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FAZIT DES TAGES
Wissen nennen wir jenen kleinen Teil der Unwissenheit, den wir geordnet und klassifiziert haben.
Ambrose Bierce, 1842-1914, US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist, gilt neben Edgar Allan Poe als Meister der unheimlichen Kurzgeschichte.
COMMENT – FAZIT:
- Israel-Hamas-Hisbollah-Krieg: Status wie am Vortag – keine Deeskalation, sondern Raketenalarm in israelischer Küstenstadt, den ein Angriff des Islamischen Dschihad, ein Zuhelfer der Hamas, bekannt hat.
- Ukraine-Krieg: Beitrittsgespräche der EU mit der Ukraine (und Moldawien), Ausgang und Ende ungewiss. Keine Deeskalation. Orban derzeit nicht mit EU-Aufnahmegesprächen der Ukraine einverstanden.
Russlands Kriegswirtschaft boomt – wie lange noch? Und was ist mit Russlands Wirtschaft nach Kriegsende? - Einlassungen der EZB und der OeNB zur Einführung eines digitalen Euro – Vorteile und Nachteile.
- Finanzstabilität in Österreich: die Lage ist etwas ernster als vor einem halben Jahr, aber keinesfalls hoffnungslos – österreichische Banken erscheinen auf aggregiertem Niveau sehr gut abgesichert gegen größere Kreditausfälle, das Risiko je einzelner Banken bleibt aber letztlich uneinschätzbar. Österreichischer Finanzstabilitätsbericht als Verbalakrobatik auf hohem Niveau.
- Exodus der Millionäre aus China – ein Verlust für die chinesische Volkswirtschaft.
- Weitere COMMENTS vorhanden
Märkte – Report
Israel, Ukraine
Meldungen
Themenreigen – Medizin; Gesundheitssystem; Gesundheitspolitik; Umwelt; Bildung-Hochschülerschaft-Bücher; Geschichte: Gibt es Lehren aus der Geschihcte zum Ersten Weltkrieg?
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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
HELLMEYER-Report (gekürzt)
- Aktienmärkte fragmentiert
- BDI sieht Chancen auf Vermeidung eines Handelskriegs mit China
- Deutschland: Insolvenzwelle rollt
- Kein Hellmeyer Report am 2. Juli 2024!
Märkte: Aktienmärkte fragmentiert
An den Finanzmärkten herrscht weiter eine nervöse Grundstimmung. In den letzten 24
Handelsstunden kam es zu Schwäche bei den US-Tech-Werten, allen voran bei Nvidia, aber nicht
an den Märkten per se. In der Folge lieferte der Aktienmarkt ein fragmentiertes Bild. Nach den
massiven Gewinnen bei einigen US-Tech-Werten sind Korrekturen durchaus gesund, um dem
Gebot der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen.
Die Ukrainekrise generiert verstärkte Sorgen. Die aktuellen Vorfälle auf der Krim unter Einsatz von US-Raketensystemen und US-Leitung sind Ausdruck weiterer Eskalation, die seitens Moskaus beantwortet werden wird. Selbst in den USA gibt es dazu kritische Stimmen in der Politik (Link).
Gleiches gilt für die Lage im Nahen Osten. Dort droht eine neue Front zwischen Israel und
Libanon.
Das Datenpotpourri lieferte unerwartet schwache deutsche IFO-Indices. Diese enttäuschende
Tendenz passt zu den enttäuschenden Einkaufsmanagerindices, die am Freitag veröffentlich
wurden. Was wächst in Deutschland? Die Zahl der Insolvenzen (siehe unten)!
Das niederländische BIP war im 1. Quartal schwach, dagegen läuft der Tourismus in Spanien
rund. Im Mai wurde ein Touristenrekord (Mai-Werte im historischen Vergleich) markiert.
Der Index des britischen Auftragseingangs als auch der Dallas Fed Manufacturing Business Index
sind weniger negativ als im Vormonat.
In China erodieren die ausländischen Direktinvestitionen fortgesetzt.
Aktienmärkte: Der Late DAX stieg um 0,15%, der EuroStoxx 50 um 0,47%. In den USA verlor der US Tech 100 1,14%, dagegen stieg der Dow Jones um 0,66%. Der S&P 500, der Tech inkludiert, verlor 0,31%. In Fernost ergibt sich Stand 07:25 Uhr folgendes Bild: Nikkei (Japan) +0,73%, CSI 300 (China) -0,05%, Hangseng (Hongkong) +0,59%, Sensex (Indien) +0,32% und Kospi (Südkorea) +0,38%.
An den Rentenmärkten tut sich wenig. 10-jährige Bundesanleihen rentieren mit 2,41% (Vortag
2,40%) und 10-jährige US-Staatsanleihen mit 4,23% (Vortag 4,25%).
Der EUR konnte sich gegenüber dem USD zart stabilisieren. Gold und Silber sind kaum verändert
Nachrichten in Kurzform:
• Berlin: Der BDI-Präsident konstatierte, dass der Standort Deutschland gegenüber
den USA und China zurückfalle. Man erwarte von der Regierung eine entschlossene
Wachstumsagenda.
=> Nicht nur gegenüber USA und China …
• Berlin: Die Bundesregierung will laut Kanzler Scholz in ihrem Paket zur
Konjunkturbelebung Anreize für Erwerbstätige setzen, freiwillig länger zu arbeiten
(u.a. Steuern). Die Bundesregierung will ihr Dynamisierungspaket zusammen mit
dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 auf den Weg bringen.
=> Geht in richtige Richtung
• Berlin: Wirtschaftsminister Habeck warnte vor dem Zerfall in Zoll-Räume und dem
Ende der Globalisierung.
=> Weniger Sanktionen würden helfen
• Berlin: Die Ökostrom-Förderung ist in der Krise. Im laufenden Jahr sind laut
Haushaltsausschuss weitere 8,77 Mrd. EUR im Haushalt erforderlich.
=> Führen unsere Politikansätze zu Konkurrenzfähigkeit?
• London: Julian Assange hat Großbritannien in Richtung Australien verlassen und ist
zunächst frei.
=> Positiv
• London: Nigel Farage steht seitens des UK-Mainstreams unter massiven Druck,
nachdem er es sich in einem BBC-Interview erlaubte, festzustellen, dass der Westen
den Ukrainekrieg provoziert hätte.
=> Interessant
EU bringt 14. Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg
Die EU-Staaten haben das 14. Sanktionspakt auf den Weg gebracht. Es werden gegen
116 Personen und Institutionen Strafmaßnahmen verhängt. Es soll schärfer gegen
Versuche vorgegangen werden, die bereits bestehenden Sanktionen zu umgehen. Auch
sollen Investitionen in russische Flüssiggas-Projekte unterbunden werden.
=> Gut, 13 Pakete haben das Gegenteil dessen verursacht, was beabsichtigt war … Was sagte Einstein zu einer solchen Politik?
Deutschland: Insolvenzwelle rollt
Laut Creditreform gab es im Jahr 2023 eine Zunahme der Insolvenzen um 17,2%. Im
ersten Halbjahr 2024 stellte sich der Anstieg gegenüber dem 1. Halbjahr 2023 auf
knapp 30%. Insbesondere Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten stechen
negativ hervor. Ihre Zahl stieg um 50% von 40 auf 80%.
Im Sektor Handel lag der Anstieg bei 20%, im Verarbeitenden Gewerbe bei 21,5%, in der Baubranche bei 27,5% und im Dienstleistungssektor bei 35%. Laut Creditreform beschleunigt sich der negative Trend weiter.
Der Schaden wird für die Wirtschaft im 1. Halbjahr durch Forderungsausfälle auf 19 Mrd. EUR, sechs MRD. EUR mehr als im ersten Halbjahr 2023, geschätzt. Die Zahl der gefährdeten Arbeitsplätze hat sich um 6,4% auf 133.000 erhöht.
Kommentar: => Negativ, auch Folge der Sanktionspolitik …
Wer nicht hören will, muss fühlen, lautet eine Binsenweisheit. Es gab genügend
warnende Stimmen zur rechten Zeit, die diese Krisenlage prognostizierten und die ein
markantes Um- und Gegensteuern struktureller Art einforderten (Aristoteles). Das Kind fällt in
den Brunnen. Das Tempo des Falls nimmt zu. Der Kapitalstock erodiert durch Insolvenzen und Wegzug von Unternehmen. Damit wird das Einkommensniveau des Staats und der privaten Haushalte unterminiert. Wann reagiert die Politik mit massiver struktureller Neuausrichtung?
BDI sieht Chancen auf Vermeidung eines Handelskriegs mit China
BDI-Präsident Russwurm sieht in den angekündigten Gesprächen zwischen der EU und China
im Zollstreit einen ersten Schritt zur Vermeidung eines Handelskrieges. In die
Auseinandersetzung über europäische Importzölle für chinesische Elektroautos ist am
Wochenende Bewegung gekommen Die Tatsache, dass man miteinander sprechen werde, sei
ein gutes Zeichen. Solange man miteinander rede schieße man nicht aufeinander, so
Russwurm.
Russwurm führte aus, Zwangsmaßnahmen seien für die Exportnation Deutschland
das Letzte, was man sich wünschen könne. Es gehe darum, eine Balance zu halten. Auf der
einen Seite müssten Wettbewerbsverstöße klar sanktioniert werden, auf der anderen Seite
müsse Deutschland Anwalt des offenen Handels bleiben. Viele Länder auf der Welt gebe es
nicht, die 40% ihres Geschäftes im Export machen. Diese Balance zu wahren, sei auch Aufgabe
der EU insgesamt. Es sei wichtig, dass die Bundesregierung in der EU klarmache, dass die
größte Volkswirtschaft in der EU nicht über die Kante falle. Das sei auch im Interesse des
europäischen Binnenmarktes, dass Deutschland weiterhin erfolgreich sei, denn der Export aus
Deutschland sei auch ein Export der EU.
Kommentar: Grundsätzlich ist Herrn Russwurm in der Beurteilung zuzustimmen.
Handelskriege für primär US-Interessen können nicht im europäischen Interesse sein.
Augenhöhe zwischen China und der EU zu gewährleisten, ist dagegen zwingend erforderlich.
Positiv ist, dass es bis zu den geplanten Zöllen seitens der EU noch ein Zeitfenster bis
November gibt, das Raum für Gespräche eröffnet.
Anzumerken ist, dass die immer noch potente deutsche Automobilbranche diese Zölle ablehnt.
Das hat Gründe. Der Nutzen der Primärfolgen der Zölle würde durch die absehbaren Sekundär-
und Tertiärfolgen dieser Zölle aus Sicht der Automobilbranche konterkariert.
Es ist von höchster Relevanz, dass die EU durch eigenes Handeln das Konstrukt der offenen
Märkte stärkt, denn keine Wirtschaftsregion ist abhängiger von freien Import- als auch
Exportmärkten. Eine Fragmentierung der Weltwirtschaft wirkt den Interessen der EU und
Deutschlands entgegen. Die bisher von der EU verfolgten Sanktionspolitiken im Fahrwasser
der Interessen der USA wirken primär und sekundär gegen unsere eigenen Interessen. Es ist zu
begrüßen, dass Wirtschaftsminister Habeck diese Tatsachen beginnt, anzuerkennen. Er warnte
gestern in Berlin vor dem Zerfall in Zoll-Räume und dem Ende der Globalisierung.
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunde
Eurozone: IFO-Indices enttäuschen – In Spanien scheint die Sonne, nicht in Den Haag
Spanien: Die Zahl der Übernachtungen stellte sich per Mai auf 35,7 Millionen. Im Vorjahr lag der Wert bei 32,4 Millionen. Es war die höchste Zahl per Mai in der seit 2009 vorliegenden Statistik.
Niederlande: Das BIP sank per 1. Quartal 2024 im Quartalsvergleich um 0,5% und im
Jahresvergleich um 0,6%.
UK: CBI-Auftragsindex aufgehellt
Der Auftragsindex des CBI stellte sich per Berichtsmonat Juni auf -18 (Prognose -25) nach
zuvor -33 Punkten. Nachfolgende Grafik verdeutlicht das schwache Indexniveau losgelöst von dem Anstieg auf Monatsbasis in einem historischen Kontext.
USA: Dallas Index höher, aber weiter schwach
Der Dallas Fed Manufacturing Business Index verzeichnete per Berichtsmonat Juni einen
Anstieg von -19,4 auf -15,1 Zähler.
China: Ausländische Direktinvestitionen sinken schneller
Ausländische Direktinvestitionen sanken im Zeitraum Januar bis Mai um 28,2% im
Jahresvergleich nach -27,9% in dem Zeitraum Januar bis April 2024.
Hier den Hellmeyer Report lesen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)
MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
Mo | NACHBÖRSE/XDAX -0,4% auf 18.258 Pkt – Airbus und Merck schwach | 555 | Dow Jones News | ||||
Mo | ROUNDUP/Aktien New York Schluss: Dow im Aufwind – Nvidia trübt Tech-Stimmung | 578 | dpa-AFX | ||||
Mo | MÄRKTE USA/Uneinheitlich – Erneut Gewinnmitnahmen in Nvidia | 546 | Dow Jones News | ||||
Mo | US-Anleihen: Stagnation zum Wochenauftakt NEW YORK (dpa-AFX) – US-Staatsanleihen haben sich zu Beginn der Woche kaum bewegt. Der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) stagnierte am Montag zuletzt bei 110,50 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere betrug 4,25 Prozent. Wegen der überwiegend positiven Stimmung an den Aktienmärkten waren sichere Anlagen wenig gefragt. Entscheidende Konjunkturdaten standen zu Wochenbeginn nicht auf der Agenda./la/he | 529 | dpa-AFX | ||||
Mo | Devisen: Euro weiter klar über 1,07 US-Dollar – Hoffnung im Zollstreit mit China | 515 | dpa-AFX | ||||
Mo | MÄRKTE EUROPA/Gelungener Wochenstart – Covestro gesucht | 557 | Dow Jones News | ||||
Mo | Aktien Schweiz fest – Pharmawerte gesucht | 513 | Dow Jones News | ||||
Mo | Aktien Wien Schluss: ATX steigt in positivem Marktumfeld | 493 | dpa-AFX | ||||
Mo | Aktien Europa Schluss: Gewinne – Annäherung im Zollstreit mit China … Dass der Dax direkt zum Start das Hoch aus der Vorwoche überwunden habe, habe das Fundament seiner Erholung gefestigt, kommentierte Analyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets. Die 18 000-Punkte-Marke, die nun schon wieder gut 300 Punkte hinter dem Index liege, „fungiert jetzt als massive Unterstützung und wird zum Orientierungspunkt für noch unschlüssige Anleger“. Zudem forcierte der schwache deutsche Ifo-Index laut der Landesbank Helaba die Erwartung weiterer Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB). … | 474 | dpa-AFX | ||||
Mo | Aktien Frankfurt Schluss: Annäherung im Zollstreit gibt Kursen Schwung | 421 | dpa-AFX | ||||
Mo | Dax startet mit deutlich positiven Vorzeichen in die Woche | 361 | dts Nachrichtenagentur | ||||
Mo | Deutsche Anleihen: Kursverluste FRANKFURT (dpa-AFX) – Die Kurse deutscher Bundesanleihen sind am Montag gefallen. Der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future sank bis zum Nachmittag um 0,19 Prozent auf 132,28 Punkten. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stieg auf 2,43 Prozent. Die Hoffnung auf eine Lösung im Zollstreit zwischen der Europäischen Union (EU) und China stützte die Zuversicht an den Finanzmärkten. Die als sicher geltenden deutschen Staatsanleihen wurden belastet. China und die EU wollen im Streit um E-Auto-Zölle miteinander verhandeln. Schwache Daten aus der deutschen Wirtschaft stützten die Kurse in diesem Umfeld nur kurzzeitig. Das Ifo-Geschäftsklima hat sich im Juni unerwartet eingetrübt. Zuvor hatten sich bereits die Einkaufsmanagerindizes verschlechtert. „Die deutsche Wirtschaft verliert den Anschluss an die Weltwirtschaft“, kommentierte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. „Die Wirtschaftspolitik setzt den aktuellen Herausforderungen zu wenig entgegen, die Rahmenbedingungen für die Produktion in Deutschland müssen energischer als bisher verbessert werden.“ In Frankreich hingegen entspannte sich die Lage etwas und die Renditen gingen zurück. Die anstehenden Parlamentswahlen sorgen jedoch weiter für Verunsicherung. Vorne liegt derzeit laut Umfragen die extreme Rechte. Der Risikoaufschlag zu deutschen Bundesanleihen war am Freitag zeitweise über 0,80 Prozentpunkte gestiegen./jsl/he | 360 | dpa-AFX | ||||
Experte zum DAX-Sentiment: „Ich würde die Situation durchaus als gefährlich bezeichnen“
Die Lage an den europäischen Börsen hat sich nach den Europawahlergebnissen und den angekündigten Neuwahlen in Frankreich beruhigt. Doch die Lage bleibt gefährlich, zeigen die Ergebnisse der wöchentlichen Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment. Gewinnmitnahmen drohen.
Zuletzt hat sich die Stimmung der Anleger aufgehellt. „Wir kommen jetzt auf minus 0,4 Prozent, das interpretieren wir als neutrale Stimmung“, erklärt Stephan Heibel, Geschäftsführer des Analysehauses AnimusX, der die Ergebnisse auswertet. …
Frankfurt. Den Rücksetzer vor etwa zwei Wochen haben die Anleger gut verarbeitet. Nachdem die europäischen Börsen infolge der Europawahlergebnisse und der in Frankreich angekündigten Neuwahlen unter Druck geraten waren, beruhigte sich die Lage am Aktienmarkt in der vergangenen Woche wieder – der deutsche Leitindex Dax ging sogar mit einem kleinen Plus von einem Prozent ins Wochenende.
Doch die Lage bleibt gefährlich, denn es drohen Gewinnmitnahmen. Das zeigen die Ergebnisse der wöchentlichen Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment.
Nach Einschätzung der deutlichen Mehrheit der Anleger befindet sich der Markt in der aktuellen Zyklusphase in einer Seitwärtsbewegung. Das bedeutet: Diese Investoren erwarten in der nächsten Zeit weder große Kursausschläge nach oben noch nach unten. In der vergangenen Woche war das Lager jener Investoren, die damit rechnen, etwa nur halb so groß. …
Die Antworten auf die am weitesten in die Zukunft reichende Frage hält der Sentimentexperte für besonders interessant. Dabei geht es um die Lageeinschätzung der Investoren in drei Monaten. „Dieses Bild ist viel optimistischer als das zur aktuellen Situationsbeurteilung“, sagt Heibel.
35 Prozent der Anleger sind davon überzeugt, dass in drei Monaten ein Aufwärtsimpuls die Börse prägen wird.
Der Analyst interpretiert das Ergebnis als „ziemlich bullishe Aussage“. Die Verängstigung infolge fallender Kurse sei einer Zukunftshoffnung gewichen. Leicht fallende Kursen würden laut Heibel als Kaufgelegenheit genutzt.
Über den dafür nötigen Cash-Bestand verfügen die Anleger, wie AnimusX in einer anderen Umfrage feststellte. „Damit bleiben Anleger handlungsfähig, sollten die Kurse nochmals bröckeln.“
Dennoch steht die Börsenampel laut Heibel nicht automatisch auf Grün. Die jüngste Kurserholung nach dem Europawahl-Rücksetzer wertet er nur als technische Gegenreaktion. Er meint sogar: „Ich würde die Lage als durchaus gefährlich bezeichnen.“ Der Experte begründet dies mit der Historie der Aktienrally. …
Auch wenn die neue Woche an den Aktienmärkten in Europa freundlich beginnt, die Investoren müssen mindestens zwei Unsicherheitsfaktoren auf der Rechnung haben, warnt zudem Handelsblatt-Redakteurin Anke Rezmer. Ein Ende der Turbulenzen sei nicht abzusehen.
An den Märkten kann es trotz des Sommers ungemütlich werden
Es drohen schwierige Tage: In dieser Woche könnte es ziemlich unruhig an den Aktien- und Anleihemärkten werden. Ein Ende der Turbulenzen ist nicht abzusehen, meint Handelsblatt-Redakteurin Anke Rezmer. …
FINANZVERANLAGUNGEN
Gen Z will Geld sicher und nachhaltig anlegen – Umfrage des Versicherers Gothaer zeigt Ängste vor Klimawandelfolgen und steigenden Kosten
Köln (pte017/24.06.2024/13:42) – Nachhaltigkeit und Sicherheit – diese beiden Faktoren sind für die Gen Z – also Mitte der 1990er- und Anfang der 2010er-Jahren Geborenen – bei der Geldanlage besonders wichtig. Das zeigt eine aktuelle Studie des Versicherers Gothaer unter 1.004 Deutschen ab 18 Jahren.
Sparbuch noch nicht tot
Während 49 Prozent der Befragten insgesamt Sicherheit priorisieren, sind es bei der Gen Z 55 Prozent. Und 56 Prozent der Gen Z legen ihr Geld auf dem Sparbuch an. Das entspricht einem Unterschied von zwölf Prozentpunkten zur gesamten Bevölkerung, denn im Schnitt legen nur 44 Prozent der befragten Deutschen ihr Geld auf einem Sparbuch an.
Insgesamt geben 83 Prozent aller Befragten an, die Folgen des Klimawandels und damit steigende Kosten am meisten zu fürchten. 76 Prozent befürchten zudem Preissteigerungen durch geopolitische Konflikte und damit eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation. Die Gen Z liegt hier mit 82 beziehungsweise 78 Prozent im Durchschnitt aller Umfrageteilnehmer.
Umwelt- und Klimaschutz
Für 55 Prozent der Befragten der Gen Z ist der Nachhaltigkeitsaspekt eher wichtig oder sehr wichtig. Bei der Gesamtheit der Befragten hingegen sind es nur 46 Prozent. „Die Gen Z hat ganz offensichtlich die enorme Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit erkannt“, so Alina vom Bruck, Vorständin bei der Gothaer Asset Management AG.
Danach gefragt, welcher Aspekt von Nachhaltigkeit ihnen am wichtigsten ist, nennen 37 Prozent der Deutschen soziale Gerechtigkeit und 22 Prozent eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Für 36 Prozent aller Befragten steht zudem der Umwelt- und Klimaschutz an erster Stelle, bei der Gen Z liegt der Wert in diesem Aspekt bei 41 Prozent. (Ende)
ISRAEL
n-tv aktuell ISRAEL
Israels Armee findet Leiche Geiselfamilien zeigen blutige Entführung nach Gaza
Am Tag des Hamas-Überfalls werden Hersh Goldberg-Polin, Or Levy und Elija Cohen in den Gazastreifen verschleppt. Das Forum der Geiselfamilien veröffentlicht ein Video, das Szenen äußerster Brutalität zeigt. Ein israelischer Soldat, der am 7. Oktober verschwand, ist tot.
Bereits „echte Erfolge“ erzielt Baerbock warnt vor endlosem Kieg in Gaza
Bei ihrem Besuch in Israel dringt Außenministerin Baerbock auf ein Ende des Krieges in Gaza. Der US-Plan zeige einen klaren Weg zu einem Kriegsende. Sie fordert die Hamas auf, den Vorschlag zu akzeptieren. Zudem wendet sie sich an jene, die auch in Israel eine Fortsetzung des Krieges befürworten.
n-tv aktuell Nahost-Konflikt
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NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL
Nicht eingelangt
WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN
ROUNDUP/Baerbock in Israel: Aufruf zu Sicherheitspartnerschaft für Gaza
TEL AVIV (dpa-AFX) – Außenministerin Annalena Baerbock hat zu einer internationalen Sicherheitspartnerschaft für ein Ende der Gewalt im Gazastreifen aufgerufen. „Um dauerhafte Sicherheit aufzubauen, ist es jetzt entscheidend, Wege zu finden, die Gewalt in Gaza zu stoppen, die Kämpfe dauerhaft zu beenden“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag bei der Herzlija-Sicherheitskonferenz des Instituts für Politik und Strategie sowie der Reichman-Universität in Israel. Dies sei der Schwerpunkt aller ihrer Gespräche in Israel sowie mit den amerikanischen, europäischen und arabischen Partnern.
Es ist bereits der achte Israel-Besuch Baerbocks seit der blutigen Terrorattacke der islamistischen Hamas auf das Land am 7. Oktober. An diesem Dienstag führt die Ministerin politische Gespräche in den Palästinensischen Autonomiegebieten, Jerusalem und in der libanesischen Hauptstadt Beirut.
Notwendigkeit von Sicherheit für Israelis und Palästinenser
„Dauerhafte Sicherheit für alle Israelis wird nur möglich sein, wenn es dauerhafte Sicherheit für die Palästinenser gibt. Und gleichzeitig: dauerhafte Sicherheit für die Palästinenser wird nur möglich sein, wenn es dauerhafte Sicherheit für die Israelis gibt“, sagte Baerbock. Sie fügte hinzu: „Das eine ist ohne das andere nicht möglich.“
Baerbock sagte, gemeinsam mit anderen EU-Ministern habe sie über einen möglichen erneuten Einsatz der früheren EU-Grenzschutzmission Eubam am Rafah-Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten gesprochen. Es sei darum gegangen, „wie wir sicherstellen können, dass Grenzschützer mit europäischer Unterstützung trainiert werden, aber auch die Sicherheit an der Grenze zu gewährleisten“. Dies könne dann eine erneute Einfuhr humanitärer Güter über den Grenzübergang ermöglichen, der seit fast zwei Monaten geschlossen ist. Auf solchen internationalen Sicherheitsgarantien könne man wiederum aufbauen, damit eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde die Sicherheitskontrolle übernehmen könne.
Baerbock forderte die israelische Regierung erneut auf, beim Militäreinsatz im Gazastreifen die Menschenrechte und das Völkerrecht zu wahren. Berichte über Misshandlungen von palästinensischen Gefangenen nannte sie verstörend. Zugleich verlangte, die islamistische Hamas müsse „diesem Horror ein Ende setzen“ und alle Geiseln freilassen. Die Hamas habe Israels Sicherheit zerstören wollen, aber auch dessen Legitimität. „Es ist Hamas, die versucht hat, mit Hilfe ihrer internationalen Unterstützer eine regionale Eskalation auszulösen.“
Baerbock will bei ihrem Besuch auch erneut nach Wegen hin zu einer Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern suchen. Damit ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ebenso wie die Hamas ab.
Baerbock: Resignation ist keine Option
Deutschland wisse, dass der Weg zu dauerhafter Sicherheit sehr schwierig sein werde, räumte Baerbock ein. „Aber resigniert die Hände zu heben, ist keine Option: denn das wird den Schmerz der Familien der Geiseln nicht beenden und das Leiden der unschuldigen Kinder in Gaza nicht beenden“, fügte sie hinzu.
Vollständigen Rückzug der Hisbollah verlangt
Baerbock forderte einen vollständigen und nachweisbaren Rückzug der schiitischen Hisbollah-Miliz aus dem Grenzbereich des Libanons zu Israel. Die Zunahme der Gewalt an der Nordgrenze Israels bereitet große Sorgen – auch deswegen reise sie am Dienstag in die libanesische Hauptstadt Beirut. Gemeinsam mit den Partnern arbeite man intensiv an Lösungen, die weiteres Leid verhindern könnten. „Das Risiko einer unbeabsichtigten Eskalation und eines umfassenden Krieges wächst täglich. Daher ist äußerste Vorsicht geboten.“
Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant.
Gespräche in Ramallah, Jerusalem und Beirut
Am Dienstag sind in Ramallah Gespräche mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammed Mustafa, über die Lage im Westjordanland sowie die Reformbemühungen der PA geplant. In Jerusalem ist ein Treffen mit dem israelischen Außenminister Israel Katz vorgesehen. Am Dienstagnachmittag will Baerbock in der Beirut mit Libanons Ministerpräsident Nadschib Mikati sprechen.
Mahnung an Israel
Baerbock skizzierte Elemente, die aus ihrer Sicht für den Aufbau dauerhafter Sicherheit von entscheidender Bedeutung seien. Die Bilder vom israelischen Vorgehen im Gazastreifen lösten starke Emotionen, Fassungslosigkeit, Trauer und Wut aus, sagte sie. „Als Freund Israels möchte ich offen sein: Diese Wut hilft Israel nicht, seine Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen, im Gegenteil“, sagte die Ministerin und ergänzte: „Sie dient nur dem zynischen Bestreben der Hamas, eine weitere Eskalation zu provozieren.“
Israels größte Stärke und sein bester Schutz seien seine Menschlichkeit, sein Bekenntnis zu demokratischen Werten, zum Völkerrecht und zu den Menschenrechten, mahnte Baerbock. Gerade vor diesem Hintergrund nannte sie Berichte über Misshandlungen von Gefangenen in Gaza verstörend. Dies gelte auch für Berichte über die brutale Vertreibung von Palästinensern durch extremistische israelische Siedler im Westjordanland.
„Palästinenser müssen am Ende Sicherheitsverantwortung übernehmen“
Geklärt werden müsse auch, wie der wirtschaftliche Wiederaufbau im Gazastreifen finanziert und sichergestellt werde, sodass „diese Bemühungen nicht zum Aufbau neuer terroristischer Strukturen missbraucht würden“, sagte Baerbock.
