilfsplan
Seit rund einem Monat verteilt die undurchsichtige Gaza Humanitarian Foundation einen Grossteil der Hilfsgüter in vier Verteilzentren im Küstenstreifen. Gemäss Berichten der «New York Times» und von «Haaretz» soll die Gründung der amerikanischen Stiftung vor allem auf eine Gruppe aus dem Umfeld von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zurückgehen. Nach eigenen Angaben hat die GHF bereits über 800 000 Nahrungsmittelpakete ausgegeben. Doch oft verläuft die Verteilung blutig. Über 410 Menschen wurden laut der Uno in der Nähe der Verteilzentren getötet. Mindestens 3000 Palästinenser sollen verwundet worden sein. So wie Alaa al-Sawalhi.
Obwohl Hilfe über die GHF-Zentren kommt, bleibt die Not im Gazastreifen gross. Abdel Kareem Hana / AP
Eigentlich sollte mit dem neuen Verteilungsmechanismus sichergestellt werden, dass Hilfsgüter nicht in die Hände der Hamas fallen. Nur registrierte Personen würden Nahrungsmittel erhalten, hiess es vor der Eröffnung der Zentren. Doch Videos und Berichte zeugen von absolutem Chaos: Menschenmassen stürmen die Verteilstellen und reissen an sich, was sie tragen können.
Dafür hagelt es harsche Kritik – auch von israelischer Seite. «Nur ein Bruchteil der Menschen in Gaza erhält Hilfslieferungen durch die GHF-Zentren, und hinzu kommt, dass keinerlei Registrierung stattfindet», sagt Michael Milshtein im Gespräch. «Das bedeutet, dass natürlich auch Hamas-Mitglieder dorthin kommen und sich nehmen, was sie wollen», meint der ehemalige Leiter der Palästinenser-Abteilung des israelischen Militärgeheimdiensts. Milshtein sieht keinerlei Anzeichen dafür, dass die Hamas durch den neuen Mechanismus geschwächt wurde.
Jack Latour befindet sich derzeit in einer Klinik im Süden des Gazastreifens. Die kanadische Krankenpflegerin von Ärzte ohne Grenzen berichtet, dass sich seit der Eröffnung der GHF-Zentren eine furchtbare Routine eingestellt habe: «Ungefähr eine Stunde nachdem die Verteilungszentren geöffnet worden sind, erleben wir einen plötzlichen Zustrom von verwundeten Patienten», sagt Latour in einer Sprachnachricht am Freitag. Viele der Verletzten seien angeschossen worden. «Zunehmend registrieren wir auch Stichwunden, die Menschen im Kampf um die knappen Ressourcen zugefügt wurden.» Diejenigen, die es schafften, Nahrungsmittel zu ergattern, würden seit dieser Woche häufiger attackiert.
Am Donnerstag beschloss Israels Regierung, alle Hilfslieferungen von Organisationen ausser der GHF nach Gaza einzustellen. Zuvor waren Aufnahmen aus dem Gazastreifen aufgetaucht, die bewaffnete Männer auf Lastwagen mit Hilfsgütern zeigen. Israels Finanzminister Bezalel Smotrich drohte aufgrund des Videos mit dem Regierungsaustritt, falls keine Massnahmen ergriffen würden, um zu verhindern, dass Nahrungsmittel in die Hände der Hamas fielen.
Olga Cherevko kritisiert diesen Schritt scharf. «Die Hilfsgüter tröpfeln sowieso nur herein», sagt die Sprecherin des Uno-Nothilfebüros (Ocha) im Gazastreifen am Freitag in einer Sprachnachricht. Die Ocha-Sprecherin bestätigt, dass es in den vergangenen Tagen zu Plünderungen von Hilfskonvois durch bewaffnete Personen kam. Das sei natürlich inakzeptabel. «Es gibt aber auch noch ein anderes Phänomen: Da die Menschen im Gazastreifen seit Monaten ausgehungert werden, kommen viele Zivilisten verzweifelt heraus und holen sich die Vorräte direkt von den Lastwagen, wenn diese in den Gazastreifen einfahren.» Nur indem mehr Hilfsgüter hineinkommen, könnten Plünderungen vermieden werden.
«Der Sack Mehl wird mit Blut bezahlt»
So ähnlich sieht es auch Baha al-Hilu, ein Lebensmittelhändler aus der Stadt Gaza. Preise für manche Güter wie etwa getrocknete Erbsen hätten sich im Vergleich zur Vorkriegszeit mehr als verzehnfacht. «Nichts ist ausreichend vorhanden», sagt der 48-Jährige, als er am Donnerstag in seinem kleinen Laden steht. «Wenn die Grenzübergänge nur einen Tag geschlossen sind, verschwinden alle Waren vom Markt. Wenn sie geöffnet werden, füllen sich die Geschäfte wieder.»
Baha al-Hilu steht in seinem Laden in der Stadt Gaza – manche Preise haben sich im Vergleich zu Vorkriegszeiten verzehnfacht.
Seham Tantesh
Die Zutaten für ein Kilo des simplen Reis- und Linsengerichts Mujadra kosteten jetzt umgerechnet rund 25 Franken, vor dem Krieg seien sie fast umsonst gewesen. «Die Preise bleiben hoch, selbst wenn Hilfslieferungen ankommen», sagt der achtfache Familienvater. «Die Situation wird sich nicht verbessern, bis die Hilfe jede Familie in Gaza erreicht.»
Die Güter von den GHF-Verteilzentren landeten häufig zu sehr hohen Preisen auf dem Markt. «Die amerikanischen Verteilstellen sind buchstäblich Todesfallen», sagt der Händler. «Der Sack Mehl oder die Dosen, die man dort erhält, werden mit dem Leben und Blut eines anderen Menschen bezahlt.»
Die israelischen Streitkräfte (IDF), die die Umgebung der Verteilzentren bewachen, überprüften derzeit Berichte über tödliche Zusammenstösse bei den vor einem Monat eingerichteten GHF-Zentren. «Im Rahmen ihrer operativen Tätigkeit entlang der Hauptzugangswege zu den Verteilungszentren führen die IDF systematische Lernprozesse durch, die darauf abzielen, die operative Reaktion in dem Gebiet zu verbessern und Friktionen zwischen der Bevölkerung und den IDF so weit wie möglich zu minimieren», heisst es von der Armee. Das israelische Militär habe unter anderem neue Zäune errichtet, zusätzliche Wege geöffnet und Schilder aufgestellt, um das Gebiet um die Hilfszentren zu «reorganisieren».
Gemäss einer «Haaretz»-Recherche sollen israelische Soldaten mehrmals tödliche Schüsse in die wartenden Mengen abgegeben haben. Laut Soldaten und Offizieren, die mit der israelischen Zeitung gesprochen haben, hätten ihre Kommandanten ihnen befohlen, das Feuer zu eröffnen, um die Menge auseinanderzutreiben – obwohl von den Palästinensern keine unmittelbare Gefahr ausgegangen sei.
Nur die Hoffnung auf eine Waffenruhe bleibt
Ammar al-Basyuni meidet die GHF-Verteilzentren. Vor dem Krieg hat der 53-Jährige als Taxifahrer gearbeitet. Sein Auto wurde bei einem Angriff zerstört. Seine sechs Kinder könne er wegen der hohen Preise kaum noch ernähren. «Manchmal vergehen Tage, in denen wir überhaupt nichts essen.» Einmal ging er zu einem der Verteilungszentren, dort habe er mit eigenen Augen gesehen, wie Menschen getötet worden seien. «Ich werde mein Leben nicht für einen Sack Mehl riskieren.» Basyuni habe eine Schulterverletzung und könne sich deswegen nicht durch die Menge quetschen. «Ich werde nie wieder dorthin zurückgehen.»
Ammar al-Basyuni geht nicht mehr zu den GHF-Verteilzentren – obwohl seine Familie an manchen Tagen gar kein Essen hat. Seham Tantesh
Die einzige Hoffnung, die Basyuni noch hat: eine mögliche Waffenruhe. «Vor allem seit der Krieg zwischen Iran und Israel geendet hat, hoffe ich, dass dies vielleicht auch unseren Krieg zu einem Ende bringt», sagt der ehemalige Taxifahrer. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Die gesamten Vorräte der Familie seien aufgebraucht.
KOMMENTAR: Grosse Erwartungen: Bricht im Nahen Osten jetzt der Frieden aus? – Daniel Böhm (Beirut), 28.06.2025
Nach dem Ende des Krieges gegen Iran hofft Israel auf eine Ausweitung der Abraham-Abkommen mit den arabischen Staaten. Der Zeitpunkt dafür wäre günstig. Doch es gibt grosse Hürden.
Vor ein paar Tagen gab Benjamin Netanyahu noch den Krieger und schwor seine Landsleute auf einen langen Kampf ein. Doch kaum hat der von ihm begonnene Krieg gegen den Erzfeind Iran mit einem überraschenden Waffenstillstand geendet, schlägt Israels Regierungschef mit einem Mal versöhnliche Töne an. Nun sei die Zeit für Frieden gekommen, sagte er am Donnerstagabend: «Dieser Sieg ist eine Gelegenheit für die Ausweitung der Friedensverträge. Kein einziger Tag darf verschwendet werden.»
Was damit gemeint war, konnten die Bewohner von Tel Aviv sehen, als sie nach fast zwei Wochen Luftkrieg aus ihren Bunkern stiegen: Überall in der Stadt hingen plötzlich riesige Plakate, die für eine Ausweitung der Abraham-Abkommen warben – jene Normalisierungsverträge, die Israel 2020 mit mehreren arabischen Staaten geschlossen hatte. «Es ist Zeit für einen neuen Nahen Osten», steht auf den Postern, die offenbar eine Gruppe israelischer Geschäftsleute aufgehängt hatte.
Die Gelegenheit ist günstig
Mehrere israelische Medien sprangen auf diesen Zug auf. Netanyahu und Trump hätten sich auf einen grossen Friedensplan für den Nahen Osten geeinigt, schrieb etwa «Israel Hayom», das einstige Leibblatt der Regierungschefs, am Donnerstag. Am Freitag legte dann die Zeitung «Maariv» mit der angeblichen Sensationsmeldung nach, ein Abkommen mit Syrien stehe kurz vor der Unterzeichnung. Fast schien es, als breche der Frieden genauso schnell aus wie zuvor der Krieg.
Tatsächlich ist die Gelegenheit günstig. Nie war Israel so stark wie jetzt. Die bedrohlichen Milizen, die Iran einst wie einen Ring aus Feuer um den jüdischen Staat gelegt hat, sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Der Hizbullah in Libanon leckt bis heute seine Wunden, die ihm Israels Luftwaffe im letzten Herbst zugefügt hat. Das Asad-Regime in Syrien ist Geschichte. Und Iran – dessen Atomprogramm Netanyahus Feldzug zwar möglicherweise überlebt hat – ist so geschwächt, dass es in der Region an Einfluss verloren hat
Jerusalem will die Gunst der Stunde offenbar nutzen. Erstes Ziel von Netanyahus Planern ist Damaskus, wo der Ex-Rebellenführer Ahmed al-Sharaa auf Geld aus dem Ausland angewiesen ist, um sein kaputtes Land wieder aufzubauen. Man habe mit den Syrern in letzter Zeit direkt verhandelt, sagte einer von Netanyahus Beratern am Freitag. Ob Sharaa aber bereit wäre, für einen Frieden auf die von Israel besetzten und annektierten Golanhöhen zu verzichten, ist zweifelhaft. Schon jetzt muss er sich radikaler Gruppen erwehren, die ihn für zu moderat halten.
Saudiarabien stellt Bedingungen
Im benachbarten Libanon ist die Lage noch komplizierter. Zwar herrscht dort seit der Demontage des mit Iran verbündeten Hizbullah eine prowestliche Regierung – und zum ersten Mal wird offen über eine mögliche Normalisierung der Beziehung zu Israel diskutiert. Einen israelischen Diktatfrieden werden die Libanesen aber kaum akzeptieren. Zumal Israels Armee trotz Waffenstillstand immer noch Truppen in Südlibanon stationiert hat und nach Gutdünken Angriffe auf angebliche Hizbullah-Stellungen fliegt. Die Miliz wiederum weigert sich, ihre Waffen abzugeben.
Die Zukunft des Nahen Ostens wird allerdings weder in Beirut noch in Damaskus entschieden, sondern in Saudiarabien. Dort will der mächtige Kronprinz Mohammed bin Salman sein Erdöl-Königreich zu einer Weltmacht formen. Dafür ist er auch bereit, mit Israel Frieden zu schliessen. Doch die längst angestrebte Normalisierung der Beziehungen wurde von Riad infolge des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 und wegen Israels brutalem Krieg in Gaza erst einmal auf die lange Bank geschoben.
Inzwischen fordert bin Salman als Gegenleistung für die Freundschaft mit Jerusalem einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967. Aber das will und kann Netanyahu kaum liefern. Denn auch wenn seine ultrarechten Koalitionspartner einen Gratisfrieden mit den Saudi oder den Syrern begrüssen würden – ein Palästinenserstaat ist für sie ein absolutes Tabu. Stattdessen wollen Politiker wie der Finanzminister Bezalel Smotrich am liebsten den Gazastreifen wieder besiedeln und von dort die Palästinenser vertreiben.
Offenbar keine Zweistaatenlösung
Am Freitag verkündete Smotrich, ein Friedensschluss komme nur mit jenen Ländern infrage, die keinen Palästinenserstaat unterstützten. Welche genau er damit meinte, bleibt unklar. Selbst Staaten wie Ägypten oder Jordanien, die ihre Beziehungen zu Israel normalisiert haben und denen die Palästinenser mit ihren untereinander zerstrittenen Milizen ein Graus sind, verlangen zumindest in Lippenbekenntnissen die Schaffung eines palästinensischen Staates.
Dem erteilte Netanyahu bereits eine Absage. Meldungen, wonach er und Donald Trump sich offenbar auf einen grossen Friedensplan geeinigt hätten, der neben einem Ende des Gaza-Krieges auch ein Bekenntnis zu einer Zweistaatenlösung enthalte, seien falsch, liess er ausrichten. Sollte das stimmen, dann droht der vielbeschworene neue Nahe Osten einmal mehr genau das zu bleiben, was er immer war: ein frommer Wunsch, aufgedruckt auf Plakaten.
URAINE-KRIEG im n-tv Liveticker
Detaillierte Meldungsübersicht. Daraus eine Auswahl:
+++ 07:59 Polen aktiviert Luftabwehr nach russischen Angriffen nahe Grenze +++
ie polnischen Streitkräfte haben ihre Luftverteidigung in der Nacht an der Grenze zur Ukraine aktiviert. Als Reaktion auf die Angriffe im Westen der Ukraine – das dort an Polen grenzt – seien Kampfjets zusammengezogen und die Luftverteidigung vom Boden aus aktiviert worden.
+++ 07:27 BSW will gegen „Aufrüstungswahn“ mobilisieren +++
Das Bündnis Sahra Wagenknecht will gegen die erhöhten Militärausgaben mobilisieren und setzt dabei auch auf Gleichgesinnte in der SPD. „Das BSW kämpft dafür, dass der Aufrüstungswahn gestoppt wird und Deutschland sich wie Spanien den 5-Prozent-Verpflichtungen der Nato verweigert“, heißt es in einem Sechs-Punkte-Papier des Präsidiums für eine BSW-Klausurtagung in Berlin. Im außenpolitischen Teil des Sechs-Punkte-Papiers wirft die BSW-Spitze der deutschen Außenpolitik vor, „blind den geopolitischen Interessen der USA“ zu folgen. Benötigt werde eine „Politik auf Augenhöhe – auch mit Russland“. Statt eines „unverantwortlichen Rüstungswahns und zunehmender Konfrontation“ fordere man Bemühungen um neue Rüstungskontrollverträge, vertrauensbildende Maßnahmen und eine neue europäische Sicherheitsarchitektur, die im Interesse von Stabilität und Frieden auch Russland einbeziehen müsse, heißt es in dem Papier.
+++ 06:49 Russland versucht erneut, LNG zu exportieren +++
Laut einem Bericht von Bloomberg versucht Russland erneut, Flüssiggas (LNG) zu exportieren. Dem Bericht zufolge hat zum ersten Mal seit Oktober ein LNG-Schiff an der Anlage Arctic LNG 2 angedockt. Arctic LNG 2 war als Russlands größte LNG-Anlage geplant und sollte fast 20 Millionen Tonnen LNG pro Jahr produzieren. Das US-Außenministerium belegte das Projekt im Jahr 2024 mit Sanktionen, was die Produktion unterbrach. Nun haben sich 13 Schiffe der russischen Schattenflotte versammelt, um mutmaßlich an der LNG-Anlage anzudocken.
+++ 06:10 Wadephul: Russland bedroht direkt auch unser Leben in Deutschland +++
Bundesaußenminister Johann Wadephul warnt davor, die Gefahr für Deutschland durch Russland zu unterschätzen. „Russland bedroht direkt auch unser Leben in Frieden und Freiheit in Deutschland“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei und bleibe die größte Bedrohung der Sicherheit in Europa und wichtigstes Thema der deutschen Außenpolitik.
Nato-Talk bei Illner Wadephul: „Wir können uns auf Trump verlassen“
+++ 05:10 Russland greift in der gesamten Ukraine an +++
Russland hat die Ukraine in der Nacht weit hinter den Frontlinien aus der Luft angegriffen. Neben Drohnen waren auch Langstreckenbomber im Einsatz. Aus mehreren Landesteilen werden Explosionen und Einschläge gemeldet, unter anderem aus Mikolajiw im Süden der Ukraine und Lwiw im Westen. Behörden dort berichten von Schäden an kritischer Infrastruktur, Verletzte soll es nicht geben. Das Einsatzkommando der polnischen Streitkräfte erklärt, es habe als Reaktion auf die russischen Luftangriffe in der Westukraine Kampfjets zusammengezogen und bodengestützte Luftverteidigungseinheiten aktiviert.
