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FAZIT DES TAGES
Die Stimmung in einem Betrieb ist viel wichtiger, als jedes Wissen und jedes Kapital.
Klaus Kobjoll, Hotelier „Schindlerhof“ bei Nürnberg
COMMENT – FAZIT:
- Israel-Hamas-Krieg: Israel tötet hochrangigen Hisbollah-Kommandant, Hisbollah überzieht Nordisrael mit Raketen-Schwarm. G7 befürwortet Bidens Drei-Phasen-Plan. Weiter Kämpfe in Rafah
- Ukraine-Krieg: 50-Milliarden-Kredit für die Ukraine von den G7-Staaten beschlossen, die USA wollen die Hauptlast dieses Kredits tragen. Sieht Von der Leyen zu Recht die Steuerzahler durch den Milliarden-Kredit nicht belastet? Kommen bald weitere Patriot-Systeme für die Ukraine?
- US-Arbeitslosenhilfe-Anträge und gesunkene US-Erzeugerpreise stützen Zinshoffnungen der Anleger.
- Sommerprognosen: deutsche Wirtschaftsinstitute sehen Licht am Ende des Konjunktur-Tunnels.
- Weitere COMMENTS vorhanden
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Themenreigen – Medizin, Umwelt, Hitzewelle in Südeuropa, Zersiedeltes Österreich, Social Media: Laufende Nachrichten untergraben Empathie, Recht, Gesellschaft-Religion
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HELLMEYER-Report (gekürzt)
Der nächste Hellmeyer Report erscheint erst wieder am Dienstag, den 18.06.2024
MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
COMMENT: Der DAX ist charttechnisch angeschlagen:mehrmals wurde seit dem letzten Kursmaximum im Mai die Unterstützung bei 18.500 Punkten unterschritten; seit Ende Mai bildet sich u.U. ein sich nach rechts öffnender, liegender Trichter aus. Steht ein größerer Abverkauf ins Haus?
Do | NACHBÖRSE/XDAX +0,1% auf 18.293 Pkt | 690 | Dow Jones News | |
Do | MÄRKTE USA/Wall Street zwischen Zinshoffnung und Fed-Signalen | 569 | Dow Jones News | |
Do | ROUNDUP/Aktien New York Schluss: Techsektor treibt Börsen-Rekordlauf voran | 683 | dpa-AFX | |
Do | US-Anleihen steigen im Handelsverlauf weiter NEW YORK (dpa-AFX) – US-Staatsanleihen haben am Donnerstag im Handelsverlauf ihre Gewinne ausgebaut. Der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) stieg zuletzt um 0,35 Prozent auf 110,70 Punkte zu. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere fiel im Gegenzug auf 4,23 Prozent. Konjunkturdaten erhärteten die Erwartung perspektivischer Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed. Während die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe zum dritten Mal in Folge zulegten, schwächte sich die Teuerung auf Unternehmensebene ab. Die Zahlen passen in das Bild eines zwar soliden, aber tendenziell schwächeren Arbeitsmarkts und einer wieder rückläufigen Inflation./ck/men | 483 | dpa-AFX | |
Do | Devisen: Euro gibt im US-Handel spürbar nach – Frankreich-Wahl verunsichert | 388 | dpa-AFX | |
Do | MÄRKTE EUROPA/China und Frankreich drücken auf die Kurse | 473 | Dow Jones News | |
Do | XETRA-SCHLUSS/Ausländische Anleger verkaufen den DAX | 458 | Dow Jones News | |
Do | Aktien Schweiz halten sich besser als die europäischen Pendants | 314 | Dow Jones News | |
Do | Aktien Europa Schluss: Frust über womöglich nur eine US-Zinssenkung 2024 | 322 | dpa-AFX | |
Do | Deutsche Anleihen: Deutliche Kursgewinne – Frankreich-Wahl verunsichert FRANKFURT (dpa-AFX) – Die Verunsicherung in Frankreich hat die Kurse deutscher Bundesanleihen am Donnerstag spürbar nach oben getrieben. Der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future kletterte bis zum Nachmittag um 0,78 Prozent auf 131,87 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen betrug 2,46 Prozent. Die anstehenden Wahlen zur französischen Nationalversammlung bestimmten erneut das Geschehen an den Anleihemärkten. Demnach ist laut neuen Umfragen die Zustimmung für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf den niedrigsten Stand seit Ende 2018 gefallen. Der drohende Wahlsieg der französischen Rechtsnationalen trieb die Renditen französischer Staatsanleihen nach oben. Die Rendite zehnjährige Anleihen stieg auf 3,17 Prozent. Die Differenz (Spread) zu deutschen Bundesanleihen zum Schlusskurs ist die höchste seit dem Jahr 2017. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hatte am Sonntag überraschend Neuwahlen für die Nationalversammlung angekündigt. Diese sollen schon am 30. Juni und 7. Juli stattfinden. Grund für die Ansetzung ist der deutliche Sieg des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) bei der Europawahl. Die Partei von Marine Le Pen hat teure Wahlversprechen gemacht und steht der EU skeptisch gegenüber. Zuletzt hatte die Ratingagentur S&P Global Ratings (vormals Standard and Poor’s) die Kreditwürdigkeit von Frankreich herabgestuft. Am Dienstag hatte sich die Ratingsagentur Moody’s die Wahlen eine Gefahr für die Haushaltskonsolidierung und die Bonität Frankreichs bezeichnet. Im Zuge der Verunsicherung stiegen auch die Renditen italienischer Anleihen. Die am Nachmittag veröffentlichten US-Wirtschaftsdaten hatten bereits zuvor die Anleihekurse gestützt. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind in der vergangenen Woche deutlich stärker gestiegen als erwartet. Ein schwächerer Arbeitsmarkt dämpft tendenziell die Lohnentwicklung. Dies erleichtert der US-Notenbank Fed die Inflationsbekämpfung. Zudem sind im Mai auch die Erzeugerpreise im Jahresvergleich weniger stark gestiegen als erwartet. Diese wirken sich auch auf die Inflation insgesamt aus. Die US-Notenbank hatte am Mittwoch nur noch eine Leitzinssenkung in diesem Jahr signalisiert. Zuvor hatte sie noch drei in Aussicht gestellt. Die im Mai unerwartet etwas gesunkene Inflationsrate in den USA hatte die Einschätzung der Fed offenbar kaum geändert. US-Notenbankchef Jerome Powell sagte, dass man mehr solcher Daten sehen wolle, bevor man die Zinsen senken werde. Zinssenkungen belasten tendenziell eine Währung./jsl/men | 240 | dpa-AFX | |
Do | Aktien Frankfurt Schluss: Enttäuschung über Fed belastet Kurse schwer | 431 | dpa-AFX | |
Do | Dax lässt kräftig nach – Porsche Automobil weiter hinten | 737 | dts Nachrichtenagentur |
ISRAEL
n-tv aktuell ISRAEL
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n-tv aktuell Nahost-Konflikt
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NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL
ROUNDUP: G7 unterstützen Bidens Nahost-Friedensplan – Die Nacht im Überblick
BARI/TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) – Auf der Suche nach einem Weg aus dem Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas hat sich auch die G7-Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen hinter den von US-Präsident Joe Biden vorgestellten Nahost-Friedensplan gestellt. „Wir haben gemeinsam diesen Plan des amerikanischen Präsidenten unterstützt und sind auch gemeinsam froh, dass der (UN-)Sicherheitsrat das auch getan hat“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag am Rande des Gipfeltreffens der G7-Staaten in Italien. „Jetzt kommt es darauf an, dass alle das jetzt umsetzen. Wir fordern also insbesondere die Hamas auf, die notwendige Zustimmung zu erteilen.“
Der von Biden Ende Mai vorgestellte Drei-Phasen-Plan sieht 1) zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor. In diesem Zeitraum soll eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen werden. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. 2) In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. 3) In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.
„Ich habe einen Entwurf vorgelegt, der vom UN-Sicherheitsrat, den G7 und den Israelis unterstützt wird. Das größte Hindernis ist bisher, dass die Hamas sich weigert zu unterschreiben, obwohl sie etwas Ähnliches vorgelegt hat“, sagte US-Präsident Biden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Er versprach: „Wir werden weiter Druck machen.“
Hamas-Sprecher: Niemand weiß, wie viele Geiseln noch leben
Mehr als acht Monate nach dem Angriff auf Israel weiß die Hamas eigenen Angaben nach nicht, wie viele der rund 120 im Gazastreifen vermuteten Geiseln noch am Leben sind. „Ich weiß es nicht. Niemand weiß es“, behauptete Hamas-Sprecher Osama Hamdan in einem am Freitag veröffentlichten Interview des US-Fernsehsenders CNN.
Erst am Samstag hatten israelische Soldaten bei einem großangelegten Militäreinsatz vier Geiseln im Gazastreifen aus der Gewalt der Hamas befreit. In Israel gehen seit Monaten immer wieder zahlreiche Menschen auf die Straße und fordern von der Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu größere Anstrengungen, um alle Geiseln heimzuholen. Das Schicksal der Entführten spielt auch eine wichtige Rolle bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über eine Waffenruhe.
Israelischer Militäreinsatz nahe Dschenin
Bei einem israelischen Militäreinsatz im Westjordanland sind mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen. Die Streitkräfte griffen eigenen Angaben zufolge in einem Dorf in der Nähe der Stadt Dschenin ein Gebäude an, in dem sich „zwei hochrangige, gesuchte Verdächtige“ befanden. „Die beiden gesuchten Verdächtigen wurden eliminiert und es wurden Waffen in ihrem Besitz gefunden“, teilte die Armee mit. Warum die beiden Getöteten gesucht wurden, blieb offen. Dschenin gilt als Hochburg militanter Palästinenser. Die israelische Armee führt dort immer wieder Razzien durch.
Minister will Mittel für Palästinenser israelischen Terroropfern geben
Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich will der Palästinensischen Autonomiebehörde Mittel in Höhe von 32,5 Millionen Dollar (rund 30,3 Millionen Euro) vorenthalten und diese stattdessen an israelische Terroropfer auszahlen. Er habe eine entsprechende Anordnung unterzeichnet, schrieb der Minister am Donnerstag auf der Plattform X. Er sprach von „historischer Gerechtigkeit“. Die US-Regierung kritisierte den Schritt des Ministers als „außerordentlich fehlgeleitete Entscheidung“, die die Lage im Westjordanland destabilisieren könnte. „Wir haben gegenüber der israelischen Regierung deutlich gemacht, dass diese Gelder der palästinensischen Bevölkerung gehören“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller.
Berichte: Gericht verlängert Zwangspause für Sender Al-Dschasira
Ein israelisches Gericht hat derweil Medienberichten zufolge eine Verlängerung des staatlich angeordneten Sendeverbots für den arabischen TV-Kanals Al-Dschasira um weitere 45 Tage genehmigt. Das zuständige Bezirksgericht in Tel Aviv sah es als erwiesen an, dass es eine enge Verbindung zwischen dem katarischen Sender und der Hamas gibt, wie mehrere israelische Medien am Donnerstag meldeten. Vor rund einer Woche hatten die Richter bereits die Schließung des Senders durch die Regierung für 35 Tage bestätigt. Sie sahen es als erwiesen an, dass das Medium wegen seiner Nähe zur Hamas eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt. Im Golfemirat Katar befindet sich auch das Hamas-Politbüro./mfi/aha/DP/zb
WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN
Israels Armee: Kämpfe in Rafah dauern an
GAZA/TEL AVIV (dpa-AFX) – Israels Armee setzt eigenen Angaben zufolge ihre international viel kritisierten Einsätze in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens fort. Am Mittwoch habe es dabei erneut Tote gegeben, teilte das Militär am Donnerstag mit. „Die Truppen führten gezielte Razzien in dem Gebiet durch, lokalisierten Waffen und eliminierten in Nahkämpfen mehrere Terroristen“, hieß es in einer Mitteilung der Armee. Auch im Zentrum des Küstengebiets gingen die Kämpfe demnach weiter. Dort kamen den Angaben zufolge ebenfalls Menschen ums Leben: „Am vergangenen Tag eliminierten die Truppen mehr als zehn Terroristen.“ Darunter sei auch ein Palästinenser gewesen, der laut Armee an dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober beteiligt war.
Am Mittwoch seien insgesamt „mehr als 45 Terrorziele im gesamten Gazastreifen“ aus der Luft angegriffen worden, so die Armee weiter. Ziele dabei seien unter anderem bewaffnete Gruppen, Tunnel und Raketenwerfer gewesen.
Die Angaben des Militärs ließen sich allesamt zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten.
International steht das Vorgehen der israelischen Armee in der Kritik – vor allem die Einsätze in Rafah an der Grenze zu Ägypten. Dort hatten etliche Menschen Schutz vor dem Krieg gesucht.
Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden im Zuge der israelischen Offensive im Gazastreifen bislang mindestens 37 232 Menschen getötet und weitere 85 037 verletzt. Die Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich derzeit ebenfalls nicht unabhängig verifizieren./cir/DP/ngu
Israel: Heftiger Raketenbeschuss aus dem Libanon geht weiter
TEL AVIV/BEIRUT (dpa-AFX) – Der heftige Raketenbeschuss aus dem Libanon auf Israel hält nach Angaben des israelischen Militärs weiter an. „Die Sirenen heulen im Norden Israels, während die Hisbollah ohne Pause Geschosse vom Süden des Libanons aus abfeuert“, schrieb die Armee am Donnerstag auf X. Es gab zunächst keine Angaben zur genauen Zahl der Raketen. In der Nacht hatte die israelische Luftwaffe mehrere Hisbollah-Ziele im Libanon angegriffen.
Am Mittwoch hatte die libanesische Schiitenmiliz als Vergeltung für die gezielte Tötung eines ranghohen Kommandeurs durch Israel rund 200 Raketen auf Israel abgefeuert. Es herrscht große Sorge vor einer gefährlichen Ausweitung des Konflikts.
Israelische Medien berichteten, im Kibbuz Jiron im Grenzgebiet sei ein Haus direkt getroffen worden. In der Stadt Safed im Norden Israels und in Katzrin auf den besetzten Golanhöhen seien Raketenteile niedergegangen. Laut Sanitätern wurden auf den Golanhöhen zwei Menschen durch Raketensplitter verletzt. Mehrere Menschen hätten sich durch Stürze beim Laufen in Schutzräume verletzt, außerdem gebe es mehrere Schockverletzte.
Es seien entlang der Grenze auf israelischem Gebiet mehrere Brände ausgebrochen, hieß es in Medienberichten. In der Region herrscht gegenwärtig besonders heißes und trockenes Wetter, sodass Feuer sich leicht ausbreiten./le/DP/ngu
Waffe gegen Gestrüpp: Israels Armee feuert Brandgeschosse nach Libanon
TEL AVIV (dpa-AFX) – Die israelische Armee hat einem Medienbericht zufolge mit einem Katapult Brandgeschosse über die Grenze auf libanesisches Gebiet gefeuert. Ziel sei es offenbar, dichtes Gestrüpp im Grenzgebiet zu verbrennen, damit feindliche Kämpfer sich dort nicht verbergen können, berichtete der öffentlich-rechtliche Sender Kan am Donnerstag.
Ein Video, das in sozialen Medien kursierte, zeigte israelische Soldaten neben einem mittelalterlich anmutenden Katapult, das einen Feuerball über eine hohe Maueranlage schleuderte.
Die Armee teilte laut Kan mit, es handele sich nur um eine „örtliche Initiative“ und nicht um eine Waffe mit breitem Gebrauch.
Israel und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs vor acht Monaten Gefechte, die immer heftiger werden. Auf beiden Seiten der Grenze kommt es durch die Angriffe immer wieder zu Bränden. In der Region herrscht heißes und trockenes Wetter, sodass Feuer sich schnell ausbreiten kann./le/DP/ngu
Hisbollah-Kommandeur im Libanon getötet – Raketen auf Israel
BEIRUT/TEL AVIV (dpa-AFX) – Mit massiven Raketenangriffen auf den Norden Israels hat die Hisbollah auf die gezielte Tötung eines ranghohen Kommandeurs der libanesischen Schiitenmiliz reagiert. Rund 200 Geschosse seien aus dem nördlichen Nachbarland abgefeuert worden, teilte die israelische Armee am Mittwoch mit. Die Vergeltungsangriffe reichten bis ungewöhnlich tief in das Land – nach Medienberichten bis Tiberias am See Genezareth. Die Nachrichtenseite ynet berichtete von „beispiellosen Angriffen“.
Sehr ranghoher Hisbollah-Kommandeur getötet
Kommandeur Talib Abdallah und drei weitere Hisbollah-Mitglieder seien bei einem israelischen Angriff in der Nacht zum Mittwoch getötet worden, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen. Abdallah ist eines der ranghöchsten Todesopfer in den Reihen der Miliz seit der Tötung von Kommandeur Wissam al-Tauil im Januar.
Nach Angaben der israelischen Armee griff die Luftwaffe in dem Ort Dschuwaja, der etwa 30 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt liegt, ein Hisbollah-Kommandozentrum an. Von dort aus habe es direkte Angriffe auf Israel gegeben. Das Militär habe außerdem den Kommandeur Abdallah gezielt getötet, hieß es in der Mitteilung. Er sei „einer der ranghöchsten Hisbollah-Kommandeure im Süden des Libanons“ gewesen.
Israel: Kommandeur stand hinter vielen Terroranschlägen
„Viele Jahre lang hat der Terrorist eine große Anzahl von Terroranschlägen auf israelische Zivilisten geplant, vorangetrieben und ausführt“, teilte die Armee weiter mit. Sie bestätigte, bei dem Angriff seien drei weitere Hisbollah-Mitglieder getötet worden.
Aus Hisbollah-Kreisen hieß es, Abdallahs Tod sei „ein großer Verlust für die Bewegung“. Im Beisein von mehreren hundert Trauergästen wurde er im Süden Beiruts beigesetzt, wo die Hisbollah besonders großen Einfluss hat. Es war das erste Mal seit der Tötung Al-Tauils vor fast einem halben Jahr, dass die Hisbollah von der Tötung eines „Kommandeurs“ sprach. Haschem Safieddine, ranghoher Hisbollah-Funktionär, kündigte bei dem Begräbnis an, die Organisation werde als Reaktion auf Abdallahs Tod „die Intensität, Stärke, Quantität und Qualität unserer Operationen verstärken“.
Kommandeur galt als Vertrauter Soleimanis
Die Miliz veröffentlichte Fotos Abdallahs und Al-Tauils zusammen wie auch ein Foto Abdallahs mit dem mächtigen iranischen General Ghassem Soleimani, der 2020 im Irak durch einen US-Drohnenangriff getötet worden war. Die schiitische Miliz ist eng mit dem Iran verbündet. Abdallah soll ein enger Vertrauter Soleimanis gewesen sein und verantwortlich für bewaffnete Einsätze der Hisbollah im Zentrum und Süden des Libanons.
Einige abgefeuerte Geschosse aus dem Libanon habe die Raketenabwehr abgefangen, andere seien an mehreren Orten im Norden Israels eingeschlagen, teilte die israelische Armee mit. Es seien mehrere Brände ausgebrochen. Die Polizei teilte mit, alle Geschosse seien in unbewohnten Gebieten niedergegangen. Es gebe keine Berichte über Verletzte. Israels Luftwaffe griff nach Militärangaben eine Raketen-Abschussrampe im Libanon an.
Sorge vor Eskalation durch Ausweitung von Angriffen
Mit der Tötung Abdallahs könnte sich der Konflikt zwischen der Hisbollah und Israels Armee ausweiten. Die Lage im Südlibanon gehe „in Richtung Eskalation“, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen. Dort wachse die Sorge, weil Israel zunehmend auch Ziele im Landesinneren angreife. „Niemand will einen Krieg beginnen oder eskalieren“, sagte US-Außenminister Antony Blinken in Katar zur Lage im Libanon. Eine Waffenruhe im laufenden Gazakrieg würde auch im Libanon eine „enorme Menge Druck abbauen“.
Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor mehr als acht Monaten kommt es täglich zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischen Armee mit der Hisbollah-Miliz sowie anderen Gruppierungen im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Tote gab es dabei auf beiden Seiten. In Ortschaften beiderseits der Grenze hat der gegenseitige Beschuss schwere Zerstörungen angerichtet. Rund 150 000 Menschen wurden evakuiert oder verließen die Kampfzone.
Die Hisbollah ist mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es die UN-Resolution 1701 vorsieht. Es wird aber nicht damit gerechnet, dass die Hisbollah das Feuer einstellt, solange der Gaza-Krieg andauert./wh/DP/mis
UKRAINE
Karte der Ukraine
n-tv aktuell UKRAINE
+++ 09:20 Bedrohungen aus Russland: Außenminister des Ostseerats beraten +++
Die Außenminister des Ostseerats beraten in Finnland über die Abwehr hybrider Bedrohungen durch Russland. In Arbeitssitzungen soll es in Porvoo in der Nähe der Hauptstadt Helsinki um eine stärkere Krisenvorsorge und Widerstandsfähigkeit im Ostseeraum sowie einen umfassenden Ansatz zur Abwehr von Cyberangriffen, Sabotage oder Desinformation durch Russland gehen. Für Deutschland nimmt Außenministerin Annalena Baerbock an den Beratungen teil. Im kleinen Kreis traf die Bundesaußenministerin am Morgen zunächst mit ihrer finnischen Kollegin Elina Valtonen zusammen. Gegen 12.30 Uhr will Baerbock mit Valtonen und dem estnischen Außenminister Margus Tsahkna die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Beratungen unterrichten.
+++ 08:54 Ukraine: Mehr als 100 Zusagen für Friedenskonferenz in der Schweiz +++
Nach Angaben des ukrainischen Botschafters in Deutschland haben mehr als hundert Länder ihre Teilnahme an der bevorstehenden Friedenskonferenz in der Schweiz zugesagt. „Es ist schon ein Erfolg, dass so viele Staats- und Regierungschefs und Vertreter von Ländern nicht nur aus Europa, sondern aus der ganzen Welt in die Schweiz kommen und über die Grundlagen einer möglichen künftigen Friedensruhe sprechen“, sagt Botschafter Oleksii Makeiev im ZDF. Die Ukraine sei auch zu Gesprächen mit Russland bereit, sobald Moskau seine Offensive beende und seine Truppen zurückziehe, so Makeiev. „Russland kann diesen Krieg sofort beenden.“ Kreml-Chef Wladimir Putin strebe aber „die Vernichtung der Ukraine“ an. Russland sei „eine Riesengefahr“ nicht nur für die Ukraine, sondern auch für andere Nachbarländer und ganz Europa.
+++ 08:29 Ehemaliger Mitarbeiter des AKW Saporischschja wegen Kollaboration verurteilt +++
Die Ukraine verurteilt einen ehemaligen Mitarbeiter des Kernkraftwerks Saporischschja wegen Kollaboration mit den russischen Besatzungstruppen zu zehn Jahren Gefängnis. Dies teilt die Staatsanwaltschaft der Region Saporischschja mit. Es sei nachgewiesen worden, dass der ukrainische Staatsbürger während seiner Tätigkeit in leitender Position im Kernkraftwerk Saporischschja im besetzten Enerhodar geblieben war und „mit dem Feind “ zusammengearbeitet habe. „Er unterstützte die Besatzer bei der Umsetzung des kriminellen Erlasses des Präsidenten der Russischen Föderation, der das AKW Saporischschja rechtswidrig als Subjekt des russischen Energiemarktes einstufte“, heißt es.
+++ 07:59 Russland meldet Dutzende ukrainische Drohnen über eigenem Territorium +++
Russland berichtet von Dutzenden ukrainischen Drohnen über seinem Gebiet. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASS fängt die russische Luftabwehr 87 Drohnen ab, darunter alleine 70 über der Region Rostow. Dort sei die Stromversorgung im Bezirk Morosowskij unterbrochen, heißt es weiter. Nach Angaben von Gouverneur Wassili Golubew wird aber niemand getötet. Drohnen versuchen laut TASS zudem, ein Öldepot in der Region Woronesch anzugreifen. Aus Kursk werden „geringfügige Schäden“ durch Trümmer gemeldet. Auch in den Regionen Belgorod und Wolgograd sowie über der von Russland annektierten Halbinsel Krim werden nach russischen Angaben Drohnen abgefangen.