Deutschland sei dankbar, dass die arabischen Partner diesen Dialog vorantreiben würden, fügte die Ministerin hinzu. Die Partner hätten aber auch deutlich gesagt, dass sie ohne Fahrplan für einen palästinensischen Staat und ohne Zusicherungen, dass dies der letzte Krieg in Gaza sein werde, nicht in den Wiederaufbau investieren würden. Man müsse die Vision der Araber zusammen mit dem berücksichtigen, was Europäer, Amerikaner und andere zu bieten bereit seien.
Baerbock an Palästinensische Autonomiebehörde: Reformen nötig
Dazu gehöre auch eine gemeinsame Anstrengung, die künftige Rolle der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zu definieren, sagte Baerbock. Wenn man wolle, dass die PA irgendwann die Rolle der legitimen Regierungsbehörde in Gaza übernehme, müsse diese in der Lage sein, dies zu gewährleisten – auch mit Polizei- und Sicherheitskräften. Dazu müsse die Autonomiebehörde reformiert werden. Baerbock ergänzte: „In der gegenwärtigen Situation ist es gefährlich und kontraproduktiv, etablierte PA-Strukturen zu zerstören und zu destabilisieren.“ Genau dies bewirke aber die illegale Ausweitung israelischer Siedlungsprojekte im Westjordanland./bk/le/DP/he
Raketenalarm in israelischer Küstenstadt Aschkelon
TEL AVIV (dpa-AFX) – Erstmals seit mehreren Wochen hat es am Montag in der israelischen Küstenstadt Aschkelon wieder Raketenalarm gegeben. Nach Angaben von Sanitätern verletzten sich zwei Menschen, als sie in Schutzräume liefen. Mehrere andere erlitten demnach Schocks. Auch in Ortschaften am Rande des Gazastreifens heulten Warnsirenen, wie das Militär mitteilte. Die palästinensische Terrororganisation Islamischer Dschihad reklamierte die Angriffe für sich. Das israelische Militär teilte mit, zwei aus dem nördlichen Gazastreifen abgefeuerte Geschosse seien von der Raketenabwehr abgefangen worden.
Zuvor hatte Israels Raketenabwehr den Angaben zufolge ein aus Rafah im Süden des Gazastreifens abgefeuertes Geschoss abgefangen. Israels Militär ist in Rafah seit Anfang Mai im Einsatz. Erklärtes Ziel war die Zerschlagung der letzten Bataillone der islamistischen Hamas in der Stadt an der Grenze zu Ägypten.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast neun Monaten sind nach Angaben des israelischen Militärs von verschiedenen Fronten aus – dem Gazastreifen, Libanon, Syrien, dem Iran, dem Irak und dem Jemen – insgesamt rund 20 000 Raketen, Mörsergranaten und Drohnen gegen Israel eingesetzt worden./le/DP/he
Baerbock: Situation an Israels Nordgrenze mehr als besorgniserregend
LUXEMBURG (dpa-AFX) – Außenministerin Annalena Baerbock hat die Situation an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon als mehr als besorgniserregend bezeichnet und vor noch mehr Gewalt gewarnt. „Eine weitere Eskalation wäre eine Katastrophe für alle Menschen in der Region“, sagte die Grünen-Politikerin am Montagvormittag vor einer Nahost-Reise. Auch deswegen sei es absolut wichtig, dass man endlich zu der Feuerpause in Gaza komme. „Israel kann nur in Sicherheit leben, wenn Palästinenser in Sicherheit leben. Und Palästinenser können nur in Sicherheit leben, wenn Israel sicher ist“, sagte sie.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Massaker der islamistischen Hamas in Israel am 7. Oktober kommt es ständig auch zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischen Armee mit der proiranischen Hisbollah und anderen Gruppierungen im Libanon. Zuletzt hatten sich die Gefechte deutlich zugespitzt. Tote gab es dabei auf beiden Seiten. UN-Generalsekretär António Guterres rief am Freitag die Konfliktparteien zur Einstellung der Feindseligkeiten auf. Die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten sei „real“.
Konkret forderte Baerbock insbesondere die Hamas auf, dem Friedensplan von US-Präsident Joe Biden zuzustimmen. Dieser sieht zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor. In diesem Zeitraum soll eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen werden. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.
Baerbock äußerte sich am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg. Von da aus wollte sie direkt in den Nahen Osten weiterreisen und dort in Israel und im Libanon Gespräche führen./aha/DP/mis
UNRWA warnt vor Plünderungen im Gazastreifen
Das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) hat mit eindringlichen Worten vor einer weiteren Verschlechterung der Situation im Gazastreifen gewarnt. „Der Zusammenbruch der zivilen Ordnung hat zu ausufernden Plünderungen und Schmuggel geführt, die die Lieferung der dringend benötigten humanitären Hilfe behindern“, sagte UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini gestern vor dem Aufsichtsgremium des Hilfswerks in Genf.
Mehr als acht Monate Krieg haben zu einer desolaten humanitären Lage in dem Palästinensergebiet geführt. „Palästinenser und Israelis haben schreckliche Verluste erlitten und unendlich gelitten“, sagte Lazzarini laut einer Abschrift seiner hinter verschlossenen Türen gehaltenen Ansprache. Die Menschen im Gazastreifen befänden sich in „einer lebenden Hölle, einem Alptraum, aus dem sie nicht erwachen können“.
Weiterhin Finanzierungsprobleme
Das UNO-Palästinenserhilfswerk war zu Beginn des Jahres in die Kritik geraten, nachdem Israel Anschuldigungen erhoben hatte, wonach zwölf UNRWA-Mitarbeiter an dem beispiellosen terroristischen Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 beteiligt waren. Als Reaktion auf die Vorwürfe hatten zahlreiche Geberstaaten ihre finanzielle Hilfen ausgesetzt.
Eine von der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna geleitete Kommission zur Untersuchung des Hilfswerks stellte einige „neutralitätsbezogene Probleme“ fest, erklärte jedoch, dass Israel keine Beweise für seine Anschuldigungen vorgelegt habe. Viele Länder haben ihre Zahlungen inzwischen wieder aufgenommen, nicht jedoch die USA.
Laut Lazzarini gibt es nach wie vor Finanzierungsprobleme. „Wenn der Status quo beibehalten wird“, warnte der UNRWA-Chef, „wird das Hilfswerk zusammenbrechen, und Millionen von schutzbedürftigen Kindern, Frauen und Männern werden einen hohen Preis zahlen“.
Krankenhaus: Mindestens sieben Tote bei Luftangriff
Bei einem israelischen Luftangriff in Chan Junis im Süden des Gazastreifens wurden nach Krankenhausangaben mindestens sieben Palästinenser getötet. 22 weitere seien verletzt worden, teilte ein Mitarbeiter des Europäischen Krankenhauses in Chan Junis mit.
Ein israelischer Armeesprecher sagte, man prüfe die Berichte. Nach Angaben von Einwohnern und Einwohnerinnen der Stadt hatten die Getöteten im Auftrag der Hamas humanitäre Hilfslieferungen begleitetet.
EU beschließt weitere Sanktionen gegen Hamas und gewalttätige Siedler
Die EU einigte sich indessen auf weitere Sanktionen gegen die radikal-islamische Terrororganisation Hamas und gewalttätige israelische Siedler geeinigt. Das sagte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell nach einem EU-Außenministerrat in Luxemburg. Er nannte keine weiteren Einzelheiten zu den Strafmaßnahmen. *** red, ORF.at/Agenturen
Aussagen zu Geiselbefreiung: Angehörige kritisieren Netanjahu
Die wichtigste Vereinigung von Angehörigen israelischer Geiseln im Gazastreifen hat Aussagen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zur Freilassung eines Teils der von der Hamas verschleppten Geiseln kritisiert.
„Ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen ohne die Freilassung der Geiseln wäre eine beispiellose nationale Niederlage und würde von den Kriegszielen abweichen“, erklärte das Forum der Geiselfamilien heute. Die Rückkehr „aller Geiseln“ falle unter die „Verantwortung und Pflicht“ des Regierungschefs.
Netanjahu hatte gestern in einem Interview gesagt, er werde sich auf kein Abkommen einlassen, das ein Ende des Kriegs vorsieht. Er sei jedoch offen für ein „Teilabkommen“, das die Rückkehr „einiger“ Geiseln aus dem Gazastreifen beinhalte, sagte der Ministerpräsident dem israelischen Sender Chanel 14. Nach einer Feuerpause würde der Krieg dann fortgesetzt, „um das Ziel zu erreichen, die Hamas zu eliminieren“. *** Lesen Sie mehr …
UKRAINE
Karte der Ukraine
n-tv aktuell UKRAINE
+++ 07:46 ISW: Bis zum Eintreffen der US-Hilfen strebt Russland noch „taktisch und operativ bedeutende Gewinne“ an +++
Der US-Thinktank Institute for the Study of War rechnet damit, dass die US-Waffenlieferungen nicht sofort zu deutlichen Erfolgen an der Front führen. „Das ISW geht weiterhin davon aus, dass die russischen Streitkräfte versuchen, taktisch und operativ bedeutende Gewinne zu erzielen, bevor die US-Militärhilfe in großem Umfang bei den ukrainischen Streitkräften an der Front eintrifft, und dass es einige Zeit dauern wird, bis die vom Westen bereitgestellten Waffen an der Front taktisch und operativ wirksam werden“, schreibt es. Es bezieht sich dabei auch auf ein Interview des Militärgeheimdienstchefs Kyrylo Budanow mit dem“Philadelpia Inquirer“. Danach würden Waffenlieferungen aus den USA und Europa, darunter auch Artilleriemunition, schneller in der Ukraine eintreffen als noch vor einigen Monaten. Die ukrainischen Streitkräfte benötigten allerdings eine große Menge an Waffen und es sei „eine Frage des Umfangs“. Laut Budanow werde es „kein Armageddon“ an der Front geben, die Lage dort aber mindestens noch bis Mitte Juli schwierig bleiben.
+++ 07:12 Kiew: Geheimdienst wird weiter „Drohnensanktionen“ gegen russischen Ölraffineriekomplex durchführen +++
Ukrainische Spezialeinheiten haben mehr als 30 russische Ölraffinerien, -terminals und -depots ins Visier genommen, erklärt Präsident Wolodymyr Selenskyj laut einem ukrainischen Medienbericht auf einer Militärsitzung. Dabei lobt er besonders das Zentrum für Spezialoperationen“A“ des ukrainischen Sicherheitsdienstes und weist auf die große Reichweite der Drohnen hin, die nun Entfernungen von 1.500 Kilometern abdecken können. Die jüngsten Drohnenangriffe haben Ziele bis nach Tatarstan und Baschkortostan getroffen – und ein Ende der Attacken ist nicht in Sicht: „Der ukrainische Geheimdienst (SBU) wird weiterhin ‚Drohnensanktionen‘ gegen den russischen Ölraffineriekomplex durchführen und das wirtschaftliche Potenzial des Gegners reduzieren, das dem Aggressor die Mittel zur Kriegsführung gegen die Ukraine liefert“, zitiert „Kyiv Independent“ eine Quelle.
+++ 06:39 Russischer Gouverneur beklagt „massiven“ Drohnenangriff auf Belgorod +++
Bei Drohnenangriffen auf die russische Stadt Belgorod und Siedlungen in der Region Belgorod werden mehrere Gebäude, Fahrzeuge und eine Gasversorgungsleitung beschädigt und vier Menschen verletzt. Dies berichtet „Kyiv independent“ und beruft sich auf Aussagen des Gouverneurs Wjatscheslaw Gladkow, der von einem „massiven“ Drohnenangriff spricht. Demnach soll auch ein Verwaltungsgebäude in der Stadt Shebekino vollständig niedergebrannt sein. Kiew äußert sich nicht zu den Angriffen.
+++ 06:16 EU setzt Dutzende Firmen auf Sanktionsliste +++
Im Rahmen eines neuen Maßnahmenpakets gegen Russland setzt die Europäische Union 61 Unternehmen neu auf die Sanktionsliste, darunter 19 chinesische Unternehmen. Das von den EU-Mitgliedstaaten formell bestätigte 14. Sanktionspaket sieht unter anderem Handelsbeschränkungen für zwei wichtige Akteure der chinesischen Satellitenindustrie vor. Die Firmen sollen Geschäfte in Millionenhöhe mit der russischen Söldnergruppe Wagner getätigt und an diese Satelliten verkauft haben.
Moskaus Kriegswirtschaft boomt „Die Russen konsumieren, als wäre es ihr letzter Tag auf Erden“
+++ 05:43 Krim-Annexion: Menschenrechtsgericht entscheidet über Kiews Klage gegen Moskau +++
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entscheidet heute über die Klage der Ukraine gegen Russland im Zusammenhang mit der Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim. Kiew beschuldigt Moskau, von Februar 2014 bis August 2015 auf der Krim zahlreiche Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention begangen zu haben. Dazu zählen der Klage zufolge „illegale Verhaftungen“, die „Unterdrückung nicht-russischer Medien“ und „entschädigungslose Enteignungen“.
+++ 04:38 Orban zu Kiews EU-Beitritt: „Ungarn ist nicht einverstanden“ +++
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban äußert sich kritisch über die Beitrittsgespräche der Europäischen Union mit der Ukraine, die an diesem Dienstag in Luxemburg aufgenommen werden. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagt Orban: „Ungarn ist mit diesem Beitrittsprozess nicht einverstanden, aber wir blockieren ihn nicht und unterstützen den Start der Verhandlungen.“ Die Gespräche seien „ein rein politisch motivierter Prozess“. Es gehe nicht um Ja oder Nein zur EU-Mitgliedschaft. „Aber wir müssten erst prüfen, was die Folgen wären, wenn wir ein Land im Krieg aufnehmen, dessen Grenzen in der Praxis nicht geklärt sind“, sagt Orban, dessen Land am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.
+++ 03:36 EU beginnt Beitrittsgespräche mit der Ukraine +++
Die EU beginnt am heutigen Dienstag die Beitrittsgespräche mit der Ukraine. „Der Weg zu einer vollwertigen Mitgliedschaft, die die Ukraine verdient, ist unumkehrbar“, sagt dazu Ihor Zhovka, außenpolitischer Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, in einem Interview in Kiew. Bei der Zeremonie in Luxemburg geht es vorerst mehr um Symbolik als um die Feinheiten der Verhandlungen. Diese werden beginnen, wenn die EU die zahlreichen Reformen der Ukraine bewertet hat, die erforderlich sind, um die EU-Standards zu erfüllen.
+++ 02:35 USA: Russischer Atacms-Abschuss tötete Zivilisten auf der Krim +++
Nach Angaben der USA hat die Ukraine bei ihrem Angriff auf die Krim am Wochenende nicht auf Zivilisten gezielt. Russland habe offenbar eine Atacms-Rakete abgefangen, die eine Raketenabschussrampe ausschalten sollte, sagt ein US-Beamter. Dabei seien Trümmer der Rakete an einem Strand niedergegangen. Am Wochenende waren bei dem ukrainischen Angriff mit Atacms-Raketen nach russischen Angaben mindestens vier Menschen getötet worden, darunter zwei Kinder. 151 Menschen wurden demnach verletzt. Russland macht die USA für den Angriff mitverantwortlich. Die US-Regierung teilte dazu mit, die Ukraine treffe ihre eigenen Entscheidungen zu Angriffszielen und Militäreinsätzen.
+++ 01:35 USA wollen Kiew weitere Munition liefern +++
Die USA wollen der Ukraine nach Angaben aus Regierungskreisen zusätzliche Munition im Wert von 150 Millionen Dollar liefern. Nach Angaben zweier US-Regierungsvertreter, die anonym bleiben wollen, wird erwartet, dass die Entscheidung am heutigen Dienstag offiziell bekanntgegeben wird. Die bevorstehende Lieferung soll voraussichtlich auch Munition für die von den USA zur Verfügung gestellten Himars-Mehrfachraketenwerfer beinhalten, mit denen auch Atacms-Raketen abgefeuert werden können. Moskau erklärte nach ukrainischen Atamcs-Angriffen auf die Krim, die USA seien nun Kriegspartei.
+++ 00:36 Moskau nennt EU-Sanktionen „wirkungslos“ +++
Moskau tut die neuen Strafmaßnahmen im inzwischen 14. Sanktionspaket der EU gegen Russland als wirkungslos ab. Vielmehr schade sich die EU wieder selbst, teilt das Außenministerium in Moskau mit. Der Westen schaue weder auf die Folgen für die eigene Wirtschaft noch für den Wohlstand der Menschen in der EU, sagt Vize-Außenminister Alexander Gruschko in Moskau. Russland erwartet ein Wirtschaftswachstum über drei Prozent in diesem Jahr, mehr als zehnmal so hoch wie etwa in Deutschland. „Der Sinn der Sanktionen bestand darin, die russische Wirtschaft zu strangulieren, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu zerstören. Erreicht hat die EU das Gegenteil“, sagt Gruschko.
+++ 23:28 Arbeitslose Ukrainer ausweisen: Schwesig widerspricht Dobrindt +++
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig kritisiert den Vorstoß von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Kriegsflüchtlinge in bestimmte Gebiete der Ukraine zurückzuschicken, wenn sie in Deutschland keine Arbeit annehmen. „Es gibt keine sicheren Gebiete, denn Russland attackiert die gesamte Ukraine“, sagt die SPD-Politikerin im ZDF-„heute journal update“. Die Äußerung sei „sehr populistisch“ auf dem Rücken der vielen Flüchtlinge, darunter viele Frauen mit Kindern. Sie wirft Dobrindt vor, kritischen Stimmen in der Bevölkerung hinterherzulaufen.
+++ 22:29 Ukrainischer Generalstab: Fast 130 Gefechte an der Front mit russischen Truppen +++
An der Front ist es nach ukrainischen Angaben seit Tagesanbruch zu 128 Gefechten mit russischen Truppen gekommen. Wie der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht bei Facebook mitteilt, konzentrieren sich die russischen Truppen momentan auf das Gebiet um Pokrowsk. Auf den Bereich entfielen laut der Mitteilung heute ein Drittel der russischen Angriffe. Demnach sei es den ukrainischen Verteidigungskräften gelungen, die Attacken abzuwehren und die Frontlinien zu halten.
+++ 21:57 „Schamloser Verstoß“ – Ungarn kritisiert EU-Beschluss über russisches Vermögen für die Ukraine +++
Die ungarische Regierung reagiert mit Unmut auf die Entscheidung der anderen EU-Staaten, die Gewinne aus eingefrorenen russischen Geldern für die Ukraine zu nutzen. Noch nie habe es einen derartigen „schamlosen Verstoß gegen die gemeinsamen europäischen Regeln“ gegeben, erklärt Außenminister Péter Szijjártó auf Facebook. Nun werde geprüft, wie Ungarn auf juristischem Weg sein Recht bekommen könne. Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán übernimmt in einer Woche die EU-Präsidentschaft. Orbán pflegt nach wie vor gute Beziehungen zur Regierung in Moskau.
+++ 21:38 Ukrainische Marine: 120 russische Drohnen bei Angriff in der Oblast Krasnodar zerstört +++
Bei einem Angriff auf die russische Region Krasnodar sind nach Angaben der ukrainischen Marine 120 Drohnen zerstört worden. Der Angriff am 21. Juni wurde von der ukrainischen Marine und des Sicherheitsdienstes SBU durchgeführt, wie es auf der Webseite der Marine auf Facebook heißt. Das meldet die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform. Die ukrainischen Streitkräfte trafen demnach Objekte eines Truppenübungsplatzes des 726. Trainingszentrums der russischen Flugabwehr in Jeisk. Dort werden dem Bericht zufolge Drohnenpiloten ausgebildet.
+++ 21:04 Jäger über Terror in Dagestan: „Putin muss Fiktion der Opferrolle aufrechterhalten“ +++
Der Kreml vermutet den Einfluss der USA hinter der Anschlagserie in der Teilrepublik Dagestan, die Angriffe mit US-amerikanischen Waffen wolle man als US-amerikanischen Angriff werten. Welche Rolle diese Anschuldigungen in der russischen Kriegspropaganda spielen, ordnet Politikexperte Thomas Jäger ein.
Terror in Dagestan, West-Waffen „Putin muss Fiktion der Opferrolle aufrechterhalten“
+++ 20:42 Macron versichert der Ukraine vor der Wahl Frankreichs „unmissverständliche Entschlossenheit“ +++
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagt der Ukraine die dauerhafte Unterstützung seines Landes zu. Nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Paris betonte Macron die „unmissverständliche Entschlossenheit“ seines Landes, der Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen Russland weiter beizustehen. Die Unterstützung für Kiew „ist und bleibt ungebrochen“, sagte Macron angesichts von Befürchtungen in Kiew, dass ein Wahlerfolges der Rechtspopulisten in Frankreich den Ukraine-Kurs des Landes beeinflussen könnte.
+++ 20:16 Finnische Außenministerin: Arbeit am 15. Sanktionspaket gegen Russland wird „sofort beginnen“ +++
Die EU-Staaten haben heute das 14. Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht – und das 15. Maßnahmenpaket soll bereits in Vorbereitung sein: Die Arbeit daran werde „sofort beginnen“, sagte die finnische Außenministerin Elina Valtonen laut einem Bericht von „Kyiv Independent„. Das neue Paket der EU fügt 116 Personen und Organisationen der Sanktionsliste hinzu und fügt mehrere zusätzliche Maßnahmen hinzu, darunter das Verbot, dass EU-Einrichtungen an der Umladung von russischem Flüssigerdgas (LNG) in Drittländer beteiligt sind.
+++ 19:44 Selenskyj setzt General Juri Sodol ab +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Befehlshaber der Vereinten Kräfte, Generalleutnant Juri Sodol, abgesetzt. Zum neuen Kommandeur der Vereinten Kräfte der Ukraine wurde Brigadegeneral Andrij Hnatow ernannt, sagte der Staatschef in seiner abendlichen Videoansprache. Gründe für die Entlassung nannte er nicht. Zuvor hatte der Stabschef der umstrittenen Asow-Brigade, Bohdan Krotewytsch, Medien zufolge Anzeige gegen Sodol erstattet. Er warf dem Kommandeur fahrlässige Befehle vor, die zu großen Verlusten geführt hätten. „Er hat mehr ukrainische Soldaten umgebracht als irgendein russischer General“, schrieb Krotewytsch bei Facebook, ohne Sodols Namen zu nennen.
+++ 19:16 Ukraine erhält von der EU 1,4 Milliarden Euro aus russischen Vermögensgewinnen +++
Die Ukraine erhält von der Europäischen Union ab Juli weitere Militärhilfe von 1,4 Milliarden Euro. Dafür machten die EU-Außenminister heute in Luxemburg den Weg frei, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mitteilt. Damit stellt die EU Kiew erstmals Zinsgewinne aus eingefrorenem russischen Vermögen zur Verfügung. Bisher blockierte Ungarn die Freigabe der Mittel. Die Außenminister einigten sich aber auf eine Methode, die Russland-nahe Regierung in Budapest zu umgehen. Der EU-Außenbeauftragte legt den Außenministern dazu nach eigenen Angaben eine juristische Einschätzung vor. Danach muss Ungarn der Auszahlung der ersten Tranche nicht mehr explizit zustimmen. Denn zuvor hatte es bereits Grundsatzbeschlüsse zur Verwendung der Gelder gegeben, bei denen sich die Regierung von Viktor Orban konstruktiv enthalten hatte. „Der (EU-)Vertrag sieht legale Wege vor, um voranzukommen“, betont Borrell.
+++ 18:52 Deutschland liefert der Ukraine mehr als 40 Lkw für Grenzschutz +++
Deutschland liefert der Ukraine mehr als 40 Lastwagen für Grenzschützer an der Front. „Deutschland steht an der Seite der Ukraine. 41 Mercedes Arocs-Lkw werden den Einheiten des staatlichen Grenzschutzes bei der logistischen Versorgung an der Front helfen“, sagte der deutsche Botschafter in der Ukraine, Martin Jäger, laut einem Bericht der ukrainischen Zeitung „Kyiv Independent„. „Auf diese Weise leistet Deutschland einen weiteren Beitrag zur Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Aggressor“, sagte der deutsche Diplomat dem Bericht zufolge.
+++ 18:14 Ukraine: Zahl der Toten in Pokrowsk nach russischem Angriff auf fünf gestiegen +++
Die Behörden in der ostukrainischen Stadt Pokrowsk geben nun die Zahl der Toten nach einem russischen Raketenangriff mit fünf an. Die Zahl der Verletzten liege nun bei 41, darunter vier Kinder, heißt es weiter. Früheren ukrainischen Angaben zufolge beschoss Russland die Stadt mit zwei Raketen. Ein Privathaus sei zerstört und 16 beschädigt worden.
+++ 18:02 USA nach russischen Vorwürfen: Ukraine sucht Angriffsziele selbst aus +++
Die US-Regierung steuert nach eigener Darstellung nicht die Angriffe der Ukraine. „Die Ukraine trifft ihre eigenen Entscheidungen bezüglich der Ziele und leitet ihre eigenen Militäreinsätze“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Die Aussage folgt dem Vorwurf Russlands vom Wochenende, ein mit ATACMS-Raketen ausgeführter ukrainischer Angriff auf die Krim gehe auf die USA zurück. Dabei starben nach russischen Angaben mindestens vier Menschen, 151 wurden verletzt. Russland hatte die Krim 2014 für annektiert erklärt.
+++ 17:46 Scholz: Deutsche Unternehmen sind treibende Kraft beim Wiederaufbau der Ukraine +++
Bundeskanzler Olaf Scholz dankt deutschen Unternehmen für ihre Unterstützung der Ukraine, auch beim Wiederaufbau des Landes. Dies erklärte der SPD-Politiker laut einem Ukrinform-Korrespondenten in seiner Rede vor den Teilnehmern der Konferenz „Tag der Industrie“ in Berlin. „Deutsche Unternehmer spielen bereits heute eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung und dem Wiederaufbau der Ukraine und ihres europäischen Kontinents“, sagte der Kanzler demnach.
+++ 17:18 Selenskyj zu Abschluss von Sicherheitsabkommen in Brüssel erwartet +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird Mitte der Woche zu politischen Gesprächen in Brüssel erwartet. Wie mehrere EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur sagten, soll dabei auch eine Vereinbarung über die Sicherheitszusammenarbeit zwischen der Ukraine und der EU unterzeichnet werden. An dem Text dafür wird bereits seit Monaten gearbeitet. Selenskyj könnte am Donnerstag auch zeitweise als Gast am Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten teilnehmen. Eine Bestätigung gibt es dafür bislang nicht. Die Vereinbarung von Sicherheitsabkommen geht auf eine Initiative der Mitglieder der G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte zurück. Sie hatten am Rande des NATO-Gipfels im litauischen Vilnius im vergangenen Jahr vereinbart, dass einzelne Staaten mit der Ukraine bilaterale Vereinbarungen abschließen sollten, um deren Sicherheit langfristig zu gewährleisten. Die EU schloss sich an. Mit den Abkommen werden der Ukraine unter anderem Waffenlieferungen, Finanzhilfen und politische Kooperation zugesichert. Sie sollen helfen, die Zeit bis zum angestrebten NATO-Beitritt des Landes zu überbrücken.
+++ 16:55 Außenamtssprecher zu Dobrindt-Forderung: Keine sicheren Gebiete in der Ukraine +++
Der Vorstoß von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, arbeitslose Geflüchtete aus der Ukraine in sichere Gebiete in ihrer Heimat zurückzuschicken, stößt im Auswärtigen Amt auf Ablehnung. Russland greife Ziele sowohl in der Ost- als auch der West-Ukraine an, sagte ein Außenamtssprecher in Berlin. Moskau führe einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine. „Von daher wüsste ich jetzt nicht, wo es einen sicheren Ort in der Ukraine geben sollte.“ Dobrindt hatte am Wochenende gefordert, bei Geflüchteten aus der Ukraine Arbeit zur Bedingung für eine Bleibe-Erlaubnis zu machen. Es müsse der Grundsatz gelten: „Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Vertreter der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP kritisierten den Vorstoß und warfen Dobrindt Populismus vor.
Nach Forderungen aus der CSU Bundesregierung will keine Ukrainer zur Rückkehr zwingen
+++ 16:36 Russland kündigt Vergeltung wegen neuer EU-Sanktionen an +++
Russland kündigt Vergeltung wegen der neuen EU-Sanktionen an. Auf jede unfreundliche Handlung des Westens werde „mit der notwendigen Antwort“ reagiert, teilt das Außenministerium in Moskau mit. Die Sanktionen seien illegal. Die Liste von Personen, die nicht in Russland einreisen dürfen, sei erheblich erweitert worden, heißt es in der Erklärung weiter. Einzelheiten werden nicht genannt. Zuvor brachten die EU-Staaten ein 14. Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg. Unter anderem sollen Investitionen in russische Flüssigerdgas-Projekte unterbunden werden.
+++ 16:20 Selenskyj: Ukraine hat mehr als 30 russische Öl-Anlagen getroffen +++
Die Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj zufolge mehr als 30 Ziele in der russischen Öl-Industrie getroffen, darunter Raffinerien, Terminals und Lager. Einen Zeitraum für die Angriffe oder weitere Einzelheiten nennt er nicht. Eine Stellungnahme Russlands liegt bislang nicht vor. Die Ukraine hat in diesem Jahr ihre Angriffe auf die russischen Öl-Anlagen verstärkt. Über sie bezieht die Regierung in Moskau einen bedeutenden Teil ihrer Einnahmen.