+++ 03:20 „Sinnloser Krieg“: Papst spricht Ukraine Mut zu +++
en Krieges nicht den Glauben zu verlieren. „Glauben heißt nicht, schon alle Antworten zu haben, sondern darauf zu vertrauen, dass Gott bei uns ist und uns seine Gnade schenkt“, schreibt der Pontifex auf X. Er fühle sich allen leidenden Menschen in der Ukraine nahe – besonders den Familien, die um ihre Angehörigen trauern, sowie den Gefangenen und Opfern des „sinnlosen Krieges“. Präsident Wolodymyr Selenskyj bedankt sich für die Worte, das Mitgefühl und die Gebete des Papstes. Gemeinsam müsse man die „willkürliche russische Aggression“ stoppen, so Selenskyj – und ruft den Vatikan zur Hilfe bei der Freilassung ukrainischer Kriegsgefangener auf.
+++ 01:03 Russische Drohnen ziehen Richtung Westukraine – Raketenangriffe erwartet +++
Die ukrainische Luftwaffe warnt im Großteil des Landes vor russischen Drohnenangriffen. In der Hauptstadt Kiew ist die Flugabwehr zu hören. Auch aus den östlicher gelegenen Großstädten Charkiw und Dnipro werden Explosionen gemeldet. Der Großteil der russischen Kampfdrohnen soll Militärbeobachtern nach allerdings in Richtung Westen geflogen sein. Für die Nacht werden auch russische Raketenangriffe von strategischen Bombern und von Kriegsschiffen erwartet.
+++ 23:50 Russische Kulturministerin lobt Zusammenarbeit mit Nordkorea +++
Russland und Nordkorea kommen sich nicht nur militärisch näher, sondern auch kulturell: Mit einer 125-köpfigen Delegation von Künstlern ist die russische Kulturministerin Olga Ljubimowa nach Nordkorea gereist. Dort hebt sie die „beispiellose“ kulturelle Zusammenarbeit zwischen Moskau und Pjöngjang hervor. Dank der Vereinbarungen zwischen dem russischen Präsidenten Putin und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un habe „die Zusammenarbeit im kulturellen Bereich zwischen unseren Ländern einen noch nie dagewesenen Stand erreicht“, schreibt Ljubimowa auf Telegram. Kim und Putin hatten nach dem russischen Überfall auf die Ukraine einen Vertrag unterzeichnet, der auch einen gegenseitigen Verteidigungspakt enthält.
+++ 22:20 Russland baut Werk für Bomber in Kasan massiv aus +++
Russland baut das Kasaner Flugzeugwerk massiv aus – die einzige Fabrik im Land, die strategische Bomber wie den Tu-160M produziert und modernisiert. Das berichtet der finnische Sender Yle unter Berufung auf Satellitenbilder von Planet Labs. Demnach entstanden auf dem Gelände im Winter neue Industriehallen, darunter ein Neubau von rund 320 Metern Länge – so groß wie drei Fußballfelder. Der Ausbau dürfte im Zusammenhang mit Verlusten durch ukrainische Drohnenangriffe stehen. Das Werk liefert auch Maschinen für das russische Militär und Regierungsflüge.
+++ 21:20 Ukraine bereitet Nachkriegswahlen vor +++
Das ukrainische Parlament arbeitet an einem Gesetzesentwurf für Wahlen nach dem Ende des Kriegsrechts. Parlamentschef Ruslan Stefantschuk sagt im ukrainischen Fernsehen, man bereite „verschiedene Grundszenarien“ vor, um das verfassungsmäßige Wahlrecht der Bürger abzusichern. Das neue Gesetz werde benötigt, weil die ukrainische Verfassung keine Klarheit über die Einzelheiten der Abhaltung von Wahlen nach dem Ende des Kriegsrechts enthalte, sagte Stefanchuk zuvor. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs sind Wahlen in der Ukraine ausgesetzt. Präsident Selenskyj hatte sich offen gezeigt, sein Amt nach einem Friedensabkommen abzugeben.
+++ 20:35 Mehrere Angriffe auf Zivilisten in Cherson +++
Russland attackiert erneut die südukrainische Region Cherson mit Artillerie und Drohnen. Nach Angaben der regionalen Militärverwaltung wurden am heutigen Samstag sechs Menschen verletzt – teils schwer. In der Ortschaft Beloserka wurde ein 47-jähriger Mann beim Arbeiten im Garten von Granatsplittern getroffen. In Cherson selbst warf eine russische Drohne Sprengstoff auf einen Kleinbus ab – ein 66-Jähriger erlitt dabei schwere Kopf- und Brustverletzungen. Weitere Drohnenangriffe trafen Fahrzeuge in Daryiwka und in Cherson. Auch dort wurden mehrere Zivilisten verwundet.
+++ 19:58 „Er hasst mich“: Fico lehnt Treffen mit Selenskyj ab +++
Der slowakische Regierungschef Robert Fico lehnt ein direktes Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ab. „Mein Treffen mit Präsident Selenskyj hat keinen Sinn, weil er mich hasst“, sagt Fico im slowakischen Fernsehen. Die Beziehungen zwischen der Ukraine und der Slowakei sind seit Ficos Amtsantritt angespannt. Zuletzt blockierte Bratislava gemeinsam mit Ungarn ein neues EU-Sanktionspaket gegen Russland.
Slowakei hält an Blockade von Russland-Sanktionen fest
+++ 19:02 Selenskyj setzt auf gute Beziehungen zu Kiew-kritischem Präsidenten Polens +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft auch unter dem künftigen polnischen Staatschef Karol Nawrocki – einem Kiew-kritischen Rechtsnationalen – auf enge Beziehungen zum Nachbarland. Gegenseitige Unterstützung und gegenseitiges Verständnis seien „extrem wichtig“, sagt Selenskyj bei einem Besuch des scheidenden polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Kiew. „Wir werden alles in unser Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass die Beziehungen zwischen unseren Staaten noch enger werden.“ Der von der oppositionellen Partei PiS unterstützte Nawrocki hatte sich Anfang Juni in der Präsidentschaftsstichwahl in Polen gegen den Kandidaten des pro-europäischen Regierungslagers, Rafal Trzaskowski, durchgesetzt. Er tritt das Amt am 6. August an. Der scheidende polnische Staatschef Duda sagte nun in Kiew, Nawrocki werde weiter an den „bestmöglichen Nachbarschaftsbeziehungen“ zur Ukraine arbeiten. „Wenn man hinter dem Präsidentenschreibtisch sitzt, sieht die Welt ein bisschen anders aus, (…) als wenn man Kandidat bei einer Wahl ist.“
Nawrocki kündigt Widerstand an Polens neuer Präsident beginnt mit Kampfansage an Tusk
+++ 18:14 Russland reaktiviert alte T-62-Panzer +++
Wegen hoher Verluste und fehlender moderner Ausrüstung bringt Russland laut ukrainischem Militärgeheimdienst (HUR) veraltete T-62-Panzer zurück in den Einsatz. Die Panzer aus Sowjetzeiten werden demnach in Atamanowka im fernen Osten Russlands instand gesetzt und anschließend in den Westen verlegt – zuletzt seien 21 T-62 dorthin transportiert worden. Grund für die Maßnahme sei ein Mangel an modernen Panzern wie dem T-90M und T-72B3M. Viele der T-62 hätten jahrelang ungeschützt im Freien gestanden und seien in schlechtem Zustand. Kiew spricht inzwischen von fast 11.000 zerstörten russischen Panzern seit Kriegsbeginn – unabhängig verifizierbar ist diese Zahl nicht.
+++ 17:38 Kiew: Drei russische Hubschrauber bei Drohnenangriff auf Krim zerstört +++
Ukrainische Drohnen haben laut dem Inlandsgeheimdienst SBU in der Nacht einen russischen Militärflugplatz im besetzten Kirowske auf der Krim attackiert. Dabei seien mehrere Kampfhubschrauber vom Typ Mi-8, Mi-26 und Mi-28 sowie ein russisches Luftabwehrsystem Pantsir-S1 zerstört worden, so der SBU. Zudem seien Munitions- und Drohnenlager getroffen worden. In der Nacht waren demnach mehrere Explosionen zu hören. Unabhängig überprüfbar sind die Angaben bislang nicht. Bereits einen Tag zuvor hatte die Ukraine nach eigenen Angaben vier russische Su-34-Kampfflugzeuge in der Region Wolgograd angegriffen – zwei davon seien zerstört, zwei beschädigt worden.
+++ 16:54 Spahn fordert Atomwaffen-Zugriff für Deutschland +++
Unionsfraktionschef Jens Spahn fordert angesichts der Bedrohung durch Russland einen europäischen Atomschutzschirm – notfalls mit deutscher Beteiligung. Zwar lagern bereits US-Atombomben in Deutschland, doch das reiche nicht aus, so Spahn gegenüber der „Welt am Sonntag“. Deutschland solle Zugang zu den Atomwaffen Frankreichs und Großbritanniens bekommen – oder ein eigenes europäisches Abschreckungssystem aufbauen. „Wer Schutz will, muss ihn eben auch finanzieren“, sagt er. „Wer nicht nuklear abschrecken kann, wird zum Spielball der Weltpolitik“, so Spahn. Der CDU-Politiker mahnt zudem, Deutschland sollte zur Verteidigung bereit sein: „Wir Deutsche sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass wir gefordert sind, wenn Nato-Territorium angegriffen wird. Wir müssen im Ernstfall bereit sein, jeden Quadratmeter Litauens zu verteidigen.“
Wegen „russischer Aggression“ Spahn: Deutschland braucht Zugriff auf Atomwaffen
+++ 16:13 Partisanen sabotieren Bahnstrecke nahe Donezk – Treibstofflieferung gestoppt +++
Die ukrainische Partisanengruppe Atesh hat nach eigenen Angaben einen Signalkasten an einer Bahnstrecke nahe der russisch besetzten Stadt Jasynuwata in der Region Donezk in Brand gesetzt. Die Strecke gilt als wichtiger Knotenpunkt für russische Militärlogistik. Laut Atesh befand sich der Anschlagsort in der Nähe von russischen Truppen, Depots und Industrieanlagen. Durch die Sabotage sei die Lieferung eines Treibstoffzugs für russische Einheiten gestoppt worden.
+++ 15:26 Ukraine fängt neue russische Grom-1-Rakete ab +++
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben eine neue russische Rakete vom Typ Grom-1 abgefangen. Laut Gouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Serhij Lysak, wurde das Geschoss, das über 100 Kilometer aus dem besetzten Teil der Region Saporischschja flog, nahe Dnipro von der Luftabwehr abgeschossen. Es handelt sich um einen neuartigen Waffentyp – eine Mischung aus gelenkter Fliegerbombe und Rakete mit bis zu 120 Kilometern Reichweite. Trümmerteile werden derzeit untersucht. Russland intensiviert derzeit seine Angriffe auf ukrainische Städte. Erst am Montag hatte ein Raketenangriff auf zivile Ziele mindestens 21 Tote und über 300 Verletzte gefordert.
+++ 14:41 Ukraine greift Militäranlagen in russischem Brjansk an +++
Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR hat nach eigenen Angaben Ziele in der russischen Stadt Brjansk mit Drohnen attackiert. Laut einem Geheimdienstvertreter trafen die Drohnen Einrichtungen des 120. Arsenals der russischen Hauptverwaltung für Raketen- und Artilleriewaffen. In der Stadt waren zuvor Explosionen und Schüsse zu hören. Die örtlichen Behörden äußerten sich nicht zum Vorfall, erinnerten aber an das Verbot, Bilder von Luftabwehreinsätzen zu veröffentlichen.
+++ 13:57 Selenskyj verleiht Polens Präsident bei Überraschungsbesuch Orden +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen polnischen Kollegen Andrzej Duda bei dessen Abschiedsbesuch in Kiew mit dem Orden der Freiheit ausgezeichnet. Gewürdigt werden damit Dudas „bedeutende persönliche Verdienste“ zur Stärkung der polnisch-ukrainischen Zusammenarbeit und der Unterstützung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine, heißt es in einem Erlass der Präsidialverwaltung in Kiew. Das Treffen fand am ukrainischen Tag der Verfassung statt. Dudas Amtszeit endet am 6. August. Duda ist Samstagmorgen zu einem öffentlich nicht angekündigten Besuch in Kiew eingetroffen. Wie auf seinem X-Account veröffentlichte Fotos und Videos zeigen, wurde Duda zunächst von Außenminister Andrij Sybiha empfangen und legte dann gemeinsam mit Selenskyj Kränze an einer Gedenkmauer für im Abwehrkampf gegen Russland gefallene ukrainische Soldaten nieder.
+++ 13:35 Anwohner Odessas schildern nächtlichen Angriff +++
Laut Angaben des ukrainischen Militärs schickt Russland in der Nacht 23 Shahed-Drohnen in die Hafenstadt Odessa. 22 davon können abgeschossen werden, eine trifft ein Wohnhaus. Mindestens 14 Menschen werden verletzt und ein Ehepaar stirbt.
„Shahed noch nie so nah gehört“ Anwohnerin Odessas schildert nächtlichen Angriff
+++ 12:56 Merz: Sicherheit nicht als gegeben hinnehmen +++
Bundeskanzler Friedrich Merz warnt vor einem falschen Sicherheitsgefühl in Deutschland und verlangt mehr Verteidigungsanstrengungen. Bei einem Besuch des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr in Schwielowsee weist er auf den anhaltenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hin. „Wir dürfen also unsere Sicherheit nicht als gegeben hinnehmen. Wir müssen mehr tun, dass wir in Freiheit, in Frieden und in Sicherheit leben können“, sagt Merz.
Jusos wollen Pläne stoppen Pistorius: Wehrpflicht ist „nur letztes Mittel“
+++ 12:27 Bundesregierung will Waffenbeschaffung per Gesetz beschleunigen +++
Dem „Spiegel“ zufolge will die Bundesregierung das Tempo bei der Rüstunsbeschaffung erhöhen, indem sie rechtliche Vereinfachungen einführt. Demnach sollen die Hürden für Startups und innovative Firmen durch die Möglichkeit von Vorauszahlungen gesenkt werden. Außerdem sollen unter anderem Beschaffungen, die zur militärischen Bereitschaft Europas beitragen, als wesentliches nationales Sicherheitsinteresse gelten. So wolle man eine Ausnahme vom europäischen Vergaberecht ermöglichen.
+++ 11:30 Experte: „Putin verharrt in Geheimdienstler-Taktiken der 70er“ +++
Dass Russlands Machthaber Putin jetzt wieder Signale der Gesprächsbereitschaft sendet, ist nach Einschätzung von Niko Karasek kein ernst zu nehmendes Angebot. Der Russlandexperte betont: Diese Taktik nutzt der Kreml-Chef seit Kriegsbeginn.
Experte bezweifelt Bereitschaft „Putin verharrt in Geheimdienstler-Taktiken der 70er“
+++ 10:51 Scholz: Keine Illusionen über Putin machen +++
Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf dem SPD-Bundesparteitag davor gewarnt, sich Illusionen über die Pläne des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu machen. Dieser halte nicht nur an seinen Eroberungen in der Ukraine fest, sondern hätte sie „gerne noch größer“, sagt Scholz in Berlin, wo er von seiner Partei aus dem Amt verabschiedet wurde. Putin dürfe aber keinen Erfolg damit haben, Grenzen mit Gewalt zu verschieben. Er habe damit eine jahrzehntelange Verständigung des Nachkriegseuropas aufgekündigt. Aus dieser Zeitenwende sei eine Konsequenz gezogen worden. „Die Bundeswehr wird stärker werden und die Zusammenarbeit in der Nato hat neue Dimensionen erreicht. Das ist auch richtig“, sagt Scholz. Wichtig sei, sich die Größe der Aufgabe klarzumachen.
+++ 10:12 Die Ukraine will an die eingefrorenen russischen Gelder +++
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha hat die westlichen Partner aufgefordert, die eingefrorenen russischen Guthaben selbst – und nicht nur die damit erwirtschafteten Zinsen – für den Kauf von Waffen für die Ukraine zu verwenden. Außerdem könne man mit dem Geld den Wiederaufbau des Landes unterstützen und die ukrainische Verteidigungsindustrie stärken. Man müsse „außergewöhnliche und mutige Entscheidungen treffen“, um Russland zu stoppen. „Unsere Einigkeit und die Unterstützung unserer Partner für die Ukraine müssen im Mittelpunkt dieser Entscheidungen stehen“, sagt er.
+++ 09:35 Putins mutmaßliche Tochter – wer ist Luiza Rozova? +++
Sie lebt inkognito im Herzen Europas: Luiza Rozova soll die uneheliche Tochter von Wladimir Putin sein. Während ihr Vater Krieg führt, studiert sie Kunst in Paris. Eine Bekanntschaft aus der Szene spricht darüber, wer diese junge Frau wirklich ist – und wie sie über ihren mächtigen Vater denkt.
Geheimes Leben in Paris Putins mutmaßliche Tochter – wer ist Luiza Rozova?
+++ 09:03 Ukraine fängt alle Drohnen bis auf eine ab – die schlägt ein +++
Die russischen Streitkräfte haben die Ukraine in der Nacht zum Samstag mit 23 Drohnen angegriffen. Die ukrainischen Luftabwehreinheiten konnten 22 Drohnen abschießen. Die verbleibende Drohne schlug in ein Hochhaus in Odessa ein.
WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN
WDHLG., KORREKTUR & ERGÄNZUNG: Krieg der Narrative – Das Jahr 1990 und die NATO-Osterweiterung – Christian Nünlist, Sirius – Zeitschrift für strategische Analysen 14. Dezember 2018,
… Dies entspricht dem heutigen Forschungsstand zur Kontroverse: Konkrete westliche Garantien bezogen sich 1990 nur auf die DDR; aber der Westen täuschte die Sowjetunion gleichzeitig mit vagen Versprechen einer kooperativen, inklusiven europäischen Sicherheitsordnung, während die Bush-Regierung bewusst die exklusive NATO (ohne die UdSSR) ins Zentrum der neuen Sicherheitsarchitektur in Europa rückte.
