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FAZIT DES TAGES
COMMENT – FAZIT:
Das Schicksal des Staates hängt vom Zustand der Familien ab.
Alexandre Vinet, 1797-1847, Literaturhistoriker, reformierter Schweizer Geistlicher, verficht Trennung von Kirche und Staat.
- Israel-Hamas-Hisbollah-Krieg: Israel sieht Verwirklichung der Kriegsziele in Rafah bald zum Greifen nah. Weiter Proteste gegen Netanjahu. Das Kriegskabinett wurde aufgelöst. Bei einer Explosion kamen acht israelische Soldaten ums Leben
- Ukrainekrieg: Heftige Kämpfe in der Region Charkiw. Ukrainisches berichtet über den Erfolg mehrere, teils schwerer wiegende Angriffe auf Russland. Putin in Nordkorea lobt nordkoreanischen Beistand. Selenskyj bei der ukrainischen Bevölkerung hoch akzeptiert. Selenskyj sieht Friedenskonferenz am Bürgenstock als Erfolg.
KOMMENTAR zum Friedensgipfel. - EU-Renaturierungsgesetz beschlossen dank Österreich – Reaktionen dazu. Sind Befürchtungen der Landwirte gerechtfertigt?
- Weitere COMMENTS vorhanden
Märkte – Report
Israel, Ukraine
Meldungen
Themenreigen – Medizin-Umweltmedizin u.a., Umwelt, KI, Kommunikation, Menschen
Unternehmen
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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
HELLMEYER-Report (gekürzt)
- Börsenampel drehte auf „Gelb“
- Deutschland: Stimmung im Wohnungsbau steigt
- IMD-Ranking: Deutschland verliert weiter an Konkurrenzfähigkeit
- EZB-Chefvolkswirt Lane zur aktuellen Lage
- Europa importierte mehr Gas aus Russland als aus den USA
- Kein Hellmeyer Report am 21. Juni 2024!
Märkte: Börsenampel drehte auf „Gelb“ – Geopolitik der Katalysator
An den Finanzmärkten kommt Europa unter die Räder. Europäische Aktienmärkte schwächeln im Gegensatz zu den US-Märkten.
Der EUR verlor zuletzt an Boden, er sank gegenüber dem USD von
Niveaus um die 1,09 auf Niveaus um 1,07, verlor aber auch gegenüber GBP und CHF.
Der Hintergrund dieser Entwicklung ist nicht im ökonomischen Sektor bezüglich aktueller Daten
zu finden (US-Daten mit stärkeren negativen Überraschungswerten), sondern wesentlich im
geopolitischen Bereich.
Die Themen Eskalation und Ausweitung des Ukraine-Konflikts sind nach
dem neuen US-Sanktionspaket, dem G-7 Treffen in Italien und dem vermeintlichen
„Friedensgipfel“ in der Schweiz virulenter denn je. Dieses Risiko in Richtung eines europäischen
Flächenbrands wird derzeit diskontiert. Es ist in der westlichen Politik kein Ansatz in Richtung
eines Bemühens um eine diplomatische Lösung erkennbar, ganz im Gegenteil.
Das Datenpotpourri hatte gestern keinen wesentlichen Einfluss. Der Stimmungsindikator in New
York hellte sich stärker als erwartet auf, verbleibt aber auf negativem Terrain.
Löhne und Arbeitskosten in der Eurozone zogen um mehr als 5% im 1.Quartal an.
Der Immobilienmarkt reüssiert im UK im Gegensatz zu Deutschland. Das UK „testet“ eben nicht mit „Heizungsgesetzen“ seine Bürger und vernichtet damit eben nicht Vermögen. In China lief der Einzelhandel besser und die Industrieproduktion etwas schlechter als erwartet.
Die DAX-Börsenampel dreht auf „Gelb“, während US-Märkte weiter im Dunstkreis historischer
Rekorde reüssieren. Der DAX legte um 0,37% zu, der EuroStoxx 50 um 0,84%. Der S&P 500 stieg
um 0,80% und der US-Tech 100 um 1,25%. In Fernost ergibt sich Stand 06:50 Uhr folgendes Bild:
Nikkei (Japan) +0,84%, CSI 300 (China) +0,27%, Hangseng (Hongkong) -0,18%, Sensex (Indien)
+0,28%, Kospi (Südkorea) +0,79%.
An den Rentenmärkten wird das ermäßigte Renditeniveau fortgeschrieben. Die 10-jährige
Bundesanleihe rentiert mit 2,41% und die 10-jährige US-Staatsanleihe mit 4,28%.
Der EUR steht gegenüber dem USD unter Druck. Gold/Silber oszillieren auf ermäßigten Niveaus.
Nachrichten in Kurzform:
• Berlin: Der IG-Metall Vorstand empfiehlt Lohnforderungen in Höhe von 7%.
• Israel: Netanjahu löste das Kriegskabinett nach dem Regierungsaustritt von Benny
Gantz auf.
Deutschland: Stimmung im Wohnungsbau steigt
Laut aktuellem IFO-Barometer hat sich das Geschäftsklima in der deutschen
Wohnungsbaubranche im Mai trotz des Auftragsmangels aufgehellt. Das Barometer
stieg von -52,3 im April auf -46,4 Punkte. Sowohl die Erwartungen für die kommenden
Monate als auch die Einschätzungen zur aktuellen Geschäftslage verbesserten sich
auf historisch prekärem Niveau
Deutschland: Stimmung im Wohnungsbau steigt
Laut aktuellem IFO-Barometer hat sich das Geschäftsklima in der deutschen
Wohnungsbaubranche im Mai trotz des Auftragsmangels aufgehellt. Das Barometer stieg von -52,3 im April auf -46,4 Punkte. Sowohl die Erwartungen für die kommenden Monate als auch die Einschätzungen zur aktuellen Geschäftslage verbesserten sich auf einem sehr niedrigen Niveau. O-Ton des IFO-Instituts: „Die Wohnungsbauer hoffen, die Talsohle hinter sich gelassen zu haben. Der Weg zur Erholung ist aber noch lang.“
Kommentar: Positiv, aber weiter prekär
Nachfolgender Chart belegt die Bodenbildung auf historisch niedrigem Niveau.
Das IFO-Institut liegt in der Einschätzung richtig, dass der Weg zu einer Erholung noch lang
sei. Ich sekundiere, „sehr lang“!
Ein zentrales Problem bleibt der starke Auftragsmangel. Im Mai berichteten 51,7% der
Unternehmen davon nach 55% per April.
Bei den Stornierungen gibt es trotz eines Rückgangs keine Entwarnung: Im Mai meldeten
15,1% der Betriebe stornierte Projekte, nach 17,6% im Monat zuvor. O-Ton IFO-Institut: „Viele Unternehmen versuchen, mit Preissenkungen dem Auftragsmangel entgegenzuwirken.“
Im Tiefbau (elementarer Teil der staatlich dominierte Straßenbau) hat sich das Geschäftsklima erholt. Mit -6,7 Punkten nach -10,2 im April ist es besser als im Wohnungsbau.
Kommentar: Es bedarf eines neuen Ansatzes in der Regierungspolitik, denn es handelt sich
nicht nur um ein konjunkturelles, sondern maßgeblich um ein strukturelles Problem, aber auch um ein Vertrauensproblem.
Letzteres ist ein so genannter „Soft Spot“, aber ein entscheidender Katalysator. Die Politik hat durch ihr Auftreten nach Gutsherrenart bar jeder Voraussehbarkeit und Abwägung der
Konsequenzen des eigenen Handelns das Vertrauen gegenüber der Bauwirtschaft in historisch einmaliger Art und Weise zerstört. Verbotspolitik und Regulierungswut sind nicht Ausdruck freier Gesellschaften. Sie sind das Gegenteil davon. Wer greift Freiheit an? „Food for thought!“
EZB-Chefvolkswirt Lane zur aktuellen Lage
Lane konstatierte in manchen Ländern erhebliche Lohnzuwächse. Lane prognostiziert
per 2025 verhaltenen Kostendruck. Man solle nicht zu sensitiv bezüglich monatlicher
Veränderungen bei Inflationsdaten sein. Lane sagte, dass es bei potentiellen Sprüngen
der Energiepreise im kommenden Jahr nicht sinnvoll wäre, die Wirtschaft zu drosseln.
Kommentar: Interessant
Das letzte Statement ist von Relevanz. Es zahlt auf die Erfahrungen Japans ein,
dass exogene Preisschocks nicht durch Zinserhöhungen gemildert werden können. Sie wirken bereits wie Zinserhöhungen. Dass Lane zum jetzigen Zeitpunkt der Eskalation der Ukraine-Krise dieses Thema aufnimmt, macht nachdenklich. Ist die in den Raum gestellte
Neuorientierung der EZB-Politik, nicht auf Energiepreise reagieren zu wollen, Ausdruck von
Hintergrundwissen (Krieg) oder hat man diesen Report bezüglich Zinspolitik gelesen? [Unterstreichung von Hellmeyer]
COMMENT: von einer Studie, die Zinserhöhungen selbst als inflationstreibend beschreibt, wurde im Tagesblick jüngst berichtet.
Europa importierte mehr Gas aus Russland als aus den USA (Quelle FT)
Europa importierte per Mai 2024 mehr Gas aus Russland als aus den USA. Der
Tiefpunkt russischer Lieferungen wurde im 4. Quartal 2022 markiert. Seitdem gibt es
eine zarte Aufwärtsbewegung.
Kommentar: Kritisch
Kommentar: Die Tatsache, dass die USA die langfristigen LNG-Lieferverträge mit Fragezeichen versahen (Link) , unterstreicht das mittel- und langfristige Versorgungsrisiko für Europa. Aber allen voran für Deutschland. Wie die internationale Energieagentur bereits vor zwei Jahren konstatierte, funktioniert die globale Energieversorgung ohne Russland nicht. Die europäische Sanktionspolitik ist zu großen Teilen Symbolpolitik. Die Symbolpolitik kostet den europäischen Verbraucher und unterminiert konstant die Konkurrenzfähigkeit des europäischen, aber insbesondere des deutschen Standorts. In Deutschland ist das seit drei Jahren messbar an den Nettokapitalabflüssen im dreistelligen Milliardenbereich. Um das Dilemma der fehlenden Konkurrenzfähigkeit zu verdeutlichen werfen wir einen Blick auf die Preisentwicklung von Gas im Fünfjahresvergleich: Europa +209,4% versus USA +19,7% (Quelle/Grafiken Finanzen.net)
IMD-Ranking: Deutschland verliert weiter an Konkurrenzfähigkeit
Laut dem Standortvergleich der Business School IMD (Schweiz) fällt Deutschland vom
22. Rang auf den 24. Rang, nachdem Deutschland 2014 noch den 6. Rang belegte. Die
negative Dynamik ist seit 2022 ausgeprägt (Rang 15).
Laut dem Standortvergleich der Business School IMD (Schweiz) fällt Deutschland vom 22.
Rang auf den 24. Rang, nachdem Deutschland 2014 noch den 6. Rang belegte. Die negative
Dynamik ist seit 2022 ausgeprägt (Rang 15).
Kommentar: Der Verfall hat in der Phase 2022 bis 2024 primär mit einer nicht
interessenorientierten Politik Berlins zu tun (Energie). Interessen Dritter dominierten das
Regierungshandeln. Grundsätzlich gilt, dass der Status von 2014 bis 2022 durch Aufblähung
der Anspruchsgesellschaft versus Leistungsgesellschaft, durch fortgesetzte Aufblähung der
Bürokratie, durch Vernachlässigung der Infrastruktur, durch Ignoranz gegenüber der
Notwendigkeit des „IT-Airbus“ und durch Toleranz des Bildungsverfalls sehenden Auges
verspielt wurden. Kritische Stimmen hatten und haben in Berliner Echokammern keine Chance.
Eurozone: Lohn- und Arbeitskosten deutlich höher als im Vorquartal
Die Löhne nahmen in der Eurozone im 1. Quartal 2024 im Jahresvergleich um 5,3% nach zuvor 3,2% zu.
Die Arbeitskosten verzeichneten per 1. Quartal im Jahresvergleich einen Anstieg um 5,1% nach zuvor 3,4%.
Italien: Die Verbraucherpreise legten per Mai gemäß finaler Berechnung im Monatsvergleich
um 0,2% (Prognose und vorläufiger Wert 0,2%). Im Jahresvergleich stellte sich die Zunahme auf 0,8% (Prognose und vorläufiger Wert 0,8%).
UK: Immobilienpreise legen im Jahresvergleich zu (Unterschied zu D)
Die Immobilienpreise legten laut Erfassung durch „Rightmove“ im Jahresvergleich um 0,6%
nach zuvor 0,6% zu.
USA: New York Index erholt
Der New York Fed Manufacturing Index stellte sich per Berichtsmonat Juni auf -6,0 (Prognose -9,0) nach zuvor -15.6 Punkten.
China: Industrie schwächer und Einzelhandel besser als erwartet
Die Industrieproduktion stieg per Mai im Jahresvergleich um 5,6% (Prognose 6,0%) nach zuvor 6,7%. Im Zeitraum Januar bis Mai lag die Zunahme im Jahresvergleich bei 6,2% (Zeitraum Januar bis April 6,3%).
Die Einzelhandelsumsätze legten per Mai im Jahresvergleich um 3,7% (Prognose 3,0%) nach zuvor 2,3% zu. Im Zeitraum Januar bis Mai kam es zu einem Plus in Höhe von 4,05% nach zuvor 4,13%.
Die Investitionstätigkeit in urbanen Räumen verzeichnete in dem Zeitraum Januar bis Mai
einen Anstieg um 4,0% (Prognose 4,2%) nach zuvor 4,2%.
Die Hauspreise sanken per Berichtsmonat Mai im Jahresvergleich um 3,9% nach zuvor -3,1%. Es war der stärkste Rückgang seit circa 10 Jahren.
Die Arbeitslosenquote lag per Berichtsmonat Mai bei 5,0% nach zuvor 5,0%.
Hier den Hellmeyer Report lesen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)
MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
06:58 | MÄRKTE ASIEN/Aufwärts im Sog neuer Rekorde an der Wall Street | 108 | Dow Jones News | |
06:22 | EUREX/Bund-Future im Frühhandel höher | 183 | Dow Jones News | |
06:19 | EUREX/DAX-Future im frühen Handel knapp behauptet | 203 | Dow Jones News | |
Mo | NACHBÖRSE/XDAX +0,5% auf 18.152 Punkte | 589 | Dow Jones News | |
Mo | MÄRKTE USA/Fester – Technologiewerte ziehen Markt nach oben | 511 | Dow Jones News | |
Mo | ROUNDUP/Aktien New York Schluss: Tech-Rally ungebremst – Nasdaq an 20000er Marke | 570 | dpa-AFX | |
Mo | Aktien New York Schluss: Tech-Rally ungebremst – Nasdaq 100 an 20000er Marke | 469 | dpa-AFX | |
Mo | US-Anleihen im späten Handel schwächer NEW YORK (dpa-AFX) – Die Kurse von US-Anleihen haben zum Wochenbeginn nachgegeben. Am Montag im späten Handel fiel der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) um 0,38 Prozent auf 110,42 Punkte. Im Gegenzug stieg die Rendite zehnjähriger Staatspapiere auf 4,28 Prozent. Die Bewegungen hielten sich aber im Vergleich zu den jüngsten Kursausschlägen in Grenzen. Vorausgegangen waren in der vergangenen Woche deutliche Gewinne am US-Anleihenmarkt./bek/ngu | 492 | dpa-AFX | |
Mo | Devisen: Euro legt noch etwas zu | 371 | dpa-AFX | |
Mo | MÄRKTE USA/Steigende Anleiherenditen bremsen Aktienkurse | 478 | Dow Jones News | |
Mo | MÄRKTE EUROPA/Erste Stabilisierungsansätze – die Lage bleibt fragil | 414 | Dow Jones News | |
Mo | XETRA-SCHLUSS/DAX mit Stabilisierungsansatz – Adidas unter Druck | 367 | Dow Jones News | |
Mo | Aktien Schweiz etwas leichter – UBS gesucht | 319 | Dow Jones News | |
Mo | Aktien Europa Schluss: Börsen stabilisieren sich nach Kursrutsch | 277 | dpa-AFX | |
Mo | Dax legt wieder etwas zu – Banger Blick nach Frankreich | 386 | dts Nachrichtenagentur | |
Mo | Aktien Frankfurt Schluss: Dax fängt sich wieder | 450 | dpa-AFX | |
Mo | Deutsche Anleihen: Kursverluste – Stabilisierung in Frankreich FRANKFURT (dpa-AFX) – Deutsche Bundesanleihen sind am Montag mit Kursverlusten in die Woche gestartet. Bis zum Abend fiel der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future um 0,48 Prozent auf 132,41 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stieg im Gegenzug auf 2,41 Prozent. Die Lage an den Anleihenmärkten bleibt angespannt, im Vergleich zu den jüngsten Turbulenzen hat sich die Situation aber vorerst stabilisiert. Vor allem französische Staatsanleihen hatten in der vergangenen Woche unter Druck gestanden, daneben aber auch italienische Papiere. Hintergrund war die Schlappe der Partei von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bei der Europa-Wahl. Macron hatte als Reaktion die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen angesetzt, was das Risiko einer politischen Spaltung zwischen Präsidentschaft und Parlament (Kohabitation) heraufbeschwor. Die Unsicherheit, wie es in Frankreich politisch weitergehen wird, dürfte auch diese Woche anhalten, schreibt Analyst Daniel Lenz von der DZ Bank. Für etwas Beruhigung sorgten zu Wochenbeginn Aussagen der Rechtspopulistin Marine Le Pen vom Rassemblement National (RN). Le Pen hatte am Wochenende erklärt, dass sie im Falle eines Wahlsiegs nicht versuchen werde, Macron aus dem Amt zu drängen. Vielmehr wolle sie mit ihm zusammenarbeiten. Aus den Reihen der Europäischen Zentralbank (EZB) kamen zum Wochenstart beruhigende Äußerungen. Präsidentin Christine Lagarde erklärte, man beobachte die Marktlage. Chefökonom Philip Lane sprach von einer Neubewertung an den Märkten, eine ungeordnete Marktdynamik sah er aber nicht. Die EZB verfügt über ein spezielles Anleihen-Kaufprogramm namens TPI, mit dem sie sich notfalls gegen aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Marktbewegungen stemmen kann./bgf/jha/ | 359 | dpa-AFX |
GELD – DIGITALE WÄHRUNG
Digitaler Euro: Eine Fluchtwährung?
von Ulrike Reisner
Im ersten Teil unserer Mini-Serie zum Digitalen Euro haben wir darüber gesprochen, dass der Wert des Bargeldes mit dem Vertrauen in dieses Zahlungsmittel steht und fällt. Wenn das Publikum Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Bank hat, wird es versuchen, seine Einlagen so rasch wie möglich zurückzuholen. Im Extremfall kommt es zu einem Bank Run.
Jetzt lesen wir im Zusammenhang mit dem digitalen Euro, dass dieser – anders als Bargeld – größere Sicherheiten bieten und sich daher besonders gut als Fluchtanlage eignen könnte. An diesem Punkt greifen wir den Faden wieder auf und wenden uns einem weiteren Argument der Lobby des digitalen Euro zu: Der digitale Euro wird keine Zinsen, weder positive noch negative, abwerfen. Er wird ein Zahlungsmittel sein, kein Anlagevermögen.
Bargeld schützt – oder doch nicht?
Denis Beau, First Deputy Governor der Banque de France, hat zu diesem Thema kürzlich ausgeführt:
„Mit der Umstellung der Volkswirtschaften auf die Digitalisierung wird Bargeld immer seltener für Zahlungszwecke verwendet. Das Aufkommen von bargeldlosen Zahlungsinstrumenten wie Karten hat natürlich viele Vorteile mit sich gebracht, da sie einfachere, schnellere, bequemere und sicherere Zahlungen ermöglichen. Bargeld hat jedoch einzigartige Eigenschaften, die im digitalen Raum nicht vorhanden sind. Aus diesem Grund stellen wir uns den digitalen Euro in erster Linie als „digitale Banknote“ vor, die es ermöglicht, die Eigenschaften von Bargeld im digitalen Raum beizubehalten.“[2]
Ergänzen wir wieder ein paar Fakten: Rein wirtschaftlich betrachtet bestehen die Vorteile von Bargeld für uns darin, dass es uns vor einem Zugriff des Staates, beispielsweise durch übermäßige Besteuerung oder durch Negativzinsen schützt.
Dieser Vorteil ist gleichzeitig ein Nachteil: Die Notenbank kann Bargeld in Form von Banknoten nicht verzinsen. Wer Bargeld unter der Matratze (oder sonst wo) hortet, erhält keine Zinsen. Vor Inflation ist er dennoch nicht geschützt.
Keine Zinsen für den Digitalen Euro
Wenn der digitale Euro also eine „Banknote mit Bargeld-Eigenschaften“ sein soll, erhalten wir keine Zinsen für unsere Bestände, dürfen unsere Bestände aber auch nicht beliebig ausdehnen. Dies wird auch durch ein Argument der EZB ergänzt, an das wir immer denken sollten:
„Die EZB wird jede potenzielle Bedrohung des Finanzsystems durch den digitalen Euro minimieren. Daher wird der Betrag in digitalen Euro, den Nutzerinnen und Nutzer auf ihren Konten halten können, begrenzt sein, um auch in Krisenzeiten Abflüsse von Bankeinlagen zu verhindern.“
Jetzt kommen wir dem Kern der Sache etwas näher: Wir wissen, dass die Menge an Notenbankgeld vergrößert werden muss, wenn es zu einem Bank Run kommt. Wir wissen, dass Notenbanken – und auch die EZB ist eine Notenbank – nicht in die Illiquidität rutschen oder in Konkurs gehen kann (weil sie das Geldschöpfungsmonopol besitzt und Geld drucken kann).
Aber wenn die Notenbanken überschuldet sind (und ausgegebene Banknoten werden als Schulden verbucht), dann verlieren sie ihre geldpolitische Handlungsfähigkeit und das Vertrauen in die Währung schwindet. Der Rückkauf von „Schulden“ in Form von „Geld“ muss nämlich durch Vermögenswerte der Notenbanken gedeckt sein, was sehr häufig nicht der Fall ist.
Finanzpolitische Stabilisierung
Vor diesem Hintergrund ist auch die aktuelle Aussage des Präsidenten der Deutschen Bundesbank zu verstehen:
„Wenn man mich vor 20 Jahren gefragt hätte, ob das Geschäftsmodell der Zentralbank zerstörbar ist oder nicht, hätte ich nein gesagt. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher – wir müssen an unserem Geschäftsmodell arbeiten.“
Wir können also resümieren: der digitale Euro als Bargeld-ähnliche Form des Zentralbankgeldes soll vor allem der Stabilisierung der politischen Finanzsysteme dienen. Er soll verhindern, dass es in Krisenzeiten zu hohen Abflüssen von Bankeinlagen kommt, was Staat und Bankensystem dienlich ist. Er soll die zentrale Rolle der Notenbanken sichern, die ihr Monopol nicht zuletzt durch den enormen Aufschwung von Kryptowährungen gefährdet sehen.
Die EZB argumentiert, dass der digitale Euro das Leben erleichtert, risikofrei ist, weithin verfügbar und nutzerfreundlich. Von solchen Argumenten sollten wir uns nicht blenden lassen. Denn mit der technologischen Komponente einer digitalen Zentralbankwährung sind Risiken verbunden, die wir bei physischem Bargeld definitiv nicht haben. Dies wird im dritten Teil unserer Mini-Serie behandelt werden.
Digitale Währungen ante portas: Geld als „größter Bankräuber“ der Geschichte
Fern von nackten, reinen Zahlen ist Geld ein hoch emotionales Thema. Gegen vermeintliche Pläne der EU, das Bargeld abzuschaffen, gab es Ende 2023 sogar ein Volksbegehren. Befürworter der Münzen und Scheine argumentieren mit der Freiheit zur Anonymität, Gegner sehen die Möglichkeit, organisiertes Verbrechen besser in den Griff zu bekommen. Eine aktuelle „Kleine Philosophie des Geldes“ geht tiefer: Sie argumentiert, dass zwar das Bargeld an Bedeutung verliert – Geld als „größter Bankräuber“ der Geschichte aber nach wie vor grundlegend die Gesellschaft strukturiert. Ein Anlass für Lisz Hirn und Fahim Amir für ORF Topos und Ö1 zu diskutieren, das Ergebnis gibt es als Podcast zu hören.
Glaubt man Frank Engster, Aldo Haesler und Oliver Schlaudt, so befinden wir uns „im Augenblick des Verschwindens“ des Geldes. So der Untertitel ihrer unlängst erschienenen „Kleinen Philosophie des Geldes“. Dabei ist das Argument folgerichtig auf die letzten Jahre bezogen: Geld verschwinde als Ding – also als Bargeld – in den letzten Jahrzehnten immer mehr aus unserem Alltag. Bei großen Summen schon länger, bei kleinen Summen habe die Pandemie die Vorteile des kontaktlosen Bezahlens noch einmal attraktiver gemacht.
Das zunehmende Verschwinden des Bargeldes betten die Autoren dabei aber in einen großen Zusammenhang ein. So gehe das Verschwinden des Bargeldes mit einer Kommodifizierung des Zahlungsaktes einher, das Bezahlen selbst wird also zu einem Produkt, für das über digitale Systeme Gebühren eingehoben werden. Dass dabei das Geld von der sozialen Wirklichkeit herausgelöst und in die Datenströme eingelagert werde, sei Teil einer neuen Entwicklung des Kapitalismus, so Engster, Haesler und Schlaudt. Aktuell werden im digitalen Kapitalismus neue Produkte aus Besitz geschaffen, der bis vor Kurzem noch einfach als Teil der eigenen Identität gesehen wurde.
„Im digitalen Kapitalismus und in der Sharing Economy werden endlich auch die Subjekte und ihre Objekte umfassend in Wert gesetzt, monetarisiert und in die Verwertung einbezogen und zwar mitunter gerade, indem bestimmte Bereiche oder Teile auf- und abtrennbar werden und komodifiziert werden können: die Wohnung (Airbnb), das Auto (Uber), das Fahrrad oder Kleintransporter (Bring- und Lieferdienste), aber auch Wissen und Fähigkeiten, Daten und Informationen, Aufmerksamkeit und Affekte usw.“ – Frank Engster, Aldo Haesler und Oliver Schlaudt: „Kleine Philosophie des Geldes im Augenblick seines Verschwindens
Geld als Bankräuber und Erfahrungsbringer
„Tatsächlich erscheint das Geld wie der größte Bankräuber der Geschichte“, formuliert Amir in der Diskussion gewitzt, „weil alles Wertvolle, was es in der menschlichen Gesellschaft gibt, alles Wertvolle, was es in der Natur gibt, plötzlich nur noch als Geldwert oder als übertragbar ins Geld erscheint.“ Damit ist die Macht des Geldes benannt, dass, so Engster, Haesler und Schlaudt, in unserer Gesellschaft naturalisiert, also als gegebene Größe, wahrgenommen wird.
Diese Wahrnehmung geht allerdings an dem vorbei, was Geld grundlegend ist, so Amir: „Wobei ja Geld eigentlich kein Ding ist, keine Sache, sondern ja eigentlich ein Verhältnis, eine Beziehung, das diese Form bekommen hat. Und jetzt steht uns ein Produkt unserer eigenen Tätigkeit plötzlich fremd gegenüber, beherrscht uns und wird von uns angebetet.“ Für Hirn ist der nahezu fetischhafte Bezug zu Geld, der sich auch in der Populärkultur äußert, auch psychologisch erklärbar. Im Rückgriff auf Jacob Needlemanns Buch „Geld und der Sinn des Lebens“ argumentiert sie: „Er kommt mit seinem psychologischen Hintergrund zu dem Schluss, ob Geld nicht vielleicht auch deshalb so eine vorherrschende Frage ist, weil es uns die intensivsten und stärksten Erfahrungen in unserem Leben beschert. Also wirklich existenziellste Erfahrungen von ‚ich habe nicht genug‘ oder ‚ich habe Angst, meine Miete nicht mehr bezahlen zu können‘. Also Geld kann mich wirklich an die Kippe bringen und wird damit auch so ein wesentlicher Aspekt in unserer aller Leben.“
Medium der kapitalistischen Wirtschaftsordnung
Wo eine Diskussion über politische Ökonomie geführt wird, wird unweigerlich ein Bezug zu Karl Marx und „Das Kapital“ hergestellt. Wobei die spannende Frage auch zwischen Hirn und Amir ist, welche Annahmen des 1867 bis 1894 erschienenen Großwerks noch heute Gültigkeit haben. „Also ich glaube, es ist eine der wichtigsten Erkenntnisse von Marx, neben dem, dass der Kapitalismus immer zu Krisen führt, und die Klassen immer in Widerspruch zueinander stehen, dass sich dieser Kapitalismus ohne Geld nicht denken lässt. Es ist nicht eine Hilfskonstruktion, es ist nicht etwas Praktisches, sondern Geld konzentriert – über die Idee, die Form, seine Realität – diesen ganzen Kapitalismus für sich“, so Amir auf die Frage Hirns.
Wodurch sich in der Diskussion auch die Frage der Naturalisierung von Geld neu ordnen ließ: Menschen seien eben nicht geboren und würden dann zu Konsumenten, die ihre Erfahrungen mit oder ohne Geld machten, sondern Menschen seien geborene Konsumenten, die alle Erfahrungen innerhalb einer Gesellschaft machten, in der Geld den Kitt oder das Medium darstelle. Aus dieser Omnipräsenz des Geldes erkläre sich auch die Nostalgie dem Geld gegenüber – sie ist ein Schmerz durch Verlust von Vertrautem.