+++ 16:01 Oberst a.D. warnt vor Euphorie: Kiews Verhandlungsposition ist „erheblich verschlechtert“ +++
Trotz der jüngsten ukrainischen Erfolge im Schwarzen Meer warnt Wolfgang Richter vom Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik vor allzu viel Euphorie. Russland könne auf „erhebliche Ressourcen“ zurückgreifen. Neben militärischer Unterstützung bräuchte es auch eine Exit-Strategie, so der Experte.
Oberst a.D. warnt vor Euphorie Kiews Verhandlungsposition ist „erheblich verschlechtert“
+++ 15:34 Acht Tote und Dutzende Verletzte bei russischen Angriffen in der Ukraine +++
Bei russischen Angriffen auf Ziele im Osten der Ukraine und in der südwestlichen Hafenstadt Odessa sind nach ukrainischen Angaben mindestens acht Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Bei Raketenangriffen auf die Stadt Pokrowsk in der östlichen Region Donezk wurden laut Gouverneur Wadym Filaschkin mindestens vier Menschen getötet und 34 weitere verletzt, darunter zwei Kinder. Filaschkin zufolge beschossen die russischen Truppen die Stadt Pokrowsk mit zwei Iskander-M-Raketen und zerstörten mehrere Häuser. Es handele sich um einen der größten feindlichen Angriffe auf Zivilisten in jüngster Zeit. Seinen Angaben zufolge wurde zudem ein Mann bei einem russischen Angriff auf die Stadt Kurachowe weiter südlich getötet. „Die Russen haben die Stadt mit einer Lenkrakete angegriffen und eine Infrastruktureinrichtung beschädigt“, sagte der Gouverneur, ohne nähere Angaben zu machen.
+++ 15:11 Deutschland, Frankreich und Polen planen Koalition für Abstandswaffen +++
Deutschland, Frankreich und Polen wollen eine Koalition europäischer Staaten zur Entwicklung weitreichender Waffen gründen. „Abstandswaffen sind eine gravierende Fähigkeitslücke in Europa“, erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD in Paris. Bis zum NATO-Gipfel im Juli sollten sich mehrere Staaten darauf verständigen, diese Lücke mittel- bis langfristig zu schließen, betonte er. Eine entsprechende Absichtserklärung könne dann beim NATO-Gipfel in Washington unterzeichnet werden. Dies wäre „ein sichtbares Zeichen unserer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen“, sagte Pistorius bei einem Treffen mit seinen französischen und polnischen Kollegen, Sébastien Lecornu und Wladyslaw Kosiniak-Kamysz. „Wir werden in Washington zeigen, wie kraftvoll und verlässlich die Europäer sich einbringen“, betonte Pistorius. Er verwies darauf, dass bereits 23 europäische Alliierte, darunter auch Deutschland, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO mit Blick auf die Verteidigungsausgaben erreicht oder überschritten hätten.
+++ 14:42 Kiew nennt verletzte Zivilisten auf der Krim „zivile Besatzer“ +++
Nach der verheerenden Explosion einer ukrainischen Rakete über einem Strand auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim bezeichnet die Regierung in Kiew die Opfer als „zivile Besatzer“. „Auf der Krim gibt und kann es keine ‚Strände‘, ‚touristische Zonen‘ oder andere fiktive Anzeichen ‚friedlichen Lebens‘ geben“, schreibt der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, auf Telegram. Die Krim sei ein von Russland besetztes Gebiet mit Hunderten militärischen Zielen, auf dem Kampfhandlungen stattfinden. Der Kreml versuche, diese Ziele mit eigenen Zivilisten zu decken, die damit ihrerseits zu zivilen Besatzern würden. Tags zuvor war über einem öffentlichen Strand beim Flottenstützpunkt Sewastopol eine ukrainische Rakete explodiert. Den örtlichen Behörden zufolge wurden dabei mindestens vier Menschen getötet und mehr 150 verletzt.
+++ 14:18 Selenskyj ordnet Überprüfung der Leibwache an +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ordnet eine Überprüfung der Staatsgarde an, nachdem innerhalb des Sicherheitsdienstes mutmaßliche Attentatspläne aufgedeckt wurden. Bei der Vorstellung des neuen Chefs der Leibwache, Olexij Morosow, sagt Selenskyj, dessen Hauptaufgabe bestehe darin zu gewährleisten, dass der Garde nur Personen beitreten, die ihre Zukunft mit der Ukraine verbunden sehen. Und selbstverständlich müsse jeder aus der Garde entfernt werden, „der sich für eine andere Wahl als die Ukraine entscheidet oder die Staatsgarde in Verruf bringt“. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU hatte im Mai mitgeteilt, dass er zwei ranghohe Offiziere der Garde festgenommen habe, denen vorgeworfen werde, die Ermordung Selenskyjs und anderer staatlicher Vertreter der Ukraine zu planen.
+++ 13:52 Ukraine beklagt Tote und Verletzte bei Angriff auf Pokrowsk +++
In der ostukrainischen Stadt Pokrowsk sind nach Angaben der Regionalbehörden mindestens vier Menschen bei einem russischen Raketenangriff getötet worden. 34 weitere Menschen seien verletzt worden, darunter zwei Kinder, teilen die Behörden mit. Russland habe die Stadt mit zwei Raketen beschossen. Ein Privathaus sei zerstört, 16 weitere beschädigt worden.
+++ 13:32 EU bringt gegen Willen Ungarns Militärhilfe für Ukraine auf den Weg +++
Die EU bringt gegen den Willen der ungarischen Regierung rund 1,4 Milliarden Euro für Militärhilfen für die Ukraine auf den Weg. Bei einem Außenministertreffen in Luxemburg sei das geplante Verfahren dafür gebilligt worden, bestätigen mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur.
+++ 13:16 Ukraine meldet zwei Todesopfer durch russische Mine +++
In Lypzi in der Region Charkiw sind bei der Explosion einer russischen Mine zwei Menschen ums Leben gekommen. Das berichtet der Chef der regionalen Militärverwaltung bei Telegram, wie die staatliche ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform meldet. Ein Auto mit zwei Insassen überfuhr demnach am Morgen eine Panzerabwehrmine. Ein Mann sei noch vor Ort gestorben, eine Frau auf dem Weg ins Krankenhaus.
+++ 12:52 Bundesregierung erteilt Ausweisung arbeitsunwilliger Ukrainer Absage +++
Die Bundesregierung lehnt eine Ausweisung arbeitsunwilliger Ukrainerinnen und Ukrainer ab. Es sei tagtäglich zu beobachten, wie Russland Ziele in der gesamten Ukraine angreife und auch versuche, die Infrastruktur im Westen des Landes zu zerstören, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. „Von daher wüsste ich jetzt nicht, wo es einen sicheren Ort in der Ukraine geben sollte“, betont er und reagiert damit auf eine entsprechende Forderung von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dobrindt sprach dabei von „sicheren Gebieten der West-Ukraine“.
Thorsten Frei im ntv Frühstart Ukrainer raus? „Es geht um die Frage, die dahinter liegt!“
+++ 12:21 Russland droht USA nach Krim-Raketenangriff mit Konsequenzen +++
Russland droht den USA mit Konsequenzen für einen ukrainischen Raketenangriff auf die annektierte Halbinsel Krim, bei dem mindestens 4 Menschen getötet und mehr als 150 weitere verletzt worden sein sollen. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow erklärt, dies werde Folgen haben. „Welche genau – das wird die Zeit zeigen.“ Russland werde auf die US-Beteiligung an diesem Angriff reagieren. Peskow verweist auf die russische Drohung, Raketen in Schlagdistanz zu den USA und ihren europäischen Verbündeten zu stationieren. Russischen Angaben zufolge hatte die Ukraine am Sonntag die Krim mit fünf von den USA gelieferten ATACMS-Raketen beschossen, die mit Streusprengköpfen bestückt gewesen seien. Vier Raketen seien von der Luftabwehr abgeschossen worden, die Munition einer fünften Rakete sei in der Luft detoniert. Raketentrümmer seien in der Nähe eines Strandes niedergegangen. Unter den Toten seien auch zwei Kinder. Mehr dazu lesen Sie hier.
+++ 11:58 Russlandexperte: Rakete auf Krim „nicht gezielt auf Urlauber geschossen“ +++
Bei einem ukrainischen Raketenangriff auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim kommen mehrere Menschen ums Leben, angeblich auch an einem Strand. „Die Trümmerteile sind zufälligerweise über den Urlaubern runtergekommen“, sagt Russlandexperte Niko Karasek:
Karasek zu Angriff auf die Krim Ukraine-Rakete „nicht gezielt auf Urlauber geschossen“
+++ 11:35 Sewastopol verhängt Ausnahmezustand +++
Einen Tag nach einem folgenschweren ukrainischen Raketenangriff haben die Behörden der Hafenstadt Sewastopol auf der von Russland annektierten Krim den Ausnahmezustand verhängt. Offiziellen Informationen zufolge wurden bei dem Angriff 4 Menschen getötet und 151 verletzt, 79 Personen sind noch im Krankenhaus. Die meisten Opfer hatten sich an einem Stadtstrand von Sewastopol gesonnt, als Raketentrümmer heruntergingen und explodierten. Hatte das russische Militär zunächst den Abschuss der Rakete für sich in Anspruch genommen, widerrief es die Aussage später und erklärte, die ukrainischen Flugkörper sei zielgerichtet auf die Zivilisten abgeschossen worden. Selbst in russischen Militärblogs wird diese Behauptung aber teils in Zweifel gezogen. In der Nähe gibt es mehrere militärische Objekte.
Beschuss mit ATACMS-Raketen Ukraine trifft wohl Sowjet-Weltraumtechnik auf der Krim
+++ 11:01 Deutschland nach neuem Sanktionspaket in der Kritik +++
Nach dem formellen Beschluss der neuen Sanktionen gegen Russland kommt Kritik aus den Baltenstaaten an Deutschland. Die Sanktionen seien „bedauerlicherweise schwächer“ als geplant, kritisiert Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. Sein estländischer Kollege Margus Tsahkna sagt, es werde „immer schwerer in der Europäischen Union, einen Konsens über neue Sanktionen zu finden“. Bisher lag dies vor allem an Ungarn, doch nun verhinderte die Bundesregierung schärfere Regeln gegen das Umgehen von Sanktionen über Drittländer. Die EU-Kommission wollte europäische Unternehmen haftbar machen, wenn über Tochterfirmen etwa in Kasachstan verbotene Güter nach Russland gelangen. Berlin wandte ein, die Maßnahmen schadeten Deutschland als größter EU-Exportnation mehr als Russland. Nun sollen die Firmen nur noch „bestmögliche Anstrengungen“ gegen Sanktionsverstöße unternehmen.
+++ 10:24 Ukraine meldet nach Angriff auf Odessa Verletzte +++
Nach Angaben des Bürgermeisters sind bei dem Angriff am Morgen auf Odessa zwei Menschen verletzt worden. Das meldet die staatliche ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform. Russische Truppen hatten demnach mit Raketen zivile Infrastruktur angegriffen.
+++ 09:44 Mehr als 110 neue Namen auf EU-Sanktionsliste +++
Die EU-Staaten haben ein 14. Sanktionspakt gegen Russland auf den Weg gebracht. Demnach werden gegen weitere 116 Personen und Institutionen Strafmaßnahmen verhängt, wie es in einer Erklärung heißt. Auch soll schärfer gegen Versuche vorgegangen werden, die bereits bestehenden Sanktionen zu umgehen. Zudem sollen Investitionen in russische Flüssiggas-Projekte unterbunden werden.
Scholz will Wirtschaft schützen EU verhängt Sanktionen – Berlin blockiert schärfere Klausel
+++ 09:25 EU pocht auf eingefrorene russische Gelder für Ukraine +++
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell will verhindern, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union die Verwendung von Erlösen aus eingefrorenen russischen Finanzmitteln zur Unterstützung der Ukraine blockiert. Er werde dazu einen Vorschlag vorlegen, sagt Borrell vor dem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. „Wir haben ein rechtliches Verfahren, um jede Art von Blockade zu vermeiden.“
+++ 08:58 Moskau lenkt mit Vorwurf zu Dagestan von Islamismus in Russland ab +++
Aus dem russischen Parlament kommen – ohne Belege – Vorwürfe, die Ukraine stecke hinter dem Terroranschlag in Dagestan, wie ntv-Korrespondent Rainer Munz berichtet. Der Kreml versuche, „davon abzulenken, wie gefährlich der islamistische Terror in Russland ist“:
Munz zum Anschlag in Dagestan Zwei der Terroristen sind „Söhne eines Beamten Russlands“
+++ 08:23 Berichte über Angriff auf Odessa +++
Medienberichten zufolge ist in Odessa am Morgen ein Feuer ausgebrochen. Das belarussische Oppositionsmedium Nexta berichtet von einer starken Explosion, die „Kyiv Post“ von einem Angriff auf zivile Infrastruktur.
+++ 07:51 Schwesig trifft in Kiew ein – „Ukraine muss gewinnen“ +++
Als erste Bundesratspräsidentin besucht Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig die Ukraine. Die SPD-Politikerin kommt mit dem Zug in Kiew an, wo sie im Laufe des Tages politische Gespräche führen will. „Es ist ein Zeichen der Solidarität aller 16 Bundesländer mit der Ukraine“, sagte sie auf dem Weg. „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen und es darf überhaupt nicht sein, dass Russland mit dieser Aggression durchkommt.“ Das Bekenntnis geht nicht allen Politikern leicht über die Lippen. Kanzler Olaf Scholz sagt stattdessen stets, Russland dürfe den Krieg nicht gewinnen und die Ukraine dürfe ihn nicht verlieren.
NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE
ROUNDUP: EU beginnt Beitrittsgespräche mit der Ukraine – Die Nacht im Überblick
LUXEMBURG/KIEW (dpa-AFX) – Die EU beginnt an diesem Dienstag die Gespräche für spätere Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau.
Die Unterredungen werden am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg organisiert, nachdem in der vergangenen Woche die sogenannten Verhandlungsrahmen beschlossen worden waren. Mit ihnen werden die Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen festgelegt. Es handelt sich nur um den Startschuss für den Prozess, Verhandlungen im eigentlichen Sinne gibt es noch nicht.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem „historischen Ereignis“. „Das ist der Tag, auf den die Ukraine seit Jahrzehnten zustrebt. Und nun wird es Wirklichkeit. Die Ukraine wird niemals vom Pfad zu einem vereinten Europa abzubringen sein, zu unserem gemeinsamen Zuhause für alle europäischen Nationen“, sagte Selenskyj in seiner in Kiew am Montagabend verbreiteten Videobotschaft.
Der Beginn von Beitrittsgesprächen mit der von Russland angegriffenen Ukraine und deren kleinem Nachbarstaat Moldau war bereits bei einem EU-Gipfel im Dezember grundsätzlich beschlossen worden. Gleichzeitig wurde aber vereinbart, dass vor dem Verhandlungsstart alle Reformauflagen erfüllt sein müssen. Dies bescheinigte die zuständige EU-Kommission der Ukraine erst in diesem Monat, nachdem unter anderem Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, für einen besseren Schutz von nationalen Minderheiten und zur Einschränkung des politischen Einflusses von Oligarchen ergriffen worden waren.
Europastaatsministerin Lührmann: „Historischer Tag“
[Die deutsche] Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) sagte: „Heute ist ein historischer Tag für Europa! Wir eröffnen die EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau.“ Ihr Besuch in der Ukraine und in Moldau vorige Woche habe sie beeindruckt. „Beide Länder haben trotz der russischen Bomben, der Desinformations-Kampagnen und der Destabilisierungversuche große Fortschritte erzielt“, sagte sie.
Für die Menschen in der Ukraine gilt die Eröffnung von EU-Beitrittsverhandlungen vor allem als wichtiges Zeichen dafür, dass es sich lohnt, den Abwehrkampf gegen Russland weiter fortzusetzen. Wie lange es nach einem Start der Gespräche bis zum EU-Beitritt dauern könnte, ist aber völlig offen.
Theoretisch könnte ein Beitrittskandidat auch nie Mitglied werden. Bei der Ukraine gilt es derzeit so auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre Kriegspartei.
Selenskyj wechselt Kommandeur von Militäreinheit aus
Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zwei Jahren mit westlicher Hilfe gegen die russische Invasion. Nach Berichten über hohe Verluste in den ukrainischen Streitkräften hat Präsident Selenskyj den Generalleutnant Jurij Sodol vom Posten des Kommandeurs der Vereinigten Kräfte entlassen. Gründe für den Schritt nannte er nicht. Zuvor hatte aber der Stabschef der umstrittenen Asow-Brigade, Bohdan Krotewytsch, Medien zufolge Anzeige gegen Sodol erstattet. Er warf dem Kommandeur fahrlässige Befehle vor, die zu großen Verlusten geführt hätten.
Medien zufolge gab es nicht zuletzt in der Obersten Rada, dem Parlament in Kiew, Vorwürfe gegen Sodol: Er habe ukrainische Soldaten schlecht auf Einsätze vorbereitet – zum Beispiel in der umkämpften Region Charkiw.
In seiner Videobotschaft verurteilte Selenskyj außerdem einen russischen Raketenangriff auf die Stadt Pokrowsk im ostukrainischen Gebiet Donezk. Vier Menschen seien getötet, Dutzende weitere verletzt worden, sagte der Präsident. Er kündigte einen Vergeltungsschlag nach dem russischen Angriff an. „Und unsere Antwort wird ganz fair sein.“
Russland tut neue EU-Sanktionen als wirkungslos ab
Die EU hatte zuvor ihr 14. Sanktionspaket beschlossen, um Russlands Kriegswirtschaft zu stoppen. Moskau tat die neuen Strafmaßnahmen aber einmal mehr als wirkungslos ab.
Vielmehr schade sich die EU wieder selbst, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Der Westen schaue weder auf die Folgen für die eigene Wirtschaft noch für den Wohlstand der Menschen in der EU, sagte Vize-Außenminister Alexander Gruschko.
„Der Sinn der Sanktionen bestand darin, die russische Wirtschaft zu strangulieren, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu zerstören. Erreicht hat die EU das Gegenteil“, sagte Gruschko. Russland warnte zudem vor erneut steigenden Energiepreisen in der EU.
Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten billigten die Sanktionen in Luxemburg zusammen mit weiteren neuen Strafmaßnahmen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Das Außenministerium in Moskau teilte am Abend mit, dass im Gegenzug weitere Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie von Institutionen aus der EU mit einem Einreiseverbot in Russland belegt würden. Details wurden nicht genannt.
Das Sanktionspaket beinhaltet erstmals weitreichende Sanktionen gegen Russlands milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG). Vorgesehen ist, dass Häfen wie der im belgischen Zeebrugge künftig nicht mehr zur Verschiffung von russischem LNG in Drittstaaten genutzt werden dürfen. Dies soll dazu führen, dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten weniger Flüssigerdgas verkaufen kann und weniger Gewinne erzielt, die für die Fortsetzung des Angriffskriegs gegen die Ukraine verwendet werden könnten.
Russische Analysten sprachen von einem Schlag gegen LNG-Produzenten. Allerdings seien die Sanktionen vergleichsweise weich; und es gebe eine Übergangszeit, die es russischen Unternehmen ermögliche, wie etwa beim Ölembargo neue Abnehmer und alternative Routen zu finden. Schon jetzt profitieren Indien und China – insgesamt der asiatische Raum – von den vergleichsweise günstigen Energie-Angeboten der Rohstoffgroßmacht Russland./aha/DP/zb
WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN
Russland: 30 ukrainische Drohnen im Grenzgebiet abgeschossen
Russland hat nach eigenen Angaben 30 ukrainische Drohnen im Grenzgebiet beider Länder abgeschossen.
Die russische Luftabwehr habe in der Nacht auf heute 29 Drohnen in der Grenzregion Belgorod und eine Drohne in der angrenzenden Region Woronesch „abgefangen und zerstört“, erklärte das russische Verteidigungsministerium auf Telegram.
Eine Tote
In der Region Belgorod habe es nach Behördenangaben eine Tote gegeben. „Leider wurde im Dorf Belowskoje in der Region Belgorod eine Zivilistin getötet“, sagte der Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow. Es handle sich um eine „ältere Frau, deren Haus direkt von einer Drohne ins Visier genommen wurde“.
Am Sonntag waren bei ukrainischen Angriffen auf die annektierte Halbinsel Krim nach Angaben der von Moskau eingesetzten Behörden vier Menschen getötet und 150 weitere verletzt worden. *** red, ORF.at/Agenturen
ROUNDUP/Historischer Tag: EU startet Beitrittsgespräche mit Ukraine und Moldau
LUXEMBURG (dpa-AFX) – Wenn es um die Frage ging, welche Länder irgendwann einmal den Beitritt zu EU schaffen könnten, war jahrelang vor allem von Balkanstaaten wie Montenegro oder Serbien die Rede. Russlands Kriegspolitik hat dies grundlegend geändert. Die Ukraine und ihr kleiner Nachbarstaat Moldau sind in kürzester Zeit zu EU-Beitrittskandidaten geworden und können an diesem Dienstag nun auch noch den offiziellen Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen feiern. Ist die EU schon bald größer als vor dem Brexit?
Was bedeutet die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen?
Relevant ist der Schritt vor allem psychologisch und symbolisch. Die EU zeigt den schätzungsweise mehr als 35 Millionen Menschen in der Ukraine und den 2,4 Millionen Menschen in Moldau, dass sie eine Perspektive haben, EU-Bürger zu werden. Er soll ein Zeichen sein, dass es sich lohnt, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Der CDU-Außenpolitiker Michael Gahler sagt zum Start des Verhandlungsprozesses, für die Menschen in der Ukraine sei die Europäische Union „der verheißungsvolle Fluchtort aus dem düsteren Kriegsalltag“. Sie setzten große Hoffnungen auf EU.
Gilt das gleiche auch für Moldau?
Da es in Moldau keinen Krieg gibt, ist die Lage dort etwas anders, die EU hat aber auch ein strategisches Interesse daran, die Bürger des ukrainischen Nachbarstaates auf EU-Kurs zu halten. „Die Republik Moldau wird wegen ihrer Solidarität mit der Ukraine und der proeuropäischen Orientierung, angeführt von Präsidentin Maia Sandu, vom Kreml offen ins Visier genommen“, erklärt David McAllister (CDU), der zuletzt Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament war. Das zeige sich besonders vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen im Oktober.
Worum geht es in den Beitrittsverhandlungen?
Grundsätzlich ist der Begriff Verhandlungen etwas irreführend. Letztendlich geht es nämlich darum, dass die EU den Kandidatenländern sagt, was sie noch zu tun haben, um in die Union aufgenommen zu werden. Dabei geht es vor allem darum, nationale Rechtsvorschriften an EU-Recht anzupassen und die Wirtschaft und die Verwaltung EU-tauglich zu machen. Um den Prozess übersichtlicher zu gestalten, wurden die Voraussetzungen in 35 sogenannte Kapitel eingeteilt. Am Anfang geht es beispielsweise vor allem darum, dass das Land die grundlegenden Beitrittsvoraussetzungen erfüllt. Dazu geht es dann um Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Justiz.
Bei den Beitrittskonferenzen für die Ukraine und Moldau an diesem Dienstag in Luxemburg wird es erst einmal darum gehen, den beiden Ländern die Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen vorzustellen. Die ersten Verhandlungskapitel dürften nach Angaben von EU-Diplomaten im Verlauf der nächsten zwölf Monate eröffnet werden. Bis dahin muss die EU-Kommission noch in einem sogenannten Screening für die Verhandlungskapitel prüfen, inwieweit das nationale Recht des Beitrittskandidaten noch vom EU-Recht abweicht.
Wie lange werden die Beitrittsverhandlungen dauern?
Das ist noch vollkommen unklar und hängt vor allem von den Reformfortschritten der Kandidatenländer ab. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden beispielsweise bereits 2005 gestartet – und heute liegen sie wegen Rückschritten bei der Rechtsstaatlichkeit komplett auf Eis. Relevant ist auch, dass für das Öffnen und Schließen der 35 Verhandlungskapitel eine einstimmige Entscheidung aller EU-Staaten notwendig ist. Dies birgt Blockade-Risiken.
Wer könnte ein Veto einlegen?
Vor allem bei der Ukraine gilt Ungarn als Risikofaktor. So sagte Regierungschef Viktor Orbán den Zeitungen der Funke Mediengruppe zum Gesprächsstart, die Sache sei für ihn „ein rein politisch motivierter Prozess“. Er halte es nicht für gut, Verhandlungen zu beginnen, ohne Klarheit in bestimmten Fragen zu haben. Als Beispiele nannte er, dass man aus seiner Sicht erst prüfen müsse, was die Folgen wären, wenn man ein Land im Krieg aufnehme, dessen Grenzen in der Praxis nicht geklärt seien. Zudem müsse geprüft werden, was für Folgen der Beitritt des riesigen Landes für die Landwirtschaft der EU hätte.
Hat Orban da einen Punkt?
Die riesige Landwirtschaft der Ukraine würde tatsächlich eine umfangreiche Reform der EU-Agrarförderungen notwendig machen. EU-Experten rechneten zuletzt aus, dass ohne Änderungen in einem Haushaltszeitraum von sieben Jahren EU-Mittel in Höhe von insgesamt 186 Milliarden Euro in die Ukraine fließen würden.
Beim Thema Grenzen gilt, dass die Ukraine vermutlich nicht EU-Mitglied werden kann, bevor nicht der Krieg mit Russland beendet wurde. Denn sonst könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand von anderen EU-Staaten einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei.
Bräuchte es nur in der EU-Landwirtschaft Reformen vor einer EU-Erweiterung?
Grundsätzlich sind viele in der EU der Ansicht, dass eine Aufnahme von großen Ländern wie der Ukraine nur dann zu einem Erfolg werden kann, wenn es zuvor eine umfangreiche EU-Reform gibt. Die Entscheidungsprozesse im Bereich der Außenpolitik sind beispielsweise schon heute teilweise sehr schwerfällig, weil in der Regel das Einstimmigkeitsprinzip gilt.
Was sieht die Bundesregierung in Berlin die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen?
Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) sagt: „Heute ist ein historischer Tag für Europa.“ Sowohl die Ukraine als auch Moldau hätten trotz der russischen Bomben, der Desinformations-Kampagnen und der Destabilisierungsversuche bereits große Fortschritte erzielt. Auf dem Weg in die EU müssten noch viele Reformen folgen. Heute sei aber ein Tag zu feiern, morgen gehe die Arbeit weiter./aha/DP/zb
COMMENT: Strategisches Interesse? Wie, bitte? Um was geht es? Um europäischen Imperialismus? Der ist natürlich gut, der russische Imperialismus ist pöse, aber abgrundtief pöse. Weil: die europäischen Werte … Und vor allem: es geht um die geopolitischen Interessen nicht allein vom Schoßhündchen Europa, sondern auch vom Hundehalter USA.
Ukraine und Moldawien: Startschuss für EU-Beitrittsverhandlungen
Historischer Tag für die Ukraine und Moldawien: Am Dienstag beginnen in Luxemburg bei zwei getrennten Regierungskonferenzen offiziell die EU-Beitrittsverhandlungen der beiden Länder. Allerdings dürfen sich die Regierungen in Kiew und Chisinau wenig Hoffnung auf einen raschen Abschluss machen: Zahlreiche Hürden sind zu bewältigen – und in den nächsten Monaten wird wohl gar nichts passieren.
Beide Länder hatten den EU-Beitritt nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 beantragt. Anfang Juni hatte die Europäische Kommission der Ukraine und Moldawien bescheinigt, alle Bedingungen für die Aufnahme der Beitrittsgespräche erfüllt zu haben, Ende vergangener Woche erfolgte, wie die derzeitige belgische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte, die Einigung über die Verhandlungsrahmen. Mit diesen werden die Leitlinien und Grundsätze für die Beitrittsgespräche festgelegt.
Belgien hatte im Vorfeld für Tempo gesorgt, um den Auftakt noch unter eigener Ratspräsidentschaft über die Bühne zu bringen. Denn mit 1. Juli übernimmt Ungarn der Ratsvorsitz, und von Budapest wurde bereits erklärt, während der nächsten sechs Monate keine weiteren Gespräche abhalten zu wollen.
Ungarn tritt auf die Bremse
Janos Boka, Ungarns Minister für europäische Angelegenheiten, stellte bei der Vorstellung des offiziellen Programms für den Ratsvorsitz klar, dass sich sein Land eher auf den Westbalkan konzentrieren werde. So könnte Serbien eine neue Gruppe von Kapiteln eröffnen, ebenso Montenegro. Und für Nordmazedonien und Albanien stellte er weitere Schritte in Aussicht.
Wie lange es nach einem Start der Gespräche bis zum EU-Beitritt dauern könnte, ist völlig offen. Die Türkei etwa wurde bereits 1999 EU-Kandidat – und gilt derzeit unter anderem wegen Rückschritten bei der Rechtsstaatlichkeit als weiter von einer Mitgliedschaft entfernt als alle anderen Beitrittskandidaten.
Krieg und Korruption
Theoretisch kann ein Beitrittskandidat auch niemals Mitglied werden. Bei der Ukraine gilt es derzeit so auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern, und die EU wäre Kriegspartei. Für die Menschen in der Ukraine gilt die Eröffnung von EU-Beitrittsverhandlungen vor allem als wichtiges Symbol, alle Beitrittsanforderungen zu erfüllen wird für das Land wohl ein langer und steiniger Weg.