Siehe dazu: Zwei-plus-Vier-Vertrag
COMMENT: Das erinnert an die Vorgehensweise der westlichen Verhandlungspartner bei den Minsker Gesprächen, die nach einer Aussage von Angela Merkel im Wesentlichen dazu dienten, Russland hinzuhalten und so Zeit für eine Stärkung der Ukraine zu gewinnen.
Zum Dritten wurde Russland durch die Absichtserklärung der Ukraine getäuscht, neutral zu sein und keinem Bündnis beizutreten. Diese wurde Juli 1990 [nicht: 1991] abgegeben und im August 1991 durch das ukrainische Parlament mit deutlicher Mehrheit bewilligt und schließlich durch ein Referendum Dezember 1991 weiter bekräftigt. ERGÄNZT: Außer dieser Absichtserklärung gibt es keine ausdrückliche Neutralitätserklärung. In späteren Modifikationen der ukrainischen Verfassung ab 1996 wird die Neutralität nicht erwähnt. Bis 1996 galt eine Verfassung vom April 1978 Jahren.
2019 entschloss sich die Ukraine, ihre Sicherheitspolitik nach dem Westen auszurichten und künftig der NATO und der EU beizutreten.
Unter den damaligen Neutralitätsauspizien (siehe Abschnitt IX der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine vom 16.7.1990) – gültig von 1990/1991 bis 2019 – schloss die UdSSR mit der Sowjetrepublik Ukraine, später die Russische Föderation mit der Republik Ukraine diverse Verträge, darunter Freundschaftsverträge mit der Bedingung der Bündnislosigkeit der Ukraine. In diversen Verträgen wird der Ukraine auch die staatliche Integrität und Unversehrtheit zugesichert.
Bedeutsam ist dabei das Budapester Memorandum von 1994, in dem die USA, die Russische Föderation und das Vereinigte Königreich den drei Staaten Kasachstan, Weißrussland und Ukraine Sicherheitsgarantien im Gegenzug zur Beseitigung aller Atomwaffen auf den jeweiligen Territorien.
ZENTRALBANKEN
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WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK
WEITERE MELDUNGEN
ORF MELDUNGBÜNDEL WELT
Trump an Israels Justiz: Lasst Netanjahu gehen
Huthis melden neuen Raketenangriff auf Israel
UNO würdigt Friedenspakt zwischen Ruanda und DR Kongo
Wegen Hisbollah-Fahne vor Gericht: Kneecap in Glastonbury
27 ukrainische Auslieferungsanträge an Österreich gestellt
USA
BERICHT: Supreme Court schenkt Trump einen richtungsweisenden Sieg – und schränkt die Blockademacht der Richter ein – Isabelle Jacobi (Washington), NZZ, 27.06.2025
Die konservative Mehrheit im Obersten Gerichtshof will die Trump-Regierung vor «Justizmissbrauch» schützen. Er kann seine Politik nun leichter durchsetzen – und etwa das Geburtsortsbürgerrecht einschränken.
Es ist ein Triumph für Präsident Donald Trump, den er lautstark feierte: Auf der Nachrichtenplattform Truth Social nannte er das Urteil des Supreme Court im Fall Casa vs. Trump einen «monumentalen Sieg» – und an einer eilig einberufenen Medienkonferenz sagte er, die Regierung könne nun zahlreiche Entscheidungen vorantreiben, die zuvor zu Unrecht von Bundesrichtern blockiert worden seien. «Es ist eine tolle Entscheidung, mit der wir sehr glücklich sind.» Die Richter hätten sich als «Kaiser» aufgespielt, fügte Justizministerin Pam Bondi hinzu.
Das Urteil ist tatsächlich richtungsweisend, weil es die bisherigen Kompetenzen der über 1000 Bundesrichter gegenüber der Exekutive beschneidet. Dutzende einstweilige Verfügungen hatten bisher rund 200 «executive orders» von Trump gestoppt. Einzelne Richter behinderten etwa Massenausschaffungen, Kündigungen von Beamten oder das Einfrieren von Entwicklungshilfe. Das ist nun nicht mehr möglich. Bestehende Verfügungen bleiben zwar bestehen, können aber leichter angefochten werden.
Zudem öffnet das Urteil der Regierung den Weg, das seit 150 Jahren geltende Geburtsortsprinzip («jus soli») nach eigenem Ermessen zu beschränken – ohne Verfassungs- oder Gesetzesänderung. Laut diesem Prinzip erhalten in den USA geborene Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft – unabhängig von der Herkunft der Eltern. Mehrere Appellationsgerichte hatten eine entsprechende Präsidialverordnung als verfassungswidrig bezeichnet.
Trumps Taktik hat sich bewährt
Die Regierung ging geschickt vor: Sie stellte nicht das Bürgerrecht in den Fokus, sondern die grundsätzliche Frage, ob Bezirksrichter Regierungsbeschlüsse landesweit pausieren dürfen – wie im Fall des «executive order» zum Geburtsortsprinzip.
Trump hatte an seinem ersten Amtstag verfügt, dass nur Kinder mit Eltern, die über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung verfügen, automatisch amerikanische Bürger werden. Das Prinzip stammt aus dem 14. Verfassungszusatz, der nach dem Bürgerkrieg befreite Sklaven einbürgern sollte. Die Regierung argumentiert, das Recht werde heute von Migranten systematisch missbraucht.
Der Supreme Court hätte über die Verfassungsmässigkeit dieser Neuinterpretation urteilen können, verzichtete jedoch darauf. Das sei «nicht der Punkt», schrieb Richterin Amy Coney Barrett in der Begründung der konservativen Mehrheit. Einstweilige Verfügungen, die landesweit gelten, überschritten laut dem Gericht die Justizbefugnisse, wie sie der Kongress vorgesehen habe. Barrett kritisierte deren inflationären Einsatz an unteren Gerichten: «Bezirksgerichte beanspruchen die Befugnis, die Durchsetzung eines Gesetzes gegenüber jedermann zu untersagen.» Das sei missbräuchlich und schade der Regierung irreparabel.
Konservative Mehrheit setzt sich durch
Der neunköpfige Supreme Court war entlang der ideologischen Linien 6:3 gespalten: Die konservativen Richter gaben der Trump-Regierung recht, die linksliberale Richterin Sonia Sotomayor schrieb eine scharfe Gegenmeinung, der sich die Richterinnen Kagan und Jackson anschlossen. Sotomayor sieht das Fundament der amerikanischen Rechtsordnung in Gefahr, denn in Zukunft sei kein Bürgerrecht in den USA sicher vor dem Übergriff der Exekutive: Diesmal gehe es ums «birthright citizenship», das nächste Mal um die Religionsfreiheit oder das Recht, Waffen zu besitzen. «Weil ich mich nicht mitschuldig an einem so schwerwiegenden Angriff auf unser Rechtssystem machen will, widerspreche ich», schrieb sie in ihrer scharfen Entgegnung.
Die konservative Mehrheit ignorierte die Warnung, dass die Justiz das einzige schnelle Mittel verliert, eine verfassungsbrüchige Regierung zu stoppen. Coney Barrett argumentierte, die unteren Gerichte hätten sich politisieren lassen, es gebe genügend Rechtsmittel für Geschädigte, um eine Rechtsverletzung einzuklagen. Richter Brett Kavanaugh nannte in einer separaten Meinungsäusserung Gruppenklagen als möglichen Weg. In «class actions» repräsentiert eine Gruppe Kläger eine grössere Gruppe Geschädigter. Solche Klagen waren in der Vergangenheit erfolgreich, aber aufwendig und kostspielig.
Das Geburtsortsprinzip wackelt
Wie auch schon beim umstrittenen Immunitätsurteil und bei der Abschaffung der Abtreibungsfreiheit zeigt sich die konservative Mehrheit des Supreme Court bereit, eine lang etablierte Rechtspraxis zu ändern – oder lässt dies in der Frage des «birthright citizenship» mindestens zu. Zwar erstrecken die Richter die Frist für die Umsetzung der entsprechenden Verordnung um 30 Tage – doch danach dürfte die Regierung versuchen, den ersten in den USA Neugeborenen das automatische Bürgerrecht zu verwehren. Es ist wahrscheinlich, dass das Thema bald wieder vor dem Supreme Court landet.
Einen Umsetzungsplan gibt es offiziell nicht. Als ein Journalist die Justizministerin fragte, ob Krankenschwestern und Ärzte für die Prüfung zuständig sein würden, blieb Pam Bondi eine Antwort schuldig. Auch die konservativen Richter äusserten Bedenken, dass Einschränkungen beim «birthright citizenship» Chaos verursachen könnten. Doch das Ziel, eine politisierte Justiz zu zügeln, wog für sie offenbar schwerer.
Das Urteil markiert das Ende eines ereignisreichen Jahres für den Supreme Court, in welchem die sechs konservativen Obersten Richter wiederholt zugunsten von Trump geurteilt haben. Sie dehnten das Immunitätsprinzip für Amtshandlungen von Präsidenten massiv aus, worauf der Strafprozess gegen Trump rund um die Geschehnisse am 6. Januar 2021 ins Stocken kam.
Seit seiner Amtseinsetzung Ende Januar erlaubte der Supreme Court dem Präsidenten, Migranten in Drittländer abzuschieben, Leiter von unabhängigen Agenturen zu kündigen, Transgender aus dem Militärdienst zu entlassen und den Schutzstatus von rund 500 000 Flüchtlingen aufzulösen. Das jüngste Urteil weist über Trumps Präsidentschaft hinaus – und ist ebenso relevant wie das Immunitätsurteil vor genau einem Jahr.
NAHER & MITTLERER OSTEN – MENA WATCH (Mena-Watch auf Wikipedia)
Hoffen auf den Sturz des Regimes: Irans Kronprinz Reza Pahlevi möchte sein Land in eine neue Ära führen – Daniel Steinvorth (Paris). NZZ, 27.06.2025
Reza Pahlevi ist der Sohn des letzten Schahs und ein möglicher Kandidat für eine Übergangsregierung. Der 64-Jährige lebt im amerikanischen Exil und ist beliebt in der iranischen Diaspora. Doch im eigenen Land ist sein Rückhalt ungewiss.
Am 23. Juni, zehn Tage nach Beginn des israelisch-iranischen Krieges, sah Reza Pahlevi den Anfang vom Ende der Islamischen Republik gekommen. «Das ist unser Berliner-Mauer-Moment», sagte er. «Die Zeit ist da, um dieser Ruine ein Ende zu bereiten und eine neue Ära für Iran zu beginnen.»
Pahlevi hatte in Paris zu einer Pressekonferenz geladen. Gekleidet im dunklen Anzug, das weissgraue Haar akkurat zurückgekämmt, präsentierte sich der Sohn des letzten Schahs von Iran vor zwei Fahnen, auf denen ein goldener Löwe mit Schwert und eine Sonne zu sehen waren – die Insignien des alten Kaiserreichs.
Für seine Landsleute hatte er eine Botschaft auf Persisch vorbereitet, in der er ihnen Mut machte, sich gegen das Regime zu erheben. Dann sprach der Kronprinz auf Englisch und Französisch und klang dabei wie ein Präsidentschaftskandidat auf Stimmenfang: «Stellen Sie sich das neue Iran vor. Ein freies und demokratisches Land, das in Frieden mit seinen Nachbarn lebt, ein Motor des Wachstums und der Chancen.»
Lange im Exil gewartet
In gewisser Hinsicht ist Pahlevi tatsächlich ein Kandidat für den Posten des nächsten iranischen Staatschefs. Unter Iranern in der Diaspora ebenso wie in westlichen Hauptstädten gehört der im amerikanischen Exil lebende Kronprinz jedenfalls zu den bekanntesten Gegnern der Islamischen Republik. Sich selbst bringt der 64-jährige Vater von drei Töchtern seit Jahren für eine politische Rolle in Stellung.
Schon 2009, als es in Iran zu Massenprotesten gegen die Wiederwahl des Hardliners Mahmud Ahmadinejad zum Präsidenten gekommen war, rief er seine Landsleute zum Kampf gegen die Mullahs auf. Wann immer sich fortan Anzeichen von Schwäche des Regimes zeigten, suchte Pahlevi die internationale Bühne. 2023 besuchte er die Münchner Sicherheitskonferenz und forderte den Westen auf, vom Beschwichtigungskurs gegenüber Teheran abzurücken.
Mit Beginn der israelischen Luftangriffe dürfte Pahlevi gehofft haben, endlich den richtigen Moment für eine Rückkehr in die Heimat erwischt zu haben. Schon der Name der Operation, «Rising Lion», der sich auf einen Bibelvers bezieht, soll nicht nur Stärke und Entschlossenheit der Israeli symbolisieren. Er ist auch eine Aufforderung an die Iraner, sich gegen das Regime zu erheben. Doch bis anhin gibt es keine Anzeichen für neue Massenproteste. Und die Strategie, sich an die militärische Offensive Israels zu heften, ist für Pahlevi nicht ohne Risiko.
Der älteste Sohn des letzten Schahs verliess schon 1978 seine Heimat, um in Amerika eine Ausbildung zum Piloten zu absolvieren. Als die Islamische Revolution ein Jahr später seinen Vater stürzte, floh auch die Familie ins Exil, erst nach Ägypten, dann nach Frankreich und in die USA. Laut einem israelischen Geheimdienstoffizier soll die CIA Anfang der 1980er Jahre einen Staatsstreich geplant haben, in dem der Thronfolger eine Schlüsselrolle gespielt hätte. 1986 erklärte der junge Pahlevi, eine Exilregierung gebildet zu haben und sich für die Errichtung einer konstitutionellen Monarchie einzusetzen.
Es gehört zur Geschichte der Pahlevi-Dynastie, dass ihre Macht stets auch auf externer Unterstützung beruhte. Reza Khan Pahlevi, der Grossvater des Kronprinzen, kam dank britischer Hilfe auf den Pfauenthron. Sein Sohn Mohammed Reza Pahlevi sicherte seine Stellung durch einen von der CIA unterstützten Putsch gegen den Ministerpräsidenten Mossadegh. Von der autoritären Politik seines Vaters distanzierte sich der Kronprinz später. Aber er wies auch darauf hin, dass die Schahs einen modernen Staat und die Gleichberechtigung von Mann und Frau durchsetzten – was die Mullahs nach 1979 systematisch zurückdrehten.
Gute Kontakte nach Israel
In Irans zerstrittener Exilopposition gibt es bis heute Vorbehalte gegen Pahlevi als Kopf einer Übergangsregierung, vor allem vonseiten linker Gruppen und der marxistisch-islamischen Volksmujahedin. Zu seinen Anhängern zählen hingegen keineswegs nur Monarchisten. Auch republikanische Gruppen sehen in ihm eine einigende Figur. 2023 unterzeichneten binnen weniger Tage mehr als 300 000 Auslandiraner eine Petition, wonach Pahlevi in einer Übergangsphase bis zu einem Referendum als Sprecher der Opposition auftreten soll.
Wie gross die Zustimmung zum Kronprinzen innerhalb Irans ist, lässt sich nicht beurteilen. Umfragen im Land sind wegen der repressiven Verhältnisse unzuverlässig. Zwar zeigen Videos aus jüngeren Protestbewegungen, dass Demonstranten oft Schah-freundliche Slogans rufen. Inwieweit diese Sympathie Pahlevi persönlich oder nur einem nostalgisch verklärten Bild des vorrevolutionären Iran gilt, ist unklar.
Für Pahlevi heikel sind seine guten Beziehungen zu Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, den er 2023 besuchte. Schon unter dem Schah bestanden enge Bande zwischen Teheran und Tel Aviv, insbesondere im militärischen Bereich. An dieses Erbe scheint Pahlevi heute anknüpfen zu wollen, was ihm viele Iraner im Angesicht der Luftangriffe übelnehmen dürften. In Paris erklärte der 64-Jährige freilich, die Iraner seien «schlau genug», um zu wissen, dass dies nicht «Israels Krieg gegen Iran» sei.
Pahlevi sagte auch, dass er keine Macht anstrebe, sondern sich als Führer einer Übergangsregierung sehe. Nur wenn sich das iranische Volk in einem Referendum für eine konstitutionelle Monarchie entschiede, stünde er als Staatsoberhaupt zur Verfügung.
HINTERGRUND: Tausende leere Moscheen: Die Mullahs haben den Iranern die Religion ausgetrieben – Mahdi Rezaei-Tazik, NZZ, 27.06.2025,
Die «Islamische Republik» gilt heute als eines der säkularsten Länder der islamischen Welt – gerade weil die Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg gezwungen wurde, eine vom Regime verordnete Form der Frömmigkeit zu praktizieren.
Das iranische Volk hat die verheerenden Folgen des Islamismus in den letzten Jahrzehnten am eigenen Leib erfahren. Wirtschaftlich hat das Regime das Land in Armut gestürzt. Aussenpolitisch hat es Iran isoliert und erniedrigt. Gesellschaftlich wurden dem Volk viele Rechte entzogen, vor allem den Frauen. Auch militärisch hat sich das Regime als Papiertiger erwiesen, wie sich gerade zeigt. All dies und die Erkenntnis, dass sich Republikanismus und Islamismus widersprechen (sprich: Islamische Republik), haben tiefe Spuren hinterlassen.
Die Abstände zwischen den Freiheitsbewegungen wurden in den letzten zwanzig Jahren immer kleiner. In der zweiten Phase der Grünen Bewegung im Jahr 2009 waren Parolen zu hören, die eine klare Abgrenzung von religiöser Einflussnahme auf die Politik forderten. Besonders prägnant war der Ruf nach «Unabhängigkeit, Freiheit, iranischer Republik», eine Antwort auf die zentrale Parole der Islamischen Revolution, «Unabhängigkeit, Freiheit, islamische Republik». Eine weitere und immer wiederkehrende Losung in den späteren Bewegungen lautete: «Weder Gaza noch Libanon – mein Leben für Iran!»