Florian Baranyi (Text, Gestaltung, Podcast-Redaktion und Audioschnitt), für ORF Topos
Links:
- Ö1-„Science Arena“
- Ö1-Podcast „Hirn und Amir“ auf sound.ORF.at
- Frank Engster, Aldo Haesler und Oliver Schlaudt: „Kleine Philosophie des Geldes im Augenblick seines Verschwindens“ (Matthes & Seitz)
- Lisz Hirn: „Der überschätzte Mensch. Anthropologie der Verletzlichkeit“ (Zsolnay Verlag)
- Fahim Amir: „Schwein und Zeit. Tiere, Politik, Revolte“ (Nautilus Verlag)
ISRAEL
n-tv aktuell ISRAEL
17.06.2024 18:04
Neue Runde in Fördergeld-Affäre Stark-Watzinger lehnt eigenen Rücktritt ab
Nach Protesten an Universitäten gegen den Krieg in Gaza und belastenden E-Mails entlässt Bildungsministerin Stark-Watzinger ihre Staatssekretärin. Nun gerät die Ministerin selbst in den Fokus der Kritik, die Rede ist von einem „Bauernopfer“. Die FDP-Politikerin weist alle Vorwürfe von sich.
17.06.2024 11:57
Oppositionschef geht im Streit Netanjahu löst Kriegskabinett auf
Nach dem Hamas-Massaker bildete sich in Israel ein Kriegskabinett, dem auch Oppositionschef Gantz angehörte. Zuletzt jedoch kritisierte er Ministerpräsident Netanjahu und verließ die Notstandsregierung. Diese wird nun aufgelöst – und nicht nachbesetzt.
17.06.2024 10:29
Acht Soldaten in Rafah getötet Wurde der israelische Konvoi mit einer Panzerfaust angegriffen?
In Rafah sterben acht israelische Soldaten, als ein Transportpanzer explodiert. Die Hamas reklamiert den Angriff für sich. Israel geht Berichten zufolge davon aus, dass das Fahrzeug von einer Rakete getroffen wurde. Medien halten eine andere Ursache für möglich.
n-tv aktuell Nahost-Konflikt
17.06.2024 10:29
Acht Soldaten in Rafah getötet Wurde der israelische Konvoi mit einer Panzerfaust angegriffen?
In Rafah sterben acht israelische Soldaten, als ein Transportpanzer explodiert. Die Hamas reklamiert den Angriff für sich. Israel geht Berichten zufolge davon aus, dass das Fahrzeug von einer Rakete getroffen wurde. Medien halten eine andere Ursache für möglich.
NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL
ROUNDUP: Zusammenstöße bei Protesten gegen Netanjahu – Die Nacht im Überblick
JERUSALEM/GAZA (dpa-AFX) – Bei neuen Protesten gegen die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem ist es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten gekommen. Mindestens drei Menschen seien verletzt und acht weitere am Montagabend festgenommen worden, berichtete die Zeitung „Haaretz“. Die Demonstranten forderten Neuwahlen und ein Abkommen, das zur Freilassung der noch verbliebenen israelischen Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas führt.
Wenige Stunden zuvor hatte der Regierungschef das Kriegskabinett aufgelöst, das wichtige Entscheidungen hinsichtlich der Kämpfe der israelischen Armee mit der Hamas im Gazastreifen und auch des Konflikts mit der Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon getroffen hatte.
Ein hochrangiger Berater von US-Präsident Joe Biden traf sich unterdessen mit Netanjahu, um darüber zu beraten, wie die eskalierenden Spannungen mit der Hisbollah entschärft werden könnten.
Zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Jerusalem kam es vor der Privatresidenz Netanjahus. Die Polizei setzte nach Berichten von „The Times of Israel“ Wasserwerfer ein, um die Proteste aufzulösen. Zuvor hatten den Berichten zufolge Zehntausende vor dem israelischen Parlament – der Knesset – an einer Großkundgebung teilgenommen.
Seit Monaten gibt es in Israel immer wieder Massenproteste gegen die Regierung. Netanjahu wird von seinen Gegnern vorgeworfen, auf die Wünsche seiner extremistischen Koalitionspartner einzugehen und deshalb Verhandlungslösungen zu hintertreiben. Er bestreitet das und macht die Unnachgiebigkeit der Hamas für die Stagnation bei den indirekten Verhandlungen verantwortlich. Zuletzt nahm die Intensität der Proteste gegen die Netanjahu-Regierung zu.
Auflösung des Kriegskabinetts
Die Auflösung des Kriegskabinetts erfolgte gut eine Woche nach dem Rückzug von Minister Benny Gantz aus der israelischen Notstandsregierung. Aus Regierungskreisen hieß es, Netanjahu werde kritische Entscheidungen mit Blick auf die aktuellen Konflikte künftig in kleineren Foren besprechen.
Um nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer palästinensischer Gruppen auf den Süden Israel am 7. Oktober des vorigen Jahres Geschlossenheit zu demonstrieren, war Gantz dem dreiköpfigen Kriegskabinett beigetreten. Der frühere General und Verteidigungsminister erklärte allerdings vor einer Woche wegen Meinungsverschiedenheiten mit Blick auf den Gaza-Krieg seinen Rückzug. Er kritisierte, dass die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeite.
Bei dem Terrorangriff am 7. Oktober wurden rund 1200 Menschen ermordet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Im Zuge des dadurch ausgelösten Krieges wurden nach – unabhängig nicht überprüfbaren – Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden inzwischen mehr als 37 000 Palästinenser getötet.
Vermittlungsbemühungen im Konflikt Israel-Hisbollah
Der US-Gesandte Amos Hochstein traf sich laut Berichten der „Jerusalem Post“ am Montag neben Netanjahu auch mit Gantz, Präsident Isaac Herzog sowie Verteidigungsminister Joav Galant. Der Minister habe einen Lagebericht zu den Entwicklungen an Israels Grenze zum Libanon im Norden gegeben, teilte demnach Galants Büro mit. Er habe „die täglichen Angriffe durch die Hisbollah gegen israelische Gemeinden geschildert“ und die Bemühungen der Streitkräfte, die Pläne der „Hisbollah-Terroristen“ zu vereiteln.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als acht Monaten hat sich die Lage im Grenzgebiet zum Libanon deutlich verschärft, inzwischen kommt es fast täglich zu Gefechten. Die von Israels Erzfeind Iran unterstützte Hisbollah-Miliz ist mit der Hamas im Gazastreifen verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. Zuletzt verstärkte die Hisbollah ihre Angriffe, nachdem das israelische Militär in der vergangenen Woche einen ihrer Kommandeure gezielt getötet hatte.
Die USA warnen vor einer Ausweitung des Konflikts. „Wir wollen überhaupt keine Eskalation im Norden. Das haben wir der Regierung Israels klargemachte“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Montag (Ortszeit). Die Angriffe der Hisbollah seien „untragbar“, aus Sicht der USA sollte der Konflikt auf diplomatischem Weg gelöst werden. Nach Medienberichten wollte Hochstein auch zu Gesprächen in den Libanon reisen.
Israels Armee sieht sich vor Erreichen der Kriegsziele in Rafah
Mit Blick auf die Kämpfe in Gaza gab sich die israelische Armee unterdessen zuversichtlich, ihre militärischen Ziele bei der Offensive in der südlichen Stadt Rafah bald zu erreichen. Die Hälfte der Kampfverbände der Hamas sei zerschlagen, 60 bis 70 Prozent des Territoriums der Stadt befänden sich unter „operativer Kontrolle“ der israelischen Truppen, teilte die Armee am Montag mit. Es werde nur mehr noch einige Wochen dauern, bis die Militäroperation abgeschlossen sei.
Israels Armee hatte Anfang Mai den Einsatz in Rafah an der Grenze zu Ägypten gestartet. Erklärtes Ziel war die Zerschlagung der letzten Kampfverbände der Hamas. Das Vorhaben war international stark umstritten, weil sich damals mehr als eine Million Palästinenser in Rafah aufgehalten hatten. Die meisten von ihnen waren vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin geflohen. Fast alle dieser Menschen flüchteten inzwischen aus der Stadt in ein westlich gelegenes Gebiet, wo sie allerdings nur mit Schwierigkeiten versorgt werden können./dg/DP/zb
WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN
Israel: Armee vor Erreichen der Kriegsziele in Rafah
Das israelische Militär will seine Kriegsziele bei der Offensive in Rafah bald erreicht haben. Die Hälfte der Kampfverbände der Terrororganisation Hamas sei zerschlagen, 60 bis 70 Prozent des Territoriums der Stadt im südlichen Gazastreifen befänden sich unter „operativer Kontrolle“ der israelischen Truppen, teilte die Armee gestern mit. Es werde nur noch einige Wochen dauern, bis die Militäroperation abgeschlossen sei.
Israels Armee hatte Anfang Mai den Einsatz in Rafah an der Grenze zu Ägypten gestartet. Erklärtes Ziel war die Zerschlagung der letzten Kampfverbände der Hamas. Das Vorhaben war international stark umstritten, weil sich damals mehr als eine Million Palästinenserinnen und Palästinenser in Rafah aufgehalten hatten.
Die meisten von ihnen waren vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin geflohen. Fast alle dieser Menschen flüchteten inzwischen aus der Stadt in ein westlich gelegenes Gebiet, wo sie allerdings nur mit Schwierigkeiten versorgt werden können.
Tunnel-, Waffen- und Sprengstofffunde
Nach den Armeeangaben, die sich nicht unabhängig überprüfen ließen, töteten die israelischen Truppen in 40 Kampftagen in Rafah etwa 550 Hamas-Milizionäre. Dabei verloren sie 22 eigene Soldaten, die in den Kämpfen fielen.
Im Laufe des Einsatzes fanden sie ein weit verzweigtes System von Tunneln sowie große Mengen von Waffen und Sprengstoff.
Mindestens 25 unterirdische Gänge sollen unter der Grenze zu Ägypten verlaufen. Sie dienten der Hamas vermutlich als Schmuggelwege. Diese Angaben können derzeit nicht unabhängig überprüft werden. *** red, ORF.at/Agenturen
Trotz Gaza-Krieg israelische Rüstungsexporte 2023 auf Höchststand
TEL AVIV (dpa-AFX) – Israels Rüstungsexporte haben im vergangenen Jahr einen neuen Rekordwert erreicht. Wie das israelische Verteidigungsministerium am Montag mitteilte, beliefen sie sich 2023 auf umgerechnet mehr als zwölf Milliarden Euro. Damit entsprechen sie dem Wert der deutschen Rüstungsexporte im vergangenen Jahr.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv war es das dritte Rekordjahr in Folge. Die israelischen Rüstungsexporte hätten sich binnen fünf Jahren verdoppelt.
Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte: „Israel hat weiter Erfolg in seiner internationalen Zusammenarbeit und seinen industriellen Verteidigungsexporten, selbst während eines Jahres, das vom Krieg gezeichnet war.“
Israels verschiedene Rüstungsindustrien unterzeichneten demnach im vergangenen Jahr Hunderte von Vereinbarungen weltweit, darunter „Mega-Deals“ mit einem Umfang von Hunderten Millionen Dollar. 36 Prozent der Einnahmen stammten demnach aus Vereinbarungen im Bereich der Raketen- und Luftabwehrsysteme.
48 Prozent der Rüstungsexporte gingen den Angaben zufolge nach Asien und in die pazifische Region, 35 Prozent nach Europa und 9 Prozent nach Nordamerika. Der Rest ging nach Lateinamerika (4 Prozent), in arabische Länder, mit denen Israel zuletzt die sogenannten Abraham-Abkommen unterzeichnet hatte (3 Prozent), sowie nach Afrika (1 Prozent).
Ejal Zamir, Generaldirektor des israelischen Verteidigungsministeriums, sagte: „Länder weltweit erkennen den Erfolg der israelischen Verteidigungssysteme an, vor allem im Bereich der Luftverteidigung, sie schätzen ihre entscheidende Rolle beim Schutz der Bürger.“
Deutschland hat in Israel das sehr weit in die Höhe reichende Raketenabwehrsystem Arrow 3 gekauft, das 2025 geliefert werden soll.
Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr Rüstungsexporte im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt – den größten Teil davon nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen forderte angesichts Zehntausender Toter infolge des Gaza-Kriegs ein Ende von Waffenlieferungen an Israel. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warnte dagegen vor einem Waffenembargo gegen Israel./le/DP/jha
Netanjahu löst Kriegskabinett auf und will ohne Opposition weitermachen
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat das Kriegskabinett seiner Regierung aufgelöst. Zuvor war Verteidigungsminister Benny Gantz aus dem Kabinett zurückgetreten. Er hatte den Regierungschef kritisiert und ihm ein Ultimatum gestellt.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat das Kriegskabinett seiner Regierung aufgelöst, das nach dem Terroranschlag der islamistischen Hamas vom 7. Oktober gebildet wurde.
In der vergangenen Woche waren der Verteidigungsminister Benny Gantz und Gadi Eisenkot aus dem Kriegskabinett zurückgetreten. Sie hatten Netanjahus Vorgehen im Gaza-Krieg kritisiert und ihm vorgeworfen, er habe bislang keinen Plan für eine Zeit nach dem Krieg vorgelegt.
Kritik: Strategielosigkeit
Der Schritt war nach Ansicht israelischer Medien erwartet worden. Nach dem Rücktritt von Gantz wolle die ultrarechte Regierung um Benjamin Netanjahu alleine und ohne Opposition weitermachen.
Der israelischen Haaretz zufolge handelt es sich um eine symbolische Entscheidung, mit der verhindert werden solle, dass der Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gabir und der Finanzminister Bezalel Smotrich, beides führende Vertreter der radikalen Rechten, dem Kabinett beitreten.
Natanjahu: Kein Bedraf mehr für ein Kriegskabinett
Natanjahu soll erklärt haben, dass „das Kriegskabinett auf Wunsch von Gantz gebildet wurde, aber da er zurückgetreten ist, gibt es keinen Bedarf mehr für ein Kabinett“.
Gantz und Netanjahu waren über das Vorgehen im Gaza-Krieges zerstritten. Doch Netanjahu hatte gezögert, Benny Gantz auszutauschen. Eine Neuauflage soll es aber nicht geben, heißt es aus dem Büro von Netanjahu. Man wolle kein neues Kriegskabinett einsetzen.
Anfang Juni hatte Gantz ein Ultimatum gestellt: Netanjahu sollte einen Plan vorlegen, wie er den Krieg gegen die Hamas beenden und die verbliebenen Geiseln befreien will. Aber Netanjahu kam dem Wunsch nach einer Nachkriegsordnung nicht nach.
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Netanjahu nennt Kampfpausen für Hilfslieferungen nach Gaza „inakzeptabel“
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Pläne des israelischen Militärs, tägliche „taktische Pausen“ in Gaza einzuführen, als „inakzeptabel“ bezeichnet. Sie sollen Hilfslieferungen am Grenzübergang Kerem Schalom erleichtern.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Pläne des israelischen Militärs kritisiert, tägliche Kampfpausen im südlichen Gazastreifen einzuführen. Er nannte sie „inakzeptabel“, wie aus Beamtenkreisen verlautete.
Kritik kam auch von Itamar Ben-Gvir, dem Minister für nationale Sicherheit Israels.
Die täglichen „taktischen Pausen“ sollen Hilfslieferungen am Grenzübergang Kerem Schalom erleichtern, dem Hauptzugangspunkt für ankommende Hilfsgüter. Zwischen 8.00 Uhr und 19.00 Uhr soll es bis auf Weiteres keine Kampfhandlungen geben, so das israelische Militär. Die Pause sei mit den Vereinten Nationen und internationalen Hilfsorganisationen abgestimmt.
Erst vor einer Woche ist der führende Oppositionelle General Benny Gantz aus dem israelischen Kriegskabinett ausgeschieden. Er hat Netanjahus Kriegsführung in Gaza als unwirksam bezeichnet und ihn dafür kritisiert, dass er keinen Nachkriegsplan vorgelegt hat.
In Tel Aviv haben israelische Bürger protestiert. Sie werfen Netanjahus Regierung vor, nicht genug für die Freilassung der Geiseln zu tun, die von der Hamas in Gaza festgehalten werden. Die Menschen fordern Netanjahu auf, Neuwahlen auszurufen und zurückzutreten.
Unterdessen wurden bei einem israelischen Luftangriff auf das Bureidsch-Lager im Zentrum des Gazastreifens am Sonntag mindestens neun Menschen getötet. Darunter fünf Kinder.
Der Angriff fiel auf das Opferfest, ein sehr wichtiges Fest für Muslime.
Humanitäre Krise
Die Vereinten Nationen haben wiederholt von einer humanitären Krise im Gazastreifen berichtet. Hunderttausende von Menschen stehen am Rande einer Hungersnot.
Dafür ist Israel zunehmend unter internationalen Druck geraten.
Vom 6. Mai bis zum 6. Juni konnten die Vereinten Nationen nach Angaben des UN-Büros für humanitäre Hilfe (OCHA) durchschnittlich 68 Hilfstransporte pro Tag tätigen. Das ist ein Rückgang gegenüber 168 pro Tag im April und liegt weit unter den 500 Lastwagen pro Tag, die nach Ansicht von Hilfsorganisationen benötigt werden.
COGAT, die israelische Militärbehörde, die die Verteilung der Hilfsgüter im Gazastreifen überwacht, sagt, dass es keine Beschränkungen für die Einfahrt von Lastwagen gibt. Laut COGAT fuhren zwischen dem 2. Mai und dem 13. Juni mehr als 8.600 Lastwagen über Grenzübergänge in den Gazastreifen ein. Das sind durchschnittlich 201 pro Tag. Ein großer Teil dieser Hilfsgüter staut sich jedoch an den Grenzübergängen und erreicht nicht seinen endgültigen Bestimmungsort.
Weniger als ein Drittel der Gesundheitszentren in Gaza betriebsbereit
as UNRWA hat mitgeteilt, dass weniger als ein Drittel der Gesundheitszentren im Gazastreifen betriebsbereit sind und dass über 50 000 Kinder wegen akuter Unterernährung behandelt werden müssen. Das UNRWA ist die für die Unterstützung der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland zuständige UN-Organisation.
Israel wirft der UNO jedoch vor, keine Hilfsgüter nach Gaza fließen zu lassen.
Die UNO bestreitet diese Anschuldigung. Sie sagt, dass die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas es für UN-Mitarbeiter innerhalb des Gazastreifens oft zu gefährlich machen, nach Kerem Schalom zu fahren.
Außerdem sei das Tempo der Lieferungen verlangsamt worden, weil das israelische Militär den Fahrern eine Genehmigung für die Fahrt zum Standort erteilen müsse – ein System, das nach israelischen Angaben der Sicherheit der Fahrer diente. Aufgrund mangelnder Sicherheit wurden Hilfsgütertransporte in einigen Fällen auch von Menschenmengen geplündert, als sie auf den Straßen des Gazastreifens unterwegs waren.
Die neue Regelung zielt darauf ab, den Bedarf an koordinierten Lieferungen zu verringern, indem ein 11-stündiges, ununterbrochenes Zeitfenster pro Tag für die Ein- und Ausfahrt von Lastwagen am Grenzübergang vorgesehen wird.
Es war nicht sofort klar, ob die Armee für den Schutz der Hilfsgütertransporte auf der Autobahn sorgen würde.
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UKRAINE
Karte der Ukraine
n-tv aktuell UKRAINE
+++ 07:48 Ruanda zieht Unterschrift unter Friedensgipfel-Erklärung zurück +++
Ruanda hat seine Unterschrift unter der Abschlusserklärung des Ukraine-Friedensgipfels in der Schweiz zurückgezogen, wie ukrainische Medien berichten. Auf der Internetseite der Schweizer Regierung taucht Ruanda demnach seit Montag nicht mehr in der Liste der Unterzeichner auf. Unter dem Strich unterstützen nun noch 77 Staaten und 5 Organisationen die Erklärung.
COMMENT: und schon wieder gibt es eine geänderte Angabe zu zustimmenden Staaten. Gestern wurden noch Zahlen von gut 80 Zustimmungen genannt. Auch die Zahl der insgesamt teilnehmenden Staaten wurde in den Meldungen unterschiedlich benannt. Welches Kommunikationsproblem hat der Konferenzveranstalter?
Friedensgipfel – eine Bilanz „Druck auf Russland kaum gestiegen“
+++ 07:22 Ukrainischer Militäranalyst attestiert Russland Probleme bei Artillerieproduktion +++
Nach Einschätzung des ukrainischen Militäranalysten Petro Chernyk leidet Russland unter Engpässen bei den Sprengstoffen für Artilleriegranaten, wie die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) berichtet. Zudem steigt Russland demnach allmählich von selbstfahrenden auf gezogene Artilleriesystemen um, mit denen es jedoch ebenfalls – nicht näher erklärte – Probleme geben soll. Mehr selbstfahrende Systeme könne Russland allerdings nicht produzieren, da es nur über fünf bis sechs entsprechende Maschinen verfüge.
+++ 06:54 Ukraine meldet Abschuss aller russischen Drohnen aus der Nacht +++
Die ukrainische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben alle zehn von Russland in der Nacht eingesetzten Drohnen zerstört. Sie seien über den Regionen Saporischschija und Dnipropetrowsk abgeschossen worden, teilt die Luftwaffe bei Telegram mit.
Reisners Blick auf die Front „Wir sehen, dass Russland gestoppt werden kann“
+++ 06:28 Russland bestätigt Abschuss von seltenem russischem Aufklärungsflugzeug +++
Russische Behörden haben bestätigt, dass die ukrainische Luftwaffe im Februar ein seltenes russisches Frühwarn- und Kontrollflugzeug vom Typ A-50 über dem Asowschen Meer abgeschossen hat, wobei zehn Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Das berichtet The Kyiv Independent. Der ukrainische Militärgeheimdienst hatte den Abschuss damals für sich und die ukrainische Luftwaffe reklamiert. Das Flugzeug war dem Bericht zufolge wichtig für das Aufspüren von Luftabwehrsystemen und Lenkraketen sowie die Koordinierung von Zielen für russische Kampfjets. Russland verfügt demnach über weniger als zehn dieser Flugzeuge, deren Preis auf rund 350 Millionen Dollar geschätzt wird.
Coup über Asowschem Meer Ukraine: Seltenes russisches Aufklärungsflugzeug abgeschossen – 23.2.2924
+++ 06:02 Öllager im russischen Asow brennen +++
In der russischen Stadt Asow in der Region Rostow nahe der ukrainischen Grenze sind nach Angaben des zuständigen Gouverneurs Öllager nach einem ukrainischen Drohnenangriff in Brand geraten. „Nach ersten Informationen gibt es keine Opfer“, teilt der Gouverneur der südrussischen Region, Wassili Golubew, über den Kurznachrichtendienst Telegram mit. Die Ermittlungen dauerten an, die örtliche Feuerwehr bemühe sich, die Brände unter Kontrolle zu bringen.
+++ 05:40 Kreml: Führen Gespräche mit USA über Austausch von Gershkovich +++
Russland bestätigt nach Angaben von Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow Kontakte mit den USA über einen möglichen Gefangenenaustausch des inhaftierten US-Reporters Evan Gershkovich. Er verweise auf Äußerungen von Präsident Wladimir Putin, der Anfang Juni solche Kontakte betätigt habe. „Sie gehen weiter, sollten aber weiterhin in völliger Stille vonstattengehen“, betont Peskow. „Daher können keine Ankündigungen, Erklärungen oder Informationen zu dieser Angelegenheit gegeben werden.“ Der 32-jährige Reporter des „Wall Street Journals“ war am 29. März 2023 vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB in Jekaterinburg im Ural festgenommen worden. Ihm wird Spionage vorgeworfen.
+++ 04:50 Festgenommener US-Soldat legt Teilgeständnis ab +++
Der in Russland unter anderem wegen des Verdachts auf Diebstahl festgenommene US-Soldat Gordon Black bekennt sich teilweise schuldig. Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtet, sagte er vor Gericht in Wladiwostok, er sei „teilweise des Diebstahls“ schuldig, habe diesen aber nicht vorsätzlich begangen. Den Vorwurf, seiner Freundin mit dem Tod gedroht zu haben, weist er zurück. In Russland sind bereits mehrere andere US-Staatsbürger inhaftiert, unter ihnen der Journalist Evan Gershkovich und der ehemalige Soldat Paul Whelan. Beiden wird Spionage vorgeworfen.
+++ 03:50 Fehlerhafte Werte zu Nord Stream 2: Netzagentur verhängt Bußgeld +++
Die Bundesnetzagentur hat im Zusammenhang mit der umstrittenen deutsch-russischen Gasleitung Nord Stream 2 ein Bußgeld von 75.000 Euro gegen den Pipeline-Betreiber Gascade verhängt. Wie die Behörde in Bonn mitteilt, hatte Gascade 2021 nach IT-Problemen fehlerhafte Werte veröffentlicht, die eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 nahelegten. Der Markt reagierte auf die Falschmeldung und ging davon aus, dass die Inbetriebnahme der Pipeline kurz bevorstehe. Das hatte deutlich gesunkene Preise zur Folge.
+++ 02:58 Putin dankt Nordkorea für Waffenhilfe in der Ukraine +++
Im Vorfeld seines Besuchs in Nordkorea hat der russische Präsident Wladimir Putin Pjöngjang für die Unterstützung der russischen Offensive in der Ukraine gedankt. „Wir wissen es sehr zu schätzen, dass die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea), die militärische Spezialoperation in der Ukraine entschlossen unterstützt“, schrieb Putin am Dienstag in einem von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichten Artikel. Weiter hieß es darin, beide Länder seien dabei, „die vielseitige Partnerschaft aktiv weiterzuentwickeln“.
+++ 01:57 Russland meldet heftige ukrainische Angriffe in Charkiw +++
In Teilen der nordostukrainischen Region Charkiw sind nach russischen Angaben heftige Kämpfe ausgebrochen. „Der Feind schickt Reserven und versucht, einen Gegenangriff zu starten, stößt aber auf heftigen Widerstand unserer Streitkräfte“, sagt der von Russland eingesetzte Gouverneur der von Moskau kontrollierten Gebiete der Region Charkiw, Vitali Gantschew. Die russischen Streitkräfte hätten die jüngsten ukrainischen Gegenangriffe in der Nähe von Wowtschansk, fünf Kilometer hinter der Grenze, zurückgeschlagen. Russische Truppen waren im vergangenen Monat in Teile der Region Charkiw eingedrungen und hatten nach offiziellen Angaben rund ein Dutzend Dörfer eingenommen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagt, die Streitkräfte Kiews würden die russischen Truppen nach und nach aus dem umstrittenen Gebiet vertreiben.
https://datawrapper.dwcdn.net/zDdlu/ +++ 00:55 DIW-Chef: Bürgergeldkürzung für Ukrainer ist populistisch +++
Der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher kritisiert Forderungen nach einer Beschränkung des Bürgergelds für Ukraine-Flüchtlinge als „blanken Populismus“. „Niemandem wird es besser gehen, niemand wird auch nur ein Euro mehr haben, wenn Deutschland Geflüchtete schlechter behandelt und ihnen Leistungen kürzt“, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Der deutsche Staat muss nicht weniger Geld für Geflüchtete ausgeben, sondern mehr Anstrengungen für eine schnellere und bessere Integration von Geflüchteten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft unternehmen“, fordert Fratzscher.
+++ 23:55 Ukrainer sehen Selenskyj als rechtmäßigen Präsidenten +++
Eine große Mehrheit der Ukrainer betrachtet Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyj ungeachtet der zu Kriegszeiten verlängerten Amtszeit weiter als legitimen Präsidenten. Nach einer Umfrage des Internationalen Soziologischen Instituts in Kiew sind 70 Prozent von insgesamt 2011 befragten Ukrainern der Ansicht, dass Selenskyj bis Kriegsende im Amt bleiben sollte. Lediglich 22 Prozent sprechen sich dagegen aus. Damit widersprechen die Ukrainer der von Moskau vertretenen Ansicht, dass Selenskyjs Amtszeit längst abgelaufen und er nicht mehr rechtmäßiger Präsident der Ukraine sei.
+++ 22:55 Europarat besorgt über Finnlands Abschiebepläne +++
Der Europarat äußert sich besorgt über die von der finnischen Regierung geplante Rückführung von Migranten aus Russland, welche nach Angaben Helsinkis von Moskau bewusst über die gemeinsame Grenze geschickt werden. Der Gesetzentwurf müsse abgelehnt werden, fordert der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O’Flaherty, in einem Brief an Finnlands Parlamentspräsidenten Jussi Halla-aho. Die seit vergangenem Jahr amtierende finnische Mitte-Rechts-Regierung will das Migrationsrecht deutlich verschärfen. Unter anderem stellte sie Ende Mai einen Gesetzentwurf vor, der es ihren Grenzschützern erlauben soll, Flüchtlinge zurückzuweisen.