+++ 07:34 Putin in Nordkorea: US-Vizeaußenminister und sein südkoreanischer Kollege führen „dringendes Telefongespräch +++
Südkoreas Vizeaußenminister Kim Hong-kyun und der stellvertretende US-Außenminister Kurt Campbell haben ein „dringendes Telefongespräch“ über einen möglichen bevorstehenden Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Nordkorea geführt. Dies teilt das Außenministerium in Seoul mit. Putins Besuch dürfe nicht zu einer engeren militärischen Zusammenarbeit zwischen Pjöngjang und Moskau führen.
+++ 07:05 Ukrainische EM-Spieler posten bewegendes Video +++
In einem emotionalen Video weisen 13 Spieler des ukrainischen Nationalteams kurz vor der Fußball-EM in Deutschland auf die schwierige Situation in ihrer Heimat hin. Andrij Lunin von Real Madrid, Mychajlo Mudryk vom FC Chelsea, Olexander Sintschenko vom FC Arsenal und andere Profis nennen in dem vom ukrainischen Verband veröffentlichten Video die Namen ihrer Heimatstädte. Dazu wurden Bilder von zerstörten Wohnhäusern und Autos, Explosionen und Rettungskräfte bei der Bergung von Personen gezeigt. „Unsere Heimatstädte würden gerne die EM ausrichten, aber gerade kämpfen sie nicht für das Turnier, sondern für den Frieden“, steht am Ende des 1:25 Minuten langen Videos geschrieben: „Unterstützt die Ukraine.“
+++ 06:37 Journalist von russischem Staatsfernsehen in Ostukraine getötet +++
Ein Journalist des russischen Staatssenders NTV wird nach Angaben seines Senders bei einem ukrainischen Drohnenangriff in der von Russland besetzten Ostukraine getötet. Ein weiterer Journalist und ein die Reporter begleitender Offizier seien bei dem Angriff in Holmiwskyj, einem von Russland kontrollierten Dorf nahe der Frontlinie in der Region Donezk, verletzt worden, berichtet der Sender NTV. „Der NTV-Journalist und Kameramann Waleri Koschin und der NTV-Korrespondent Alexej Iwlijew wurden verletzt. Vorläufigen Berichten zufolge wurden die Journalisten von einer Drohne angegriffen“, berichtet der Sender. Beide seien in ein Krankenhaus in der Stadt Horliwka gebracht und operiert worden, Koschin „konnte aber nicht gerettet werden“. Journalisten der russischen Staatsmedien begleiten die russischen Truppen oft an der Front, ihre Reportagen über den „militärischen Spezialeinsatz“ dienen der Unterstützung der offiziellen Linie und stellen russische Soldaten als „Helden“ dar.
+++ 06:11 Selenskyj: Auch bei Trump ändert sich nichts an US-Unterstützung +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj glaubt nicht, dass sich die US-Unterstützung mit einer möglichen Wahl des Präsidentschaftskandidaten der Republikaner Donald Trump ändern wird. „Wenn das Volk hinter uns steht, wird jeder Führer in diesem Kampf für die Freiheit hinter uns stehen“, antwortet Selenskyj auf Fragen zum neuen Sicherheitsabkommen der Ukraine mit den USA. Die Menschen unterstützten die Ukraine wegen ihrer gemeinsamen Werte und ihrer Empathie für das ukrainische Volk. Trump hat sich wiederholt skeptisch über den fortgesetzten Kampf der Ukraine geäußert und einmal gesagt, dass er den Konflikt an seinem ersten Tag im Amt beenden würde.
+++ 05:45 Ukraine rechnet mit schweren Luftangriffen +++
Die ukrainische Luftverteidigung erwartet einen schweren russischen Luftangriff. Im nordrussischen Gebiet Murmansk seien fünf strategische Langstreckenbomber Tupolew Tu-95 gestartet, teilt die Luftwaffe in der Nacht mit. Diese Flugzeuge werden zum Abschuss von Marschflugkörpern eingesetzt. Außerdem seien Mittelstreckenbomber Tu-22 in der Luft. Mehrere Schwärme russischer Kampfdrohnen drangen nachts in den ukrainischen Luftraum ein. An der Front im Süden und Osten des Landes verzeichnet der ukrainische Generalstab binnen 24 Stunden 87 russische Angriffe. Mehr als 30 Gefechte habe es allein im Raum Pokrowsk im Gebiet Donezk gegeben.
+++ 05:23 Biden weiter gegen Langstreckenraketen für Kiew +++
US-Präsident Joe Biden ist weiter gegen eine Stationierung von Langstreckenwaffen in der Ukraine. Die USA würden die Ukraine nicht dabei unterstützen, Waffen mit größerer Reichweite einzusetzen, um das Innere Russlands anzugreifen, sagt Biden beim G7-Gipfel in Italien. „Es ergibt sehr viel Sinn, dass die Ukraine in der Lage ist, das, was über die Grenze kommt, auszuschalten oder zu bekämpfen. Was die Langstreckenwaffen betrifft, so haben wir unsere Position nicht geändert“, sagt Biden. Er hatte Kiew kürzlich erlaubt, begrenzte Angriffe mit geringerer Reichweite jenseits der russischen Grenze auszuführen.
+++ 04:45 EU-Sanktionen gegen Russland: Baerbock verärgert über Bremserrolle des Kanzleramts +++
Innerhalb der Bundesregierung gibt es Streit über die deutsche Positionierung zu geplanten neuen Russland-Sanktion der EU. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sieht das Auswärtige Amt Vorbehalte des Kanzleramts gegen das Sanktionspaket mittlerweile als problematisch und imageschädigend an. Hintergrund ist, dass Deutschland damit zuletzt alleine dastand. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es vor neuen Gesprächen an diesem Freitag in Brüssel, Außenministerin Annalena Baerbock habe in den vergangenen zwei Jahren intensiv daran gearbeitet, bei den europäischen Partnern verlorenes Vertrauen aufgrund der alten Russlandpolitik wiederherzustellen. Dieses Vertrauen dürfe nun nicht wieder verspielt werden.
EU-Russland-Sanktionen gebremst Baerbock wirft Kanzleramt Imageschaden vor
+++ 03:56 NATO-Quelle: Russische Verluste in Charkiw „astronomisch“ +++
Russland hat beim Vorstoß in die Oblast Charkiw „astronomische“ Verluste erlitten. Das berichtet die „European Pravda“ unter Berufung auf einen NATO-Vertreter, der anonym bleiben will. „Russland erlitt im Mai wahrscheinlich Verluste von fast 1000 Menschen pro Tag, was eine ziemlich astronomische Zahl ist“, sagt der Beamte mit Bezug auf die Zahl der Todesopfer. Laut Ukraine waren an der russischen Offensive seit dem 10. Mai bis zu 30.000 Soldaten beteiligt. Die russischen Streitkräfte sind bislang weniger als zehn Kilometer in ukrainisches Territorium vorgedrungen und haben es nicht geschafft, die Kontrolle über Wowtschansk zu übernehmen. Weiter sagt der NATO-Vertreter der „European Pravda“: „Ich möchte auch hinzufügen, dass die Gewinne in der Oblast Charkiw für Russland offenbar einen ziemlich hohen Preis bedeutet haben.“ Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte Ende Mai, die Verluste Russlands während der Offensive seien achtmal höher als die der ukrainischen Streitkräfte.
+++ 02:57 „Konflikt einfrieren“: Mützenich bleibt dabei +++
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich beharrt vor dem Start der Schweizer Friedenskonferenz für die Ukraine auf seinen Äußerungen zu einem möglichen Einfrieren des Konflikts mit dem Aggressor Russland. Auf die Frage, wie er mittlerweile auf seine Rede vom März zurückblicke, sagt Mützenich der „Rheinischen Post“: „Ich habe nichts davon zurückzunehmen. Die heftigen Reaktionen lassen vermuten, dass mancher die Debatte bewusst unterbinden wollte, indem man mir irrwitzigerweise Nähe zu Russland unterstellt hat. Mein Ziel ist Frieden in der Ukraine, und zwar nicht zu den Bedingungen von Präsident Putin.“
Auf Putins Sofa Der Traum von kriegloser Sicherheit
+++ 01:57 Niederlande kündigen Munitionslieferung an +++
Mehrere westliche Staaten werden nach Angaben der niederländischen Regierung der Ukraine 152-Millimeter-Granaten im Wert von 350 Millionen Euro liefern. „Bisher hat die Ukraine hauptsächlich 155-mm-Geschosse für von westlichen Ländern gespendete Haubitzen erhalten. Das Land verfügt jedoch auch über viele 152-mm-Geschütze. Mit der neuen Lieferung können auch diese Waffen besser eingesetzt werden“, teilt das Verteidigungsministerium in Den Haag mit. Die Granaten werden vom Internationalen Fonds für die Ukraine (IFU) bestellt. Der IFU wird von den Niederlanden, Australien, Dänemark, Großbritannien, Island, Litauen, Neuseeland, Norwegen und Schweden getragen.
+++ 00:56 Biden stellt Kiew weitere Patriots in Aussicht +++
US-Präsident Joe Biden hat der Ukraine am Rande des G7-Gipfels Hoffnung gemacht, dass sie bald die eigene Luftverteidigung durch weitere Patriot-Systeme aus dem Ausland verstärken kann. Es gebe von fünf Ländern Zusagen für Patriot-Batterien und andere Luftverteidigungssysteme, sagt Biden bei einer Pressekonferenz im süditalienischen Fasano. Die USA hätten zudem Ländern, denen sie solche Systeme zugesagt hatten, mitgeteilt, dass sie noch warten müssten. „Alles, was wir haben, wird an die Ukraine gehen, bis ihr Bedarf gedeckt ist.“
+++ 23:48 Macron sieht Zusagen für Kiew auch bei Sieg Le Pens stabil +++
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht die Hilfe seines Landes für die von Russland angegriffene Ukraine auch bei einem Sieg der französischen Rechtspopulisten bei der Parlamentswahl nicht in Gefahr. „Das Wort Frankreichs ist an den Präsidenten der Republik gebunden“, sagt Macron am Rande des G7-Gipfels im italienischen Bari. „Unser Wort wird sich nicht ändern“, sagt Macron, selbst für den Fall, dass das rechte Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen in Regierungsverantwortung gelange. International sehe er sich durch die Auflösung der Nationalversammlung und die angesetzten Neuwahlen nicht geschwächt.
+++ 22:53 Biden: Peking liefert Technik für Waffenproduktion +++
US-Präsident Joe Biden macht China für den anhaltenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mitverantwortlich. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj am Rande des G7-Gipfels in Italien sagt Biden: „Übrigens liefert China keine Waffen, sondern die Fähigkeit, diese Waffen zu produzieren, und die dafür erforderliche Technologie. Es hilft also tatsächlich Russland.“ Zuvor unterzeichnen die beiden Präsidenten für die nächsten zehn Jahre ein Sicherheitsabkommen zwischen ihren beiden Ländern. Die Vereinbarung soll die Ukraine in die Lage versetzen, sich selbst gegen Russland zu verteidigen, auch gegen künftige Angriffe.
+++ 22:12 Selenskyj: „Xi gab mir sein Wort“ – China will Russland keine Waffen schicken +++
Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge hat Chinas Staatschef Xi Jinping zugesagt, keine Waffen an Russland zu verkaufen. „Ich habe mit dem chinesischen Staatschef telefoniert. Er sagte, dass er keine Waffen an Russland verkaufen wird. Wir werden sehen“, sagt Selenskyj bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Präsident Joe Biden am Rande des G7-Gipfels in Süditalien. Selenskyj fügt an: „Er hat mir sein Wort gegeben.“
+++ 21:54 Alles Routine: Russische Kriegsschiffe vor Kuba – USA schicken Jagd-U-Boot nach Guantanamo +++
Nachdem russische Marineschiffe zu einem Hafenbesuch in Kubas Hauptstadt Havanna eingetroffen sind, trifft vor der Küste des Karibikstaats ein atomgetriebenes Jagd-U-Boot des US-Militärs ein. Die USS Helena sei im Zuge eines zuvor geplanten Manövers nach Guantánamo Bay geschickt worden, teilt das zuständige Regionalkommando mit. Es handelt sich demnach um einen Routinebesuch. Bei der Ankunft der russischen Fregatte „Admiral Gorschkow“ waren am Mittwoch 21 Salven abgefeuert worden, wie örtliche Medien berichteten. Auch ein Atom-U-Boot sei vor der Küste gesichtet worden. Grund für den russischen Besuch vom 12. bis 17. Juni ist nach Angaben der kubanischen Regierung die historische Freundschaft zwischen den beiden Staaten.
+++ 21:38 Russischer Kameramann stirbt nach Beschuss an der Front +++
Der russische Kameramann Waleri Koschin ist nach Angaben des örtlichen Bürgermeisters durch ukrainischen Beschuss eines Dorfes in der Ostukraine getötet worden. Zunächst hatte es geheißen (Eintrag: 17.47 Uhr), er und der Korrespondent Alexej Iwlijew seien verletzt worden. NTV hatte zuvor berichtet, dass einige Mitarbeiter verletzt und in ein Krankenhaus gebracht wurden.
+++ 21:17 Sicherer Hafen: Ukrainische Kriegsflüchtlinge dürfen bis März 2026 in der EU bleiben +++
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine können mindestens bis März 2026 problemlos in der Europäischen Union bleiben. Die EU-Staaten beschließen in Luxemburg, Sonderregeln für den vorübergehenden Schutz von Ukrainerinnen und Ukrainern in der EU zu verlängern, wie die EU-Staaten mitteilen. „Wir werden weiterhin Menschenleben retten“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser. In der Bundesrepublik seien bereits mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine untergekommen. „Deutschland hat gemeinsam mit Polen und Tschechien mehr als die Hälfte der Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen“, teilt die SPD-Politikerin mit. Es brauche also eine bessere Verteilung innerhalb der EU. Nach Angaben des EU-Statistikamtes Eurostat waren in den 27 EU-Staaten zuletzt rund 4,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert. Zahlenmäßig nimmt Deutschland die meisten von ihnen auf, im Verhältnis zur Einwohnerzahl ist die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge aber in Ländern wie Tschechien, Litauen und Polen deutlich höher.
+++ 20:48 Milliarden für Kiew auch aus Stockholm: Schweden unterstützt Kiew mit enormem Hilfspaket +++
Schweden will bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe weitere langfristige Militärhilfen für die Ukraine im Wert von 6,5 Milliarden Euro binnen drei Jahren ankündigen. Das Land wird auch über das letzte Hilfspaket im Wert von etwa 1,2 Milliarden Euro sprechen, sagt der schwedische Verteidigungsminister Pål Jonson in Brüssel laut ukrainischer Nachrichtenagentur Ukrinform.
+++ 20:20 Russisches Geld für ukrainischen Wiederaufbau: Scholz spricht von „historischem Schritt“ +++
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnet die Verständigung der G7-Staaten, die Zinserträge aus eingefrorenen russischen Vermögen jetzt für die Ukraine zu nutzen, als „historischen Schritt“. Damit sei klar, dass sich die Ukraine die nötigen Waffen beschaffen und den Wiederaufbau finanzieren könne, sagt Scholz am Rande des G7-Gipfels in Italien. Es sei ein Zeichen an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass er den Krieg nicht aussitzen könne.
Treffen in Italien Putins langer Schatten ist beim G7-Gipfel allgegenwärtig
+++ 20:01 Washington garantiert Sicherheit für zehn Jahre: USA unterzeichnen Abkommen mit Ukraine +++
Die USA und die Ukraine schließen ein Sicherheitsabkommen mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Die Amerikaner sagen darin unter anderem weitere militärische Unterstützung, Kooperation mit Blick auf die Rüstungsindustrie und den Austausch von Geheimdienstinformationen zu. US-Präsident Joe Biden und sein ukrainischer Kollege Wolodymyr Selenskyj wollten die Vereinbarung am Abend am Rande des G7-Gipfels in Süditalien unterzeichnen.
Vorbereitung auf NATO USA und Ukraine schließen Sicherheitsabkommen
+++ 19:50 Für flüchtende Ukrainerin kommt Rettung aus der Luft +++
Eine ukrainische Frau flieht zu Fuß aus dem russisch besetzten Teil der Region Cherson. An der von Moskaus Truppen zerschossenen Antoniwkabrücke endet ihre Reise vorerst. Dort wird sie von einer ukrainischen Aufklärungsdrohne bemerkt. Die Flüchtige reagiert geistesgegenwärtig.
Drohnen-Material von Blitzreaktion Für flüchtende Ukrainerin kommt Rettung aus der Luft
+++ 19:29 Mehr als ein Jahr in russischer Haft: US-Reporter Gershkovich wird angeklagt +++
Die russische Justiz klagt den US-Reporter Evan Gershkovich mehr als ein Jahr nach seiner Verhaftung wegen angeblicher Spionage an. Der Prozess gegen den Korrespondenten der Zeitung „Wall Street Journal“ solle in Jekaterinburg am Ural stattfinden, teilt die russische Generalstaatsanwaltschaft in Moskau mit. Der 32 Jahre alte Reporter weist den Vorwurf bei Vernehmungen zurück. Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft behauptet, dass Gershkovich den Ermittlungen zufolge im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA geheime Informationen gesammelt habe. Es sei um die Produktion und Reparatur von Rüstungsgütern in der Fabrik Uralvagonzavod in Nischni Tagil im Ural gegangen. Gershkovich sei bei seinem illegalen Tun nach allen Regeln der Konspiration vorgegangen, sagt Behördensprecher Andrej Iwanow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Gershkovich war Ende März 2023 auf einer Recherchereise in Jekaterinburg festgenommen worden. Viele Medien haben seine Freilassung gefordert. US-Präsident Joe Biden versprach, sich für ihn einzusetzen. Gershkovich gilt als Faustpfand, mit dem Moskau die USA unter Druck setzen kann.
+++ 19:08 Ostseerat berät russische Provokationen im Norden Europas +++
Die Außenministerinnen und Außenminister des Ostseerats setzen an diesem Freitag in Finnland ihre Beratungen über Konsequenzen aus den jüngsten russischen Provokationen in der Region fort. In mehreren Arbeitssitzungen soll es um die Stärkung der Krisenvorsorge und der Widerstandsfähigkeit im Ostseeraum gehen. Zudem wird über einen umfassenden Ansatz zur Abwehr hybrider Bedrohungen durch Russland beraten. Unter hybrider Bedrohung wird verstanden, dass etwa auch Cyberangriffe oder Desinformation als Waffen in Auseinandersetzungen eingesetzt werden. Der Ostseerat wurde 1992 auf Initiative der Außenminister Deutschlands und Dänemarks gegründet, um die politische und wirtschaftliche Transformation des Ostseeraums zu unterstützen und die Region zu stabilisieren.
- Ende Mai hatte Russland Markierungen im Grenzfluss Narva zu Estland entfernt, der die Grenzlinie zwischen den beiden Nachbarländern und die östliche Außengrenze von EU und NATO markiert
- Zudem gab es Irritationen über mögliche Pläne Russlands für eine Anpassung der Seegrenzen im Finnischen Meerbusen und an der auch an Litauen grenzenden Exklave Kaliningrad
- Wegen Störungen der GPS-Satellitennavigation im Ostseeraum hatte Estland Anfang Mai den Geschäftsträger der russischen Botschaft in Tallinn einbestellt
+++ 18:33 Ukrainische Soldatenfrauen reisen zum Friedensgipfel +++
An dem Friedensgipfel in der Schweiz, welcher einen Grundstein für eine Waffenruhe in der Ukraine legen soll, werden auch Frauen wie Svitlana Bilous teilnehmen. Ihr Mann kämpfte für Kiew und gilt als vermisst. Die Angehörigen möchten sich für einen Gefangenenaustausch starkmachen.
90 Delegationen in der Schweiz Ukrainische Soldatenfrauen reisen zum Friedensgipfel
+++ 18:11 US-Hilfe für Europa nach Zweitem Weltkrieg: Selenskyj will Marshall-Plan für Ukraine +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ruft die G7-Staaten auf, einen Marshall-Plan für den Wiederaufbau seines Landes zu unterstützen. Damit sollen die bei der russischen Invasion entstandenen Schäden angegangen werden. Der Marshall-Plan war ein US-Hilfsprogramm, das nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau Europas unterstützte. Das 1948 von Präsident Harry Truman unterzeichnete Programm hatte ein Volumen von 13,3 Milliarden Dollar, was heute gut 176 Milliarden Dollar entspricht.
+++ 17:47 Für Staatsfernsehen an der Front: zwei russische Journalisten bei Bombenangriff verletzt +++
Zwei Journalisten des russischen Staatsfernsehens NTV sind nach Angaben ihres Senders in der von Russland besetzten Ostukraine verletzt worden. Der Korrespondent Alexej Iwlijew, der Kameramann Waleri Koschin und ein sie begleitender Offizier seien bei einem Bombenangriff der ukrainischen Armee auf das Dorf Golmiwskyj verletzt worden, teilt NTV mit. Die Verletzten seien in die Stadt Gorliwka gebracht worden, wo sie operiert werden sollten. Journalisten der russischen Staatsmedien begleiten die russischen Truppen oft an der Front, ihre Reportagen über die Invasion dienen der Unterstützung der offiziellen Linie und stellen russische Soldaten als „Helden“ dar.
+++ 17:15 Durchbruch abgewendet: USA sehen positive Entwicklung bei Charkiw +++
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hält einen russischen Durchbruch in der ostukrainischen Region Charkiw für unwahrscheinlich. „Vor ein paar Wochen gab es Befürchtungen, dass wir einen bedeutenden Durchbruch der Russen erleben würden“, sagt Austin am Rande eines NATO-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. „Ich glaube nicht, dass wir das in Zukunft sehen werden.“ Die Ukrainer hätten eine Menge getan, um ihre Verteidigungspositionen in der östlichen Grenzregion zu verstärken und nutzten die ihnen zur Verfügung gestellten Waffen und die Munition gut. Davon würden auch mehr in die Region geliefert, so Austin. All das werde einen großen Einfluss auf dem Schlachtfeld haben. „Aber es wird einige Zeit dauern, bis es sich auswirkt.“ Russland hatte Mitte Mai eine Offensive auf Charkiw gestartet und dabei mehrere ukrainische Grenzdörfer besetzt. Zwar blieb ein großer Durchbruch bislang aus, doch die gleichnamige Gebietshauptstadt Charkiw ist weiter massivem Beschuss ausgesetzt. Mehrere westliche Verbündete – darunter Deutschland und die USA – erlaubten der Ukraine deshalb kürzlich, zur Verteidigung von Charkiw mit von ihnen gelieferten Waffen auch Ziele auf der russischen Seite der Grenze zu attackieren.
+++ 16:51 Londons Sanktionen sollen russische Schattenflotte treffen +++
Großbritannien beschließt Strafen gegen Frachter, mit denen westliche Sanktionen gegen Russland umgangen werden. „Die heutigen Maßnahmen umfassen die ersten britischen Sanktionen gegen Schiffe in Putins Schattenflotte“, teilt die Regierung in London mit Blick auf Präsident Wladimir Putin mit. Die Tanker würden eingesetzt, um Sanktionen der sieben wichtigsten westlichen Industrieländer (G7) zu umgehen und den Handel mit russischem Öl ungehindert fortzusetzen. „Wir erhöhen heute erneut den wirtschaftlichen Druck durch Sanktionen, um Russlands Fähigkeit zur Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie einzuschränken“, erklärt Premierminister Rishi Sunak.
+++ 16:24 Jäger: Bei der Friedenskonferenz geht es um vier Punkte +++
Am Wochenende steht die Friedenskonferenz in der Schweiz an. Selenskyj wirbt weiterhin für die Teilnahme, 90 Staaten haben bereits zugesagt. Thomas Jäger weiß, warum das Treffen so wichtig für die Ukraine ist – auch wenn Russland nicht dabei ist. Vier zentrale Forderungen stehen dabei im Fokus.