Als großer Brocken gilt vor allem der Kampf gegen die Korruption. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in den vergangenen Monaten immer wieder mit spektakulären Entlassungen von Politikern seinen Willen zur Korruptionsbekämpfung zur Schau gestellt, Expertinnen und Experten meine aber, dass hier weitreichende Reformen nötig sind. So ist etwa der Einfluss von Oligarchen immer noch groß.
Ukraine als Agrarriese
Auch der Sektor Landwirtschaft wird für viel Gesprächsstoff sorgen, ist die Ukraine doch auch im europäischen Kontext ein Agrarriese: Insbesondere mit dem Nachbarstaat Polen hatte es in den vergangenen Monaten erhebliche Konflikte über Getreideexporte gegeben, die nach Ansicht polnischer Landwirte zu einem Preisverfall im Land geführt hatten. Aber auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, warnte vor dramatischen Folgen für die deutschen Landwirte: „Wenn die Ukraine sofort der EU beitritt, stirbt unsere familiengetragene Landwirtschaft“, sagte Rukwied vergangene Woche.
Ungelöstes Problem Transnistrien
Moldawien will am 20. Oktober in einem – parallel zur Präsidentenwahl stattfindenden – Referendum darüber abstimmen lassen, ob das Ziel des EU-Beitritts in der Verfassung des Landes verankert wird. Damit wolle die Regierung den europäischen Reformprozess unumkehrbar machen, sagte Vizeministerpräsident und Außenminister Mihai Popsoi Mitte Juni bei einer Veranstaltung in Wien. Als größte Herausforderung sieht er eine nötige Justizreform.
Eine ungelöste Frage ist aber die prorussische Separatistenregion Transnistrien, in der Russland auch Truppen stationiert hat. Popsoi schloss nicht aus, dass Moldawien so wie das geteilte Zypern der Europäischen Union beitreten könne, ohne dass EU-Recht auf das ganze Land Anwendung finde. „Wenn alles wie geplant verläuft“, dann könne ganz Moldawien der EU beitreten, so Popsoi. Die Regierung werde jedenfalls alles tun, damit die Vorteile der EU-Mitgliedschaft auch Bürgern in Transnistrien zugutekämen.
red, ORF.at/Agenturen
Links:
Orban ’nicht einverstanden‘ mit EU-Beitrittsprozess für Ukraine
BERLIN (dpa-AFX) – Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat sich kritisch über die Beitrittsgespräche der Europäischen Union mit der Ukraine geäußert, die an diesem Dienstag in Luxemburg aufgenommen werden. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Orban: „Ungarn ist mit diesem Beitrittsprozess nicht einverstanden, aber wir blockieren ihn nicht und unterstützen den Start der Verhandlungen.“ Die Gespräche seien „ein rein politisch motivierter Prozess“.
Es gehe nicht um Ja oder Nein zur EU-Mitgliedschaft. „Aber wir müssten erst prüfen, was die Folgen wären, wenn wir ein Land im Krieg aufnehmen, dessen Grenzen in der Praxis nicht geklärt sind“, sagte Orban, dessen Land am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Er fragte auch nach den Folgen des Beitritts eines solch riesigen Landes für die Landwirtschaft der EU. „Jetzt beginnen wir Verhandlungen, ohne da Klarheit zu haben, das ist nicht gut.“
COMMENT: Sind die Einwendungen Orbans nun klug oder unklug?
Die Beitrittsverhandlungen mit der von Russland angegriffenen Ukraine beginnen am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg parallel zu ähnlichen Gesprächen mit Moldau, einem kleinen Nachbarland der Ukraine. In der vergangenen Woche war der Verhandlungsrahmen beschlossen worden, der Leitlinien und Grundsätze dafür festgelegt. Der Beginn der Beitrittsgespräche war bereits bei einem EU-Gipfel im Dezember grundsätzlich beschlossen worden.
Wie lange es nach einem Start der Gespräche bis zum EU-Beitritt dauern könnte, ist völlig offen. Der Prozess kann viele Jahre dauern. Theoretisch kann ein Beitrittskandidat auch nie Mitglied werden. So gilt es bei der Ukraine derzeit auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre Kriegspartei./lw/DP/zb
ROUNDUP 2: EU bringt gegen Willen Ungarns Militärhilfe für Ukraine auf den Weg
LUXEMBURG (dpa-AFX) – Die EU bringt gegen den Willen der ungarischen Regierung rund 1,4 Milliarden Euro für Militärhilfen für die Ukraine auf den Weg. Bei einem Außenministertreffen in Luxemburg sei das geplante Verfahren dafür am Montag gebilligt worden, bestätigten mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur. Es sieht vor, dass Ungarn gegen die Entscheidung kein Veto einlegen kann, weil sich das Land bei einer vorherigen Grundsatzentscheidung zum Thema enthalten hatte.
Ungarn blockiert seit Monaten die Auszahlung von EU-Geldern für Militärhilfen für die Ukraine. Die Regierung in Budapest begründet dies mit Zweifeln an der Effizienz der Unterstützung des angegriffenen Landes und Sorgen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. In Brüssel geht man allerdings davon aus, dass es ihr auch darum geht, wegen Rechtsstaatsbedenken eingefrorene EU-Gelder für Ungarn freizupressen.
Die rund 1,4 Milliarden Euro, um die es jetzt geht, sind Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank in der EU. Diese für die Ukraine zu nutzen, war bereits vor mehreren Wochen von der EU grundsätzlich beschlossen worden. Wegen der ungarischen Veto-Politik war aber zunächst unklar gewesen, wann sie verwendet werden können.
Das nun gewählte Verfahren sieht vor, dass das Geld an Länder wie Deutschland oder Tschechien fließt, die der Ukraine dann damit zeitnah Ausrüstung für die Luftverteidigung oder Artilleriegeschosse zur Verfügung stellen.
Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen zu haben.
Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die Ukraine hatten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den Regierungen der EU-Staaten im März übermittelt. Er sieht vor, dass 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Zentralbank-Gelder in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden sollen. Die restlichen zehn Prozent sollen für direkte Finanzhilfen für die Ukraine genutzt werden./aha/DP/jha
Ukraine-Flüchtlinge: Auswärtiges Amt sieht keine sicheren Gebiete
BERLIN (dpa-AFX) – In der Debatte um Bürgergeld für einen Teil der ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Deutschland hat die Bundesregierung Überlegungen zu einer erzwungenen Rückkehr in bestimmte Gebiete eine Absage erteilt. „Wir sehen ja, dass die russischen Streitkräfte in ihrem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ihre Angriffe in die ganze Ukraine tragen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Die russischen Angriffe richteten sich unter anderem gegen die Stromversorgung und andere Einrichtungen der zivilen Infrastruktur. „Von daher wüsste ich jetzt nicht, wo es einen sicheren Ort in der Ukraine geben sollte“, fügte er hinzu.
Aus der CSU war am Wochenende die Forderung gekommen, Kriegsflüchtlinge in die Ukraine zurückzuschicken, wenn sie in Deutschland keine Arbeit annehmen. „Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine“, hatte der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, der „Bild am Sonntag“ gesagt.
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine können seit Juni 2022 Leistungen der Grundsicherung (heute Bürgergeld) erhalten – anstelle der geringeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Darauf hatten sich Bund und Länder damals verständigt. Einen Asylantrag müssen sie nicht stellen, da sie in der Europäischen Union auf Grundlage der Massenzustrom-Richtlinie aufgenommen werden. Dieser Status wurde für die Ukraine-Flüchtlinge zuletzt bis zum März 2026 verlängert. Welche finanzielle staatliche Unterstützung ihnen in den einzelnen EU-Staaten gewährt wird, ist damit nicht geregelt. Deutschland bietet laut Bundesinnenministerium aktuell rund 1,17 Millionen Menschen aus der Ukraine Schutz, die Mehrheit sind Frauen und Kinder. Laut Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatten zuletzt rund 187 000 ukrainische Flüchtlinge einen sozialversicherungspflichtigen Job.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies in diesem Zusammenhang auf den sogenannten Job-Turbo. Im Herbst hatte die Bundesregierung einen „Job-Turbo“ angekündigt, um Geflüchteten mit Bleibeperspektive eine schnellere Vermittlung in Arbeit zu ermöglichen. Dass Ukraine-Flüchtlinge eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen, „das ist ganz in ihrem Sinne, aber auch in unserem Sinne“, sagte Hebestreit./abc/DP/jha
INTERVIEW – Moskaus Kriegswirtschaft boomt: aber wie lange noch – „Die Russen konsumieren, als wäre es ihr letzter Tag auf Erden“
Die westlichen Sanktionen schaden Russlands Wirtschaft. Dennoch erlebe die einen Aufschwung, sagt Alexandra Prokopenko. Sie ist sich sicher, dass der Boom nur von kurzer Dauer sein wird. Prokopenko war bis April 2022 als Beraterin der russischen Zentralbank tätig. Sie kündigte aus Protest gegen Russlands Überfall der Ukraine.
ntv.de: Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich auf ein neues, nunmehr 14. Sanktionspaket geeinigt. Es sieht unter anderem Sanktionen gegen den Umschlag von russischem Flüssiggas in der EU vor. Welchen Schaden haben die EU-Sanktionen für die russische Wirtschaft insgesamt angerichtet?
Alexandra Prokopenko: Die Situation ist paradox. Einerseits behindern die Sanktionen eindeutig die wirtschaftliche Entwicklung Russlands. Andererseits schützen sie den russischen Markt vor bestimmten externen Schocks, da der Kreml nun in die heimische Wirtschaft investiert. Nie zuvor wurde ein so großes Land in einer Phase intensiver Globalisierung so stark sanktioniert wie Russland. Jetzt lernen sowohl die westlichen Länder als auch Russland aus dieser Situation. Russland lernt, wie man Sanktionen vermeidet und wie man mit den Embargos leben kann. Die EU und die USA lernen, wie man Sanktionen verhängt und vor allem, wie man sie durchsetzt.
Das 14. Sanktionspaket ist für sich genommen keine Wunderwaffe. Aber es zieht die Schlinge zweifellos enger, vor allem im Hinblick auf das Gasunternehmen Novatek, den einzigen Lieferanten von russischem Flüssiggas. Das Unternehmen muss jetzt über neue Transportrouten für sein LNG nachdenken und das gesamte Geschäftsmodell überdenken.
Es stellt sich heraus, dass Russland, insbesondere das Finanzsystem, hervorragend auf die Sanktionen vorbereitet war. Hat Moskau mit den Sanktionen gerechnet?
Ich denke schon, zumindest mit einigen Sanktionen. Vor Beginn der Invasion gab es Stresstests für das russische Finanzsystem und für Unternehmen. Bereits nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 war klar, dass der Westen den Zugang zum internationalen Interbankenzahlungssystem SWIFT verweigern wollte.
Die Zentralbank war darauf vorbereitet und entwickelte seit 2014 eine inländische SWIFT-Alternative – das Financial Messaging System of the Bank of Russia (SPFS). Für Banken innerhalb Russlands ist es obligatorisch, dieses System für interne Transaktionen zu nutzen. Es milderte den Schlag der Sanktionen im Jahr 2022 ab.
Die Sanktionen gegen SPFS waren Teil des 14. EU-Sanktionspakets. Auch diese Sanktion war keine Wunderwaffe. Aber einige Sekundärsanktionen – die gegen Moskaus Handelspartner – werden der russischen Wirtschaft wahrscheinlich schaden. So müssen sich beispielsweise Banken in Kasachstan nun entscheiden, ob sie SWIFT für den Anschluss an das europäische Finanzsystem nutzen oder weiterhin mit den Russen zusammenarbeiten wollen. Dies schränkt Russlands Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit ein und erhöht seine Kosten.
Warum treffen viele Sanktionen die russische Wirtschaft nicht so hart wie erwartet?
Das Hauptproblem mit den Sanktionen war, dass sie mit der Absicht verhängt wurden, eine schnelle Wirkung zu erzielen. Der Krieg dauert schon fast zweieinhalb Jahre und auf diese lange Dauer waren die Sanktionen nicht ausgelegt. Außerdem reagierten die russische Regierung und die Zentralbank zeitnah und professionell.
Damit hatte der Westen nicht gerechnet, weil Russland so viele Emotionen in seiner Außenpolitik gezeigt hatte. Also wurden auch emotionale Reaktionen auf die Sanktionen erwartet. Das war nicht der Fall. Vielmehr wurde rein technokratisch entschieden. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Sanktionen funktionieren nicht so, wie zu Kriegsbeginn erwartet wurde. Sie müssen deshalb nachgeschärft werden.
Gibt es Sanktionen, auf die Russland nicht vorbereitet wäre und die es hart treffen könnten?
Das ist kompliziert, denn Sanktionen betreffen nicht nur das Land, gegen das sie verhängt wurden, sondern auch die andere Seite. Jedes Patentrezept gegen Moskaus Wirtschaft wäre auch für den Westen teuer. Die Gestaltung der Energiesanktionen ist ein gutes Beispiel dafür. Die USA sind offensichtlich froh, dass Russland sein Öl verkaufen kann – zumindest an Indien und China.
Moskau umgeht die westlichen Sanktionen mithilfe von Schattenflotten. Die westlichen Länder lassen Russland das durchgehen, weil sie natürlich nicht wollen, dass russisches Öl vom Markt genommen wird, denn das würde es auch für sie teurer machen.
Russland ist ein sehr großer Öllieferant. Wenn die Menge, die es liefert, vom Markt genommen wird, wird der Ölpreis für alle steigen, auch für die Amerikaner und Europäer, und die Inflation wird sich damit beschleunigen.
Wie geht es der russischen Bevölkerung wirtschaftlich?
Die Russen konsumieren, als wäre es ihr letzter Tag auf Erden. Die Inflation ist hoch, aber nicht so ein Riesenproblem wie noch vor zehn Jahren. Die Löhne steigen mit der Inflation und sogar schneller als diese.
Auch hier ist die Situation paradox. Auf der einen Seite haben die Russen mehr Geld und konsumieren mehr. Auf der anderen Seite zwingt die Inflation die russische Zentralbank dazu, die Zinsen hochzuhalten. Russland hat jetzt einen Leitzins von 16 Prozent innerhalb der letzten sieben Monate. Das ist nicht normal. Eine gesunde und wachsende Wirtschaft braucht keinen zweistelligen Leitzins.
Warum ist die Nachfrage in Russland so hoch?
Die Nachfrage wird vom Staat angekurbelt, zum Beispiel durch vergünstigte Kredite. Auch das ist kein Merkmal einer gesunden Wirtschaft. Russlands Handel verschiebt sich hin zu Partnern in östlichen Ländern. Die westlichen Produkte, die fehlen, versucht Russland zu substituieren. Das funktioniert aber kaum, da dafür westliche Technik und Maschinen fehlen – aufgrund von Sanktionen im Bereich der Hochleistungstechnologie. Auch Gebrauchtmaschinen und -werkzeugen aus Asien können westliche Technologie nicht ersetzen.
Präsident Wladimir Putin setzt momentan ganz auf Kriegswirtschaft. Russland hat noch eine große Rüstungsindustrie aus Sowjetzeiten und baut sie aus. Wie nachhaltig ist diese Strategie?
Ich erwarte in den nächsten Jahren keinen Kollaps, auch falls Russland seinen Angriffskrieg in der Ukraine beenden sollte. Dabei meine ich einen Kollaps in dem Sinn, dass es ernsthafte Engpässe, Defizite oder lange Schlangen vor Banken und Wechselstuben gibt.
Aber Russlands Wette auf seine Militärindustrie ist riskant, weil sie nicht nachhaltig ist.
Mittelfristig sind Probleme zu befürchten, weil der militärisch-industrielle Komplex immer mehr Investitionen erfordert. Wenn dieser Komplex der Motor der Wirtschaft sein soll, braucht er eine konstante Nachfrage. Die Quelle der Nachfrage für die Produkte des militärisch-industriellen Komplexes ist die Armee selbst. Also braucht Russland für seine Wirtschaft den ständigen Krieg.
Was würde passieren, wenn die Kämpfe mit der Ukraine zu Ende gehen?
Der Krieg ist dann zwar vorbei, aber Russland braucht immer noch die Nachfrage, denn seine gesamte Wirtschaft dreht sich um diesen militärischen Komplex. Die Binnennachfrage nach militärischen Gütern wäre nach dem Kriegsende gering. Auf Export kann Russland nicht setzen. Seine Waffen können nicht mehr mit der westlichen Konkurrenz mithalten – durch die Sanktionen fehlt die Hochleistungstechnologie.
Moskau muss sich weiterhin auf die Binnenwirtschaft konzentrieren- auch wegen des Narratives des Kremls, wonach Russland nur von Feinden umzingelt ist.
Wenn die Nachfrage ausbleibt, muss der militärisch-industrielle Komplex schließen. Den Beschäftigten im militärischen Sektor muss der Kreml dann sagen: Okay, das war’s, vielen Dank. Jetzt müssen wir die Wirtschaft wieder transformieren. Das würde nicht funktionieren.
Mit Alexandra Prokopenko sprach Lea Verstl
Quelle: ntv.de
ZENTRALBANKEN
Bank of Japan erörterte weitere Straffung der Geldpolitik
Der Geldpolitische Rat der Bank of Japan (BoJ) hat bei seiner jüngsten Sitzung die Möglichkeit erörtert, die Zinssätze angesichts der Besorgnis über den anhaltenden Inflationsdruck weiter anzuheben. „Es besteht die Möglichkeit, dass die Preise vom Basisszenario nach oben abweichen, wenn die jüngsten Kostensteigerungen erneut an die Verbraucherpreise weitergegeben werden“, sagte eines der neun Ratsmitglieder bei der Sitzung am 13. und 14. Juni. „Daher muss die Notenbank prüfen, ob unter dem Gesichtspunkt des Risikomanagements weitere Anpassungen der Geldpolitik erforderlich sind.“
Mizuho: BoJ könnte JGB-Käufe um mehr als 1 Bill Yen reduzieren
Die Bank of Japan (BoJ) könnte ihre monatlichen Käufe von japanischen Staatsanleihen um mehr als 1 Billion Yen (5,9 Milliarden Euro) reduzieren, meint Yusuke Matsuo, Senior Market Economist bei Mizuho Securities. Der Ökonom zitiert das Protokoll der Zentralbank für ihre Juni-Sitzung, aus dem hervorgeht, dass ein Ratsmitglied sagte, die Reduzierung werde in einem „beträchtlichen“ Umfang erfolgen. Die BoJ hat angekündigt, dass sie bei ihrer nächsten Sitzung Ende Juli einen detaillierten Plan für den Ankauf von Anleihen veröffentlichen wird. Die Notenbank kauft derzeit monatlich JGBs im Wert von rund 6 Billionen Yen (35,1 Milliarden Euro).
EZB/Schnabel: Sind in Bankenregulierung auf richtigem Weg
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)–EZB-Direktorin Isabel Schnabel hat vor einem Zurückrollen der nach der Großen Finanzkrise eingeführten strengeren Bankenregulierung gewarnt. Bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Deutsche Industrie (BDI) widersprach sie damit Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, der eine Regulierung gefordert hatte, die stärker auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Banken gegenüber der US-Konkurrenz Rücksicht nimmt.
„Wir brauchen ein Level Playing Field, vor allem mit Blick auf die USA. Und wenn wir uns die Kapitalanforderungen und andere Anforderungen ansehen, dann würde ich sagen, dass es Raum für Verbesserungen gibt, und dass wir das überprüfen sollten“, sagte Sewing. 85 Prozent der nach 2008 ergriffenen Maßnahmen seien richtig gewesen, es seien aber die restlichen 15 Prozent, die der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Banken abträglich seien.
Schnabel sagte dazu: „Ich wäre sehr vorsichtig, irgendetwas davon rückgängig zu machen, denn wir sind genau auf dem richtigen Weg.“ Dass die europäischen Banken so gut durch die jüngsten Krisen gekommen seien, sei vor allem der strengeren Regulierung zu verdanken. „Ich würde hoffen, dass die USA weitere Schritte unternehmen und nicht, dass wir etwas rückgängig machen“, fügte sie hinzu.
Siehe dazu die Meldung im gestrigen Tagesblick:
FED und u.a. orten Schwachstellen bei US-amerikanischen Großbanken
JP MORGAN/BANK OF AMERICA/GOLDMAN SACHS/CITIGROUP –
US-Bankenaufseher haben am Freitag Zweifel an den Notfallplänen geäußert, mit denen einige der größten Banken des Landes versuchen würden, sich im Falle eines Zusammenbruchs abzuwickeln. ….
COMMENT: Herr Sewing hätte den Tagesblick von gestern lesen müssen, dann hätte er diese Einlassung nicht gewagt. 😊
EZB: Anonymität von Offline-Zahlungen in digitalem Euro ähnlich Bargeld
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Europäische Zentralbank (EZB) will dafür sorgen, dass Offline-Zahlungen in digitalem Euro eine ähnlich hohe Anonymität wie Barzahlungen gewähren.
Wie die EZB in ihrem ersten Fortschrittsbericht zur möglichen Emission einer digitalen Währung schreibt, sollen die Details einer Offline-Zahlung nur dem Zahlenden und dem Zahlungsempfänger bekannt sein, nicht aber dem Zahlungsdienstleister, der Zentralbank oder eine irgend einem anderen Dienstleister.
„In den vergangenen Monaten hat sich die EZB auf die technischen Merkmale geeinigt, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass digitale Online-Euro-Transaktionen einen noch höheren Datenschutzstandard bieten als die derzeitigen digitalen Zahlungslösungen und gleichzeitig einen soliden Schutz der Endnutzer vor Betrug sicherstellen“, heißt es in einer Presseerklärung.
Das Eurosystem würde Maßnahmen wie Pseudonymisierung, Hashing und Datenverschlüsselung einsetzen, um sicherzustellen, dass es selbst nicht in der Lage ist, digitale Euro-Transaktionen direkt mit bestimmten Nutzern zu verknüpfen. Zahlungsdienstleister hätten demnach nur Zugang zu den personenbezogenen Daten, die erforderlich seien, um die Einhaltung des EU-Rechts, zum Beispiel der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche, zu gewährleisten.
Das Eurosystem (die EZB und die nationalen Zentralbanken des Euroraums) entwickelt eine Offline-Funktion, die es Nutzern des digitalen Euro ermöglicht, ohne Internetverbindung zu bezahlen, nachdem sie ihr digitales Euro-Konto über das Internet oder einen Geldautomaten aufgeladen haben. Die Zahlungen würden direkt zwischen den Offline-Geräten – zum Beispiel Mobiltelefonen oder Zahlungskarten – der an der Transaktion beteiligten Nutzer stattfinden, ohne dass diese auf Dritte angewiesen wären.
Digital-Euro-Bestände von Einzelpersonen würden nicht verzinst und unterlägen Bestandsobergrenzen. Darüber hinaus hätten die Nutzer die Möglichkeit, ihr digitales Wallet mit einem Geschäftskonto zu verknüpfen, so dass sie Zahlungen über ihr Wallet vornehmen könnten, ohne es vorher mit Geld aufladen zu müssen. Die Höhe der Bestandsobergrenzen will die EZB zusammen mit den nationalen Zentralbanken und Behörden bestimmen und mit Konsumenten, Händlern und Finanzinstituten diskutieren. Die EZB kann über die Emission eines digitalen Euro erst entscheiden, wenn der Gesetzgeber die nötigen rechtlichen Voraussetzungen geschaffen hat.
COMMENT: Heute so, morgen anders. Eine Lehre aus der Geschichte: niemand kann voraussehen, was aus diesen hehren Ideen der EZB künftig und unter einem anderen politischen Regime werden wird. Einmal eingeführt, lässt sich die Türe zur Überwachung durch Regeländerungen ganz, ganz einfach öffnen. Daher: wehret den Anfängen.
Geht das noch? Nein, nicht in einer radikalen Form; denn: zu viele Zentralbanken denken über die Einführung digitaler Währungen nach.
Warum? Weil Bitcoin & Co. dazu geradezu zwingen.
Die Konkurrenz eröffnet digitale Bezahlsysteme, z.B. der Großkonzern Meta. Das könnte bei reichlicher Nutzung durch die Konsumenten das Zentralbanken-gestützte Geldsystem, wie wir es heute kennen, in die Knie zwingen. Meta als Überdrüber-Zentralbank. Wollen wir das? Und die daraus resultierende Überwachung durch Meta und welchem Konzern auch immer, wollen wir das? Brave New World in langsamem Vormarsch.
Siehe dazu: Schöne neue Welt (Brave New World) von Aldous Huxley
Nationalbank: KIM-Verordnung nicht schuld an Immoflaute
Spätestens seit der Pleite des Signa-Konzerns von Rene Benko ist klar, dass der Immobilienmarkt derzeit ein schwieriges Pflaster ist. Auch heimische Banken sind davon betroffen. Die Nationalbank (OeNB) mahnte diese am Montag zu mehr Vorsicht bei der Vergabe und Bewertung von Immokrediten. Denn in keinem anderen Land der Euro-Zone steige die Zahl fauler Kredite so rasant wie hierzulande. Auch deshalb verteidigt die OeNB die ungeliebte KIM-Verordnung zur Wohnkreditvergabe an Private.
Die halbjährliche Prüfung der finanziellen Stabilität der heimischen Banken durch die Nationalbank (Finanzmarktstabilitätsbericht) ist so etwas wie das Temperaturmessen des heimischen Finanzplatzes. Die Nationalbank erwartet für das laufende Jahr steigende Kreditrisiken und damit erhöhten Druck auf die Profitabilität der Banken.
Neben geopolitischen Faktoren – gemeint ist damit wohl vor allem der Ukraine-Krieg und die Folgen für heimische Banken, insbesondere die RBI – sei das auf einen Anstieg der Kreditausfälle durch Insolvenzen, höhere Refinanzierungskosten und eine schwächere Nachfrage nach Wohnkrediten infolge der gestiegenen Zinsen zurückzuführen.
Schnellstes Wachstum bei faulen Krediten
Der Anteil der faulen, also notleidenden Kredite (NPL-Quote) sei in Österreich am schnellsten in ganz Europa gewachsen. Gegenüber früheren Werten sei man aber noch weit entfernt, sagte OeNB-Direktor Markus Schwaiger. Zum Jahresende 2023 erhöhte sich die NPL-Quote auf 2,6 Prozent, nachdem sie seit 2021 stabil bei etwa 2,0 Prozent gelegen war.
KIM-Kriterien für Kredit
Kreditnehmer brauchen mindestens 20 Prozent Eigenmittel. Die Laufzeit des Kredits ist auf maximal 35 Jahre limitiert. Die monatliche Rate darf 40 Prozent des Nettohaushaltseinkommens nicht überschreiten. Ziel ist es, dass Haushalte nicht in die Zahlungsunfähigkeit schlittern und sich zugleich der Immobilienmarkt nicht überhitzt und Banken faule Kredite anhäufen.
OeNB: KIM-Verordnung wirkt
In diesem Zusammenhang bricht die Nationalbank einmal mehr eine Lanze für die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung, kurz KIM-Verordnung. Sie hob 2022 die Latte für die Vergabe von Immokrediten an Private deutlich an. Denn der Anstieg fauler Kredite sei vor allem auf Unternehmenskredite zurückzuführen.
Die Qualität bei Haushaltskrediten sei dagegen weitgehend stabil geblieben, heißt es in dem OeNB-Bericht. Die „systemischen Risiken“ aus Krediten im Wohnimmobilienbereich seien durch die KIM-Verordnung „effektiv adressiert“ worden. Seit deren Einführung hätten sich die Vergabestandards „signifikant verbessert“, so das Urteil der Nationalbank.
Kritik läuft laut Bericht ins Leere
Sowohl bei Banken, Häuslbauerinnen und -bauern, Baufirmen und Immofirmen ist die KIM-Verordnung unbeliebt. Angesichts der starken Inflation der letzten Jahre können sich viele nun den Traum vom Eigenheim nicht mehr erfüllen, und Baufirmen und Immobilienentwickler klagen über die Flaute auf dem Markt. Es ist davon auszugehen, dass KIM – im Kontext von Wohnen und Teuerung – auch im bevorstehenden Wahlkampf ein Thema wird.
Der Bericht weist jedenfalls die Kritik an der KIM-Verordnung, diese schwäche den Immobilienmarkt, dezidiert zurück. Dass nicht die Verordnung schuld an der Flaute sei, zeigt sich laut Nationalbank darin, dass die Banken ihr Ausnahmekontingent bei Weitem nicht ausschöpften. Die Verordnung erlaubt es Banken nämlich, bis zu 20 Prozent ihrer Immokredite an Haushalte zu vergeben, ohne dass die in der KIM-Verordnung vorgeschriebenen Standards erfüllt werden.
Der Rückgang von Immokrediten sei daher auf höhere Zinsen, höhere Baukosten und die allgemein unsichere wirtschaftliche Lage zurückzuführen, nicht auf die KIM-Verordnung, so die OeNB.