+++ 22:15 Peskow: Ergebnisse der Friedenskonferenz „streben gegen null“ +++
Der Kreml redet weiter die Ergebnisse der Schweizer Friedenskonferenz für die Ukraine schlecht. Ohne russische Teilnahme habe das Gipfeltreffen keine Resultate bringen können, sagte Dmitri Peskow, Sprecher von Präsident Wladimir Putin, in Moskau. „Wenn man über die Ergebnisse dieses Treffens spricht, dann streben sie natürlich gegen null“, sagte er. Dass eine Reihe russlandfreundlicher Staaten wie Serbien, die Türkei oder Ungarn die Abschlussdeklaration unterstützt habe, störe Moskau nicht. „Wir werden natürlich berücksichtigen, welche Haltung diese Länder eingenommen haben. Das ist für uns wichtig. Wir werden ihnen weiter unsere Argumentation erläutern“, sagte Peskow. Das Außenministerium in Moskau stufte die Konferenz als „komplettes Fiasko“ ein, wie die Staatsagentur Tass aus einer Erklärung von Außenamtssprecherin Maria Sacharowa zitierte. *** Quelle: ntv.de, mau/ghö/AFP/rts/AP/dpa
+++ 21:47 USA „besorgt“ über enge Bande von Moskau und Pjöngjang +++
Die USA sind „besorgt“ über die sich abzeichnende Vertiefung der Beziehungen zwischen Nordkorea und Russland. Vor einem Besuch von Kreml-Chef Wladimir Putin in Pjöngjang erklärte das Weiße Haus in Washington: „Wir sind nicht besorgt über diese Reise. Worüber wir aber besorgt sind, ist die Vertiefung der Beziehung zwischen beiden Ländern.“ Der Kreml und nordkoreanische Staatsmedien hatten zuvor mitgeteilt, dass Putin am Dienstag zu einem zweitägigen „freundschaftlichen Staatsbesuch“ in das kommunistische Land reisen wolle. „Es werden mehrere Dokumente unterzeichnet werden“, darunter „wichtige, sehr bedeutende Dokumente“, zitierten staatliche russische Nachrichtenagenturen Putins diplomatischen Berater Juri Uschakow.
+++ 21:17 Mehr als 20 NATO-Länder erreichen 2024 das Zwei-Prozent-Ziel +++
Mehr als 20 NATO-Länder werden nach Angaben von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in diesem Jahr mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. In einer Rede in der Denkfabrik Wilson Center sagt Stoltenberg, dass die Zahl der NATO-Mitglieder, die das Ausgabenziel von zwei Prozent des BIP erfüllten, heute höher sei als vor fünf Jahren. Damals erreichten weniger als zehn Mitglieder das Ziel. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine vor zwei Jahren wird deutlich mehr investiert.
+++ 20:40 Kiew: 15 russische Flugabwehrsysteme auf der Krim zerstört +++
Das ukrainische Militär hat in den vergangenen eineinhalb Monaten nach eigener Darstellung die russische Flugabwehr auf der besetzten Halbinsel Krim erheblich ausgedünnt. Insgesamt seien etwa 15 Flugabwehrsysteme zerstört worden, teilte die Militärführung in Kiew mit. Dabei seien zahlreiche Abschussrampen oder Leitsysteme verschiedener Systeme vom Typ S-300, S-350 oder S-400 getroffen worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Mit frischem Munitionsnachschub unter anderem aus den USA haben ukrainische Militärs in den vergangenen Wochen wiederholt bisher nicht genannte Ziele mit Raketen und Drohnen auf der Krim angegriffen.
Reisners Blick auf die Front „Wir sehen, dass Russland gestoppt werden kann“
+++ 20:03 Selenskyj schätzt Friedenskonferenz als Erfolg ein +++
Nach der internationalen Ukraine-Friedenskonferenz vom Wochenende in der Schweiz hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine positive Bilanz gezogen. „Wir haben den ersten greifbaren Schritt in Richtung Frieden getan – in einer noch nie dagewesenen Einigkeit der Länder der Welt“, sagte er in seiner allabendlichen Videoansprache. Aber es sei ein Weg, und „neue Schritte“ notwendig. Die Ukraine habe sogar schon einen vorläufigen Arbeitsplan für die Sommermonate. „Wir werden nicht kürzer treten, wir werden unsere Kommunikation mit unseren Partnern so aktiv wie immer halten“, sagte Selenskyj.
+++ 19:42 Moskau erklärt „Deutsches Historisches Institut“ zur unerwünschten Organisation +++
Das Deutsche Historische Institut in Moskau (DHI) ist von den russischen Behörden zur unerwünschten Organisation erklärt worden. Das Justizministerium der Russischen Föderation nahm das Institut nach einer Mitteilung vom Montag in die Liste von ausländischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen auf, deren Tätigkeit in der Russischen Föderation als unerwünscht eingestuft ist. Das DHI hat seine Tätigkeit bereits 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine eingestellt. Auf seiner Website erklärte das DHI, dass seine Bibliothek geöffnet bleibe, sie könne aber nur bei schriftlicher Voranmeldung genutzt werden. Das 2005 gegründete DHI gehört zu elf im Ausland tätigen geisteswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, die unter dem Dach der Max Weber Stiftung stehen.
+++ 19:20 Kiew nimmt mehrere Ziele in Russland ins Visier +++
Im russischen Belgorod gerät eine Lagerhalle in Flammen, im Oblast Lipezk werden ein Metall- und ein Traktorenwerk attackiert. Dabei soll es sich um erneute Drohnenangriffe der ukrainischen Armee handeln. Die Gouverneure der Region bestreiten die Schäden.
Etliche Werkstätten in Brand Kiew nimmt mehrere Ziele in Russland ins Visier
+++ 18:56 Stoltenberg: China heizt Konflikt an +++
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat bei einem Besuch in Washington für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine geworben und zugleich Chinas Handeln angesichts des russischen Angriffskriegs kritisiert. „Es mag paradox erscheinen, aber der Weg zum Frieden führt über mehr Waffen für die Ukraine“, sagte Stoltenberg vor einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden. Die Regierung in Kiew müsse „glaubwürdig und dauerhaft“ unterstützt werden. Zur Rolle Chinas sagte der NATO-Chef, die Volksrepublik gebe vor, neutral zu sein. Damit wolle Peking „Sanktionen vermeiden und den Handel am Laufen halten“, mutmaßte Stoltenberg. „Aber die Realität ist, dass China den größten bewaffneten Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg anheizt und gleichzeitig gute Beziehungen zum Westen aufrecht erhalten will.“ Dies dürfe der Westen nicht hinnehmen, mahnte Stoltenberg.
+++ 18:52 Dänemark prüft Maßnahmen gegen russische „Schattenflotte“ in der Ostsee +++
Dänemark prüft Möglichkeiten, die Durchfahrt alter Tanker mit russischem Öl durch die Ostsee zu beschränken. Sein Land habe eine Gruppe verbündeter Staaten gebildet, die Maßnahmen gegen diese sogenannte „Schattenflotte“ alternder Schiffe prüften, hieß es in einer E-Mail von Außenminister Lars Lökke Rasmussen an die Nachrichtenagentur Reuters. „Es besteht ein breiter Konsens, dass die Schattenflotte ein internationales Problem ist und internationale Lösungen erfordert.“ Dänemark zeigt sich besorgt, dass die alten Tanker eine Gefahr für die Umwelt darstellen.
+++ 18:24 Rod Stewart legt gegen Putin nach und äußert sich zu Konzerten in Deutschland +++
Sänger Rod Stewart hat sich gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin ausgesprochen und den Menschen in der Ukraine seine Solidarität zugesichert. Mitglieder seiner Familie hätten Vorräte ins Land gebracht, er habe ein Haus in Großbritannien für eine ukrainische Familie gemietet und zwei Ukrainer für seine Crew engagiert, teilte der 79-Jährige der britischen Nachrichtenagentur PA mit. „Also ja, ich unterstütze Selenskyj und das Volk der Ukraine und werde das auch weiterhin tun“, hieß es in der Stellungnahme. Bei einem seiner Konzerte in Leipzig sollen zuvor neben Applaus auch Buhrufe und Pfiffe zu hören gewesen sein, als die ukrainische Flagge und ein Bild Selenskyjs eingeblendet wurden, wie mehrere Medien berichteten. „Putin muss gestoppt werden. Ich habe die Zeit meines Lebens, für das deutsche Publikum zu spielen“, teilte der britische Musiker PA zufolge mit. Er freue sich darauf, seine restlichen Termine zu spielen. Konzerte sind noch in Hamburg, Köln und München geplant. Stewart ist für Hits wie „Sailing“, „Baby Jane“ und „Have You Ever Seen The Rain“ bekannt. Sein Lied „Rhythm Of My Heart“ habe er bei Konzerten der Ukraine gewidmet, meldete PA.
Sympathie für Kiew unerwünscht Rod Stewart verflucht Putin – und wird in Leipzig ausgebuht
+++ 18:02 Experte ordnet SIPRI-Zahlen ein: Wie hoch ist die Gefahr einer atomaren Eskalation? +++
Mit Blick auf die jüngsten Ergebnisse des Friedensforschungsinstitutes SIPRI zur weltweiten atomaren Aufrüstung plädiert Nico Lange für eine Stärkung der „konventionellen Abschreckung“ Deutschlands und Europas. Gleichzeitig mahnt der Sicherheitsexperte im Moment zu Gelassenheit.
Experte ordnet SIPRI-Zahlen ein Wie hoch ist die Gefahr einer atomaren Eskalation?
+++ 17:39 NATO-Jets legen elf Alarmstarts hin, um russische Flugzeuge über der Ostsee abzufangen +++
NATO-Kampfjets sind litauischen Angaben zufolge zu mehreren Einsätzen aufgestiegen, um ungekennzeichnete russische Militärflugzeuge im internationalen Luftraum über der Ostsee zu identifizieren. Insgesamt seien in der vergangenen Woche elf Alarmstarts absolviert worden, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius mit. Zusammengenommen wurden dabei gut zwei Dutzend russische Kampfjets, Jagdbomber, Aufklärungs- und Transportflugzeuge sowie eine Passagiermaschine abgefangen und eskortiert. Die meisten davon waren den Angaben zufolge ohne vorab eingereichten Flugplan, Transpondersignal oder Funkkontakt unterwegs.
+++ 17:10 Ukrainischer Armeechef: Russland intensiviert Angriffe vor Lieferung von F-16-Jets +++
Russland intensiviert nach Einschätzung der Ukraine angesichts angekündigter Lieferungen von Kampfflugzeugen und weiteren westlichen Militärhilfen für Kiew derzeit seine Angriffe. Moskau sei sich „durchaus bewusst“, dass nach Ankunft der ersten US-Kampfjets vom Typ F-16 „die Zeit zu unseren Gunsten spielen wird“, erklärte der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrsky in Onlinediensten. Deshalb unternehme Russland derzeit „alle Anstrengungen“, um die „Kämpfe auszuweiten“.
+++ 16:42 Putin ernennt Verwandte zur stellvertretenden Verteidigungsministerin +++
Der russische Präsident Wladimir Putin hat einem Bericht zufolge vier stellvertretende Verteidigungsminister entlassen und eine Verwandte, Anna Zivilewa, zur Besetzung einer der freigewordenen Posten ernannt. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, entließ Putin Kreml-Dekreten zufolge die stellvertretenden Verteidigungsminister Nikolai Pankow, Ruslan Zalikow, Tatjana Schewzowa und Pawel Popow. Er ernannte Zivilewa, die, wie Reuters berichtet, laut russischen Medien die Tochter von einem Cousin Putins ist, zur stellvertretenden Verteidigungsministerin.
+++ 16:22 Ukraine: nach Raketenangriff auf Poltawa Zehntausende ohne Strom +++
Bei einem russischen Raketenangriff auf die ukrainische Region Poltawa sind örtlichen Angaben zufolge neun Menschen verletzt und Stromleitungen beschädigt worden. Rund 53.000 private und 2.400 industrielle Verbraucher seien von Stromausfällen betroffen, teilt Gouverneur Filip Pronin mit. Auch mehrere Hochhäuser seien beschädigt worden.
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Militärexperte Ralph Thiele übt deutliche Kritik am Umgang des Westens mit der Ukraine. Versprechen würden nicht eingehalten und die Waffenlieferungen kämen stets zu spät. Darüber könnten, so der Oberst a.D., auch vermeintliche Erfolgsmeldungen nicht hinwegtäuschen. Putins Waffenstillstandsangebot indes sei „bösartig“.
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+++ 15:33 Bauernpräsident warnt vor EU-Beitritt der Ukraine +++
Ein sofortiger EU-Beitritt der Ukraine könnte laut Bauernpräsident Joachim Rukwied verheerende Folgen für die europäischen Bauern haben. „Wenn die Ukraine sofort der EU beitritt, stirbt unsere familiengetragene Landwirtschaft“, sagte Rukwied im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitun“. Die Integration von 32 Millionen Hektar zusätzlicher Ackerfläche würde die Wettbewerbsfähigkeit vieler EU-Betriebe massiv beeinträchtigen. Ein 200 Hektar-Betrieb in Deutschland könne nicht mit einem 50.000 Hektar-Agrarunternehmen in der Ukraine konkurrieren. Um das Überleben der heimischen Landwirtschaft zu sichern, seien „Importbeschränkungen gegen ukrainische Agrarprodukte dringend notwendig“, forderte Ruckwied. Zudem müssten vor einem EU-Beitritt Fragen wie die Subventionen, aber auch Korruption in der Ukraine angesprochen werden. Die Politik dürfe das nicht außer Acht lassen. „Sonst droht ein politisches Desaster in den ländlichen Räumen bei zukünftigen Wahlen.“
+++ 15:14 Explosion in Ausbildungsstätte für ukrainische Truppen in Tschechien – neun Verletzte +++
In Tschechien sind neun Soldaten bei einer Explosion in einer für die Ausbildung ukrainischer Truppen genutzten Militäreinrichtung verletzt worden. Zwei der Soldaten seien per Helikopter mit mittelschweren Verletzungen in das Universitätskrankenhaus der nahegelegenen Stadt Olomouc etwa 200 Kilometer östlich von Prag gebracht worden, sagte der Kliniksprecher Adam Fritscher der Nachrichtenagentur AFP. „Sechs wurden mit dem Krankenwagen in ein Militärkrankenhaus in Olomouc gebracht und einer wurde vor Ort behandelt.“ Infolge der russischen Invasion der Ukraine bildet die tschechische Armee seit Ende 2022 ukrainische Soldaten im östlich von Olomouc gelegenen Libava aus. Die Verletzen seien allerdings „keine Ausländer“, sagte Militärpolizeisprecherin Katerina Mlynkova. Die Armee erklärte via X, dass „nicht näher bezeichnete Munition“ explodiert sei, ohne weitere Details anzugeben.
Update 17:00 Uhr: Die tschechische Armee teilt mit, dass ein Soldat bei der Explosion ums Leben gekommen sei.
+++ 14:52 Ukraine meldet erstmals Einnahme von Schildkrötenpanzer +++
Seit April beobachten Kiews Streitkräfte den Einsatz sogenannter „Schildkrötenpanzer“ durch Moskaus Armee. Die Kampffahrzeuge sind besonders brachial und zerstörerisch. Jetzt kursieren Videos, die eine Eroberung der Waffe und die Festnahme der dazugehörigen Crew zeigen sollen.
Videos kursieren bei Telegram Ukraine erbeutet erstmals russischen Schildkrötenpanzer
+++ 14:23 Putin reist für mehrere Tage nach Nordkorea +++
Der russische Präsident Wladimir Putin besucht nach Kremlangaben Nordkorea und Vietnam. Beim Besuch in Nordkorea am Dienstag und Mittwoch folge Putin einer Einladung von Staatschef Kim Jong Un, heißt es aus dem Kreml. Die Rede ist dabei von einem „freundschaftlichen Staatsbesuch“. Im Anschluss reise Putin für zwei Tage weiter nach Vietnam. Russland unterhält enge Kontakte zu Nordkorea, die vom Westen mit großem Misstrauen gesehen werden. Das abgeschottete kommunistische Land mit nuklearen Ambitionen liefert nach westlichen Erkenntnissen Munition für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kim Jong Un hatte im September 2023 Russland einen seiner seltenen Auslandsbesuche abgestattet.
+++ 13:58 „Weitere Eskalation“: Peskow kritisiert Stoltenbergs Äußerung zu Atomwaffen +++
Russland wertet die Äußerungen von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg über eine mögliche Stationierung weiterer Atomwaffen als Provokation. „Das ist nichts anderes als eine weitere Eskalation der Spannungen“, erklärt Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Stoltenberg hat dem „Telegraph“ gesagt, die NATO sei in Gesprächen über die Stationierung weiterer Atomwaffen und ihre Versetzung in Bereitschaft. „Ich werde nicht auf operative Details eingehen, wie viele Atomsprengköpfe einsatzbereit sein und welche gelagert werden sollten, aber wir müssen uns über diese Fragen beraten. Und genau das tun wir“, so Stoltenberg (siehe Eintrag um 06:05). Diese Äußerungen stünden in Widerspruch zum Kommuniqué der Ukraine-Konferenz, sagt Peskow nun dazu. Darin heißt es, jede Drohung mit oder jeder Einsatz von Atomwaffen in Zusammenhang mit der Ukraine sei unzulässig.
Munz zu Übung mit Belarus „Putin hat Atomwaffen-Thema mehr oder weniger abgeräumt“
+++ 13:36 Kein Bürgergeld für Ukraine-Flüchtlinge? Die Bundesregierung äußert sich +++
Die Bundesregierung weist Forderungen nach geringeren staatlichen Leistungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge zurück. Seitens der Regierung gebe es keine entsprechenden Pläne, den Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Deutschland flüchteten, künftig statt Bürgergeld Leistungen für Asylbewerber zukommen zu lassen, sagt Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums weist darauf hin, dass mit der Zuständigkeit der Jobcenter für Geflüchtete aus der Ukraine auch schneller Maßnahmen für ihre Integration in den Arbeitsmarkt ergriffen werden könnten. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte in der „Bild“-Zeitung gefordert: „Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.“
+++ 13:09 Kiew: Bis zu zwölf Stunden am Tag kein Strom +++
Angesichts der anhaltenden russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur in der Ukraine kündigt der staatliche Energiebetreiber weitere drastische Einschränkungen bei der Stromversorgung an. „In den kommenden Wochen wird sich die Situation im Vergleich zu heute stark verschlechtern“, sagt der Chef des staatlichen Energieversorgers Ukrenergo, Wolodymyr Kydrytsky. Die Ukrainer müssten sich darauf einstellen, bis zu zwölf Stunden am Tag keinen Strom zu haben. Die Versorgungslage werde sich nicht vor Ende Juli verbessern, sagte Kydrytsky weiter. Zu den systematischen russischen Angriffen auf Wärme- und Wasserkraftwerke kämen möglicherweise Wartungsarbeiten an Atomkraftwerken und schlechte Wetterbedingungen.
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+++ 12:38 Kreml schimpft auf Schweizer Konferenz +++
Die Schweizer Ukraine-Konferenz zeigt laut Kremlsprecher Peskow, dass Gespräche ohne eine Teilnahme Russlands sinnlos sind. Die Ergebnisse dieses Treffens seien „nahe Null“, so Peskow. Russland sei weiterhin für einen Dialog mit allen Ländern offen, die einen solchen anstrebten, und werde diesen Ländern weiterhin seine Position vermitteln. Bei dem Treffen in der Schweiz am Wochenende verurteilten die westlichen Mächte und ihre Verbündeten zwar die russische Invasion der Ukraine. Doch es gelang ihnen nicht, die großen blockfreien Staaten davon zu überzeugen, sich ihrer Abschlusserklärung anzuschließen. Zudem erklärte sich kein Land bereit, eine Fortsetzung der Konferenz auszurichten. Russland war nicht eingeladen, hatte aber schon in der Anfangsphase der Planungen mehrfach signalisiert, dass es eine Teilnahme ablehnt.
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+++ 12:12 Zahlungsunfähigkeit der Ukraine nicht abgewendet +++
Die Gefahr einer ukrainischen Zahlungsunfähigkeit ist noch nicht abgewendet: In den Verhandlungen mit Gläubigern erzielt Kiew keine Einigung. Bei den Gesprächen mit einer Gruppe von Anleihekäufern habe man sich nicht auf eine Umstrukturierung internationaler Schulden in Höhe von rund 20 Milliarden Dollar einigen können, heißt es. Die Zeit drängt: Am 1. August läuft ein zweijähriger Zahlungsstopp aus. Dieser war mit den internationalen Käufern von Staatsanleihen vereinbart worden, da das Land wegen des russischen Angriffskriegs wirtschaftlich am Boden liegt. Der ukrainische Finanzminister Sergej Martschenko sagt, die Gespräche würden fortgesetzt. Er erwarte, dass die Regierung bis August eine Einigung erzielen werde. Das kriegsgebeutelte Land sondiert bereits seit Ende 2023 bei Großinvestoren Pläne zur Umstrukturierung seiner Auslandsschulden. Seit fast zwei Wochen laufen nun die formellen Gespräche mit den Anleihegläubigern.
Keine Einigung mit Gläubigern Ukraine droht weiter Zahlungsunfähigkeit – Zeit drängt
+++ 11:59 Weber: Start von Beitrittsverhandlungen „extrem wichtiges psychologisches Zeichen“ +++
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, begrüßt den Beginn von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine. Kein Land würde so für „unsere Werte“ stehen wie die Ukraine, denn das Land kämpfe den Kampf für Freiheit und Demokratie. „Deswegen sind die Beitrittsverhandlungen, die jetzt eröffnet werden sollen, ein extrem wichtiges psychologisches Zeichen an die Ukraine, ihr dürft auch so leben wie wir leben im Westen, in der Europäischen Union nämlich in Frieden, Freiheit und Demokratie“, sagt Weber im Frühstart von ntv. Zudem habe die Ukraine trotz des Krieges Fortschritte gemacht. Es gebe aber auch noch viel zu tun. „Gerade der Kampf gegen Korruption ist ein Riesenthema in der Ukraine. Aber der Wille ist da und die Richtung stimmt“, so Weber.
EVP-Chef Weber im ntv Frühstart „Das wichtigste Signal hat die Ukraine selbst gesendet“
+++ 11:31 Russischer Auslandsgeheimdienst droht mit härteren Bedingungen für Frieden +++
Der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes, Sergej Naryschkin, droht mit härteren Bedingungen für einen Frieden mit der Ukraine. Sollten die von Präsident Wladimir Putin unterbreiteten Forderungen für einen Friedensvertrag abgelehnt werden, dann würden die nächsten Friedensbedingungen härter ausfallen, sagt Naryschkin der staatlichen Nachrichtenagentur TASS zufolge. Er gibt demnach nicht an, von wem die Vorschläge abgelehnt oder angenommen werden könnten. Putin erklärte vor wenigen Tagen seine Bedingungen für einen Frieden, der allerdings mehr einer Kapitulation Kiews gleichkäme: der Verzicht auf einen NATO-Beitritt und die vier von Russland illegal annektierten Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies Putins Äußerungen als nicht vertrauenswürdig zurück.
+++ 11:02 Dänemark will Schattenflotte russischer Öltanker beschränken +++
Dänemark prüft Möglichkeiten, die Durchfahrt alter Tanker mit russischem Öl durch die Ostsee zu beschränken. Sein Land habe eine Gruppe verbündeter Länder gebildet, die Maßnahmen gegen die sogenannte Schattenflotte alternder Schiffe prüfen, die russisches Öl transportierten, sagt Außenminister Lars Lökke Rasmussen. Der Schritt könnte zu einer Konfrontation mit der Führung in Moskau führen. Etwa ein Drittel des russischen Ölexports verläuft durch die dänische Meeresenge, die als Tor zur Ostsee dient. Das sind etwa 1,5 Prozent der weltweiten Öllieferungen. Jeder Versuch, die Lieferungen zu stoppen, würde daher den Ölpreis in die Höhe treiben und die Finanzen des Kremls belasten.
+++ 10:30 Moskau ist „positiv überrascht“ von Friedenskonferenz +++
Der Kreml bezeichnet die Friedenskonferenz in der Schweiz vorab als „absurde Veranstaltung“. Wie blicken russische Medien nach Ende des Gipfels auf die Ergebnisse? ntv-Korrespondent Rainer Munz fasst die fast schon erleichterte Stimmung im Land zusammen.
Munz blickt in russische Medien Moskau ist „positiv überrascht“ von Friedenskonferenz
+++ 10:06 Lettland bereitet offenbar die Lieferung weiterer Drohnen vor +++
Lettland hat bereits die erste Charge von Drohnen in die Ukraine geschickt und bereitet eine zweite vor. Dies berichtet „Kyiv Independent“ und beruft sich auf Aussagen des Verteidigungsministers des Landes, Andris Spruds. Lettland und Großbritannien stehen an der Spitze einer internationalen Koalition zur Versorgung der Ukraine mit Drohnen, die für das Land im Krieg immer wichtiger werden. Spruds kündigte demnach bereits im Mai an, dass die lettische Regierung in diesem Jahr rund 20 Millionen Euro in die Drohnenkoalition und eine ähnliche Summe in die Entwicklung der lettischen Drohnenfähigkeiten investieren werde.
+++ 09:32 ISW: Putin nicht an ernsthaften Verhandlungen interessiert +++
Das Institute for the Study of War geht davon aus, dass der russische Präsident Wladimir Putin nicht an ernsthaften Verhandlungen interessiert ist. In seiner jüngsten Analyse schreibt der US-Thinktank, dass Putin „nur in bestimmten Fällen Interesse an Verhandlungen vortäuscht, um den Westen zu Zugeständnissen zu verleiten, die die Souveränität der Ukraine verletzen würden“. Es sei „unwahrscheinlich“, dass Putin in absehbarer Zukunft an echten Gesprächen interessiert sei. Erst kürzlich habe er einen Sieg in der Ukraine skizziert, der auf der Annahme beruhe, dass die russischen Streitkräfte unbegrenzte schleichende Fortschritte auf dem Schlachtfeld erzielen könnten. Putin hatte vor wenigen Tagen als Vorbedingung für Verhandlungen den völligen Abzug ukrainischer Truppen aus den Gebieten Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja gefordert.
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+++ 09:01 Linke setzt nun auf den Papst +++
Die Linke im Bundestag setzt bei den Bemühungen um einen Frieden auch auf den Papst. Neben China und Indien könne das Oberhaupt der Katholiken eine Vermittlerrolle einnehmen, sagt der Ko-Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, Sören Pellmann, in der ARD. Papst Franziskus könne aufgrund seiner Integrität die „Rolle des Moderators, des Vermittlers“ einnehmen. Tatsächlich ist der Papst spätestens seit seinem jüngsten Appels an die Ukraine, die „weiße Fahne“ zu hissen, dort nicht mehr richtig gut gelitten. Die von Putin jüngst formulierten Bedingungen für Friedensverhandlungen wertet Linken-Politiker Pellmann als Anzeichen dafür, dass dieser gesprächsbereit sei. „Also zunächst zeigt dieses, wenn auch vergiftete Angebot, dass er offensichtlich auch langsam kriegsmüde wird“, sagt Pellmann. Zugleich habe Putin damit signalisiert, dass er zu Gesprächen bereit sei.
„Bevor es noch schlimmer wird“ Papst Franziskus: Ukraine sollte „weiße Fahne“ hissen
NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE
ROUNDUP: Selenskyj zufrieden mit Friedenskonferenz – Nacht im Überblick
KIEW (dpa-AFX) – Nach der internationalen Ukraine-Friedenskonferenz vom Wochenende in der Schweiz hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag eine positive Bilanz gezogen. „Wir haben den ersten greifbaren Schritt in Richtung Frieden getan – in einer noch nie dagewesenen Einigkeit der Länder der Welt“, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. Es sei ein Weg, und „neue Schritte“ seien notwendig. Moskau wiederum stufte die Konferenz als „komplettes Fiasko“ ein.
Es gebe keine „vernünftige Alternative“ zum Friedensvorschlag von Präsident Wladimir Putin, sagte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Montagabend. „Der Westen und Kiew müssen aufhören, mit Augenwischerei und Tricks die internationale Gemeinschaft in die Irre zu führen“, sagte sie. Je eher der Westen den Friedensplan Putins annehme, desto eher werde der Prozess einer wirklichen Lösung und der Beendigung der Feindseligkeiten beginnen. „Andernfalls werden die Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen für sie sehr viel schlechter sein.“
Putins sogenannter Friedensplan stellt aus der Sicht Kiews eine vollständige Kapitulation vor der russischen Aggression dar. Der Kremlchef fordert unter anderem, die Ukraine müsse sich aus jetzt noch von ihr kontrollierten Gebieten im Osten und Süden zurückziehen. Sie müsse auch auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten.
Selenskyj verwies darauf, die Ukraine habe für ihre Friedensbemühungen schon einen vorläufigen Arbeitsplan für die Sommermonate. „Wir werden nicht kürzertreten, wir werden unsere Kommunikation mit unseren Partnern so aktiv wie immer halten“, sagte er. Die Ukraine habe diesen Krieg nie gewollt. „Aber natürlich will sie vor allem einen gerechten Frieden.“ Und man erkenne, dass dies möglich ist. „Wir bringen den Frieden näher.“
An dem Treffen im Schweizer Luxusresort Bürgenstock bei Luzern hatten am vergangenen Wochenende Vertreter von 93 Staaten sowie internationale Organisationen teilgenommen. Eine große Mehrheit davon schloss sich dem Abschlusspapier an, das die Souveränität der Ukraine in ihren völkerrechtlich anerkannten Grenzen betont.
Auch wurde festgestellt, dass das russisch besetzte Kernkraftwerk Saporischschja unter ukrainische Kontrolle gehöre.