Beim Dey-Aufstand (2017/18) gingen die Menschen einen Schritt weiter: «Ihr instrumentalisiert den Islam und bringt das Volk zum Leiden», «Für Iran opfern wir sowohl den Islam als auch den Koran» oder «Reza Schah, deine Seele möge selig sein». (Reza Schah, Zeitgenosse Atatürks, entmachtete die Religionsgelehrten in Iran und leistete einen bedeutenden Beitrag zur Modernisierung des Landes – allerdings unter Missachtung der Verfassung.) Während des Aban-Aufstands (2019) kam erstmals der Ruf auf: «Wir geben unser Leben, um unser Land zurückzugewinnen!» Dies verdeutlichte, dass das Regime von Teilen der Bevölkerung als eine interne Besatzungsmacht wahrgenommen wird.
Auch in der jüngsten Protestbewegung «Frau, Leben, Freiheit» (2022/23), die unter anderem wegen des Ablegens des Kopftuches zwar am deutlichsten das ideologische Scheitern des Regimes offenbarte, jedoch häufig fälschlicherweise auf einen rein feministischen Protest reduziert wird, tauchten all die oben genannten Parolen wieder auf. In den rund achthundert von mir identifizierten Protestsprüchen waren Begriffe wie «iranisch», «Iran» und «Heimatland» etwa hundert Mal vertreten. Sie erwiesen sich als zentrale Schlagworte, die – unter anderem – bewusst einen Gegenpol zum Islamismus markierten, wie etwa die Slogans «Im Namen von Religion und Glauben wurde Iran verramscht» oder «Erst wenn der Geistliche im Leichentuch liegt, wird dieses Land ein wahres Heimatland» verdeutlichen.
Von den 75 000 Gotteshäusern sind 50 000 geschlossen
Auch im religiösen Sinne hat sich das Land stark verändert. Die «Islamische Republik» gilt heute als eines der säkularsten Länder der islamischen Welt – gerade weil die Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg gezwungen wurde, eine vom Regime verordnete Form der Religiosität zu praktizieren. Diese staatliche Frömmigkeit hat bei vielen zu Ablehnung, bei einigen sogar zu offenem Hass gegenüber der Religion geführt. Mohammed Haj Abolghasem Dolabi, Mitglied des Expertenrats, beklagte angesichts der leerstehenden und verlassenen Moscheen: «Heute sind von den rund 75 000 Moscheen im Land 50 000 geschlossen – eine Katastrophe, die man beweinen muss.»
Gleichzeitig begann vor Dekaden ein intensiver innerer Prozess: Viele Menschen hinterfragen die Religion an sich und gelangen zu einer persönlichen Abkehr vom Glauben. Atheismus und Agnostizismus haben deutlich zugenommen. Parallel dazu wurden im Ausland islamkritische Werke iranischer Autoren aus dem 19. Jahrhundert wiederentdeckt, und es entstand eine einzigartige Menge an religionskritischen Schriften, deren Ausmass in der Geschichte Irans beispiellos ist.
Ein deutlicher Trend zur Rückbesinnung auf das vorislamische Erbe Irans ist ebenfalls erkennbar. Dies zeigt sich unter anderem an der zunehmenden Zahl von Besuchern am Grab von Kyros dem Grossen, einem König der Achämenidendynastie. Immer mehr Menschen tragen Symbole des antiken Iran, während islamische Namen bei der Namensgebung für Kinder zunehmend durch alte persische Namen ersetzt werden. Bemerkenswert sind auch Umbenennungen im In- und Ausland, wie Ali zu Kyros oder Fatemeh zu Shirin. Zudem werden Hochzeiten vermehrt nach antiken iranischen statt nach islamischen Verlobungszeremonien ausgerichtet.
Dies ist eine direkte Folge des vehementen Versuchs des Regimes, das antike Iran aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen: Oft erweisen sich Ideologien als kontraproduktiv. Ja, ausgerechnet die islamistische Herrschaft hat in Iran zu einer politischen und religiösen Säkularisierung der Gesellschaft geführt. Doch auch Bildung (fünfzig Prozent der Studierenden in Iran sind Frauen), Verstädterung, das Internet und der damit verbundene Zugang zu globalem Wissen und alternativen Sichtweisen haben dabei eine wichtige Rolle gespielt.
Khameneis Angst vor dem Säkularismus
Nach der Islamischen Revolution (1979) wurden vereinzelt säkularistische Stimmen im In- und Ausland laut, welche bis zur Gründung der elektronischen Zeitschrift «Newsecularism» (2007–2013) eher als isolierte Einzelmeinungen galten. Erst mit dieser Publikation, deren Chefredaktor der in den USA lebende pensionierte Universitätsdozent Esmail Nooriala war, wurden zunächst der Säkularismus und wenig später das Konzept einer säkularen Demokratie zu zentralen Themen unter politischen Aktivisten, Journalisten, Juristen, Wissenschaftern im Aus- und im Inland.
Nooriala betonte stets, das islamische Regime beruhe auf einer bestimmten Interpretation des Schiitentums – es sei zugleich religiös und diktatorisch, und seine Alternative könne daher nur ein säkulares und demokratisches System sein. Er prägte auch den Begriff des «newsecularism», da er von der bereits existierenden Auffassung überzeugt ist, nicht nur die Religion, sondern jegliche Ideologie müsse vom Staat getrennt sein. Auf den Einwand, Demokratie beinhalte ohnehin Säkularismus, antwortete er unter anderem, dass islamistisch orientierte Reformisten von einer «religiösen Demokratie» sprächen – man müsse demgegenüber die «säkulare Demokratie» als Gegenentwurf hervorheben. «Newsecularism» sah sich in der Zeitung «Keyhan» wiederholt scharfer Kritik von Hossein Shariatmadari ausgesetzt, dem Sprecher des Revolutionsführers Ali Khamenei. Dieser bezeichnete das Magazin als «antiislamisch» – ein Vorwurf, den die Redaktion stets zurückwies.
So dominierend ist der Diskurs inzwischen, dass selbst die iranische Friedensnobelpreisträgerin und Juristin Shirin Ebadi – die noch vor rund einem Jahrzehnt bestrebt war, Demokratie und Geschlechtergleichheit aus dem Islam herzuleiten – sich in einem Interview 2022 unmissverständlich äusserte: «Die neue Verfassung Irans wird demokratisch und säkular sein, wir werden eine Trennung von Staat und Religion haben.» Die zahlreichen vor allem von Exiliranern bereits niedergeschriebenen frei zugänglichen Verfassungsentwürfe bestätigen Ebadis These.
Selbst in religiösen Bildungseinrichtungen, die eigentlich der Ausbildung regimetreuer Geistlicher dienen sollen, ist der Säkularismus inzwischen spürbar. Diese Haltung stiess bei Ali Khamenei auf scharfe Kritik. Am 9. Oktober 2012 erklärte er bei einem Treffen mit Geistlichen: «Wenn wir uns mit den Angelegenheiten des Systems und der Regierung nicht befassen, ist das Säkularismus.» Khameneis Warnungen vor dieser Entwicklung wurden sogar in einem eigenen Buch festgehalten.
Ein neues Iran existiert bereits in den Köpfen
In den vergangenen fünfzehn Jahren haben zahlreiche Zusammenkünfte iranischer Exilierter unter dem Dach «Kongress der säkular-demokratischen Kräfte Irans» vor allem in Deutschland stattgefunden. Ziel war es, eine Alternative zum Regime in Teheran zu schaffen. Ich selbst habe an fünf dieser Treffen teilgenommen. Zahlreiche Persönlichkeiten, unter ihnen auch der schiitische in Iran ansässige Geistliche Hossein Kazemeyni Borujerdi, der sich offen zum Säkularismus bekannte, richteten Botschaften an den Kongress.
Der Versuch, im Ausland eine tragfähige Alternative aufzubauen, ist letztlich gescheitert. Trotzdem zeigt sich: Die Alternative zu diesem Regime existiert bereits in den Köpfen vieler Menschen. Die entscheidende Frage ist, ob es dem Volk in Iran selbst nun endlich gelingt, diese umzusetzen. In diesem Zusammenhang erscheinen die Angriffe Israels und der USA nicht als förderlich. Zurzeit deutet so gut wie nichts darauf hin, dass ein Regimewechsel oder ein Aufstand des Volkes kurz bevorstehen könnte. Im Gegenteil: Das Regime lässt sich nun auf Verhandlungen mit den USA ein, will Frieden schliessen, allein im Interesse des Machterhalts. Es könnte damit Erfolg haben. Zum Leidwesen der Bevölkerung.
Mahdi Rezaei-Tazik ist ein iranisch-schweizerischer Politikwissenschafter und Iranist.
EUROPA
Rekord trotz Verbots: Budapest-Pride als Signal gegen Orban – ORF, 28.6.2025
An der Pride-Parade in der ungarischen Hauptstadt Budapest hat trotz eines polizeilichen Verbots eine Rekordzahl von Menschen teilgenommen. Die Veranstalter sprachen am Samstag von bis zu 200.000 Teilnehmenden. Die Menschen demonstrierten für die Rechte von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten und setzten zugleich ein Signal gegen den rechtskonservativen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban.
Die Pride-Parade war heuer im Zeichen einer Kraftprobe zwischen Orban und dem grün-linksliberalen Budapester Bürgermeister Gergely Karacsony gestanden. Er hatte angesichts des polizeilichen Verbots erklärt, es brauche für die Pride-Parade keine offizielle Erlaubnis, weil es sich um eine „städtische Veranstaltung“ handle. Auf dem Rathaus wehte eine Regenbogenflagge.
Mitte März war im Parlament eine Gesetzesänderung verabschiedet worden, die auf ein Verbot der Parade abzielte: Damit werden alle Versammlungen untersagt, die gegen das ungarische LGBTQ-Gesetz verstoßen. Dieses Gesetz aus dem Jahr 2021 verbietet Darstellungen von Homosexualität vor Minderjährigen. Seit Jahren schränkt die Regierung unter dem Vorwand des „Kinderschutzes“ die Rechte von LGBTQ-Menschen ein.
APA/AFP/Attila Kisbenedek Pride-Parade auf der Elisabethbrücke in Budapest
„Freiheit und Liebe können nicht verboten werden“
Die Präsidentin der Pride, Viktoria Radvanyi, die bis zu 200.000 Teilnehmende meldete, sagte, eine genaue Schätzung sei schwierig, „weil noch nie so viele Menschen bei der Budapest-Pride waren“. Medien nannten eine Zahl von mindestens 100.000. Fix ist: Es war die größte Pride in Ungarn und eine der machtvollsten Kundgebungen in der modernen Geschichte des Landes.
Die Veranstalter hatten auf ein solch starkes Signal gegen Orbans Anti-LGBTQ-Gesetze gehofft. „Dieses Jahr ist die Budapester Pride nicht nur eine Feier, sie ist eine starke internationale Stellungnahme.“ Auf einem großen Plakat stand „Freiheit und Liebe können nicht verboten werden“. Auf einem anderen Banner hieß es: „Niemand von uns ist frei, solange nicht alle frei sind“.
„Vielen Dank, Viktor Orban“
Auch Bürgermeister Karacsony sprach von einer Rekordbeteiligung. „Vielen Dank, Viktor Orban, für eine tolerantere Gesellschaft geworben zu haben“, fügte der Grünen-Politiker auf Facebook mit Blick auf den Ministerpräsidenten ironisch hinzu.
Reuters/Bernadett Szabo Großer Andrang bei der Pride-Parade
Regierung: Pride-Parade auf „Befehl“ der EU
Die ungarische Regierung sprach indes von einer Kundgebung „auf Brüssels Befehl“. „Mit der Pride hat die Opposition gegen Gesetze aufgewiegelt, die ihr nicht gefallen, Ungarns Souveränität verhöhnt und – mit ausländischer Unterstützung – versucht, uns die woke Kultur aufzuzwingen“, erklärte Regierungssprecher Zoltan Kovacs.
Politologe ortet „Fehler“ Orbans
Der ungarische Politikexperte Szabolcs Pek sagte der Nachrichtenagentur AFP, der „große Erfolg der Pride“ sei für Orban und dessen FIDESZ-Partei „sehr peinlich“. Und der Politologe Zoltan Lakner bezeichnete das Pride-Verbot als „Fehler“ Orbans. Statt Stärke zu demonstrieren, habe dieser ein Symbol kreiert, das die Regierungsgegner geeint habe, sagte Lakner dem ungarischsprachigen Kanal des Senders Radio Free Europe. Das Ziel, die Pride zu „vernichten“, sei gescheitert, so der Politologe.
APA/AFP/Attila Kisbenedek Die Polizei schränkte die verbotene Parade nicht ein, doch könnten Strafen drohen
Polizei hielt sich im Hintergrund
Die Polizei hatte keine Anstalten gemacht, die Parade aufzulösen oder einzuschränken. Lediglich die Route wurde von den Behörden noch während des Zuges kurzfristig geändert, da die rechtsradikale Partei Mi Hazank (dt.: Unsere Heimat) eine Gegendemo an der ursprünglichen Route abhielt, berichtete das Onlinemedium Partizan. Daher zogen die Pride-Teilnehmenden über eine andere Brücke.
Orban hatte im Vorfeld der Pride-Parade ein hartes Eingreifen der Polizei ausgeschlossen, Teilnehmenden droht aber eine Geldstrafe von bis zu 500 Euro. Den Organisatoren der Veranstaltung könnte eine einjährige Freiheitsstrafe drohen. Entlang der Pride-Parade-Strecke installierten die Behörden zahlreiche Kameras.
APA/AFP/Peter Kohalmi Protestierende der rechtsradikalen Partei Mi Hazank auf der Freiheitsbrücke
Außenministerium informierte über Verbot
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die ungarischen Behörden im Vorfeld aufgefordert, das Verbot der Budapest Pride aufzuheben, und auf die Grundwerte der Union verwiesen. Das österreichische Außenministerium wies auf seiner Website auf eine Erklärung der ungarischen Regierung hin, wonach die Budapest-Pride als illegal betrachtet werde. Das Ministerium riet nicht explizit von einer Teilnahme ab.
Das Außenministerium kommentierte das Verbot auf Social Media mit den Worten: „Friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung sind Grundrechte und zentrale europäische Werte. Die Regierungen müssen sie respektieren und schützen – für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig davon, wen sie lieben. AT (Österreich, Anm.) steht an der Seite aller, die ihre Stimme für Gleichheit und Würde erheben.“
Dutzende EU-Abgeordnete in Budapest
Zur Parade angekündigt hatten sich im Vorfeld auch rund 70 Europaabgeordnete aus verschiedenen Ländern, zahlreiche Diplomaten sowie die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung, Hadja Lahbib. Auch mehrere Nationalrats- und Europaabgeordnete von SPÖ, Grünen und NEOS nahmen daran teil.
Eine zehnköpfige NEOS-Delegation wurde von Klubchef Yannick Shetty angeführt. Auch SPÖ-Mandatar Mario Lindner war in Budapest, ebenso wie der Grünen-Europaabgeordnete Thomas Waitz.
Im Vorfeld des Marsches hielten Fraktionen des EU-Parlaments am Samstag Treffen ihrer Gruppen ab, in denen jeweils von Solidarität mit der ungarischen Bevölkerung die Rede war und zur Verteidigung der Grundrechte aufgerufen wurde. Es gab aber auch Aufrufe zu einer härteren EU-Gangart gegenüber der Regierung Orban.
APA/AFP/Attila Kisbenedek Viele Teilnehmende reisten auch aus dem Ausland an
Karacsony: „Solidarität bedeutet mir sehr viel“
Nachdem sich Sozialdemokraten in einem Budapester Innenstadthotel trafen, hielten die europäischen Grünen ein Treffen im Gebäude der Central European University (CEU) ab, die vor einigen Jahren durch ein neues Universitätsgesetz der Regierung Orban mehrheitlich nach Wien hatte übersiedeln müssen.
Die Grünen in der CEU begrüßten dabei vor allem ihren Parteifreund Karacsony. „Jede Nation muss selbst für ihre Freiheit kämpfen, aber es bedeutet mir und den Bürgerinnen und Bürgern von Budapest sehr viel, dass ihr heute alle da seid und eure Unterstützung und Solidarität zeigt“, sagte der Bürgermeister.
red, ORF.at/Agenturen
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Neue Proteste in Serbien: Zehntausende fordern Neuwahl – ORF, 28.6.2025
In Serbien haben gestern erneut Zehntausende Menschen gegen die Regierung und für eine Neuwahl demonstriert. Zu der Massenkundgebung in der Hauptstadt Belgrad waren Menschen aus dem ganzen Land angereist, viele hielten serbische Flaggen und Schilder mit dem Namen ihrer Heimatstadt hoch. Zu Beginn sangen sie die Nationalhymne.
Serbien wird seit mehr als einem halben Jahr von der heftigsten Protestwelle seit den 1990er Jahren erschüttert. Auslöser war der Einsturz eines Bahnhofsvordachs im November vergangenen Jahres in Novi Sad, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen.
Gegen Regierung und Korruption
Zunächst ging es um die Unglücksursache, später richteten sich die vor allem von Studierenden getragenen Kundgebungen gegen die Regierung und die weit verbreitete Korruption im Land. Inzwischen wird bei den Protesten eine Neuwahlen gefordert.
Die Regierung steht wegen der Demonstrationen stark unter Druck. Die Studierenden, die die Proteste organisiert haben, stellten Präsident Aleksandar Vucic ein Ultimatum, um eine Neuwahl auszurufen. Vucic hatte die Forderung bereits zuletzt zurückgewiesen und erklärt, dass vor Ende 2026 nicht gewählt werde.
Vucic bezeichnete die Proteste zudem erneut als vom Ausland gesteuert: „Die ausländischen Mächte haben durch lokale Handlanger ein Ultimatum gestellt“, sagte er.