„Auffälliges“ Sorgenkind Gewerbeimmobilien
Dass viele Haushalte durch variabel verzinste Kredite in existenzielle Probleme schlitterten, sorgte immer wieder für Schlagzeilen. Ein sehr ähnliches Problem zeigt sich nun stattdessen in einem anderen Sektor, jenem von Gewerbeimmobilien. Bereits im Mai hatte die Finanzmarktaufsicht gewarnt, Kredite für Gewerbeimmobilien seien zu 85 Prozent variabel verzinst.
Vor allem bei gewerblichen Immobilienkrediten nahmen laut Nationalbank seit Ende letzten Jahres die Kreditausfälle deutlich zu. Das heimische Gewerbeimmobiliensegment sei im europäischen Vergleich „durchaus auffällig“, sagte OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber. Gleichzeitig müsse man allerdings beachten, dass der gemeinnützige Wohnbau hier eine besondere Bedeutung und Größe hat. Schließlich seien die Risiken in diesem Bereich im Vergleich zu klassischen Gewerbeimmobilien deutlich niedriger.
Keine akute Krisensituation
„Wir sind nicht besorgt im Sinne, dass wir eine akute Krisensituation oder Ähnliches vor uns sehen“, sagte Haber. In ganz Europa seien derzeit Gewerbeimmobilien unter genauerer Beobachtung. Zudem sei es die Aufgabe der Notenbank, potenzielle Risken zu identifizieren.
Empfehlungen an Banken
Die Notenbank empfiehlt den Finanzinstituten daher Zurückhaltung bei den Gewinnausschüttungen und Aktienrückkäufen. Zudem sollten sich die Geldhäuser auf höhere Risikogewichte für Gewerbeimmobilien vorbereiten und nachhaltige Vergabestandards bei der Kreditvergabe sicherstellen.
Darüber hinaus empfiehlt die OeNB den Banken, aufgrund der strengen Regeln in Europa aktiv Wertberichtigungen zu bilden. „Wir empfehlen lieber den vorsichtigen Weg, vor allem im Gewerbeimmobiliensegment, und eher zu gering als zu hoch zu bewerten“, sagte Haber. *** guti, ORF.at/Agenturen
Links:
Kreditrisiken steigen erstmals nach Jahren rückläufiger Entwicklung – Banken nutzen Gewinne zur Stärkung ihrer Risikopuffer – Präsentation des 47. Financial Stability Report der OeNB
Die österreichische Wirtschaft befand sich 2023 in einer Rezession. Für das Jahr 2024 erwartet die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) eine Stabilisierung der Entwicklung, wenngleich die Wirtschaft nur schwach wachsen wird. Die Banken konnten 2023 dessen ungeachtet ein Rekordergebnis einfahren und damit ihre Kapitalausstattung weiter ausbauen. Dadurch sind die vom Bankensektor ausgehenden Finanzstabilitätsrisken weiter gesunken.
Aufgrund erhöhter geopolitischer Risiken und zunehmender Kreditrisiken, vor allem im Bereich der Gewerbeimmobilien, sowie aufgrund der eingeleiteten Zinswende befindet sich der heimische Bankensektor nun allerdings an einem Wendepunkt.
Sinkende Inflation ermöglicht Konjunkturerholung
Die österreichische Wirtschaft befand sich 2023 in einer Rezession. Gründe hierfür waren die anhaltend hohe Inflation, das sehr schwache außenwirtschaftliche Umfeld und die daraus resultierende allgemein schlechte Stimmungslage. Für das Jahr 2024 erwartet die OeNB eine Stabilisierung der Entwicklung, allerdings wird die Wirtschaft mit 0,3 % nur schwach wachsen. Der private Konsum wird sich aufgrund deutlich steigender Reallöhne erholen, und auch die Exporte werden positiv zum Wirtschaftswachstum beitragen. Die Bruttoanlageinvestitionen werden hingegen im Gesamtjahr nochmals schrumpfen. Hohe Finanzierungskosten und schlechte Gewinnerwartungen dämpfen insbesondere die zinssensitiven Investitionen im Wohnbau und die konjunkturabhängigen Ausrüstungsinvestitionen.
Bankensektor mit Rekordgewinn trotz zunehmender Kreditausfälle
In einem anhaltend schwachen makroökonomischen Umfeld erzielten die österreichischen Banken im Jahr 2023 einen Rekordgewinn von 14 Mrd EUR. Die Gewinnsteigerung erfolgte vor allem aufgrund einer weiter gestiegenen Nettozinsmarge, da Zinserhöhungen im Rahmen der strafferen Geldpolitik zu höheren Einnahmen führten. Dank des hohen Gewinns konnte der Bankensektor seine konsolidierte harte Kernkapitalquote deutlich auf 17,5 % erhöhen, und auch die österreichischen Großbanken haben ihre Kapitalisierung erstmals über den Durchschnitt ihrer europäischen Mitbewerber gehoben. „Die Banken haben ihre Gewinne genutzt, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Unsicherheiten zu stärken. Was für die Gesamtsystemebene gilt, muss aber nicht zwangsläufig für jede einzelne Bank gelten. Bankindividuelle Risiken müssen darüber hinaus daher zielgerichtet auf Einzelbankebene adressiert werden“, erläuterte OeNB-Vize-Gouverneur Gottfried Haber.
Nun befindet sich das Bankensystem allerdings an einem Wendepunkt: Neben den aus geopolitischen Risiken resultierenden Unsicherheiten führen mehrere Faktoren zu vermehrtem Druck auf die Profitabilität. Die zunehmende Zahl an Insolvenzen Ende 2023 zog bereits einen Anstieg der Kreditausfälle nach sich, und dieser Trend setzt sich auch Anfang 2024 fort.
Auch die Kostenseite rückt in den Fokus: Einleger:innen haben ihre Ersparnisse von Sicht- auf Termineinlagen verlagert, was zu höheren Refinanzierungskosten für die Banken führt. Weiters erfordern die Lohnabschlüsse sowie inflationsbedingt gestiegene Sachkosten in Zukunft eine beständige Kostendisziplin, nicht zuletzt auch deshalb, um Raum für notwendige Investitionen in neue Informationstechnologien zu schaffen.
Zusätzlich haben die höheren Zinssätze die Nachfrage nach Krediten reduziert, vor allem bei Wohnbaufinanzierungen. Die systemischen Risiken aus Krediten im Wohnimmobilienbereich wurden durch kreditnehmer:innenbezogene Maßnahmen effektiv adressiert. [Gemeint ist hier die KIMRegelung]
Seit deren Einführung haben sich die Vergabestandards signifikant verbessert. Auch zukünftig ist eine nachhaltige Kreditvergabe bei Immobilienkrediten ein wesentliches Element eines stabilen Finanzmarktes.
Die Tatsache, dass ein großer Teil der verfügbaren Ausnahmekontingente [von KIM-Regelung] ungenutzt blieb, deutet zudem darauf hin, dass der Rückgang des Kreditvolumens primär von gestiegenen Zinsen, hohen Baukosten und allgemeiner Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen getrieben war.
Bedingt durch dieselben Faktoren erleben gewerbliche Immobilienkredite aktuell eine stärkere Kreditausfallsdynamik. Zudem spiegeln die Anpassungen bei den Immobilienbewertungen noch nicht großflächig das neue, herausfordernde Umfeld wider.
Empfehlungen der OeNB zur Stärkung der österreichischen Finanzstabilität
Das anhaltend schwache Wirtschaftswachstum in Österreich sowie lange andauernde geopolitische Konflikte stellen weiterhin große Herausforderungen dar. Durch die Anfang Juni eingeleitete Zinswende ist zu erwarten, dass die Zinsmarge des Bankensektors nicht weiter ansteigt. Auch die gestiegenen Kreditrisiken werden Druck auf die Profitabilität der Banken ausüben. Um für zukünftige Herausforderungen gewappnet zu sein, empfiehlt die OeNB den Banken
- die Absicherung bzw., wo notwendig, die weitere Stärkung der Kapitalbasis durch Zurückhaltung bei Gewinnausschüttungen (Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen),
- die Sicherstellung nachhaltiger Vergabestandards bei Immobilienkrediten sowie die Vorbereitung auf höhere Risikogewichte für Gewerbeimmobilienkredite,
- die adäquate Steuerung von Kredit- und Zinsrisiken, einschließlich höherer Rückstellungen und konservativer Sicherheitenbewertung, sowie
- die Sicherung einer nachhaltigen Profitabilität durch Kostendisziplin und durch Investitionen sowohl in neue Informationstechnologien als auch zum Schutz vor Cyberrisiken und vor den Auswirkungen des Klimawandels.
Der halbjährlich in englischer Sprache erscheinende Financial Stability Report der OeNB analysiert finanzstabilitätsrelevante Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld sowie Spezialthemen im Zusammenhang mit der Finanzstabilität.
COMMENT: der in Zentralbanken-Verbalakrobatik abgefasste Bericht signalisiert die Zunahme der Risiken für das österreichische Finanzsystem, die Lage ist ernster geworden – doch von der Situation „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“, sind wir noch ein gutes Stück weit entfernt.
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ANKÜNDIGUNG: Der digitale Euro – ein Fortschritt im Zahlungsverkehr – Österreichische Nationalbank diskutiert über die mögliche digitale Ergänzung zum Bargeld – 25.6.2024
In einer hochkarätig besetzten Fachveranstaltung zum Thema „Digitaler Euro und Zahlungsverkehr“ diskutieren heute Expert:innen in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) über den aktuellen Fortschritt bei der Entwicklung des digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank (EZB). Der digitale Euro wird als zukunftsweisende Ergänzung zu bestehenden Zahlungsmethoden gesehen. Während Österreicherinnen und Österreicher weiterhin uneingeschränkt Bargeld nutzen können, eröffnet der digitale Euro neue Möglichkeiten für sichere und effiziente digitale Zahlungen mit Zentralbankgeld.
Geladen sind unter anderem Vertreter:innen aus dem österreichischen Bankensektor, dem Universitätsbereich sowie dem Handel und Konsumentenvertreter:innen. Sie erörtern gemeinsam mit den Expert:innen der OeNB und der EZB das Potenzial, die Perspektiven sowie die Anforderungen an den digitalen Euro.
Für die erfolgreiche Einführung des digitalen Euro ist die Annahme und die Nutzung durch die Konsument:innen sehr wichtig. OeNB-Gouverneur Robert Holzmann betont in seinem Eröffnungsvortrag: „Mit dem digitalen Euro wird eine neue Ära der Währungsunion eingeleitet. Erstmals werden Privatpersonen einen Zugang zu digitalem Zentralbankgeld erhalten. Der digitale Euro wird sicherstellen, dass auch benachteiligte Menschen mit einem öffentlichen, kostenlosen Zahlungsmittel digital zahlen können.“
Dabei soll der digitale Euro von allen Händlern angenommen werden und bietet einen hohen Schutz der Privatsphäre. Die genauen Ausprägungen und technischen Rahmenbedingungen werden bereits seit Anfang des Projektes von der EZB und Zentralbanken in Europa beforscht.
Auch technische Hochschulen, wie die TU Wien, arbeiten an der Entwicklung von kryptographischen Protokollen für resilientere und vor allem sicherere digitale Zahlungen. Ob diese technischen Innovationen der Erwartungshaltung der Konsument:innen entsprechen und wie Händler und Banken diese implementieren können, diskutieren Vertreter unterschiedlicher Branchen.
Des Weiteren werden die erwarteten Auswirkungen auf den Bankensektor sowohl auf österreichischer als auch auf europäischer Ebene beleuchtet und die ersten Erkenntnisse der Auswirkungsanalyse der EZB präsentiert.
Auch die Rolle des digitalen Euro als Vorantreiber von Innovation und seine Bedeutung für den Handel werden in einem dynamischen Panel thematisiert. Neben der technischen Ausgestaltung und gesamtwirtschaftlichen Relevanz werden auch die gesetzlichen und regulatorischen Aspekte des digitalen Euro diskutiert.
Für eine erweiterte internationale Perspektive sorgt außerdem Dr. Ousmène Jacques Mandeng von der London School of Economics and Political Science und Accenture in seiner Keynote-Speech, in der er die Relevanz von digitalen Zentralbankwährungen im globalen Wettbewerb und für das internationale Währungssystem hervorhebt. Viele Zentralbanken verstehen digitale Zentralbankwährungen als relevanten Teil eines resilienten und diversifizierten Zahlungssystems aber auch hinsichtlich ihrer wachsenden geopolitischen Bedeutung.
Petia Niederländer, Direktorin der OeNB-Hauptabteilung Zahlungsverkehr, Risikoüberwachung und Finanzbildung, verdeutlicht die zentrale Bedeutung des digitalen Euro: „Aktuell werden zwei Drittel aller elektronischen Zahlungen im Euroraum von nur zwei internationalen Zahlungslösungen abgewickelt. Das schränkt die Souveränität des europäischen Zahlungsverkehrs massiv ein, aber begrenzt vielmehr die Konsument:innen in ihrer Wahl. Genau hier soll der digitale Euro als digitales Zentralbankgeld eingreifen. Er soll als Alternative zu privaten Zahlungslösungen gerade die Eigenständigkeit des europäischen Zahlungsverkehrs stärken und zu mehr Wettbewerb und Innovation führen. In einer vermehrt digitalen Gesellschaft wäre ein digitaler Euro für unsere gemeinsame Währung ein Schritt nach vorne.“
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MELDUNGEN
WEITERE MELDUNGEN
Ausländische Direktinvestitionen in China sinken im Mai weiter
Die ausländischen Direktinvestitionen in China sind im Mai weiter zurückgegangen und damit den zwölften Monat in Folge. Wie das Handelsministerium mitteilte, zog China von Januar bis Mai ausländische Direktinvestitionen in Höhe von 412,51 Milliarden Yuan an, was einem Rückgang von 28,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Der Wert ist seit Juni 2023 rückläufig. In den ersten vier Monaten des Jahres lagen die Direktinvestitionen um 27,9 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum.
Südkorea meldet wieder Müllballons aus Nordkorea
Nordkorea hat wieder Müllballons über die Grenze nach Südkorea geschickt. Das teilte der Generalstab der südkoreanischen Armee heute mit. Pjöngjang habe gestern Abend rund 350 Ballons steigen lassen, etwa 100 seien in Südkorea gelandet, vor allem in der nördlichen Provinz Gyeonggi und in der Hauptstadt Seoul.
Die an den Ballons befestigten Beutel hätten „hauptsächlich Papiermüll“ enthalten, sagte der Generalstab. Für die Bevölkerung bestehe keine Gefahr. Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol sprach von einer „widerwärtigen und irrationalen Provokation“.
Nordkorea hat in den vergangenen Wochen schon mehr als tausend Ballons mit Abfall über die Grenze geschickt. In den Sendungen waren unter anderem Zigarettenstummel und Klopapier enthalten.
Mit den Müllballons reagiert Pjöngjang eigenen Angaben zufolge auf Ballons südkoreanischer Aktivisten, die gegen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un gerichtete Flugblätter und Geld für die Bevölkerung im verarmten Norden enthielten. *** red, ORF.at/Agenturen
Exodus der Millionäre in China
Die Zahl der Millionäre, die im Jahr 2024 ihren Wohnsitz verlagern werden, wird laut einem Bericht von Henley & Partners Rekordhöhen erreichen, wobei China bei den Abflüssen an der Spitze steht.
Laut dem «Henley Private Wealth Migration Report» werden im Jahr 2024 voraussichtlich 128’000 Millionäre umziehen, was den bisherigen Rekord von 120’000 im Jahr 2023 übertrifft.
«Dieses Jahr entwickelt sich zu einem Wendepunkt in der globalen Migration von Vermögen», erklärte Dominic Volek, Leiter des Bereichs Privatkunden bei Henley & Partners. «Während die Welt mit einem perfekten Sturm aus geopolitischen Spannungen, wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialen Unruhen zu kämpfen hat, stimmen Millionäre mit den Füssen ab und suchen in Rekordzahlen nach grüneren Weiden und sichereren Häfen für ihre Vermögenswerte und Familieninteressen.»
Abflussführer
Mit 15,200 abwandernden Millionären steht China im Jahr 2024 an der Spitze der Millionärsabflüsse. Es folgen Grossbritannien (9’500), Indien (4’300), Südkorea (1’200) und Russland (1’000).
«China wird voraussichtlich einen Nettoabfluss erleben, da verlangsamtes Wachstum, geopolitische Spannungen und die Verlockung von Möglichkeiten im Ausland viele dazu veranlassen, neue Weidegründe zu suchen», erläuterte Volek.
HNWI-Zuflüsse
In Bezug auf die Zuflüsse steht die VAE mit 6’700 neu hinzugezogenen Millionären an der Spitze. Die USA belegen den zweiten Platz mit 3’800, gefolgt von Singapur (3’500), Kanada (3’200) und Australien (2’500).
«Mit dem festen Ziel, das weltweit führende Vermögenszentrum zu werden, zieht die VAE alle Register, um Millionäre anzulocken, von einem attraktiven Goldenen Visum und luxuriösem Lebensstil bis hin zu einem geschäftsfreundlichen Umfeld in strategischer Lage», sagte Volek.
Der Bericht basiert auf Daten des Vermögensintelligenzunternehmens New World Wealth, das die Bewegungen von über 150’000 vermögenden Privatpersonen verfolgt.
COMMENT: Angenommen, jeder dieser aus China emigrierenden Millionäre besitzt genau eine Million, dann entspricht das bei den 15.000 Millionärsemigranten einer aggregierten Summe von 15 Milliarden – anzunehmender Weise handelt es sich um US-Dollar. Für eine Volkswirtschaft wie China mag das nicht rasend viel sein, aber auch nicht wenig. Nur: die aggregierte Summe dürfte doch um einiges höher liegen, da besagte Millionäre wohl mehr als nur eine punktgenaue Summe von einer Million besitzen dürften. Diese Summe dürfte dann der chinesischen Volkswirtschaft sehr wohl weh tun. Reichtum, Vermögen gehört zum Kapitalstock einer Volkswirtschaft, die investierenden Vermögenden werden um die emigrierten Kollegen reduziert.
Kanada bereitet Maßnahmen gegen chinesische E-Auto-Importe vor
Nach den USA und der EU erwägt auch die kanadische Regierung Zölle auf importierte Elektroautos aus China. Die Regierung kündigte Konsultationen über mögliche Maßnahmen gegen unfaire Handelspraktiken zum Schutz der heimischen Autoindustrie an. Die bisherigen Pläne sehen Importzölle, Änderungen an den Förderprogrammen für E-Autos und Investitionsbegrenzungen vor, wie Finanzministerin Chrystia Freeland sagte.
Dagestan: Tote bei Angriffen auf Synagogen und Kirchen
In der russischen Teilrepublik Dagestan waren am Sonntag Synagogen und Kirchen Ziel offenbar koordinierter Angriffe bisher unbekannter Täter. Laut Behördenangaben gibt es etliche Tote. Unter diesen seien mindestens 15 Polizisten und ein Priester, sagte Gouverneur Sergej Melikow. Auch mehrere Angreifer seien getötet worden.
Es gibt auch tote Zivilisten. Deren genau Zahl nannte Melikow jedoch nicht. Russische Ermittlungsbehörden erhöhten Agenturangaben zufolge die Zahl der Toten auf mindestens 19. Zumindest zwölf Menschen seien bei den Angriffen in den Städten Derbent und Machatschkala verletzt worden, wie das Innenministerium der muslimisch geprägten Kaukasus-Republik mitteilte. Die beiden Städte sind etwa 120 Kilometer voneinander entfernt.
Die „aktive Phase“ der Polizeieinsätze sei beendet, die weiteren Ermittlungen würden fortgesetzt, teilte Melikow Montagfrüh via Telegram mit. „Sechs Banditen wurden liquidiert.“ Die Behörden leiteten umgehend eine Großfahndung ein und sperrten die Ausfahrten aus Machatschkala. Später sei es gelungen, die Terroristen zu stoppen, hieß es. Nach Angaben von Russlands Anti-Terror-Komittee wurden fünf Angreifer getötet.
„Wissen, wer hinter Terroranschlägen steckt“
Zu den Anschlägen bekannte sich noch niemand. Auch über die etwaigen Hintergründe gibt es noch keine Information, auch wenn Melikow sagte, sie seien aus dem Ausland gesteuert. Einzelne Politiker in Dagestan und in Moskau haben bereits der von Russland angegriffenen Ukraine die Schuld zugeschoben. Drei der Angreifer seien nach Medieninformationen Söhne und Neffen eines hochgestellten Beamten in der Region. Der Mann wurde in der Nacht bereits verhört. Wegen der Anschlagserie wurde in Dagestan eine dreitägige Trauer verhängt.
„Wir wissen, wer hinter den Terroranschlägen steckt und was ihr Ziel ist“, sagte Melikow in einem Video, ohne weitere Details zu nennen. Einer der Vorfälle ereignete sich den Angaben zufolge in einer Synagoge in der Stadt Derbent, Heimat einer alten jüdischen Gemeinde und UNESCO-Weltkulturerbe.
Föderation der Jüdischen Gemeinden Russlands, Borutsch Gorin, im Onlinedienst Telegram. „Die Synagoge in Machatschkala wurde ebenfalls in Brand gesetzt und ist abgebrannt“, fügte er hinzu.
Auch zwei orthodoxe Kirchen waren in Derbent und Matschakala Ziele der Angriffe. Der Anti-Terror-Behörde wurde zufolge zudem ein orthodoxer Priester getötet. Die russische orthodoxe Kirche teilte mit, Erzbischof Nikolai Kotelnikow sei in Derbent „brutal ermordet“ worden. Nach Angaben des dagestanischen Innenministeriums habe es zwischen Derbent und Machatschkala zudem einen Angriff auf ein Polizeifahrzeug gegeben.
Festnahmen wegen Angriffs auf Crocus City Hall
Die mehrheitlich muslimische Region Dagestan liegt an der Grenze zu Georgien und Aserbaidschan. Im April waren in der Teilrepublik vier Menschen im Zusammenhang mit dem tödlichen Anschlag auf die Crocus City Hall in einem Vorort von Moskau festgenommen worden. Sie sollen nach Angaben des russischen Geheimdiensts FSB Geld und Waffen für die Attacke geliefert haben. Bei dem Anschlag auf die Halle waren im März mehr als 140 Menschen getötet worden. Zu der Tat bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).
In Dagestan war es in den vergangenen Monaten vor dem Hintergrund des Gaza-Konflikts bereits zu antijüdischen Exzessen gekommen. Ende Oktober 2023 drangen etwa wütende Menschen in den Flughafen der Hauptstadt Machatschkala ein, als dort ein Flugzeug aus Israel ankam. Rund 20 Menschen wurden dabei verletzt.
Peskow: Kein Putin-Auftritt geplant
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow beklagte am Montag, dass nach den Anschlägen im Kaukasus im Kreml kein Beileidstelegramm aus den in Moskau als „unfreundliche Staaten“ eingestuften Ländern – dazu zählen neben den USA unter anderem Länder der EU – eingegangen sei. Einen Auftritt von Präsident Wladimir Putin zu den Anschlägen wird es Peskows Angaben zufolge nicht geben. Die Beileidsbekundungen an die Hinterbliebenen richtete Putin so nicht persönlich, sondern lediglich über seinen Pressesprecher aus.
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. verurteilte die Angriffe auf die christlichen und jüdischen Gotteshäuser. Er sei zutiefst schockiert über die terroristischen Attacken in den Städten Derbent und Machatschkala, heißt es laut Kathpress in einem vom Patriarchat in Moskau am Montag veröffentlichten Schreiben. Kyrill bestätigt darin, dass sich unter den Getöteten auch der orthodoxe Erzpriester Nikolai Kotelnikow aus Derbent befindet. *** red, ORF.at/Agenturen
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London: Wikileaks-Gründer Julian Assange ist frei
Wikileaks-Gründer Julian Assange ist nach Angaben der Enthüllungsplattform WikiLeaks frei. Assange habe das Hochsicherheitsgefängnis bei London, in dem er seit fünf Jahren inhaftiert war, und Großbritannien verlassen, erklärte die Enthüllungsplattform in der Nacht. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass sich Assange laut Gerichtsdokumenten mit der US-Justiz auf ein Schuldbekenntnis geeinigt hat.
Assange erzielte mit dem US-Justizministerium eine Einigung, wonach er sich in dem Spionageskandal teils schuldig bekennen will und ihm im Gegenzug eine weitere Haft in den USA erspart bleibt. Laut Gerichtsdokumenten hat der 52-jährige Australier Assange zugestimmt, sich in einem einzigen Anklagepunkt der Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von als geheim eingestuften US-Verteidigungsdokumenten schuldig zu bekennen.
Dies geht aus Unterlagen des US-Bezirksgerichts für das US-Außengebiet Nördliche Marianen hervor. Assange soll dort bei einer Anhörung auf der Insel Saipan morgen um 9.00 Uhr Ortszeit verurteilt werden. Es ist wahrscheinlich, dass ihm die bereits in englischen Gefängnissen verbüßte Zeit angerechnet wird und er keine neue Haftstrafe antreten muss. Der Anwalt von Assange hat sich bisher noch nicht zu einer Anfrage dazu geäußert.
WikiLeaks hatte 2010 Hunderttausende von als geheim eingestuften US-Militärdokumente über Washingtons Kriege in Afghanistan und im Irak sowie zahlreiche diplomatische Dokumente veröffentlicht. Die USA warfen dem Australier daraufhin Geheimnisverrat vor. Zahlreiche Unterstützer sehen Julian Assange dagegen als Journalisten, der mutmaßliche Kriegsverbrechen aufgedeckt hat. *** red, ORF.at/Agenturen
EUROPAWAHL 9.6.2024
Österreich-bezogene Informationen dazu auf WIKIPEDIA => Wahlwerbende Parteien
EU verhängt erstmals Sanktionen gegen Russlands LNG-Sektor
Von Giulia Petroni
LONDON (Dow Jones)–Die Europäische Union hat eine Reihe neuer Sanktionen gegen Russland verhängt, die im Rahmen eines umfassenderen Maßnahmenpakets zum ersten Mal auch Flüssiggaslieferungen (LNG) des Kremls betreffen. Das Sanktionspaket – das 14. seit Ausbruch des Krieges im Jahr 2022 – verbietet die Wiederausfuhr russischer Flüssiggaslieferungen in Drittländer über EU-Häfen, was Russlands Gasexportaktivitäten erschwert und die Energieeinnahmen des Landes beeinträchtigt.
Die Maßnahmen reichen allerdings nicht aus, um die Einfuhr von russischem Flüssiggas einzuschränken, das die EU-Mitglieder trotz des geplanten Ausstiegs aus russischen fossilen Brennstoffen bis 2027 weiterhin kaufen dürfen.
Die EU verbietet auch neue Investitionen und die Bereitstellung von Technologie, Waren und Dienstleistungen für die Fertigstellung von im Bau befindlichen LNG-Projekten, wie Arctic LNG 2 und Murmansk LNG.
Die EU-Botschafter einigten sich letzte Woche auf das Paket. Die Genehmigung wurde mehrmals verschoben, da einige Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland und Ungarn, verschiedene Teile des Pakets ablehnten. „Diese Maßnahmen zielen auf hochwertige Sektoren der russischen Wirtschaft ab, wie Energie, Finanzen und Handel, und machen es immer schwieriger, die EU-Sanktionen zu umgehen“, erklärte der EU-Rat.
Anfang des Jahres hatte die EU ein Paket verabschiedet, das es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Gaseinfuhren aus Russland und Weißrussland zu begrenzen. Russland ist nach den USA der zweitgrößte LNG-Lieferant der EU, so der Datenanbieter Kpler. In diesem Jahr hat die EU bisher 43,11 Millionen Tonnen LNG erhalten, wovon etwa 44 Prozent aus den USA und 21 Prozent aus Russland stammen.
EU sieht in Apples App-Store-Regeln Verstoß
BRÜSSEL (Dow Jones)–Die EU-Kommission hat eine zusätzliche Untersuchung gegen Apple gemäß dem Gesetz über digitale Märkte eingeleitet. Die Behörde vertritt dabei die Auffassung, dass die App-Store-Regeln des US-Konzerns gegen das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) verstoßen, da sie App-Entwickler daran hindern, die Verbraucher frei auf alternative Kanäle für Angebote und Inhalte zu lenken.
Darüber hinaus hat die Kommission ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Apple eingeleitet, weil sie befürchtet dass seine neuen vertraglichen Anforderungen an App-Entwickler und App-Stores nicht ausreichen, um die Verpflichtungen im Rahmen des DMA einzuhalten, wie die Kommission mitteilte.
Gemäß dem DMA sollten Entwickler, die ihre Anwendungen über den App Store von Apple vertreiben, die Möglichkeit haben, ihre Kunden kostenlos über alternative, günstigere Einkaufsmöglichkeiten zu informieren, sie auf diese Angebote hinzuweisen und ihnen den Kauf zu ermöglichen. Keine der Geschäftsbedingungen von Apple würden dies den Entwicklern aber erlauben.
Apple hat nun die Möglichkeit, sich gegen die Vorwürfe der EU-Kommission zu wehren.
Wettbewerbsregeln: EU-Kommission geht gegen Apple vor
Auf den iPhone-Hersteller Apple könnten Strafen in Milliardenhöhe zukommen. Die EU-Kommission in Brüssel teilte am Montag in einer vorläufigen Stellungnahme mit, der US-Konzern verstoße mit seinem App Store gegen die seit März geltenden Wettbewerbsregeln für Digitalkonzerne. Apple hindert App-Entwickler laut Einschätzung der Kommission daran, ihre Produkte über Alternativen zum App Store zu vertreiben.