Verhandlungen ohne Russland? Jäger: Bei der Friedenskonferenz geht es um vier Punkte
+++ 16:07 G7-Staaten einigen sich auf 46-Milliarden-Euro-Paket: USA tragen Hauptlast der Ukraine-Hilfe +++
Die G7-Staats- und Regierungschefs haben sich auf einen Kredit von 50 Milliarden Dollar (gut 46 Milliarden Euro) für die Ukraine geeinigt, der aus eingefrorenem russischem Vermögen finanziert werden soll. „Es gibt eine politische Einigung auf höchster Ebene für diesen Deal“, sagt ein US-Vertreter beim G7-Gipfel in Italien. Die 50 Milliarden Dollar sollten noch „in diesem Jahr“ an die Ukraine gehen. Die USA erklären sich bereit, die Hauptlast des gewaltigen Milliarden-Kredites der G7-Staaten für die Ukraine zu tragen.
+++ 15:51 Außenminister Kuleba lobt Sanktionen gegen russische Rüstungsindustrie +++
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba begrüßt die neuen US-Sanktionen gegen Russland. Dabei stächen insbesondere die Maßnahmen gegen die russische Rüstungsindustrie hervor, schreibt er auf X. „Jedes Unternehmen, das Russland bei der Waffenproduktion unterstützt, muss dem stärksten Druck ausgesetzt werden.“ Das US-Finanzministerium hatte am Mittwoch neue Sanktionen gegen mehr als 300 Unternehmen und Einzelpersonen angekündigt. Damit soll Russland der Zugang zu Produkten und Dienstleistungen abgeschnitten werden, die es für die Aufrechterhaltung der Rüstungsproduktion für den Krieg in der Ukraine benötigt. Zudem soll die Fähigkeit des russischen Militärs eingeschränkt werden, bestimmte US-Technologien zu nutzen, um gezielt in Asien, Europa und Afrika anzugreifen.
+++ 15:06 NATO beschließt Operationsplan für Ukraine-Unterstützung +++
Die NATO-Staaten haben einen Operationsplan für den Ausbau der Unterstützung der Ukraine beschlossen. Das Dokument wurde am Rande eines Verteidigungsministertreffens in einem schriftlichen Verfahren angenommen, wie es aus Bündniskreisen heißt. Bei dem Projekt geht es insbesondere darum, dass die NATO künftig die internationale Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte übernehmen will.
+++ 14:42 Habeck will mehr deutsche Rüstungsfirmen in der Ukraine +++
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will Ableger deutscher und europäischer Rüstungsfirmen in der Ukraine voranbringen. Es gebe bereits eine Tendenz, die es zu stärken gelte, sagt der Grünen-Politiker in Berlin bei einer deutsch-ukrainischen Veranstaltung zur Verteidigungsindustrie. Die Politik müsse nun herausfinden, was dazu gebraucht werde, zum Beispiel in Form von Garantien oder finanzieller Unterstützung, sagte Habeck. Erst am Dienstag hatten der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall und die Ukraine nach Angaben aus Kiew einen ersten gemeinsamen Panzer-Reparaturbetrieb in der Ukraine eröffnet.
+++ 14:17 Unterstützung für Kiew wächst: Argentinien tritt Ukraine-Kontakt-Gruppe bei +++
Argentinien tritt der Ukraine-Kontakt-Gruppe bei, die regelmäßig zusammentritt, um die militärische Hilfe für die Ukraine zu koordinieren. Das gibt US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei der Eröffnung des 23. Gipfels im Ramstein-Format bekannt. Die von den USA geführte Gruppe besteht aus über 50 Ländern, darunter alle 31 NATO-Mitglieder. Der argentinische Verteidigungsminister Luis Petri vertritt sein Land bei dem neuen Treffen im NATO-Hauptquartier in Brüssel. „Glücklicherweise nimmt die Unterstützung für die Ukraine zu und nicht ab“, sagt Austin. Es wird erwartet, dass die Partner die Stärkung der ukrainischen Flugverteidigungskapazitäten erörtern, unter anderem mit Patriot-Flugabwehrraketensystemen.
+++ 13:50 Hacker attackieren Schweiz vor Ukraine-Friedenskonferenz +++
Zwei Tage vor Beginn der Ukraine-Friedenskonferenz meldet die Schweiz eine Reihe von Cyberangriffen auf Websites der Regierung und mehrerer an dem Treffen beteiligter Organisationen. Es seien wie erwartet „erste Überlastungsangriffe“ ausgeführt worden, teilt das Schweizer Bundesamt für Cybersicherheit mit. Es sei zu kleineren Ausfällen gekommen, die aber „im Bereich der festgelegten Toleranz“ gelegen hätten. „Die Angriffe sind im Bereich des Erwarteten und es besteht aktuell keine akute Gefährdung“, betont die Behörde. Die Hackerangriffe, die nach Angaben des Bundesamts mutmaßlich im Zusammenhang mit „der hochrangigen Konferenz“ am Wochenende stehen, zielen laut der Behörde darauf ab, „Störmanöver im Cyberraum zu lancieren“, um politische Botschaft zu verbreiten und Aufmerksamkeit zu erzeugen.
+++ 13:33 So hoch sind die Treibhausgasemissionen durch Russlands Krieg +++
In den ersten beiden Jahren des russischen Einmarsches in der Ukraine werden Treibhausgasemissionen in Höhe von 175 Millionen Tonnen Kohlendioxid (C02) freigesetzt. Dies geht aus einer gemeinsamen Studie des ukrainischen Umweltministeriums und von Nichtregierungsorganisationen hervor. Die Zahl ist demnach höher als der gesamte Jahresausstoß der Niederlande. Russlands umfassender Krieg gegen die Ukraine hat massive Umweltschäden verursacht, darunter die Zerstörung des Nowa-Kachowka-Staudamms und die anschließenden Überschwemmungen, ausgedehnte Waldbrände und die Verwüstung weiter Teile der landwirtschaftlichen Flächen. Weite Gebiete sind zudem vermint.
+++ 13:12 Ukraine schlägt Alarm: Ohne Luftschutz ist der Winter nicht zu überstehen +++
Die Ukraine benötigt zur Sicherung ihrer Energieversorgung innerhalb weniger Wochen neue Raketenabwehrsysteme. Andernfalls sei das Land nicht in der Lage, den Winter zu überstehen, sagt der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Die Angriffe Russlands auf das Stromnetz erschwerten dringende Reparaturen und beeinträchtigten die Energieversorgung selbst im Sommer. „Wir haben noch fünf Monate bis zum Winter. Wenn wir jetzt keinen Schutz aufbauen können (…) können wir nicht reparieren. 50 Prozent alleine reichen nicht aus, um den Winter zu überstehen“, so Galuschtschenko.
+++ 12:54 Pistorius: Deutschland kann nicht mehr Patriot-Systeme liefern +++
Verteidigungsminister Boris Pistorius drängt die NATO-Partner zur Stärkung der ukrainischen Luftabwehr gegen Russland. Wenn Deutschland ein zusätzliches Patriot-System abgeben könne, müssten andere Länder dies auch tun, betont Pistorius in Brüssel. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert sieben Systeme, um sein Land zu verteidigen. Die NATO tut sich allerdings schwer, diese zum Gipfel in Washington in knapp vier Wochen zusammenzubekommen. Bisher hat nur Deutschland der Ukraine ein weiteres Patriot-System zugesagt, neben zwei bereits gelieferten. Ein weiteres wollen die USA laut einem Medienbericht stellen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagt, weitere Zusagen von NATO-Ländern dürften „in den nächsten Tagen oder Wochen“ erfolgen. Pistorius betont, es müssten nicht notwendigerweise Patriots sein. „Jedes System hilft, den Luftraum und damit die Sicherheit in der Ukraine zu schützen und zu verteidigen.“ Deutschland kann laut Pistorius nicht mehr Patriot-Systeme liefern.
Appell an andere NATO-Länder Pistorius: Können Ukraine keine Patriots mehr liefern
+++ 12:32 Ostdeutsche sind deutlich skeptischer bei Militärhilfe für die Ukraine +++
Ostdeutsche sind deutlich kritischer gegenüber Waffenlieferungen an die Ukraine als Westdeutsche. Während insgesamt nur 28 Prozent eine Reduzierung der Militärhilfe fordern, sind dies laut neuem ZDF-Politbarometer 45 Prozent im Osten. 41 Prozent der Befragten in ganz Deutschland sprechen sich dagegen sogar für mehr Waffen für die Ukraine aus, 27 Prozent halten das derzeitige Niveau für richtig. 86 Prozent aller Befragten erwarten nicht, dass es in den nächsten Monaten zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zur Beendigung des Krieges kommen wird. Und was meinen Sie?
+++ 12:03 Anwälte werfen Putin gezieltes Aushungern von Mariupol vor +++
Russland soll während der 85-tägigen Belagerung von Mariupol Anfang 2022 die ukrainische Stadt offenbar gezielt ausgehungert haben. Dies geht aus einer Analyse hervor, die dem Internationalen Strafgerichtshof vorgelegt wurde und über die der britische „Guardian“ schreibt. Darin heißt es, dass Russland und seine Führer beabsichtigten, eine große Zahl von Zivilisten zu schädigen und zu töten, was einem Kriegsverbrechen gleichkomme.
„Wladimir Putin ist schuldig“ Anwälte werfen Kreml gezieltes Aushungern von Mariupol vor
+++ 11:29 Peking kritisiert „illegale“ US-Sanktionen gegen Russland +++
China kritisiert das neue Sanktionspaket der USA gegen Russland. „Wir fordern die Vereinigten Staaten auf, die wahllosen, illegalen, einseitigen Sanktionen zu unterbinden“, sage der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lin Jian. Die USA sollten dagegen eine konstruktive Rolle dabei spielen, Frieden wiederherzustellen. China sei weder Partei noch Verursacher der „Ukraine-Krise“.
+++ 11:08 G7 nutzt russisches Staatsvermögen für Ukraine-Hilfen +++
Die Ukraine bekommt für ihren Abwehrkampf gegen Russland ein neues riesiges Unterstützungspaket der Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen (G7). Unterhändler der Staats- und Regierungschefs der G7 verständigen sich beim Gipfel im süditalienischen Apulien darauf, mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen ein Kreditpaket im Umfang von etwa 50 Milliarden US-Dollar zu finanzieren.
+++ 10:40 Neue Russland-Sanktionen „tun richtig weh“ +++
Die USA erlassen kurz vor dem G7-Gipfel neue Sanktionen gegen Unterstützer des russischen Krieges gegen die Ukraine. Das trifft auch chinesische Unternehmen. Warum die „punktuellen Sanktionen“ Wirkung zeigen, erklärt ntv-Korrespondent Rainer Munz.
Dollarkurs zeitweise verdoppelt Munz: Neue Russland-Sanktionen „tun richtig weh“
+++ 10:08 Schutz des Ukraine-Teams zur EM „besondere Herausforderung“ +++
Die ukrainische Fußballnationalmannschaft unterliegt bei der Europameisterschaft in Deutschland einem besonderen Schutz. „Das ist eine besondere Herausforderung für uns, und wir stellen uns auch darauf an, gerade diese Mannschaft auch besonders zu schützen“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser der „Bild“-Zeitung. Faeser schließt nicht aus, dass Russland – möglicherweise durch Cyberangriffe – versuchen könnte, Schaden bei der EM anzurichten. „Wir haben mit sämtlichen Szenarien gerechnet, wir haben uns lange vorbereitet und natürlich spielt dieser furchtbare Angriff Putins auf die Ukraine eine große Rolle, auch in der Sicherheitsbetrachtung“, sagt Faeser.
+++ 09:42 Stoltenberg drängt auf mehr Militärhilfen für die Ukraine +++
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg fordert von den Mitgliedstaaten mehr militärische Unterstützung für die Ukraine, insbesondere was Flugabwehr und Munition betrifft. Er erwarte, dass dazu im Lauf des Tages etwas angekündigt werde, sagt Stoltenberg vor einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel. Dort wird auch der ukrainische Ressortchef Rustem Umjerow erwartet.
NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE
ROUNDUP: Ukraine kann auf weitere Patriots hoffen – die Nacht im Überblick
BARI/KIEW (dpa-AFX) – US-Präsident Joe Biden hat der Ukraine Hoffnung auf eine Stärkung ihrer Luftverteidigung durch weitere Patriot-Systeme aus dem Ausland gemacht. Es gebe von fünf Ländern Zusagen für Patriot-Batterien und andere Flugabwehrsysteme, sagte Biden bei einer Pressekonferenz im süditalienischen Fasano.
Als Teil des G7-Gipfels traf Biden am Donnerstag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammen. Die USA und die von Russland angegriffene Ukraine schlossen ein Sicherheitsabkommen, das ihre militärische Zusammenarbeit auf eine langfristige Grundlage stellt. Bei dem Gipfeltreffen sieben führender demokratischer Industriemächte (G7) wird die Unterstützung für die Ukraine auch am Freitag ein wichtiges Thema sein.
In der Ukraine erwartete die Luftverteidigung in der Nacht auf Freitag einen weiteren schweren russischen Luftangriff. Im nordrussischen Gebiet Murmansk seien fünf strategische Langstreckenbomber Tupolew Tu-95 gestartet, teilte die Luftwaffe gegen Mitternacht mit. Diese Flugzeuge werden zum Abschuss von Marschflugkörpern eingesetzt. Außerdem waren den Angaben nach Mittelstreckenbomber Tu-22 in der Luft. Mehrere Schwärme russischer Kampfdrohnen drangen nachts in den ukrainischen Luftraum ein.
An der Front im Süden und Osten des Landes verzeichnete der ukrainische Generalstab am Donnerstag 87 russische Angriffe. Mehr als 30 Gefechte habe es allein im Raum Pokrowsk im Gebiet Donezk gegeben. Solche Zahlenangaben der Militärs sind nicht im Einzelnen nachprüfbar, sie erlauben aber Rückschlüsse auf die Intensität der Kämpfe. Die Ukraine wehrt seit mehr als 27 Monaten eine großangelegte russische Invasion ab.
USA lassen andere Patriot-Kunden warten
Um die Ukraine mit Patriot-Abwehrsystemen zu versorgen, lassen die USA andere Rüstungskunden warten, wie Biden bei der Pressekonferenz mit Selenskyj sagte. „Alles, was wir haben, wird an die Ukraine gehen, bis ihr Bedarf gedeckt ist.“ Erst danach würden die Aufträge erfüllt.
Der ukrainische Präsident sagte, die Partner wüssten, dass sein Land mindestens sieben solcher Systeme brauche. „Wir haben die Möglichkeit erörtert, fünf davon zu bekommen, das ist wahr, und die Partner arbeiten daran“, sagte er. Die Waffensysteme seien nicht direkt morgen zu erwarten, aber doch in naher Zukunft. Biden sagte: „Sie werden relativ schnell welche bekommen.“
Das Patriot-Flugabwehrraketensystem zählt zu den modernsten der Welt. Mit ihm können feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpft werden. Deutschland hat zwei Systeme zur Verfügung gestellt und ein weiteres zugesagt. Die USA haben bislang ein System zur Verfügung gestellt. Es wird erwartet, dass die USA in den kommenden Tagen eine zweite Patriot zusagen könnten. Entsprechende Medienberichte hat die US-Regierung jedoch bislang nicht bestätigt. Die westlichen Verbündeten der Ukraine versuchen derzeit, weitere Patriot-Systeme für das angegriffene Land zu organisieren.
Selenskyj rechnet mit Kampfjets aus US-Produktion
Das neue Sicherheitsabkommen zwischen Washington und Kiew ist auf zehn Jahre angelegt und soll die Ukraine in die Lage versetzen, sich weiterhin selbst gegen Russland und potenziell künftige Attacken zu verteidigen. Biden sagte, das Ziel der Vereinigten Staaten sei es dabei, die Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeiten der Ukraine langfristig zu verändern. Ähnliche Abkommen hat die Ukraine auch mit Großbritannien, Deutschland, Frankreich und anderen Ländern unterzeichnet. Beim G7-Gipfel in Italien schlossen die Ukraine auch mit Japan ein Sicherheitsabkommen. Die Verträge sollen die Sicherheit der Ukraine erhöhen, bis sie in ein Sicherheitssystem wie die Nato eingebunden werden kann.
Nach Selenskyjs Angaben sprach er mit Biden auch über eine Lieferung von Kampfjets. Dabei gehe es um F-16, aber auch um andere Flugzeugtypen, sagte er ohne nähere Angaben. Aus den Niederlanden und Dänemark soll die Ukraine in diesem Sommer mit Zustimmung der USA F-16 erhalten.
Flüchtlinge aus der Ukraine dürfen länger bleiben
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine können mindestens bis März 2026 problemlos in der Europäischen Union bleiben. Die EU-Staaten beschlossen in Luxemburg, Sonderregeln für den vorübergehenden Schutz von Ukrainerinnen und Ukrainern in der EU zu verlängern. „Wir werden weiterhin Menschenleben retten“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
In der Bundesrepublik sei mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine untergekommen. „Deutschland hat gemeinsam mit Polen und Tschechien mehr als die Hälfte der Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen“, teilte die SPD-Politikerin mit. Es brauche also eine bessere Verteilung innerhalb der EU. Nach Angaben des EU-Statistikamtes Eurostat waren in den 27 EU-Staaten zuletzt rund 4,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert. Zahlenmäßig nimmt Deutschland die meisten von ihnen auf; im Verhältnis zur Einwohnerzahl ist die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge aber in Ländern wie Tschechien, Litauen und Polen deutlich höher./fko/DP/zb
WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN
Pistorius: Deutschland kann Ukraine nicht mehr Patriot-Systeme liefern
BRÜSSEL (dpa-AFX) – Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat seine Nato-Amtskolleginnen und -kollegen erneut dazu aufgerufen, die Ukraine mit Flugabwehrsystemen zu unterstützen. „Wenn Deutschland drei zur Verfügung stellen kann, was immerhin ein Viertel unserer Gesamtkapazitäten dieses Systems bedeutet, dann werden andere sicherlich auch noch eins abgeben können“, sagte er am Donnerstag am Rande eines Nato-Verteidigungsministertreffens in Brüssel mit Blick auf Patriot-Flugabwehrsysteme. In Deutschland gebe es keinen Spielraum für die Bereitstellung von mehr als dieser drei Systeme, sagte er weiter.
An andere Nato-Länder gerichtet meinte Pistorius, es müssten ja nicht unbedingt Patriot-Systeme sein. Jedes System helfe, den Luftraum und damit die Sicherheit in der Ukraine zu schützen und zu verteidigen.
Das Patriot-Flugabwehrraketensystem zählt zu den modernsten der Welt. Mit ihm können feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpft werden.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach am Donnerstag in Brüssel davon, dass hart daran gearbeitet werde, sicherzustellen, dass die Verbündeten mehr Flugabwehr und diese so schnell wie möglich an die Ukraine lieferten. „Und ich erwarte, dass die Verbündeten in den kommenden Tagen und Wochen entsprechende Ankündigungen machen werden.“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mahnt seit längerem, dass mindestens sieben weitere Patriot-Systeme nötig seien, um die ukrainischen Städte und Ballungsräume zu schützen. Deutschland lieferte der Ukraine bisher zwei Patriot-Systeme samt zugehörigen Raketen. Eine dritte Einheit, an der derzeit ukrainische Soldaten ausgebildet werden, ist der Ukraine versprochen und soll demnächst geliefert werden./svv/DP/ngu
Von der Leyen: Neue EU-Russland-Sanktionen sind auf den letzten Metern
BARI (dpa-AFX) – Ursula von der Leyen erwartet eine zügige Einigung der EU-Staaten auf neue Russland-Sanktionen. „Wir sind gewissermaßen auf den letzten Metern“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin am Donnerstag am Rande des G7-Gipfels in Italien der Deutschen Presse-Agentur und anderen Medien. Sie sei guten Mutes, dass der Verhandlungsprozess bald abgeschlossen werden könne.
Zuvor war bekanntgeworden, dass die Bundesregierung zuletzt Fortschritte in den Verhandlungen über das nächste Paket mit Russland-Sanktionen der EU blockiert hat. Nach Angaben von Diplomaten in Brüssel sind deutsche Bedenken und Änderungswünsche ein entscheidender Grund dafür, dass die Verhandlungen bislang nicht zum Abschluss gebracht werden konnten. Zuletzt habe es sich angefühlt, als ob Deutschland das neue Ungarn sei, sagte ein EU-Beamter der dpa in Anspielung darauf, dass die Budapester Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban in der Vergangenheit immer wieder Entscheidungen für Russland-Sanktionen verzögert hatte.
Ursprünglich geplant war, dass es bis zum Beginn des G7-Gipfels der demokratischen Industrienationen an diesem Donnerstag eine Verständigung auf das neue Sanktionspaket gibt. Nun kann es frühestens an diesem Freitag eine politische Einigung geben.
Die USA hatten bereits am Mittwoch im Vorfeld des G7-Gipfels neue Sanktionen gegen Unterstützer des russischen Angriffskrieges angekündigt, die auch chinesische Firmen treffen sollen. China gilt als wichtigster Verbündeter Russlands und gibt Moskau in dem Krieg auch durch seine Haltung auf internationaler Bühne Rückendeckung. Inwiefern nach den USA auch die EU mit dem neuen Sanktionspaket chinesische Unternehmen ins Visier nehmen wird, ist nach Angaben von der Leyens bisher nicht abschließend geklärt. Dies werde erst nach dem Abschluss der Verhandlungen feststehen, sagte sie.
Mit den geplanten neuen EU-Strafmaßnahmen soll insbesondere gegen die Umgehung von bereits bestehenden Sanktionen vorgegangen werden. Diese führt beispielsweise dazu, dass Russlands Rüstungsindustrie noch immer westliche Technologie nutzen kann, um Waffen für den Krieg gegen die Ukraine herzustellen. Zudem ist geplant, erstmals scharfe EU-Sanktionen gegen Russlands milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG) zu verhängen./aha/DP/ngu
ROUNDUP 5: G7 wollen Ukraine mit Russland-Geld langfristig stärken
BARI (dpa-AFX) – Mit gewaltigen Finanzzusagen, einem Sicherheitsabkommen und Sanktionen wollen die USA mit ihren G7-Verbündeten der Ukraine neue Stärke verleihen. Ziel ist es, das von Russland angegriffene Land langfristig abzusichern. Die sieben großen Industriestaaten einigten sich bei ihrem Gipfel auf einen milliardenschweren Kredit, der mit Zinserträgen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen abgezahlt werden soll. Mit einem Sicherheitsabkommen will die US-Regierung die Ukraine in die Lage versetzen, sich weiterhin selbst zu verteidigen. US-Präsident Joe Biden sagte im Beisein seines ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj am Donnerstagabend, die Maßnahmen seien eine Erinnerung an Kremlchef Wladimir Putin, „dass wir nicht nachgeben“. „Er kann uns nicht spalten und wir werden an der Seite der Ukraine stehen, bis sie diesen Krieg gewonnen hat.“
Der Ukraine-Krieg bestimmte den ersten Gipfeltag der G7-Gruppe, zu der Italien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Kanada und die USA gehören. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs dauert bis Samstag und findet im Luxusresort „Borgo Egnazia“ unweit von Bari in Apulien statt.
USA Hauptakteur bei Realisierung von Milliarden-Kredit
In westlichen Ländern wurden seit Beginn des russischen Angriffs nach Angaben der US-Regierung rund 280 Milliarden US-Dollar (rund 260 Milliarden Euro) an russischen Zentralbankgeldern eingefroren. Seit Langem wird darüber beraten, wie die Zinserträge, die diese Gelder erbringen, der Ukraine zugutekommen können. Die G7-Staaten wollen damit nun einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar finanzieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Donnerstag, das Geld werde es der Ukraine ermöglichen, alles zu finanzieren, was militärisch und beim Wiederaufbau nötig sei. „Der russische Präsident hat einen ganz offensichtlichen Plan: Er will so lange seinen Krieg vorantreiben, bis alle anderen aufgeben, die Ukraine zu unterstützen. Und dieser Plan ist heute gescheitert“, sagte der Kanzler.
Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter sagte zuvor, die Vereinigten Staaten seien willens, bis zu 50 Milliarden US-Dollar (rund 46 Milliarden Euro) dafür zur Verfügung zu stellen. Er betonte jedoch: „Wir werden nicht die einzigen Kreditgeber sein.“ Auch andere würden sich beteiligen. Konkrete Angaben machte er nicht. Er signalisierte aber, dass der Betrag am Ende höher ausfallen könnte. Der US-Regierungsvertreter betonte, der Kredit werde in jedem Fall aus russischen Mitteln finanziert. In welchem Umfang sich Berlin beteiligt, soll noch geklärt werden.