Auch Vucic-Unterstützer versammelt
Unweit der Großkundgebung der Studierenden auf einem großen Platz im Stadtzentrum versammelten sich gestern auch Tausende Unterstützer des Präsidenten. Vucic heizte die angespannte Lage mit Warnungen vor gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den beiden Lagern noch weiter an. Gegen Ende der Studentenproteste werde es zu „Gewalt kommen“, warnte der Präsident.
red, ORF.at/Agenturen
Studentenproteste: Breiter Widerstand gegen Vucic – ORF, 28.6.2025
Mit Straßenblockaden, Demonstrationen, Fußmärschen und Radtouren durch Serbien sowie bis nach Straßburg und Brüssel halten die serbischen Studierenden seit mehr als sieben Monaten ihre Proteste gegen Präsident Aleksandar Vucic aufrecht. Für Samstag, den für Serbien symbolisch wichtigen Vidovdan (St. Veitstag), rufen sie erneut zu einer Großdemo in Belgrad auf. Ihre Strategien, das politische System in Serbien zu ändern, reichen aber weit darüber hinaus. Die Regierung reagiert mit verschärftem Druck.
Standen zunächst Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit und ein Ende von Korruption im Fokus der Forderungen, sind es nun auch vorgezogene Neuwahlen. Dafür setzten die Studenten Vucic eine Frist. Bis Samstagabend müsse er die Auflösung des Parlaments beantragen und den Weg für Wahlen freimachen. Sollte dieses Ultimatum verstreichen, erwarte man, dass die Bürger Serbiens „bereit sein werden, alle verfügbaren Maßnahmen des zivilen Ungehorsams zu ergreifen, um ihr Grundrecht auf ein freies und legitimes demokratisches System zu schützen“, schrieben die Studenten in einem offenen Brief an die Regierung.
Ziel der Studentenbewegung ist eine Übergangsregierung für 18 Monate, um Voraussetzungen für faire Wahlen zu schaffen. Sie wollen keine eigene Partei gründen, sondern mit einer eigenen Liste antreten. Die Kandidaten und Kandidatinnen sollen nicht aus dem Kreis der Studentenbewegung und auch nicht von einer Partei kommen, erklärte der 20-jährige Student von der Universität Novi Sad, Luka Opruc. Er nahm als Vertreter der Bewegung an einer Veranstaltung des Forums für Journalismus und Medien (fjum), der Erste Stiftung und des Presseclubs Concordia zu den Auswirkungen und Perspektiven der Studentenproteste teil.
„Wir werden gewinnen“
Den Studierenden sei klar geworden, dass sie einen anderen Weg brauchen, analysierte dort der Politologe Slobodan Markovich: „Die politischen Parteien können nicht ausreichend mobilisieren.“ Die Bevölkerung habe auch das Vertrauen in die Opposition verloren, war auch Opruc überzeugt. Er zeigte sich jedenfalls siegessicher: „Wir werden gewinnen, wenn es Wahlen gibt.“ Laut einer aktuellen Umfrage der NGO NSPM würde die SNS derzeit auf etwa 33,5 Prozent der Stimmen kommen, eine Liste von Studenten und Opposition käme auf mehr als 43 Prozent der Stimmen.
Ein Indikator waren etwa Kommunalwahlen von Anfang Juni in zwei Kleinstädten – bisherigen Hochburgen der regierenden Fortschrittspartei SNS. Trotz enormen Wahleinsatzes und zahlreichen Versprechen der Regierung lag die SNS in einem Fall weniger als einen, im anderen Fall etwa zehn Prozentpunkte vor der Oppositionsliste.
Es sei eine der größten Leistungen der Proteste, gesellschaftliche Spaltungen überwunden zu haben, betonte die 20-jährige Studentin Ivona Markovic von der Uni Belgrad. Das gelang trotz gleichgeschalteter Medien. Die Studierenden suchten von Anfang den direkten Kontakt zur Bevölkerung bis ins kleinste Dorf. Das erreichten sie vor allem durch Fußmärsche und Radproteste quer durch das ganze Land und bis nach Brüssel und Straßburg. „Wir machen nun eine Pause von unseren physischen Aktivitäten und fokussieren uns auf die Wahlen“, sagte Markovic.
Mobilisierung und Selbstorganisation
Begonnen haben die Proteste, nachdem im vergangenen November das Vordach des Bahnhofs von Novi Sad eingestürzt war. 16 Menschen starben. Gefordert wurden eine Aufarbeitung der Ereignisse und strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen. Die Demonstrierenden sehen die verbreitete Korruption der Vucic-Regierung als Ursache für die Katastrophe.
Es folgten bereits wenige Tage nach dem Unglück Proteste und Mahnwachen, die ersten Fakultäten, zunächst in Novi Sad, kurz darauf auch in Belgrad, starteten ihre Blockaden. Die Vorlesungen und Prüfungen wurden gestoppt. „Wir haben in der Uni gegessen und geschlafen“, erklärte Markovic. Aus der „Notwendigkeit des Moments“ hätten sich weitere Schritte für die – basisdemokratische – Selbstorganisation ergeben.
Das betreffe Aufgaben wie Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung und Logistik, etwa für die Organisation von Spenden für Essen. Der erste Schritt sei die breite Mobilisierung und der Aufruf zur Selbstorganisation gewesen, ergänzte ihr Kommilitone Opruc. Nun werde mit der Vorbereitung auf Wahlen die Organisation auf ein höheres Level gehoben.
Professoren protestieren
Der Großteil der Professoren und Professorinnen schloss sich den Protesten an – mit Konsequenzen. Sie erhalten nur noch zwölf Prozent ihres Gehalts. Die Regierung argumentiert das mit der Blockade der Universitäten, da ja keine Vorlesungen stattfinden.
Als Reaktion auf die Proteste entstand – wohl mit Antrieb durch die Regierung – ein „Protestcamp“ von angeblich pro Regierung eingestellten Studierenden in einem Belgrader Park zwischen Präsidentenpalast und Parlament. Opruc bezeichnete sie als „Propaganda“. Berichten zufolge sind unter ihnen auch ältere Menschen zu finden, die offenbar dafür bezahlt werden, sich der Regierung gegenüber loyal zu erweisen.
Unterstützung der EU vermisst
Trotz aller Gegenmaßnahmen der serbischen Regierung wuchs die Zahl der Teilnehmenden bei den regelmäßigen Demonstrationen der vergangenen sieben Monate in Belgrad, Novi Sad und anderen Städten Serbiens. Einen vorläufigen Höhepunkt mit rund 300.000 Teilnehmenden wurde am 15. März erreicht. Anfang Mai schlossen sich auch die größten Gewerkschaften Serbiens den Protesten an.
Von der EU fühlen sich die Studierenden hingegen nicht unterstützt, waren sich Opruc und Markovic einig. Bei den Demos ist die serbische Flagge deutlich häufiger zu sehen als die europäische. Offenbar soll die serbische Flagge als – bisher von Vucic vereinnahmtes – nationales Element der Protestbewegung eine breite Basis in der Bevölkerung schaffen. Denn bisher argumentierte Vucics Regierung, dass die Proteste vom Ausland gesteuert seien.
Regierung verschärfte Gangart
Oberstes Ziel der Studierenden ist, Gewalt zu vermeiden. Die Regierung hingegen versucht, genau diese zu provozieren. Zudem verschärfte sie die Gangart gegenüber den Protesten. Immer wieder wurden Teilnehmer und Sympathisanten der Proteste festgenommen – zuletzt die Dekanin der Medizinischen Fakultät in Novi Sad und fünf Angehörige der Fakultät. Ihnen wird Amtsmissbrauch und Unterschlagung von Geldern vorgeworfen. Vertreter der Protestbewegung wiesen diese Anschuldigungen als absurd zurück.
Auch im Kulturbereich werden Veranstalter, die sich mit den Studierenden solidarisieren, unter Druck gesetzt. So blieben heuer etwa das Theaterfestival von Novi Sad und das bekannte Rockfestival Exit ohne finanzielle Unterstützung. Auch Sponsoren hätten sich „unter staatlichem Druck“ zurückgezogen, so die Exit-Organisatoren laut BBC. Sie kündigten bereits ihren Rückzug aus Serbien an.
Simone Leonhartsberger, ORF.at/Agenturen
Dieser Beitrag begleitet die Ö1-Sendung Europajournal, 27. Juni 2025.
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KOMMENTAR: Die Regierungschefs der EU demontieren sich im Handelsstreit mit den USA selbst – Daniel Imwinkelried, NZZ, 28.6.2025
Der Staatenbund wollte gegenüber den USA geeint auftreten. Lange hat der Vorsatz gehalten, am EU-Gipfel dieser Woche zerbrach die Geschlossenheit aber.
Eigentlich wollte die EU im Handelsstreit mit den USA geeint und selbstbewusst auftreten. Sie drohte damit, amerikanische Güter mit Zöllen zu belegen, falls die USA die bereits bestehenden Abgaben auf europäische Produkte bis zum 9. Juli nicht zurückzögen.
Aber die Drohung ist gerade verpufft, schlimmer noch: Die Europäer haben es wieder einmal geschafft, ihre vielbeschworene Einheit gegenüber den USA gleich selbst zu demontieren. Unter den Mitgliedsländern herrscht im Handelsdossier mittlerweile jene Kakofonie, die man vermeiden wollte. Ohrenbetäubend war der Missklang am EU-Gipfel Ende dieser Woche. In Brüssel reicht ein solcher Anlass, und schon fällt jede noch so aufwendig gestaltete Strategie in sich zusammen.
Von der Leyen will die WTO wiederbeleben
Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz etwa wünscht eine schnelle Handelslösung für einzelne Branchen, selbstverständlich am liebsten für heimische Schlüsselsektoren wie Auto und Chemie.
Andere Staatschefs sagten, sie könnten zur Not mit jenen 10 Prozent Strafzoll leben, welche die USA auf europäische Produkte als Basisabgabe erheben. Dieser Fraktion scheinen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni anzugehören.
Polens Ministerpräsident Donald Tusk fand, die Europäer sollten sich in den Verhandlungen mit den USA hin und wieder so unvorhersehbar verhalten wie die «Freunde auf der anderen Seite des Atlantiks». Dabei ist es doch gerade die von Trump geschaffene Unsicherheit, die vielen europäischen Firmen so sehr zu schaffen macht!
Vernünftig wäre es gewesen, wenn die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Regierungschefs zur Geschlossenheit gemahnt hätte. Aber stattdessen beteiligte sie sich an der Kakofonie, indem sie vorschlug, dass die EU mit der asiatischen Handelsorganisation CPTPP die Welthandelsorganisation (WTO) gleichsam wieder beleben solle.
Ist das ein strategischer Plan oder bloss ein Gedankenblitz? Man weiss es nicht. Aber besser wäre es auf jeden Fall gewesen, wenn von der Leyen die Idee für sich behalten hätte.
Erstens kann man sich nicht vorstellen, dass eine Kooperation von CPTPP und EU die WTO ersetzen kann. Die internationale Organisation mit Genfer Sitz ist ein grosses Werk, umfasst sie doch fast hundert Prozent des Welthandels – wenn sie einwandfrei funktioniert.
Zweitens werden sich die EU und die CPTPP kaum rasch einigen. Immerhin ist der asiatische Verbund noch heterogener als die EU, gehören ihm doch ein Schwellenland wie Vietnam an, aber auch ein Hightech-Stadtstaat wie Singapur und grosse Staaten wie die Agrarexporteure Neuseeland und Australien.
Wie will die EU mit solchen Partnern verhandeln, wenn sie selbst keine Einheit bildet? Diese besteht nicht einmal beim Mercosur-Dossier, also bei der Übereinkunft mit Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay.
Viktor Orban macht die EU-Verhandler klein
Von der Leyen und ihr Team haben das Mercosur-Abkommen Ende 2024 ausgehandelt, und es könnte angesichts der verworrenen Weltlage eine Art «Quick Win» für die EU darstellen. Aber es scheint, als hiessen längst nicht alle Mitgliedsländer die Übereinkunft gut. Zu gross ist die Angst vor der Wut der Bauern, besonders bei Macron.
Das Opfer dieses Durcheinanders ist der EU-Kommissar Maros Sefcovic, der um die Welt jettet, um für die EU neue Handelspartnerschaften auszuloten. Aber die EU-Länder haben ihn am Gipfel desavouiert, am schlimmsten Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Er sagte, die USA hätten in Sachen «Deal-Making» ein Schwergewicht wie Donald Trump, während seitens der EU Leichtgewichte am Werk seien.
Es stimmt zwar, dass die EU auf die Launen des US-Präsidenten nicht rasch reagieren kann, aber das ist nicht Sefcovic’ Schuld. Verantwortlich sind die geschwätzigen Regierungschefs und von der Leyen. Sie haben die Strategie der EU gegenüber den USA diese Woche mit ihrem Geraune in Trümmer gelegt. Die USA dürften sich wundern – und freuen.
. . .
LESERMEINUNG: Die Schweiz besitzt die eigenartige Eigenschaft so gut zu wissen was die EU immer falsch macht (gibt dazu immer gute Ratschläge), ohne je dabei sich selbst anzuschauen was sie genau will und wohin die Reise im Paradis-Land-Helvetia geht. Ich wünsche mir hier mehr Bescheidenheit, Demut, Selbstkritik, weniger Arroganz und grundsätzlich die konstruktive Fähigkeit eine realistische und ambitionierte Zukunft fürs Land zu entwickeln. Leider sehe davon im Augenblick nicht viel (letzte Arena-Sendung zum F-35).
DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN – APA-WAHLTREND
Österreich kehrt langsam auf den Wachstumspfad zurück – Prognose für 2025 und 2026 – WIFO, 26.6.2025
Nach zwei Jahren Rezession dürfte Österreichs Wirtschaftsleistung im Jahr 2025 stagnieren. Für 2026 erwartet das WIFO ein BIP-Wachstum von 1,2%. Dann sollten infolge der anziehenden Weltkonjunktur sowohl die Exporte als auch die inländische Nachfrage der österreichischen Wirtschaft wieder etwas Fahrt verleihen. …
Vorsicht, Falle: Chinesische Onlineshops werben mit Austrotradition – ORF, 28.6.2025
Sie heißen „Schneider-Vienna“ oder „Cecile-Wien“ und präsentieren sich in sozialen Netzwerken als traditionelle Familienunternehmen aus Österreich. In Wirklichkeit stecken dahinter internationale Anbieter – oft aus China. Viele Konsumentinnen und Konsumenten fallen auf die emotionale Werbung herein und bleiben am Ende auf minderwertiger Ware und hohen Rücksendekosten sitzen.
In sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram kursieren derzeit vermehrt Werbeanzeigen von vermeintlich österreichischen Onlineshops mit Namen wie „Schneider-Vienna“, „Cecile-Wien“ und „Alpiner Stil“.
Sie werben mit Bildern im Trachtenstil, betonen Tradition und Nähe – und erzählen oft von einem angeblichen Schicksalsschlag: etwa dass ein Familienmitglied gestorben sei oder der Familienbetrieb aufgrund der „Konkurrenz großer Konzerne“ schließen müsse. Angeblich deshalb müsse man nun den Totalabverkauf starten, mit bis zu 80 Prozent Rabatt.
Doch egal ob aus Mitgefühl oder wegen der Aussicht auf einen 80-Prozent-Rabatt: Der schnelle Klick führt in die Falle. Hinter diesen Shops steckt keine Schneiderei in Wien, sondern meist ein Unternehmen in Fernost. Die Produkte werden direkt aus China geliefert.
Verbraucherrecht greift – theoretisch
Das EU-Verbraucherrecht gilt grundsätzlich auch bei Bestellungen außerhalb der Union. Entscheidend ist dabei unter anderem, ob der Onlineshop klar und verständlich über seinen Firmensitz und die Rücksendemodalitäten informiert.
Wurde das nicht transparent gemacht – etwa, dass Rücksendungen auf eigene Kosten nach China erfolgen müssen –, können Konsumentinnen und Konsumenten den Kauf widerrufen, sagt Karl Gladt, Jurist bei der Internet-Ombudsstelle des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT). In diesem Fall müssten keine Rücksendekosten getragen und auch keine weiteren Zahlungen geleistet werden.
Screenshot: schneidervienna.at Lokalkolorit und satte Rabatte sollen Konsumentinnen und Konsumenten in die Falle locken
In der Praxis beginnt der Ärger allerdings genau an diesem Punkt: Rücksendungen werden durch unklare Anleitungen, Lagergebühren oder Zollprobleme künstlich erschwert. Selbst wenn die Ware tatsächlich zurückgeschickt wird, wird sie oft nicht angenommen. Für Betroffene bedeutet das in vielen Fällen: Geld verloren, Widerruf wirkungslos.
Käuferschutz nur in Ausnahmefällen
Ein möglicher Ausweg kann der Käuferschutz sein – etwa bei Kreditkartenzahlung und Diensten wie PayPal. Dort gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, das Geld zurückzufordern, wenn keine oder stark abweichende Ware geliefert wurde.
Allerdings: Auch hier gibt es keine Garantie, denn die Entscheidung, ob der Käuferschutz gewährt wird oder nicht, liegt bei den Zahlungsdienstleistern. Wenn beispielsweise Kleidung geliefert wird, die zwar billig aussieht, aber grob dem entspricht, was bestellt wurde, greift der Käuferschutz nicht. Ebenso bei falsch sitzenden Kleidungsstücken oder Farbabweichungen. Wer ein „Designerstück“ um 20 Euro bestellt und nun tadellose Qualität erwartet, habe schlechte Karten, sagt Gladt.
Rechtsdurchsetzung vor Gericht kaum möglich
Ein weiteres Problem: Selbst wenn Konsumentinnen und Konsumenten rechtlich im Vorteil wären, ist eine Durchsetzung de facto unmöglich. Klagen gegen Anbieter in China sind für Privatpersonen weder praktikabel noch finanzierbar. Das bedeutet: Recht haben ja – recht bekommen nein.