Die Geschäftsbedingungen für den App Store verbieten es laut Kommission Anbietern wie Netflix und Spotify, in ihren Apps über Preise zu informieren und Abonnements direkt in der App abzuschließen. Apple verlange außerdem Gebühren, die „über das unbedingt notwendige Maß“ hinausgingen.
„Die Entwicklergemeinschaft und die Verbraucher sind sehr daran interessiert, Alternativen zum App Store anzubieten. Wir werden die Angelegenheit untersuchen, um sicherzustellen, dass Apple diese Bemühungen nicht untergräbt“, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
Es ist das erste Mal, dass die EU-Wettbewerbshüter konkrete Vorwürfe nach dem seit Anfang März geltenden Gesetz für digitale Märkte erheben. Brüssel hat nun bis Ende März kommenden Jahres Zeit, um die Untersuchungen abzuschließen. Bestätigen sich die Vorwürfe, drohen Apple Strafen in Milliardenhöhe.
Neue Regeln für Apple, Amazon und Co.
Seit Anfang März müssen sich Firmen an das Gesetz über digitale Märkte (DMA) halten. Es soll für mehr Wettbewerb bei digitalen Diensten und bessere Chancen für neue Rivalen sorgen. Die Grundannahme dabei ist, manche große Plattformbetreiber seien so mächtig geworden, dass sie ihre Marktposition zementieren könnten. Der DMA soll das mit Regeln für die „Gatekeeper“ (dt.: Torwächter) verhindern. Zu den großen Plattformen zählen die US-Schwergewichte Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet und Meta sowie die TikTok-Mutter ByteDance.
Die EU-Kommission hat zudem Zweifel daran, dass Apples Kerntechnologiegebühr verhältnismäßig ist. Der Konzern führte im März mit neuen Geschäftsbedingungen unter anderem diese jährliche Gebühr für Entwicklerinnen und Entwickler ein. Diese müssen 50 Cent für jede Erstinstallation einer App zahlen – auch für solche, die nicht über Apples App Store vertrieben werden. Der Konzern schneidet damit unabhängig davon, wo eine App verkauft wird, mit. Diese Gebühr gilt nach Überschreiten der Schwelle von einer Million Downloads in einem Zwölfmonatszeitraum.
Zugleich können Entwickler auch in dem bisherigen Modell bleiben, bei dem sie ihre Anwendungen weiterhin nur über den App Store von Apple vertreiben. Dann zahlen sie wie bisher eine Abgabe von 15 oder 30 Prozent von digitalen Erlösen innerhalb der App.
Apple weist Vorwürfe zurück
Apple widersprach den Vorwürfen der Kommission: In den vergangenen Monaten habe man eine Reihe von Änderungen vorgenommen, um dem DMA zu entsprechen. „Wir sind zuversichtlich, dass unser Plan dem Gesetz entspricht“, hieß es von dem IT-Konzern.
Man schätze, dass mehr als 99 Prozent der Entwicklerinnen und Entwickler mit den neuen Geschäftsbedingungen gleich viel oder weniger Gebühren an Apple zahlen werden. Alle Entwickler, die in der EU im App Store tätig seien, könnten die von Apple eingeführten Funktionen nutzen, darunter die Möglichkeit, App-Nutzer und -Nutzerinnen zum Abschluss von Käufen „zu sehr wettbewerbsfähigen Bedingungen“ ins Internet weiterzuleiten. „Auch weiterhin werden wir der Europäischen Kommission zuhören und mit ihr zusammenarbeiten“, so Apple.
Sollte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass Apple gegen den DMA verstößt, drohen Strafen von bis zu zehn Prozent des jährlichen Umsatzes – und bis zu 20 Prozent im Falle wiederholter Verletzungen. Als letzte Option steht auch eine Zerschlagung der Unternehmen im Raum. Am Ende könnten Gerichte über mögliche Strafen entscheiden. *** red, ORF.at/Agenturen
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Orban gegen van der Leyen als neuerliche EU-Kommissions-Präsidentin – Green Deal versus Wirtschaftsinteressen
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat sich nachdrücklich gegen eine zweite Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgesprochen. Von der Leyen habe eine „schwache Leistung“ gezeigt, Europa brauche eine bessere Führung, sagte Orban. Bei der grünen Transformation gebe es ein „totales Missmanagement“, das
EU-Migrationspaket löse kein Problem.
Orban erklärte, der Green Deal sei „ein schönes Projekt“, aber wenn er wie in den vergangenen fünf Jahren gegen die Interessen der Wirtschaft gemanagt werde, werde er zum Fehlschlag. [Funke Mediengruppe]
COMMENT: Sind die Einwendungen Orbans nun klug oder unklug?
Orban gegen weitere Amtszeit für von der Leyen – Kritik an „eingebauter Konfliktstruktur der europäischen Parteipolitik“
Budapest/Brüssel – Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat sich nachdrücklich gegen eine zweite Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgesprochen. Von der Leyen habe eine „schwache Leistung“ gezeigt, Europa brauche eine bessere Führung, sagte Orban den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Bei der grünen Transformation gebe es ein „totales Missmanagement“, das EU-Migrationspaket löse kein Problem. Orban erklärte, der Green Deal sei „ein schönes Projekt“, aber wenn er wie in den vergangenen fünf Jahren gegen die Interessen der Wirtschaft gemanagt werde, werde er zum Fehlschlag. „Die vergangenen fünf Jahre waren wahrscheinlich die schlimmsten fünf Jahre in der Geschichte der EU“, fügte Orban hinzu.
Das Ergebnis der Europawahlen laufe darauf hinaus, dass die Menschen Veränderungen in Brüssel wollten. „Aber so wie es jetzt aussieht, wird die gleich regierende Koalition im Amt bleiben. Ich bin nicht glücklich über das, was gerade passiert.“
Die EVP als größte Mitte-Rechts-Partei nehme die Stimmen der gemäßigten Rechten und gehe dann eine Koalition mit der Linken ein. „Das ist die eingebaute Konfliktstruktur der europäischen Parteipolitik“, kritisierte der Premier.
Orban bestritt, dass seine Kritik an von der Leyen etwas mit dem anhaltenden Streit zwischen der EU und seiner Regierung um Rechtsstaats-Verstöße in Ungarn zu tun habe.
Den Vorwurf der Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien wies er zurück: Die EU-Kommission habe das Verfahren zur Justiz in Ungarn beendet und ihr Okay für das – reformierte – Justizsystem gegeben, es gebe auch keine Einmischung der Regierung in die Medien.
COMMENT: Politik als Verbiegungs-Akrobatik.
Orban bei Meloni: Gespräche über Migration und Demografie
Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni hat gestern in Rom ihren ungarischen Amtskollegen Viktor Orban getroffen. Ungarn übernimmt am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz.
„Ich teile die von der ungarischen Präsidentschaft festgelegten Prioritäten, angefangen beim Einsatz gegen den demografischen Rückgang“, sagte Meloni bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Orban nach ihrem Gespräch im Regierungssitz in Rom.
Engere Zusammenarbeit im Energiebereich
Orban kündigte eine engere Zusammenarbeit mit Italien im Energiebereich an. Mit der Unterstützung Sloweniens soll ein Terminal für Flüssiggas errichtet werden, der Ungarn direkt mit Italien verbinden soll.
Auch im Kampf gegen die illegale Migration wollen die beiden Länder enger zusammenarbeiten. „In den nächsten 20 Jahren wird die Bevölkerung in Afrika um 750 Millionen Menschen wachsen. Entweder wir unterstützen als Europäer die Entwicklung Afrikas, oder es wird zu einer Masseneinwanderung nach Europa kommen, mit der wir nicht umgehen werden können“, erklärte Orban.
Kein Beitritt zur EKR-Fraktion
Während des ungarischen EU-Vorsitzes wolle er sich vor allem um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie einsetzen, sagte Orban.
Orban bekräftigte, dass seine Regierungspartei FIDESZ nicht der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) beitreten werde, die von Meloni angeführt wird.
„Wir verfolgen eine nationale Politik und wir können keiner politischen Fraktion mit einer anti-ungarischen rumänischen Partei beitreten. Wir werden uns jedoch zur Stärkung der europäischen Rechtsparteien einsetzen, auch wenn wir nicht derselben Fraktion angehören“, so der ungarische Premierminister. *** red, ORF.at/Agenturen
Borrell kündigt Maßnahmen gegen georgische Regierung an
EU-Beitrittskandidat Georgien muss sich nach der endgültigen Verabschiedung eines Gesetzes zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft auf Konsequenzen einstellen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kündigte gestern nach einem Treffen der EU-Außenminister und -ministerinnen – darunter Alexander Schallenberg (ÖVP) – an, dass man die politischen Kontakte herunterfahren werde und in Erwägung ziehe, finanzielle Unterstützung für die Regierung auf Eis zu legen.
Zudem werde auch die Unterstützung des Verteidigungssektors durch die Europäische Friedensfazilität (EFF) auf den Prüfstand gestellt. Der Spanier betonte, dass für die Kürzung von finanziellen Zuwendungen keine Einstimmigkeit im Kreis der EU-Staaten notwendig sei. Das ist wichtig, weil die ungarische Regierung das georgische Gesetz als unproblematisch erachtet und Strafmaßnahmen ablehnt.
26 EU-Staaten einig
Borrell sagte dazu, 26 von 27 EU-Staaten seien sich einig, dass das Gesetz und alle damit im Zusammenhang stehenden negativen Entwicklungen Georgien weg von der EU führten. Wenn die Regierung ihren Kurs nicht ändere, werde das Land auf dem Weg in die EU keine Fortschritte mehr machen.
Das georgische Parlament hatte das Gesetz zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft im Mai trotz wochenlanger Massenproteste verabschiedet. Es überstimmte dabei auch ein Veto der proeuropäischen Präsidentin Salome Surabischwili. Die Regierungspartei Georgischer Traum, die im Parlament die Mehrheit hält, verschärft mit dem Gesetz konkret die Rechenschaftspflicht von Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihres Geldes aus dem Ausland erhalten. *** red, ORF.at/Agenturen
COMMENT: Das strategische Interesse: ein imperialistisches? Es liegt seitens der EU kein Wunsch nach Eingriff in nationale Interessen vor, gleichgültig, wie gut oder schlecht die Entscheidung Georgiens betreffend „Russisches Gesetz“ ist?
Griechenland führt Sechs-Tage-Woche ein
Ab 1. Juli können Arbeitgeber in Griechenland ihren Angestellten den Vorschlag unterbreiten, sechs anstatt fünf Tage die Woche zu arbeiten. Das Angebot könnte sich für die Beschäftigten lohnen: Für den sechsten Arbeitstag erhalten sie einen Aufschlag von 40 Prozent mehr Gehalt, handelt es sich dabei um Sonn-und Feiertage, gibt es 115 Prozent mehr.
Damit könnten die Griechen künftig mehr arbeiten als ohnehin schon: EU-weit verzeichnen sie die meisten Wochenarbeitsstunden. Gewerkschaften kritisieren das Gesetz trotz der geplanten Zusatzzahlungen als Ausbeutung.
Arbeitsminister Adonis Georgiadis argumentierte indes: „Da vor allem in der Industrie ein großer Mangel an Arbeitskräften herrscht, werden Überstunden geleistet – und die werden oft schwarz gezahlt.“ Mit der neuen Regelung hingegen erhielte jeder das Recht auf extra bezahlten Sondereinsatz und Schwarzarbeit werde der Riegel vorgeschoben.
Arbeitskräftemangel trotz vieler Arbeitslosen
Der Fachkräftemangel in Griechenland ist vor allem auf die schwere Finanzkrise des Landes von 2010 bis 2018 zurückzuführen. Damals stand das Land kurz vor der Pleite und Hunderttausende gut ausgebildete junge Leute wanderten ab, um ihr Glück im Ausland zu suchen. Von diesem Brain-Drain hat sich Griechenland bis heute nicht erholt, auch wenn es mit der Wirtschaft aufwärtsgeht.
Der Mangel an Arbeitskräften trotz einer Arbeitslosenquote von aktuell rund elf Prozent betrifft nicht nur Industriebetriebe und den IT-Sektor, sondern vor allem auch die Landwirtschaft und den Tourismus. *** red, ORF.at/Agenturen
Belgiens Geschäftsklima bleibt im Juni stabil
BRÜSSEL (Dow Jones)–Das belgische Geschäftsklima hat sich im Juni kaum verändert. Wie die Belgische Nationalbank (BNB) mitteilte, sank der Index um 0,1 Punkt auf minus 11,1 Zähler. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten einen Rückgang auf minus 11,6 prognostiziert, nachdem der Index im Vormonat bei minus 11,0 notiert hatte.
„Hinter dieser scheinbaren Stabilität verbergen sich gegensätzliche Entwicklungen in den untersuchten Sektoren“, erklärte die Notenbank, „wobei eine starke Verbesserung bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungen, aber ein Rückgang des Vertrauens im Handel, im Baugewerbe und im verarbeitenden Gewerbe zu beobachten war.“ Zur Ermittlung des Geschäftsklimas befragt die belgische Notenbank rund 4.500 Unternehmen.
Link: https://www.nbb.be/en
DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
Ifo-Geschäftsklimaindex sinkt im Juni wider Erwarten
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Stimmung in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im Juni entgegen den Erwartungen eingetrübt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 88,6 (Mai: 89,3) Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut nach seiner monatlichen Umfrage unter rund 9.000 Managern mitteilte. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten dagegen einen Anstieg auf 89,6 Punkte prognostiziert.
Der Index zur Beurteilung der aktuellen Lage der befragten Unternehmen stagnierte auf dem Vormonatsniveau von 88,3 Punkten. Erwartet worden war ein Anstieg auf 88,5 Punkte.
Der Index für die Geschäftserwartungen verringerte sich auf 89,0 (Mai revidiert: 90,3) Zähler. Die befragten Volkswirte hatten einen Anstieg auf 90,7 Punkte erwartet. Basis war ein vorläufiger Mai-Wert von 90,4 gewesen.
Interpretationen zum gesunkenen IFO-Geschäftsklimaindex
Commerzbank: Ifo bleibt im Aufwärtstrend
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer weist darauf hin, dass sich der Ifo-Geschäftsklimaindex noch im Aufwärtstrend befindet. Der Rückgang im Juni könne Ausdruck üblicher kurzfristiger Schwankungen sein, weshalb er den gleitenden Sechs-Monats-Durchschnitt betrachte, der im Juni erneut zugelegt habe, schreibt Krämer in einem Kommentar. „Das Ifo-Geschäftsklima befindet sich also trotz des Rücksetzers im Juni weiter im Aufwärtstrend und signalisiert für die kommenden Monaten eine konjunkturelle Erholung“, urteilt der Ökonom. Allerdings deute die zögerliche Entwicklung des Geschäftsklimas auf einen nur moderaten Konjunkturaufschwung hin.
ING: Ifo deutet auf anämische Konjunkturerholung
Der Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex im Juni deutet nach Aussage von ING-Europa-Chefvolkswirt Carsten Brzeski darauf hin, dass Deutschland vor einer lediglich anämischen Konjunkturerholung steht. „Nach drei aufeinanderfolgenden Anstiegen zu Beginn des Jahres hat sich das Vertrauen der Unternehmen wieder abgeschwächt, was zeigt, dass auf die konjunkturelle Talsohle nicht automatisch eine kräftige Erholung folgen wird“, schreibt er in einem Kommentar. Brzeski verweist darauf, dass die Lagerbestände der Unternehmen seit einigen Monaten auf einem hohen Niveau lägen und dass sich die Auftragsbestände eher abgeschwächt hätten.
Deutschland: Jeder Vierte zahlt beim Einkaufen täglich mit Smartphone oder Uhr
BERLIN (dpa-AFX) – Mit Smartphone oder Smartwatch den Einkauf bezahlen – bei Verbrauchern in Deutschland wird das immer beliebter. Jeder Vierte zahlt täglich damit, fast jeder Zweite mindestens einmal in der Woche. Das ist das Ergebnis einer am Montag veröffentlichten, repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Dafür waren im April und Mai dieses Jahres mehr als 1000 Menschen in Deutschland befragt worden. 40 Prozent haben demnach noch nie auf diese Weise im Geschäft bezahlt.
Die Möglichkeit, dafür Handy oder Uhr zu nutzen, wird inzwischen deutlich häufiger genutzt als im Herbst 2022. Bei der damaligen Befragung hatten nur 13 Prozent angegeben, täglich damit zu zahlen, jeder Dritte mindestens einmal pro Woche, 55 Prozent nie.
Bei Jüngeren ist das kontaktlose Bezahlen beliebter als bei Älteren. 83 Prozent der 16- bis 29-Jährigen haben nach eigenen Angaben in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal mit Smartphone oder Smartwatch bezahlt, etwas niedriger ist der Anteil bei 30- bis 49-Jährigen (75 Prozent) und 50- bis 64-Jährigen (68 Prozent). Unter Menschen ab 65 macht dies nur knapp jeder Fünfte.
Außerordentlich hoch ist der Anteil derer, die insgesamt kontaktlos einkaufen – also mit Kredit- oder Bankkarte, Handy oder Uhr statt mit Bargeld. Gut 40 Prozent nutzen demnach täglich eine dieser Optionen, 94 Prozent mindestens einmal in der Woche. Nur 2 Prozent zahlen in einem Geschäft nie kontaktlos, im Herbst 2022 hatte dies noch jeder Zehnte angegeben./cr/DP/jha
COMMENT: Die Abschaffung des Bargeldes durch die Hintertür – ganz im Sinne der Zentralbank und der Banken: die Kosten senken, die Gewinne steigern. Und ganz im Sinne des Staates und der Finanzämter: der gläserne Bürger winkt am Ende dieser faktisch eingeleiteten schleichenden Abschaffung des Bargeldes. In Deutschland, auch in Österreich, verschwinden die Filialen. Die Befüllung der Bankomaten verursacht Kosten: wann verschwinden sie langsam, aber sicher? Oder aber: wann werden sie gebührenpflichtig? Manche – von Privatanbietern – sind es schon.
Und wer ist Schuld? Die Bequemlichkeit und das grenzenlose Vertrauen vor allem der holden Jugend in digitale Instrumente. Was sagte doch Ludwig Mises? Der Konsument ist der Regent des Wirtschaftsgeschehens. Na, denn: auf in eine glückliche Überwachungszukunft! Das chinesische Sozialpunkte-System lässt schon von der Ferne grüßen. Von der Ferne?
Siehe dazu: Ludwig von Mises; Österreichische Schule der Nationalökonomie.
Ein Achtel aller Betriebe plant Beschäftigungsausbau
Jeder achte deutsche Betrieb plant, seine Beschäftigung auszubauen, obwohl er nur ein gleichbleibendes oder sogar sinkendes Produktionsniveau erwartet. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Das Institut wertete Antworten von fast 2.000 deutschen Unternehmen bei seiner Konjunkturumfrage im Frühjahr aus. Demnach spielt die Fachkräftesicherung bei der Personalplanung dieser Unternehmen, die wegen schwacher Konjunktur oder struktureller Umbrüche keine Produktionssteigerungen erwarten, eine größere Rolle als die Anpassung an ihre Geschäftserwartungen. (Rheinische Post)
Kreditwirtschaft fordert bessere Rahmenbedingungen für Investitionen
Die Kreditwirtschaft hat gefordert, das Unternehmenssteuerrecht investitionsfreundlicher zu gestalten und damit die Voraussetzungen für private Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu schaffen. Im Fokus des 5. Steuersymposiums in Berlin hätten die aktuellen steuerpolitischen Herausforderungen, notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Abbau von Steuerbürokratie gestanden, teilte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) mit, der die Federführung im Dachverband Deutsche Kreditwirtschaft hat.
Petition an Scholz: Politisches Engagement gegen Rechts bedroht Gemeinnützigkeit deutscher Vereine
Mehr als 100 Vereine und Stiftungen, die ihr Engagement gegen Rechtsextremismus akut gefährdet sehen, haben sich Hilfe suchend an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt. „Wir alle werden in unserem Engagement durch das Gemeinnützigkeitsrecht behindert. Es gefährdet unsere Arbeit“, heißt es in einem Brief. Die meist in Ostdeutschland aktiven Organisationen rufen den Kanzler und die Regierung dazu auf, das Gemeinnützigkeitsrecht zu ändern. „Nur eine zügige Reform kann verhindern, dass in den nächsten Monaten immer mehr Vereine Probleme bekommen und sich zurückziehen“, steht in dem Schreiben. Die Unterzeichner beklagen, dass sie mit der Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit rechnen müssen, wenn sie sich politisch engagieren. (Spiegel)
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN
„Importe im Jahr 2023 gesunken, Exporte gestiegen“
von Statistik Austria finden Sie als PDF auf unserer Website.
„Kuhmilchproduktion 2023 leicht gestiegen“
von Statistik Austria finden Sie als PDF auf unserer Website.
Nationalbank: KIM-Verordnung nicht schuld an Immoflaute
Spätestens seit der Pleite des Signa-Konzerns von Rene Benko ist klar, dass der Immobilienmarkt derzeit ein schwieriges Pflaster ist. Auch heimische Banken sind davon betroffen. Die Nationalbank (OeNB) mahnte diese am Montag zu mehr Vorsicht bei der Vergabe und Bewertung von Immokrediten. Denn in keinem anderen Land der Euro-Zone steige die Zahl fauler Kredite so rasant wie hierzulande. Auch deshalb verteidigt die OeNB die ungeliebte KIM-Verordnung zur Wohnkreditvergabe an Private. …
Mehr dazu siehe unter ZENTRALBANKEN
Staatsanwälte kritisieren Entwurf zu Handysicherstellung
Große Bedenken an der Neuregelung der Handysicherstellung äußert die Vereinigung der österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Die Standesvertretung kritisiert besonders die organisatorische Trennung von Aufbereitung und Auswertung der Handydaten.
Damit sei dieser Bereich des Ermittlungsverfahrens gänzlich der Kontrolle der Justiz entzogen, heißt es in der gestern eingebrachten Stellungnahme zum Gesetzesentwurf, dessen Begutachtungsfrist am 1. Juli endet.
Für die größten Bedenken sorgt, dass die Datensicherung sowie die Verwahrung der Datenträger künftig nur durch noch zu schaffende eigene Organisationseinheiten der Kriminalpolizei erfolgen soll. Die Datensicherung werde einer Organisationseinheit der Kriminalpolizei und somit weisungsgebundenen Beamten des Innenministeriums übertragen, kritisieren die Staatsanwälte.
Zweifel ob Neuregelung verfassungskonform ist
Fraglich erscheine dabei, wie die vorgesehene strikte Trennung zwischen der für die Datenaufbereitung zuständigen Einheit und jenen, die für die Führung des Ermittlungsverfahrens zuständig sind, bewerkstelligt werden soll. Beide würden den jeweiligen Dienststellenleitungen, den Landespolizeidirektionen und letztlich dem Innenminister unterstehen.
Zweifel haben die Staatsanwälte, ob die Neuregelung mit der Bundesverfassung sowie der Strafprozessordnung in Einklang zu bringen ist. Demnach habe die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zu leiten, sie entscheide eigenständig über Ermittlungen der Kriminalpolizei oder führe solche selbst durch.
„Drastische Verzögerung“ befürchtet
Befürchtet wird „eine drastische Verzögerung von Verfahren“, weil vor der Sicherung der Datenträger keine Prüfung auf Relevanz durch die Staatsanwaltschaft möglich sei. Der Staatsanwaltschaft sei es auch nicht mehr möglich zu überprüfen, ob die gewünschten Daten vollständig gesichert und aufbereitet wurden.
Aus Sicht der Staatsanwälte bestand auch gar keine Notwendigkeit für die organisatorische Trennung. Denn dass die Ermittlungsbehörden künftig keinen Zugriff mehr auf die Datenträger oder den Gesamtdatenbestand erhalten sollen, sei dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, der die bisherige Bestimmung im Vorjahr aufgehoben und damit die Neuregelung notwendig gemacht hatte, nicht zu entnehmen.
Edtstadler: Ministerium wird noch prüfen
Das Justizministerium werde die Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf selbstverständlich noch prüfen, meinte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zu der Kritik im ZIB2-Interview, verteidigte aber zugleich die organisatorische Trennung zwischen der forensischen Auswertung der Daten und den Ermittlungen.
Die Bedenken der Staatsanwaltschaft konnte sie nicht nachvollziehen: Im Gegenteil, sie erwarte sich von der Änderung, dass es künftig schneller gehe, Strafverfahren zu beenden, „weil von Anfang an zielgerichteter vorgegangen werden kann und auch muss“.
red, ORF.at/Agenturen
Einschnitte bei S-Bahn-Netz im Sommer
In den Sommerferien arbeiten die ÖBB und die Wiener Linien an ihren Netzen. Am stärksten spürbar wird wohl die Modernisierung der S-Bahn-Stammstrecke in Wien mit zahlreichen Auswirkungen auf Pendlerinnen und Pendler aus Niederösterreich.
Die S-Bahn-Stammstrecke mit ihren Fortsetzungen nach Norden und Süden ist quasi das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs im Raum Wien. Aktuell rollen rund 700 Züge täglich über die Strecke zwischen Wien-Meidling und Wien-Floridsdorf. Um die Leistungsfähigkeit und das System Bahn in der Ostregion ausbauen zu können, müssen die ÖBB die Stammstrecke und den Abschnitt zwischen Wiener Neustadt und Wien umfassend modernisieren. Das passiert heuer zwischen 29. Juni und 2. September. Ende 2027 sollen die Arbeiten beendet sein.
Upgrade für S-Bahn-Stammstrecke
Neben Modernisierung und Digitalisierung der Stammstrecke werden auch an der Nordbahn, der Nordwestbahn und der Südstrecke Bahnsteige verlängert, Gleise und Weichen getauscht und Abstell- sowie Wendeanlagen errichtet. Insgesamt werden mit dem S-Bahn-Wien-Upgrade Optimierungen auf 170 Kilometern Streckennetz vorgenommen, die alle eng ineinandergreifen.
Anlagen und Systeme werden auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Ziel ist es laut ÖBB, mehr Qualität und Zuverlässigkeit im Gesamtsystem für die Ostregion zu erreichen. Zusätzlich zum Ausbau der Infrastruktur kommen künftig auch neue Züge zum Einsatz. Erst kürzlich wurden 21 Cityjet DML für die Ostregion bestellt. Auch mit neuen Doppelstockzügen bieten die ÖBB ab 2026 mehr Sitzplätze für die Fahrgäste in der Ostregion an.
Die ÖBB versichern, die Auswirkungen auf Fahrgäste und Anrainer so gering wie möglich halten zu wollen. Bauarbeiten sollen gebündelt, in kurzer Zeit und so effizient wie möglich stattfinden. Allerdings geht das nicht ohne Änderungen beim Fahrplan. So fahren etwa zwischen Floridsdorf und Praterstern keine Züge, dafür aber Busse, und die Wiener Linien akzeptieren ÖBB-Tickets.
Auswirkungen nördlich und südlich von Wien
Nördlich von Wien werden Züge der Linie REX1 zum Teil in größeren Taktabständen über Stadlau und Simmering umgeleitet. Alle anderen Züge beginnen und enden in Floridsdorf oder fallen aus. Die Züge der Linie S1 mit dem Ziel- und Startbahnhof Marchegg entfallen zwischen Süßenbrunn und Marchegg. Es gibt einen Schienenersatzverkehr mit Bussen. Die im Stundentakt nach/von Gänserndorf fahrenden Züge der Linie S1 werden nach und von Marchegg verlängert.
Info für Reisende
- ÖBB-Baustellen, Tel.: 05-1717
Südlich von Wien ändert sich auf der Südstrecke zwischen Wien und Wiener Neustadt-Hauptbahnhof der Fahrplan. Im Abschnitt zwischen Bad Vöslau und Leobersdorf können keine Züge fahren. Fernverkehrszüge werden umgeleitet. Züge der Linie CJX9 starten und enden auf dem Wiener Hauptbahnhof und werden zwischen Wien-Hauptbahnhof und Wiener Neustadt umgeleitet. Deshalb entfallen die Halte in Wien-Matzleinsdorfer Platz und Baden. Auch hier dienen Busse als Zugsersatz.
Flughafen Wien bleibt erreichbar
Der Flughafen Wien bleibt trotz Bauarbeiten gut erreichbar. Die Railjet- und CAT-Verbindungen sowie die Busse der Vienna Airport Lines fahren weiterhin zum Flughafen. Auf der Linie S7 kommt es zu Fahrplanänderungen. Züge der Linie REX7 entfallen. Von Fischamend bis Wolfsthal fahren die Züge im Schienenersatzverkehr mit Bussen.
Arbeiten am Wiener U-Bahn-Netz
Auch bei den Wiener Linien gibt es Sommerbaustellen, allerdings mit lokal stärker begrenzten Auswirkungen. So wird etwa die Sanierung der Tunnelträger beim Franz-Josefs-Kai fortgesetzt. Dafür ist von 29. Juni bis inklusive 1. September die U4 zwischen Schwedenplatz und Schottenring gesperrt. Als Alternativen sind die Straßenbahnlinien 71 und U2Z bis Schwedenplatz verlängert.