Laut der Weltbank übersteigen die Kriegsschäden mittlerweile 486 Milliarden US-Dollar. Im Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels hieß es zur Ukraine: „Es ist nicht richtig, dass Russland entscheidet, ob oder wann es für die verursachten Schäden in der Ukraine zahlt.“ Deshalb prüfe die G7 weiter alle rechtmäßigen Wege, Russland zur Erfüllung dieser Verpflichtungen zu zwingen.
Moskau tobt
Der Plan der G7-Staaten werde fatale Konsequenzen haben, warnte die russische Außenamtssprecherin. „Die Russland faktisch gestohlenen Mittel für kriegerische Abenteuer des Kiewer Regimes zu nutzen, ist verbrecherisch und zynisch“, sagte Maria Sacharowa am Donnerstag. Sie drohte insbesondere den Europäern mit scharfen Gegenmaßnahmen und deutete Enteignungen europäischer Unternehmen in Russland an.
Der Kreml äußerte sich zunächst zurückhaltender. Russland werde den G7-Gipfel äußerst aufmerksam verfolgen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, ohne die vorab kolportierten möglichen Entscheidungen zu kommentieren.
Sicherheitsabkommen ohne Sicherheitsgarantien
Gegen den Angriffskrieg Russlands sichern die Vereinigten Staaten der Ukraine zudem mit einem bilateralen Abkommen weitere Hilfe zu – und auch gegen potenzielle künftige Attacken. Biden und Selenskyj unterzeichneten die Vereinbarung am Rande des Gipfels. Für die Ukraine ist das Abkommen mit der Militärmacht das wichtigste der bereits geschlossenen bilateralen Vereinbarungen. Sie soll über eine Dauer von zehn Jahren laufen und sieht etwa militärische Unterstützung, Kooperation mit Blick auf die Rüstungsindustrie und den Austausch von Geheimdienstinformationen vor. Das Abkommen soll der Ukraine helfen, fit zu werden für eine Nato-Mitgliedschaft. Zugleich ruft es die Ukraine zu Reformen auf.
Sicherheitsgarantien geben die USA nicht. Die Vereinbarung macht auch keine Zusagen zur Lieferung bestimmter Waffensysteme. Biden betonte am Abend, dass die USA der Ukraine nicht durch die Entsendung von US-Soldaten helfen werde. Selenskyj hob hervor, das Abkommen sei eine Brücke für eine Aufnahme seines Landes in die Nato.
Mahnung an China
Noch vor Gipfelbeginn hatten die USA neue Sanktionen gegen Russland und Unterstützer des Krieges verhängt – darunter chinesische Firmen. Neue EU-Sanktionen könnten folgen. Biden machte China für den anhaltenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mitverantwortlich: „Übrigens liefert China keine Waffen, sondern die Fähigkeit, diese Waffen zu produzieren, und die dafür erforderliche Technologie. Es hilft also tatsächlich Russland“, sagte Biden im Beisein von Selenskyj.
In einer ausgehandelten Erklärung der G7, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, man fordere China auf, die Lieferung von Gütern an Russland einzustellen, die auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Die Unterstützung der russischen Verteidigungsindustrie ermögliche es Moskau, seinen illegalen Krieg in der Ukraine fortzusetzen, und habe damit auch erhebliche und weitreichende sicherheitspolitische Folgen.
Drohung an China wegen Handelspraktiken
China dürfte auch am zweiten Gipfeltag auf die Tagesordnung kommen, wenn die G7 über wirtschaftliche Sicherheit beraten. In der ausgehandelten Erklärung werfen die G7 der Volksrepublik vor, mit nicht-marktwirtschaftlichen Praktiken wie Subventionen schädliche Überkapazitäten zu erzeugen und den globalen Wettbewerb zu verzerren. Indirekt werden China in diesem Zusammenhang auch mögliche weitere Strafzölle angedroht: Man werde notfalls weitere Maßnahmen ergreifen, um Arbeiter und Unternehmen vor unlauteren Praktiken zu schützen, warnt die G7-Gruppe.
Erst an diesem Mittwoch hatte die EU Pläne für Strafzölle auf Importe von Elektroautos aus China angekündigt. Zuvor waren die USA vorangegangen. Das Handelsministerium in Peking kritisierte die Androhung der EU-Kommission scharf und deutete Gegenmaßnahmen an./lkl/DP/men
Kreise: Nato beschließt Operationsplan für Ukraine-Unterstützung
BRÜSSEL (dpa-AFX) – Die Nato-Staaten haben einen Operationsplan für den Ausbau der Unterstützung der Ukraine beschlossen. Das Dokument wurde am Donnerstag am Rande eines Verteidigungsministertreffens in einem schriftlichen Verfahren angenommen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bündniskreisen erfuhr. Bei dem Projekt geht es insbesondere darum, dass die Nato künftig die internationale Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte übernehmen will./aha/DP/ngu
Schweiz meldet Cyberangriffe vor Ukraine-Konferenz
BERN (dpa-AFX) – Wenige Tage vor der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz hat das Schweizer Bundesamt für Cybersicherheit Angriffe auf staatliche Webseiten gemeldet. Die Attacken stünden mutmaßlich im Zusammenhang mit dem hochrangigen Treffen am Wochenende, hieß es am Donnerstag von der Cyber-Behörde in Bern. Durch die sogenannten Überlastungsangriffe sei es zu kleineren Ausfällen gekommen. Betroffen waren verschiedene Websites des Bundes sowie von Organisationen, die in die Konferenz involviert sind.
Überlastungsangriffe, auch als DDoS-Angriffe bekannt, zielen auf die Verfügbarkeit von Webseiten, gefährden aber weder Daten noch IT-Systeme. Die Attacken am Donnerstag seien „im Bereich des Erwarteten“, hieß es vom Bundesamt für Cybersicherheit.
Zur Ukraine-Friedenskonferenz haben sich für das kommende Wochenende rund 40 Staats- und Regierungschefs angemeldet. Insgesamt werden Delegationen von 90 Staaten und Organisationen erwartet. Russland, das die Ukraine im Februar 2022 überfallen hat, ist nicht dabei. Moskau hat das Treffen als westliche Propagandaveranstaltung abgetan. Länder wie China und andere, die Russland nahestehen, haben die Einladung ausgeschlagen.
Bei dem Treffen im Bürgenstock-Resort am Vierwaldstättersee sollen Voraussetzungen für einen späteren Friedensgipfel unter Beteiligung von Russland geschaffen werden. Auch humanitäre Themen wie Nahrungsmittelsicherheit sowie auch nukleare Sicherheit stehen auf der Tagesordnung./al/DP/ngu
Von der Leyen: Ukraine-Paket klare Botschaft an Putin
BARI (dpa-AFX) – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das neue 50-Milliarden-Dollar-Paket für die Ukraine als ganz klare Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin bezeichnet. Putin werde gezeigt, dass die Hauptlast des Schadens, den er angerichtet habe, nicht von den europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern getragen werde, sondern von Russland selbst, sagte von der Leyen am Donnerstag am Randes des G7-Gipfels in Italien. Hintergrund sei, dass das Paket aus den Erträgen des eingefrorenen russischen Vermögens in Europa gespeist werde.
Von der Leyen nannte das beim Gipfeltreffen vereinbarte Hilfspaket auch eine klare Botschaft an die Ukraine. Dem von Russland angegriffenen Land werde gezeigt, dass man ihm Bewegungsfreiheit gebe und ihm zur Seite stehe, solange es nötig sei. Das Geld könne beispielsweise für den Wiederaufbau oder neue Waffensysteme genutzt werden, erklärte sie./aha/DP/ngu
COMMENT: Vergleiche dazu folgende Meldung von vorgestern, 12.6., abends:
+++ 22:00 Paris: G7-Staaten vereinbaren 50-Milliarden-Dollar-Darlehen +++
Die G7-Staaten haben sich vor ihrem am Donnerstag in Italien beginnenden Gipfel nach Angaben aus Paris auf die Auszahlung von 50 Milliarden US-Dollar – rund 46,5 Milliarden Euro – an die Ukraine bis Ende des Jahres geeinigt. „Es gibt eine Einigung“, erklärt die französische Präsidentschaft. Das Darlehen an die Ukraine solle mit „den Zinsgewinnen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten“ zurückgezahlt werden. Den Angaben zufolge handelt es sich bei der Idee um eine „amerikanische Initiative“. Sollten „aus irgendeinem Grund die russischen Vermögenswerte freigegeben werden oder die Zinsen aus den Vermögenswerten nicht ausreichen, um das Darlehen zu finanzieren, müssen wir darüber nachdenken, wie wir die Last teilen“, erklärt der Elysée-Palast weiter.
COMMENT: Von der Leyen „übersieht“ geflissentlich, dass bei Freigabe russischer Vermögenswerte oder bei Nicht-Ausreichen der Zinsen daraus die Schulden-Last geteilt werden muss. Dies geschieht entweder direkt durch Belastung des Steuerzahlers oder indirekt – über Aufnahme neuer Schulden – indirekt. Lügt van der Leyen bewusst und führt die Öffentlichkeit durch Desinformation hinters Licht? Immerhin wird das aufgenommene Darlehen in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar nicht von heute auf morgen zu tilgen sein. Die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass die russischen Vermögenswerte nach Kriegsende wieder frei kommen oder die Zinsen aus diesen Vermögenswerten nicht ausreichen werden.
Überhaupt ist es unverantwortlich, auf eine bloße Wette hin dein Darlehen aufzunehmen: der US-amerikanische Vorschlag zielte darauf ab, zur Sicherstellung des Darlehens künftige Staateinnahmen (Steuern) zu Grunde zu legen. Ein Vabanquespiel ersten Ranges. Der Tagesblick hat sich jüngst dazu bereits in diesem Sinn geäußert.
Da aber die Öffentlichkeit mangels Interesses und Verständnis nichts darüber weiß, kann man sie mit dem kleinen Finger über den Tisch ziehen. Ein übles Charakterbild zeichnet sich da ab für Politiker, speziell für eine Politikerin: Lügen ohne mit der Wimper zu zucken.
USA sind bereit, Hauptteil des Ukraine-Kredits zu stellen
BARI (dpa-AFX) – Die USA haben sich bereiterklärt, die Hauptlast des gewaltigen Milliarden-Kredites der G7-Staaten für die Ukraine zu tragen. Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter sagte am Donnerstag am Rande des G7-Gipfels in Süditalien, die Vereinigten Staaten seien willens, bis zu 50 Milliarden US-Dollar (rund 46 Milliarden Euro) zur Verfügung zu stellen – was als geplante Gesamtsumme für Kiew eingeplant ist. Er betonte jedoch: „Wir werden nicht die einzigen Kreditgeber sein.“ Auch andere würden sich beteiligen. Das Risiko werde geteilt, ebenso wie der Wille, das Projekt auf die Beine zu stellen. Konkrete Angaben machte er nicht. Er signalisierte aber, dass die Summe am Ende noch höher ausfallen könnte
Die führenden demokratische Industrienationen (G7) hatten sich am Donnerstag bei ihrem Gipfeltreffen im süditalienischen Apulien darauf verständigt, mithilfe von eingefrorenem russischen Staatsvermögen einen 50-Milliarden-Dollar-Kredit für die Ukraine auf die Beine zu stellen. Der Kredit soll finanziert werden durch Zinserträge aus festgesetzten russischen Zentralbankgeldern.
In westlichen Ländern wurden seit dem russischen Angriff auf die Ukraine nach Angaben der US-Regierung rund 280 Milliarden US-Dollar (rund 260 Milliarden Euro) an russischen Zentralbankgeldern eingefroren. Die generieren derweil Zinserträge, die genutzt werden sollen, um den Kredit zurückzuzahlen.
Der US-Regierungsvertreter betonte, der Kredit werde in jedem Fall aus russischen Mitteln finanziert. Und falls es Frieden geben sollte, müsste Russland mit Reparationszahlungen für die Schäden aufkommen, die das Land angerichtet habe, betonte er. Diese würden dann zur Rückzahlung des Kredites genutzt./jac/DP/ngu
Scholz: G7-Staaten wollen 50 Milliarden Dollar für Ukraine mobilisieren
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)–Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bestätigt, dass sich die Staats- und Regierungschefs sieben führender Industrieländer (G7) bei ihrem Gipfel in Apulien auf ein Darlehen von 50 Milliarden US-Dollar an die Ukraine geeinigt haben, dessen Rückzahlung mit Zinsgewinnen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten finanziert werden soll. „Mit der Absicht der G7-Staaten, 50 Milliarden Dollar zu mobilisieren, die aus den Erträgen, den Windfall-Profits der eingefrorenen russischen Einlagen finanziert wird, ist die Grundlage dafür geschaffen, dass die Ukraine in der Lage ist, in der nächsten Zeit all das zu beschaffen, was sie beschaffen muss“, sagte er bei einem Statement.
Dies gelte für Waffen, aber auch für Investitionen in den Wiederaufbau oder in die Energieinfrastruktur. „Das ist ein sehr starkes Commitment, das im Übrigen auch den Ukrainerinnen und Ukrainern den Mut gibt, das zu tun, was für sie jetzt zur Verteidigung ihrer Unabhängigkeit und Souveränität notwendig ist“, sagte Scholz. Es sei auch ein klares Zeichen an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, „dass er nicht einfach diese Sache aussitzen“ und darauf hoffen könne, dass es ihm wegen fiskalischer Probleme in einigen Ländern, die die Ukraine unterstützten, irgendwann gelingen werde, den Krieg zu gewinnen.
„Das wird er nicht. Insofern ist das sicherlich heute auch ein ganz historischer Schritt und eine historische Entscheidung, die hier getroffen wird“, so Scholz. Jetzt werde es darum gehen, „in kürzester Zeit die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung zu schaffen“. Scholz betonte, die G7 hätten diese Frage auch intensiv mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj besprochen, der an den Beratungen teilnahm. Es sei „ein wichtiger, guter, notwendiger Schritt zur richtigen Zeit“.
Die G7 hätten den Plan von US-Präsident Joe Biden für einen Waffenstillstand in Gaza unterstützt, sagte Scholz zudem. „Jetzt kommt es darauf an, dass alle auch das jetzt umsetzen. Wir fordern also insbesondere die Hamas auf, die notwendige Zustimmung zu erteilen, damit das jetzt funktionieren kann“, erklärte der Kanzler.
Lindner: G7 vereinbaren weitere 50 Milliarden Dollar für Ukraine
BERLIN (Dow Jones)–Die Gruppe sieben führender Industrieländer (G7) hat sich nach Angaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf ein Darlehen von 50 Milliarden US-Dollar an die Ukraine geeinigt, dessen Rückzahlung mit Zinsgewinnen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten finanziert werden soll.
„Gute Nachrichten von den G7: Weitere 50 Milliarden Dollar für die Ukraine“, erklärte Lindner über den Kurznachrichtendienst X. „Dafür nutzen wir Zinsen aus eingefrorenen Vermögenswerten – ein smartes Instrument, das Putin unsere Einigkeit zeigt, der Ukraine stark hilft und die Haushalte entlastet“, hob er hervor. „Jetzt arbeiten wir an Details“, kündigte der Finanzminister an.
Die Staats- und Regierungschefs der G7 sind zu einem Gipfeltreffen in Apulien zusammengekommen. Eines der vorrangigen Gesprächsthemen ist der Ukraine-Krieg. An dem Treffen nimmt auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teil.
Freie Bahn für NATO-Ukrainehilfen: Orbán wird kein Veto einlegen
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und NATO-Chef Jens Stoltenberg haben sich nach einem Tag „schwieriger“ Verhandlungen geeinigt.
Ungarn wird kein Veto gegen die NATO-Unterstützung der Ukraine einlegen. Drauf haben sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geeinigt.
„Ungarn hat deutlich gemacht, dass es die Entscheidung von 31 anderen Mitgliedsstaaten nicht ändern will und kann. Wir freuen uns, dass die NATO, vertreten durch den NATO-Generalsekretär, zur Kenntnis genommen hat, dass Ungarn beabsichtigt, den Handlungsspielraum, den die NATO dem Land einräumt, voll auszuschöpfen“, äußerte sich Orbán.
Orbán hat betont, dass Ungarn weder Geld noch militärisches Personal für die Ukraine bereitstellen werde. Stoltenberg hat die Position des ungarischen Ministerpräsidenten akzeptiert.
„Ministerpräsident Orbán hat deutlich gemacht, dass sich Ungarn nicht an den NATO-Bemühungen beteiligen wird. Ich akzeptiere diese Position. Ich bin froh, dass der Ministerpräsident und ich uns heute auf die Modalitäten für die Nichtbeteiligung Ungarns an der NATO-Unterstützung für die Ukraine geeinigt haben. Ungarisches Personal wird an diesen Aktivitäten nicht teilnehmen und es werden keine ungarischen Gelder zu ihrer Unterstützung verwendet,“ so Stoltenberg.
Verbündete der Ukraine wollen militärische Hilfe für die Ukraine verstärken
Die anderen 31 Bündnispartner sehen in Russlands Krieg gegen die Ukraine eine existenzielle Sicherheitsbedrohung für Europa. Doch die meisten von ihnen haben es vermieden, direkt in den Krieg einzugreifen, aus Sorge, in einen größeren Konflikt mit Russland hineingezogen zu werden.
Die westlichen Verbündeten der Ukraine versuchen jedoch, die militärische Unterstützung für Kiew zu verstärken. Die russischen Truppen nutzten die lange Verzögerung der US-Militärhilfe an die Ukraine aus und konnten entlang der mehr als 1.000 Kilometer langen Frontlinie Vorstoßen und Zugewinne erzielen.
Orbán ist einer der bekanntesten Putin-Befürworter in Europa. Er spricht sich offen gegen die Hilfen für die Ukraine aus, die sich gegen Russlands Angriffskrieg verteidigt. Im Dezember hat er die EU-Ukraine-Hilfe in Höhe von 50 Milliarden Euro blockiert.
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USA: ‚Sehr gute Fortschritte‘ für G7-Einigung zu russischem Vermögen – 13.7.2024, 10:14
BARI (dpa-AFX) – Die US-Regierung sieht die Verhandlungen über eine Nutzung von eingefrorenem russischen Staatsvermögen zugunsten der Ukraine kurz vor einem Abschluss. „Die G7-Delegationen haben sehr gute Fortschritte gemacht, um eine Einigung zu erzielen“, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Donnerstag kurz vor dem offiziellen Start des G7-Gipfels in Süditalien. Die US-Regierung hoffe, dass es bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag eine gemeinsame Vision für das weitere Vorgehen zustande komme. „Wir stehen hier kurz vor einem guten Ergebnis.“
Die Staats- und Regierungschefs der führenden demokratischen Industrienationen (G7) beraten bis Samstag im süditalienischen Apulien. Die Ukraine kann dort auf ein neues riesiges Unterstützungspaket hoffen. Wie ein ranghoher EU-Beamter vorab sagte, soll beim Gipfel vereinbart werden, mit Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Mrd. Euro) für die Ukraine zu finanzieren. Sullivan wollte sich zu den geplanten Details noch nicht genauer äußern./jac/DP/mis
BERICHT – Krieg: Russland hadert mit Kriegsheimkehrern, die zu Verbrechern werden
Russische Soldaten, die aus dem Ukrainekrieg zurückkommen, leiden oft an posttraumatischen Belastungsstörungen. Das gipfelt nicht selten in Gewalttaten. Ein Bericht aus Moskau
Die Nacht Anfang März in der russischen Großstadt Tscheljabinsk am Ural muss die pure Hölle gewesen sein. Schon seit langem hatten die Anwohner Angst vor dem 32-jährigen Nikita S., so berichtet es das Onlineportal 74.ru. „Wenn er betrunken ist, wird er dumm“, erklärt einer seiner Freunde. „Wenn er nüchtern ist, ist er ein ruhiger Typ, aber wenn er trinkt, ist das alles weg.“ In dem fünfstöckigen Backsteingebäude in Tscheljabinsk lebte Nikitas Ex-Freundin. Gegen ein Uhr nachts sei er plötzlich vor der Tür gestanden, sagt ein Nachbar. „Sie hatte noch die Polizei gerufen“, berichten Zeugen. Aber die Beamten trafen nicht rechtzeitig ein, der betrunkene Mann hatte die Frau erwürgt.
Nikita S. war Soldat, hatte in der Ukraine gekämpft. Hatte wohl grauenhafte, brutale Dinge erlebt, vielleicht sogar selbst getan. Das gräbt sich tief in die Seele ein, weiß der Militärpsychologe Alexej Sacharow. „In bewaffneten Konflikten erlebt ein Mensch oft das Leid anderer, sieht Verwundete und Getötete. Der menschliche Körper nimmt jede Gewalt gegenüber einer anderen Person als Gewalt gegenüber sich selbst wahr. Das heißt, wenn ich sehe, wie jemand getötet, vergewaltigt oder gefoltert wird, dann erfährt mein Körper in diesem Moment eine ähnliche psychische Belastung wie das Opfer selbst.“
76 Todesopfer
Nikita S. ist kein Einzelfall. Im April nahmen Polizisten im Gebiet Leningrad einen 42 Jahre alten Kriegsheimkehrer fest, der seine 20 Jahre alte Freundin aus Sankt Petersburg nach einem Streit tötete und zerstückelte, berichtet das Onlinemedium fontanka.ru. Den Täter hatte die Söldnergruppe Wagner aus dem Straflager rekrutiert. Wie viele Ex-Häftlinge, die sechs Monate an der Front in der Ukraine überlebten, wurde auch er von Russlands Präsident Wladimir Putin begnadigt. Er lebte als freier Mann – bis er zum Mörder wurde.
Offizielle Zahlen über die Straftaten der Rückkehrer aus dem Ukrainekrieg gibt es nicht. Das unabhängige Onlineportal Verstka hat allerdings Medienberichte und offen zugängliche Gerichtsakten ausgewertet. Seit Kriegsbeginn hätten Kriegsrückkehrer mindestens 107 Menschen getötet und mindestens 100 weitere schwer verletzt, so Verstka. Russische Soldaten, zurück in der Heimat, hätten 84 Gewaltdelikte begangen. 55 dieser Verbrechen mit insgesamt 76 Todesopfern seien als Mord geahndet worden, weitere 18 Straftaten als schwere Körperverletzung. Verkehrsverstöße von Soldaten hätten zu weiteren elf Todesfällen geführt. Soldaten, die Minderjährige zum Drogenkonsum verleiteten, verursachten wohl den Tod von zwei Kindern. „Unter den 100 Verletzten befanden sich 70 Opfer von Soldaten, denen ‚lebensgefährliche schwere Körperverletzung‘ vorgeworfen wurde“, heißt es bei Verstka. „Sechzehn waren Opfer von Mordversuchen, zehn wurden bei Autounfällen verletzt, drei wurden durch ‚exzessive Selbstverteidigung‘ eines Soldaten verletzt, und eine Person erlitt aufgrund der ‚Fahrlässigkeit‘ eines Soldaten schwere Verletzungen.“
Fälle wie diese beunruhigen die Menschen in Russland. Die Organisation nasiliu.net („Nein zu Gewalt“) befürchtet, dass in Zukunft auch die Fälle häuslicher Gewalt durch Kriegsrückkehrer zunehmen werden: „Tatsache ist, dass die Auswirkungen des Krieges nicht in kurzer Zeit sichtbar sind. Der Masseneffekt wird wahrscheinlich verzögert und langfristig eintreten, wenn die Mehrheit der Kämpfer von der Front zurückkehrt.“
Gefragt sind positive Geschichten
Doch eine öffentliche Debatte darüber? Russlands Politik möchte das vermeiden. Das Onlinemedium Meduza hat herausgefunden, dass es wohl Anweisungen an Journalisten und Journalistinnen gibt, einschlägige Berichterstattung zu vermeiden, „damit die Russen Kämpfer nicht als potenzielle Kriminelle betrachten und keine Angst vor ihrer Rückkehr haben“, zitiert Meduza eine dem Kreml nahestehende Quelle. Gefragt seien positive Geschichten. Etwa die, wie ein Soldat auf Heimaturlaub seine Tochter mit Blumen überrascht. Blumen für die Ehefrau, Blumen für die Mutter, auch das wird gerne gedruckt. „Es besteht der Wunsch zu zeigen, dass die Jungs, die von der Front zurückkehren, wirklich höfliche, einfühlsame und fürsorgliche Menschen sind“, so Meduzas Quelle.