Screenshot: alpiner-stil.com Die Firma „Alpiner Stil“ scheint aus den Niederlanden zu sein. Erst im Kleingedruckten merkt man, dass der Shop in China liegt.
Automatisierte Vertröstung
Viele Betroffene berichten von langwierigen E-Mail-Korrespondenzen mit dem vermeintlichen Kundendienst. Dabei werden standardisierte Antworten verschickt – etwa mit der Bitte, Fotos des Artikels zu senden oder bestimmte Formulare auszufüllen. Sandra Pöheim von der Watchlist Internet spricht von einer gezielten Hinhaltetaktik. Das Ziel sei klar: Konsumentinnen und Konsumenten sollen zermürbt werden, bis sie aufgeben.
Augen auf bei Social-Media-Werbung
Die auffällig emotionale Werbung in sozialen Netzwerken ist ein zentrales Merkmal dieser neuen Shopmasche. Der wichtigste Schutz besteht darin, die Angebote kritisch zu hinterfragen, so Pöheim. Vor dem Kauf sollten folgende Punkte unbedingt geprüft werden:
• Impressum und Firmensitz
• Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
• Rückgabebedingungen und Versandmodalitäten
• Bewertungen auf mehreren Portalen prüfen
• Existenz auf Kartendiensten (z. B. Google Maps) verifizieren
Wenn sich ein Shop tatsächlich als traditionsreiches Unternehmen präsentiert, sollte sich auch eine entsprechende Webpräsenz oder Erwähnung auf vertrauenswürdigen Plattformen finden. Wer in einem unbekannten Shop bestellt, muss eine Menge Recherchearbeit investieren. Das sei zwar mühsam, ist aber dringend zu empfehlen, wenn man beim Onlinekauf unangenehme Erfahrungen vermeiden möchte, sagt Pöheim.
Dieser Beitrag begleitet die Sendung „help – das Ö1-Konsumentenmagazin“, Ö1, 28.6.2025.
Paul Urban Blaha, help.ORF.at
27 ukrainische Auslieferungsanträge an Österreich gestellt – ORF, 29.6.2025
Die ukrainische Justiz hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 27 Auslieferungsanträge an Österreich gestellt. Österreich bewilligte aber nur eine Auslieferung, wie das Justizministerium auf APA-Anfrage mitteilte.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte das Thema bei seinem Wien-Besuch Mitte Juni angesprochen: „Ehemalige Beamte, Ex-Politiker und Oligarchen verstecken sich in Österreich vor der ukrainischen Strafverfolgung“, hatte er beklagt.
Oligarchen und Ex-Politiker
Auf der Liste der ukrainischen Ermittlungsbehörden sollen einige Oligarchen stehen, zudem unter anderen ein ehemaliger Chef der Nationalbank, ein Ex-Vizeminister sowie ein ehemaliger Abgeordneter, berichtete das Ö1-Morgenjournal gestern unter Berufung auf den „Standard“.
Debatte über Auslieferungen an Ukraine
Der „Standard“ hatte Ende März geschrieben, dass es sich um Delikte wie Korruption, Veruntreuung und Geldwäsche handle. Es gehe um Summen in Millionenhöhe. „Wien, so soll es sich herumsprechen, sei ein sicherer Hafen, um den Fängen der ukrainischen Justiz zu entkommen“, schrieb die Zeitung unter Berufung auf ukrainische Medienberichte.
Eine Auslieferung
Das Justizministerium bestätigte auf APA-Anfrage die Zahl der Auslieferungsanträge sowie eine erfolgte Auslieferung. Eine Sprecherin sagte, dass keine Auskunft zu Einzelfällen erteilt werden könne. Laut „Standard“ dürfte es sich dabei aber „um eine freiwillige Auslieferung und um kein Korruptionsdelikt“ gehandelt haben.
Spätestens seit Jänner 2023 seien vom Landesgericht für Strafsachen Wien alle Auslieferungen in die Ukraine abgelehnt worden, ergänzte Gerichtssprecherin Christina Salzborn gegenüber der APA. Zudem habe es im März 2022 in einer Rechtshilfesache eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Wien gegeben. Dabei sei die Rechtshilfe an die Ukraine abgelehnt worden – und zwar mit der Begründung, dass, wenn keine Auslieferung möglich sei, auch keine Rechtshilfe gewährt werde.
red, ORF.at/Agenturen
Keine Anzeige von Skigebieten: was aus dem Google Maps-Fiasko zu lernen ist – Markus Redl. Tourismuspresse, 29.6.2025
Ausgerechnet zu Beginn der vergangenen Wintersaison waren sie plötzlich weg: Lifte und Pisten – spurlos verschwunden aus Google Maps. Zunächst in den USA bemerkt (Why Did Google Remove Ski Lifts, Trails from Maps?), dann auch in Europa. Für eine Branche, deren Geschäftsmodell maßgeblich von Sichtbarkeit, Orientierung und digitaler Customer Journey lebt, ist das ein Rückschlag.
Dabei war der Anfang durchaus vielversprechend: Bereits 2013 kündigte Google an, Skigebiete in Maps zu integrieren – inklusive Street View-Voransicht ausgewählter Pisten. Doch was folgte, war ein typisches Plattform-Schicksal: Anfangseuphorie ohne nachhaltige Pflege. Veraltete Liftanlagen tauchten noch Jahre später auf, während neue Infrastrukturen – etwa in der Wexl Arena in St. Corona am Wechsel – schlicht fehlten. Die Betreiber bemühten sich vereinzelt um Korrekturen, doch der direkte Draht zu Google blieb ebenso unzuverlässig wie die Daten selbst.
Digital unterschätzt: Der alpine Tourismus als Randnotiz
Die stille Löschung des Skigebiets-Layers zeigt: Im globalen Maßstab spielen Skigebiete für Google keine relevante Rolle. Zu fragmentiert, zu uneinheitlich, zu aufwändig. Statt eines verlässlichen Datenfeeds war Google mit händischen Updates, Einzellösungen und dann auch noch Beschwerden unzufriedener Liftgesellschaften konfrontiert. Aus wirtschaftlicher Sicht war der Rückzug nur konsequent.
Noch beunruhigender ist jedoch, wie wenig Widerstand oder Reaktion folgte. Weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene war die Branche in der Lage, sich selbst zu organisieren und digitale Standards für ihre Kerninfrastruktur durchzusetzen. Somit ist die Möglichkeit, mit Google oder anderen Plattformanbietern auf Augenhöhe zu verhandeln, schlicht nicht gegeben.
Worum es wirklich geht: Sichtbarkeit, Steuerung, Verantwortung
Dabei sind digitale Kartendienste wie Google Maps längst nicht mehr nur nette Begleiter der Urlaubsplanung (Google Maps celebrates 20 years with 20 favorite features). Sie lenken die Erwartungen, Bewegungen und Entscheidungen von Millionen Gästen – vor, während und nach deren Aufenthalt. Wer dort nicht vorkommt, findet nicht statt.
Drei Gründe, warum Skigebiete endlich gemeinsam handeln sollten:
- Besucherstromlenkung
Nur mit verlässlichen Echtzeitdaten zu Kapazitäten, Wartezeiten, Parkplätzen und geöffneten Anlagen lässt sich eine gleichmäßige Auslastung steuern – im Sinne von Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Komfort und Nachhaltigkeit. - Schutzraumplanung
Im Zuge der Umsetzung des Nature Restoration Law und ähnlicher Initiativen wird es immer wichtiger, klar zu definieren, welche Infrastrukturen wie genutzt werden dürfen. Digitale Karten spielen dabei eine zentrale Rolle – etwa bei der Abgrenzung von Ruhe- und Nutzungszonen. - KI-kompatible Datenbereitstellung
Ob ChatGPT, Google Gemini oder Siri – immer mehr Gäste holen sich ihre Infos über KI-Systeme. Fehlen dort belastbare Daten, liefern diese trotzdem Antworten. Nur werden sie falsch sein. Wer seine eigenen, korrekten Daten nicht verfügbar macht, fördert die Verbreitung von Missverständnissen oder Halluzinationen.
Hausaufgabe: Standards, Plattformen, Zusammenarbeit
Experten wie Hartmut Wimmer (Outdooractive, Digitize the Planet, European Trails) fordern seit Jahren, dass Tourismusregionen – und besonders Skigebiete – endlich gemeinsame Datenstandards etablieren. Nur so können Informationen zentral gepflegt, maschinenlesbar gemacht und in Plattformen eingespeist werden. Der Aufbau redundanter, isolierter Insellösungen mag kurzfristig attraktiv erscheinen, ist langfristig jedoch ineffizient und potenziell existenzgefährdend.
Was es jetzt braucht, ist ein Schulterschluss – von Betreibern, Verbänden und Technologiepartnern.
Fazit
Der Rückzug von Google Maps ist ein Weckruf: Wer sich digital nicht organisiert, wird übergangen. Wer nicht sichtbar ist, verliert Gäste. Und wer keine verlässlichen Daten liefert, überlässt die Kontrolle anderen – ob Algorithmen oder Mitbewerbern.
P.S. Das unlängst abgehaltene BergNetzWerk-Webinar Endlich unabhängig von Google Maps? Über eine offene Datenplattform für Skigebiete. mit Hartmut Wimmer, Thomas Surrer und Ihrem Autor ist online verfügbar.
ÖSTERREICHISCHES PARLAMENT
ORF-MELDUNGSBÜNDEL ÖSTERREICH
27 ukrainische Auslieferungsanträge an Österreich gestellt
Meinl-Reisinger reist nach Israel
ÖVP Salzburg: 97,5 Prozent für neue Obfrau Edtstadler
Wohlgemuth neuer Vorsitzender der Tiroler SPÖ
Gesetz für mehr Barrierefreiheit tritt in Kraft
Chinesische Onlineshops werben mit Austrotradition
Koralmbahn: Bahnhof Weststeiermark wurde präsentiert
MEDIZIN – GESUNDHEIT
Umwelt spielt für Schlaf entscheidende Rolle – Wochentage, Jahreszeiten und Wohnorte haben laut FHMRI Sleep Health einen großen Einfluss – Pressetext, 27.6.2025
Bedford Park (pte020/27.06.2025/10:30) – Die Schlafmuster des Menschen werden tatsächlich durch den jeweiligen Tag der Woche, die Jahreszeit und den Lebensort geformt. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie unter der Leitung von FHMRI Sleep Health. Die Forscher haben hierfür Daten von rund 73 Mio. Nächten ausgewertet. Ihre Erkenntnisse sind im Fachmagazin „SLEEP“ veröffentlicht.
Leiser Störenfried Alltag
Die Schlafdaten von über 116.000 Erwachsenen auf der ganzen Welt sind mit einem unter der Matratze angebrachten Gerät gesammelt worden. Erhoben wurden über einen Zeitraum von 3,5 Jahren die Schlafdauer und das Timing. Laut Forschungsleiterin Hannah Scott erlauben die Ergebnisse einen detaillierten Einblick, wie Geografie, Jahreszeiten und die täglichen Terminpläne den Schlaf still und leise stören. Scott: „Bei Schlafmustern geht es nicht nur um Gewohnheiten. Sie sind mit der Welt um uns herum eng verbunden.“
Laut Co-Forschungsleiter Bastien Lechat gibt es bei den Schlafrhythmen Unterschiede zwischen den Wochentagen und dem Wochenende. Die meisten Menschen holen an den beiden freien Tagen zwischen 20 und 35 Minuten des zuvor verlorenen Schlafs wieder auf. Sie gehen am Wochenende zwar zwischen 30 und 40 Minuten später schlafen, die Menschen schlafen dafür aber auch länger. Hier wurden Werte von bis zu 80 Minuten beobachtet.
Mittleres Alter stark betroffen
Lechat betont, dass diese Veränderungen zwar gering erscheinen, sie wirken sich jedoch drastisch auf die innere Uhr aus. Vor allem Erwachsene mittleren Alters, besonders jene zwischen 40 und 60 Jahren, weisen die größten Unterschiede bei der Schlafdauer zwischen den Wochentagen und dem Wochenende auf. Wahrscheinlich ist das auf die Doppelbelastung einer vollen Berufstätigkeit und Verpflichtungen gegenüber der Familie zurückzuführen.
Zudem spielen die Veränderungen der Jahreszeiten eine größere Rolle als bisher angenommen. Menschen, die auf der Nordhalbkugel leben, schlafen im Winter zwischen 15 und 20 Minuten mehr. Die Bewohner der Südhalbkugel hingegen schlafen in den Sommermonaten weniger. Je weiter jemand vom Äquator weg lebt, desto größer sind laut Scott auch die jahreszeitbedingten Veränderungen des Schlafes.
Bereits während der Laufzeit der Studie hat sich ein subtiler, aber ständiger Rückgang der insgesamt schlafend verbrachten Zeit gezeigt. Zwischen 2020 und 2023 schliefen die Menschen rund 2,5 Minuten pro Nacht weniger. Die Forscher vermuten, dass hier ein Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie besteht. Diese Entwicklung stimmt auch mit der zunehmenden Sorge überein, dass ein unregelmäßiger Schlaf mit Gesundheitsproblemen in Verbindung steht.
(Ende)
Ernährung
Jedes zweite Milchprodukt laut Studie überzuckert – ORF, 28.6.2025
Jeder dritte Salzburger leidet laut Statistik Austria aktuell an Übergewicht, mehr als 14 Prozent sogar an krankhafter Fettleibigkeit. Die SIPCAN-Initiative des Salzburger Internisten Friedrich Hoppichler untersucht daher jährlich den Zuckergehalt sämtlicher heimischen Milchprodukte.
Im Kampf für gesunde Ernährung, der vom Salzburger Internisten Friedrich Hoppichler gegründeten Initiative SIPCAN, gebe es zwar Fortschritte, so sei der Zuckergehalt von Milchprodukten in den vergangenen 13 Jahren um 20 Prozent reduziert worden. Allerdings sei weiterhin jedes zweite Produkt von 1.111 untersuchten Joghurts, Desserts oder Molkegetränken deutlich überzuckert, sagt Ernährungswissenschafter Manuel Schätzer: Zu viel Zucker bedeutet, die Produkte liegen über unseren wissenschaftlichen Grenzwerten. Von elf Gramm Zucker pro 100 Gramm bzw. Milliliter, so wie man es auf der Nährwertkennzeichnung eines Produktes finden kann.
Seltener kleinere Packungen
Zuviel Zucker werde im Körper als Fett abgelagert und verursache Krankheiten wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch Depressionen oder orthopädische Probleme. Schätzer empfiehlt seltener, zu kleineren Packungsgrößen zu greifen oder auch weiße Joghurts selbst mit Obst zu süßen, um dem Körper möglichst keinen zusätzlichen Zucker zuzuführen.
red, salzburg.ORF.at
UNTERNEHMEN
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GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN
*** nicht aktualisiert ***
AKTIENEMPFEHLUNGEN – BUY & SELL
Aktuell (—):
Aktien um 10 Euro je Stück sind FETT hervorgehoben.
Die erwarteten stolzen Kursgewinne sind dem Übermut der tollen Analystenzunft zu verdanken! Hirn selbst einschalten und kritisch bewerten. MERKE: Klappern gehört zum Geschäft. Es geht letztlich nicht so sehr um die Beratung der Anleger, sondern um die spekulativ selbst gehaltenen Aktien der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaften etc.), für die die Analysten tätig sind: wenn viele kaufen, steigen die Kurse, und 5% Plus sind zwar weniger als 15% oder 35%, aber besser als 5% Minus. Zudem lassen sich schnell noch eigentlich „schlechte“ Aktien im Portfolio des Hauses (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) verkaufen, für die der Analyst tätig ist, sofern die werten privaten Anleger den Kaufempfehlungen folgen. So schaut’s aus im Schneckenhaus! Nochmals: Hirn selbst einschalten. Die Finanzbranche lebt vom Trübe-Machen des Wassers!
NICHT ZULETZT: Verkaufsempfehlungen werden ungern gegeben, da sie auf das Portfolio der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) rückschließen lassen, zu denen die Analysten gehören. Verkaufsempfehlungen werden aus zwei Gründen gegeben: a) es ist tatsächlich Feuer am Dach des analysierten Unternehmens, b) das Haus möchte die Aktien des zum Verkauf empfohlenen Unternehmens billiger zurückkaufen, sofern den Verkaufsempfehlungen gefolgt wird. Letztlich agieren an der Börse die Optimisten, und die wollen positive Nachrichten hören, also werden sie von den Häusern und ihren Analysten entsprechend bedient.
UND ZU ALLERLETZT: die Analysten bespiegeln sich untereinander: wer hat was empfohlen oder nicht empfohlen, es kommt zu herdenpsychologischen Erscheinungen derart: der Leithammel hat empfohlen, also machen wir das auch. Die jeweiligen Analysen werden entsprechend (um)formuliert. Das zweite Moment: die Konkurrenz, die u.U. zu skurrilen Interpretationen des analysierten Unternehmens führt.
FAZIT: was die Analystenzunft von sich gibt, kann aufschlussreich sein, muss es aber nicht, vermittelt einen zusätzlichen Eindruck zu einzelnen Aktiengesellschaften. Wichtig ist der Blick auf zweierlei: a) entscheidend: auf die volkswirtschaftliche Situation des Landes, der Welt; b) sekundär (!) auf das Unternehmen und seine Branche: Charakter des Managements, klare, gut durchschaubare Produktpalette, Langlebigkeit des Unternehmens und seine Stetigkeit im Gebaren.
Renten- und Aktienmärkte
Man halte sich vor Augen: Aktienmärkte sind die Pfützen in der Welt der Veranlagungsmöglichkeiten. Anleihenmärkte (Rentenmärkte, Kapitalmärkte) sind die großen Ozeane ebendort. Daher sind Aktienmärkte volatil und reagieren auf den leisesten Windhauch mit u.U. kräftigen Ausschlägen. Die Seelen der Anleger sind sehr verletzlich: Angst und Gier bestimmen hier jegliches Handeln, die vernünftige Veranlagungsentscheidung steht an zweiter Stelle. Das verursacht in den kleinen Geldpfützen der Aktienmärkte hohe Wellen. Aber dort stehen nach erster Erschütterung später die rationalen Kaufs- und Verkaufsentscheidungen felsenfest – bis zur nächsten Seelenerschütterung.