Am 5. August beginnt die Sanierung des Bahnsteigs Kagran in Richtung Leopoldau. Die U1-Station Kagran wird untertags ohne Anhalt durchfahren. Um die Station zu erreichen, ist das Umsteigen in einen Zug der Gegenrichtung auf dem Kagraner Platz notwendig. Die Arbeiten dauern laut Wiener Linien bis 24. November.
Weichenstellungen für neue Linien
Im Juli und August werden Weichen für die neue Linie 12 ins Schienennetz eingebaut. Die Linie 2 kann von 1. bis 20. Juli nicht zwischen Am Tabor und Hochstädtplatz fahren. Sie wird über die Strecke der Linien 5 und 33 umgeleitet. Die Linie O wird zwischen 5. August und 1. September zwischen Praterstern und Bruno-Marek-Allee gesperrt. Sie fährt nur zwischen Raxstraße, Rudolfshügelgasse und Praterstern. In dieser Zeit kann auf die Linie 82A ausgewichen werden.
Kürzer ist die Einschränkung des Betriebs der Linie 26. Hier werden zwischen 5. und 18. August Weichen für die neue Linie 27 eingebaut. Die Linie 26 fährt nicht zwischen Josef-Baumann-Gasse und Hausfeldstraße, sondern nur zwischen Strebersdorf und Josef-Baumann-Gasse sowie weiter nach Kagran. Zwischen Kagraner Platz und Hausfeldstraße ist der Ersatzbus 26E unterwegs. *** red, wien.ORF.at/Agenturen
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MEDIZIN
Prostata-Präparate schützen auch vor Demenz – Energieversorgung des Gehirns wird laut Wissenschaftlern der University of Iowa stark verbessert
Iowa City (pte001/24.06.2024/06:00) – Medikamente wie Terazosin, Doxazosin und Alfuzosin, die bei einer Vergrößerung der Prostata verabreicht werden, schützen laut Forschern der University of Iowa auch vor einer bestimmten Art der Demenz. Denn sie verbessern die Energieversorgung der Gehirnzellen. Konkret geht es um die Lewy-Körperchen-Demenz (DLB), die ein Viertel aller neurodegenerativen Erkrankungen ausmacht. Eine Studie mit mehr als 643.000 Männern zeigt, dass das Risiko, an DLB zu erkranken, bei denjenigen, die diese Medikamente einnehmen, um 40 Prozent sinkt.
Schutz auch vor Parkinson
Diese Erkenntnis mag überraschen, passt aber zu früheren Arbeiten des Teams der medizinischen Fakultät der Hochschule, die die gleichen Medikamente mit einer vorbeugenden Wirkung bei einer anderen neurodegenerativen Erkrankung – der Parkinson-Krankheit – in Verbindung bringt.
Die Forscher um Jacob Simmering gehen davon aus, dass eine spezifische Nebenwirkung der Medikamente auf eine biologische Schwachstelle abzielt, die sowohl bei einer Demenz als auch bei der Parkinson-Krankheit und anderen neurodegenerativen Erkrankungen auftritt.
Breit angelegter Mechanismus
„Krankheiten wie die DLB, die Parkinson-Krankheit oder die Alzheimer-Krankheit sind sehr behindernd, und wir haben keine wirklich guten Behandlungsmöglichkeiten, um das Fortschreiten der Krankheit zu beeinflussen. Wir können die Symptome behandeln, aber wir können diese Krankheiten nicht wirklich bekämpfen. Das Spannendste an dieser Studie ist, dass wir den gleichen neuroprotektiven Effekt wie bei der Parkinson-Krankheit feststellen konnten“, so Simmering.
Vorausgesetzt es gibt einen breit angelegten Schutzmechanismus, könnten diese Medikamente möglicherweise auch zur Behandlung oder Vorbeugung anderer neurodegenerativer Erkrankungen eingesetzt werden, glaubt der Wissenschaftler. Das Team hat die Daten der beobachteten Männer von dem Zeitpunkt an verfolgt, an dem sie mit der Einnahme der Medikamente begannen. Im Schnitt waren es rund drei Jahre.
Da alle Teilnehmer so ausgewählt wurden, dass sie mit der Einnahme eines Medikaments zur Behandlung derselben Erkrankung begannen, gingen die Forscher davon aus, dass sich die Männer zu Beginn wahrscheinlich sehr ähnlich waren. Um die Unterschiede zwischen den Gruppen weiter zu verringern, glichen die Forscher die Männer auch anhand von Merkmalen wie Alter sowie dem Jahr, in dem sie mit der Behandlung begannen, und anderen Krankheiten ab, die diese vor Beginn der Behandlung hatten. Das Ergebnis war signifikant. *** (Ende)
Keto-Diät optimiert Signalübertragung im Hirn – Verhältnis zwischen Lebens- und Gesundheitsspanne lässt sich im Mausmodell stark verbessern
Santiago de Chile (pte008/24.06.2024/10:30) – Forscher unter der Leitung der Universidad de Chile haben einen potenziellen Mechanismus entdeckt, der die Gesundheit bei alternden Mäusen unterstützt, die mittels Keto-Diät ernährt werden. Bei männlichen Tieren verbessert das Abwechseln zwischen Kontroll- und Keto-Diät die Signalübertragung im Gehirn. Eine frühere Studie von Erstautor John Newman hatte bereits gezeigt, dass eine zyklische ketogene Diät bei männlichen Mäusen das Sterberisiko in der Lebensmitte verringert und auch die Gedächtnisleistung stabil hält.
19 Mäuseriche gestetet
Für die aktuelle Studie haben 19 männliche Mäuse im Alter von 20 bis 23 Monaten, also bereits betagte Tiere, entweder eine Kontrolldiät oder eine Keto-Diät erhalten, die wöchentlich mit einer Kontrolldiät abgewechselt wurde. Für den Zeitraum der ersten zwölf Wochen wurden die Stoffwechselparameter dieser Tiere ermittelt. Fünf Wochen danach bekamen sie das gleiche Futter und wurden Verhaltenstests unterzogen. Laut den Ergebnissen steht die Keto-Diät mit einem niedrigeren Blutzucker, einem verbesserten Gedächtnis und besseren motorischen Fähigkeiten in Zusammenhang.
Zudem haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass sich die Plastizität im Hippokampus der älteren Mäuse signifikant verbessert hat. Weitere Tests zeigen außerdem, dass diese verbesserte Plastizität bei Tieren mit einer ketogenen Diät in Abwechslung mit einer Kontrolldiät auf ein Molekül mit der Bezeichnung Ketonkörper zurückzuführen ist. Es wird dann produziert, wenn die Blutzuckerwerte niedrig sind. Und es aktiviert in der Folge einen Signalweg zwischen den Synapsen. Die aktuellen Forschungsergebnisse sind im Fachmagazin „Cell Reports Medicine“ veröffentlicht worden.
Wirkung ist altersbedingt
Laut dem leitenden Wissenschaftler Christian Gonzalez-Billaut haben sich die Forscher auf betagte Mäuse konzentriert, da frühere Studien zeigten, dass die Wirkung dieser Ernährungsweise bei jungen Tieren weniger ausgeprägt war oder in manchen Fällen keine signifikanten Unterschiede zu einer Kontrolldiät nachgewiesen werden konnten. Diese Forschungsergebnisse legten auch nahe, dass einer der Vorteile dieser Diät in der Aufrechterhaltung der Resilienz bei alten Mäusen liegen dürfte. Dadurch würden sich auch ihre physiologischen Funktionen verbessern.
Dieses Konzept ist im Bereich des Alterns von grundlegender Bedeutung, da es sich auf den Unterschied zwischen der Lebens- und der Gesundheitsspanne bezieht. Sie beschreibt den Anteil des Lebens, in dem keine chronischen Krankheiten auftreten. Kleine Studien mit Menschen haben bereits darauf hingewiesen, dass die Keto-Diät eine ähnliche Wirkung wie bei den Mäusen haben könnte. Eine der Einschränkungen dieser Diät besteht allerdings darin, dass es schwer sein kann, sie einzuhalten. Vielen Menschen fällt der Verzicht auf Kohlenhydrate ausgesprochen schwer. (Ende)
GESUNDHEITSSYSTEM
Umfrage: Deutsche immer unzufriedener mit Gesundheitssystem
Bad Vilbel – Die Menschen in Deutschland sind einer Umfrage zufolge immer unzufriedener mit ihrem Gesundheitssystem.
Mehr als zwei von drei Befragten (68 Prozent) kritisieren Probleme bei der Terminvergabe, und allgemeines Misstrauen gegenüber den politischen Entscheidungsträgern äußert eine Mehrheit von 59 Prozent, wie aus einer repräsentativen Umfrage des Instituts Human8 im Auftrag des Pharma-Unternehmens Stada hervorgeht.
Generell zufrieden mir der medizinischen Versorgung zeigen sich in Deutschland nur 64 Prozent. Das sind 16 Punkte weniger als bei der gleichen Umfrage aus dem Jahr 2020.
In den Nachbarländern Schweiz (81 Prozent) und Österreich (72 Prozent) ist die Zufriedenheit höher. Dennoch liegt Deutschland über dem europäischen Durchschnitt in 23 Ländern mit 56 Prozent Zustimmung zum jeweiligen System.
Raum für Verbesserungen sehen die Bundesbürger bei einer verstärkten Produktion von Medikamenten im Inland anstelle von Importen (64 Prozent Zustimmung) oder der besseren Bezahlung des Personals im Gesundheitsbereich (46 Prozent).
Wie im europäischen Schnitt zeigen 69 Prozent der Befragten Vertrauen in die Schulmedizin, zwei Prozentpunkte weniger als ein Jahr zuvor. © dpa/aerzteblatt.de
GESUNDHEITSPOLITIK
Widerspruchsregelung bei der Organspende: Interfraktionelle Gruppe stellt neuen Gesetzentwurf vor
Berlin – Eine erneute parlamentarische Debatte über die Regelung der Organspende in Deutschland ist gestartet. Bundestagsabgeordnete von SPD (Sabine Dittmar), CDU (Gitta Connemann), CSU (Peter Aumer), Grünen (Armin Grau), FDP (Christoph Hoffmann) und Linken (Petra Sitte) stellten heute in Berlin einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag zur Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende vor. Dieser soll jetzt in den Fraktionen diskutiert und noch in diesem Jahr im Parlament sowie bei Expertenanhörungen debattiert und abgestimmt werden.
Das Gesetzgebungsverfahren soll idealerweise im Frühjahr 2025 zu einem Gesetzesbeschluss führen, so dass mit einer Übergangszeit von zwei, drei Jahren 2027 oder 2028 in Deutschland die Umstellung auf die Widerspruchsregelung erfolgen könne, so die Initiatorinnen und Initiatoren heute. Möglicherweise sei auch noch ein weiterer Vorschlag zu dem Thema aus den Reihen des Parlaments zu erwarten.
„Wir sind schlicht und ergreifend nicht zufrieden mit den stagnierenden Organspendezahlen in Deutschland“, sagte Sabine Dittmar (SPD), eine der Initiatorinnen des heute vorgestellten Gruppenantrags. Die meisten bisher beschlossenen gesetzlichen Maßnahmen zur Steigerung der Spendezahlen seien umgesetzt: Transplantationsbeauftragte erhielten eine Freistellung, Krankenhäuser würden zusätzlich für ihre Leistung bei der Organspende vergütet und auch die Maßnahmen zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft der Menschen seien mittlerweile weitgehend umgesetzt.
Etwa eine Million Beratungen jährlich würden durch Hausärztinnen und Hausärzte in Bezug auf die Organspende abgerechnet, seit März sei auch das digitale Organspenderegister in Betrieb. Dennoch warteten 8.000 kranke Menschen auf der Warteliste für eine Organspende oft jahrelang, viele von ihnen vergeblich. „Aufgrund der anhaltend niedrigen Spendezahlen haben wir uns zu einem erneuten Anlauf entschlossen“, sagte sie.
„Täglich sterben drei Menschen auf der Warteliste“, verdeutlichte Mitinitiatorin Gitta Connemann (CDU). „Diese Zahlen sehen in Gesichtern ganz anders aus.“ Als Schirmherrin des Vereins „Organtransplantierte Ostfriesland“ habe sie mehr mit Verzweiflung als mit Hoffnung zu tun. Eine gesetzlich verankerte Widerspruchsregelung würde die Zahl der Spenderorgane erhöhen und könnte viele Menschenleben retten, ist sie überzeugt.
Diskrepanz zwischen Bereitschaft und Spendezahlen
Connemann wies auf die große Diskrepanz zwischen der grundsätzlichen Bereitschaft zur Organspende und der tatsächlich vollzogenen Organspenden hin: „Das ist so verzweifelnd, weil wir aus Umfragen wissen, dass 84 Prozent der Menschen in diesem Land einer Organspende positiv gegenüberstehen, aber nur gut 40 Prozent dokumentieren diese Entscheidung.“
Die aktive Dokumentation der eigenen Entscheidung zur Organspende könne aber von mündigen Menschen erwartet werden, meinte sie. „Die Widerspruchslösung ist sicher kein Allheilmittel, aber ein entscheidender Baustein für einen Mentalitätswechsel.“
„Wir schöpfen die Spendenmöglichkeiten in Deutschland nicht aus“, sagte auch der Grünen-Politiker und Neurologe Armin Grau. Die derzeitige Rechtslage bringe Angehörige oft in schwierige Situationen. Häufig seien sie mit der Entscheidung bezüglich Organspende überfordert und würden sich im Zweifelsfall dagegen entscheiden, sagte der Arzt heute. Der Deutsche Ärztetag habe sich auch bereits wiederholt für die Widerspruchslösung ausgesprochen, betonte er. Nun wolle man gesellschaftlich eine erneute Debatte anstoßen. „Die Bürgerinnen und Bürger können jederzeit von ihrem Recht auf Widerspruch Gebrauch machen“, sagte der FDP-Abgeordnete Christoph Hoffmann, der 2020 noch gegen eine Widerspruchsregelung gestimmt hatte, wie er einräumte. Notwendig sei jedoch eine klare Regelung, um eine Trendwende zu erreichen.
„Es gibt Länder, die Organspende einfach besser organisieren. Bei vielen ist die Widerspruchsregelung ein entscheidender Bestandteil“, erläuterte heute die Ärztin Tina Rudolph (SPD) im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. Die Widerspruchsregelung führe dazu, über das Thema Organspende in der Gesellschaft anders zu diskutieren. „Sie führt aber auch unmittelbar zu mehr Spenden, weil eben die Prozesse anders organisiert sind.“ Die Zustimmung zur Organspende in der Bevölkerung sei in Deutschland sehr hoch, aber trotzdem werde bislang bei einigen potenziellen Organspendern keine Spende realisiert, einfach weil keine explizite Zustimmung vorliegt. „Das wollen wir mit der Umkehr der Beweislast ändern“, sagte die Ärztin, die ebenfalls zu den Unterzeichnenden des Gruppenantrags gehört.
„Allen sollte bewusst sein: Wir können selbst in die Situation kommen, dass wir ein Spenderorgan benötigen. Und die meisten möchten dann auch gern ein Spenderorgan“, so Rudolph. Es sollte sehr zu denken geben, dass Deutschland eines der wenigen Länder im Eurotransplant-Verbund sei, das nicht die Widerspruchsregelung praktiziere.
„Wir haben so niedrige Organspendezahlen, dass wir auf die Transplantationsbereitschaft der anderen Länder angewiesen sind. Im Notfall würden wohl die meisten Menschen in Deutschland diese auch annehmen, ohne sich selbst der Entscheidung zur Organspende zu stellen. Deshalb sehe ich hier die moralische Verpflichtung des Einzelnen, sich fünf Minuten mit der Frage der möglichen Organspende im Falle eines Hirntods auseinanderzusetzen“, sagte Rudolph.
Derzeit gilt in Deutschland die Entscheidungslösung, der zufolge nur Menschen Organspendender sind, die zu Lebzeiten explizit eingewilligt haben. Für diese gesetzliche Regelung, die unter anderem durch die heutige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ins Parlament eingebracht wurde, hatte sich 2020 der Deutsche Bundestag ausgesprochen. Ein vom heutigen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und vom damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unterstützter Antrag, der eine Widerspruchslösung vorsah, fand damals keine Mehrheit. Beide gehören auch jetzt zu den Unterzeichnern des neuen Gruppenantrags. Baerbock dagegen lehnte diesen bereits ab: Stillschweigen dürfe nicht zur automatischen Freigabe von Organen führen, sagte sie.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte indes heute den Antrag, den er als Abgeordneter mitunterzeichnet hat. „Wir müssen uns ehrlich machen: Ohne dass wir allen zumuten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, werden die Organspendezahlen nicht signifikant steigen“, sagte er. Wer das „Sterben auf der Warteliste“ beenden wolle, sollte die Bundestagsinitiative unterstützen. „Jeder, der nicht spenden will, kann sich einfach in das neue digitale Spendenregister eintragen. Aus dem Spendenregister würde so ein Nichtspenderregister. Eine digitale Opt-Out-Lösung für Organspende.“
Auch der Patientenbeauftragte Stefan Schwartze ist Mitunterzeichner des heute vorgestellten Gesetzesentwurfs zur Einführung einer Widerspruchsregelung. In vielen europäischen Ländern, die bereits die Widerspruchslösung eingeführt hätten, sei ein deutlicher Anstieg der Spendezahlen zu sehen, betonte er. Insgesamt solle die neue Regelung zu einer Entlastung für die nächsten Angehörigen sowie auch zu einer Entlastung für Ärztinnen und Ärzten führen. „Mit der Widerspruchsregelung möchten wir mehr Menschen die Chance auf ein neues Leben geben. Ich werde mich aktiv dafür einsetzen, dass dieser Systemwandel zugunsten aller Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten umgesetzt wird.“
Um die Freiwilligkeit der Organspende zu gewährleisten, sieht der Gesetzesentwurf umfassende Informationskampagnen durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vor. Es sollen bei den Informationsschreiben und der allgemeinen Aufklärung Aspekte der Inklusivität, wie durch „leichte Sprache“ oder Informationen in anderen Sprachen, berücksichtigt werden. Zudem sollen die Verfahren zur Registrierung eines Widerspruchs einfach und barrierefrei gestaltet werden. Außerdem soll eine zusätzliche Sicherstellung durch Einbeziehung der nächsten Angehörigen erfolgen, dass kein Widerspruch zu Lebzeiten vorlag.
Bei Minderjährigen oder den nichteinwilligungsfähigen Personen werden differenzierte Regelungen getroffen. Bei Minderjährigen, die keine Erklärung zur Organ- und Gewebespende abgegeben haben, ist der mögliche Organ- oder Gewebespender dem Entwurf zufolge nur zulässig, wenn eine Ärztin oder ein Arzt den nächsten Angehörigen über eine in Frage kommende Organ- oder Gewebeentnahme unterrichtet hat und dieser ihr zugestimmt hat. Bei Personen, die über einen längeren Zeitraum nicht einwilligungsfähig sind, soll die Widerspruchslösung keine Anwendung finden. © ER/aerzteblatt.de
UMWELT
Studie: Häufigkeit von Waldbränden seit 2003 verdoppelt
Die Häufigkeit und die Intensität extremer Waldbrände haben sich einer Studie zufolge in den vergangenen 20 Jahren weltweit mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung sei auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zurückzuführen, hieß es in der gestern in der Fachzeitschrift „Nature Ecology & Evolution“ veröffentlichten Untersuchung.
Mit Hilfe von Satellitendaten untersuchten die Forscher und Forscherinnen zwischen 2003 und 2023 fast 3.000 besonders große Waldbrände. Dabei stellten sie fest, dass sich ihre Häufigkeit in diesem Zeitraum um das 2,2-Fache erhöht hat. Auch die Intensität der 20 extremsten Brände pro Jahr habe sich mehr als verdoppelt, hieß es in der Studie weiter. Diese Entwicklung scheine sich „zu beschleunigen“.
„Ich hatte eine gewisse Zunahme erwartet, aber die Geschwindigkeit der Zunahme hat mich alarmiert“, erklärte der Hauptautor der Studie, Calum Cunningham von der Universität von Tasmanien in Australien. „Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht mehr nur eine Frage der Zukunft. Wir sehen heute die Anzeichen einer austrocknenden und sich erwärmenden Atmosphäre.“
Gespeichertes CO2 wieder freigesetzt
Die größte Intensität und Häufigkeit von Waldbränden war laut der Studie in den Jahren 2017 bis 2023 zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr waren die Auswirkungen demnach am größten.
Am stärksten betroffen von den Waldbränden waren der Studie zufolge die Nadelwälder im Westen der USA und die borealen Wälder in Alaska, Nordkanada und Russland.
Die Wissenschaftler weisen in ihre Studie auf einen „Rückkopplungseffekt“ aufgrund der Waldbrände hin, da durch den Verlust von Bäumen das von ihnen aus der Atmosphäre gespeicherte CO2 wieder freigesetzt wird. Sie plädieren für eine Anpassung an das veränderte Klima, etwa durch eine bessere Waldbewirtschaftung. *** red, ORF.at/Agenturen
Mehr als 1.300 Pilger starben bei Hadsch an Hitze
Mekka – Während der muslimischen Wallfahrt Hadsch in Saudi-Arabien sind nach offiziellen Angaben 1.301 Menschen aufgrund extremer Hitze gestorben. Bei der großen Mehrheit der Toten habe es sich um nicht registrierte Pilger gehandelt, teilte der saudische Gesundheitsminister Fahad Al-Dschaladschel gestern Abend mit.
Unklar ist weiter, aus welchen Ländern wie viele der Opfer stammten. Die Regierungen mehrerer arabischer Länder teilten mit, dass viele Wallfahrende offenbar mit einem normalen Touristenvisum anstelle eines speziellen Pilgervisums nach Saudi-Arabien eingereist waren. Nicht registrierte Pilger haben in der Regel keinen Zugang zu den für Wallfahrende vorgesehenen Unterkünften und Transportdiensten.
Viele Tote hätten keine Ausweisdokumente bei sich gehabt, weshalb es dauere, bis sie identifiziert seien und deren Familien informiert werden könnten, sagte der saudische Gesundheitsminister im Staatsfernsehen Al-Ekhbariya. „Die unregistrierten Pilger liefen über lange Strecken unter der Sonne ohne Schutz und Pause. Einige von ihnen waren älter und einige andere hatten chronische Krankheiten.“
Viele Länder mit muslimischer Bevölkerung hatten am Wochenende Tote beim Hadsch gemeldet, darunter Indonesien, Indien, Jordanien, Malaysia, der Senegal und Pakistan. Aus ersten Berichten, dass viele der Toten nicht als Pilger registriert gewesen seien, zogen einige Länder bereits Konsequenzen.
Aus Ägypten etwa wurden zunächst spezielle Teams nach Mekka entsandt, um nach Vermissten zu suchen. Des Weiteren wurde der Entzug der Lizenzen von 16 Reiseveranstaltern angeordnet, die illegal Reisen für nicht registrierte Pilger nach Saudi-Arabien organisiert haben sollen.
Auch in Jordanien wurden laut der Nachrichtenagentur Petra Ermittlungen eingeleitet, um „die Umstände rund um die Reisen jordanischer Bürger nach Saudi-Arabien“ aufzuklären. Tunesiens Präsident Kais Saied ging noch einen Schritt weiter und entließ seinen Minister für religiöse Angelegenheiten, Brahim Schaibi.
Für Muslime sind die heiligen Stätten in Saudi-Arabien als Geburtsstätte des Islam von immenser Bedeutung. Einen zentralen Punkt bildet die Heilige Moschee mit der Kaaba in Mekka, die gemäß muslimischen Ritualen von jedem Hadsch-Pilger umrundet werden soll.
Die Wallfahrt gehört zu den fünf Grundpflichten des Islam. Wer es sich leisten kann und körperlich dazu imstande ist, sollte die Reise mindestens einmal in seinem Leben absolvieren. Manche Muslime pilgern mehrfach nach Mekka.
In diesem Jahr nahmen rund 1,8 Millionen Pilger teil, im vergangenen Jahr waren es circa zwei Millionen. Der Hadsch findet stets im letzten Monat des islamischen Kalenders statt – dieses Jahr begann die Wallfahrt am 14. Juni und endete am vergangenen Dienstag, wobei einige Pilger noch am Mittwoch Rituale vollzogen.
Um die Jahreszeit herrscht in der Wüste Saudi-Arabiens sengende Hitze, tagsüber stiegen die Temperaturen auf um die 50 Grad Celsius. Behörden hatten die Pilger dazu aufgerufen, Sonnenschirme zu tragen, sich zur besonders heißen Mittagszeit nicht draußen aufzuhalten und genügend Wasser zu trinken. © dpa/aerzteblatt.de
IT – KI – ROBOTIK – INTERNET
USA: Warnhinweise für Social Media gefordert – U.S. Surgeon General Vivek Murthy will auch ein Handy-Verbot an Schulen auf den Weg bringen
Washington (pte014/24.06.2024/12:30) – Der U.S. Surgeon General Vivek Murthy ruft bei sozialen Medien zu Gesundheitswarnungen für jüngere User auf. Zuvor hatte der Leiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes bereits mit dem Advisory on Social Media and Youth Mental Health entsprechende Warnungen ausgesprochen. Diese Gesundheitswarnungen würden jenen entsprechen, die zum Beispiel auf Zigarettenpackungen angebracht sind. Sie sollen Eltern und Kinder vor den Risiken für die psychische Gesundheit warnen, die von den sozialen Medien ausgehen.
Negativfolgen für die Psyche
Murthy fordert gleichzeitig auch ein Handy-Verbot an Schulen. Der Surgeon General räumt zwar ein, dass die Forschungsergebnisse zu diesem Thema noch nicht eindeutig sind. Er betont aber auch, dass keine Zeit mehr vorhanden sei, um auf die vollständigen Informationen zu warten.
Die aktuelle Studie belegt, dass mehr Zeit mit dem Bildschirm und ein negatives körperliches Verhalten kognitive Folgen haben kann. Ein Grund dafür, warum die Bildschirmzeit so problematisch ist, bestehe darin, dass sie andere Aktivitäten, die mit dem Wohlbefinden in Verbindung gebracht werden, wie körperliche Aktivitäten, Interaktionen mit der Familie und Freunden oder schulischen Interessen, beeinflusst.
Manche, jedoch nicht alle Studien, gehen davon aus, dass bei Heranwachsenden die Nutzung sozialer Medien mit mehr Angstgefühlen und Symptomen einer Depression in Zusammenhang gebracht werden kann. Der Druck der Erreichung einer sozialen Bestätigung und dem dauernden Zugewinn an Likes und von Followern kann laut den Experten Stress und Angstgefühle bei jungen Menschen erhöhen. Soziale Medien können auch zu Cyberbullying und negativen sozialen Interaktionen führen, die ihrerseits wieder mit einer schlechten psychischen Gesundheit und zahlreichen weiteren Problemen in Verbindung stehen.
LGBTQ+-Jugendliche im Blick
Handys wirken sich zudem auch negativ auf die Aufmerksamkeit aus. Laut neuesten Studienergebnissen brauchen Schüler bis zu 20 Minuten, bis sie wieder ganz bei der Sache sind. Es gibt zahlreiche Argumente, die für ein Verbot von Handys an Schulen sprechen, heißt es.
Dieses Verbot könnte bei manchen Jugendlichen aber auch negative Folgen haben. LGBTQ+-Jugendliche nutzen sozialen Medien, um eine Gemeinschaft zu bilden, in der sie Unterstützung bekommen, Infos teilen und ihre Identität entwickeln. Ein eingeschränkter Zugang könnte demnach ihre psychischen Probleme noch weiter verstärken.
Form und Wirksamkeit von Warnhinweisen hängen zusammen
Die Wirksamkeit von Warnhinweisen hängt davon ab, welche Form sie haben. Studien gehen davon aus, dass Warnhinweise, die auf eine sichere Nutzung abzielen, erfolgreicher sind. Bei den sozialen Medien bedeutet das eine Verbesserung der Social-Media-Kompetenz.
Warnungen könnten zum Beispiel darauf abzielen, dass die Inhalte in den sozialen Medien nicht immer für das wirkliche Leben repräsentativ sind. Durch diese Warnhinweise werden auch die Media-Plattformen mehr zur Verantwortung gezogen. Sie sind auf eine maximale Nutzung ausgelegt und profitieren vom Engagement ihrer User.
Warnhinweise, so die Studienautoren weiter, könnten ihnen helfen, bewusster zu sehen, wie diese Unternehmen von der Nutzung profitieren. Auch wenn diese Warnhinweise die jungen User nicht unbedingt von einer hohen Nutzung abhalten, könnten sie zumindest die Eltern eher dazu bringen, Grenzen zu setzen. Denn klar ist, dass die ausschließliche Konzentration auf die Angebote der sozialen Medien die zunehmenden psychischen Probleme der heutigen Jugend nicht werden lösen können. *** (Ende)
BILDUNG – UNIVERSITÄTEN – BÜCHER
ÖH pocht auf Einführung von Teilzeitstudien
Am Beginn des Wintersemesters will ÖH-Chefin Sarah Rossmann ein Konzept vorstellen, das vor allem arbeitenden Studierenden etwa Erleichterungen bei Beihilfen bescheren soll.
Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) will weiter für die Einführung eines Teilzeitstudiums kämpfen. Am Beginn des Wintersemesters will man ein Konzept vorstellen, das vor allem arbeitenden Studierenden etwa Erleichterungen bei Beihilfen bescheren würde.