Mehrere mächtige Staaten wie Indien, Brasilien, Indonesien oder Südafrika waren in der Schweiz vertreten, unterzeichneten das Dokument aber nicht. China hatte nicht teilgenommen.
Stoltenberg: Nato hat keine Pläne, Ausbildung in der Ukraine durchzuführen
Derweil machte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg deutlich, das Verteidigungsbündnis werde keinesfalls ukrainische Soldaten auf ukrainischem Boden ausbilden. Auf eine entsprechende Frage in einem Interview von „Welt“und US-Medien sagte er am Montag: „Die Nato hat keine Pläne, Ausbildung innerhalb der Ukraine durchzuführen. Die Nato wird ukrainische Soldaten weiter außerhalb der Ukraine trainieren.“
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg. Zuletzt wurde immer wieder auch über die mögliche Entsendung westlicher Militärausbilder in das Kriegsgebiet diskutiert, um die unter Druck geratene ukrainische Armee effektiver zu unterstützen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte vor knapp zwei Wochen angekündigt, zusammen mit anderen Ländern Militärausbilder in das Kriegsgebiet entsenden zu wollen. Neben Deutschland wollen sich auch die USA nicht beteiligen.
Viele Verletzte bei russischem Angriff auf Poltawa
Bei einem russischen Angriff auf die ostukrainische Stadt Poltawa wurden am Montag nach offiziellen Angaben mindestens 22 Menschen verletzt, unter ihnen drei Kinder. Nach Angaben der Ermittler war ein mehrstöckiges Wohnhaus von einem Marschflugkörper getroffen worden.
Ukrainischer Armeechef sieht zunehmenden Druck Russlands
Unmittelbar vor dem von Kiew erwarteten Eintreffen neuer Waffen und Ausrüstung aus dem Westen sieht der ukrainische Armeechef Olexander Syrskyj zunehmenden Druck russischer Truppen entlang diverser Frontabschnitte.
Der Gegner habe erkannt, dass angesichts dieser neuen Waffenlieferungen „die Zeit für die Ukraine spiele“, schrieb Syrskyj am Montag auf Facebook. „Daher unternimmt das Kommando der russischen Streitkräfte jetzt alle Anstrengungen, um die Intensität der Kampfhandlungen zu erhöhen und sie geografisch auszudehnen, um die Erschöpfung unserer Truppen zu maximieren, die Vorbereitung der Reserven zu stören und den Übergang zu aktiven Angriffsoperationen zu verhindern.“
Das wird am Dienstag wichtig
Der russische Präsident Putin besucht am Dienstag und Mittwoch Nordkorea auf Einladung von Staatschef Kim Jong Un. Moskau unterhält enge Kontakte zu Nordkorea. Das abgeschottete kommunistische Land mit nuklearen Ambitionen liefert nach westlichen Erkenntnissen Munition für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine/cha/DP/zb
WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN
Heftige Kämpfe in Region Charkiw ausgebrochen 18.6.2024, 6:07
In Teilen der nordostukrainischen Region Charkiw sind nach russischen Angaben heftige Kämpfe ausgebrochen. „Der Feind schickt Reserven und versucht, einen Gegenangriff zu starten, stößt aber auf heftigen Widerstand unserer Streitkräfte“, sagte der von Russland eingesetzte Gouverneur der von Moskau kontrollierten Gebiete der Region Charkiw, Vitali Gantschew.
Die russischen Streitkräfte hätten die jüngsten ukrainischen Gegenangriffe in der Nähe von Wowtschansk, fünf Kilometer hinter der Grenze, zurückgeschlagen. Russische Truppen waren im vergangenen Monat in Teile der Region Charkiw eingedrungen und hatten nach offiziellen Angaben rund ein Dutzend Dörfer eingenommen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, seine Streitkräfte würden die russischen Truppen nach und nach aus dem umstrittenen Gebiet vertreiben.
Drohnenangriff auf russisches Öllager
In der russischen Stadt Asow in der Region Rostow gerieten laut zuständigem Gouverneur, Wassili Golubew, nach einem ukrainischen Drohnenangriff Öllager in Brand. Es gebe keine Opfer, teilte er mit. Die Feuerwehr bemühe sich, die Brände unter Kontrolle zu bringen. *** red, ORF.at/Agenturen
Putin lobt Unterstützung Nordkoreas im Kampf gegen die Ukraine
MOSKAU/PJÖNGJANG (dpa-AFX) – Unmittelbar vor seinem Besuch in Nordkorea hat der russische Präsident Wladimir Putin den abgeschotteten Staat für seine Unterstützung im Kampf gegen die Ukraine gelobt. Man schätze „die standhafte Unterstützung“ Nordkoreas für „Russlands militärische Spezialoperation in der Ukraine“ und die Solidarität bei wichtigen internationalen Fragen, schrieb Putin in einem Beitrag für die nordkoreanische Zeitung „Rodong Sinmun“. Russland hat vor mehr als zwei Jahren seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine, in Moskau als „militärische Spezialoperation“ bezeichnet, begonnen.
Putin besucht an diesem Dienstag und Mittwoch Nordkorea auf Einladung von Machthaber Kim Jong Un. Moskau unterhält enge Kontakte zu Nordkorea. Das kommunistisch regierte Land mit nuklearen Ambitionen liefert nach westlichen Erkenntnissen Munition für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Putin schrieb weiter, Nordkorea sei „ein überzeugter und gleichgesinnter Unterstützer“, der bereit sei, das Bestreben des Westens zu kontern, eine multipolare Weltordnung zu verhindern. Russland und Nordkorea würden gemeinsam die Sicherheitsarchitektur in Eurasien aufbauen, die westlichen Sanktionen kontern und unabhängige Transaktionssysteme aufbauen. „Wir sind bereit, eng zusammenzuarbeiten, um mehr Demokratie und Stabilität in die internationalen Beziehungen zu bringen. Zu diesem Zweck werden wir alternative Mechanismen für Handel und gegenseitige Handels- und Schlichtungsmechanismen entwickeln, die nicht vom Westen kontrolliert werden.“/hme/DP/zb
Putin sagt, Nordkorea unterstützt Russlands Vorgehen in der Ukraine
Der russische Präsident Wladimir Putin lobte in einem Artikel für die nordkoreanische Zeitung Rodong Sinmun die Unterstützung Nordkoreas für die militärischen Aktionen Russlands in der Ukraine.
Im Vorfeld seines Staatsbesuchs hob Putin die langjährige Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea hervor und verwies dabei auf die mehr als 70-jährige Geschichte der Beziehungen. Er würdigte die Unterstützung Nordkoreas für die russischen Operationen und kritisierte die Versuche des Westens, Russland zu isolieren.
Putin wies darauf hin, dass die Vereinigten Staaten „immer neue, immer härtere und offensichtlich unannehmbare Forderungen stellen“, während Pjöngjang und sein Führer Kim Jong-un „wiederholt ihre Absicht bekundet haben, alle bestehenden Differenzen mit friedlichen Mitteln zu lösen“. *** Baha Breaking News (BBN) / NL *** Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version) ***
EU verlängert Sanktionen wegen der Annexion der Krim durch Russland
Der Europäische Rat gab am Montag seine Entscheidung bekannt, die Sanktionen, die als Reaktion auf die illegale Annexion der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland verhängt wurden, bis zum 23. Juni 2025 zu verlängern.
Diese restriktiven Maßnahmen umfassen ein Verbot der Einfuhr von Waren aus den beiden Gebieten in die EU sowie von Infrastruktur, Finanzinvestitionen und Tourismusdienstleistungen. Darüber hinaus erstrecken sich die Sanktionen auf Aktivitäten im Zusammenhang mit der Exploration, Suche und Förderung von Öl, Gas und Bodenschätzen auf der illegal annektierten Krim oder Sewastopol“.
Die Sanktionen, die erstmals im Juni 2014 in Kraft traten, beinhalteten eine dauerhafte Nichtanerkennungsstrategie in Bezug auf den Beitritt der Krim zu Russland. Alle EU-Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten sind verpflichtet, sich an diese Strategie zu halten. *** Baha Breaking News (BBN) / RR *** Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version) ***
Umfrage: Ukrainer sehen Selenskyj weiter als rechtmäßigen Präsidenten
KIEW (dpa-AFX) – Eine große Mehrheit der Ukrainer betrachtet Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyj ungeachtet der zu Kriegszeiten verlängerten Amtszeit weiter als legitimen Präsidenten. Nach einer am Montag veröffentlichten Umfrage des Internationalen Soziologischen Instituts in Kiew waren 70 Prozent von insgesamt 2011 befragten Ukrainern der Ansicht, dass Selenskyj bis Kriegsende im Amt bleiben sollte. Lediglich 22 Prozent sprachen sich dagegen aus.
Damit widersprachen die Ukrainer der von Moskau vertretenen Ansicht, dass Selenskyjs Amtszeit längst abgelaufen und er nicht mehr rechtmäßiger Präsident der Ukraine sei.
Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der Besetzung eines knappen Fünftels des Staatsgebiets sind Wahlen unmöglich geworden, das Kriegsrecht verbietet eine Neuwahl. Formell wäre Selenskyjs Amtszeit am 20. Mai abgelaufen.
Mit Selenskyjs Leistung als Präsident zeigten sich laut Umfrage 56 Prozent der Ukrainer zufrieden, 37 Prozent unzufrieden. Bei einer Umfrage im September des Vorjahres hatte Selenskyj noch 77 Prozent Zustimmung erhalten.
Keine Kompromisse bei Verhandlungen – dafür sprachen sich 58 Prozent der Befragten aus, bei 30 Prozent Gegenstimmen. Gleichzeitig vertraten 65 Prozent der Befragten die Meinung, dass die Ergebnisse möglicher Verhandlungen mit Russland einem Referendum unterzogen werden sollten./cha/DP/ngu
ROUNDUP: Bundesregierung und Grüne für Bürgergeld für Ukraine-Flüchtlinge
BERLIN (dpa-AFX) – Die Bundesregierung hat Forderungen nach geringeren staatlichen Leistungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge zurückgewiesen – Unterstützung kam dabei von den Grünen. Seitens der Regierung gebe es keine entsprechenden Pläne, den Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Deutschland flüchteten, künftig statt Bürgergeld Leistungen für Asylbewerber zukommen zu lassen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums wies darauf hin, dass mit der Zuständigkeit der Jobcenter für Geflüchtete aus der Ukraine auch schneller Maßnahmen für ihre Integration in den Arbeitsmarkt ergriffen werden könnten.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte der „Bild“-Zeitung gesagt: „Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.“ Ähnliche Forderungen waren zuvor bereits aus der Union gekommen, aber auch aus der FDP-Bundestagsfraktion. Zuletzt hatte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) die Zahlung von Bürgergeld an ukrainische Flüchtlinge infrage gestellt und argumentiert, das Bürgergeld sei zum „Bremsschuh für die Arbeitsaufnahme“ geworden.
Grünen-Chef Omid Nouripour nannte den Vorstoß „nicht zielführend“. Es gehe darum, die Menschen so schnell wie möglich in Arbeit zu bringen mit Hilfe des sogenannten Job-Turbos. „Und wenn man den Job-Turbo will, dann ist das sicher nicht hilfreich, wenn man die Leute ins Asylbewerberleistungsgesetz steckt, wo erst mal nicht gearbeitet werden kann.“ Nouripour räumte ein: „Es ist richtig, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei den Beschäftigten schlechter dasteht nach Statistiken.“ Das Problem sei aber nicht das Bürgergeld.
Während Ukraine-Flüchtlinge in den ersten Monaten nach dem Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 lediglich Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hatten, erhalten sie seit Juni 2022 Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie Empfänger von Bürgergeld (damals noch Hartz-IV). Die rund 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die sich in Deutschland aufhalten, wurden, wie auch in anderen Staaten der Europäischen Union, gemäß der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie aufgenommen und mussten daher keinen Asylantrag stellen.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall, sagte, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe die wiederholte Verlängerung dieser Richtlinie begrüßt, gleichzeitig aber eine bessere Verteilung der Flüchtlinge in Europa angemahnt, da momentan besonders viele ukrainische Flüchtlinge in Polen, Deutschland und Tschechien lebten.
Im März 2024 gingen laut Arbeitsagentur 185 000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach – 127 000 mehr als vor Kriegsbeginn. Zusätzlich übten demnach im März 47 000 Ukrainerinnen und Ukrainer eine ausschließlich geringfügige Beschäftigung aus – 39 000 mehr als vor Kriegsbeginn. Der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums sagte, viele Ukrainerinnen warteten auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder beziehungsweise besuchten Deutsch-Kurse./abc/DP/ngu
Pressestimme: ‚Münchner Merkur‘ zu Bürgergeld/Ukraine
„Keine Frage: Die geschundene Ukraine verdient in ihrem Überlebenskampf jede Unterstützung. Doch ist weder den tapferen Verteidigern noch den hiesigen Steuerzahlern geholfen, wenn wehr- und arbeitsfähige Ukrainer nach Deutschland fliehen und weder die Heimat verteidigen noch bei uns Arbeit aufnehmen, weil bei uns die Stütze höher ist als der Verdienst am Arbeitsmarkt. Die Erwerbsquote der 1,2 Millionen ukrainischen Zuwanderer stagniert bei 25%. Das ist Negativrekord in Europa und eine Blamage für unseren Staat, der immer von Arbeitskräftezuwanderung spricht, aber wegen seiner hohen Transferleistungen zu oft Einwanderung in die Sozialsysteme bekommt. Und es ist Sprengstoff für die Debatte um Ukraine-Hilfen, weil es für Frust bei den Arbeitnehmern sorgt, die mit ihren Abgaben die Party am Laufen halten.“/yyzz/DP/ngu
Pressestimme: ‚Neue Osnabrücker Zeitung‘ zu Bürgergeld für Ukrainer
„So nachvollziehbar der Impuls, Flüchtlingen aus der Ukraine Grundsicherung zu garantieren, kurz nach Ausbruch des Krieges im Februar 2022 gewesen sein mag, so liegt inzwischen doch auf der Hand, dass es ungewollt falsche Anreize setzt und beispielsweise die Aufnahme von Arbeit nicht gerade befördert; in anderen Mitgliedstaaten der EU ist die Erwerbsquote geflüchteter Ukrainer höher als hierzulande.
Sollte eine erneute russische Großoffensive eine Flüchtlingswelle auslösen, oder sich die Ukraine nicht länger verteidigen können, erhielten Ukrainer in der EU weiter ohne Asylverfahren unkompliziert Schutz – auch in Deutschland. Anlass, die Sache mit dem Bürgergeld anzupassen, besteht also.“/yyzz/DP/ngu
KOMMENTAR – Ein Erfolg für die Schweiz, eine zwiespältige Angelegenheit für die Ukraine: Das erhoffte Signal bleibt aus
Das Gipfeltreffen auf dem Bürgenstock hat den Frieden nicht vorangebracht. Die Veranstalter und Teilnehmer versuchen das schönzureden, aber wichtiger wäre etwas Realismus.
Ob der «Gipfel zum Frieden» hoch über dem Vierwaldstättersee ein Erfolg war oder nicht, kann man nach verschiedenen Massstäben beurteilen. Einfach ist das Fazit für die Schweiz als Gastgeberin: Sie hat sich als Plattform für diplomatische Grossanlässe bewährt und damit international in ein günstiges Licht gebracht. Bern lud ein, und 92 Staaten – fast die Hälfte der Staatenwelt – schickten Vertreter. Das schafft nicht jedes Land. Die Logistik klappte, gefährliche Zwischenfälle blieben aus, offener Streit zwischen den Delegationen konnte vermieden werden. Das alles spricht für einen organisatorischen Erfolg.
Anders sieht die Antwort mit Blick auf die politische Substanz aus. Zwar hatte niemand einen grossen Schritt in Richtung Frieden erwartet, zumal die politischen und militärischen Voraussetzungen dafür gar nicht gegeben sind. Aber solche Treffen haben zumindest das Potenzial, eine gewisse Signalwirkung zu entfalten. Auf dem Bürgenstock ist das nicht gelungen. Es gibt keinerlei neue, konsensfähige Modelle dafür, wie ein Frieden zu erreichen wäre.
Vage und einfallslos ist in der Schlusserklärung die Rede davon, dass Russland einbezogen werden sollte. Aber der starke Mann in Moskau, Wladimir Putin, hat unmittelbar vor dem Gipfel bereits die Antwort darauf geliefert: Er will nur verhandeln, wenn die Ukraine vorher faktisch kapituliert und grosse Gebiete im Südosten des Landes kampflos räumt.
Der Frieden macht keinen messbaren Fortschritt
Politiker und Diplomaten sind geübt darin, solche Widersprüche zu übertünchen. Zur routinierten Schönfärberei gehört, angesichts dürftiger Ergebnisse zumindest einen «wichtigen ersten Schritt» in die richtige Richtung zu beschwören.
Aber auf dem Bürgenstock ist kein «erster Schritt» erfolgt. Es war das fünfte Treffen im Rahmen der sogenannten ukrainischen Friedensformel, nun einfach erstmals auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Die Bürgenstock-Deklaration muss sich daher an früheren Anstrengungen messen lassen.
So fällt auf, dass das in der Schweiz verabschiedete Dokument hinter ältere internationale Beschlüsse zurückfällt. Im Februar 2023 hatten sich 141 Staaten hinter eine Resolution der Uno-Generalversammlung gestellt, die unter anderem einen sofortigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine verlangte. Nun sind es 78 unterzeichnende Staaten, die einen deutlich schwächer formulierten Text unterstützten.
Die damals gewählte Formulierung «Russlands Aggression gegen die Ukraine» beispielsweise fiel aus einem ursprünglichen Entwurf für die Bürgenstock-Deklaration heraus. Immerhin ist zu begrüssen, dass das Gipfeltreffen sich klar zur territorialen Integrität der Ukraine als Grundlage eines künftigen Friedens bekannte. Die toxische Forderung nach territorialen Kompromissen, nach einer Lösung gemäss dem Prinzip «Land gegen Frieden», hatte somit keine Chance.
Nicht erfüllt hat sich die Hoffnung, eine Reihe einflussreicher Schwellenländer an Bord holen zu können. Das Abseitsstehen von Brasilien, Südafrika und vor allem Indien, die nur niedrigrangige Delegationen schickten und die Abschlusserklärung ablehnten, ist ein schwerer Dämpfer.
Auch das Fehlen des amerikanischen Präsidenten Joe Biden nahm der Veranstaltung viel vom erhofften Gewicht, mit der Folge, dass diverse Spitzenpolitiker ihre Anwesenheit auf wenige Stunden beschränkten.
Nur 56 Länder zeigten ein volles Engagement, indem sie mit ihrem Staats- oder Regierungschef teilnahmen.
COMMENT: 56 Länder von rund 200 weltweit, das sind nur 28 Prozent aller Länder dieser Welt. Davon entstammen mit 40 Ländern 20 Prozent der westlich-demokratischen Welt: ein Fünftel bloß.
Wirft man einen näheren Blick auf diese Gruppe, so fällt auf, dass 40 davon zur westlich-demokratischen Welt zählen. Unter den übrigen 16 waren mit Ausnahme von Argentinien und Kenya keine politischen Schwergewichte.
Bei der Friedenssuche dominiert somit ein westlicher Block, dem es schwerfällt, eine beeindruckende Zahl von Ländern Afrikas und Asiens mitzuziehen. Hier macht sich der negative Einfluss Chinas im Hintergrund deutlich bemerkbar.
Die Ukraine braucht greifbare Hilfe
Diese Art der Konferenzen-Diplomatie ist deshalb nicht der Königsweg in Richtung Frieden. Viel überzeugender ist es, die Ukraine militärisch und wirtschaftlich zu stärken, damit sie der russischen Aggression widerstehen kann und von Russland nicht einverleibt wird. Wem die Sicherheit Europas am Herzen liegt, der muss deshalb bedeutend mehr tun als bisher. Das gilt auch für die Schweiz. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass unser Land mit solch prestigeträchtiger Diplomatie seinen Teil geleistet hat und sich nun ausruhen kann.
ZENTRALBANKEN
Kaskhari: Zinssenkung erst im Dezember „vernünftige Annahme“
Die US-Notenbank wird mit Zinssenkungen nach Ansicht des Präsidenten der Fed von Minneapolis, Neel Kashkari, voraussichtlich bis Dezember warten. Das sei eine „vernünftige Annahme“, sagte der Notenbanker im Sender CBS. „Es wird auf die Wirtschaftsdaten ankommen“, sagte Kashkari. Die Fed sei in der Lage, sich die Zeit nehmen zu können, um Daten zur Inflation und zum Arbeitsmarkt abzuwarten „bevor wir eine Entscheidung treffen müssen“. Das werde voraussichtlich erst zum Jahresende der Fall sein. Kashkari betonte, dass die Fed abwarten müsse, bis sich die Inflation von derzeit rund 3 Prozent auf etwa 2 Prozent, dem Ziel der Notenbank, abkühle.
EZB ist wegen Turbulenzen an Anleihenmärkten aufmerksam
PARIS/LONDON (dpa-AFX) – Die Europäische Zentralbank (EZB) ist wegen der jüngsten Marktturbulenzen in Frankreich und anderen Anleihemärkten der Eurozone aufmerksam. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte am Montag in der Nähe von Paris, die Notenbank achte darauf, dass die Finanzmärkte gut funktionierten. „Preisstabilität geht Hand in Hand mit Finanzstabilität“, erklärte die Französin mit Blick auf das primäre Ziel der EZB, für stabile Preise zu sorgen.
EZB-Chefökonom Philip Lane sagte zu Wochenbeginn in London: „Was wir an den Märkten beobachten, ist natürlich eine Neubewertung.“ Es handele sich aber nicht um eine ungeordnete Marktdynamik. Mit Blick auf das Anleiheprogramm TPI, mit dem sich die Notenbank notfalls gegen ungerechtfertigte Marktbewegungen stemmen kann, sagte Lane: „Es ist sehr wichtig, dass die EZB klarstellt, dass sie keine ungerechtfertigten und ungeordneten Marktdynamiken tolerieren wird, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik darstellen würden.“
An den französischen Anleihemärkten war es in der vergangenen Wochen zu Turbulenzen gekommen. Der Risikoaufschlag zu deutschen Bundesanleihen war mit knapp 0,80 Prozentpunkten auf den höchsten Stand seit sieben Jahren gestiegen.
Andere Märkte wie beispielsweise der italienische Kapitalmarkt wurden in Mitleidenschaft gezogen. Auslöser war die Schlappe gemäßigter französischer Parteien bei der Europawahl, die Präsident Emmanuel Macron Neuwahlen ausrufen ließ. Seither ist die politische Unsicherheit angesichts der Stärke rechtspopulistischer Parteien hoch./bgf/la/jha/
EZB/Lane: Dynamik bei Dienstleistungspreisen muss sinken
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)–Das Vertrauen der Europäischen Zentralbank (EZB) in einen Rückgang der Inflation auf 2 Prozent bis Ende 2025 beruht nach Aussage von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane auch auf der Erwartung langsamer steigender Dienstleistungspreise. „Die Dreimonatsraten müssen zurückkommen“, sagte Lane bei einer Veranstaltung der Nachrichtenagentur Reuters. Lane sieht offenbar gut Chancen, dass es dazu kommen wird.
Er verwies darauf, dass sich viele preistreibende Ereignisse etwa bei Versicherern und Tourismusunternehmen auf den Jahresbeginn konzentrierten. „Im vergangenen Jahren hat sich das Momentum im zweiten Halbjahr deutlich verringert“, sagte er. Lane sagte aber auch, dass die Dienstleistungspreisinflation aus Sicht der EZB nicht auf 2 Prozent fallen müsse.
Der EZB-Chefvolkswirt äußerte sich außerdem zuversichtlich, dass die Lohndynamik im nächsten Jahr nachlassen wird. „Nächstes Jahr werden die Abschlüsse viel näher an ihrem längerfristigen Niveau von 3 bis 3,5 Prozent liegen“, sagte er. Die von der EZB befragten Unternehmen hätten in der jüngsten Umfrage angegeben, im nächsten Jahr weniger Geld für Lohnerhöhungen zu haben als in diesem. „Das ist sehr wichtig für uns“, sagte er.
Lane betonte die Datenabhängigkeit der EZB-Geldpolitik. „Wenn die Inflation höher bleibt als von uns erwartet oder das Wachstum höher ist, dann werden wir uns langsamer bewegen“, sagte er mit Blick auf mögliche Zinssenkungen. Die EZB geht nach seinen Worten davon aus, dass ihre Geldpolitik weiterhin restriktiv ist und vorerst bleiben wird und die Inflation weiterhin bremsen wird. „Wir denken nicht, dass unsere Geldpolitik ihre maximale Wirkung mit Blick auf die Inflation schon erreicht hat“, sagte er.
MELDUNGEN
WEITERE MELDUNGEN
Einsatzbereite Waffen: Atommächte bauen Drohkulisse auf inkl. Schaubilder)
Die Zahl der weltweit einsatzbereiten Atomwaffen ist laut einem Bericht des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI) vom Montag im letzten Jahr deutlich gestiegen. Gleichzeitig entwickelten die Atommächte ihre Arsenale weiter. Die Militärausgaben generell befinden sich auf einem Höchststand. Erschreckend ist die Zahl der Atomwaffen, die aktuell in Alarmbereitschaft sind.
Insgesamt sei die Zahl der Kernwaffen in den Beständen der Atommächte in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, heißt es in dem Jahresbericht. Der Grund ist der Abbau von Altbeständen noch aus der Zeit des Kalten Krieges vor 1989. Allerdings würden aber immer mehr Sprengköpfe etwa auf ballistischen Raketen einsatzbereit gehalten. Auch die Zahl der Atomwaffen in Entwicklung habe zugenommen, so das SIPRI.
Das Institut liefert in seinem Bericht auch Zahlen: Nach seinen Schätzungen beläuft sich der globale Gesamtbestand an nuklearen Sprengköpfen auf 12.121 Stück. Im Jänner hätten sich 9.585 in militärischen Lagerbeständen für den potenziellen Einsatz befunden. 3.905 Sprengköpfe seien auf Raketen und Flugzeugen bestückt gewesen, 60 mehr als im Jänner des Vorjahres. Der Rest befinde sich in Zentrallagern.
Neun offizielle Atommächte und ein deutlicher Trend
Das SIPRI warnt in seinem Bericht, dass sich der Trend zur nuklearen Hochrüstung in den kommenden Jahren fortsetzen und noch beschleunigen könnte, was „äußerst besorgniserregend“ sei. Den Waffensystemen komme vor dem Hintergrund von Konflikten und geopolitischen Spannungen wieder wachsende Bedeutung zu.
Laut dem Stockholmer Institut verfügen aktuell neun Länder über Atomwaffen. Die meisten davon entfallen auf die USA und Russland mit jeweils über 5.000, ausgemusterte inklusive. In ihren Beständen befinden sich damit etwa 90 Prozent aller nuklearen Sprengköpfe weltweit. Bei den einsatzfähigen Nuklearwaffen liegen die beiden Supermächte mit jeweils rund 1.700 relativ gleichauf.
China rüstet stark auf
Beim Gesamtbestand rangiert Großbritannien auf dem dritten Platz, gefolgt von Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. Zum ersten Mal soll inzwischen auch China Sprengköpfe in hoher Alarmbereitschaft halten. Das allgemeine Atomwaffenarsenal der Volksrepublik wuchs laut dem Bericht von 410 im Jänner 2023 gezählten Sprengköpfen auf 500 im Jänner 2024.
„China baut sein Atomwaffenarsenal schneller aus als jedes andere Land“, sagte SIPRI-Experte Hans Kristensen. Doch ausnahmslos alle nuklear bewaffneten Staaten verfolgten das Ziel, ihre Bestände weiter aufzustocken.
Erinnerungen an den Kalten Krieg
Allerdings wolle sich kein Land so recht in die Karten schauen lassen. Besonders seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine gehe der Trend in die entsprechende Richtung, die Transparenz in Bezug auf die Nuklearstreitkräfte sei kleiner geworden, so das SIPRI.
„Wir haben seit dem Kalten Krieg nicht mehr erlebt, dass Atomwaffen eine so herausragende Rolle in den internationalen Beziehungen spielen“, sagte Wilfred Wan, Leiter des SIPRI-Programms für Massenvernichtungswaffen. Abrüstung wie nach 1989 ist aktuell kein Thema, stattdessen ist es wieder die Doktrin der nuklearen Abschreckung. „Wir leben derzeit in einer der gefährlichsten Zeiten in der Geschichte der Menschheit“, so SIPRI-Direktor Dan Smith. „Es ist an der Zeit für die Großmächte, einen Schritt zurückzutreten und nachzudenken. Am besten gemeinsam.“
Abrüstungsverträge aufgekündigt
Die Atomdiplomatie erlitt allerdings seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 mehrere Rückschläge. Kreml-Chef Wladimir Putin setzte im Februar 2023 den New-START-Vertrag – den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag mit den USA – außer Kraft. Auch Gespräche über ein Nachfolgeabkommen für den 2026 auslaufenden Vertrag wurden auf Eis gelegt.
Im November 2023 zog Russland seine Ratifizierung des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) zurück und begründete das mit einem „Ungleichgewicht“ gegenüber den USA, die den Vertrag nicht ratifiziert hatten, seit er 1996 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde.
COMMENT: Das „Ungleichgewicht“ besteht u.a. darin, dass Russland sich einen Überblick über US-amerikanische Atomwaffen verschaffen kann. Im Gegenzug die USA über russische Bestände schon.