Die Probleme aber bleiben. Viele Ex-Soldaten leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen, kurz PTBS. Eine Erkrankung, die Kämpfer in allen Kriegen trifft. Auch viele Soldaten der deutschen Bundeswehr, die aus dem Afghanistan-Einsatz zurückgekehrt sind, leiden unter PTBS. Posttraumatische Belastungsstörungen seien bei russischen Ex-Soldaten an der Tagesordnung, weiß die Psychologin Tatjana Kowalenko. „Schlafstörungen, Essstörungen, unerklärliche Aggression oder Gleichgültigkeit gegenüber Familie, Arbeit, Rückzug, Sinnlosigkeit im Leben, Alkoholsucht.“ Es komme sogar vor, sagt die Psychologin, „dass Veteranen darauf fixiert sind, mit ihren Kameraden an die Front zurückkehren zu wollen“.
Verrückte Welt
Auch darüber soll die breite Öffentlichkeit möglichst wenig erfahren. Dies weiß auch Irina, die als Freiwillige Kriegsversehrte in Sankt Petersburger Krankenhäusern psychologisch betreut; oft gegen den Widerstand der Krankenhausverwaltungen. „Wir werden ständig eingeschüchtert: Wir können das nicht schreiben, wir können nicht darüber reden“, sagt Irina. Doch die Soldaten seien froh über die Besuche im Krankenzimmer, erzählt sie. „Befindet sich ein Soldat in einem kritischen Zustand, liegt er meist in der Embryonalstellung, mit dem Rücken zu allen, den Kopf mit einer Decke bedeckt.“
Die besonders schweren Fälle von PTBS landen im Krankenhaus. Ex-Soldaten mit leichteren Belastungsstörungen sind zu Hause. Oftmals ignorieren sie die Symptome. In Perm im Westen Russlands kümmern sich Psychologen des Projekts „Leben nach dem Krieg“ um Kriegsheimkehrer mit PTBS. Sie sagen: „Die Realität dieser Menschen hat sich dramatisch verändert, sie haben den Tod gesehen, für diese Menschen hat sich die Hierarchie der Werte und Bedürfnisse völlig verändert. Psychologisch gesehen erleben diese Menschen ein unglaubliches Gefühl der Einsamkeit, da Menschen, die nicht gekämpft haben, die Lebensphilosophie von Kriegern nur sehr selten verstehen und akzeptieren können.“ Die Folge: „Das ‚Überlebenssyndrom‘ ist weitverbreitet – sie fühlen sich vor ihren verstorbenen Kameraden schuldig. Gleichzeitig erlaubt der ‚Heldenkomplex‘ es einem nicht, irgendwohin zu gehen, um Hilfe zu holen. Der soziale Zustand eines Menschen nach Kampfeinsätzen und die Überstellung in die Reserve ist durch die sogenannte Identitätskrise gekennzeichnet, also den Verlust der Integrität und des Vertrauens in die eigene soziale Rolle.“
Echte Männer
Unter den Menschen, die in Sankt Petersburg in Beratungseinrichtungen um psychologische Hilfe ansuchen, seien nur sehr wenige Kriegsveteranen, so Elena Isajewa vom Sankt Petersburger Gesundheitskomitee für medizinische Psychologie. Der Grund, so Isajewa gegenüber fontanka.ru: „Diejenigen, die von der Spezialoperation zurückgekehrt sind, sind Helden, und Helden brauchen keine Hilfe.“ Ein „echter Mann“, so glauben viele Kriegsheimkehrer, müsse seine Probleme selbst bewältigen. Stattdessen kämen die Frauen in die Beratung. Sie sagen, ihre Ehemänner seien in sich zurückgezogen, sagten nichts, es gebe kein Gespräch. „Er kam anders zurück“, erzählt die Frau eines Kriegsheimkehrers, „still, verschlossen.“ Er hätte Albträume, zucke vor scharfen Geräuschen und Autosirenen zusammen. Seine Frau möchte er nicht belasten, er denke, es werde von allein verschwinden.
Doch meistens wird der Druck durch die Kriegstraumatisierung schlimmer und schlimmer. Und manchmal kommt es zur Explosion. Wie im April 2023 in Nischni Nowgorod. Dort erstach ein 44-jähriger Soldat seine Frau. Er war auf Heimaturlaub, bemerkte wohl in der Nacht, dass seine Frau ihm Geld aus der Brieftasche nehmen wollte. Es kam zum Streit und er stach zu. Der Soldat rief noch den Krankenwagen, doch es war zu spät. Die Frau starb. (Jo Angerer aus Moskau, 12.6.2024)
ANALYSE – Wäre ein Frieden zwischen Russland und der Ukraine schon vor zwei Jahren möglich gewesen? – Andreas Rüesch, Neue Zürcher Zeitung, 13.6.2024
In der Hoffnung auf ein rasches Kriegsende war die Ukraine im Frühling 2022 bereit zu schmerzhaften Kompromissen. Grundzüge eines Friedensvertrags lagen schon auf dem Tisch. Was ist dran an dem brisanten Vorwurf, der Westen habe den Abschluss verhindert?
Am vermeintlichen «Friedensgipfel» auf dem Bürgenstock wird es keinen Friedensschluss geben – dies ist allen Beteiligten klar. Zu schwierig ist es, eine Lösung in diesem seit mehr als zwei Jahren tobenden Krieg zu finden. Umso mehr lässt eine These aufhorchen, die in letzter Zeit in vielen Medien Widerhall gefunden hat: Im Frühling 2022, also noch in den ersten Kriegswochen, sei ein russisch-ukrainisches Friedensabkommen in Griffweite gewesen. Doch die Chance sei vertan worden, massgeblich durch die Schuld des Westens.
Hätten somit all die Toten, all die Zerstörungen vermieden werden können, wenn man sich damals die Hand gereicht hätte? Und liegt die Verantwortung für das Grauen des Krieges folglich bei den westlichen Regierungen, die den Ukrainern von der Unterzeichnung des Vertragsentwurfes abrieten?
Angebliches Diktat des Westens
Diese Sichtweise vertritt nicht zuletzt der russische Präsident Wladimir Putin. «Unterschreibt nicht, kämpft!», habe die Anweisung des Westens gelautet, sagte Putin kürzlich. Hätten sich die Verbündeten Kiews damals nicht quergelegt und die Friedensgespräche sabotiert, wären alle Kampfhandlungen schon in jenem Frühling vorüber gewesen, behauptet der Kremlführer regelmässig.
Nicht nur er, auch verschiedene westliche Stimmen haben sich in dieser Art geäussert. Meist sind es kremlfreundliche Medien, Linksaussenpolitiker wie Sahra Wagenknecht oder Experten mit prorussischer Schlagseite wie der frühere deutsche Generalinspekteur Harald Kujat, der die Militärhilfe für die Ukraine seit langem kritisiert. Aber auch das Fachmagazin «Foreign Affairs» berichtete im April unter dem Titel «Die Verhandlungen, die den Ukraine-Krieg hätten beenden können» von einer «oft übersehenen, aber kritischen Episode», in der sich die Präsidenten Putin und Selenski überraschend offen für weitreichende Zugeständnisse gezeigt hätten.
Die Kurzversion der Moskauer These lautet ungefähr so: Schon wenige Tage nach dem russischen Einmarsch begannen Gespräche über ein Friedensabkommen. Fünf Verhandlungsrunden in Weissrussland und per Videokonferenz mündeten am 30. März in Istanbul in einen Vertragsentwurf. Als zentralen Punkt sah er die Verpflichtung der Ukraine zur Wahrung ihrer Neutralität und zum Verzicht auf einen Nato-Beitritt vor.
Der ukrainische Delegationsleiter habe den Entwurf provisorisch unterschrieben (paraphiert). Als Mittel der Vertrauensbildung habe Russland sogar seine Truppen aus dem Raum Kiew abgezogen. Doch am 9. April sei der damalige britische Premierminister Boris Johnson angereist und habe verlangt – wie es Putin ausdrückt –, das Dokument in den Abfalleimer zu werfen. Darauf habe die Ukraine die Verhandlungen abgebrochen.
Diese Darstellung verdient eine nähere Betrachtung, weil auch Aussagen ukrainischer Zeitzeugen sie zu stützen scheinen. So bestätigte im vergangenen November der ukrainische Verhandlungsführer Dawid Arachamija, dass Johnson ein Faktor war. Dieser habe in Kiew erklärt: «Wir werden mit ihnen (den Russen) nichts unterschreiben. Lasst uns einfach kämpfen.» Ein weiteres Mitglied der Verhandlungsdelegation, der Diplomat Olexander Tschali, ging noch weiter und sagte bei einer Veranstaltung in Genf, dass Putin bald nach der Invasion seinen «historischen» Fehler erkannt habe. «Wir fanden einen echten Kompromiss», sagte Tschali weiter und erklärte: «Wir waren sehr nahe dran, unseren Krieg mit einer Friedensregelung zu beenden.»
«Hier ist er»
Eine wichtige Quelle ist Putin selber – nicht weil er irgendwelche Glaubwürdigkeit besässe, sondern weil er als Erster die Existenz eines solchen Vertragsentwurfes belegte. Interessanterweise geschah dies allerdings erst viel später, im Juni 2023, als es ihm nützlich erschien. Bei einem Treffen mit afrikanischen Staatschefs, die ihn zu einer Beendigung des Krieges aufforderten, schwenkte er ein mehrseitiges Papier umher: Hier sei es, ein Abkommen mit 18 Punkten und dem Titel «Vertrag über ständige Neutralität und Sicherheitsgarantien der Ukraine». Putins Botschaft war klar: Die Schuldigen am andauernden Krieg seien nicht in Moskau zu suchen.
Ungewollt lieferte Putin aber gleich selber den Beweis, dass manches an seiner Darstellung nicht stimmen konnte. Das von ihm in die Höhe gehaltene Dokument trug das Datum des 15. April 2022, nicht des 30. März, und war somit erst nach Johnsons Kiew-Besuch entstanden. Die These eines Verhandlungsabbruchs infolge einer britischen Intervention lässt sich somit nicht halten – tatsächlich verhandelten die beiden Seiten noch lange weiter, bis in den Mai.
Zudem zeigte Putin keine fertig ausgehandelte Fassung, sondern zum Teil weit auseinander klaffende Positionen der beiden Kriegsparteien. Putin präsentierte auch keine Unterschriften – und hat dies bis heute nie getan, obwohl er bei jeder Gelegenheit von einer «unterschriebenen» Vereinbarung spricht. Es ist deshalb anzunehmen, dass es sich bei der angeblichen Paraphierung des Dokuments in Istanbul um eine Erfindung handelt. Der ukrainische Chefunterhändler Arachamija hat betont, dass er nicht bevollmächtigt gewesen sei, etwas Derartiges zu unterschreiben.
Neutralität als Notlösung – aber nur unter Garantien
Richtig ist jedoch, dass die Ukraine damals Bereitschaft zeigte, im Rahmen einer Friedenslösung sich zur ständigen Neutralität zu verpflichten und gewisse Obergrenzen für ihr Militär zu akzeptieren. Die Bedeutung jener Gespräche lässt sich jedoch ohne genauere Analyse des Vertragsentwurfs und ohne den damaligen historischen Kontext nicht verstehen. Präsident Selenski hatte bereits unter dem Druck der drohenden Invasion signalisiert, dass er das Ziel eines Nato-Beitritts fallenlassen könnte. Am Tag des Einmarschs präsentierte er in einer Fernsehrede seine Position: Über Neutralität könne man verhandeln, sofern die Ukraine internationale Garantien für ihre Sicherheit erhalte.
Bereits am 28. Februar trafen sich die Delegationen Russlands und der Ukraine ein erstes Mal in Weissrussland. In den vier Tagen zuvor hatten die Invasoren grosse Gebiete erobert und standen vor Kiew. Laut Verhandlungsteilnehmern forderten sie faktisch eine Kapitulation. Für die Ukrainer war dies inakzeptabel; sie setzten die Gespräche jedoch fort, um Zeit zu gewinnen. Im Laufe des März zeigten sich Russlands Schwächen immer deutlicher. Putins Truppen erlitten beim Vormarsch auf Kiew gewaltige Verluste und schafften es nicht, die Hauptstadt zu umzingeln. Am 25. März gab der Moskauer Generalstab verschämt eine Strategieänderung bekannt: Man werde sich von nun an auf den Donbass konzentrieren. Rund um Kiew begann ein fluchtartiger Rückzug der russischen Truppen.
Die jetzige Behauptung, der Rückzug sei eine Geste des guten Willens zur Unterstützung der Verhandlungsergebnisse von Istanbul gewesen, ist deshalb unhaltbar. Es handelte sich um einen erzwungenen Abzug, der noch vor den Istanbuler Gesprächen einsetzte. Die Wende im Kriegsgeschehen stärkte jedoch die ukrainische Verhandlungsposition. In Istanbul legte Arachamija den Russen einen Zehn-Punkte-Plan vor, der das Konzept einer international garantierten ukrainischen Staatlichkeit konkretisierte.
Arachamija sprach von einer «ukrainischen Nato» und meinte damit, dass sein Land trotz Neutralität Nato-ähnliche Beistandsgarantien erhalten würde. Die Stimmung in Istanbul war nervös. Nach Indizien für die Vergiftung eines prominenten Vermittlers riet der ukrainische Aussenminister Dmitro Kuleba allen Teilnehmern, im Beisein der Russen nichts zu essen oder zu trinken. Als Durchbruch wurden die Istanbuler Gespräche von damaligen Zeugen nicht empfunden, schon gar nicht von russischer Seite. Die Reaktion des Kremls lautete, von Fortschritten sei keine Rede. «Wir können auf nichts besonders Vielversprechendes hinweisen.»
Diese Skepsis steht in Widerspruch zur heutigen Haltung des Kremls, der in «Istanbul» einen Meilenstein auf dem Weg zum Frieden sehen will. Bedeutsam war das Treffen gleichwohl, denn Moskau nahm die ukrainischen Vorschläge auf und goss sie in ein Dokument – jenes, das Putin später der Öffentlichkeit präsentierte. Mit roten Lettern waren darin jene Passagen markiert, die weiterhin umstritten waren. Diese Differenzen hatten es in sich.
Moskaus Ziel – eine schutzlose Ukraine
Russland lehnte das ukrainische Modell von Sicherheitsgarantien ab und verlangte etwas ganz anderes. Kiew wollte einen Automatismus, dass die Ukraine im Falle eines neuerlichen russischen Angriffs Militärhilfe erhalten würde. Die Garantiemächte, unter ihnen die fünf ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates, hätten unverzüglich eine Flugverbotszone zu schaffen, Waffen zu liefern oder direkt zu intervenieren. Doch Russlands Unterhändler verlangten für solche Massnahmen Einstimmigkeit unter den Garantiemächten. Moskau bedingte sich somit ein Vetorecht aus, was die ganze Konstruktion aushebelte.
Starke Divergenzen gab es auch zum ukrainischen Militär. Kiew war bereit, aus Rücksicht auf Moskau die Armee auf 250 000 Soldaten, 800 Panzer, 1900 Artilleriegeschütze und 2000 Panzerabwehrlenkwaffen zu begrenzen. Russland dagegen wollte nur 85 000 Mann zugestehen, 342 Panzer, 519 Geschütze und 333 Panzerabwehrwaffen. Mit einer solchen Rumpfarmee hätte die Ukraine auf verlorenem Posten gestanden und sich den Moskauer Machtspielen ausgeliefert.
Das Dokument vom 15. April 2022 klammerte zudem eine zentrale Frage aus: Was würde mit den von Russland besetzten Gebieten geschehen? Die Idee einer Rückgabe hat Moskau stets zurückgewiesen. Kiew dagegen wollte nie etwas von einem Verzicht wissen. Die ukrainischen Unterhändler forderten, diese Frage auf höchster Ebene zu klären, bei einem Gipfeltreffen zwischen Putin und Selenski. Einzig bei der Krim signalisierten sie Flexibilität. Die Klärung des Streits um die völkerrechtswidrig annektierte Halbinsel wollten sie um 15 Jahre hinausschieben.
Das Fazit lautet, dass es einen unterschriftsreifen Friedensvertrag nie gegeben hat. Es wurde zwar konstruktiv verhandelt, aber die zentralen Streitpunkte blieben ungelöst. Der russische Chefunterhändler Wladimir Medinski schätzte später, dass der Vertrag zu 75 Prozent ausgehandelt gewesen sei. Wer das diplomatische Geschäft kennt, weiss, dass die letzten 3 Prozent die schwierigsten sind. Nichts ist vereinbart, bevor alles vereinbart ist, lautet eine Diplomaten-Binsenwahrheit.
Als im April 2022 der britische Premierminister in Kiew eintraf, lagen nur halbfertige Konzepte vor – versehen mit russischen Fussangeln. Die Johnson zugeschriebene Aussage «Wir werden nichts mit den Russen unterschreiben» war allzu verständlich nach den vielen Vertragsbrüchen Putins. Warum hätten die Westmächte zudem der Ukraine plötzlich Nato-ähnliche Beistandsgarantien geben sollen, nachdem sie das Land 14 Jahre lang vor der Türe der Nato hatten sitzen lassen? Die von Moskau geforderte Regel, Militärhilfe nur im Konsens mit Russland zu leisten, war ohnehin unbrauchbar.
Ein weiterer Zeitzeuge, der polnische Diplomat Jakub Kumoch, der die Gespräche eng begleitete, äusserte kürzlich die Überzeugung, dass die Verhandlungen aussichtslos waren. «Moskau wollte keinen dauerhaften Frieden.» Der Ukrainer Arachamija verwies auf ein unüberwindbares Hindernis: «Es gab kein Vertrauen, dass sich eine solche Invasion nicht wiederholen würde.»
Russlands Waffen sprachen eine andere Sprache
Eine Rolle spielte das Entsetzen über die russischen Massaker im Umland von Kiew, die in jenem April ans Licht kamen. Mindestens so wichtig war das Verhalten der russischen Militärführung in jenen Wochen. Ab Mitte April lancierte sie im Donbass geballte Angriffe und bombardierte gnadenlos die Grossstadt Mariupol, in der zahllose Zivilisten eingeschlossen waren. Von russischem Friedenswillen war nichts zu spüren.
Das hindert den Kreml und seine medialen Helfershelfer im Westen nicht daran, die Legende vom sabotierten Frieden stets von neuem aufzuwärmen. Die Schweizer «Weltwoche» und ihr Chef Roger Köppel, die mit besonderem Eifer die Moskauer Desinformation weiterverbreiten, propagierten diese schiefe These nicht weniger als zehn Mal. Als «Lieblingszeuge» dient ihnen und anderen Medien der moskaufreundliche Ex-General Kujat, der verschiedentlich behauptet hat, dass der Ukraine-Krieg schon nach gut sechs Wochen hätte beendet werden können.
Ein solches Ende hätte eine weitgehende Kapitulation der Ukraine erfordert und das Land der Gnade Moskaus ausgeliefert; es wäre kein echter Frieden gewesen. Wer die Schuld am Krieg trägt, das versuchen der Kreml und seine Propaganda-Kohorten stets zu vertuschen: Es ist Putin, der es in jenen blutigen Tagen in der Hand gehabt hätte, seiner Armee den Rückzug zu befehlen, aber von seinem Eroberungsprojekt nie abliess.
ZENTRALBANKEN
Bank of Japan hält Zinsen stabil und reduziert Kauf von Staatsanleihen
Von Megumi Fujikawa
TOKIO (Dow Jones)–Die Bank of Japan (BoJ) hat am Freitag ihr Zinsziel erneut unverändert gelassen, beschloss jedoch, die Käufe von Staatsanleihen zu reduzieren. Dies könnte den möglichen Beginn einer quantitativen Straffung signalisieren. Der Zinssatz liegt weiterhin in einer Spanne von 0 bis 0,1 Prozent und damit auf dem Niveau, auf dem er sich seit dem Ende der Negativzinspolitik der japanischen Notenbank im März befindet.
In einer Entscheidung, die als Schritt in Richtung einer geldpolitischen Straffung gesehen wird, kündigte die japanische Notenbank an, den Umfang ihrer monatlichen Staatsanleihekäufe zu reduzieren. Sie nannte kein neues Ziel und erklärte, sie werde auf der nächsten geldpolitischen Sitzung im Juli nach Gesprächen mit den Marktteilnehmern über einen detaillierten Plan für die Anleihekäufe in den nächsten ein bis zwei Jahren entscheiden.
Als die BoJ März ihre Politik der Kontrolle der Renditen japanischer Staatsanleihen aufgab, kündigte sie an, weiterhin jeden Monat japanische Staatsanleihen im Wert von rund 6 Billionen Yen oder umgerechnet 38 Milliarden Dollar zu kaufen, um die lockere Geldpolitik aufrechtzuerhalten.
In letzter Zeit wurden in der Bilanz der BoJ monatlich im Durchschnitt Staatsanleihen (JGB) im Wert von rund 6 Billionen Yen fällig. Im Rahmen der neuen Politik werden die JGB-Bestände der Notenbank wahrscheinlich schrumpfen, da sie nicht genügend JGB kaufen wird, um die fällig werdenden Papiere zu ersetzen. Ende Dezember hielt die Bank mehr als die Hälfte der ausstehenden JGB.
MELDUNGEN
WEITERE MELDUNGEN
Fataler Armutskreislauf: Millionen Kinder müssen weltweit arbeiten und verpassen ihre Kindheit (BILDERSTRECKE)
Bis 2025 wollen die Vereinten Nationen die Kinderarbeit weltweit besiegen, doch die Zahlen sind wenig ermutigend. Noch immer sind Millionen Kinder gezwungen, auf Plantagen, in Werkstätten und auf Märkten zu arbeiten, um ihre Familien zu ernähren. Und es gibt neue Formen von Kinderarbeit, auch in Deutschland.
US-Erzeugerpreise weisen im Mai auf nachlassenden Preisdruck
WASHINGTON (Dow Jones)–Die US-Erzeugerpreise haben im Mai auf einen nachlassenden Inflationsdruck gedeutet. Wie das Arbeitsministerium mitteilte, sanken die Preise auf der Produzentenebene um 0,2 Prozent gegenüber dem Vormonat und lagen um 2,2 (Vormonat: 2,2) Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten dagegen einen monatlichen Preisanstieg von 0,1 Prozent prognostiziert.
Die Kernerzeugerpreise ohne die volatilen Preise von Nahrungsmitteln und Energie stagnierten gegenüber dem Vormonat und erhöhten sich auf Jahressicht um 2,3 (2,4) Prozent. Ökonomen hatten einen monatlichen Anstieg von 0,3 Prozent prognostiziert.
Die Erzeugerpreise geben einen frühen Hinweis auf die Entwicklung der Inflation. In der Regel schlagen veränderte Erzeugerpreise früher oder später auf den Handel und damit auf die Verbraucher durch.
Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe deutlich gestiegen
WASHINGTON (Dow Jones)–Die Zahl der Erstanträge auf Leistungen aus der US-Arbeitslosenversicherung hat in der Woche zum 8. Juni deutlich zugelegt. Im Vergleich zur Vorwoche stieg die Zahl der Anträge auf saisonbereinigter Basis um 13.000 auf 242.000, wie das US-Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten einen Rückgang auf 225.000 vorhergesagt.
Für die Vorwoche wurde der Wert mit 229.000 bestätigt. Der gleitende Vierwochendurchschnitt erhöhte sich gegenüber der Vorwoche um 4.750 auf 227.000.
In der Woche zum 1. Juni erhielten 1,82 Millionen Personen Arbeitslosenunterstützung. Dies war eine Zunahme gegenüber der Vorwoche um 30.000.
Tabelle: http://www.dol.gov/ui/data.pdf
Düstere Visionen: Orwell lässt grüßen: Was hinter Chinas berüchtigtem Sozialkreditsystem steckt
China will sein Sozialkreditsystem reformieren. Was für den Westen nach totaler Überwachung durch einen autoritären Staat klingt, hat jedoch oft banale Gründe.