Anleiheanleger sind cooler und gezügelter im Gemüt. Hier geht es eher um Langfristperspektiven. Alles dreht sich um den Zins und wie er sich weiterentwickelt. Wer an der Zinsschraube dreht, dreht am Schicksal ganzer Volkswirtschaften. Da ist das aufgeregte Gegackere an den Aktienmärkten geradezu uninteressant.
Aber kommen Anleihemärkte einmal ins Rutschen – nach oben oder nach unten – dann ist Feuer am Dach. Schon 0,5 oder gar 1 Prozent Veränderung in einem Anleihenindex sind eine „Weltbewegung“ im Milliarden- oder Billionengeldmeere der Anleiheozeane.
Dazu kommt: Die Anleiherenditen konkurrenzieren mit den Aktienrenditen. Eine hohe Anleiherendite jenseits der 3 Prozent wirkt umso „giftiger“ auf die Aktienkursentwicklungen, je höher sie ist. Liegt sie unter 3 Prozent, begünstigt sie die Aktienkäufe, Je deutlicher sie unter 3 Prozent liegt, umso eher. Das ist die Regel. Die Ausnahme – so, wie wir sie gerade sehen – bestätigt diese Regel. Früher oder später wird sie ihre dominante Stellung als Regel wieder einnehmen.
Diese Verhältnisse sind es, die im Tagesblick in der Regel die Berichte zu den Anleihemärkten wiedergeben lassen, dass aufgeregte Geflattere und Gegackere an den Aktienmärkten im Detail interessiert in der Regel nicht die Bohne.
Zur Renditebestimmung bei Anleihen: notiert die Anleihe zu 100 Prozent, dann stimmen Anleihezinssatz (der Couponzins) und Anleiherendite überein. Sinkt der Anleihekurs unter 100 Prozent, steigt die Rendite, umgekehrt gilt: steigt der Anleihekurs, so sinkt die Rendite. So einfach ist das. Und so weltbewegend in der Tat.
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Allgemeine Empfehlungen: Es geht vornehmlich um die Zukunft der Energiegewinnung und die Energielieferanten. Renner bleiben Telekommunikations-Unternehmen, deren Dienstleistungen in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft unabkömmlich sind. Unter den Logistik-Aktien sind in der Regel die Post-Aktien interessant. Diese Branchen sind weniger konjunkturabhängig als z.B. Konsumaktien, darunter die Post-Aktien noch am ehesten.
Hinzu kommt, dass die klassischen erdölverarbeitenden Energielieferanten (Up- und Downstream) mehr oder weniger energisch in großem Stil auf Alternativenergien umstellen. Es bleibt ihnen angesichts des Klimawandels, der öffentlichen Meinung und der in absehbarer Zeit erschöpften Welt-Erdölreserven auch nichts anderes übrig. Über das Kapital für den weltlebensnotwendigen Umbau verfügen sie dank ihrer Aktionäre. Es geht aus Sicht der Unternehmen um zukunftsträchtige Geschäftsmodelle in einer überschaubaren Branche – Energie – und aus Sicht der Aktionäre um steigende Unternehmenswerte / Aktienkurse als Inflationsschutz und sichere, möglichst stabil wachsende Dividenden, ebenfalls hinsichtlich des Inflationsschutzes.
Anti-Nachhaltigkeits-Bewegung in den USA als 180-Grad-Wendung in der Veranlagungsgebarung
Der aktuelle politische Druck in den USA zwingt eine Reihe großer Vermögensverwalter, darunter die weltgrößten wie Blackwater und Vanguard (verwaltetes Vermögen: 20 Billionen US-Dollar), nachhaltige Unternehmen potentiellen Anlegern nicht mehr zu empfehlen. Sie selbst verkaufen solche Unternehmen aus ihren Portfolios. Es gibt sogar seitens republikanisch regierter Bundesstaaten wie insbesondere Texas Kaufverbote für staatliche Pensions- u.a. Fonds.
Ausgestiegen sind bereits US-amerikanische Großbanken wie JP Morgan, Goldman Sachs, Wells Fargo, Bank of America, Citigroup (verwaltetes Vermögen: 9 Billionen). Ähnliches betrifft die Kreditvergabe. Offen bleibt, wie private und Unternehmensanleger (nicht-staatliche Fonds) künftig disponieren werden.
Unter den angebotenen Finanzanlagen kursieren seit geraumer Zeit besondere Nachhaltigkeitsprodukte in Form sog. ESG-Fonds (mehr dazu hier), die hohe Renditen versprachen und daher recht starken Zulauf hatten; die Renditen wurde seit Erhöhung der Kreditzinsen gebremst, da dadurch kreditfinanzierte Nachhaltigkeitsprojekte (Windparks, Solaranlagen etc.) weniger rentabel wurden.
In der Europäischen Union will man sich weiter an entsprechende Nachhaltigkeitsauflagen festhalten. Bislang wurden in europäische ESG-Fonds 9 Billionen Euro investiert, was 61 Prozent des gesamten Fondmarktvolumens entspricht. Der Zufluss hat sich 2024 allerdings um die Hälfte auf 37 Milliarden Euro reduziert. Zudem wurden mehr ESG-Fonds geschlossen als eröffnet. Nicht nur die hohen Zinsen, die die ESG-Fonds-Renditen beeinträchtigten, führten dazu, sondern auch „grüne Schönfärberei“: es stellte sich da und dort heraus, dass die versprochene Nachhaltigkeit mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit bestand. (Quelle: Wirtschaft vor Acht, ARD, 10.1.2025 (KURZVIDEO, bis 17.1.2025 verfügbar))
FAZIT: Es bleibt abzuwarten, was das für den Klimaschutz in den USA und weltweit künftig bedeutet. Für Österreich stellt sich die Frage, wie eine künftige Regierung sich in Sachen Klimaschutz verhalten wird.
Aktienkauf – der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung – bedeutet Übernahme eines Risikos in Hinblick auf das künftige Unternehmensschicksal. Die Dividende stellt eine Risikoprämie dar.
Aktienanalytischer Blick auf Aktien im Euroraum und speziell Österreich (Stand: 24.2.2025):
ACHTUNG – STEUERVERÄNDERUNGEN ANTE PORTAS:
Ins Gerede kommen in absehbarer Zeit auf EU-Ebene und auf Österreich-Ebene vermutlich Aktienbesteuerung (Verkaufsgewinne, Dividenden) ebenso wie Vermögens- und Erbschaftssteuer. Diese Steuern sind in Veranlagungsüberlegungen mit einzubeziehen.
Im Folgenden sind Aktien um 10 Euro je Stück und darunter FETT hervorgehoben.
Neu aufgenommene Aktien werden mit ### gekennzeichnet.
Beobachtenswert ist der Umweltschutz- und Wasserwirtschaftswert Veolia
Ein Kaufsignal liefern weiterhin ENI, UNICREDIT und TOTAL ENERGIES, im Vergleich zum 3.2.2025 stabile Bewertung mit jeweils fünf Sternen bewertet.
Ein Kaufsignal liefern ENEL, PORR, SHELL, VERBUND, ### VIENNA INSURANCE GROUP mit jeweils vier Sternen bewertet.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung mit jeweils vier Sternen bewertet.
Ein niedriges KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zeichnet aus:
RWE, TOTAL ENERGIES, ### UNICREDIT SPA, PORR, OMV, ### UNIQA, EVN, ENEL, TELECOM AUSTRIA, ### STRABAG, WIENERBERGER, SHELL, PALFINGER.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktie RWE ist die mit dem niedrigsten KGV = 4,8, PALFINGER die mit dem höchsten KGV = 9,3.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung.
Ein niedriges dynamisches KGV (PEG, Price-Earning-to-Growth) weisen u.a. auf:
ENI, UNICREDIT, ### KONTRON AG, OMV, SHELL, PORR, WIENERBERGER, PALFINGER,
Nicht mehr dazu gehören: VIENNA INSURANCE GROUP, TELECOM AUSTRIA.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktien ENI = 0,5 ist die mit dem niedrigsten, PALFINGER die mit dem höchsten PEG = 1,4.
Im Vergleich zum 3.2. 2025 ist die Auswahl verändert, einzelne Aktien kamen dazu, andere fehlen nun!
Als Aktien mit langfristigem Kurspotential werden u.a. gesehen:
TOTAL ENERGIES, ENI, VERBUND, E.ON.SE, EVN, RWE.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene mit der größten Langfristchance.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl stabil, die Reihenfolge hat sich geändert.
Als Aktien mit hoher Sicherheit werden u.a. bewertet VIENNA INSURANCE GROUP, VERBUND; die Bewertungen bleiben unverändert zum 3.2.2025.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene Aktie mit der größten Sicherheit.
Aktien mit hoher Dividendenrendite sind:
OMV, ORANGE, TELEFONICA, ENI, UNIQA, ENEL.
Aktien mit der größten Dividendenrendite stehen am Anfang der Reihe: OMV 12,6%, am Ende die mit der niedrigsten: Enel 6,7%, jeweils vor Steuer.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl gleich, die Reihenfolge hat sich geändert.
KAUFKRITERIEN neben den aktienanalytischen Kennzeichnungen sind der Reihe nach: WER? – Qualität und Charakter (Psychologie!) des Managements, Häufigkeit des Managementwechsels, Unternehmenskultur; WAS? – Produkteinfachheit: „einfach gestrickte“, leicht zu durchschauende/transparente Produkte oder Dienstleistungen, eher kleine Produktpalette bzw. enger umschriebenes Dienstleistungsangebot, Konstanz der Nachfrage; WIE? – Sicherheit, Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Wechselfällen, finanzielle Stabilität des Unternehmens, Konkurrenzsituation; WO? – geographische und „politische“ Lage möglichst fern von Krisengebieten inkl. solchen mit politischer Unruhe oder in Ländern mit totalitären Systemen oder deutlich defekten Demokratien (illiberale Demokratien); WANN? – Lebensdauer bzw. Überlebensdauer (Weltkriege etc.) des Unternehmens bisher, Stetigkeit der Dividendenzahlungen.
FAZIT: vor dem Kauf einer Unternehmensbeteiligung sich zur Aktiengesellschaft schlau machen: WER, WAS, WIE, WO, WANN.
ZWEI DINGE sind zusätzlich zu beachten:
# Langfristanlage durch Erwerb von Defensiv-Aktien (u.a. Energie, Telekom),
# Verbleib in einem Währungsraum, das ist der Euroraum. Daher werden die allseits seit Jahren gehypten US-Aktien hier mit Absicht außen vor gelassen, um das Währungsrisiko klein zu halten. Gleiches gilt für den Erwerb von Schweizer Aktien, wie die Vergangenheit mit Blick auf das sehr wechselhafte Wechselkursverhältnis Schweizer Franken / Euro gezeigt hat.
Die Europäischen Union als Veranlagungsrisiko?
Das Staatssystem der Europäischen Union kommt einer defekten Demokratie gleich und erstreckt sich in den Währungsraum (Euroland), in dem gehandelt wird. Man spricht auch von einem Demokratie-Defizit der Europäischen Union. Risiken dieser defekten Demokratie, um einige zu nennen, sind: Regelungen „von oben herab“ auf nicht sehr transparente Weise und Steuervorgaben, die sich durch Negieren realer Alltagserfordernisse auszeichnen, Überwachungsbestrebungen, hoher Bürokratieaufwand für Unternehmen und Bürger. All dies markiert Abgehobenheit und Bürgerferne der EU-Politik.
Kennzeichnend für das Gebaren (Governance) der EU ist ein Ineinandergreifen von EU-Exekutive (Kommission mit ihren Kommissariaten) und einem nicht gut überschaubaren Geflecht zahlreicher, der EU nahestehenden und von ihr geförderten Institutionen, Organisationen und Einrichtungen, die auf vielen Ebenen EU-Kommissionsvorgaben umsetzen helfen. Sie helfen insbesondere dabei, die von EU-Rat- und EU-Kommission angedachten, aber für Bürger und Unternehmen noch nicht „akzeptablen“ Vorgaben „schmackhaft“ zu machen, um so zu einer ausreichend hohen Akzeptanz in der Bevölkerung zu führen, die eine politische Umsetzung ermöglicht.
Junker sagte 1999 dazu sehr verkürzt und sinngemäß: was wir heute als EU nicht durchsetzen, das werden wir dann schon später durchsetzen. Dem Lobbyismus Richtung EU-Exekutive (insbesondere seitens der Unternehmen) steht ein „Lobbyismus“ seitens der EU in Richtung auf die Einrichtungen der Mitgliedsländer sowie auf die Unternehmen und die Bevölkerung gegenüber, dessen Räderwerk für den Normalbürger praktisch nicht durchschaubar ist. Inwieweit kommt dies einem autokratischen Verhalten von der Maschek-Seite gleich?
Hauptziel der EU-Bestrebungen ist die Etablierung der Vereinigten Staaten von Europa, die den derzeit bestehenden Verbund der Mitgliedsstaaten ersetzen soll. Das deutet auch der Wechsel der Namensgebungen im Zeitverlauf an:
# Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, umgangssprachlich auch Montanunion, 1951)
# Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957 inklusive EURATOM)
# Europäische Gemeinschaften (EG, 1965 ff., Fusion von EWG, EURATOM und einzelnen EG-Organen, Fusions- und Folgeverträge)
# Europäische Gemeinschaft (EG, seit 1993 ff., Maastricht- und Folgeverträge)
# Europäische Union (EU, 2007, Lissabon- und Folgeverträge)
1948 1948 Brüsseler Pakt | 1951 1952 Paris | 1954 1955 Pariser Verträge | 1957 1958 Rom | 1965 1967 Fusions- vertrag | 1986 1987 Einheitliche Europäische Akte | 1992 1993 Maastricht | 1997 1999 Amsterdam | 2001 2003 Nizza | 2007 2009 Lissabon | ||||||||||||||||||||||
Europäische Gemeinschaften | Drei Säulen der Europäischen Union | ||||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) | → | ← | |||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) | Vertrag 2002 ausgelaufen | Europäische Union (EU) | |||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) | Europäische Gemeinschaft (EG) | ||||||||||||||||||||||||||||||
→ | Justiz und Inneres (JI) | ||||||||||||||||||||||||||||||
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) | ← | ||||||||||||||||||||||||||||||
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) | → | Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) | ← | ||||||||||||||||||||||||||||
Westunion (WU) | Westeuropäische Union (WEU) | ||||||||||||||||||||||||||||||
aufgelöst zum 1. Juli 2011 | |||||||||||||||||||||||||||||||
Problematisch bleibt dabei: je größer die Zentralisation von Staatsmacht, umso größer die Machtfülle, die mit „eiserner Harke“ über berechtigte (!) Einzelinteressen der Mitgliedsstaaten und damit der Bürger drüberfährt. Das Prinzip der Subsidiarität bleibt dabei auf der Strecke, so wie dieses Prinzip z.B. Österreich 1994 anlässlich der Vorabstimmungskampagnen versprochen wurde. Wurde das Versprechen eingelöst?
Beispiele der Machtfülle durch Zentralisierung liefern alle großen Staaten, u.a. Russland und China, die geradezu Musterbeispiele dafür darstellen.
Ein Problem des Staates an sich ist das Machtmonopol, das bei ihm liegt und liegen muss, will er Gesellschaft – das Staatsvolk – und die Abläufe darin mit Erfolg, also: durchsetzungskräftig organisieren. Das Problem ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen unbeschränkter Freiheit des Individuums (Libertarismus) und unbeschränkter Freiheit des Staates (Totalitarismus).
Wie dieses Machtmonopol ausgestaltet wird, unterliegt in Demokratien dem Willen des Wahlvolkes, in nicht-demokratischen Staaten dem Willen des autoritären, totalitären oder autokratischen Machthabers. In defekten Demokratien ist die Mitbestimmung des Volkes eingeschränkt. Defekte Demokratien existieren in einer Grauzone, deren Konstituenten und ihre gegenseitige Einflussnahme nicht leicht zu bestimmen sind. Somit ist auch der Defektheitsgrad einer defekten Demokratie nicht leicht zu bestimmen und unterliegt, je nach politischer resp. ideologischer Perspektive, unterschiedlichen Wertungen.
Die idealtypische Dreiteilung der Regierungsformen existiert in der Wirklichkeit nicht: keine Demokratie der Welt entspricht der idealen Form, weist also im Ansatz Eigenschaften einer defekten Demokratie auf, kein totalitärer Staat schränkt die individuellen Freiheiten vollständig ein, es verbleibt den Bürgern dort ein mehr oder weniger großer Freiheitsraum.
Hinsichtlich des staatlichen Machtmonopols, das zudem bei anwachsender Zentralisation der Staatsgewalt zur Zunahme neigt, ergibt sich die Erkenntnis: so wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig als einer Einrichtung, die mit einem mit Rechtsgewalt in das Leben seiner Bürger eingreifenden Machtmonopol versehen ist, das für das „Funktionieren“ einer Gesellschaft unaufgebbar ist.
Die dafür notwendigen rechtlichen Verregelungen des Alltagslebens durch Allgemeines Gesetzbuch, Strafgesetzbuch, Angestelltengesetz etc.etc. sind zahllos und gelten bei ausnahmslos jeder Handlung, werden aber – ebenso regelhaft – dem Bürger erst dann bewusst, wenn es zu schwerwiegenden Regelverstößen oder Regelbruch-Sanktionierungen kommt.