Astronomische Rüstungsbudgets
Die Militärausgaben generell erreichten laut einem im April veröffentlichten Bericht des SIPRI 2023 einen neuen Höchststand. Sie stiegen das neunte Jahr in Folge, im Vorjahr inflationsbereinigt um 6,8 Prozent auf eine Summe von 2,44 Billionen Dollar (knapp 2,28 Billionen Euro) – der größte Anstieg im Jahr-zu-Jahr-Vergleich seit 2009. Insgesamt entsprachen die weltweiten Militärausgaben im Vorjahr 2,3 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Ein Hauptgrund für die markante Erhöhung der Rüstungsausgaben ist wiederum der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Spannungen zwischen Russland und der NATO. Auch mehrere europäische Länder, ob innerhalb, ob außerhalb des westlichen Militärbündnisses, die jahrelang bei den Rüstungsausgaben gespart hatten – wie Österreich –, investieren aktuell viel Geld in die Ausstattung ihrer Armeen.
Laut einem weiteren Bericht des SIPRI hielt folglich auch der starke Trend bei Waffenimporten nach Europa im Vorjahr an. Im Zeitraum zwischen 2019 und 2023 importierten europäische Staaten fast doppelt so viele Waffen wie im Vergleichszeitraum 2014 bis 2018. Die meisten Importe kamen aus den USA, mit Abstand größter Abnehmer war die Ukraine.
USA mit Abstand an der Spitze
Alle zehn Länder mit den höchsten Rüstungsausgaben erhöhten diese deutlich. Dabei blieben die USA ungeschlagen an der Spitze. Auf sie entfiel mit 916 Milliarden Dollar (knapp 900 Mrd. Euro) mehr als ein Drittel (37 Prozent) der weltweiten Militärausgaben. Der Wert entspricht in etwa dem Dreifachen der Ausgaben des zweitplatzierten China mit geschätzten 296 Milliarden Dollar (rund 280 Mrd. Euro).
Auf Platz drei lag 2023 Russland, gefolgt von Indien und Saudi-Arabien. Dahinter folgen Großbritannien, Deutschland und die Ukraine. Sie gab mit fast 37 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung relativ gesehen das meiste Geld für die Verteidigung des Landes aus. Österreich liegt laut SIPRI mit 4,4 Milliarden Euro weit hinten im Feld. *** red, ORF.at/Agenturen
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Verteidigungsausgaben: 23 NATO-Staaten erfüllen Zwei-Prozent-Ziel
In diesem Jahr werden voraussichtlich 23 der 32 NATO-Bündnisstaaten die vereinbarte Zielmarke für Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen. Das geht aus einer neuen Übersicht der NATO hervor.
Spitzenreiter sind derzeit Polen mit Verteidigungsausgaben von 4,12 Prozent des BIP und Estland mit 3,43 Prozent. Beide Länder liegen damit noch vor den USA, die 2024 nach den jüngsten Schätzungen auf 3,38 Prozent kommen dürften.
Schlusslichter im Ranking sind Länder wie Spanien und Slowenien, Luxemburg, die derzeit bei unter 1,3 Prozent liegen. Auch Belgien (1,30 Prozent), Kanada (1,37 Prozent), Italien (1,49 Prozent) und Portugal (1,55 Prozent) werden die NATO-Zielmarke deutlich verfehlen.
Insgesamt werden die derzeit 32 NATO-Staaten nach jüngsten Schätzungen im Jahr 2024 rund 1,5 Billionen US-Dollar (etwa 1,4 Billionen Euro) für Verteidigung ausgeben. Die Inflation und Wechselkursschwankungen herausgerechnet würde dies im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg um 10,9 Prozent entsprechen.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der sich zur Vorbereitung des NATO-Gipfels derzeit in Washington aufhält, lobte bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden gestern die Entwicklung als „größte Steigerung seit Jahrzehnten“. Biden sprach von einer „Rekordzahl“ an Verbündeten, die die Zielmarke für Verteidigungsausgaben nun erreichten. *** red, ORF.at/Agenturen
New Yorker Konjunkturindex steigt im Juni deutlich
NEW YORK (Dow Jones)–Die Geschäftsaktivität des verarbeitenden Gewerbes im Großraum New York ist im Juni stärker gestiegen als erwartet. Der von der Federal Reserve Bank of New York ermittelte Index für die allgemeine Geschäftstätigkeit im verarbeitenden Gewerbe des Distrikts erhöhte sich auf minus 6,0. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten nur einen Anstieg auf minus 10,5 prognostiziert. Im Vormonat hatte der Index bei minus 15,6 gelegen.
Ein Wert über null signalisiert eine Expansion, ein Stand darunter eine Kontraktion. Der Index gewährt einen guten Einblick in die Lagebeurteilungen sowie die Erwartungen auf sechs Monate der Hersteller in New York.
Der New Yorker Konjunkturindex ist meist der erste regionale Indikator, der von den Fed-Filialen in einem Monat veröffentlicht wird. Ökonomen betrachten ihn ebenso wie den Indikator der Philadelphia Fed als vergleichsweise verlässlichen Vorläufer für den viel beachteten ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe der USA.
Website: http://www.newyorkfed.org/survey/empire/empiresurvey_overview.html
USA verhängen weitere Sanktionen gegen Huthi-Unterstützer
Die US-Regierung geht mit weiteren Sanktionen gegen Helfer der proiranischen Huthi-Miliz vor. Die Maßnahmen richten sich gegen mehrere Personen und Organisationen in China, dem Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten, wie das US-Finanzministerium gestern mitteilte. Sie sollen die Schiitengruppe aus dem Jemen bei der Beschaffung von Waffen unterstützt haben.
In der vergangenen Woche sei bei einem Huthi-Angriff auf ein Frachtschiff im Roten Meer ein philippinisches Besatzungsmitglied ums Leben gekommen, sagte der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, John Kirby, am Montag in Washington. Bei einem anderen Angriff im Golf von Aden wurde demnach ein Matrose aus Sri Lanka schwer verletzt. Nach Angaben des US-Militärs mussten die Crews beider Schiffe evakuiert werden.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas greifen die Huthi immer wieder Frachter mit angeblich israelischer Verbindung an. Die USA, Großbritannien und ihre Verbündeten reagieren mit Angriffen auf Ziele der Huthi im Jemen. Große Reedereien meiden zunehmend die Route über das Rote Meer, über die normalerweise etwa zehn Prozent des Welthandels laufen. *** red, ORF.at/Agenturen
China: Industrieproduktion enttäuscht – Einzelhandelsumsatz besser als erwartet
PEKING (dpa-AFX) – In China hat sich das Wachstum der Industrieproduktion im Mai stärker abgeschwächt als erwartet. Auch die Investitionen enttäuschten, während sich der Einzelhandelsumsatz besser als von Analysten prognostiziert entwickelte.
Die Industrieproduktion legte im Vergleich zum Vorjahr nur um 5,6 Prozent zu nach 6,7 Prozent im April, wie das Statistikamt am Montag in Peking mitteilte. Analysten hatten zwar eine Abschwächung erwartet, aber nur auf 6,2 Prozent.
Die Investitionen außerhalb des Landwirtschaftssektors zogen in den ersten fünf Monaten um 4,0 Prozent an. Bis Ende April gerechnet hatte das Plus noch bei 4,2 Prozent gelegen. Experten waren davon ausgegangen, dass diese Wachstumsgeschwindigkeit beibehalten wird.
Positiv überraschte hingegen der Umsatz im Einzelhandel. Dieser stieg im Mai um 3,7 Prozent und damit um 1,4 Prozentpunkte mehr als noch im April. Analysten hatten lediglich mit einem Anstieg um 3,0 Prozent gerechnet./la/stk
Simbabwe: Oppositionsführer Timba festgenommen
In Simbabwe hat die Polizei Oppositionsführer Jameson Timba und mehr als 70 Mitstreiter festgenommen. Wie Timbas Anwalt Agency Gumbo gestern der Nachrichtenagentur AFP sagte, wirft die Polizei den Oppositionellen nach einem privaten Treffen am Wochenende Störung der öffentlichen Ordnung und Teilnahme an einer illegalen Versammlung vor. „Die Polizei behauptet, sie hätten Steine geworfen und das Treffen sei nicht genehmigt gewesen“, sagte Gumbo.
Die Gruppe wurde den Angaben zufolge in einem Privathaus in einem Vorort der Hauptstadt Harare festgenommen. Timba, der seit Jänner Interimschef der Oppositionspartei Bürgerkoalition für den Wandel (CCC) ist, wurde demnach zusammen mit seinem Sohn festgenommen. Die Oppositionellen, die in zwei Polizeiwachen in Harare gebracht wurden, sollen nun einem Richter vorgeführt werden.
In Simbabwe war es bereits nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wiederwahl von Präsident Emmerson Mnangagwa im vergangenen August zu einer Festnahmewelle gegen Oppositionelle gekommen. Die Opposition hatte das Wahlergebnis zurückgewiesen. Sie wirft der Regierung vor, Kritiker mit Hilfe der Justiz zum Schweigen zu bringen.
Simbabwe wird seit der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien 1980 von der Präsidentenpartei Zanu-PF beherrscht. Zunächst war 37 Jahre lang der Autokrat Robert Mugabe an der Macht. Als das Militär 2017 gegen den Staatschef putschte, kam Mugabes Vize Mnangagwa ins Amt. *** red, ORF.at/Agenturen
Schweizer Regierung erwartet BIP-Wachstum 2024 von 1,2 Prozent
Die Schweizer Regierung hat ihre bisherige Wachstumsprognose für das laufende Jahr leicht erhöht. Die Expertengruppe des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) rechnet für 2024 mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,2 (Prognose im März: 1,1) Prozent. Für das Jahr 2025 wird unverändert ein Wachstum von 1,7 Prozent in Aussicht gestellt.
EUROPAWAHL 9.6.2024
Österreich-bezogene Informationen dazu auf WIKIPEDIA => Wahlwerbende Parteien
Keine Einigung auf Sondergipfel zu EU-Topposten
Der informelle Gipfel der EU-Staats-und Regierungschefs ist am Montagabend ohne Einigung auf die Besetzung der Topjobs in der EU zu Ende gegangen. Das gab EU-Ratspräsident Charles Michel nach dem Treffen in Brüssel gestern bekannt. Es sei die „kollektive Pflicht“ der EU-Staats- und Regierungschefs, beim offiziellen EU-Gipfel Ende kommende Woche eine Entscheidung zu treffen, so Michel.
Nach der Europawahl Anfang Juni müssen die EU-Regierungsspitzen entscheiden, wen sie als EU-Kommissionspräsidenten, als Ratsvorsitzenden und als EU-Außenbeauftragten vorschlagen wollen. Inoffiziell dürfte auch die künftige Spitze des EU-Parlaments mitverhandelt werden. Michel wollte die drei für die Topjobs kursierenden Namen nicht kommentieren.
Die Regierungschefs, die der Europäischen Volkspartei (EVP) angehören, unterstützen eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen an der Kommissionsspitze. Portugals ehemaliger Premierminister António Costa, der den bei der Europawahl zweitplatzierten Sozialdemokraten angehört, hat bisher die besten Aussichten um Charles Michel nachzufolgen.
Als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge des Spaniers Josep Borrell an der Spitze des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) wird die estnische Ministerpräsidentin Kallas genannt. Sie gehört den drittplatzierten liberalen Renew an, und ist auf EU-Ebene angesehen. red, ORF.at/Agenturen
EU – Nachtsitzung ohne Ergebnis: noch keine Neubesetzung der EU-Posten – Pioneer
Verlängerung: Im Poker um die Neubesetzung von EU-Spitzenposten nach der Europawahl gibt es noch keine Einigung. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder konnten sich in der Nacht zum Dienstag bei einem Gipfeltreffen in Brüssel nicht abschließend auf alle Details des geplanten Personalpakets verständigen.
Von der Leyen soll an der Spitze bleiben: Das Paket sieht vor, dass die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen weitere fünf Jahre Präsidentin der EU-Kommission bleibt. Die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas würde demnach neue EU-Chefdiplomatin werden. Zum Präsidenten des Gremiums der Staats- und Regierungschefs soll der frühere portugiesische Regierungschef António Costa gewählt werden.
Nur noch Detailfragen: Ende nächster Woche kommen die Staats- und Regierungschefs zu einem weiteren Gipfel zusammen. Dort muss nun erneut über die Spitzenposten beraten werden. Von Diplomaten hieß es, es gehe letztlich nur noch um Details. Die sechs Staats- und Regierungschefs, die für die drei großen Parteienfamilien verhandelten, seien sich bei den Namen von der Leyen, Costa und Kallas einig.
Streit über EU-Ratspräsidentenamt: Ein Grund für Streit am Montagabend war nach Angaben von Diplomaten, dass die Parteienfamilie mit den Parteien CDU und CSU erreichen wollte, dass die Besetzung des Amtes des EU-Ratspräsidenten nicht sofort für fünf Jahre geregelt wird. Dies würde bedeuten, dass sie theoretisch nach zweieinhalb Jahren Anspruch auf das Amt erheben könnte. Die Sozialdemokraten lehnten dies nach Angaben aus Verhandlungskreisen ab.
Arbeitskosten im Euroraum steigen im ersten Quartal um 5,1 Prozent
LUXEMBURG (Dow Jones)–Die Arbeitskosten in der Eurozone sind im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr um nominal 5,1 (Vorquartal: 3,4) Prozent gestiegen. Dahinter stand ein Anstieg der Lohnkosten um 5,3 (zuvor: 3,2) Prozent und ein Anstieg der Lohnnebenkosten um 4,5 (4,1) Prozent, wie die Statistikbehörde Eurostat auf Basis kalenderbereinigter Daten mitteilte. In der gesamten EU erhöhten sich die Arbeitskosten um 5,5 (4,1) Prozent.
Die EZB betrachtet nach Aussage von Offiziellen ein Lohnwachstum von 3 Prozent als mit mittelfristiger Preisstabilität vereinbar – dies allerdings nur unter der Voraussetzung eines Produktivitätswachstums von 1 Prozent. Im ersten Quartal hatte die Produktivität aber nur stagniert.
In Deutschland stiegen die Arbeitskosten um 5,9 (2,3) Prozent, in Frankreich um 2,7 (2,9) Prozent und in Italien um 3,1 (0,0) Prozent.
Im Jahresvergleich verzeichnete Belgien mit 2,3 Prozent den geringsten Anstieg und den größten Rumänien mit 16,4 Prozent. In der Industrie legten die Arbeitskosten in der Eurozone um 4,8 Prozent und in der Gesamt-EU um 5,5 Prozent zu. *** DJG/apo/mgo
Zwei Jobs, bis 13 Stunden am Tag Griechenland führt die Sechstagewoche ein
Niemand in der EU arbeitet so viel wie die Griechen – und ab nächstem Monat kann deren Arbeitszeit sogar noch deutlich steigen. Die Regierung erhofft sich von der Reform des Arbeitsrechts, dass weniger schwarz gearbeitet wird und die Unternehmen mehr Fachkräfte finden.
Mehr als 1800 Stunden arbeitet ein griechischer Vollzeitbeschäftigter im Durchschnitt im Jahr. Das sind so viele Arbeitsstunden wie in keinem anderen EU-Land und gut 500 Stunden mehr, als Deutsche durchschnittlich arbeiten. Während Deutschland über eine weitere Senkung der Arbeitszeit debattiert und erste Unternehmen die Viertagewoche einführen, wird die Arbeitszeit in Griechenland drastisch angehoben: Am 1. Juli tritt in Griechenland eine weitreichende Arbeitsreform in Kraft, die unter anderem die Einführung der Sechstage-Arbeitswoche beinhaltet.
Das Gesetzespaket hatte die konservative Regierung im vergangenen Herbst gegen heftigen Widerstand der Opposition und der Gewerkschaften durch das Parlament gebracht. Demnach wird die maximal zulässige Arbeitszeit auf bis zu 48 Stunden an bis zu sechs Tagen pro Woche erhöht. Auch andere Bestimmungen des Arbeitsrechts werden flexibilisiert. Künftig ist es Unternehmen erlaubt, ihre Beschäftigten erst 24 Stunden vor Arbeitsbeginn über deren Einsätze zu informieren. Beschränkungen von Probezeiten werden ebenfalls gelockert.
Außerdem dürfen Arbeitnehmer künftig neben einer Vollzeitstelle von acht Stunden noch einen Nebenjob von bis zu fünf Arbeitsstunden pro Tag annehmen. Damit summiert sich die zulässige Höchstarbeitszeit pro Woche auf bis zu 78 Stunden. Formell dürfen Arbeitnehmer nicht zu entsprechender Mehrarbeit gezwungen werden. Das Gesetz sieht zudem erhebliche Zuschläge vor: Für Samstagsarbeit muss demzufolge 40 Prozent mehr gezahlten werden, für Sonntage sogar 115 Prozent mehr.
Strafen für Streikwachen
Gewerkschaften befürchten dennoch, dass das Gesetz zu einer Ausbeutung der Arbeitnehmer führen wird. Sie verwiesen bei der Debatte um die Reform darauf, dass die behördlichen Kontrollen des Arbeitsschutzes in Griechenland „praktisch nicht existent“ seien. Zudem wird auch der Einfluss von Gewerkschaften eingeschränkt. So kann künftig mit hohen Geld- oder sogar Gefängnisstrafen belegt werden, wer arbeitswillige Beschäftigte an der Arbeitsaufnahme hindert – also etwa Streiks durchsetzt.
Mit der Reform will die Regierung zum einen den Fachkräftemangel bekämpfen, unter dem nicht nur die Industrie leidet. Auch für die Tourismusbranche ist es schwierig, ausreichend Saisonkräfte zu finden. Insbesondere Touristikbetriebe sollen davon profitieren, indem ihre Beschäftigten während der Hochsaison künftig deutlich mehr – und im Winter dafür weniger oder gar nicht arbeiten. Zum anderen erhofft sich die Regierung, die weitverbreitete Schwarzarbeit zu bekämpfen. Viele Griechen hätten ohnehin Zweitjobs neben ihrem Hauptberuf, argumentierten die Befürworter des Gesetzes. Diese Tätigkeiten sollen mit der Reform aus der Illegalität geholt werden. *** Quelle: ntv.de, mbo
Vor Wahl in Frankreich: Linksbündnis ringt um Einigkeit
Mit der Bestätigung der Kandidatinnen und Kandidaten für die anstehende Parlamentswahl am 30. Juni und 7. Juli hat am Montag in Frankreich offiziell der Wahlkampf begonnen. Um bessere Erfolgschancen zu haben, gehen viele Parteien dabei Wahlbündnisse ein. Während die Rechtspopulisten jedoch gestärkt aus der Europawahl hervorgehen, herrscht bei den Linken Uneinigkeit. Vor allem Sozialisten und Linkspartei sind in der Führungsfrage zerstritten.
Online seit heute, 6.08 Uhr
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Sozialisten, Linkspartei, Grüne und Kommunisten hatten sich letzte Woche zum Bündnis Le Nouveau Front populaire (Die neue Volksfront) zusammengeschlossen. Damit werde ein neues Kapitel in der Geschichte des Landes aufgeschlagen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Führungsfigur der Linkspartei La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Melenchon, will bei einem Wahlsieg Premierminister werden.
Anders als vor der EU-Wahl ist aber nicht mehr die Linkspartei stärkste linke Partei, sondern die Sozialisten, die bei der Europawahl mit ihrem Kandidaten Raphael Glucksmann punkten konnten. Glucksmann sprach sich gegen Melenchon als Spitzenkandidaten aus – und auch anderen im linken Lager ist der Altlinke ein Dorn im Auge. Beim gemeinsamen Foto und den programmatischen Reden zum neuen Linksbündnis am Freitag fehlten beide.
Aufregung über Kandidatenliste
Am Samstag gab es zugleich große Aufregung in der Linkspartei über die Kandidatenliste zur Wahl, von „Säuberung“ und „Sektierertum“ war die Rede. Verdiente Abgeordnete fanden sich nicht auf der Liste wieder, wie etwa Alexis Corbiere, der Melenchon vorwarf, „seine Rechnungen zu begleichen“, wie der Sender France Info berichtete. Grünen-Generalsekretärin Marine Tondelier äußerte sich „extrem schockiert“ über die Vorgänge bei der Linkspartei und forderte Beratungen.
Auch weitere Stimmen innerhalb der LFI wurden laut. Viele warfen Melenchon autokratisches Verhalten vor. „Die Führung von France Insoumise ist weit davon entfernt, sich der Situation zu stellen, und stürzt sich in die schlimmsten Machenschaften“, schrieb Francois Ruffin, ein Parteirebell, auf X (Twitter). Man könne nicht „für das Land Frieden und Demokratie anstreben und für die Partei eine Herrschaft der Angst und Brutalität“.
Streit als Chance für Macron?
Das Linksbündnis – inspiriert von der Entschlossenheit, Marine Le Pens rechtspopulistischen Rassemblement National zu schlagen – beruft sich auf den Geist der Einheit, der 1936 unter Leon Blum herrschte, als sich die Linke zusammenschloss, um eine rechtsextreme Machtübernahme in Frankreich zu verhindern. Sie könnte den Kandidatinnen und Kandidaten des zentristischen Bündnisses von Präsident Emmanuel Macron die Wahl erheblich erschweren.
Doch Macron könnten das Chaos und die Zerstrittenheit bei den Linken auch durchaus in die Karten spielen, präsentierte er sich und seine Renaissance-Bewegung doch als den einzigen Garanten für Stabilität in Frankreich. Zugleich warnte er vor der Gefahr durch das extreme linke und rechte Lager: Die Blöcke seien sich bei keiner Zukunftsfrage einig und könnten keine regierungsfähige Mehrheit bilden.
Macron hatte als Reaktion auf die Niederlage seiner liberalen Kräfte bei der Europawahl und den haushohen Sieg der Rechtspopulisten die Nationalversammlung aufgelöst und eine Neuwahl der französischen Parlamentskammer in zwei Durchgängen für den 30. Juni und den 7. Juli angekündigt. Um Macrons Präsidentenamt geht es dabei nicht. Macrons Amtszeit als Präsident geht bis 2027, dann darf er nicht erneut antreten. Einen Rücktritt bei einer Wahlniederlage lehnt er ab.
Auch Streit bei Konservativen
Neben dem linken Lager ist jedoch auch im rechten Parteienspektrum nicht alles eitel Wonne. Der Chef der bürgerlich-konservativen Partei Les Republicains, Eric Ciotti, etwa hatte Anfang letzter Woche überraschend und unabgestimmt eine Kooperation mit RN-Chef Jordan Bardella sondiert. Führungskräfte der einstigen Volkspartei empörten sich über diesen Tabubruch und warfen Ciotti aus der Partei.
Am Freitagabend hob ein Pariser Gericht allerdings den Rauswurf in einer Eilentscheidung vorläufig auf: Binnen acht Tagen müsse Ciotti in der Streitfrage ein Hauptsacheverfahren anstrengen, so lange bleibe er Parteichef. Die Partei erklärte danach, sie werde zur Parlamentswahl mit unabhängigen Kandidatinnen und Kandidaten antreten.
Doch Ciotti war nicht der Einzige, der mit Bardella über ein Bündnis sondierte. Bereits am Montag nach der EU-Wahl hatte die Spitzenkandidatin der rechtsextremen Partei Reconquete für die Europawahl, Marion Marechal, mit dem RN-Chef über eine Kooperation gesprochen. Der Reconquete-Präsident Eric Zemmour, der sich anders als Marechal mit der Le-Pen-Partei überworfen hatte, schmiss daraufhin Marechal, eine Nichte von Le Pen, aus der Partei.
Proteste gegen Rechtsruck und Wahlappelle
Nach dem EU-Wahlsieg der rechtspopulistischen RN von Le Pen hatten am Samstag landesweit Hunderttausende Menschen gegen einen Rechtsruck in Frankreich protestiert. Nach Angaben des Innenministeriums nahmen landesweit 250.000 Menschen an den Kundgebungen teil, 75.000 alleine in Paris.
Die Proteste riefen auch die französische Sportelite auf den Plan. Obwohl die Nationalmannschaft derzeit bei der Europameisterschaft im Einsatz ist, hielt Kapitän Kylian Mbappe auf einer Pressekonferenz am Sonntag ein Plädoyer an seine Mitbürgerinnen und Mitbürger, ihre Stimme bei der Parlamentswahl abzugeben. Man sehe, „wie die extreme Rechte weiter nach vorne kommt“, so der 25-Jährige, aber man habe „die Zukunft in der Hand“.
Und auch Frankreichs zweitbeliebtester Youtuber, der Künstler Squeezie, mischte sich in den französischen Wahlkampf. Er warnte seine fast neun Millionen Followerinnen und Follower auf Instagram vor einem „drastischen Anstieg der extremen Rechten“ und appellierte an junge Menschen, zur Wahl zu gehen.
Mehrheitswahlrecht
Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Die 577 Abgeordneten werden nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Wer mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen in seinem Wahlkreis erhält, bekommt den Parlamentssitz, sofern das mindestens einem Viertel der eingeschriebenen Wählerinnen und Wähler dort entspricht.
Das schaffen aber nur die allerwenigsten in der ersten Runde. Die Großzahl der Sitze wird in einer Stichwahl in der zweiten Wahlrunde vergeben. Dort gewinnt die Person mit den meisten Stimmen. Bei der Parlamentswahl 2022 war das Macron-Lager auf 245 Sitze gekommen, verlor dadurch seine absolute Mehrheit. Das damalige Linksbündnis von Melenchon kam auf 131 Sitze, der RN von Le Pen auf 89. *** flam, ORF.at/Agenturen
Links:
DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
IG Metall empfiehlt Forderung nach 7% mehr Entgelt für Metall/Elektro
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)–Der Vorstand der IG Metall empfiehlt den regionalen Tarifkommissionen in der Metall- und Elektroindustrie, mit einer Forderung nach einer Entgeltsteigerung von 7 Prozent in die Tarifrunde 2024 zu gehen. Wie Tarif-Vorständin Nadine Boguslawski mitteilte, soll der endgültige Tarifbeschluss am 9. Juli gefasst werden. Die Friedenspflicht endet am 30. September. „Dann sind Warnstreiks prinzipiell möglich“, sagte Boguslawski. Im Mai waren die Löhne in diesem Industriezweig um 3,3 Prozent gestiegen und im Juni 2023 um 5,2 Prozent. Diese Steigerungen hatte die IG Metall 2022 ausgehandelt. Zusätzlich hatte es zwei Inflationsausgleichsprämien von je 1.500 Euro gegeben.
Deutschland als Weltmeister unter den Sozialstaaten – Pioneer
Deutschland fällt zurück, heißt es allenthalben. In einem einzigen Bereich allerdings trifft diese Beschreibung nicht zu. Stichwort Wohlfahrtsstaat: Auf diesem Feld ist Deutschland die globale Nummer eins. Unangefochten. Uneinholbar. Diese Zuwachsraten gibt es nirgendwo.
Ins Polemische gewendet könnte man auch sagen: Im 19. Jahrhundert haben die Deutschen das Automobil erfunden, im 20. Jahrhundert die Kernspaltung und im 21. Jahrhundert das Bürgergeld. Es ist heute die großzügigste Sozialleistung auf Erden, was von Kiew bis Kenia für Aufsehen sorgt, da diese milde Gabe an keine Nationalität gebunden ist. …
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN
„Inflation im Mai 2024 bei 3,4 %“
von Statistik Austria finden Sie als PDF auf unserer Website.
Chemie-KV: Löhne und Gehälter steigen um 6,33 Prozent
Die Löhne und Gehälter in der Chemieindustrie steigen um 6,33 Prozent, maximal jedoch um 316,50 Euro – darauf haben sich die Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter gestern in der siebenten Verhandlungsrunde geeinigt. Die Ist- und die Mindestlöhne werden im gleichen Ausmaß angehoben. Die Lehrlingseinkommen steigen ebenfalls um 6,33 Prozent. Der neue Kollektivvertrag gilt ab 1. Mai 2024 mit einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Die Gewerkschaften PRO-GE und GPA hatten auf ein Lohn- und Gehaltsplus für die rund 50.000 Chemieindustrie-Beschäftigten in Höhe der rollierenden Inflation von 6,33 Prozent und für Gutverdiener auf eine gedeckelte Zahlung bestanden – darauf hat man sich nun geeinigt.
Arbeitgeber: „Weiterhin faire Entlohung“
„Aufgrund des aktuell schwierigen wirtschaftlichen Umfelds für die Branche haben wir in sehr herausfordernden und langwierigen Verhandlungen einen vertretbaren Abschluss erreicht, der die Kaufkraft der Beschäftigten absichert“, so die Bilanz der Verhandlungsleiter auf Arbeitnehmerseite, Alfred Artmäuer (PRO-GE) und Günther Gallistl (GPA). Die Warnstreiks hätten Wirkung gezeigt.
„Vor dem Hintergrund der anhaltenden Unsicherheiten war die Suche nach einer gemeinsamen Lösung heuer besonders herausfordernd“, sagte Arbeitgeber-Verhandlungsleiter Berthold Stöger laut Mitteilung. „Umso wichtiger ist es, dass wir uns nach intensiven und konstruktiven Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern einigen konnten. Jetzt haben wir einen Kollektivvertragsabschluss, der mit einer durchschnittlichen Auswirkung von 5,54 Prozent für die Unternehmen der Branche wirtschaftlich gerade noch tragbar ist und durch die soziale Staffelung für die Beschäftigten eine weiterhin faire Entlohnung bedeutet.“ *** red, ORF.at/Agenturen
EU-Minister beschließen Gesetz zur Wiederherstellung der Natur – HANDELSBLATT
Mit dem Gesetz sollen Land- und Meeresflächen in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Es stand bereits vor dem Aus. Doch ein Alleingang aus Österreich bringt nun die Mehrheit.