Als Erfolge der ersten Hälfte der zweijährigen Funktionsperiode nannte ÖH-Chefin Sarah Rossmann bei einer Pressekonferenz am Montag etwa die Reform der Lehramtsstudien und die Valorisierung der Zuverdienstgrenzen.
Rossmann war – wie im Koalitionsvertrag zwischen Verband Sozialistischer Student_innen (VSStÖ), Grünen und Alternativen Student_innen (GRAS) sowie Kommunistischem Student_innenverband – Linke Liste (KSV-LiLi) festgelegt – am Freitag zur neuen ÖH-Vorsitzenden gewählt worden. VSStÖ-Vertreterin Nina Mathies wechselte dafür auf die Position der ersten Stellvertreterin, zweiter Stellvertreter bleibt Simon Neuhold (KSV-LiLi).
Dienstrechtsnovelle fehlt
Beide Erfolge kommen aber mit einem Aber: Bei den Lehramtsstudierenden fehle nach wie vor die angekündigte Dienstrechtsnovelle, durch die viele der angekündigten Änderungen auch tatsächlich für die Lehrkräfte wirksam werden, monierte Rossmann. Und bei der Studienbeihilfe seien zwar sowohl die Beihilfen selbst als auch die Zuverdienstgrenzen valorisiert worden, nicht aber die Einkommensgrenzen der Eltern. Damit würden jedes Jahr Studierende aus dem Bezieherkreis herausfallen.
Immerhin Verbesserungen herausgeholt habe man bei den Änderungen des Universitätsgesetzes abseits der Lehramtsstudien, so Rossmann – etwa für Drittstaatsstudierende. Allerdings hätten die beschlossenen Möglichkeiten zur Ausweitung von Zugangsbeschränkungen „den Traum eines freien und offenen Hochschulzugangs nun wirklich platzen lassen“. Künftig dürfen auch überlaufene Masterstudien an den Universitäten beschränkt werden.
„Klimapolitische Ringvorlesung“
Auf die Haben-Seite schreibt man sich in der ÖH die Realisierung einer „klimapolitischen Ringvorlesung“ gemeinsam mit dem Projekt UniNetz, für deren Absolvierung die Studierenden drei ECTS-Punkte bekamen. Außerdem habe man die ÖH-Helpline für Studierende mit psychischen Problemen ausgebaut und erfolgreich für eine Ausweitung der kostenfreien HPV-Impfung bis zum vollendeten 30. Lebensjahr gekämpft – wobei diese Regelung allerdings vorerst nur bis 2025 befristet ist. Man habe auch einen Fördertopf mit rund 200.000 Euro eingerichtet, bei dem sich Studierende die Kosten einer schon durchgeführten Impfung erstatten lassen können, so Mathies.
Ab dem Wintersemester wird außerdem der Mensabonus für Studierende mit Studienbeihilfe von einem auf zwei Euro pro Menü verdoppelt. Am Freitag abgeschlossen wurde eine Kooperation mit dem Verein Changes for women, mit der Studentinnen ein niederschwelliger Zugang zu Abtreibungen ermöglicht werden soll. Für nächstes Studienjahr plant man Feiern anlässlich des 80-Jahr-Jubiläums der ÖH und wieder einmal eine Kampagne zur Steigerung der Beteiligung bei den im Frühjahr 2025 anstehenden ÖH-Wahlen. (APA)
ÖH zieht Jahresbilanz zur Halbzeit der Funktionsperiode
Vor fast genau einem Jahr, am 23. Juni 2023 wurde das Vorsitzteam der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) gewählt. In den vergangenen 12 Monaten widmete sich das ÖH-Vorsitzteam den großen Herausforderungen in Hochschul- und Allgemeinpolitik. Zur Halbzeit der Funktionsperiode blickt der Vorsitz auf die Erfolge und Projekte des vergangenen Jahres zurück. Im hochschulpolitischen Bereich waren wir mit einer UG-Novelle konfrontiert, die auf unseren Druck beim Lehramt Schritte in die richtige Richtung gesetzt hat, jedoch auch viele Probleme wie Zugangsbeschränkungen bei Master- sowie Doktoratsstudien und weitere Hürden für Drittstaatstudierende gebracht hat, betont Sarah Rossmann aus dem ÖH-Vorsitzteam.
Positiv blickt Rossmann auf das klimapolitische Engagement der ÖH zurück: Mit der Ringvorlesung ‘Campus of Change’ haben wir gemeinsam mit dem UniNEtZ Studierenden die Möglichkeit geboten, sich im Rahmen ihres Studiums intensiv mit der Klimakrise auseinanderzusetzen und einen wichtigen akademischen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise zu leisten.
Die dramatische Teuerung ist immer noch eine große Belastung für viele Studierende. Besonders herauszuheben ist hier die akute Wohnungskrise, die von Seiten der Politik auch unzureichend bekämpft wird. Die ÖH hat deshalb einen besonderen Fokus auf das Thema Wohnen gesetzt. Dazu fasst Nina Mathies aus dem ÖH-Vorsitzteam zusammen: Im Rahmen unserer Kampagne ‘Und wie wohnst du?’ haben uns eine Tour durch die Hochschulstädte Österreichs und eine Studie gemeinsam mit der Arbeiter_innenkammer klar gezeigt hat, dass unsere wohnpolitischen Forderungen aktuell und dringend sind. Es braucht nämlich weiterhin dringend Maßnahmen wie einen echten Mietpreisdeckel und das Ende von befristeten Mietverträgen!
Die multiplen Krisen haben auch den Bedarf nach psychotherapeutischer Unterstützung stark erhöht. Auch hier ist die ÖH aktiv geworden: Mit November 2023 haben wir das Angebot der ÖH Helpline massiv ausgebaut und seither eine Steigerung von 300% bei den Beratungen registriert, erläutert Mathies.
Um Studierende auch finanziell zu entlasten, konnte die ÖH in Verhandlungen mit dem Ministerium nun erreichen, dass der Mensenbonus für Studierende verdoppelt wird. Künftig wird also Studierenden, die Studienbeihilfe beziehen, jedes geförderte Menü um 2 Euro vergünstigt. Alle Studierenden müssen sich das Essen in der Mensa leisten können!, fordert Simon Neuhold aus dem ÖH-Vorsitzteam.
Auch der massive Rechtsruck in Österreich wie ganz Europa beschäftigt die Studierenden. Mit Bildungsangeboten wie dem Antifa-Seminar im Mai oder der Broschüre und dem Dokumentarfilm zur Aufarbeitung der faschistischen Geschichte Österreichs Hochschulen unterstützt die ÖH, sich kritisch mit der Vergangenheit und ihren Kontinuitäten auseinanderzusetzen. Antifaschistische Bildungsarbeit bildet den Grundbaustein für ein aktives Aufstehen gegen Rechts, betont Simon Neuhold aus dem ÖH-Vorsitzteam. Wer antifaschistische Arbeit leistet, ist vermehrt auch von staatlicher und polizeilicher Repression betroffen. Daher ist die ÖH eine Kooperation mit der Roten Hilfe eingegangen, um Studierende zu unterstützen, die von Repression betroffen sind. Gerade studentischer, antifaschistischer Aktivismus muss unterstützt werden und darf keiner Repression zum Opfer fallen!, fordert Neuhold weiter.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die ÖH in den vergangenen 12 Monaten so konstruktive und konsequente Arbeit für die Studierenden gemacht hat wie lange nicht mehr. Zuversichtlich und kämpferisch startet das Vorsitzteam in das zweite Jahr ihrer Funktionsperiode.
GRAS-Vertreterin Sarah Rossmann neue ÖH-Vorsitzende – 22.6.2024
Sarah Rossmann (GRAS) übernimmt den Vorsitz der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH). Die ÖH-Bundesvertretung bestätigte sie in der Nacht auf gestern mit 32 von 53 Stimmen als Vorsitzende. Sie tauscht, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, zur Halbzeit der Periode mit Nina Mathies (VSStÖ) die Posten.
Mathies wurde mit 36 von 52 Stimmen zur ersten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Weiterhin als zweiter Stellvertreter im Amt bleibt Simon Neuhold (KSV-LiLi).
Rossmann führt damit das nächste Jahr die Koalition aus Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) und Kommunistischem StudentInnenverband – Linke Liste (KSV-LiLi).
VSStÖ stärkste Kraft
Bei der Anfang Mai 2023 abgehaltenen ÖH-Wahl erreichte der VSStÖ als stärkste Fraktion 15 Mandate. Dahinter folgten die ÖVP-nahe AktionsGemeinschaft mit zwölf Sitzen und die GRAS mit elf.
Die Jungen Liberalen Studierenden (JUNOS) kamen auf fünf Mandate, die Fachschaftslisten auf vier, der KSV-LiLi auf drei, der mit ihm konkurrierende andere Kommunistische StudentInnenverband – Kommunistische Jugend (KSV – KJÖ) sowie die Liste Who the F*ck is Herbert? auf je zwei und der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) auf einen Sitz. *** red, ORF.at/Agenturen
Buchtipps: Sachbücher für den kühlen Kopf
Eine Liebeserklärung an den Fußball oder einen Spaziergang durch die Gärten der Literatinnen und Literaten? Abschalten und sich dabei bilden, das verspricht ein Blick auf die heurigen Sachbücher. Nicht fehlen dürfen aber Kontextualisierungen, die sich im Sommerurlaub vielleicht am besten nachholen lassen: Die Redaktion von ORF Topos präsentiert ihre Empfehlungen zur Nahost- und Klimakrise und zu vielen Fragen in Bezug auf künstliche Intelligenz (KI).
Der „Messi der Bücher“
„Quel sogno che comincia da bambino“, singen Gianna Nannini und Edoardo Bennato in ihrer Hymne zur Fußballweltmeisterschaft in Italien 1990: „Dieser Traum, der als Kind beginnt.“ Wie so viele begleitet auch den deutschen Dramatiker und Romancier Moritz Rinke die Leidenschaft für den Fußball schon, seit er mit seinem Vater ins Stadion ging – und 1978 (Cordoba!) zum ersten Mal eine WM im Fernsehen sehen durfte. Mit „Ich könnte hier stundenlang sitzen und auf den Rasen schauen“ hat Rinke, der gerne „der Messi der Bücher wäre“, wie er in einem Kapitel schreibt, nun eine Liebeserklärung an den Fußball abgeliefert: klug, witzig, rührend – und die perfekte Lektüre zur Europameisterschaft. (Romana Beer, science.ORF.at)
Moritz Rinke: Ich könnte hier stundenlang sitzen und auf den Rasen schauen. KiWi, 224 Seiten, 14,40 Euro.
Gärten, Parks und Jane Austens Kühe
Ein opulenter Bildband für Garten- und Literaturbegeisterte, bestens geeignet für Couchtisch, Balkon und Gartenlaube, ist Jackie Bennetts „Die Gärten der Literaten“. Es umfasst 28 mit schönen Fotos illustrierte Kurzporträts bedeutender Literatinnen und Literaten und deren grüner Refugien. Man lustwandelt durch die Oasen von Geistesgrößen wie Emile Zola, Agatha Christie und Hermann Hesse. Nebenbei erfährt man einiges Interessantes, etwa welche Wege Jane Austen zu ihren besten Parkszenen inspirierten, und auch die überraschende Tatsache, dass die Dichterin höchstselbst die familieneigenen Kühe tränkte. (Johanna Grillmayer, ORF.at)
Jackie Bennett und Richard Hanson (Fotografien): Die Gärten der Literaten. Aus dem Englischen von Anke Albrecht. Gerstenberg, 240 Seiten, 39,10 Euro.
Reise durch das Multiversum
Künstliche Intelligenz ist in allen Aspekten des Lebens angekommen: von Arbeit und Schule über die Unterhaltungsindustrie bis in jeden Bereich der Forschung, sei es Medizin, Klimaforschung oder Archäologie. Miriam Meckel und Lea Steinacker ist es mit ihrem Buch – der Titel bezieht sich auf den oscarprämierten Science-Fiction-Film „Everything Everywhere All at Once“ – gelungen, so gut wie jede Dimension dieser neuen Realität höchst kurzweilig zwischen zwei Buchdeckel zu packen. Die Fäden haben nach wie vor die Menschen in der Hand, erinnern die Autorinnen, sie müssen nur klug mit der neuen Technologie umgehen. Wenn Sie diesen Sommer ein Buch über KI lesen wollen, lesen Sie dieses. (Romana Beer, science.ORF.at)
Miriam Meckel und Lea Steinacker: Alles überall auf einmal. Rowohlt, 400 Seiten, 26,80 Euro.
Es schläft sich schlecht im Anthropozän
Nikolaj Schultz versucht sich in „Landkrank“ an einer verzweifelten Bestandsaufnahme der Conditio humana in Zeiten der Klimakrise und schildert eindringlich die Kollateralschäden einer globalisierten Welt, in der Produkt und Konsument nicht mehr in Verbindung stehen. Leben und leiden auf Kosten anderer, so lautet der Tenor, der sich durch die kurzen Kapitel dieses Essays zieht. Während Schultz versucht, seine eigene Rolle in der Klimakrise zu definieren, schildert er eine individuelle Verzweiflung, die dem Ausmaß der Katastrophe auf den ersten Blick nicht gerecht wird. Auf den zweiten Blick entpuppt sich das aber als Stärke dieses kleinen, aber feinen Buches: Denn die Folgen der Klimakrise sind alles andere als losgelöst von unserem täglichen Leben. (Mona Harfmann, ORF Topos)
Nikolaj Schultz: Landkrank. Suhrkamp, 122 Seiten, 15,50 Euro.
Klima breiter denken
Wir müssen aufhören, die Klimakrise als ein rein physikalisches Phänomen mit einer physikalischen Lösung zu betrachten, fordert Friederike Otto. Sie behandelt die Katastrophe als ein vielschichtiges Problem, das vor keinem Bereich unserer Gesellschaft haltzumachen scheint. Anhand von acht Wetterextremereignissen beschreibt die Klimaforscherin anschaulich Ursachen, Folgen und Betroffenheit eines Problems, das eben nicht nur das Klima betrifft – und appelliert dabei an den Gerechtigkeitssinn jedes Einzelnen. (Mona Harfmann, ORF Topos)
Friederike Otto: Klimaungerechtigkeit. Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat. Ullstein, 336 Seiten, 23,70 Euro.
Wie Frankreich im Süden denken gelernt hat
Dass Gedanken oft keine unmittelbaren Früchte von in Bibliotheken und Archiven verbrachten Tagen sind, sondern oft erst an einem besonderen Ort reifen, kann man vom Ideenhistoriker Onur Erdur lernen. In acht Porträts, die jeweils einen Denker oder eine Denkerin, ein philosophisches Theorem und einen Ort im Maghreb beschreiben, nähert sich Erdur den „kolonialen Wurzeln der französischen Theorie“. Und zeigt unter anderem, wie Michel Foucaults Idee der Heterotopien in Marokko und Tunesien entstand, Pierre Bourdieus Thesen mit dem Dekolonisationskrieg in Algerien und Hélène Cixous’ Differenzfeminismus mit ihren Erfahrungen als Jüdin ebendort verbunden sind. Eine ungewöhnliche Ideengeschichte, die Perspektiven verschiebt. (Florian Baranyi, für ORF Topos)
Onur Erdur: Die Schule des Südens. Die kolonialen Wurzeln der französischen Theorie. Matthes & Seitz, 335 Seiten, 28,80 Euro.
Die Liebe zweier großer Frauen
Der Briefwechsel zwischen Virginia Woolf und Vita Sackville-West wurde als „Love Letters“ herausgegeben. Alison Bechdel editierte die zwischen 1922 und 1941 entstandenen Briefe und ergänzte sie durch Tagebucheinträge und Briefe beider Ehemänner. Dass sie glänzend geschrieben und sehr unterhaltsam sind, überrascht bei derart hochkarätigen Schriftstellerinnen nicht – das Mitgefühl, die Verzweiflung, der Liebeskummer, die kleinen Bosheiten und Lästereien, der Witz und die Tapferkeit beider Frauen machen die Briefe zu kleinen Meisterwerken. Trotz des herzzerreißenden Endes, das die Beziehung durch Woolfs Freitod 1941 nahm, bleibt der Eindruck einer großen, großherzigen Liebe. (Johanna Grillmayer, ORF.at)
Virginia Woolf, Vita Sackville-West und Alison Bedchel (Hg.): Love Letters. Aus dem Englischen von Susanne Höbel. Unionsverlag, 352 Seiten, 24,70 Euro.
Susan Sontag wiederentdecken
Gesellschaftsanalyse in spröden Texten? Niemals bei Susan Sontag. In einer neu zusammengestellten Essaysammlung mit Texten „Über Frauen“ kann man sich einmal mehr von Klarheit und Klarsichtigkeit, Leichtigkeit und intellektueller Schärfe der berühmten US-Kulturkritikerin überzeugen und bezaubern lassen. Geschrieben in den 1970er Jahren geht es um weibliches Altern, Schönheit, Sexualität und Macht. Manches hat sich verschoben, was aber wenig stört: Mitdenken hat selten so Spaß gemacht. (Paula Pfoser, ORF Topos)
Susan Sontag: Über Frauen. Übersetzt aus dem Englischen von Kathrin Razum. Hanser, 208 Seiten, 23,70 Euro.
Die Kaugummimädchen der Urzeit
Auf die Suche nach den Lebensumständen von Frauen der Urzeit macht sich die schwedische Wissenschaftsjournalistin Karin Bojs in „Mütter Europas. Die letzten 43.000 Jahre“. Von der Forschung stets vernachlässigt, bietet dieses Feld nicht zuletzt durch neueste DNA-Forschung, die die Archäologie revolutionierte, faszinierende Einblicke und veränderte die Sicht auf unsere Vorfahrinnen (und Vorfahren). Einige Highlights: die Geschichte der „schwedischen“ Fischermädchen, die vor 10.000 Jahren durch Kaugummikauen ihre DNA unsterblich machten, göttlicher Geschlechtertausch, Wölfe verehrende Machogangs und die Strickhaube der Venus von Willendorf. (Johanna Grillmayer, ORF.at)
Karin Bojs: Mütter Europas. Die letzten 43.000 Jahre. Aus dem Schwedischen von Erik Gloßmann. C.H. Beck, 252 Seiten, 26,80 Euro.
Orientierung im immerwährenden Krieg
Schon vor dem 7. Oktober 2023 wäre Israel in einer Sackgasse gesteckt, schreibt Mosche Zimmermann, doch nun befinde sich der Staat endgültig an einem Scheideweg. Lehrreich zeichnet der 80-jährige Professor emeritus der Hebräischen Universität Jerusalem politische Entwicklungen nach, die Mitschuld am Nahost-Konflikt tragen würden – allen voran die rechtsextremen Tendenzen der israelischen Regierung. Er zeigt sich aber auch zaghaft-hoffnungsvoll. Einmal mehr gibt der israelische Historiker Einblicke in seine persönlichen Innenansichten. Seine Analyse war für den heurigen Deutschen Sachbuchpreis nominiert. (Allegra Mercedes Pirker, für ORF Topos)
Mosche Zimmermann: Niemals Frieden? Israel am Scheideweg. Propyläen Verlag, 192 Seiten, 16,50 Euro.
Naja, dann halt „OK Boomer“
Man kann dem zustimmen, was Heinz Bude da schreibt, oder man kann sich darüber ärgern. Sicher ist: Er fasst die Argumente jener zusammen, die heute gerne als „alte weiße Männer“ abgeschasselt werden und ihre untergehende Welt verteidigen. Er will sich und seiner Generation nichts vorwerfen lassen – Neoliberalismus hin, Klimawandel und (nicht zuletzt auch linker) Machismo her. Ein Pamphlet, das seine Leserschaft fit macht, in eine aktuelle Debatte einzusteigen, in der es um mehr geht, als es auf den ersten Blick scheint. „OK Boomer?“ (Simon Hadler, ORF Topos)
Heinz Bude: Abschied von den Boomern. Hanser, 144 Seiten, 22,70 Euro.
Kulturkritik im Ziegelsteinformat
Es ist mit über 1.100 Seiten zugegeben nicht das dünne Buch zum schnellen Einstecken, aber schließlich geht es auch um „Das 21. Jahrhundert“. Diedrich Diederichsen, Deutschlands berühmter Popbeobachter, der seit 2006 an der Wiener Akademie der bildenden Künste lehrt, führt in gesammelten Essays durch Populäres und Nitschiges, mit Allerlei zu Farocki und Fassbinder, Serien wie „Simpsons“ und „Underground Railroad“, David Bowie und Miley Cyrus oder Männlichkeit und (Anti-)Kapitalismus – kurz: alles, was Feuilleton kann und will. Eine Hilfestellung, das eigene Denken frisch zu halten. (Paula Pfoser, ORF Topos)
Diedrich Diederichsen: Das 21. Jahrhundert. KiWi, 1.136 Seiten, 59,70 Euro.
Nachholen, um mitreden zu können
Es gibt so Lektüren, das kennt man. Von denen reden alle, aber man kommt gerade nicht dazu, und irgendwann denkt man sich: zu spät, egal. Aber dann bleiben die Theorien wichtig und verschwinden nicht aus der öffentlichen Debatte. Zwei Bücher, die so grandios geschrieben sind, dass sich schon allein deshalb das Nachholen lohnt, sollte man gleich beide lesen, weil Klimakatastrophe und soziale Gerechtigkeit nicht ohne einander erzählt werden können: Donna Haraways Reise ins Zeitalter des „Chtuluzän“, in dem wir mit allen Tieren und Pflanzen gleichberechtigt leben werden, eine wundervolle, stringent argumentierte Utopie, und Didier Eribons Emanzipationsgeschichte – er entfloh als junger Schwuler dem so marginalisierten wie brutalen Subproletariat und kehrte erst spät „zurück nach Reims“. (Simon Hadler, ORF Topos)
Donna Haraway: Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chtuluzän. Campus, 350 Seiten, 37,10 Euro.
Didier Eribon: Rückkehr nach Reims. Suhrkamp, 237 Seiten, 12,40 Euro.
Paula Pfoser (Redaktion), Sonia Neufeld (Video Gestaltung), Zita Klimek (Fotos), alle ORF Topos
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GESCHICHTE
Krieg Aller gegen Alle? – Ausstellung „Die Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg“ (18.6. – 4.7.2024) wurde im Parlament eröffnet
Historische Photographien, Dokumente und Karten werden in der Säulenhalle präsentiert
Wien (PK) – „Es war Mein sehnlichster Wunsch, die Jahre die Mir durch Gottes Gnaden noch beschieden sind, Werken des Friedens zu weihen und Meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren“, schreibt Kaiser Franz Joseph I am 28. Juli 1914. Doch: „Im Rate der Vorsehung ward es anders beschlossen.“ Der Erste Weltkrieg forderte die Leben von 9,5 Millionen Soldaten und 6,5 Millionen Zivilist:innen, mehr als 21 Millionen blieben als Kriegsinvalide zurück.
Das Kriegsmanifest, aus dem diese Zeilen stammen, ist eines von vielen Exponaten, die im Rahmen der Ausstellung „Die Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg“ im Parlament präsentiert werden. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka lud gestern anlässlich von 110 Jahren Kriegsbeginn zur Ausstellungseröffnung. Gezeigt werden Photographien, Dokumente und Karten aus dem Heeresgeschichtlichen Museum, dem Österreichischen Staatsarchiv, der Parlamentsbibliothek und dem Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Die Exponate illustrieren die schweren militärischen Verluste, die zunehmende Ernährungskatastrophe für die Zivilbevölkerung, die innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen den Nationalitäten sowie die außenpolitische Niederlage mit dem Ende der Habsburgermonarchie in Folge des „Kriegs Aller gegen Alle“, wie es der badische Gesandte in Berlin formulierte. Nach Eröffnungsworten des Nationalratspräsidenten hielt der ehemalige Vizepräsident der ÖAW Universitätsprofessor Arnold Suppan einen Vortrag zu der von ihm kuratierten Ausstellung.
Nationalratspräsident Sobotka zeigt Gegenwartsbezüge auf
Der Erste Weltkrieg habe nicht nur in seiner Historizität eine wesentliche Bedeutung für das Parlament, führte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seinen einleitenden Worten aus, sondern weise auch auf mehreren Ebenen Aktualitätsbezüge auf. So stellte die damalige Umwälzung der alten Ordnung und die daraus resultierenden demokratischen Entwicklungen einen „Wendepunkt“ dar. Noch heute sei es notwendig die Errungenschaften jener Zeit gegen ein „Amalgam“ aus Gefahren für die Demokratie zu verteidigen, erklärte Sobotka und nannte etwa Verschwörungserzählungen oder „alten und neuen Antisemitismus“.
Doch auch die gegenwärtigen geopolitischen Verwerfungen erinnerten an die damaligen machtpolitischen Mechanismen. Neben Russland und China hob Sobotka den Konflikt im Nahen Osten und die darin entscheidenden Einflussnahmen von Groß- und Regionalmächten hervor.
Der Angriff der Hamas auf Israel sei auch ein „kalkulierter“ Angriff auf „unsere Lebensart“ und die demokratische Ordnung zu verstehen.
Sich mit Themen wie dem Ersten Weltkrieg zu befassen, könne also auch zur Stärkung der Demokratie beitragen, konstatierte Sobotka. Dies sei neben anderen Maßnahmen zur Demokratieförderung notwendig, um dieses „kostbare Gut“ auch für die nächsten Generationen zu bewahren.
Universitätsprofessor Suppan über den Weg in die „Urkatastrophe“
Universitätsprofessor Arnold Suppan beleuchtete in seinem Vortrag die politischen und ökonomischen Hintergründe, den Verlauf und die Auswirkungen des Kriegsgeschehens, nicht zuletzt auf die Zivilbevölkerung. Vom tödlichen Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie ausgehend, zeichnete er die europäische „Kettenreaktion“ an Mobilmachungen, Ultimaten und Kriegserklärungen nach, die dazu führte, dass sich binnen zwei Wochen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich mit Russland, Frankreich und Großbritannien im Kriegszustand befand. Am Höhepunkt des Krieges seien rund 90 % der Weltbevölkerung darin involviert gewesen, wie Suppan ausführte. Am Ende stand die Niederlage und der Untergang der Monarchie. Unter den 9,5 Millionen Gefallenen des Weltkriegs waren etwa 1,2 Millionen habsburgische Soldaten.
Laut Suppan habe bei der Kriegserklärung des Kaisers an Serbien am 28. Juli 2024 kaum jemand mit den verheerenden Dimensionen gerechnet, die dieser Konflikt annehmen würde – im öffentlichen Bewusstsein sei die „Abrechnung“ mit Serbien vorrangig gewesen. Angestachelt von „Zeitungen, Ministern und Generälen“ habe auch niemand den Zerfall der Habsburgermonarchie antizipieren können. Schließlich seien sich auch die Militärs erst später der Schrecken bewusst geworden, die die neuen Formen der Kriegsführung unter Masseneinsatz moderner Waffensysteme gebracht hätten. Suppan sprach von einer „seltsamen Mischung aus patriotischer Begeisterung, Ängsten und Unwissenheit“, die in die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts geführt habe. (Schluss) wit
HINWEIS: Fotos von dieser Ausstellung finden Sie im Webportal des Parlaments.
Siehe dazu: Universitätsprofessor Arnold Suppan, *1945
COMMENT: „Serbien muss sterbien“, so lautete der Schlachtruf zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Die politischen Bündnissysteme und Beistandspackte führten in die Katastrophe.
Eine diplomatische Lösung der seit längerem schwelenden Serbienfrage wurde gar nicht ins Auge gefasst. Gemeint ist hier nicht die Zeit ab dem 28. Juni 1914, sondern die Jahre und Jahrzehnte davor.
Die Falken in der kaiserlich-königlichen Regierung drängten schon seit Jahren auf einen Krieg mit Serbien. Und Russland – aus seiner Sicht – wehrte sich gegen die zunehmende Expansion Österreich-Ungarns auf dem Balkan: die österreichische Bahn breitete sich auf dem Balkan aus, die k.u.k. österreichische Post bis nach China, gute Kontakte bestanden nach Nahost, bis ins Heilige Land.
Die nächste Station dieser ungarisch-österreichischen Expansion war denkmöglicherweise das bereits deutlich angeschlagene Osmanische Reich. Was bedeutete es für Russland, wenn Österreich-Ungarn den Zugriff auf Dardanellen und Bosporus hatte, jenes Österreich, das sich 1906 unter Aufjaulen internationaler Stimmen Bosnien unter den Nagel gerissen hatte?
Nach den Expansionsbestrebungen des Osmanischen Reichs sollten nun – so die russische Sicht – womöglich jene Österreich-Ungarns folgen? Das musste – aus russischer Sicht – unterbunden werden.
Jene Marmara-Meerengen, welche Russland bereits überwunden geglaubt hatte im Russisch-Osmanischen Krieg 1878 dank Zugewinnen an griechischen Inseln im Mittelmeer als russische Militärbasen, all‘ diese gingen für Russland verloren durch den Berliner Frieden des gleichen Jahres.
Eine Friedensregelung, die mit Beginn des Ersten Weltkrieges zerbrach und in den Friedensverträgen, den Pariser Vororte-Friedensregelungen Anfang der 1920er Jahre neu gefasst wurde.
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