Vergangenen Dienstag verkündete Chinas Kommission für Entwicklung und Reform eine Neuerung des berüchtigten „Sozialkreditsystems“. Die Punkte klingen zunächst etwas dröge: So sollen lokale Kreditplattformen besser untereinander vernetzt werden. Die Gesetzgebung soll vereinheitlicht und beschleunigt werden. Außerdem soll das System auf weitere Sektoren wie Tourismus, Gesundheitsversorgung und Pflege ausgedehnt werden. Was steckt dahinter?Es gibt wenige Innovationen aus China, die in den vergangenen Jahren im Westen für so viele düstere Visionen gesorgt haben, wie das „Social Credit System“, zu Deutsch etwas holprig „Sozialkreditsystem“.
Kritiker befürchten darin – nicht ganz zu Unrecht – ein perfektes Überwachungssystem eines autoritären Staates. 2018 sprach der damalige US-Vizepräsident Mike Pence von einem „Orwell’schen System“, welches darauf abziele, „jeden Aspekt des menschlichen Lebens zu kontrollieren“. Darauf deutet das Adjektiv „sozial“ hin.
Ein solches flächendeckendes Netz von Überwachungskameras kombiniert mit einem Punktesystem könnte die 1,3 Milliarden Chinesen zu braven Parteibürgern „nudgen“. Der staatlich geförderte Kauf eines Elektroautos würde mit Punkten belohnt, das Überqueren einer roten Ampel mit Punktabzug bestraft werden.
Sanktionen und Hausarrest
Bei Unterschreiten einer Grenze kommt es zu Sanktionen: Der Kauf von Zug- oder Flugtickets wird dann vom System unterbunden, der delinquente Bürger von einer Art Maschine unter Hausarrest gestellt. Kein Wunder also, dass aus diesem Stoff vielerorts autoritäre Dystopien gesponnen werden.
Tatsächlich jedoch wurde ein Sozialkreditsystem dieser Art nie flächendeckend eingeführt. Es gab vereinzelt Pilotprojekte: So erfassen rund 200 Millionen Gesichtserkennungskameras an manchen Ampeln in Schanghai tatsächlich Bürger, die es vorziehen, das Signal Rot zu ignorieren, und projizieren die Gesichter auf eine für alle sichtbare Leinwand – es sind Techniken der Kulturrevolution im digitalen Zeitalter.
Während der Zero-Covid-Politik musste man zudem einen QR-Code beim Betreten eines Bahnhofs oder Kauf eines Zugtickets einscannen, welcher einen negativen PCR-Test garantierte. Ein flächendeckendes System zur Verhaltenskontrolle aber wurde nie eingeführt und war vielleicht auch nie geplant.
Aus Sicht der Planer und Lenker in Peking stand immer ein wirtschaftlicher Aspekt im Vordergrund: Wie kann man die Kreditwürdigkeit chinesischer (und ausländischer) Unternehmen besser gewährleisten? Dazu muss man wissen, dass die Kreditvergabe in China noch immer nach opaken Kriterien erfolgt. Staatsunternehmen werden von ebenfalls staatlichen Händen bevorzugt.
Schulden auf dem grauen Markt
Privatunternehmen haben oft Probleme, an Geld zu kommen. Sie verschulden sich auf dem sogenannten „grauen Markt“ – einem halblegalen Schattenbankensektor. Solche Märkte haben es an sich, dass man ihre genaue Größe nicht kennt. Die Schätzungen schwanken zwischen drei und zwölf Billionen US-Dollar. Ersteres entspricht etwa der Größe der britischen Volkswirtschaft.
Sinn und Zweck des chinesischen Sozialkreditsystems ist deswegen eher der Aufbau eines Pendants zum österreichischen Kreditschutzverband oder deutschen Schufa. Ein zentrales System soll es Unternehmen, Banken und Behörden erleichtern, Informationen über die Kreditwürdigkeit eines Partners zu erhalten. Offiziell sind rund 33 Millionen chinesische Unternehmen bereits erfasst. Ihr Punktestand ergibt sich aus Skalen wie pünktlichem Zahlen der Steuern, ProduktStandards und Einhaltung von Umweltauflagen.
Nicht nur das, auch die Schuldensituation von Lokal- und Provinzregierungen soll so transparenter werden. All das kommt nicht von ungefähr, denn gerade sie gelten als massiv überschuldet. Da lokale Regierungen in China keine Anleihen ausgeben können, war der Verkauf von Land jahrelang die einzige Einnahmequelle. Diese ist versiegt, die Kosten aber sind noch immer da.
Viel Orwell’scher Lärm um nichts also? Nicht ganz. Nach wie vor befindet sich das Sozialkreditsystem im Aufbau. Alle Elemente zur totalen Überwachung sind vorhanden und kommen wie zum Beispiel in der von Uiguren bewohnten Region Xinjiang auch zur Anwendung. Ob sie eines Tages wirklich zu einem großen zentralisierten System verknüpft werden, ist ungewiss. Die technischen Voraussetzungen jedenfalls sind vorhanden. (Philipp Mattheis, 10.6.2024)
EUROPAWAHL 9.6.2024
Österreich-bezogene Informationen dazu auf WIKIPEDIA => Wahlwerbende Parteien
Kein Ja, kein Nein: Macron lässt Unterstützung für von der Leyen offen
BARI (dpa-AFX) – Kein Nein, aber auch kein Ja: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hält sich weiter bedeckt, ob er die Kandidatur von Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission unterstützt. Macron sagte am Donnerstagabend beim G7-Gipfel in Italien vor Journalisten, man werde über die Besetzung der EU-Spitzenposten jetzt in geordneter Weise sprechen.
Es gehe dabei auch um das Amt des Ratspräsidenten, des EU-Außenbeauftragten, die Kommissions-Vizepräsidentenposten sowie die Kandidaten und Kandidatinnen für die Präsidentschaft des Europäischen Parlaments.
Die Spitzenposten in der EU werden nach der Europawahl am vergangenen Sonntag neu besetzt. Angesichts des klaren Wahlsiegs des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP gilt es als wahrscheinlich, dass die CDU-Politikerin von der Leyen eine zweite Amtszeit als Präsidentin der mächtigen EU-Kommission bekommt.
Für die dafür notwendige Wahl im Europäischen Parlament ist sie allerdings auf die Unterstützung anderer Parteienfamilien wie den Sozialdemokraten und Liberalen angewiesen. Diese dürften im Gegenzug erwarten, andere Spitzenposten besetzen zu dürfen. Am Montagabend wollen die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten bei einem Sondergipfel in Brüssel über das Thema beraten.
Als möglicher Kandidat für den Ratschef-Posten gilt derzeit der frühere portugiesische Regierungschef António Costa, als mögliche Kandidatin für das Amt des Außenbeauftragten die estnische Regierungschefin Kaja Kallas. Costa gehört wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Parteienfamilie der Sozialisten und Sozialdemokraten an, Kallas ist wie Macron bei den Liberalen.
Für Aufmerksamkeit sorgt die bisher ausgebliebene Positionierung von Macron vor allem, weil er von der Leyen 2019 für den Vorsitz der EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Zuvor hatte er verhindert, dass der CSU-Politiker Manfred Weber den Posten bekommt.
Ob am Rande des G7-Gipfels über das Personalpaket verhandelt wurde, war zunächst unklar. Macron traf sich am Donnerstagabend im Luxushotel „Borgo Egnazia“ am Pool seiner Villa mit Scholz und von der Leyen. Über die Gesprächsthemen gab es allerdings keine Angaben./aha/DP/men
KOMMENTAR -EU-Wahl: Ambitionierte Agenda für ein ökonomisch starkes Europa schwieriger, nicht unmöglich
Prof. Dr. Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, kommentiert die vorläufigen Ergebnisse der Europawahlen
„Die Ergebnisse der Europawahl deuten auf eine schwierige Mehrheitsfindung für eine mögliche zweite Amtszeit von Kommissionspräsidentin von der Leyen hin. Insbesondere das Erstarken von populistischen Parteien ist eine Herausforderung für notwendige Integrationsschritte, um die Europäische Union (EU) im aktuellen geopolitischen Umfeld zu stärken.
In einer stürmischen Zeit für die Weltwirtschaft kann nur eine starke EU europäische Interessen mit Nachdruck vertreten. Europa braucht die Vollendung der Kapitalmarkt- und Bankenunion sowie mutige Schritte hin zum Aufbau einer europäischen Verteidigung. Die ökonomische und militärische Sicherheit Europas und die Weiterentwicklung des Binnenmarktes sollten im Zentrum der Arbeit der neuen Kommission stehen.
Das starke Abschneiden insbesondere populistischer und europaskeptischer Parteien macht dies nicht einfacher, aber auch nicht unmöglich. Die pro-europäischen Kräfte müssen jetzt umso mehr zusammenstehen und dürfen nicht den populistischen Sirenengesängen nachgeben. Die Forschung des IfW Kiel zeigt, dass Populismus ökonomisch extrem teuer ist und sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Das sind Kosten, die wir uns nicht leisten können.“
KOMMENTAR – EU-Wahl – Trend Richtung rechts: Die Leute wollen Rückzug und Atempause
Das Ergebnis der Europawahl zeigt: Man sollte die Abneigung der Menschen gegen allzu viel Veränderung ernst nehmen. Die Ampel-Parteien müssen begreifen, dass sie eine neue Balance mit den Bürgern brauchen.
Machen wir uns nichts vor: Mindestens ein stattlicher Kern der AfD-Anhänger wählt inzwischen ihre Partei, weil sie extrem ist. Nicht: obwohl sie extrem ist. Diese Leute haben ihre felsenfeste Sicht auf Dinge, und alles, was von Linken oder Grünen kommt, ist für sie des Teufels – es gehört radikal abgeschafft. Kompromisse wären Verrat.
Ob man jemals noch an diese Gruppe vernünftig herankommt? Keine Ahnung. Der Trend in Richtung rechts ist aber größer als diese Hardcore-Gruppe.
Deutschland und viele EU-Staaten rücken insgesamt in Richtung rechts. Das muss nicht automatisch schlimm sein. Jahrelang waren Deutschland und viele EU-Staaten vorher insgesamt in Richtung links gerückt. Und wenn CDU und CSU ihr Ergebnis ein wenig verbessern können und meilenweit vor allen anderen Parteien führen, dann ist das nicht Teil desselben „Rechtsrucks“ wie der krasse Zuwachs bei der AfD. Rechts der Mitte ist nicht gleich rechtsextrem. Das zu behaupten, ist ein kapitaler Bock der Linken und Grünen. Ein Beispiel: In der Regel halten „rechte“ Wähler das Gendern für überkandidelt und nicht für einen gesellschaftlichen Fortschritt. Aber die einen wollen nur, dass das Gendern bei ARD und ZDF verschwindet. Die Extremen wollen, dass ARD und ZDF verschwinden.
Die Wähler all dieser rechten Parteien haben allerdings eines gemeinsam: den Wunsch, mehr oder minder scharf auf die Bremse zu treten Es geht um mehr oder minder viel Rückzug und eine Atempause.
Rückzug heißt: raus aus dem Euro, weniger Wettbewerb in einer durchglobalisierten Welt, „Deutschland first“ und bloß kein Geld für die Armen in der Welt oder einen Krieg in weiter Ferne, denn alles ist ja so teuer geworden. So kann man das sehen. Allerdings hängen Millionen gut bezahlter Jobs am Euro. Und es war genau diese perfekt geschmierte Globalisierung, die in Deutschland jahrzehntelang die Preise gedrückt hat. Daneben hat den Krieg, aus dem man sich so gern heraushalten würde, einer angefangen, der nach dem ersten Sieg wahrscheinlich einen zweiten Krieg beginnen würde.
Atempause heißt: Nicht mehr so schnell und so viel Klimaschutz, der Fahren, Heizen und Produzieren teurer macht. Nicht mehr so schnell und so viel Veränderung: Warum soll Deutschland aufhören, die besten Benzinmotoren der Welt zu bauen? So oft gibt es Überschwemmungen bei uns nun auch wieder nicht. So kurzsichtig dieser Blick auf die Probleme ist, man sollte ihn ernst nehmen. Denn viele, die (noch) nicht rechtsaußen wählen, sehen es ähnlich. Ihnen fehlt gerade bei den Grünen das Augenmaß, das Gefühl für das Machbare. Sie sehen es wie der Klimaschutzminister Robert Habeck, der inzwischen sagt: „Ich bin zu weit gegangen.“ Der Absturz der Grünen könnte am Ende dazu führen, dass Deutschland zu wenig Klimaschutz macht (und bekommt) – weil die Grünen zu viel und zu schnell davon wollten.
Entscheidend ist, wie weit das Pendel in Richtung rechts jetzt durchschlägt. Und wie schnell die Ampel-Parteien begreifen, dass sie eine neue Balance mit den Bürgern brauchen. Wenn sie für diese gemeinsame Erkenntnis überhaupt noch die Kraft haben. *** Quelle: ntv.de
Eurozone-Produktion sinkt im April leicht
LUXEMBURG (Dow Jones)–Die Industrie im Euroraum hat ihre Produktion im April leicht gedrosselt. Wie die Statistikbehörde Eurostat mitteilte, sank die Produktion (ohne Bauwirtschaft) gegenüber dem Vormonat saisonbereinigt um 0,1 Prozent. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten einen Anstieg um 0,1 Prozent erwartet.
Im Vergleich zum Vorjahr lag die Industrieproduktion um 3,0 Prozent niedriger. Volkswirte hatten mit einem Rückgang um 2,0 Prozent gerechnet.
Die Produktion von Investitionsgütern erhöhte sich in der Eurozone um 0,7 Prozent gegenüber dem Vormonat, im Jahresvergleich ergab sich ein Minus von 5,3 Prozent. Die Herstellung von Vorleistungsgütern sank um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat, binnen Jahresfrist ergab sich ein Minus von 2,0 Prozent.
Wie Eurostat weiter mitteilte, stieg die Industrieproduktion in der EU-27 im April um 0,5 Prozent gegenüber dem Vormonat und lag gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,0 Prozent tiefer.
EuGH verurteilt Ungarn zu Geldstrafe von 200 Mio Euro wegen Verletzung des EU-Asylrechts
„Beispiellos und außergewöhnlich“: Ungarn missachtet die EU-Asylvorschriften systematisch.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ungarn zur Zahlung eines Pauschalbetrags von 200 Mio. EUR wegen der langjährigen Beschränkungen des Landes im Asylrecht verurteilt.
Zusätzlich muss Ungarn für jeden Tag der Verzögerung eine Million Euro zahlen. Das Geld wird automatisch von Ungarns zugewiesenem Anteil am EU-Haushalt abgezogen, von dem Teile wegen ähnlicher rechtlicher Probleme eingefroren bleiben.
Die Nichterfüllung der Verpflichtungen stellt einen beispiellosen und außergewöhnlich schwerwiegenden Verstoß gegen das EU-Recht dar“, so der EuGH in einer Pressemitteilung.
Der Streit geht auf den Dezember 2020 zurück, als das Gericht zum ersten Mal entschied, dass Ungarn unter Premierminister Viktor Orbán den Zugang zu Asylverfahren für Personen, die im Land internationalen Schutz suchen, eingeschränkt hatte. Den ungarischen Behörden wurde vorgeworfen, Asylbewerber rechtswidrig in Transitzonen festzuhalten, ihr Recht auf Verbleib im Staatsgebiet zu verletzen, während sie Rechtsmittel gegen ihre abgelehnten Anträge einlegten, und sie auszuweisen.
Da Ungarn das Urteil vom Dezember 2020 ignorierte, leitete die Europäische Kommission neue rechtliche Schritte ein, die zu dem am Donnerstag ergangenen Urteil führten.
Die Richter kommen zu dem Schluss, dass Ungarn den „Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit“ missachtet und sich der Anwendung der EU-Asylvorschriften „vorsätzlich entzieht“.
„Dieses Verhalten stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Einheit des EU-Rechts dar, die außerordentlich schwerwiegenden Auswirkungen sowohl auf private Interessen, insbesondere die Interessen von Asylbewerbern, als auch auf das öffentliche Interesse hat“, so die Richter.
„Die Geldstrafe gilt ab heute“
Da Ungarns Fehlverhalten den Druck auf die benachbarten Mitgliedstaaten erhöht, die sich um die von Budapest abgeschobenen Migranten kümmern müssen, untergräbt der Rechtsbruch „ernsthaft den Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortung“.
Seit seinem Amtsantritt hat Orbán eine harte Haltung in der Migrationsfrage eingenommen, was die Spannungen mit Brüssel verschärft hat. Letzten Monat stimmte das Land gegen jedes einzelne Dossier des Neuen Pakts für Migration und Asyl, einer umfassenden Reform, die sicherstellen soll, dass alle Mitgliedstaaten zur Steuerung der irregulären Migration beitragen.
In seiner Reaktion auf die Nachricht bezeichnete Orbán am Donnerstag die Entscheidung des Gerichts als „empörend und inakzeptabel“.
„Es scheint, dass illegale Migranten den Brüsseler Bürokraten wichtiger sind als ihre eigenen europäischen Bürger“, sagte er. (Der EuGH hat seinen Sitz in Luxemburg)
Die Europäische Kommission, mit der sich Orbán seit Jahren einen Schlagabtausch liefert, erklärte ihrerseits, sie werde sich bei Ungarn erkundigen, wie das Land dem Urteil nachkommen wolle.
Danach, so ein Kommissionsprecher gegenüber der Presse am Donnerstag, wird die Kommission „in Abständen“ Zahlungsaufforderungen an Ungarn senden, um die tägliche Geldstrafe von 1 Million Euro einzutreiben. Wenn das Land sich weigert zu zahlen, wird die Exekutive das „Ausgleichsverfahren“ einleiten, um das Geld von Ungarns zugewiesenen EU-Mitteln abzuziehen. Dieses Verfahren wurde in der Vergangenheit bereits mit Polen angewandt.
„Die Geldstrafe gilt ab heute“, sagte der Sprecher.
Unabhängig davon wird die Kommission eine weitere Aufforderung zur Zahlung des Pauschalbetrags von 200 Millionen Euro übermitteln, der ohne Berücksichtigung von Ungarns Reaktion ausgezahlt werden muss.
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Le Pen, Wilders & Co in Brüssel zu Gesprächen über Bildung einer rechtsextremen Superfraktion
Es wird erwartet, dass die Führer der extremen Rechten eine mögliche Neukonfiguration des rechten Flügels im Europäischen Parlament ansprechen werden.
Die Führer der radikalsten Rechtsparteien Europas sind am Mittwoch in Brüssel zusammengekommen, um zu erörtern, wie der zersplitterte rechte Flügel der EU geeint werden kann, nachdem er bei den Europawahlen in wichtigen nationalen Wahlkreisen zugelegt hat.
Die französische Politikerin Marine Le Pen, deren Partei Rassemblement Nationale (RN) nun die größte Delegation im Europäischen Parlament stellt, nachdem sie bei den Wahlen in der vergangenen Woche 30 Sitze errungen hat, traf sich mit Matteo Saalvini dem Vorsitzenden der rechtsextremen italienischen Lega-Partei bereits im Vorfeld des Treffens der Führer der Parteien der Fraktion Identität und Demokratie (ID).
Geert Wilders, dessen rechtsextreme PVV-Partei vor kurzem eine Koalitionsvereinbarung zur Regierung in den Niederlanden getroffen hat, Tom Van Grieken, der Vorsitzende des belgischen Vlaams Belang, und André Ventura, der Vorsitzende der portugiesischen Chega („Genug“), nahmen ebenfalls an den Gesprächen teil, und auch tschechische, österreichische und dänische rechtsextreme Parteien sind vertreten.
In einer Erklärung erklärte die Liga, Salvini und Le Pen hätten darüber gesprochen, die „rechte Mitte“ Europas zu vereinen, obwohl ihre Parteien zu den radikalsten in Europa gehören.
André Ventura, dessen Partei Chega bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im März auf der portugiesischen politischen Bühne auftauchte, sagte im Vorfeld des Treffens gegenüber Reportern, dass die ID zwar als Gruppe integriert und ausgerichtet sei, aber auch aktiv nach einer Erweiterung suche.
„Die ID befindet sich in breiteren Verhandlungen, um einen großen rechten Block zu bilden, der gegen Korruption, illegale Einwanderung und die Kontrolle unserer Grenzen kämpft“, sagte Ventura.
„Wenn diese Gespräche zu einem erfolgreichen Ergebnis führen, werden wir bereit sein, uns daran zu beteiligen. Wenn nicht, wären wir auch in der (ID)-Gruppe sehr glücklich“, fügte er hinzu.
Die Rechtsaußen-Parteien im Europäischen Parlament sind derzeit in zwei Lager gespalten: die ID und die Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR), zu denen unter anderem Giorgia Melonis Fratelli d’Italia (FdI) und die spanische Vox gehören. Obwohl sie aus den Europawahlen der letzten Woche nicht so gestärkt hervorgingen wie erwartet, könnten sie zur dritt- oder sogar zweitgrößten politischen Kraft im Europäischen Parlament werden, wenn sie sich zusammenschließen würden.
Tom Vandendriessche, Europaabgeordneter der belgischen Partei Vlaams Belang, sagte am Dienstag gegenüber Euronews: „Wir sind jetzt in Gesprächen mit all unseren Freunden und Partnern.“
„Wir als Vlaams Belang sind offen für jede Diskussion über die Erweiterung der Gruppe“, fügte er hinzu.
Einige Tage vor der Europawahl erklärte Marine Le Pen gegenüber der italienischen Zeitung Corriere della Sera, dass sie sich um die Unterstützung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bemühe, um ihre eigene ID-Gruppe mit Melonis EKR zu einer rechten Superfraktion zu vereinigen.
Der Schritt gilt als riskant für Meloni, die eine enge Beziehung zur Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, aufgebaut hat und eine Chance verpassen könnte, ihren Einfluss auf der EU-Bühne zu festigen, wenn sie sich radikaleren Kräften öffnet.
Die Entscheidung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, vorgezogene Parlamentswahlen auszurufen, hat die Ausgangslage ebenfalls radikal verändert. Marine Le Pen sieht ihre Chance gekommen, die Kontrolle über die Nationalversammlung zu übernehmen und ihren 28-jährigen Schützling Jordan Bardella als Ministerpräsidenten Frankreichs einzusetzen.
Das könnte Le Pens RN noch mehr Zugkraft bei den Versuchen verleihen, eine rechtsextreme Supergruppe zu bilden.
Viktor Orbáns Fidesz-Partei ist im Europäischen Parlament derzeit politisch heimatlos und könnte eine solche Superfraktion um 11 Sitze verstärken.
Tiefe Gräben über die Ukraine, pro-russische Stimmung
Die Vereinigung dieser radikalen Kräfte ist jedoch komplexer, als es den Anschein hat. Insbesondere ein Thema, der Konflikt in der Ukraine, hat eine tiefe Spaltung des rechten Flügels in Europa aufgedeckt.
Einige Parteien innerhalb der ID-Gruppe, insbesondere die österreichische Partei für Freiheit (FPÖ), gelten als prorussisch und lehnen die militärische und finanzielle Unterstützung der EU für Kiew ab.
Auch wurde die Alternative für Deutschland (AfD) im vergangenen Monat nach einer Reihe von Skandalen aus der Gruppe ausgeschlossen, darunter der Vorwurf, Mitglieder seien von einer russischen Beeinflussungsorganisation bezahlt worden, um kremlfreundliche Propaganda in Europa zu verbreiten.
Die Parteien innerhalb der ID-Gruppe haben in letzter Zeit kalkulierte Versuche unternommen, ihre Haltung zu zentralen Streitpunkten wie der Unterstützung der Ukraine und der antieuropäischen Stimmung zu relativieren.
In einem Interview mit Euronews im vergangenen Monat kritisierte etwa Anders Vistisen, Frontmann der europäischen ID-Kampagne, die Europäische Union scharf dafür, dass sie es versäumt habe, Kiew mit der militärischen Hilfe und Ausrüstung zu versorgen, die es braucht, um Russlands Invasion zu widerstehen.