Brüssel, Berlin, Düsseldorf. Trotz der Proteste von Bauern und des Widerstands von konservativen Parteien haben die Umweltministerinnen und -minister der EU-Staaten am Montag für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur gestimmt – und es damit final beschlossen. Es war die letzte Chance für das hochumstrittene Umweltgesetz.
Das Gesetz verpflichtet die Mitgliedstaaten erstmals dazu, die Natur nicht nur zu schützen, sondern aktiv wiederherzustellen. Bis 2030 müssen die Mitgliedstaaten auf mindestens 20 Prozent der Landflächen und Meeresgebiete Schritte zu Renaturierung angehen.
Das Ziel können sie erreichen, indem sie trockengelegte Moore fluten, Wälder aufforsten und Städte begrünen. Die Mitgliedstaaten entscheiden dabei selbst, wie sie die Vorgaben erreichen. EU-weit sollen jedoch drei Milliarden zusätzliche Bäume gepflanzt werden und 25.000 Flusskilometer wieder in einen natürlichen Zustand kommen.
Nach Angaben der EU-Kommission befinden sich 81 Prozent der Lebensräume in einem schlechten Zustand. Das beschleunigt das Artensterben und den Klimawandel. Die EU und ihre Mitgliedsländer hatten sich auf der Weltnaturkonferenz COP15 in Montreal vor zwei Jahren dazu verpflichtet, eine Biodiversitätsstrategie zu entwickeln.
Im Juni 2022 hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag für das Gesetz vorgelegt. Widerstand dagegen gab es vor allem von den konservativen Parteien und den Bauern. Der ursprüngliche Entwurf der Kommission wurde inzwischen zwar abgeschwächt, trotzdem ebbte der Protest der Bauern nicht ab.
Die Belgier übergeben die Ratspräsidentschaft in diesen Tagen an die Ungarn. Dass Ungarn das Gesetz noch einmal auf die Tagesordnung im Umweltrat gesetzt hätte, wäre unwahrscheinlich gewesen.
Noch am Freitagabend war es unklar, ob es für eine qualifizierte Mehrheit reicht. Die Belgier hatten daraufhin die Abstimmung von der Tagesordnung gestrichen. Für eine qualifizierte Mehrheit fehlte die Zustimmung eines Landes. Nötig ist für eine qualifizierte Mehrheit ein Ja von 15 der 27 EU-Staaten, die insgesamt mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Die beiden großen Mitgliedsländer Deutschland und Frankreich stimmten dafür.
Regierungskrise in Österreich
Über das Wochenende konnten die Belgier weitere Gespräche mit den Österreichern führen. Mit Erfolg: Die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) stimmte für das Renaturierungsgesetz. Nun steckt Österreich allerdings mitten in einer Regierungskrise, denn ihr konservativer Koalitionspartner von der ÖVP war dagegen.
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) hatte sich explizit dagegen ausgesprochen. Dass sich Gewessler nun über Totschnig hinweggesetzt hat, sorgt in Österreich und unter den Konservativen in der EU für Empörung.
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) droht bereits mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, weil Gewessler ohne rechtliche Grundlage zugestimmt habe. Ob es tatsächlich eine Klage geben wird und wie die rechtliche Situation in Österreich und auf EU-Ebene ist, sei unklar, hieß es in österreichischen Medienberichten am Montag.
Im Herbst wird in Österreich ein neues Parlament gewählt. Bei der Europawahl wurde die rechte FPÖ erstmals in einer landesweiten Wahl in Österreich stärkste Kraft.
„Keine Zeit für eine Pause beim Umweltschutz“
Es sei das Ergebnis harter Arbeit, die sich gelohnt habe, sagt der belgische Umweltminister Alain Maron nach der Abstimmung am Montag: „Es gibt keine Zeit für eine Pause beim Schutz unserer Umwelt.“ Die Europäische Kommission könne nun mit erhobenem Haupt zur nächsten COP gehen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach von einem „entscheidenden Schritt, um in Europa eine intakte Natur zu erhalten, sowohl an Land als auch im Meer“. Eine intakte Natur sei „das Netz, dass uns alle trägt“. Die Vielfalt der Arten, die Leistungen der Ökosysteme müssten gestärkt und geschützt werden, „damit sie uns schützen können“.
Im Europawahlkampf war das Gesetz ein umstrittenes Thema. Es ist Teil des Green Deals, mit dem die EU ihre Klimaziele erreichen und bis 2050 klimaneutral sein will. Umweltschutz und Biodiversität spielen dabei eine zentrale Rolle.
Doch die konservative EVP stellte sich im Wahlkampf gegen den Green Deal. Sie sprach von einer Überforderung der Bevölkerung durch Einzelmaßnahmen wie das nun beschlossene Gesetz. Die Konservativen fürchten starke Auswirkungen auf die Landwirtschaft und eine Lebensmittelknappheit, die Lebensmittel in Zeiten hoher Inflation weiter verteuern würde.
Die EU-Kommission kam daraufhin den Bedenken der Konservativen entgegen. So muss es sich bei der Wiederherstellung ausgetrockneter Moore nicht mehr um vorher landwirtschaftlich genutzte Flächen handeln. Die Wiederherstellung von Mooren ist eine der kosteneffizientesten Maßnahmen zum Binden von CO2 und bietet gleichzeitig Vorteile für die biologische Vielfalt. Auch die Vorgaben zu den Grünflächen in den Städten sind nun weniger strikt. Das Gesetz konnte am Ende trotz des Widerstands der Konservativen noch eine Mehrheit im Parlament finden.
- Siehe dazu: Tabubruch in Brüssel – Konservative verbünden sich mit rechts außen gegen den Green Deal
Außerdem führte die EU eine Art „Notbremse“ ein. Sollte es zu einer unvorhersehbaren Notsituation kommen, die die Ernährungssicherheit gefährdet, kann die EU-Kommission die Ziele zur Renaturierung landwirtschaftlicher Ökosysteme für ein Jahr aussetzen.
Die Revolte der Konservativen ging allerdings so weit, dass selbst Lebensmittelkonzerne wie Nestlé und Unilever sich einschalteten und die EU-Gesetzgeber dazu aufforderten, für das Gesetz zu stimmen, da es langfristig positive Auswirkungen auf die Wirtschaft habe.
Keine „Flower-Power-Übung“
Auch Frank Elderson, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), äußerte sich dahingehend in einem Interview mit der „Financial Times“: Der Schutz der biologischen Vielfalt sei für die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung und „nicht eine Art Flower-Power-Übung“. Ähnlich argumentierte auch die EU-Kommission.
Die nächste Zitterpartie stand dann im Umweltrat an. Die Ministerinnen und Minister hätten jedoch „ihre Verantwortung zum Schutz und der Wiederherstellung unserer Überlebensgrundlagen ernst genommen“, sagt die Europaabgeordnete Jutta Paulus (Grüne) am Montag. Das Gesetz zur Rettung der Natur sei ein unverzichtbarer Baustein des Green Deals.
„Der Green Deal hat seinen ersten Test nach den Europawahlen bestanden“, sagt Europaabgeordnete Delara Burkhardt (SPD) und spricht von einem „Meilenstein“. Mehr renaturierte Räume werden nicht nur der Umwelt zugutekommen, sondern auch die Menschen besser vor Klimarisiken wie Fluten schützen.
Österreichs Kanzler Nehammer will Koalition trotz „Vertrauensbruch“ fortsetzen
Wenige Monate vor der Wahl gerät Österreichs Koalition in eine tiefe Krise. Die Zustimmung der Grünen-Ministerin zu einem EU-Gesetz bringt ihr harsche Kritik ein.
Wien. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer will an seiner Koalition mit den Grünen festhalten an. Dies sagte der ÖVP-Politiker am heutigen Montag bei einer Pressekonferenz in Brüssel.
Vorangegangen war ein Streit um ein EU-Umweltschutzgesetz. Österreichs konservative Kanzlerpartei ÖVP geht strafrechtlich gegen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler vor. Nehammer kündigte bei der Pressekonferenz eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs an.
Durch ihre Zustimmung zu dem EU-Renaturierungsgesetz habe Gewessler am Montag in Luxemburg mutmaßlich wissentlich Verfassungsrecht gebrochen, argumentierte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. „Leonore Gewessler stellt sich über die Verfassung, weil sie es mit ihrer grünen Ideologie nicht vereinbaren kann, gesetzeskonform zu handeln“, so Stocker.
„Ich weiß, dass die Erwartungshaltung jetzt ist – und eine durchaus nachvollziehbare – mit einem so krassen Fehlverhalten einer Ministerin eines Koalitionspartners, müsste die Koalition beendet werden“, gab Nehammer zu bedenken. „Ich werde das nicht tun“, sagte der Politiker. Er wolle allerdings das „freie Spiel“ der Kräfte unterbinden. Hätte er aber auf seine Emotionen gehört, hätte er die Koalition beenden müssen, sagte er in dem österreichischen Rundfunk.
Er wolle trotz des „Vertrauensbruchs“ der Ministerin die Wahlen des Nationalrates am 29. September ermöglichen, sagte Nehammer. Vor der Pressekonferenz hatte die Partei des Kanzlers informell beraten.
Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof
Nehammer kündigte zudem an, dass eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof „fix“ eingereicht werde. Formal wird das demnach Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) tun. Das berichtete „Der Standard“.
Die Nichtigkeitsklage soll die Abstimmung über das Gesetz für ungültig erklären lassen
Nehammer und Edtstadler schrieben noch am Sonntagabend, als sich der Schritt Gewesslers bereits abzeichnete, einen Brief an die belgische Ratspräsidentschaft. Darin verwiesen sie auf die eigene Position und informierten die EU darüber, dass die Ministerin nicht zur Zustimmung befugt sei.
Am Montag schickte dann seinerseits der grüne Vizekanzler Werner Kogler einen Brief nach Brüssel, den auch Gewessler unterschrieb. Beide wiesen das Schreiben der ÖVP-Vertreter zurück und bekräftigten die Position, die die Umweltministerin schon bei der Abstimmung vertreten hatte.
Österreich: Nicht einmal Verfassungsrechtler sind sich einig
Die ÖVP argumentiert, dass Gewessler an einen Einspruch der österreichischen Bundesländer gegen das EU-Gesetz gebunden sei. Gewessler ist überzeugt, dass dieses Veto nicht mehr gilt, seitdem Wien zuletzt den Länder-Konsens verlassen hat und das Gesetz unterstützt. Beide Seiten verweisen jeweils auf entsprechende Rechtsgutachten. Selbst Verfassungsjuristen seien sich nicht einig, wer recht habe, schrieben österreichische Medien.
Bei einem Treffen der EU-Umweltminister in Luxemburg stimmte eine ausreichende Mehrheit von EU-Staaten dem von Landwirten und Konservativen kritisierten Vorhaben zu. Es hing von Österreich ab, ob das Gesetz beschlossen werden kann – ohne die Stimme aus Wien wäre die Abstimmung mindestens vertagt worden. Dem Gesetzestext nach sollen künftig in der Europäischen Union mehr Bäume gepflanzt sowie Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden.
In der österreichischen Bevölkerung war die Zustimmung zu dem Gesetz vor der Abstimmung groß: Laut einer Umfrage, über die österreichische Medien berichten, sprachen sich 82 Prozent der Befragten für die neuen EU-Regeln aus.
EU-Politik. Gesetz zur Wiederherstellung der Natur erhält grünes Licht – Eklat in Österreich
Nach monatelangen schwierigen Verhandlungen zwischen dem EU-Rat und dem Europäischen Parlament stimmten die Umweltminister in Luxemburg für die Verabschiedung des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur.
Die EU-Umweltminister haben in Luxemburg nach monatelangen, schwierigen Verhandlungen zwischen das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur verabschiedet, das so genannte Renaturierungsgesetz, In letzter Minute lenkte Österreich ein.
Belgien hat für heute eine öffentliche Debatte über das blockierte Biodiversitätsgesetz anberaumt, das im Jahr 2022 vorgeschlagen wurde und die jahrzehntelange Zerstörung von Ökosystemen aufhalten soll.
Das Europäische Parlament hatte das Gesetz, das den Beginn von Renaturierung der Umwelt auf einem Fünftel der Land- und Meeresflächen bis 2030 vorschreibt und langfristige Ziele für die Wiederherstellung bestimmter Ökosysteme festlegt, nach einer informellen Vereinbarung mit dem EU-Ministerrat im vergangenen November angenommen.
Blockade gegen den „großen Wurf“
Doch was als „großer Wurf“ gedacht war, wurde von einer Handvoll Länder blockiert, die die so genannte Trilog-Vereinbarung nicht einhielten: Österreich, Belgien, Finnland, Italien, die Niederlande, Polen, Schweden und – nach einer umstrittenen Kehrtwende in letzter Minute – Ungarn hatten ursprünglich signalisiert, dass sie sich entweder der Stimme enthalten oder das Gesetz ablehnen, wenn es zur Abstimmung kommt – in der Praxis gibt es keinen Unterschied. Mit nur einer Veränderung wäre das Gesetz angenommen worden, und Österreich hat sich dem angeschlossen.
„Dieses Gesetz ist für die Bekämpfung des Klimawandels von zentraler Bedeutung. Wir müssen Rechtssicherheit für Menschen schaffen, die Boden und Land nutzen. Wir haben die Mitgliedstaaten gebeten, uns die Möglichkeit zu geben, an verschiedenen Punkten der Umsetzung zu arbeiten“, sagte die österreichische Umweltministerin Leonor Gewessler während der Debatte. Sie wies darauf hin, dass der Alpenstaat nationale Bestimmungen ändern müsse. Zwei Bundesländer – Wien und Kärnten – hätten sich für das Gesetz ausgesprochen, obwohl sie es ursprünglich ablehnten.
Eklat in Österreich: Umweltministerin stellt sich gegen Bundeskanzler
Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer forderte Gewessler jedoch am Sonntag offiziell auf, dem Naturwiederherstellungsgesetz nicht zuzustimmen. Die österreichische Umweltministerin sei nicht berechtigt, das Land in dieser Hinsicht zu verpflichten. Nun droht die regierende ÖVP der Ministerin mit einer Klage.
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker kündigte eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs an. Die Aktion ist für beide Seiten wohl auch ein Wahlkampfmanöver: Am 29. September gibt es in Österreich Parlamentswahlen.
Durch ihre Zustimmung zu dem EU-Gesetz habe Gewessler mutmaßlich wissentlich Verfassungsrecht gebrochen, so der ÖVP-Funktionär: „Leonore Gewessler stellt sich über die Verfassung, weil sie es mit ihrer grünen Ideologie nicht vereinbaren kann, gesetzeskonform zu handeln“, sagte Stocker.
Umwelt schonen, ja – aber die Kosten…
Die EU-Länder, die das Gesetz ablehnen, führten Bedenken in Bezug auf den Agrarsektor, Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards und die Umsetzungskosten an. „Wir sind alles andere als zufrieden, wir können nicht akzeptieren, dass wir die wirtschaftliche und administrative Belastung des Agrarsektors erhöhen“, sagte die italienische Vize-Umweltministerin Vannia Gava.
Obwohl Finnland die Notwendigkeit anerkennt, Schäden an der biologischen Vielfalt rückgängig zu machen, lehnt es vor allem die Kosten für die Umsetzung des Gesetzes ab. „Wenn das Gesetz verabschiedet werden soll, betone ich, dass wir alle hart arbeiten müssen, um eine kosteneffiziente und ausgewogene Umsetzung zu gewährleisten, und ich hoffe, dass die Europäische Kommission entsprechend arbeiten wird“, sagte der finnische Umweltminister Kai Mykkänen.
„Lassen wir die Ideologie hinter uns und machen wir uns gemeinsam an die Arbeit. Die Zeit für politische und ideologische Diskussionen ist vorbei, machen wir uns an die Arbeit“, betonte Virginijus Sinkevičius, Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei.
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ANALYSE – EU-Renaturieungsgesetz: Von Schmetterlingszählung bis Enteignung: Was an Einwänden gegen das Renaturierungsgesetz dran ist
Viele Ängste begleiten das Vorhaben rund um das umstrittene EU-Renaturierungsgesetz. Was ist von ihnen zu halten?
Komplexe EU-Gesetze stehen üblicherweise nicht besonders prominent im Licht der breiten Öffentlichkeit. Ganz anders ist es jedoch beim geplanten EU-Renaturierungsgesetz, eigentlich „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“. Mit diesem Teil des europäischen Green Deal will Brüssel in den kommenden Jahrzehnten für naturnähere Landschaften in Europa sorgen. Das Regelwerk besteht vornehmlich aus Zielvorgaben für Naturschutzgebiete und Agrarflächen, mit deren Hilfe die Biodiversität wieder zunehmen soll.
An diesem Montag haben die Umweltministerinnen und -minister in Luxemburg final über das Renaturierungsgesetz abgestimmt und ihm zugestimmt. Eine Ablehnung hätte bedeutet, dass der komplette bisherige Prozess hinfällig ist. Die EU-Renaturierungsverordnung galt eigentlich bereits als durchgebracht; das EU-Parlament hatte zugestimmt und die Staaten ihren grundsätzlichen Sanctus signalisiert. Doch dann zogen einige EU-Länder doch wieder zurück.
https://13e581f8a27b4a4e8eb1f5d7c478f3c5.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-40/html/container.html Auch Österreichs Position war, gelinge gesagt, kompliziert. Bis vor kurzem hat Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) eine einheitliche negative Stellungnahme der Bundesländer gesetzlich zur Ablehnung verpflichtet. Mitte Mai sind dann die rot regierten Bundesländer Wien und Kärnten aus der Länderblockade ausgeschert. Deshalb galt es selbst unter Verfassungsjuristen als unklar, ob die einheitliche Stellungnahme noch aufrecht ist und ob Gewessler daran gebunden wäre. Überdies war fraglich, ob die ÖVP innerhalb der Regierungskoalition ein Veto einlagen darf. Am Sonntag legte sich Gewessler dann aber bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz fest: Sollte es am Montag zu einer Abstimmung kommen, werde sie zustimmen.
Viele Ängste, viele Einwände
Über das Renaturierungsgesetz wurde in den vergangenen Wochen jedenfalls aufgeregt debattiert. Vor allem Vertreter von ÖVP und Landwirtschaft stemmten sich geradezu rabiat dagegen. DER STANDARD hat sich drei Argumente gegen das Gesetz herausgepickt – und eruiert, was tatsächlich an ihnen dran ist.
Einwand eins: Lebensmittelsicherheit
„Der Vorschlag in seiner jetzigen Form führt zu einer geringeren Lebensmittelproduktion in Europa, treibt die Lebensmittelpreise noch weiter in die Höhe und gefährdet die Ernährungssicherheit.“ (ÖVP-EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber, Presseaussendung, 15. Juni) Eine schnelle Entgegnung auf Alexander Bernhubers Aussage findet sich im Verordnungsentwurf des Renaturierungsgesetzes.
Bei einem „unvorhersehbaren, außergewöhnlichen und unprovozierten Ereignis ein, das (…) schwerwiegende unionsweite Folgen für die Verfügbarkeit von Flächen hat“, heißt es im Artikel 27, könne „die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen vorübergehend ausgesetzt werden“. Die Aussetzung der Renaturierungsverordnung gilt für zwölf Monate; währenddessen kann sich die EU-Kommission Alternativen zum Gesetz überlegen.
So weit, so gut – es gibt also einen Notausstieg. Aber: Könnte sich die Renaturierung etwa von Mooren, Wäldern oder Küstengebieten nicht auch langfristig und schleichend negativ auf landwirtschaftliche Erträge auswirken, unabhängig von einem etwaigen schwerwiegenden Ereignis?
Es gibt Hinweise darauf, dass eher das Gegenteil der Fall ist: Die Ernährungssicherheit verbessert sich, statt sich zu verschlechtern. „Wir sind der Ansicht, dass die Wiederherstellung geschädigter und übernutzter Ökosysteme eine Versicherung ist, um die langfristige Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit unserer Lebensmittelsysteme sicherzustellen“, heißt es in einer Studie des Joint Research Center (JRC) der EU-Kommission aus dem Jahr 2022. Warum? Mehr bestäubende Insekten, eine bessere Bodenqualität, mehr Bodenorganismen und weniger Versiegelung: All das sind Faktoren, die langfristig die Lebensmittelsicherheit positiv beeinflussen, und damit auch die Preise.
Quantifizieren lasse sich eine etwaige Zunahme der Ernährungssicherheit aber nicht, so die JRC-Studienautoren. Zu vielfältig sind die unterschiedlichen Ökosysteme innerhalb Europas, genauso wie die Möglichkeiten, sie weiter in Richtung Naturzustand zurückzuführen.
https://13e581f8a27b4a4e8eb1f5d7c478f3c5.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-40/html/container.html Eine klare Meinung zur Frage, ob das Renaturierungsgesetz die Lebensmittelsicherheit gefährdet, hat das österreichische Umweltbundesamt. „Nein“, steht knapp und klar auf der Website der Behörde: Ernährungssicherheit sei im Gegenteil gar als „zentrales Ziel der Verordnung definiert“.
Einwand zwei: Bürokratie für Bauern
„Ich will nicht, dass unsere Bauern jetzt Schmetterlingszählungen vornehmen müssen.“ (Reinhold Lopatka, ÖVP-EU-Spitzenkandidat, ORF-Elefantenrunde zur EU-Wahl, 5. Juni) Zur Aussage von Reinhold Lopatka muss man wissen, dass die EU-Renaturierungsverordnung keine Maßnahmen vorgibt, sondern lediglich Ziele längstens bis zum Jahr 2050. Wie sie konkret erreicht werden, obliegt später – sollte das Gesetz überhaupt zustande kommen – den Mitgliedsstaaten.
Wie aber soll gemessen werden, ob der Grad der Naturnähe in Europa wirklich zunimmt, wie es der Entwurf vorgibt? Diesbezüglich sieht die EU-Verordnung durchaus mehrere Indikatoren vor. Ob eine gesunde Biodiversität vorherrscht, kann etwa mittels Bodenproben herausgefunden werden. Oder aber mit dem sogenannten „Index der Grünlandschmetterlinge“, also grob gesagt der Anzahl der umherflatternden Schmetterlinge, die als Bestäuber ökologisch höchst bedeutend sind.
Um festzustellen, ob die Biodiversitätszunahme gelingt, wird es also tatsächlich notwendig sein, die Schmetterlinge zu zählen – bis hierher hat Lopatka recht. Aber: Wer muss das machen? Tatsächlich die Bauern? „Davon ist in der Verordnung keine Rede“, erklärt Wolfgang Suske, Ökologe aus Wien und Initiator einer Petition zum Renaturierungsgesetz.
Den Schmetterlingsindex gibt es bereits heute; derzeit sind Insektenkundler für ihn verantwortlich. „Und sehr wahrscheinlich wird das auch in Zukunft von Expertinnen und Experten erledigt werden“, sagt Suske. Dass es die Bauern machen müssen, steht jedenfalls weder im Verordnungsentwurf, noch war es jemals im vorangegangenen Diskussionsprozess erwogen worden.
Einwand drei: Stilllegungen und Enteignungen
„Es muss ausgeschlossen werden, dass Naturschutzmaßnahmen mehr oder weniger zu verordneten Enteignungen führen.“ (Peter Kaiser, SPÖ-Landeshauptmann von Kärnten, in der APA, 3. Mai) Es kursieren allerlei Gerüchte im Zusammenhang mit dem Renaturierungsgesetz. Ein besonders hartnäckiges ist, dass Landwirte zwangsverpflichtet werden sollen, Teile ihrer Flächen stillzulegen, die dann etwa in Hecken oder Brache zurückverwandelt werden. Häufig ist von zehn oder zwanzig Prozent der Anbaugebiete die Rede. Die Landwirte würden also, wenn man so will, enteignet. Eben darauf bezieht sich Peter Kaiser mit seiner Aussage.
In Wahrheit sieht das Renaturierungsgesetz zwar durchaus vor, dass landwirtschaftliche Flächen naturnäher bewirtschaftet werden sollen – um festzustellen, ob das auch gelingt, dienen Instrumente wie der besagte Schmetterlingsindex. Allerdings: Dass zu diesem Zweck Flächen unter Zwang stillgelegt werden müssen, davon ist in der Verordnung nicht nur nicht die Rede – es ist sogar dezidiert ausgeschlossen.
Die Verordnung ziele „nicht darauf ab, die landwirtschaftliche Bodennutzung einzustellen“, heißt es im Punkt 54 des Regelwerks. Sondern: Eigentümer, Landwirte und andere Landnutzer sollen „sich freiwillig an solchen Verfahren beteiligen“, unter anderem motiviert von „finanziell attraktiven Finanzierungsprogrammen“.
Die Betonung der Freiwilligkeit stand ursprünglich nicht im Verordnungsentwurf, sondern wurde erst auf Druck der Europäischen Volkspartei (EVP) hineingenommen – aber auch zuvor schon war keine Rede von Zwang. Heißt, Förderungen und Anreize sollen Landwirte dazu bewegen, manche ihrer Flächen stillzulegen. Das sehen bereits heute viele Förder- und Naturschutzprogramme vor, die längst in Kraft sind.
Zum Erreichen der Ziele des Renaturierungsgesetzes müsse „nicht auf Ackerflächen zurückgegriffen werden“, heißt es von der Umweltorganisation WWF Österreich. „Fakt ist, dass Österreich seine Ziele gut erreichen kann, wenn man zum Beispiel zubetonierte Flächen entsiegelt und dafür Wälder naturnah gestaltet oder Moore wiedervernässt.“ Überdies sollen bis 2030 gemäß der Verordnung ohnehin Natura-2000-Schutzgebiete gegenüber Landwirtschaftsflächen priorisiert werden, also bestehende Naturschutzgebiete. Sie sollen also noch naturnäher gestaltet werden, als sie es bereits heute sind. (Joseph Gepp, 17.6.2024)
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EU/Österreich – Renaturierung: Langer Kampf um „Green Deal“-Kernprojekt – Renaturierung beschlossen infolge Alleingangs von Gewessler
Die EU-Staaten haben am Montag den Weg für eine lange umstrittene Verordnung zum Naturschutz freigemacht. Demnach sollen künftig in der Europäischen Union unter anderem Wälder aufgeforstet sowie Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Der Renaturierungspakt kam letztlich nur dadurch zustande, dass Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) gegen den Willen des Koalitionspartners ÖVP dafürstimmte. Für die EU ging es letztlich auch um Glaubwürdigkeit.
Über das Vorhaben wurde lange und intensiv gestritten. Die EU-Kommission hatte die Renaturierungsverordnung vor fast genau zwei Jahren vorgeschlagen. Nach offiziellen Angaben sind rund 80 Prozent der Lebensräume in der Europäischen Union in einem schlechten Zustand. Zudem sind demnach zehn Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 Prozent der Böden in schlechter Verfassung.
Die EU-Renaturierungsverordnung (Nature Restoration Law) ist ein zentraler Teil des umfassenden Klimaschutzpakets „Green Deal“, mit dem sich die EU das Ziel gesetzt hat, bis 2050 klimaneutral zu werden. „Die Verordnung zielt darauf ab, den Klimawandel und die Auswirkungen von Naturkatastrophen einzudämmen“, teilten die EU-Staaten mit. Durch Renaturierung könnten etwa Überschwemmungsflächen zurückgewonnen und Hochwasserrisiken verringert werden. Das übergeordnete Ziel ist die langfristige und nachhaltige Wiederherstellung biologisch vielfältiger und widerstandsfähiger Ökosysteme.
Die Verordnung verpflichtet die EU-Länder, bis 2030 mindestens je 20 Prozent der geschädigten Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen und bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme. Darauf hatten sich die Unterhändler und -händlerinnen der Mitgliedsstaaten bereits im November mit den Abgeordneten des Europaparlaments geeinigt. Insbesondere die Landwirtschaft sieht das Gesetz kritisch.
20 Zustimmungen
Die endgültige Zustimmung der 27 EU-Länder zu dieser Einigung galt eigentlich als Formalie. Die Verhältnisse im Rat der Mitgliedsstaaten waren jedoch bis zuletzt knapp: Italien, Finnland, die Niederlande, Polen, Schweden und Ungarn sprachen sich nach Diplomatenangaben gegen das Gesetz aus. Belgien enthielt sich. Die nötige qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedsstaaten und mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung kam damit erst mit der Zustimmung Österreichs zustande.
Die ÖVP kündigte eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof an, die das Gesetz kippen könnte. Die Entscheidung von Gewessler sei „nicht verfassungskonform“, teilte das Kanzleramt in Wien am Montag mit. Der derzeitige belgische EU-Ratsvorsitzende Alain Maron sprach mit Blick auf Österreich von einer innenpolitischen Kontroverse, „die mich nichts angeht“. Maron: „Es darf keine Pause beim Schutz unserer Umwelt geben. Es ist unsere Pflicht, auf die Dringlichkeit des Zusammenbruchs der Biodiversität zu reagieren“, kommentierte der Grünen-Politiker.
Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel
„Die Zeit für politische und ideologische Argumente liegt hinter uns“, reagierte der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius und erinnerte daran, dass der Text die Biodiversitätsziele umsetzt, die 2022 auf der COP15 in Montreal angenommen wurden. Die spanische Ministerin Teresa Ribera sagte, die Staaten seien verpflichtet, den Kompromiss, den sie selbst mit dem Europäischen Parlament geschlossen hätten, zu bestätigen: „Es ist eine Frage der Kohärenz. Es wäre schwierig und sogar gefährlich für die Glaubwürdigkeit der Institutionen, einen Rückzieher zu machen“, warnte sie.
„Wenn wir es nicht schaffen, diese Verordnung anzunehmen, untergraben wir die Grundlage der EU“, sagte auch der tschechische Umweltminister Petr Hladik. „Wozu gibt es dann sonst noch Kompromisse? Das ist doch schon alles abgestimmt gewesen. Das muss darum angenommen werden.“
Das Ende des institutionellen Marathons wurde von einer Koalition von Umwelt-NGOs (BirdLife, ClientEarth, WWF, European Environmental Bureau) als „Wendepunkt für Natur und Gesellschaft“ begrüßt, wobei sie die Staaten dazu aufriefen, den Text „korrekt und unverzüglich“ umzusetzen.
Umwelt-NGOs sehen „historischen Fortschritt“
Sehr erfreut auf die Einigung reagierten auch die heimischen Umwelt-NGOs. Greenpeace sah in einer Aussendung einen „Meilenstein“, der WWF einen „historischen Fortschritt“ und Global 2000 ein „wichtiges Werkzeug im Kampf gegen die Biodiversitätskrise und die Klimakrise“. Alle zollten Ministerin Gewessler Anerkennung. Der Umweltdachverband sprach von einer „richtigen und wichtigen Entscheidung“, die einen Wendepunkt für die „ökologische Abwärtsspirale in Europa“ bedeuten könne. Auch der einst der ÖVP nahestehende Österreichische Alpenverein (ÖAV) begrüßte den Beschluss des umstrittenen Gesetzes.
Im Gegensatz dazu verurteilte der Europäische Verband der Waldbesitzer durch seinen Vizepräsidenten „eine Gesetzgebung, die Überregulierung und Bürokratie bedeutet (…) und die Natur unter eine Glocke stellt“. Die größte deutsche Bauerngewerkschaft reagierte auf das Gesetz: „Man kann uns nicht von oben herab vorschreiben, wie wir unseren Betrieb zu führen haben: Wenn man glaubt, der Natur auf Befehl zu helfen, funktioniert das nicht.“
Auf Landwirtschaft Rücksicht genommen
Umweltorganisationen und eine Koalition großer Unternehmen hatten im vergangenen Jahr darauf bestanden, dass die Gesetzgebung entscheidend sei, um sowohl den Klimawandel als auch den Verlust der Natur zu bekämpfen. Doch der Plan verlor während der Verhandlungen etwas von seinem progressiven Charakter, da sich die größte Fraktion des EU-Parlaments, die EVP, heftig dagegen wehrte. Die EVP, zusammen mit anderen Konservativen und der extremen Rechten, bestand darauf, dass die Pläne die Ernährungssicherheit untergraben, die Inflation anheizen und den Landwirten schaden würden.
Bei der aktuellen Version wurde letztlich auf einige Kritikpunkte der Landwirtschaft Rücksicht genommen. So gilt bei der Wiedervernässung von entwässerten Torfgebieten für Landwirte und private Grundbesitzer die Freiwilligkeit. Ebenso können die Zielvorgaben für landwirtschaftliche Ökosysteme unter außergewöhnlichen Umständen ausgesetzt werden, wenn dadurch die Fläche stark verringert würde, die nötig ist, um genug Lebensmittel für die Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU zu erzeugen. *** red, ORF.at/Agenturen
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Renaturierung: Koalitionsstreit als Positionierung für Wahlkampf
Die Zustimmung der Grünen zur Renaturierungsverordnung auf EU-Ebene hat die Koalition von ÖVP und Grünen auf des Messers Schneide gebracht. Die ÖVP zeigte sich höchst verärgert, kündigte rechtliche Schritte gegen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler an – Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) verzichtete dann aber auf eine Aufkündigung der Koalition, wohl aus guten Gründen in Hinblick auf den Herbst. Die Grünen wiederum konnten sich – so sind sich Beobachterinnen und Beobachter einig – für die Wahl im Herbst gut positionieren.
Aus Sicht Nehammers habe Gewessler mit ihrem „krassen Fehlverhalten“ einen „Rechtsbruch“ begangen. Die ÖVP beruft sich auf ein Gutachten des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt und auf eines aus dem Landwirtschaftsministerium. Gewessler beruft sich auf eigene Gutachten, die ihre Vorgehensweise deckten. Die ÖVP kündigte an, Nichtigkeitsklage beim EuGH und eine Anzeige gegen Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wegen Amtsmissbrauchs einzubringen.
Nehammer fand in Brüssel bei einem verspäteten Pressestatement scharfe Worte: Der Koalitionspartner habe „sein wahres Gesicht gezeigt“ und stelle „Ideologie über die Verfassung“. „Die Emotion wäre da“ für ein Koalitionsende, aber er habe „die Verantwortung, als Bundeskanzler für einen geordneten Weg“ bis zur Nationalratswahl zu sorgen. Er argumentierte für die Weiterführung der Regierung, weil er „Chaos“ vermeiden wolle. Ein freies Spiel der Kräfte – also unterschiedliche Mehrheiten bei einzelnen Gesetzen – würde dem Land teuer kommen, das habe Österreich schon einmal erlebt.
ÖVP im Dilemma
ORF-Journalistin Claudia Dannhauser konstatierte der ÖVP in der ZIB eine Lose-lose-Situation: Es würden 50 Gesetzesbeschlüsse im Nationalrat anstehen, viele davon seien der ÖVP wichtig. Bei einem Koalitionsbruch hätte man Gewessler mit den Stimmen der FPÖ abwählen müssen – damit wäre die ÖVP-Position, nicht mit den Freiheitlichen unter Parteichef Herbert Kickl gemeinsame Sache machen zu wollen, schon Monate vor der Wahl aufgeweicht.
Ein Austritt aus der Koalition so kurz vor der Wahl, obwohl man eigentlich immer versichert hatte, die volle Legislaturperiode durchzudienen, hätte Nehammer im Wahlkampf von der Konkurrenz als Wortbruch ausgelegt werden können.
Auch Politanalyst Thomas Hofer sagte in der ZIB2, die ÖVP habe vor den Konsequenzen eines Koalitionsbruchs zurückgeschreckt: Man habe sich vor dem freien Spiel der Kräfte gefürchtet. In einem solchen hätte die Gefahr bestanden, dass die ÖVP zum „Spielball“ und zum „Passagier“ geworden wäre.
Grüne betont entspannt
Die Grünen gaben sich angesichts ihres politischen Schachzugs seit Sonntag betont entspannt. Grünen-Chef Werner Kogler versuchte, in einem kurzfristig einberufenen öffentlichen Statement die Zustimmung zur Renaturierungsverordnung zunächst inhaltlich zu verteidigen: Gewesslers „rechtlich untermauerte“ Zustimmung sei keine Frage der „Ideologie“, sondern eine der Verantwortung. Klima- und Umweltschutz sei der „Job“ der Grünen. Man hatte schon oft schwierige Momente, sagte er zum Zustand der Koalition. Und immer wieder habe man sich aber „zusammengerauft“ – aus „Verantwortung für Österreich“. Er sei zuversichtlich, dass das jetzt auch wieder gelinge.
Signal an die Wählerschaft
Gewesslers klares Ja zur EU-Renaturierungsverordnung gegen alle Widerstände aus der ÖVP ist Teil der grünen Wahlkampfstrategie, die sich aufs Thema Klimaschutz fokussiert. Gegenüber der eigenen Wählerschaft wäre es schwer zu rechtfertigen gewesen, wenn die Grünen gegen Renaturierung stimmen, und die politische Konkurrenz hätte das im Wahlkampf wohl genüsslich ausgebreitet, hieß es aus grünen Parteikreisen. Der Schritt gilt für einige Expertinnen und Experten sogar als so etwas wie ein Befreiungsschlag nach einigen Krisen der Grünen und verärgerten Wählerinnen und Wählern über die Performance als Juniorpartner in der Koalition.
Nicht zuletzt holten sich die Grünen damit auch Schwung für ihren Bundeskongress, der am Samstag stattfindet und bei dem die Listen der Kandidatinnen und Kandidaten für die Nationalratswahl gewählt werden.
Scharfe Kritik der Opposition
Scharfe Kritik kam von der Opposition: Nehammer lasse sich „von den Grünen am Nasenring durch die Manege ziehen“, höhnte FPÖ-Obmann Herbert Kickl, der einen Misstrauensantrag gegen die grüne Ministerin im Nationalrat ankündigte. „Was wir heute sehen, ist der traurige Schlusspunkt einer ÖVP-Grünen-Bundesregierung, die in den letzten Jahren vor allem gegeneinander gearbeitet hat“, meinte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler befand, dass nur seine Partei Gewessler die Zustimmung ermöglicht habe. Der ÖVP warf er vor, Österreich in Europa zu blamieren. *** red, ORF.at/Agenturen
Links:
- EU
- Umweltministerium
- ÖVP
- Die Grünen
- SPÖ
- FPÖ
- NEOS
- Gutachten des Umweltschutzministeriums
- Gutachten des Landwirtschaftsministeriums
Ruf nach mehr Schutz vor Zwangsehen in Österreich
Zwangsverheiratungen sind international weit verbreitet, 22 Millionen Menschen – darunter neun Millionen Kinder – sind laut internationalen Studien davon betroffen. Auch in Österreich gibt es Zwangsehen – darüber ist bisher allerdings wenig bekannt, wie eine gestern präsentierte Studie des Projekts „Forced Marriage (FORMA) zeigt.
Gefordert werden ein genaues Monitoring und bessere Datenerhebung sowie mehr Aufklärung und Bewusstseinsarbeit, insbesondere bei jungen Menschen. Dringend empfohlen wird von den Studienautoren in einer Aussendung auch die Anhebung des Mindestalters für Eheschließungen auf 18 Jahre.
Gefordert werden weiters ein Ausbau von Beratungsangeboten für Ehekandidatinnen und -kandidaten sowie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Opferschutzeinrichtungen und Schulen. Zentral sei auch ein österreichweiter Ausbau von niederschwelligen Anlaufstellen, bei denen mehrsprachige psychosoziale Beratung angeboten wird.
Wie viele Zwangsverheiratungen es jährlich in Österreich gibt, ist nicht bekannt, die Frauenberatungsstelle Orient Express ging gegenüber Ö1 von einigen hundert Fällen aus. Für die Studie des Projekts FORMA wurde im Auftrag von Innenministerium und Frauen- und Gleichstellungssektion im Bundeskanzleramt nun erstmals ein Lagebericht erstellt. *** red, ORF.at/Agenturen
EU-Renaturierung: Gespaltene Reaktionen auf Gewesslers Ja
Die ÖVP-Landeshauptleute haben am Montag empört auf die Zustimmung von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zur EU-Renaturierungsverordnung reagiert. Erfreut zeigte sich die SPÖ-Führung in Wien und Kärnten. Ursprünglich hatten sich alle dagegen ausgesprochen, später schwenkten Letztere um.
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte Gewessler am Sonntag „Koalitionsbruch“ vorgeworfen. Niemand stehe über dem Gesetz. Nach der Abstimmung sagte Wallner gegenüber dem ORF Vorarlberg, dass es so etwas noch nie gegeben habe. Es sei geradezu unglaublich, was sich Ministerin Gewessler in Luxemburg geleistet habe. Das sei befremdlich und unverantwortlich – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.
Scharfe ÖVP-Kritik an Gewessler
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer sah einen „klaren Rechtsbruch und ein äußerst bedenkliches Demokratieverständnis aus parteitaktischen Überlegungen“. Das Vorgehen Gewesslers zeige, dass sie die Bundesländer nicht ernst nehme – mehr dazu in ooe.ORF.at. Ähnlich äußerte sich Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), der einen „Affront gegenüber den Bundesländern und der ländlichen Bevölkerung“ sah. Zudem sei eine Zustimmung bei dem EU-Umweltministertreffen „rechtswidrig“ – mehr dazu in salzburg.ORF.at.
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) übte scharfe Kritik: „Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Ministerin Gewessler schließt im Alleingang einen Vertrag ab, den die Länder verantworten und bezahlen müssen. Gewessler selbst trägt kein Risiko und keine Verantwortung. Feiert sich selbst dafür aber als Heldin“, so Niederösterreichs Landeshauptfrau in einer Stellungnahme. – mehr dazu in noe.ORF.at.
Empört zeigte sich der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) auf APA-Anfrage. „Dass eine Bundesministerin demokratische Entscheidungen, die in Österreich getroffen werden, beiseite wischt, ist nicht nur hochgradig bedenklich, sondern auch ein gefährliches Spiel mit geltendem Recht und unserer Demokratie“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.
Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) fühlte sich vor den Kopf gestoßen: „Wenn sich jemand an den rechtlichen Rahmen nicht hält und die Frau Umweltministerin ausbricht, so stellt das eine große Herausforderung für die Demokratie dar“ – mehr dazu in tirol.ORF.at.
Ministeranklage noch kein großes Thema
Eine Ministeranklage wegen Gewesslers Zustimmung, für die es gleichlautende Beschlüsse aller Landtage brauchte, wird vonseiten der Länder zumindest derzeit noch nicht offensiv vorangetrieben: Für Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer etwa hat Bundeskanzler Nehammer bereits ein Machtwort gesprochen und die Ministerin als nicht bevollmächtigt erklärt, auch von anderen Landeshauptleuten wurde diese Option auf APA-Anfrage nicht einmal kommentiert.
Salzburgs Landeschef Haslauer sah darin zwar „eine Möglichkeit“, es stelle sich aber die Frage, ob hier die erforderliche Einstimmigkeit aller neun Bundesländer zu erzielen sei.
Wallner sah die Entscheidung, ob Nehammer eine Amtsenthebung Gewesslers vorschlagen soll oder die ÖVP einen Misstrauensantrag einbringen könnte, bei der Bundespolitik. Gleichzeitig übte er in den „Vorarlberger Nachrichten“ scharfe Kritik an der Umweltministerin. „Es ist jetzt Ende der Legislaturperiode. Wenn das in völligem Chaos mündet, hat Leonore Gewessler das angerichtet.“
SPÖ-geführte Länder gespalten
Erwartbar gespalten zeigten sich die SPÖ-geführten Länder, waren doch zuletzt Wien und Kärnten nach den Änderungen beim EU-Renaturierungsgesetz von ihrer zunächst ablehnenden Haltung abgegangen. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) nannte es auf APA-Anfrage „höchst bedauerlich, dass durch diese unkoordinierte Vorgangsweise Beschlüsse der LH-Konferenz ad absurdum geführt werden“ und sah ein „parteipolitisches Profilierungsduell im Vorfeld der Nationalratswahl“ – mehr dazu in burgenland.ORF.at.
Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig (SPÖ) zeigte sich hingegen erfreut über den Schritt der Ministerin, bedauerte aber, dass die Regierung in dieser wichtigen Frage nicht an einem Strang gezogen habe. Er befürchtete einen Reputationsverlust Österreichs innerhalb der Europäischen Union – mehr dazu in wien.ORF.at.
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sagte am Montag nach einer Sitzung der Kärntner Landesregierung wiederum, er könne mit dem Beschluss leben. Gegenüber dem ersten Entwurf habe er noch Vorbehalte gehabt, nach den Veränderungen sei der heutige Beschluss aber „einer, mit dem wir leben und arbeiten werden“ – mehr dazu in kaernten.ORF.at. *** red, oesterreich.ORF.at/Agenturen
Umwelt & Klima
Klimaproteste auf Donauinselfest geplant
Am Wochenende findet das 41. Donauinselfest in Wien statt. Am Montag wurden von der „Letzten Generation“ Klimaproteste angekündigt. Der Protest würde sich nicht gegen die Musikerinnen und Musiker, sondern gegen die Bundesregierung richten.
„Wir würden auch gerne sorglos feiern, aber mitten in der Klimakatastrophe geht das nicht. Es sterben in Österreich Kinder bei Murenabgängen, und die Regierung handelt immer noch nicht“, hieß es. Man werde erst wieder ruhig sein, wenn die Regierung ihre Arbeit aufnehme und das Grundrecht auf Klimaschutz in die Verfassung bringe, kündigte Sprecherin Marina Hagen-Canaval an.
„Selbstverständlich richtet sich unser geplanter Protest auf dem Donauinselfest nicht gegen die Musiker:innen oder die Fans. Er gilt einzig und allein (ÖVP-Bundeskanzler, Anm.) Karl Nehammer und seiner gefährlich untätigen Regierung“, wurde betont. Man wolle die Menschen auf dem Festival mit dem Protest wachrütteln.
Veranstalter wenig begeistert
Seitens der Festivalorganisatoren zeigte man sich gegenüber der APA freilich wenig darüber begeistert. „Wir nehmen die Klimabewegung und ihre Anliegen sehr ernst“, versicherte man in einem der APA übermittelten schriftlichen Statement. Gleichzeitig trage man aber „die Verantwortung für die Sicherheit aller Menschen vor Ort“ – für Besucherinnen und Besucher, Mitarbeitende und Künstlerinnen und Künstler.
„Um diese zu gewährleisten, müssen wir klare Grenzen setzen“, machte man deutlich, ohne auf Details einzugehen: „Für das Donauinselfest gibt es wie jedes Jahr ein mit allen beteiligten Organisationen abgestimmtes und umfassendes Sicherheits- und Awarenesskonzept, das für jede Situation geeignete Maßnahmen vorsieht. So auch für diese. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir hier – nicht zuletzt auch aus sicherheitstechnischen Gründen – nicht auf Details eingehen können.“
Gräserpollen und Pilzsporen
Die MedUni Wien warnt Besucherinnen und Besucher unterdessen vor Gräserpollen und Pilzsporen. Was den Pollenflug angeht, meinen die Experten zwar, dass die meisten allergenen Gräserarten bereits abgeblüht seien und Spitzenpollenkonzentrationen auch durch andere allergene Pflanzen aus derzeitiger Sicht nicht erwartet würden.
Dennoch sollten Besucherinnen und Besucher, die auf Weidel, Reit- und Straußgräser allergisch reagieren, Vorsorge treffen und an Medikation denken, empfahl Maximilian Bastl, Leiter des Pollenservice Wien der MedUni, in einer Aussendung. Denn die erwähnten Pflanzen fühlten sich auf der Donauinsel wohl.
„Auffallend hoch“ fallen aktuell die Messergebnisse bei Pilzsporen aus. Vor allem für die Gattung Cladosporium, aber auch für Alternaria sollten sich Allergikerinnen und Allergiker vor dem Besuch des Donauinselfestes wappnen: „Die Schimmelpilze haben von den vermehrten Niederschlägen der vergangenen Wochen profitiert“, so Bastl. *** red, wien.ORF.at/Agenturen
80-Jähriger landete mit Auto auf Ennstalbahn
In Radstadt-Mandling (Pongau) ist Montagvormittag ein 80-jähriger Autofahrer nach einem Unfall auf den Gleisen der Ennstalbahn gelandet. Der Mann war mit seinem Wagen von der Ennstalstraße (B320) abgekommen, über eine Böschung gerollt und auf der Eisenbahnstrecke zum Stillstand gekommen.
Der Unfall passierte laut Polizei direkt bei der Landesgrenze zur Steiermark – auf der Salzburger Seite von Mandling. Der 80-Jährige aus Schladming (Steiermark) kam aus bisher unbekannter Ursache mit seinem Auto von seiner Fahrspur in Richtung Radstadt ab, querte die Gegenfahrbahn, rollte über die Böschung und blieb auf der Bahnstrecke stehen.
Der Mann wurde bei dem Unfall verletzt. Er konnte sich aber selbst aus dem Auto befreien. Das Rote Kreuz versorgte den 80-Jährigen und brachte ihn in die Klinik Schladming. Ein Alkotest bei dem Steirer verlief negativ.
Zugsverkehr eine Stunde lang eingestellt
Der Zugsverkehr auf der Ennstalbahnstrecke wurde wegen des Unfalls etwa eine Stunde lang eingestellt – bis dahin hatte ein Abschleppdienst das Auto von den Gleisen entfernt. *** red, salzburg.ORF.at
MEDIZIN
Dutzende Menschen in Moskau mit Botulismusverdacht im Krankenhaus
Moskau – Nach einer mutmaßlichen Botulismusinfektion werden in Moskau 30 Menschen auf der Intensivstation betreut. Insgesamt mussten bislang 121 Patienten mit Symptomen einer schweren Lebensmittelvergiftung behandelt werden, wie die Stadtverwaltung heute mitteilte.
Es bestehe der Verdacht auf Botulismus. Die Lebensmittelaufsicht zog einen von einem Lieferservice verkauften Fertigsalat aus dem Verkehr.
Durch Nahrungsmittel übertragener Botulismus ist laut Erklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine seltene schwere und potenziell tödliche Krankheit. Das durch Bakterien produzierte Botulinumgift wirkt auf das zentrale Nervensystem und kann Atem- und Muskellähmungen auslösen.
Der betroffene Lieferservice erklärte, das verdächtige Salatgericht sei aus dem Verkehr gezogen worden. Zudem werde die gesamte Liefer- und Produktionskette untersucht. © afp/aerzteblatt.de
Umweltmedizin: Auswirkungen der Klimakrise auf Menschen werden unterschätzt
Menschen sind nicht sehr gut auf die von ihnen selbst verursachte Klimakrise zu sprechen – und es ist nicht nur die Hitze allein, die immer mehr zum Problem werden wird. Beim Kongress der Österreichischen Apothekerkammer in Pörtschach in Kärnten widmeten sich am Samstag mehrere Vorträge den Ursachen dafür. Demnach wird die Resilienz des Organismus nicht nur durch Alter oder Vorerkrankungen verringert, ebenso können Medikamente die Widerstandskraft schwächen.
Michael Freissmuth, Leiter des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie an der MedUni Wien, berichtete beim Kongress mit dem Motto „Umweltmedizin im Zeichen des Klimawandels“ unter anderem über unerwünschte Nebenwirkungen von Anticholinergika (z.B. in Mittel gegen Harninkontinenz oder Asthma), indem diese die Schweißdrüsen blockieren. Doch das Schwitzen ist die effizienteste Methode des Körpers auf Hitze zu reagieren – was jedoch einen weiteren, oft auch negativen Nebeneffekt zur Folge hat: Das Blutvolumen erhöht sich, was wiederum bei Menschen mit Herzinsuffizienz die Belastungen verstärkt. Bei Personen, die an Diabetes mellitus leiden, kann dieser Anstieg der Hautdurchblutung wiederum nur eingeschränkt erfolgen, und so die Schweißproduktion reduzieren, was wiederum die Hitzeresistenz vermindere.
Viele derartiger Erkenntnisse ergaben sich laut den von Freissmuth zitierten Studien vor allem in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Hitzewelle in Frankreich im Sommer 2003. Sie forderte rund 15.000 Tote und führte somit zu einer krassen Erhöhung der Übersterblichkeit. Ebenso offenbarte diese Hitzewelle ein geschlechts- und altersbedingtes Sterben, wobei die Todesfälle – ohne das laut dem Experten bis dato eine genaue Ursache dafür gefunden werden konnte – bei Frauen gehäufter als bei Männern registriert wurden. Statistisch verkürzte sich das Leben der Betroffenen um sechs bis zehn Monate, wie sich aus den gesunkenen Übersterblichkeitsraten nach der Hitze ergeben habe.
Umweltmediziner Hans-Peter Hutter prognostizierte in seinem Vortrag, dass der Klimawandel den Gesundheitsbereich insgesamt „einen Haufen an Aufgaben“ bescheren werde, von denen einige aktuell noch massiv unterschätzt würden. So nannte er beispielsweise emotionale Reaktionen, wie eine gesteigerte Aggression oder mentale Auswirkungen in Form von Schlafmangel. Bei den negativen Folgen des Klimawandels stünde die zunehmende Hitze jedenfalls auf dem ersten Platz, gefolgt von Pollen und Luftschadstoffen. „Da geht es nicht um die thermische Behaglichkeit“, führte Hutter aus. Gesundheitliche Negativeffekte erwachsen laut Hutter etwa auch aus Ernteausfällen, Wasserverschmutzung durch eine Erhöhung der Extremwetterereignisse oder einem Anstieg bei Waldbränden. Zudem würden die psychischen Probleme, die etwa nach Hochwasser bei den Betroffenen auftreten können, ebenfalls unterschätzt, sagte der Umweltmediziner unter Hinweis auf Untersuchungen nach den schweren Unwettern in Österreich im Jahr 2021, die einen Anstieg an posttraumatischen Belastungsstörungen ergaben.
Auch der Internist und Kardiologe Thomas Quinton widmete sich in seinem Vortrag den Folgen des Klimawandels auf den Menschen und warnte davor, dass sich die Hitzewellen in Europa seit den 1980er-Jahren vervierfacht hätten – und „die Entwicklung ist noch nicht zu Ende“. Selbst bei Einhaltung der Pariser Klimaziele, also der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad, werde etwa in Österreich die mittlere Zahl an Hitzetagen weiter ansteigen. Und auch bei 1,5 Grad plus ist die Prognose düster: Laut einer in „Nature“ publizierten Studie würde sich die Übersterblichkeit in diesem Fall hier um über dem Faktor zehn steigern. Zuletzt lag die gemittelte globale Temperatur von Juni 2023 bis Mai 2024 bei 1,63 Grad über dem vorindustriellen Niveau – also für den Zeitraum eines Jahres bereits jenseits dieser Schwelle.
Service: https://www.apothekerkammer.at
Kleinkinder: Einschlafprobleme durch Ängste – Routine beim Zubettgehen laut US-weiter Untersuchung ist von entscheidener Bedeutung
Ann Arbor (pte013/17.06.2024/10:30) – Viele Kinder tun sich aufgrund von Ängsten schwer mit dem Einschlafen. Das zeigt die US-weite Umfrage „University of Michigan Health C. S. Mott Children’s Hospital National Poll on Children’s Health„, für die 781 Eltern von Kindern im Alter von ein bis sechs Jahren befragt wurden. Eines von vier Elternteilen berichtet, dass es schwierig ist, ihr kleines Kind ins Bett zu bringen. Diese Eltern verfügen laut den Experten jedoch weniger wahrscheinlich über eine Routine zur Schlafenszeit. Sie lassen eher ein Video oder eine TV-Sendung weiterlaufen und bleiben auch eher bei ihrem Kind, bis es eingeschlafen ist.
Ruhe ist entscheidend
Mott-Poll-Co-Direktorin Sarah Clark zufolge ist es von entscheidender Bedeutung, dass es beim Schlafengehen einen gleichbleibenden Ablauf gibt. „Bekommen Kinder nicht ausreichend Ruhe, kann sich das auf ihre körperliche Entwicklung, die emotionale Regulierung und das Verhalten auswirken.“ Fast eines von fünf Elternpaaren sagt, dass es seinen Kindern Melatonin verabreicht, damit diese besser schlafen. Ein Drittel bleibt im Raum, bis das Kind ganz eingeschlafen ist.
Fast ein Viertel der Eltern sagt, dass das Schlafen ihrer Kinder oft oder gelegentlich dadurch verzögert wird, weil diese beunruhigt sind oder Angst haben. Eine besondere Herausforderung entsteht, wenn die Kinder nicht weiterschlafen. Mehr als ein Drittel der Eltern berichtet, dass sie dann aufgeregt oder weinend aufwachen. Bei mehr als 40 Prozent der Familien kommt das Kind dann ins Bett der Eltern. Rund 30 Prozent sagen, dass Kinder darauf bestehen, dass der Elternteil in ihrem Zimmer schläft.
Routine gibt Sicherheit
Die meisten befragten Eltern sagen, dass es eine Routine für das Schlafengehen gibt. Dazu gehört oft das Zähneputzen, das Vorlesen einer Geschichte und/oder das Baden. Weniger als die Hälfte berichtet, dass die Kinder noch Wasser trinken oder eine Kleinigkeit essen, Geräte ausschalten, Beten und von ihrem Tag erzählen. Zu anderen Gewohnheiten gehört das Festhalten an einer Decke oder einem Stofftier, das Nuckeln an einem Schnuller oder den Fingern.
Laut Clark macht eine durchgehende Routine beim Schlafengehen den Übergang in die Nachtzeit leichter. Sie ermögliche auch, dass die Kinder die volle Aufmerksamkeit ihres Elternteils bekommen. Fast zwei Drittel der Eltern geben an, dass oft das Aufbleiben der Kinder, um weiterzuspielen, einer der Hauptfaktoren für das Hinauszögern der Schlafenszeit ist. Clark betont jedoch, dass es mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen Zeit ist, langsam ruhiger zu werden.
Melatonin kein Allheilmittel
Etwas weniger als die Hälfte der Eltern sagt, dass die Kinder in einem eigenen Zimmer schlafen. Weniger als ein Viertel teilt den Raum mit Geschwistern oder schläft bei den Eltern. Mehr als zwei Fünftel gibt zu, dass der Lärm aus anderen Zimmern sich auf den Schlaf der Kinder auswirkt. Viele Arten von Melatonin-Produkten werden in den USA als für Kinder geeignet beworben. Es fehlen jedoch, betont Clark, rigorose Tests in Hinblick auf Sicherheit und Wirksamkeit.