Rechtliche Verregelungen sind Ausdruck der jeweiligen Ausprägungen eines Rechtsstaates; dieser wird in einer idealen Demokratie nicht durch Willküreinwirkungen korrumpiert: das ist ein wesentliches Kennzeichen demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Auf Rechtsstaatlichkeit pflegen sich auch autoritäre, totalitäre oder autokratische, kurz: diktatorische Systeme zu berufen, doch wird der Rechtsstaat dort durch Willküreingriffe korrumpiert: Rechtsbiegung als Kennzeichen von Autokratien etc. In einer defekten Demokratie wird die Rechtsstaatlichkeit (leicht) eingeschränkt, womit das Risiko entsteht, in eine Autokratie abzugleiten.
Nur in formalrechtlicher Hinsicht war zum Beispiel auch der NS-Staat ein Rechtsstaat, besaß er doch gemäß der NS-Grundsätze umgearbeitete Gesetze aus der Weimarer Republik und neue Gesetze im Sinne der NS-Ideologie, auf die er sich in der Rechtsprechung berief und von denen viele in einem „normalen“, d.h. hier NS-konformen Rechtssetzungsprozess entwickelt wurden. Daran ändert nichts die Gepflogenheit, den NS-Staat in inhaltlich-ethischer Hinsicht als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Ein krasses Beispiel für einen NS-Rechtserlass im autokratischen Sinn ist unter diesem Link einsehbar.
Kennzeichnend für die Biegsamkeit des Rechts je nach Staatsraison ist die Tatsache, dass Juristen nach einem Regimewechsel ihre Posten in der Regel nicht verloren, sondern im neuen Regime weiter im Dienst des Rechts ihre berufliche Tätigkeit frei oder im öffentlichen Dienst ausübten. So wurden Juristen und Richter nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes ohne weiteres in den öffentlichen Dienst der entstehenden Bundesrepublik Deutschland übernommen. Vergleichbares geschah nach dem Fall der UdSSR oder DDR.
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Demokratie das Herstellen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einerseits den rechtsstaatlich gesicherten Freiheitsbedürfnissen des Individuums unter für ihn zureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten und andererseits den „Freiheitsbestrebungen“, somit Machtbestrebungen des Staates, mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Gemeinwohl resp. Sozialfrieden in Freiheit herzustellen. Als Garant dafür dient die Gewaltenteilung und ein entsprechend stark regulierter und damit gewaltgebändigter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie als vierte Gewalt die Sicherstellung einer freien Presse. MOTTO: Nimm Freiheitsbeschränkungen mit Blick auf das Gemeinwohl aus Überzeugung an, wir helfen dir dabei durch politische Aufklärung und sachliche Bildungsarbeit!
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Autokratie, im Autoritarismus und vor allem im Totalitarismus Ausgesetztheit vor rechtsbeugenden willkürlichen Staatseingriffen auf die ohnehin reduzierten Freiheitsmöglichkeiten des Individuums unter nicht selten unzureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten zu Gunsten der Machtbestrebungen des Staates mit dem Ziel, ein Höchstmaß an „Gemeinwohl“ resp. „sozialem Frieden“ in Unfreiheit zu erzwingen. Als Garant dafür dient die Einschränkung, womöglich Aufhebung der Gewaltenteilung sowie ein entsprechend stark ausgeprägter und mit gering regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine allgegenwärtige Brachial-Propaganda unter Ausschaltung der Pressefreiheit. MOTTO: Kusch, sonst trifft dich der Polizeiknüppel und du landest im Gulag, folgst du nicht den Propaganda-vermittelten Staatszielen!
Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit in einer defekten Demokratie gibt in (noch) geringem Ausmaß jene Prinzipien auf, die eine Demokratie hervorheben. Als Garant dafür dient eine Einschränkung der Gewaltenteilung und ein nicht allzu gestärkter und nicht allzu sehr mit herabgesetzter regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine verhältnismäßig subtil eingesetzte Propaganda und Beeinflussungsmaschinerie. MOTTO: Folge der politischen Verführung und glaube, es sei deine Entscheidung, sonst zwiebeln wir dich mit Exekutivmaßnahmen!
Eine solche Beeinflussungsmaschinerie hat die exekutiv im Grunde genommen schwach aufgestellte EU entwickelt, was zu eben der Ausbildung dieser „Schattenexekutive“ geführt hat. Sie trägt damit – nicht so ohne weiteres sichtbar für den Normalbürger – ein Kennzeichen einer defekten Demokratie. Damit steht die Gefahr im Raum, weiter an demokratischen Eigenschaften einzubüßen und zu einem politischen und wirtschaftlichen Risiko heranzureifen. In der Tat bemüht sich die EU um Stärkung ihrer Polizeigewalt (Frontex, 2004, weiterer Ausbau) und damit um Ausbildung eines weiteren Kennzeichens defekter Demokratien insofern der Vorwurf stimmte, dass Frontex auch innerhalb der EU eingesetzt werden könnte.
Was die Beeinflussungsmaschinerie der EU betrifft, hat 2011 der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (1929-2022) die Europäische Union als “sanftes Monster Brüssel“ bezeichnet und von der „Entmündigung Europas“ gesprochen. Er anerkennt segensreiche Folgen ihres Wirkens, macht aber zugleich auf die strukturellen Defizite dieser überstaatlichen Einrichtung aufmerksam, die durch massive Öffentlichkeitsarbeit, um nicht zu sagen: Propaganda – geschickt durch das vorbeschriebene Geflecht an Organisationen, Instituten, Einrichtungen etc. vermittelt –, übertüncht werden. Bezeichnend ist sein Ausspruch: „Je dünner die Legitimität [ihres politischen Handelns], umso dicker der Glibber der PR.“
Die geschilderte Gefahr liegt nicht darin, sich im Euro-Währungsraum zu bewegen. Sie liegt darin, dass infolge mangelnder demokratischer Kontrolle politisch einer Gesinnungsethik und nicht einer Verantwortungsethik gefolgt wird. Damit einher ginge eine Abgehobenheit von den Realitäten des täglichen Lebens der Bürger und Unternehmen. Das führte kurz über lang zu einer Schwächung des Euros im Währungskonzert. Ein Risiko erwüchse dann eher daraus, dass es nicht sicher ist, ob der Währungsraum „Euro“ eines Tages zerbricht, zum Beispiel dadurch, dass im Konzert mit anderen Währungen die derzeit ohnehin angekratzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union noch weiter geschwächt würde und der Euro fortgesetzt an Wert verlöre. Letzteres erleichterte das Auseinanderbrechen der Europäischen Union, die Eigeninteressen der Mitgliedsländer träten wieder stärker hervor.
Dieses Auseinanderbrechen der Europäischen Union ist derzeit unwahrscheinlich, aber denkmöglich als Folge von: fortgesetzter Wirtschaftsschwäche; weiter zunehmender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Zunahme nationalkonservativer bis rechtsextremer Haltungen; fortgesetztem „Rütteln an den Ketten“ seitens ehemaliger UdSSR-Bruderstaaten; fortgesetzter Aufnahme neuer Mitgliedsländer speziell aus dem Balkan und dem ehemaligem UdSSR-Einflussbereich (Serbien, Ukraine); gravierenden, von den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten nicht mitgetragenen außen- und innenpolitischen Entscheidungen.
Bräche die EU, so bräche spätestens dann auch der Euro; im Übrigen weist die Geschichte der Währungsunionen auf deren Brüchigkeit hin: sie halten in der Regel nicht lange. Den Anleger zwingt unter anderem auch dies beizeiten zu überlegen, in welcher Währung er außerhalb des Euroraumes investieren soll. Angesichts des unsicheren Status des US-Dollars als Weltwährung ist dies eine herausfordernde Frage. Sie stellt sich glücklicherweise derzeit nicht, sondern taucht nur schemenhaft als Denkmöglichkeit am Horizont einer eher ferneren Zukunft auf. Aber: sie taucht auf und kann blitzesschnell elefantengroß im Raum stehen.
FAZIT: die Europäische Union birgt für den Anleger derzeit nur am Zukunftshorizont sich abzeichnende Risiken. Sie entspringen u.a. daraus, dass die EU weniger aus der Position der Stärke als eher aus der der Schwäche handelt. Im Vergleich zur Situation des Kalten Krieges und damit zur Gründerzeit der EU-Vorläufereinrichtungen, in der es nur einen wirtschaftsmächtigen geopolitischen Spieler und gleichzeitigen Verbündeten – die USA – gab, steht die Europäische Union heute zwischen zwei Wirtschaftsblöcken: dem des USA-geführten Westens und dem des sog. globalen Südens. Das erzeugt Druck, allzumal Zeitdruck, treibt die EU an und lässt sie, will sie nicht aufgerieben werden, nach Machtvergrößerung durch Zentralisierung streben – ein Demokratierisiko ersten Ranges, damit in der weiteren Folge ein Wirtschafts- und letztlich Veranlagungsrisiko.
Grundsätzliches zur Währungsspekulation
Währungs-Spekulation ist ein äußerst schwieriges, glitschiges, hochriskantes Geschäft, bedarf langjähriger Erfahrung, tagtäglicher Marktbeobachtung und eines guten Magens: Schocks und erratische Marktbewegungen müssen ausgehalten werden – psychisch und finanziell. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Währungsspekulanten im deutschsprachigen Raum ist Folker Hellmeyer (Hellmeyer-Website, Hellmeyer-Kurzportrait (Goldseiten), Hellmeyer auf Netfonds usf.).
Zweck der Währungsspekulation?
Wie bei den Warenoptionsmärkten dient auch der Währungsoptionsmarkt dazu, sehr starke Schwankungen im Wert einer Währung (Devise) zu verhindern: sehr starken Verteuerungen oder Verbilligungen einer Währung im Devisenmarkt (Währungs- oder FOREX-Markt) wird so gegengesteuert. Dafür sorgen die vielen Marktteilnehmer, von denen ein Teil den künftigen Wert einer Währung (Devise) höher, der andere diesen Wert tiefer einschätzt. Dies führt dazu, dass sich eine Art mittlerer Wert für diese Währung einstellt. Währungsoptionsmärkte sind rund um den Globus nahezu 24/7, also nahezu täglich rund um die Uhr, offen (Warenoptionsmarkt, Optionen im Freihandel).
Anders ausgedrückt: Die Spekulanten sichern sich mit ihrem Engagement gegen das Risiko eines Währungsverfalls oder eines Währungsanstiegs ab. Währungsanstiege sind ein Risiko für Käufer auf Warenmärkten, Währungsabwertungen sind ein Risiko für Verkäufer auf Warenmärkten. Gleiches gilt selbstverständlich auch für Dienstleistungen im internationalen Dienstleistungsaustausch. Die gegenläufigen Interessen auf dem Währungsoptionsmarkt „mitteln“ sich aus.
Allgemein gesprochen handelt es sich bei den Geschäften auf Optionsmärkten um Absicherungsgeschäfte oder Hedging.
Nochmals anders ausgedrückt: Auf aggregiertem Niveau (Makroebene) sorgt der Währungsoptionsmarkt für die Stabilität einer bestimmten Währung im Konzert der anderen Währungen im Devisen- resp. Währungsmarkt (Kassa- oder Spot-Markt, das Pendant zum Optionsmarkt).
Eine stabile Währung ist für die Volkswirtschaft, in deren Bereich diese Währung als Zahlungsmittel dient, eine Lebensnotwendigkeit für das optimale Funktionieren der volkswirtschaftlichen Grundvorgänge Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Erratische Schwankungen im Währungs- oder Devisenmarkt erschweren auf der Ebene der Unternehmen (Mikroebene) innerhalb und außerhalb einer Volkswirtschaft erheblich Kalkulationen mit Sicht auf künftig geplante Käufe und Verkäufe. Erratische Schwankungen einer Währung schwächen die Wirtschaftsleistung der zugehörigen Volkswirtschaft, eine stabile Währung fördert sie. Dies gilt auch für Volkswirtschaften außerhalb des entsprechenden Währungsraumes, sofern sie mit dieser Volkswirtschaft handelnd in Verbindung stehen.
FAZIT: Währungsoptionsmärkte sind für das Wirtschaftsgeschehen im Konzert der verschiedenen Volkswirtschaften überlebenswichtig.
Die heilige Trias
Diese Zusammenhänge bleiben in der Regel für Otto Normalverbraucher genauso verborgen wie die Bedeutung der nicht-demokratisch agierenden Zentralbanken, die mit ihren Zinsentscheidungen tief in das Wirtschaftsleben und somit in das Alltagsgeschehen der Menschen eingreifen. Warenmärkte, Währungsmärkte und Zentralbanken sind in einem fortlaufenden Marktgeschehen untrennbar und maßgeblich untereinander verbunden. Dabei modulieren und moderieren die Zentralbanken über den Zinssatz die Abläufe in Waren- und Währungsmärkten und den zugehörigen Optionsmärkten.
Für Otto Normalverbraucher sind Spekulanten auf diesen Märkten in aller Regel ganz, ganz böse Subjekte, die sich mit ihren Spekulationsgewinnen die Taschen vollstopfen.
Wer sind diese Subjekte auf Währungsoptionsmärkten?
Auf Währungs- und Währungsoptionsmärkten agieren in großer Zahl Staatsstellen, staatliche und private Pensionsfonds, multinationale und andere Unternehmen, Finanzinstitute (Banken u.a.), Hedgefonds u.a.
Otto Normalverbraucher verkennt in aller Regel den Sinn dieser Märkte und die Rolle der Spekulanten dort; denn:
Die Währungsoptionsmärkte zeichnen für das Wohl und Wehe im höchstpersönlichen Alltagsleben des kleinen Mannes auf der Straße verantwortlich, indem sie für relative Währungsstabilität sorgen. Doch Märkte sind keine Subjekte. Somit sind präzise gesprochen nicht „die Märkte“, sondern die Teilnehmer an Währungsoptionsmärkten – also die risikoübernehmenden Spekulanten – für das Wohl und Wehe von Otto Normalverbrauchers alltäglichem Leben verantwortlich.
Daher lässt sich interpretieren: In der Erhaltung der Währungsstabilität liegt der soziale Sinn der Spekulation. Dabei dient der Spekulationsgewinn als Entgelt für die risikobehaftete Sorge um eine stabile Währung.
Es kommt zu einem „paradoxen“ Effekt: die Befriedung der Einzelinteressen der Subjekte, den Spekulanten, trägt vermittels des Marktgeschehens zur Optimierung des Gemeinwohls bei.
Die Umsätze in Devisen- und Währungsoptionsmärkten sind die größten weltweit und erreichen täglich Milliarden bis Billionen von Währungseinheiten. Im Jahr 2022 wurden allein im Devisenmarkt täglich durchschnittliche Umsätze in Höhe von 7,5 Billionen US-Dollar gehandelt. Zu beachten ist, dass dabei immer Währungspaare gehandelt werden und zudem die Umsätze „doppelt“ anfallen: als Verkaufs- und als Kaufpreis in Summe. Das plustert das tägliche Handelsvolumen ordentlich auf.
Was für die Währungsoptionsmärkte gilt, gilt ebenso für die Warenoptionsmärkte: es geht um die Stabilisierung von in großen Mengen gehandelten Waren wie Weizen, Schweinehälften Orangensaft, Kaffee und vieles andere mehr. Die aufgezählten Waren stehen für solche, die für die Bevölkerungen hohe Bedeutung haben.
Wozu Optionsmärkte gut sind
Aber es gibt doch nach wie vor Preissprünge auf den Warenmärkten, von erratischen Ausschlägen an den Devisenmärkten war auch schon die Rede: wie passt das ins Bild?
Ohne die Terminbörsen wären die Ausschläge um einiges stärker, die Preise höher.
Drei Beispiele dazu:
#1 Hitler verbot die große Bremer Kaffeebörse. Daraufhin sicherte sich der Großhandel gegen Preisanstiege bei Kaffee ab, indem er von Haus aus deutlich höhere Preise für den Handel, die Geschäfte, einforderte. Resultat war der berühmt-berüchtigte Blümchenkaffee: die Konsumenten sparten am Kaffee, indem sie möglichst wenig davon zum Aufbrühen verwandten, also sah man durch den dünnen Kaffee das Blümchen am Grund der Kaffeetasse.
# 2 Waren, die nicht abgesichert werden können, weisen größere Preissprünge und höhere Preise auf; bremsend auf den Warenpreis (Aktienpreis, Devisenkurs) wirkt allein die Konkurrenz oder eine schwache Nachfrage oder ein überreichliches Angebot.
# 3 Die erste Warenoptionsbörse wurde 1848 in Chicago gegründet. Hintergrund war der bereits gewachsene Welthandel mit Waren, die großteils noch mit Segelschiffen über die Weltmeere transportiert wurden. Zwar befuhren die ersten Dampfschiffe Ende der 1830er Jahre den Atlantik, doch die eigentliche Verdrängung des Segelschiffs als Transportmittel setzte erst ab den 1870er Jahren ein.
Die Notwendigkeit, sich gegen den Verlust der Waren infolge Schiffuntergangs zu schützen oder sich überhaupt vor unerwarteten Preisveränderungen während der langen Schiffsfuhren abzusichern, führte zur Einrichtung der Chicagoer Warenbörse (Chicago Board of Trade), 1848 zunächst als Kassen- oder Spotmarkt, 1864 dann als Warenterminmarkt. Fortan konnten Käufer und Verkäufer Warenpreise vereinbaren für Warenlieferungen in ein, zwei, drei, sechs Monaten, was die Sicherheit der unternehmerischen Kalkulation erheblich erhöhte, da nun die Preisrisiken nicht von den Warenverkäufern und -käufern selbst, sondern von den Spekulanten übernommen wurden. Es entstand eine hochspezialisierte Zunft von Spekulanten, darunter viele Versicherungen.
Die Spekulanten hatten die Zeit und die Informationsmittel, sich über Warenpreisänderungen am Warenursprungsort und über Transportverzögerungen oder Schiffsunfälle zu informieren. Schlechte Kaffee- oder Kakao-Ernten, transportverzögernde Windflauten oder Schiffsunglücke blieben für sie kein Geheimnis, entsprechend diesen Informationen disponierten sie am Warenterminmarkt ihre Preisvorstellungen, doch in der Vergangenheit geschlossene Warenpreise für eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Termin blieben davon unberührt.