Führende Politiker wie Le Pen und Wilders haben auch frühere Andeutungen zurückgenommen, sie würden den 27-Länder-Block verlassen, wenn sie in ihrem Land an die Macht kämen.
Im Vorfeld der vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich hat sich Le Pens Partei sogar von rechtsradikalen Parteien wie der Reconquête von Éric Zemmour distanziert und versucht, sich die Partner in der rechten Mitte zu sichern.
Zentrumsnahe und linke Kräfte haben Europas traditionelle Mitte-Rechts-Kräfte davor gewarnt, sich von radikalen Partnern umwerben zu lassen: Dies könne verheerende Folgen für die Ukraine und für Europas eigene geopolitische Stabilität haben.
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DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
IWH sieht erste Anzeichen für ein Ende des Abschwungs – Möglich ist bremsende Wirkung durch EU- und China-Zölle
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)–In der ersten Jahreshälfte 2024 vermehren sich nach Einschätzung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) die Anzeichen für eine konjunkturelle Besserung in Deutschland. Nach der Prognose des Instituts dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2024 um 0,3 Prozent expandieren und im Jahr 2025 um 1,5 Prozent. Im März hatten die IWH-Konjunkturforscher ein Plus von 0,2 Prozent für 2024 und ebenfalls 1,5 Prozent für 2025 erwartet. Im Sommerhalbjahr werde die Produktion aber wohl nur verhalten ausgeweitet. Ab Herbst dürfte die Belebung mit höheren Realeinkommen und leicht steigenden Exporten Fahrt aufnehmen.
In Deutschland habe die Produktion im ersten Quartal 2024 dank etwas stärkerer Exporte und eines vorübergehenden Anstiegs der Bauproduktion wieder etwas expandiert. Der private Konsum sei dagegen geschrumpft. Zu vermuten sei, dass die einmaligen Inflations-ausgleichszahlungen zum großen Teil zunächst gespart worden seien.
In den kommenden Quartalen würden auch real weiter steigende Lohneinkommen zu einer Ausweitung des privaten Konsums führen. Bremsend wirke dagegen, dass die Erwerbstätigenzahl wegen der schwachen Konjunktur in den nächsten Monaten leicht sinken dürfte.
„Alles in allem wird die Produktion im Sommerhalbjahr wohl nur verhalten ausgeweitet. Daran ändert auch die Fußball-Europameisterschaft nichts“, sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. Denn den Einnahmen durch Fußballfans aus dem In- und Ausland ständen Verdrängungs- und Substitutionseffekte an anderer Stelle gegenüber, sodass unter dem Strich kein ökonomischer Impuls bleibe. Darauf, dass die deutsche Wirtschaft dennoch auf Erholungskurs sei, deute etwa die jüngst deutlich gestiegene Erwartungskomponente des Ifo-Geschäftsklimas hin. Dabei spiele auch eine Rolle, dass die Exporte weiter moderat steigen dürften.
Inflation sinkt gegen Jahresende
„Die Belebung wird wohl ab dem Herbst Fahrt aufnehmen“, sagte Holtemöller. Die Verbraucherpreisinflation dürfte im Jahr 2024 bei 2,3 Prozent liegen und erst gegen Jahresende spürbar sinken, weil die kräftigen Lohnsteigerungen den Sommer über zum Teil überwälzt würden. 2025 werde sie bei 1,9 Prozent liegen. Die Arbeitslosenquote beträgt laut der Prognose sowohl im Jahr 2024 als auch im kommen-den Jahr 6,1 Prozent, nach 5,7 Prozent im Vorjahr. Die Zahl der Arbeitslosen soll dieses Jahr 2,816 Millionen und nächstes 2,851 Millionen betragen. Das Finanzierungsdefizit des Staates dürfte sich 2024 auf 1,4 Prozent in Relation zum BIP und 2025 auf 1,3 Prozent belaufen.
„Ein Risiko für die internationale und insbesondere die deutsche Konjunktur ist die Möglichkeit einer rasch zunehmenden Fragmentierung der Weltwirtschaft“, warnte Holtemöller. So werde derzeit vielfach erwartet, dass die EU-Kommission im Sommer Strafzölle auf subventionierte chinesische Produkte erhebe, und dass China mit eigenen Zollerhöhungen antworten werde. Besonders in Mitleidenschaft gezogen würden etwa Unternehmen der Automobilbranche, und zwar auch über europäische Zölle auf in China von deutschen Unternehmen für den europäischen Markt produzierte Fahrzeuge.
Unter solchen Bedingungen wären die Chancen für eine Expansion der deutschen Exporte schlecht. Und es sei „zweifelhaft, ob sich eine gesamtwirtschaftliche Erholung in Deutschland ohne außenwirtschaftliche Impulse einstellen könnte“.
IMK: Konjunkturaussichten hellen sich weiter langsam auf
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)–Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung erwartet eine zunehmend bessere Wirtschaftslage in Deutschland. „Die Aussichten für die Konjunktur in Deutschland hellen sich weiter langsam auf, und ab der Jahresmitte ist eine etwas beschleunigte Erholung absehbar“, erklärte das Institut. Das signalisiere der IMK-Konjunkturindikator, der für den Zeitraum von Juni bis Ende August eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 39,5 Prozent ausweise. Anfang Mai habe sie für die folgenden drei Monate noch 45,6 Prozent betragen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten drei Monaten eine Rezession durchlaufe, sei in den vergangenen Wochen erneut leicht gesunken, nachdem sie bereits im April und im Mai zurückgegangen war, betonte das IMK. Auch die statistische Streuung im Indikator, in der sich die Verunsicherung der Wirtschaftsakteure ausdrücke, sei geringfügig gesunken. Die Verbesserung sei aber noch nicht so tiefgreifend, dass das nach dem Ampelsystem arbeitende Konjunktur-Frühwarninstrument auf eine günstigere Phase schalte. Der Indikator zeige wie in den beiden Vormonaten „gelb-rot“, was eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit signalisiere.
Der aktuelle leichte Rückgang des Rezessionsrisikos beruhe im Wesentlichen darauf, dass sich Stimmungsindikatoren wie der Ifo-Index sowie verschiedene Finanzmarktindikatoren günstiger darstellten. Dazu zählten die Aktienkurse und ein zuletzt geringerer Unterschied bei den Zinssätzen für Unternehmens- und Staatsanleihen, was für günstigere Finanzierungsbedingungen von Unternehmen spreche. Leicht gesunken sei auch der „Finanzmarktstress“, den das IMK auf Basis eines breiten Kranzes von Finanzmarktindikatoren ermittle.
Dagegen sorge eine zuletzt verhaltene Entwicklung bei industriellen Produktionsdaten und Auftragseingängen, insbesondere aus dem Inland, dafür, dass die Rezessionswahrscheinlichkeit nicht noch weiter zurückgegangen sei. „Die aktuellen Indikatorergebnisse deuten auf eine sich langsam kräftigende Erholung der Konjunktur ab der Jahresmitte“, sagte IMK-Konjunkturexperte Thomas Theobald. „Tragende Säule des Wachstums dürfte neben dem Export der private Verbrauch werden, der von dynamischem Lohnwachstum bei inzwischen abgeflachter Inflation angeregt wird.“
RWI: Deutsche Wirtschaft kommt langsam wieder in Schwung
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)–Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erhöht seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum im Jahr 2024 von 0,3 auf 0,4 Prozent, für 2025 erwartet es 1,5 Prozent statt 1,2 Prozent. Die deutsche Wirtschaft erhole sich zunehmend, gestützt von Exporten und privatem Konsum. „Die deutsche Wirtschaft ist nach den jüngsten konjunkturellen Schocks auf einen Erholungskurs eingeschwenkt, die Risiken für die Konjunktur haben sich verringert“, konstatierte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. „Auch wenn Inflationsentwicklung, grüne Transformation der deutschen Wirtschaft und mögliche internationale Handelssanktionen Risikofaktoren bleiben.“
Seit Beginn des Jahres erhole sich die deutsche Wirtschaft. Unterstützung bekomme sie von den Exporten. Sie seien im ersten Quartal gestiegen, was darauf hindeutet, dass sich der Außenhandel allmählich belebe. „Die konjunkturelle Erholung dürfte in den kommenden Quartalen etwas an Schwung gewinnen, auch wenn Unsicherheiten darüber bestehen bleiben, wie sich Energiepreise und Wirtschaftspolitik entwickeln“, erklärte das RWI.
Zwar werde der private Konsum wohl auch 2024 noch durch eine erhöhte Sparneigung gedämpft. Die privaten Haushalte sparten angesichts der hohen politischen und ökonomischen Unsicherheit deutlich mehr als üblich. Ihre Konsumzurückhaltung dürfte jedoch nach und nach dadurch sinken, dass die real verfügbaren Einkommen weiter steigen. Allerdings entwickle sich der reale private Konsum schwächer als vor der Corona-Krise, und das Vorkrisenniveau dürfte erst im dritten Quartal 2025 erreicht werden.
Getrübte Aussichten am Arbeitsmarkt
Die Entwicklung des Arbeitsmarkts scheine weiterhin angespannt. Zwar sei die Erwerbstätigkeit im ersten Quartal weiter gestiegen und habe zum ersten Mal den Wert von 46 Millionen Erwerbstätigen im Inland überschritten. Allerdings seien die Zuwächse im langjährigen Vergleich nur recht klein gewesen und gleichzeitig mit einem ähnlich großen Anstieg der registrierten Arbeitslosigkeit einhergegangen. Auch die Arbeitsmarktaussichten seien „getrübt“. In diesem Jahr werde die Arbeitslosenquote voraussichtlich bei 5,9 Prozent liegen, im nächsten Jahr dann auf 5,7 Prozent sinken. Die Zahl der Arbeitslosen sieht das RWI 2024 bei 2,730 Millionen und 2025 bei 2,641 Millionen.
Die sinkenden Preise für Haushaltsenergie dämpften die Inflation weiterhin, während die Inflationsrate bei den Dienstleistungen bisher nur sehr langsam falle. Insbesondere bei Dienstleistungen im Restaurant- und Hotelwesen seien die Preise im Januar nach Auslaufen der coronabedingten Umsatzsteuersenkung merklich gestiegen. Dieser Sondereffekt werde im Laufe des Jahres jedoch an Bedeutung für den Inflationstrend verlieren. Für dieses Jahr erwartete das RWI eine Inflationsrate von 2,4 Prozent und für 2025 eine Rate von 2,0 Prozent. Die Tariflöhne dürften im Jahresdurchschnitt 2024 um 4,8 Prozent und 2025 um 2,7 Prozent steigen.
Das staatliche Budgetdefizit dürfte in diesem Jahr nach der Prognose auf gut 58 Milliarden Euro zurückgehen. Maßgeblich hierfür sei der Wegfall der Strom- und Gaspreisbremsen, der die Staatskasse um rund 30 Milliarden Euro entlaste. Zudem fielen Zahlungen an besonders unter hohen Energiepreisen leidende Unternehmen weg. Die Staatseinnahmen legten kräftig zu, Einnahmen aus Sozialbeiträgen und die Lohnsteuer dürften stärker steigen als die ohnehin kräftig zulegenden Bruttolöhne und -gehälter. Die Staatsausgaben dürften in etwa mit der Rate des nominalen BIP steigen. Im Jahr 2025 dürfte das gesamtstaatliche Defizit knapp 60 Milliarden Euro betragen.
IfW sieht „etwas Licht am Ende des Konjunkturtunnels“
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)–In Deutschland setzt laut der Sommerprognose des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) „eine moderate Konjunkturerholung ein“. Im laufenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent zulegen und im nächsten um 1,1 Prozent, sagte das Institut voraus, das in seiner Frühjahrsprognose für 2024 mit einem Plus von 0,1 Prozent und für 2025 mit einem Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent gerechnet hatte. „Es gibt Licht am Ende des Konjunkturtunnels. Die Zeichen mehren sich, dass sich die deutsche Wirtschaft aus der Rezession befreien kann“, sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. „Eine wichtige Weichenstellung ist dabei die von der Europäischen Zentralbank eingeläutete Zinswende.“
Zu erwarten seien im Jahresverlauf zwei weitere Zinssenkungen um jeweils weitere 0,25 Prozentpunkte. Die Leitzinssenkungen verbesserten die Finanzierungsbedingungen sowohl für Unternehmen als auch für private Konsumenten, sodass die restriktive Wirkung der Geldpolitik nachlasse. „Das Konjunkturbild einer mühsamen Erholung gewinnt an Konturen“, sagte IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths. Nach dem Auslandsgeschäft dürfte im weiteren Jahresverlauf auch der heimische Konsum anspringen. Unternehmensinvestitionen und Wohnbau blieben aber vorerst schwach. Der jetzt einsetzende Aufschwung komme „insgesamt mit wenig Dynamik in Gang“.
Getragen werde die Erholung vor allem von den wieder anziehenden Exporten und dem Konsum. Eine hohe konjunkturelle Dynamik zeichne sich jedoch nicht ab. Die Inflationsrate dürfte dieses Jahr bei 2,2 Prozent und nächstes bei 1,9 Prozent liegen, der Arbeitsmarkt zeige sich weitgehend robust. Im Zuge der Erholung sinke die Arbeitslosenquote von 5,9 Prozent in diesem auf 5,8 Prozent im nächsten Jahr, nach 5,7 Prozent im vergangenen Jahr. Insgesamt stütze die Entwicklung am Arbeitsmarkt die Masseneinkommen und in der Folge auch den privaten Konsum, für den nach dem Rückgang um 0,7 Prozent im Vorjahr deutliche Zuwächse um 0,6 Prozent 2024 und 1,2 Prozent 2025 erwartet würden.
Exporte legen wieder zu
Das Exportgeschäft werde angesichts der moderat expandierenden Wirtschaftsleistung in den Abnehmerländern und dem wieder anziehenden Welthandel voraussichtlich aufwärtsgerichtet bleiben. Alles in allem werden die Exporte im laufenden Jahr nach der Prognose um 0,6 Prozent und im Jahr 2025 um 2,6 Prozent steigen, nachdem sie im Jahr 2023 noch gesunken waren. Insgesamt verringerten sich die konjunkturellen Unterschiede in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, betonte das IfW. Die moderate weltwirtschaftliche Expansion dürfte sich fortsetzen, die Weltproduktion dürfte in diesem und im kommenden Jahr um 3,2 Prozent steigen.
Das Institut betonte, die jahresdurchschnittlichen Veränderungsraten des Bruttoinlandsproduktes täuschten über die unterjährige Expansionsdynamik hinweg, die in den Verlaufsraten von 1 Prozent für 2024 und 1,2 Prozent für 2025 klarer zum Ausdruck komme. Diese lägen oberhalb des Potenzialwachstums, das im Prognosezeitraum auf jährlich knapp 0,5 Prozent veranschlagt werde. „Demnach nimmt die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung zu, womit die Rezession überwunden wird und eine moderate Erholung einsetzt.“
Die Ausgaben der Gebietskörperschaften werden im Prognosezeitraum nach den Kieler Berechnungen spürbar langsamer zulegen als zuletzt, jedoch werde dies durch Mehrausgaben der Sozialversicherungen überkompensiert. Daher nehme die gesamtstaatliche Ausgabenquote trotz erster Einsparansätze weiter zu und erreiche im Jahr 2025 einen Wert von 49,5 Prozent. Die Konsolidierung erfolge in der Summe über die Einnahmeseite, für die sich Zuwächse von 5,3 Prozent 2024 und 4,7 Prozent 2025 abzeichneten. In Relation zur Wirtschaftsleistung sinke das staatliche Finanzierungsdefizit von 2,4 Prozent auf 1,7 Prozent im Jahr 2024 und 1,2 Prozent im Jahr 2025.
Wirtschaftsministerium: Konjunkturelle Erholung „auf holprigem Pfad“
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)–Die konjunkturelle Erholung in Deutschland befindet sich nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums derzeit noch auf einem „holprigen Pfad“. Das schrieb das Ministerium in seinem jüngsten Monatsbericht. „Aktuelle Indikatoren zeichnen noch ein verhaltenes Bild der deutschen Wirtschaft zu Beginn des Sommers“, erklärten die Konjunkturexperten von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die spürbare Aufhellung der Stimmungsindikatoren in der Industrie, im Bau und auch bei den Dienstleistern und die verbesserten Rahmenbedingungen spiegelten sich erst schrittweise in den realen Daten wider.
Kurzfristig dämpfenden Faktoren in der Industrie infolge der schwachen Auslandsnachfrage und Produktionsstörungen aufgrund des Hochwassers in Bayern und Baden-Württemberg ständen temporär stützende Impulse bei konsumnahen Dienstleistungen im Zuge der Fußball-Europameisterschaft gegenüber. „Damit es zu einer nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Belebung kommt, braucht es jedoch neben einer breiten Erholung der binnenwirtschaftlichen Nachfrage auch weitere, spürbare Impulse seitens der Außenwirtschaft“, betonte das Ministerium.
Nachdem die Inflationsrate im Mai leicht auf 2,4 Prozent angestiegen sei, sprechen nach Einschätzung des Ministeriums „die fundamentalen Faktoren … für ein insgesamt moderates Preisumfeld im weiteren Jahresverlauf“. Ursächlich für den Anstieg sei vor allem ein Basiseffekt aus der Einführung des 49-Euro-Tickets im Mai 2023 gewesen.
Die Produktion im produzierenden Gewerbe zeige noch keine nachhaltige Belebung. Der Einzelhandel habe im April etwas schwächer tendiert, insgesamt mehrten sich aber bei den Frühindikatoren die Anzeichen für eine Erholung, wenn auch ausgehend von niedrigem Niveau. Der Arbeitsmarkt sei im Mai weiterhin von der schwachen konjunkturellen Dynamik geprägt gewesen. Aktuelle Frühindikatoren gäben gemischte Signale, die aber in der Summe auf eine Fortsetzung des bisherigen Trends hindeuteten.
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN
„Baukosten im Mai 2024 höher als vor einem Jahr“
von Statistik Austria finden Sie als PDF
„Kriminalität 2023: um 3,1 % mehr Verurteilungen“
von Statistik Austria finden Sie als PDF
Mieten steigen weiter, Wohnkostenanteil für Mieter auch
Der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen ist in Österreich im Schnitt unverändert bei 17 Prozent, doch die Schere geht weiter auf
Die Mieten in Österreich steigen weiter stärker als die Inflationsrate: Im ersten Quartal 2024 lagen die Wohnungsmieten inklusive Betriebskosten laut Statistik Austria bei 643,7 Euro pro Hauptmietwohnung bzw. bei 9,7 Euro pro Quadratmeter. Das waren um 2,1 Prozent mehr als im Vorquartal und um 6,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Anstieg über Inflation
„Damit ist die Dynamik bei den Wohnkosten zwar bereits seit einem Dreivierteljahr schwächer als in den Quartalen davor, der Anstieg zum Vorjahr ist aber weiterhin doppelt so hoch wie vor dem starken Inflationsschub und liegt auch über der allgemeinen Inflation“, erklärt Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas in einer Aussendung. Die Inflation habe sich in den ersten drei Monaten 2024 zwischen 4,1 und 4,5 Prozent bewegt. Die Betriebskosten erhöhten sich sowohl im Jahresabstand als auch zum Vorquartal von 2,4 Euro auf 2,5 Euro pro Quadratmeter.
Bereits vor einigen Tagen gab die Statistik Austria bekannt, dass die monatlichen Wohnkosten in Österreich (Median) zwischen 2013 und 2023 um 34 Prozent stiegen; damit lag der Zuwachs insgesamt zwar nur geringfügig über der Inflationsrate (32,8 Prozent), doch für Mieterinnen und Mieter gingen die Wohnkosten in diesem Zeitraum zwischen 38 und 49 Prozent nach oben, wobei die höchste Zuwachsrate bei Gemeindewohnungen zu verzeichnen war. Für Eigentümerinnen und Eigentümer stiegen die Wohnkosten im selben Zeitraum nur um 26 Prozent.
Wohnkosten gehen auseinander
Was die Wohnkostenanteile an den Haushaltseinkommen betrifft, liegt die Alpenrepublik im internationalen Vergleich noch sehr gut – jedenfalls im Median. Demnach machten die Wohnkosten im Jahr 2023 im Schnitt 17 Prozent des Haushaltseinkommens aus, gab die Statistik Austria vor einigen Tagen bekannt. An dem Anteil hat sich im vergangenen Jahrzehnt nichts geändert. Im EU-Schnitt sind es 19 Prozent.
Weil Eigentum tendenziell etwas günstiger wurde, Mieten tendenziell teurer, empfinden mittlerweile aber immerhin fast drei von zehn Personen (29 Prozent) in Österreich ihre Wohnkosten als starke Belastung, insbesondere die steigenden Mieten und Zinsen.
Darunter befinden sich viele Ein-Personen- und Ein-Eltern-Haushalte. Bei dem oben erwähnten Anteil von 17 Prozent der Wohnkosten an den gesamten Haushaltseinkommen geht deshalb die Schere weit auf: Ein Viertel der Haushalte muss nur bis zu zehn Prozent des Einkommens fürs Wohnen verwenden, ein Viertel liegt bei 27 Prozent oder mehr.
Haushalte in Mietwohnungen müssen mit einem Wohnkostenanteil von 25 Prozent einen wesentlich höheren Teil des Haushaltseinkommens für das Wohnen aufbringen als Haushalte im Wohneigentum. Bei Letzteren liegt der Anteil im Median bei rund elf Prozent. Im Jahr 2010 lagen diese Werte noch bei 24 Prozent (Mieten) bzw. zwölf Prozent (Eigentum). (Martin Putschögl, 12.6.2024)
Berufseinstieg: Einstiegsgehälter in Österreich stark gestiegen (inkl. Tabelle online)
Nachwuchskräfte können im Vergleich zu den letzten Jahren mit einem deutlichen Gehaltsplus rechnen. Die Jobchancen werden dafür weniger, zeigt eine neue Studie
Für all jene, die neu ins Berufsleben starten, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: „Noch nie gab es so einen großen Sprung bei den Einstiegsgehältern“, sagt ÖPWZ-Geschäftsführer Armand Kaáli-Nagy bei der Präsentation der neuen Einstiegsgehälterstudie. Je nach Ausbildungsabschluss bewegt sich die Spanne der untersuchten Einstiegsgehälter auf Vollzeitbasis hierzulande zwischen mindestens 2529 Euro brutto pro Monat nach Abschluss der Berufsschule und maximal 4200 Euro für Masterabsolventinnen und -absolventen der Rechtswissenschaften (siehe Infografik).
Seit 40 Jahren erhebt das Österreichische Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeits-Zentrum (ÖPWZ) gemeinsam mit dem HR-Netzwerk Forum Personal die Einstiegsgehälter in Österreich. Im Zweijahresrhythmus werden dafür Personalverantwortliche der Mitgliedsbetriebe des Forums zu den Gehältern, den angebotenen Zusatzleistungen, aber auch den geplanten Veränderungen im Personalstand befragt.
Wer eine Fachhochschule oder eine Universität besucht und diese mit einem Bachelor abgeschlossen hat, kann laut Studie jedenfalls mit einem Bruttomonatsgehalt (14-mal im Jahr) ab 3323 Euro rechnen. Wer einen Master hat, kann das Gehalt um mindestens 223 Euro steigern. Unterschiede zwischen den beiden Hochschultypen Uni und FH gibt es hingegen, ähnlich wie schon in den Jahren zuvor, auf dem Gehaltszettel kaum noch.
Im Vergleich zur Erhebung von 2022 können Lehrabsolventen durchschnittlich mit einem Lohnzuwachs von 17 Prozent rechnen, das größte Plus verzeichnen jedoch Berufseinsteigerinnen nach der Handelsakademie (20 Prozent). All jene mit einem technischen Hochschul- oder Uniabschluss haben im Schnitt 13 Prozent mehr Gehalt auf dem Konto, Absolventinnen und Absolventen im Bereich Wirtschaft rund 18 Prozent.
Schlechtere Jobchancen
Was im ersten Moment wie ein Grund zum Feiern wirkt, entpuppt sich in Hinblick auf die Rekordinflation der vergangenen Jahre eher als schwacher Trost. „Inflationsbereinigt ist die Stimmung bei den Einkommen abgekühlt“, gibt Kaáli-Nagy zu bedenken. Die starken Zuwächse bei den unteren Gehaltsstufen seien in Anbetracht der Teuerung meist dringend notwendig gewesen.