Nebenwirkungen und Folgen für das Wachstum und die Entwicklung von Kindern sind ebenfalls nicht erforscht. Kinder zwischen ein und zwei Jahren sollten pro Tag elf bis 14 Stunden schlafen, so die Empfehlung. Zwischen drei und sechs Jahren nimmt diese Schlafmenge dann etwas ab, so Clark. (Ende)
UMWELT
Papierfischchen: Das Tier, das Bücher frisst
Es wurde aus Afrika eingeschleppt und breitet sich nun in ganz Europa aus: Das Papierfischchen ernährt sich von Staub und Papier und kann in Museen, Bibliotheken und Archiven beträchtliche Schäden anrichten. Auch in privaten Haushalten wird das Insekt neuerdings nachgewiesen.
Fraßspuren eines Papierfischchens
Im Keller der Naturhistorischen Museums Wien – diesen Ort bekommt man als regulärer Besucher normalerweise nicht zu Gesicht. Hier, im hintersten Eck des Museums nahe dem Heldenplatz befinden sich Schächte der historischen Belüftungsanlage, Lagerräume mit kuriosen Objekten – ein ausgesondertes Korallenmodell, Skulpturen vergangener Ausstellungen sowie eine Schaufensterpuppe mit hellem Anzug und Schweinskopf. Wozu mag sie einst gedient haben? Vielleicht hat sich hier bloß jemand einen Scherz erlaubt.
Nebenan ist der Zweck eindeutig, eine Stickstoffkammer, in der Ausstellungsstücke von Schädlingen befreit werden: das Metier von Pascal Querner. Der studierte Zoologe gilt weltweit als einer der Experten für Museumsschädlinge. Wenn in Österreich ein Museum Probleme mit Insekten, Mäusen oder irgendeiner anderen Tierart bekommt, folgt in der Regel ein Anruf bei ihm. Querner löst dann das Problem.
Querner macht seinen üblichen Rundgang und kontrolliert die Kartonfallen, die er im Keller verteilt hat. Der Inhalt gibt Auskunft über die Aktivität der Schädlinge im Haus. Steigt diese an, gibt es Handlungsbedarf. Heute alles im Normbereich, bloß ein paar Motten und ein bisschen Beifang. Im Ö1-Interview erzählt Querner von den Herausforderungen seines Berufes – und von dem Tier, das Bücher frisst.
science.ORF.at: Herr Querner, Sie sind Experte für Museumsschädlinge. Wie kommt man zu so einem Beruf?
Pascal Querner: Für Insekten habe mich schon in der Kindheit interessiert. Nach dem Biologiestudium habe ich mich auf unterschiedliche Gebiete spezialisiert, war unter anderem im Naturschutz tätig. Zu den Museumsschädlingen bin ich dann zufällig gekommen, über einen Kurs an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Der wurde von zwei englischen Experten gehalten, die Mitbegründer des IPM in Museen. IPM heißt: Integrated Pest Management, also Integrierte Schädlingsbekämpfung. Da habe ich festgestellt, dass es dafür in Österreich Bedarf gibt. Zunächst habe ich ein Museum beraten, dann das nächste. So bin ich in das Thema hineingewachsen. Heute berate ich Kunstmuseen, technische Museen, naturkundliche Museen, Stifte mit historischen Bibliotheken, Archive. Mittlerweile unterrichte ich selbst an der Angewandten, gebe Workshops im Ausland und bin einer der relativ wenigen Spezialisten, die einen Fulltime-Job in diesem Bereich haben.
Wie viele sind das weltweit?
Querner: Höchstens zehn. Aber es gibt im englischsprachigen Raum viele Restauratoren und Restauratorinnen, die sich zum Teil auch um IPM kümmern.
Warum ist der Bestand von Museen – seien es nun Kunstwerke oder ausgestopfte Tiere – in Gefahr?
Querner: Da gibt es viele Möglichkeiten. Durch Licht etwa oder auch durch Klimaschwankungen, zu hohe Temperatur, Brand, Diebstahl – und eben auch durch Schädlinge. Das Naturhistorische Museum ist zum Beispiel eine Hochrisikosammlung. Hier gibt es Tausende bis Millionen Objekte, die als Nahrung für Schädlinge dienen könnten. Man muss bedenken: In einem Museum ist nur ein sehr kleiner Teil ausgestellt. Der Rest wird gelagert und ist oft für lange Zeit ungestört. Das sind die Bereiche, wo sich Schädlinge entwickeln und ausbreiten können – sofern man das nicht regelmäßig kontrolliert.
Dann treten Sie in Aktion.
Querner: Genau, der Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist das Monitoring, die regelmäßige Kontrolle von Fallen. Wenn wir eine niedrige Aktivität sehen, beobachten wir normalerweise weiter. Steigt sie an, überlegen wir uns: Wo ist die Quelle? Welche Objekte könnten in Gefahr sein? Die kommen dann in eine Stickstoffkammer oder werden eingefroren. Damit ist das Problem relativ schnell gelöst.
Schäden richtet seit ein paar Jahren ein Verwandter des Silberfischchens an, das sogenannte Papierfischchen. Woher kommt dieses Tier?
Querner: Es wurde wahrscheinlich aus dem südlichen Afrika eingeschleppt, wir wissen, dass Kartonagen, Verpackungsmaterial und Toiletteartikel bei der Verbreitung eine wichtige Rolle spielen. Einen Winter draußen in der Natur kann das Tier nicht überleben, in Gebäuden natürlich schon. Das Papierfischchen ist heute der häufigste Schädling in österreichischen Museen und Archiven. Aber auch in Deutschland, in Holland, in Norwegen führt es wirklich zu großen Problemen.
Inwiefern?
Querner: Im Gegensatz zum Silberfischchen benötigt das Papierfischchen keine so hohe Luftfeuchtigkeit. Es ist viel größer, viel mobiler – und kann durchaus Papier, Bücher und Fotografien anfressen.
Das heißt: eigentlich vor allem für Bibliotheken ein Problem?
Querner: Auf jeden Fall, in Bibliotheken und Archiven. Dort musste man sich bisher vor allem um Schimmel kümmern. Aber seit das Papierfischchen da ist, müssen sie alle Insekten-Monitoring machen, haben alle das Problem: Müssen Sie das neue Archivgut zunächst einfrieren, bevor es eingelagert wird? Das Papierfischchen ist schon so weit verbreitet, dass der Aufwand relativ groß ist, um es in den Griff zu bekommen.
Auch in Privathaushalten?
Querner: In Museen habe ich einen viel besseren Einblick, aber ich höre immer wieder, dass sie in Privatwohnungen und Büros vorhanden sind. Auch in Wien und Österreich. Im Privatbereich würde ich sie allerdings eher als Lästling denn als Schädling bezeichnen, weil sie entlang der Wände laufen und sich häufig in der Küche aufhalten. Dort hat man in der Regel wenig Kunst, die gefressen werden könnte.
Es muss nicht nur Kunst sein. Wenn man zum Beispiel eine umfangreiche Bibliothek hat …
Querner: … ist das durchaus ein Thema. Ich glaube auch, dass sich die Papierfischchen in Österreich noch mehr verbreiten werden. Wir sehen, dass sich die Tiere vor allem in Neubauten wohlfühlen. Mittlerweile sind Museen sehr vorsichtig geworden, wenn Depots neu gebaut werden. Man muss aufpassen, dass die Tiere nicht schon zu Beginn durch Verpackungsmaterial eingeschleppt werden.
Was kann man dagegen tun?
Querner: Wir empfehlen zunächst über Monitoring herauszufinden, in welchem Bereich sie vorkommen. Generell gilt: Gute und regelmäßige Reinigung hilft. Wenn man Spalten in Wand und Boden aussaugt, entfernt man die Tiere und entzieht ihnen außerdem die Nahrungsgrundlage. Falls man es so nicht in den Griff bekommt: Es gibt ein Fraßgift, das eigentlich für Ameisen und Schaben entwickelt wurde. Das funktioniert auch sehr gut bei Papierfischchen. Für den Menschen ist es übrigens harmlos und wird auch in Privathaushalten oder Kindergärten eingesetzt. Im Museum sind wir dennoch sehr zurückhaltend mit dem Einsatz von Pestiziden.
Eingeschleppte Arten verursachen in Ökosystemen immer wieder Probleme. Sehen Sie auch im Lebensraum Museum einen Trend in diese Richtung?
Querner: Ja, durch eingeschleppte Arten kommen neue Schädlinge hinzu, die alten verschwinden aber nicht.
Zum Beispiel?
Querner: Neben dem Papierfischchen kam etwa das Geisterfischchen hinzu. Und einige Pelzkäferarten, der australische Teppichkäfer zum Beispiel.
Abgesehen von den bisher erwähnten – welche Arten sind im Museum grundsätzlich eine Gefahr?
Querner: Sehr wichtig ist die Kleidermotte, die kennen wir ja auch aus privaten Haushalten. Dann gibt es noch den Brotkäfer – eigentlich ein Lebensmittelschädling, der aber auch Stärkekleister frisst. Und dann haben wir die große Gruppe der Holzschädlinge. Früher war vor allem der Nagekäfer ein Problem: Dieser benötigt hohe Feuchtigkeit – durch die Zentralheizungen ist er in Gebäuden nun fast ausgestorben. Nach wie vor zu finden ist etwa der Splintholzkäfer.
Hier im Haus gibt es eine kuriose Situation: Einerseits will man die Schädlinge loswerden, andererseits werden sie im Keller zu Tausenden gezüchtet.
Querner: Das stimmt, in der Tierpräparation wird eine Speckkäferart gezüchtet, um auf natürliche Weise Skelette herzustellen. Speckkäfer fressen Fleisch und können ein kleines Tier innerhalb von Stunden oder Tagen völlig von Sehnen oder Muskeln befreien. Das wird dann abgekocht – und am Ende hat man ein Skelett für die anatomische Sammlung. *** Interview: Robert Czepel, Ö1-Wissenschaft.
Bodensee wird laut Auswertung immer wärmer
Der Bodensee wird einer Auswertung des Seeforschungsinstituts Langenargen zufolge immer wärmer. Das Institut der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) misst die Wassertemperatur im See seit 1962. Damals betrug sie im Schnitt noch 10,5 Grad. Im Jahr 2022 erreichte die Temperatur in dem Binnengewässer im Jahresdurchschnitt an der Wasseroberfläche einen Höchstwert von 14,1 Grad, wie die Auswertung zeigte. Im vergangenen Jahr lag der Durchschnittswert bei 13,6 Grad.
Die Folgen der klimatischen Erwärmung auf die Gewässer seien sehr vielseitig, erklärte ein Experte vom LUBW. Die Temperatur sei ein zentraler Parameter für den Gewässerzustand. „Sie hat Einfluss auf die Durchmischungs- beziehungsweise Schichtungsverhältnisse der Seen, die Wasserchemie oder auf die Artenzusammensetzung und die Wirkungspfade der Nahrungsnetze.“
Im Bodensee gehe die Erwärmung mit einem schwachen Austausch des Tiefenwassers mit dem Oberflächenwasser einher. Dadurch reduziere sich der Transport von Sauerstoff aus der Deckschicht in die Tiefe und erhöhe so die Gefahr eines Sauerstoffmangels für die dort lebenden Organismen. „Umgekehrt werden weniger Nährstoffe aus der Tiefe in die Deckschicht befördert, was über das Nahrungsnetz das Ökosystem des Sees beeinflusst“, betonte der Experte.
Wie sich der Klimawandel auf den Fischbestand und die Wasserpflanzen im Bodensee auswirkt, wird gerade im Projekt „Seewandel-Klima“ ausführlicher untersucht. Das Projekt hat eine dreijährige Laufzeit bis 2026. Erste Anhaltspunkte für die Auswirkungen gibt es aber schon.
Erste Hinweise auf Auswirkungen
„Wir wissen noch nicht sehr viel, aber es gibt erste Hinweise“, sagte der Leiter der Forschungsstelle, Alexander Brinker, in Langenargen. Negativ wirke sich die höhere Temperatur etwa auf die Trüsche aus. „Für sie muss das Wasser im tiefen Bereich kälter sein als fünf Grad, sonst können sich die Eier nicht richtig entwickeln.“ Die Temperatur in dem Bereich sei aber schon höher, was zu geringeren Fangzahlen führe.
Laut Auswertung des Seeforschungsinstituts lag die Temperatur in der Tiefe im Jahresdurchschnitt 2023 bei 5,4 Grad. Das ist ein neuer Höhepunkt. Zehn Jahre zuvor waren es noch 4,3 Grad. Die Temperatur steigt von Jahr zu Jahr an.
Auch Felchen-Eier und -Larven würden durch steigende Temperaturen beeinträchtigt. Die Forscher gehen von einer höheren Sterblichkeit von Eiern und Larven aus, wenn es zu warm ist. Und für die ausgewachsenen Felchen wird befürchtet, dass diese im Sommer, wenn sie normalerweise Wasserflöhe in den lichtdurchfluteten Bereichen an der Seeoberfläche fressen, aufgrund des zu stark erwärmten Wassers nicht mehr in diese Bereiche einschwimmen. „Sie kommen nicht mehr an ihre Jagdgründe.“
Laut einer neuen Studie der Fischereiforschungsstelle Langenargen wirken sich höhere Temperaturen außerhalb des Bodensee auf die heimische Forellenzucht aus, die ihr Wasser aus angrenzenden Flüssen oder Quellschüttungen bezieht. Für die auf kaltes und sauerstoffreiches Wasser angewiesenen Forellen bedeuteten höhere Temperaturen Stress. Sie würden zur Abnahme oder Einstellung der Nahrungsaufnahme sowie einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit führen. Im Extremfall würden die Tiere verenden. „Bilanzierend betrachtet werden sich bis zum Ende des Jahrhunderts zwischen 37 und 77 Prozent der gegenwärtigen Forellenzuchten in ungünstigen Klimabedingungen wiederfinden“, so das Forschungsteam.
IT – KI – ROBOTIK – INTERNET
KI-generierte Werbung ist auf dem Vormarsch – 49 Prozent der US-Verbraucher haben laut Umfrage von LG Ad Solutions damit keine Probleme
Mountain View (pte003/17.06.2024/06:10) – Fast jedem zweiten US-Bürger ist es egal, ob Werbespots von Menschen oder Künstlicher Intelligenz geschaffen worden sind. Sie müssen nur authentisch wirken. Das hat eine Umfrage von LG Ad Solutions ergeben. „Es ist nun klar, dass sich der Appetit der Verbraucher auf innovative Technologien verlagert, die das Werbeerlebnis verbessern“, glaubt Tony Marlow, bei LG Ad Solutions für das Marketing verantwortlich.
Personalisierte Werbung
Die Branche, die generative KI einsetzt, erlebt ein exponentielles Wachstum. Derzeit sind allein in den USA über 1.400 Start-ups aktiv, von denen sich 55 auf die Erstellung von Werbekampagnen spezialisiert haben. Dieser technologische Fortschritt ermöglicht es, auf Knopfdruck hochpersonalisierte globale Werbekampagnen zu entwickeln. Daher sei es für Werbeagenturen wichtig zu verstehen, wie die Verbraucher diese innovativen Werbestrategien wahrnehmen, um deren Wirkung und Effektivität zu maximieren.
Die Umfrage, an der über 500 US-amerikanische Nutzer von Fernsehen und Streaming-Diensten teilgenommen haben, zeigt außerdem, dass 74 Prozent der Befragten das Gefühl hatten, dass sie Werbespots gesehen haben, die speziell auf sie zugeschnitten waren. Über 55-Jährige hatten seltener diesen Eindruck. 38 Prozent der Verbraucher hatten den Eindruck, dass Marken, für die mit KI-Unterstützung geworben wird, besser wahrgenommen werden. Bei Verbrauchern im Alter von 35 bis 54 Jahre waren es sogar 51 Prozent.
Politik-Werbung umstritten
Obwohl 30 Prozent der Verbraucher sagen, dass ihnen Werbung besser gefällt, wenn sie mit KI-Hilfe personalisiert wird, sind 80 Prozent der Meinung, dass es Vorschriften für den Einsatz von KI in bestimmten Fällen wie bei politischer Werbung etwa im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl im November geben sollte.
LG Ad Solutions nutzt selber KI, um das Verhalten der Verbraucher besser einschätzen und Werbetreibenden sagen zu können, wie sie am besten Kunden gewinnen. Damit lassen sich auch Standorte der Zielgruppen und deren Interessen erfassen. „Künftig wird LG Ad Solutions über ein KI-gesteuertes Reporting verfügen, das es Werbetreibenden ermöglicht, mühelos auf detaillierte Einblicke zuzugreifen und bei Bedarf einzigartige Berichte zu erhalten“, wirbt Marlow für seine Angebote.
„Marken haben traditionell einzelne globale Kampagnen erstellt, um Umfang und Reichweite zu maximieren, aber jetzt können sie mit KI hochgradig personalisierte globale Kampagnen entwerfen. So hat beispielsweise eine Marke bei LG Ad Solutions die lokalen Wetterbedingungen genutzt, um das relevanteste Produkt für die Werbung zu bestimmen, ohne dass separate Kampagnen und zusätzliche Ressourcen erforderlich waren.“ Bei Regen beispielsweise würden Schirme beworben. (Ende)
KOMMUNIKATION
Deutsche Unternehmen bleiben dem Fax treu – Jeder vierte Betrieb nutzt analogen Kommunikationsweg laut BITKOM-Studie häufig oder sehr häufig
Berlin (pte022/17.06.2024/13:45) – Das gute alte Faxgerät erfreut sich trotz Glasfaser und hyperschneller digitaler Kommunikation in drei Viertel der deutschen Unternehmen weiterhin standhafter Beliebtheit. Laut neuen Zahlen des Berliner Digitalverbands BITKOM nutzt es jeder vierte der 604 befragten Betriebe eigenen Angaben nach sogar häufig oder sehr häufig.
Langsam sinkendes Interesse
Das Festhalten am Fax geht nur langsam zurück. 2023 faxten noch 82 Prozent der Betriebe. 2022 waren es noch 88 Prozent, 2020 noch 92 Prozent und 2018 sogar noch 95 Prozent. Auch die intensive Faxnutzung nimmt demnach ab: 2018 war der Anteil derer, die häufig oder sehr häufig Faxe verschickten, mit 49 Prozent etwa doppelt so hoch wie in diesem Jahr.
56 Prozent der Unternehmen, die noch faxen, sehen diesen Weg bei der Kommunikation mit Behörden als „unumgänglich“. 43 Prozent faxen, weil es sicherer als der Postweg sei und 35 Prozent tun es, da sie gut funktionierende und etablierte Prozesse haben. Je 27 Prozent faxen aus Gewohnheit beziehungsweise, weil sie in der Regel einen Zustellungsnachweis benötigen.
Backup für digitalen Systemausfall
25 Prozent der Unternehmen, die faxen, tun dies, um den Anforderungen ihrer Kundschaft gerecht zu werden. Zehn Prozent faxen, um rechtliche Vorgaben zu erfüllen. Sieben Prozent nutzen das Fax, weil sie meinen, es sei sicherer als digitale Kommunikation und bei sechs Prozent dient das Fax als Backup, wenn digitale Systeme ausfallen, heißt es abschließend. (Ende)
MENSCHEN
Abschiedsinterview: Erste-Chef Cernko: „Wir Banker sind nichts Besonderes“ – Der Standard, 15.6.2024
Schule und Studium brach er ab, Chef von Bank Austria und Erste Group wurde er trotzdem. Willibald Cernko über Finanzkrise, Banker und Wurstverkauf im Kassensaal
Interview: Renate Graber
„Eine Karriere wie meine wäre heute ganz unmöglich. So kommst du nicht einmal zu einem Job-Interview“, sagt der scheidende Erste-Group-Chef Willibald Cernko. Regine Hendrich
In einer Woche beendet Willibald „Willi“ Cernko seine Zeit als Erste-Group-Chef – nach mehr als 40 Jahren in der Bankbranche. Ein Abschiedsgespräch. …
Geburtstag: Philosoph Jürgen Habermas wird 95
Er gilt als wichtigster deutscher Philosoph der Gegenwart und genießt weltweite Anerkennung. Bekannt ist Jürgen Habermas aber nicht zuletzt als streitbarer Intellektueller, der sich seit inzwischen rund sieben Jahrzehnten immer wieder in politische Debatten einschaltet. „Öffentliches Engagement ist die wichtigere Aufgabe der Philosophie“, stellte er einmal klar. Heute wird der Philosoph und Soziologe 95 Jahre alt.
Mit 95 Jahren hat sich der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas noch nicht zur Ruhe gesetzt. „In irgendeiner Arbeit steckt er immer“, sagt Roman Yos, der zusammen mit Habermas und dessen Biografen Stefan Müller-Doohm an einem Gesprächsband für den Suhrkamp Verlag arbeitet. Er erlebe ihn als „sehr rege, sehr wach, geistig punktgenau fixiert“, schildert Yos der dpa. Habermas selbst gibt nach Auskunft seines Verlags keine Interviews mehr.
Verstummt ist der große Denker aber keineswegs. Ein Mammutwerk wie das 2019 erschienene 1775-Seiten-Opus „Auch eine Geschichte der Philosophie“ plane er nicht mehr. Aber immer wieder meldet er sich mit Essays für große Tageszeitungen oder wissenschaftliche Publikationen zu aktuellen Themen zu Wort. Corona, der Ukraine-Krieg, der Nahost-Konflikt haben ihn in den letzten Jahren beschäftigt. „Er kann nicht nicht politisch denken“, sagt Yos, der am Lehrstuhl für Kulturphilosophie in Wuppertal arbeitet.
„Er kann nicht nicht politisch denken“
Dass der Name Habermas so vielen Menschen bekannt ist, liegt auch daran, dass es eigentlich zwei von ihm gibt: den Philosophen, dessen wissenschaftliches Werk für Laien „voraussetzungsreich und sperrig“ erscheinen mag, wie Yos es formuliert – und den öffentlichen Intellektuellen, der sich in tagesaktuelle Debatten einschaltet. Dass seine Einlassungen mit langem Atem ausargumentiert sind und sich nicht auf eine Schlagzeile verkürzen lassen, versteht sich von selbst. Dass er sich damit auch Kritik aussetzt, kalkuliert er ein und ist sogar gewünscht. Denn die Debatte, der Austausch von Argumenten, das Ringen um Verständigung ist auch als Philosoph eines seiner Kernthemen.
Gesundheitlich gehe es ihm für sein Alter erstaunlich gut, berichtet Yos. Auch seine nahezu gleich alte Ehefrau lebt noch, allerdings ist eines seiner drei Kinder kürzlich verstorben. Seit Jahrzehnten lebt der am 18. Juni 1929 in Düsseldorf geborene Habermas am Starnberger See, auch wenn seine berufliche Tätigkeit vor allem mit Frankfurt am Main verbunden ist, wo er ab 1956 Forschungsassistent bei Max Horkheimer war und 1964 dessen Lehrstuhl übernahm.
Ringen um Vernunft
Die Schnelllebigkeit der sozialen Medien, die aggressiv aufgeheizte Debattenkultur, das Vordringen autoritärer Kräfte – all das muss ihm fremd sein, ihn vermutlich auch abstoßen. Dennoch glaube Habermas unverbrüchlich an das Konzept der Vernunft, sagt Yos. „Es gibt für ihn keine Alternative.“ Allerdings habe er die ehemals überhöhte Vernunftidee quasi auf die Erde zurückgeholt in Form einer „detranszendentalisierten Vernunft“.
Wem jetzt schon die Ohren klingeln, ist in großer Gesellschaft. Seine bedeutendsten Schriften wie „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (1962) oder die „Theorie des kommunikativen Handelns“ (1981) sind ebenso einflussreich wie anspruchsvoll. Im nicht deutschen Sprachraum wird Habermas nach Yos’ Einschätzung bis heute als einer der bedeutendsten deutschen Denker wahrgenommen. Im philosophischen Fachdiskurs seines Heimatlands werde er inzwischen eher „historisch“ wahrgenommen.
Mit Gesprächen dem Werk Leben einhauchen
Öffentliche Auftritte sind zum 95. nach Angaben seines Verlags nicht geplant. Zum 90. hielt der Ex-Frankfurter einen Vortrag an der Goethe-Universität, dem 3.000 Menschen in fünf Sälen lauschten – bis ein Feuerfehlalarm die Rede unterbrach. Zusammen mit 700 Zuhörern verließ Habermas das Audimax – um dann seine Vorlesung über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Hegel, Marx und Kant völlig ungerührt kommentarlos fortzusetzen.
Seit 2021 sprechen und schreiben Müller-Doohm und Roman Yos mit Habermas an dem Gesprächsband „Es musste etwas besser werden …“ (ISBN: 978-3-518-58819-2 ), der im September erscheint und den der Verlag als „den perfekten Einstieg in den Habermas-Kosmos“ ankündigt. Habermas erzählt von wegweisenden Lektüren und prägenden Kollegen. Er gibt darin Auskunft über sein Denken und die Veränderungen, die es im Laufe der Jahrzehnte erfuhr. „So entsteht das Bild eines reichen Beziehungsgeflechts, das sich über große Teile der intellektuellen Landkarte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart erstreckt.“ *** red, science.ORF.at/Agenturen
Ex-Hochrechner Bruckmann gestorben
Der Statistiker und ehemalige „Hochrechner der Nation“ Gerhart Bruckmann ist am Wochenende im Alter von 92 Jahren gestorben. Mit einem von ihm entwickelten Modell wurde 1966 die erste Wahlhochrechnung durchgeführt.
Zwei Jahrzehnte lang war Bruckmann der Mann, der den Österreicherinnen und Österreichern an Wahlabenden via Fernsehen das voraussichtliche Ergebnis des Urnenganges präsentierte. „Aus Ärger über falsche Voraussagen“ hatte der damals 34-jährige studierte Statistiker 1966 ein eigenes Berechnungsmodell für Hochrechnungen erarbeitet, das er für den ORF durchführte und selbst moderierte.
Schon bei seiner Premiere bei der Nationalratswahl 1966 schlug Bruckmanns Hochrechnungssystem ein, die damit errechnete Mandatsverteilung entsprach dann tatsächlich dem am Abend verkündeten vorläufigen Endergebnis. Bis 1986 war Bruckmann dann für sämtliche Hochrechnungen des ORF verantwortlich, die er auch selbst moderierte.
Für Unis und IHS tätig
Bruckmann wurde am 9. Jänner 1932 in Wien geboren und schlug nach längerer Tätigkeit in der Wirtschaftskammer eine wissenschaftliche Karriere ein. 1966 habilitierte er sich an der Uni Wien im Bereich Statistik – anschließend übernahm er für ein Jahr eine Professur an der Uni Linz, bevor er als Professor 1968 an die Uni Wien zurückkehrte.
Im selben Jahr wurde Bruckmann zum Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) bestellt, das er bis 1973 leitete. 1972 wurde er außerdem wirkliches Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Wechsel in die Politik
1986 wechselte der einstige Hochrechner der Nation dann die Fronten von der Analyse zur Politik und zog für die ÖVP in den Nationalrat ein, dem er zunächst bis 1994 und dann von 1999 bis 2002 angehörte. Für die ÖVP fungierte er als Wissenschafts-, Umwelt- und zuletzt als Seniorensprecher im Parlament. Mit 70 Jahren zog sich Bruckmann im Jahr 2002 aus der aktiven Politik zurück. *** red, wien.ORF.at/Agenturen
60-Jährige durchschwamm Bodensee
Die deutsche Iris Ashman ist als erste Frau ohne Neoprenanzug und ohne Bootsberührung von Bodman nach Bregenz geschwommen. Die 60-Jährige startete die 64 Kilometer lange Strecke am Sonntagmittag und kam am Montagabend nach 30 Stunden in Bregenz an.
Am Sonntagmittag kurz vor 12.00 Uhr startete Iris Ashman das Projekt „Bodensee-Längsdurchquerung“ in Bodman. Bei Sonnenschein kraulte sie los in Richtung Bregenz. Die zurückzulegende Strecke beträgt 64 Kilometer. Ashman, die schon seit längerem in Großbritannien lebt, gilt als erfahrene Openwater-Schwimmerin, sie durchschwamm unter anderem auch schon den Ärmelkanal von Großbritannien nach Frankreich.
Kurz nach 18.00 Uhr am Montagabend erreichte sie nach über 30 Stunden Dauerkraulen die Pipeline in Bregenz. Ziemlich erschöpft wurde die 60-Jährige von ihren Begleitern in Empfang genommen.
Ohne Neoprenanzug und Bootsberührung
Die offiziellen Regeln sehen vor, dass die Schwimmerin keinen physischen Kontakt zum Begleitboot haben darf, auch das Essen und Trinken ist nur im Wasser erlaubt. Außerdem darf Ashman keinen Neoprenanzug tragen und auch keinen Zeitmesser, mit dem man ihre Position erkennen kann.
Ashman ist die erste Frau, die nach diesen Regeln den Bodensee längs durchschwamm. Davor schaffte es Sandra Albrecht aus Lindau im Jahr 2001. Sie trug aber einen Neoprenanzug und machte Verpflegungspausen auf dem Begleitboot.
„Das Alter ist nur eine Nummer“
„Ich habe seit drei Jahren dafür trainiert“, so Ashman nach ihrer Ankunft in Bregenz glücklich im ORF Vorarlberg-Interview. Alleine seit Jänner habe sie bisher 1.000 Kilometer geschwommen. „Das Alter ist nur eine Nummer“, so die 60-Jährige. *** red, vorarlberg.ORF.at
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