Ein Blick auf die Jobchancen für Junge zeigt zudem: Im Vergleich zu den Jahren zuvor wollen viele Firmen heuer weniger einstellen. „Die Nachfrage für Absolventinnen und Absolventen technischer Studiengänge ist zwar immer noch deutlich höher als in anderen Bereichen, aber gleichzeitig auf dem niedrigsten Stand seit 2018“, sagt Kaáli-Nagy. Viele Unternehmen stünden aktuell „auf der Bremse“, fügt Andreas Prenner, Präsident des ÖPWZ und Bereichsleiter Finanzen, Personal und Organisation der Industriellenvereinigung, hinzu.
Das Fazit der Erhebung: Die meisten Firmen planen nicht, Stellen abzubauen, sondern versuchen eher, ihre Mitarbeitenden zu halten. Kaáli-Nagy sieht in dieser abwartenden Haltung zumindest vorerst ein Ende des vielgepriesenen Paradigmenwechsels hin zu einem Arbeitnehmermarkt. Statt Berufseinsteigerinnen aufzubauen, die dann ohnehin meist nach zwei bis drei Jahren den Job wechseln, würden viele Betriebe lieber erst dann Nachwuchskräfte suchen, wenn offene Positionen nachbesetzt werden müssen. „Viele Unternehmen haben heuer außerdem deutlich mehr qualifizierte Bewerbungen als noch im Vorjahr“, sagt er.
Mehr als nur Gehalt
Vor der Herausforderung, junge Talente für sich gewinnen zu können, stehen in Anbetracht der anrollenden Pensionierungswelle dennoch nicht wenige Firmen. „Das Gehalt ist jedenfalls nicht mehr der einzige entscheidende Faktor. Es ist vielmehr ein Bündel an Leistungen und Angeboten, die man als Organisation heutzutage bieten muss, um attraktiv zu sein“, sagt Prenner.
Dazu zählen unter anderem die Möglichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten, Benefits wie Öffi-Tickets, aber auch Weiterbildungsmöglichkeiten. Berufseinsteigerinnen und -einsteigern bieten Betriebe laut der Umfrage besonders häufig individuelle Gesundheitsmaßnahmen, beispielsweise Ermäßigungen für Fitnessangebote, gefolgt von Angeboten für das Mittagessen durch Kantine oder Restaurantgutscheine. Aber auch die betriebliche Altersvorsorge bietet die Mehrheit der teilnehmenden Unternehmen großteils noch für alle Beschäftigten.
Das Arbeiten in den eigenen vier Wänden wird nach wie vor dort umgesetzt, wo es organisatorisch möglich ist. Drei Viertel der befragten Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten – in der Regel an zwei Tagen pro Woche. Das Thema Mobilität gewinnt im Gegensatz dazu aus der Personalistenperspektive wieder an Bedeutung. Insbesondere zeigt sich dies im Bereich der Tickets für öffentliche Verkehrsmittel, aber auch bei der E-Mobilität soll das Angebot künftig steigen. (Anika Dang, 12.6.2024)
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Bodenverbrauch: Zersiedelte Fläche verfünffacht
Seit 1975 haben sich stark zersiedelte Flächen verfünffacht, zeigt eine Studie der Universität für Bodenkultur, die heute vorgestellt wurde. Besonders in Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark nahm der Flächenverbrauch durch Zersiedelung zu. …
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Forscher betonen positiven Beitrag von Migranten zum Sozialstaat
Schon lange wirbt die FPÖ für „Minus-Zuwanderung“, unter dem Titel „Remigration“ fordert sie aktuell „Asylstopp“ für Nicht-Europäer und die Abschiebung abgelehnter Asylwerber und krimineller Migranten. In Deutschland haben Rechtsextreme unter dem Schlagwort zuletzt Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen ausländischer Herkunft beraten. Die Umsetzung dieser Idee wäre fatal, warnten Forscher in Wien am Donnerstag, und betonten den Beitrag von Migranten zum Sozialstaat.
Ohne Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft wäre in einzelnen Branchen keine Geschäftstätigkeit mehr möglich, betonte Soziologe Jörg Flecker von der Uni Wien bei einem Online-Pressegespräch vom „Wissenschaftsnetz Diskurs“.
In der Gebäudereinigung und -betreuung, im Hotel- und Gastgewerbe und in der Arbeitskräfteüberlassung etwa seien mehr als die Hälfte der unselbstständig Beschäftigten keine österreichische Staatsbürgerschaft, in der Nahrungsmittelindustrie, dem Bauwesen und der Pflege immerhin noch ein Drittel.
„Wenn ein Drittel der Beschäftigten fehlt, ist da nichts mehr zu machen in Wirklichkeit“, skizzierte Flecker die Folgen des Plans, wie er laut Rechercheplattform Correctiv beim Rechtsextremen-Treffen mit u.a. dem früheren Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich Martin Sellner Ende 2023 in Potsdam skizziert wurde und von dem die FPÖ sich laut Flecker nie wirklich distanziert habe.
Wiens Versorgung wäre unmöglich
In Wien, wo im Österreich-Vergleich besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, wäre die Versorgung der Bevölkerung Flecker zufolge ohne diese Menschen überhaupt nicht möglich. In Beherbergung und Gastronomie etwa hätten drei Viertel der Erwerbstätigen Migrationshintergrund, am Bau und bei den sonstigen Dienstleistungen – darunter fällt etwa Gebäudereinigung – sind es zwei Drittel, in den Bereichen Erziehung und Unterricht sowie Gesundheits- und Sozialwesen vier von zehn Erwerbstätigen.
„Die Zuwanderer waren für die österreichischen Sozialkassen bisher ein Geschäft“, betonte Philipp Ther, Professor für Geschichte Ostmitteleuropas an der Uni Wien. Natürlich würden etwa Sprachkurse oder Qualifikationsmaßnahmen vor allem nach der Migrationswelle 2015/16 auch etwas kosten. Die Bilanz falle historisch gesehen aber klar positiv aus. „Zuwanderer haben immer, wenn man nur halbwegs konstruktiv mit ihnen umgeht und sie nicht zu Unerwünschten erklärt, zum Wohlstand der Aufnahmegesellschaften beigetragen.“
Flecker plädierte dann auch dafür, stärker hervorzuheben, welche positive Rolle die Migranten in Österreich durch ihre Arbeit leisteten. Ein Konzept einer radikalen „Remigration“, bei dem Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft oder Wurzeln im Ausland des Landes verwiesen würden, wäre indes „ein Angriff auf die gesamte Bevölkerung“.
Eine zwangsmäßige Rückführung von Menschen mit Migrationshintergrund käme ethnischer Säuberung gleich, betonte Ther, und diese hätten historisch – etwa im ehemaligen Jugoslawien – immer zu einer Eskalation der Gewalt geführt, die sich zudem auch immer gegen weitere Gruppen wie andere Minderheiten, Intellektuelle oder Medienvertreter gerichtet habe. Damit verbunden wäre auch das Ende des Rechtsstaates und die Umwandlung der liberalen Demokratie in eine Ethnokratie, gemeinsam mit Wohlstandsverlust und Verarmung, so Ther.
Auf Party: Zillertaler Landjugend grölte ausländerfeindliche Parolen wie auf Sylt
Laut „Tiroler Tageszeitung“ grölte der halbe Saal „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ – Tirols Landesobmann zeigt sich „erschüttert“ …
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MEDIZIN
Menopause: Kranke Nieren sowie Zahnverlust – Mindestens 20 Zähne sind für die Aufrechterhaltung beider Blutreinigungsorgane erforderlich
Gwangju (pte020/12.06.2024/10:30) – Eine chronische Erkrankung der Nieren könnte auch mit dem Verlust von Zähnen zusammenhängen, legt eine Studie der Chonnam National University School of Dentistry nahe. Die glomeruläre Filtrationsrate zeigt, wie gut die Nieren einer Frau funktionieren. Die Nierenfunktion nimmt nach der Menopause ab und steht mit einem sinkenden Hormonspiegel in Zusammenhang. Diese hormonellen Veränderungen führen oft zur abdominalen Fettleibigkeit, die ihrerseits als unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung einer chronischen Nierenerkrankung gilt und zudem mit einem höheren Risiko eines Zahnverlustes einhergeht.
Eine Erkrankung der Niere führt zu zahlreichen Gesundheitsfolgen. Dazu gehört auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Problemen mit den Knochen und der Herz-Kreislauf-Gesundheit. Der Zahnverlust steht seinerseits mit systemischen Erkrankungen wie Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen sowie Osteoporose in Verbindung. Unabhängig davon wird ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko vermutet. Ein zu großer Zahnverlust kann zudem zu Problemen beim Kauen und Sprechen führen.
Studie mit 65.000 Teilnehmern
Frühere Studien haben bereits einen Zusammenhang zwischen der Nierenfunktion und der Anzahl der Zähne hergestellt. Die aktuelle Studie mit fast 65.000 Teilnehmern ist laut den Autoren die erste, die diesen Konnex bei Frauen nach der Menopause übergreifend über das Alter der Teilnehmerinnen hinweg untersucht hat. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die glomeruläre Filtrationsrate in einem signifikanten Zusammenhang mit dem Vorhandensein von mindestens 20 Zähnen steht.
Ein vollständiges Gebiss besteht aus 28 Zähnen. Den Studienautoren nach stehen eine chronische Nierenerkrankung und der Zahnverlust in einem signifikanten Zusammenhang. Das gilt vor allem für Frauen in der Altersgruppe zwischen 66 und 79 Jahren. So ist es von großer Bedeutung, dass bei Frauen, die an einer chronischen Nierenerkrankung leiden, nach der Menopause durch die Behandlung der entsprechenden Erkrankungen des Mineral‐ und Knochenstoffwechsels der Verlust von Zähnen verhindert wird. Details sind in „Menopause“ publiziert. (Ende)
UMWELT
Extremwetter in Südeuropa: Hochwasser und Hitzewellen wie noch nie
In Südeuropa gibt es derzeit ungewöhnliche Hitzewellen und Hochwasser. Während in Griechenland und der Türkei die Temperaturen über 40 Grad steigen, stehen mehrere Regionen Spaniens unter Wasser.
In der Türkei rechnet man am Mittwoch und Donnerstag mit Temperaturen von bis zu 45 grad. Das sind 12 Grad mehr als in dieser Jahreszeit üblich. Am schwersten betroffen sind die West- und Südküste des Landes. Die Bürger sollten sich von 11 bis 16 Uhr nicht im Freien aufhalten, warnte der dortige Wetterdienst. Alte, Kinder und chronisch kranke müssen besonders gut aufpassen.
Waldbrände erwartet
Da bei der Hitze mit Waldbränden gerechnet werden muss, stehen in der Türkei insgesamt 26 Löschfahrzeuge, Hubschraubern und Drohnen in Alarmbereitschaft. In Antalya im Süden des Landes musste bereits ein Buschbrand unter Kontrolle gebracht werden.
In Griechenland werden ebenfalls Temperaturen von über 40 Grad erwartet. Die Schulen werden in den außergewöhnlich heißen Tagen entweder ab 11.30 oder komplett geschlossen bleiben. Den arbeitenden Menschen wird Home-Office zugeraten. Auf den Straßen wird gratis Wasser verteilt, für die Obdachlosen und Bedürftigen werden klimatisierte Räume zur Verfügung gestellt.
Regen, Gewitter und Hagel in Südspanien
Die gesamte Region Murcia im Südosten Spaniens ist wegen Regen, Gewitter und Hagel in Alarmbereitschaft. In einigen Orten standen Einheimische und Touristen knöcheltief im Wasser. Man erwartet Regenmengen von 15 bis 25 Liter pro Quadratmeter und Stunde.
In Calasparra und Altiplano gab es innerhalb einer Stunde mehr als 50 Liter Regen pro Quadratmeter. Die dortigen Landwirte beklagten Schäden an Bäumen, Nutzpflanzen und Infrastruktur. Am meisten wurden spätreifende Früchte beschädigt. “Die Oliven wurden alle weggeworfen, ebenso das Gemüse, das dort gepflanzt wurde. Es war alles zerstört”, erzählte ein betroffener Bauer.
Flughafen Mallorca unter Wasser
Auf der spanischen Insel Mallorca haben Starkregen, Gewitter und Sturm den Flughafen lahmgelegt. Insgesamt fielen 53 Liter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel, 43, 8 Liter davon in einer Stunde. Das Wasser lief durch die Decke des Flughafens und überflutete einige Teile des Flughafens, darunter die dortigen Geschäfte. Landebahnen und Parkplätze standen ebenfalls unter Wasser. Flüge nach Barcelona und auf die Nachbarinseln wurden umgeleitet.
Nun sind wieder einige Flüge gestartet, am Flughafen herrscht aber weiterhin Notbetrieb. Den Reisenden wird zugeraten, sich mit ihrer Fluggesellschaft in Kontakt zu setzten, bevor sie zum Flughafen fahren.
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43 Grad Celsius in Athen: Die Akropolis bleibt geschlossen
Aufgrund der starken Hitze in Griechenland haben Behörden beschlossen, die Akropolis für einige Stunden am Tag zu schließen. Touristen sind sauer, weil sie nicht darüber informiert wurden. In einigen Teilen Griechenlands wurde auch der Schulbetrieb eingestellt.
Die Behörden in Athen haben angekündigt, dass die Akropolis am Mittwoch wegen der starken Hitze für fünf Stunden schließt.
Die Akropolis ist eine der berühmtesten, antiken Stätten der Welt, vergangenes Jahr kamen vier Millionen Besucher. Doch diese Woche wurde die Akropolis zwischen 12 und 17 Uhr geschlossen – es wird mit Temperaturen von bis zu 43 Grad gerechnet.
Touristen, die die Stätte in dieser Zeit besuchen wollten, sagten, sie seien unzufrieden mit der Entscheidung, denn die Behörden hätten die geplante Schließung nicht im Voraus mitgeteilt.
„Nein, wir wurden nicht informiert. Wir haben unsere Eintrittskarten gestern an der Kasse gekauft, für das Zeitfenster zwischen 12 und 13 Uhr heute. Aber wir konnten mit unseren Karten nicht hinein, es gab keine Erklärung, dass es heute geschlossen werden würde“, erzählt ein Tourist.
Die Akropolis kann allerdings zwischen 8 und 12 Uhr und zwischen 17 und 20 Uhr besucht werden.
Öffentliches Leben in Griechenland teilweise eingestellt
In Teilen Süd- und Mittelgriechenlands, wo die Temperaturen diese Woche am höchsten waren, wurden auch Grundschulen und Vorschulklassen geschlossen.
In einem Gebiet nördlich Athens verschlechterte sich die Lage aufgrund von Rauchwolken, die bei einem Brand einer Fabrik für Kochgeschirr entstanden. Die staatliche Katastrophenschutzbehörde rief die Bewohner der Region per Handy auf, in den Häusern zu bleiben.
In Athen wurde am Mittwoch die Müllabfuhr für einige Stunden eingestellt. Mehrere kilmatisierte Räume und Gemeindezentren haben längere Öffnungszeiten, damit sich ältere und andere schutzbedürftige Menschen von der Hitze erholen können. In Athen wurden Drohnen mit Wärmebildkameras eingesetzt, um die Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu koordinieren, so die Behörden.
In der Hauptstadt waren Sanitäter einsatzbereit, um bei Bedarf helfen zu können.
Das Innenministerium wies Beamte mit gesundheitlichen Problemen in einem Rundschreiben an, von zu Hause aus zu arbeiten bis die Hitzewelle abklingt.
Das Ministerium für Klimakrise und Katastrophenschutz hat vor einer sehr hohen Brandgefahr in der Region Attika um Athen gewarnt.
Für den späten Freitag wird kühleres Wetter erwartet.
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Bodenverbrauch: Zersiedelte Fläche verfünffacht
Seit 1975 haben sich stark zersiedelte Flächen verfünffacht, zeigt eine Studie der Universität für Bodenkultur, die heute vorgestellt wurde. Besonders in Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark nahm der Flächenverbrauch durch Zersiedelung zu.
Die Zersiedelung, also die Ausbreitung von Siedlungen in die Landschaft in geringer Dichte, ist ein noch wenig thematisierter Aspekt beim hierzulande „heiß diskutierten“ Thema des Bodenverbrauchs, meinten Experten am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Dass es ein bedeutender Aspekt ist, zeigten die vorgelegten Zahlen: Stark zersiedelte Flächen haben sich demzufolge seit dem Jahr 1975 verfünffacht.
Forschende der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien und des deutschen Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) erhoben den Grad der Zersiedelung in Österreich von 1975 bis 2020 in Fünfjahresschritten, und zwar mit einer Auflösung von 100 mal 100 Metern der Flächen (Rasterzellenauflösung). Möglich wurde diese zeitlich weit zurückreichende Analyse über die Auswertung neuester Daten des Global Human Settlement Layer (GHSL).
„Landfressendste Art der Bebauung“
Die Fläche, die als hoch und sehr hoch zersiedelt gilt, stieg hierzulande in dem untersuchten Zeitraum von knapp 50 Jahren von rund 1.100 Quadratkilometern auf etwa 5.800 Quadratkilometer, wie IÖR- und BOKU-Forscherin Anna-Katharina Brenner ausführte. Besonders besorgniserregend sei, dass die Bebauung mit einem sehr hohen Zersiedelungsgrad – als „die landfressendste und ressourcenintensivste Form der Bebauung“ – am schnellsten wächst, sagte Ökologe Helmut Haberl von BOKU.
Zwischen den Jahren 1975 und 2020 wuchs die Fläche der bebauten, einen Hektar großen Rasterzellen in Österreich von rund 9.000 auf etwa 12.700 Quadratkilometer, „nahezu die Fläche des Burgenlands“, so die Forschenden. Hier eingeschlossen ist jegliche Fläche mit Bebauung, also auch innerstädtisches bzw. sehr verdichtetes Gebiet. „1975 war Österreich dabei überwiegend gering zersiedelt“, sagte Brenner. 73 Prozent der bebauten Flächen wurden damals als gering oder sehr gering zersiedelt klassifiziert. „2020 waren es nur noch 35 Prozent“, so die Forscherin.
Einfamilienhäuser und Einkaufszentren als Problem
Bezieht man die gleichzeitig stattfindende Verfünffachung der hoch und sehr hoch besiedelten Flächen mit ein, sei das laut der Studienautorin ein „massiver Zuwachs“. „Wir befinden uns in Österreich auf einem Highway to Sprawl“ (auf Deutsch etwa: Autobahn zur Zersiedelung). Im Bundesländervergleich zeigte sich, dass es in allen Bundesländern mit Ausnahme Wiens einen Anstieg beim Zersiedelungsgrad gab. Die Fläche der bebauten Rasterzellen, die als sehr hoch zersiedelt gelten können, hätten sich aber in Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark bis 2020 um das Acht- bis Dreizehnfache vergrößert. Das Burgenland, Niederösterreich und Oberösterreich waren 2020 die am stärksten zersiedelten Bundesländer.
Das Phänomen der Zersiedelung ist dabei besonders durch frei stehende Einfamilienhäuser, großflächige Gewerbegebiete und Einkaufszentren „auf der grünen Wiese“ wahrnehmbar. Das stehe für einen hohen Flächenverbrauch pro Person und enorme Ressourcenintensität, wie Haberl meinte: „Wir überbauen in zersiedelten Strukturen, die besonders stark die Landschaft beeinträchtigen.“
Böden als CO2-Speicher
Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Instituts Kontext, verwies auf die Bedeutung der Böden, u. a. auch als CO2-Speicher und in ihrer Funktion als Versickerungsgebiete, insbesondere bei Starkregenereignissen wie in den vergangenen Wochen. Mit dem Verlust an natürlichem Boden – Hochrechnungen gehen hierzulande von zwölf Hektar pro Tag aus – „verlieren wir unsere Lebensversicherung“. Zersiedelung, auch unter dem Aspekt des notwendigen Straßenbaus und weiterer Infrastruktur, führe zu mehr Ressourcenverbrauch, gleichzeitig spiele in zersiedelten Gebieten das Auto eine entscheidende Rolle.
Aus Sicht der Raumplanung stünden alle Instrumentarien bereit, um die Zersiedelung zu begrenzen, so BOKU-Professor Gernot Stöglehner. Als Beispiel nannte der Experte etwa die Festlegung von „360-Grad-Siedlungsgrenzen um jede Ortschaft“ als ausgewiesene Räume, wo Wohnen, Arbeiten und auch Einkaufen „in maßvoller Dichte“ angesiedelt werden könnten. Auch gehe es um die Nutzung von Leerständen, etwa die Sanierung leerstehender Höfe, wie auch die Nutzung von Baulücken und die Aufstockung von Gebäuden. Stöglehner sprach sich auch dafür aus, dass die Belassung von Baulücken und Leerstand Kosten verursachen und zur Abrechnung eine neue steuerliche Kategorie geschaffen werde.
Relevanz der Zersiedelung begreifen
Der starke Anstieg des Zersiedelungsgrades in Österreich ist für die Expertinnen und Experten ein Ergebnis der Politik, die den Bau von Einfamilienhäusern und auch Gewerbegebieten außerhalb des verdichteten Raumes nicht im Wege stand. Aber es gehe nicht um die Schuldfrage, sondern vielmehr darum, die Relevanz der Zersiedelung zu begreifen und nun politisch zu handeln. Eine österreichische Bodenstrategie ohne quantitatives Bodenschutzziel bringe nichts. Man müsse sich auf ein Ziel festlegen, also das Ziel, den Bodenverbrauch bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag zu beschränken. Oder noch besser: dem „Netto-null-Flächenverbrauch“ bis 2050. „Das wäre noch wichtiger, um hier entgegenwirken zu können“, so der Tenor.
Es ginge dabei weniger um Entsiegelung von bereits verbauten Flächen, sondern vielmehr um das Eindämmen fortschreitender Zersiedelung. Bereits bebaute Flächen sollten klug weiterentwickelt werden. „Mit der Zersiedelung kann man sich auch das anvisierte Konzept der Kreislaufwirtschaft in die Haare schmieren“, so Haberl unter Verweis auf Ressourceneffizienz. Aber das vielleicht Entscheidendste sei: „Man muss von der Verzichtsrhetorik wegkommen“, etwa auch im Hinblick auf das Auto. Vielmehr gehe es darum zu erkennen, dass man in dicht bebauten Gebieten eine hohe Lebensqualität schaffen und sich etwa von der Autoabhängigkeit befreien kann. Und auch darum zu zeigen, dass das Leben in der Stadt viele Vorteile bietet und dort ein „gutes klimafreundliches Leben“ möglich sei. *** red, science.ORF.at/Agenturen
- Seit 2000 dreimal die Fläche Wiens verbaut
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SOCIAL MEDIA
Mitgefühl bleibt im Internet auf der Strecke – Menschliches Gehirn kann laut Studie der New York University mit Reizüberflutung nicht mithalten
New York (pte021/13.06.2024/13:30) – Gewachsene menschliche Reaktionen wie das Mitgefühl für Opfer und der Drang, Missetäter zu bestrafen, funktionieren im Internet gänzlich anders als in der analogen Welt. Zu dem Schluss kommt ein Forscherteam unter der Leitung von Claire Robertson von der New York University. Das Internet bringe User mit großen Mengen von extrem moralisch relevanten Reizen in Kontakt. Dazu gehören der Fachfrau zufolge ganztägig zur Verfügung stehende Nachrichten und absichtlich ungeheuerlicher Content, der von weit entfernten Standorten stammt.
Moralisch übersättigtes Umfeld
Dass das Gehirn diesem neuen moralisch übersättigten Umfeld ausgesetzt wird, hat der Studie zufolge zur „Compassion fatigue“, also einer Mitgefühlerschöpfung, öffentlicher Beschämung, wirkungslose kollektive Maßnahmen und „Virtue signaling“ geführt. Damit ist das Zurschaustellen moralischer Werte gemeint.
Zu einer Erschöpfung des Mitgefühls kommt es, weil Empathie eine aufwendige kognitive Ressource darstellt, die durch die laufenden Infos über Leiden leicht überfordert werden kann. Zu einer öffentlichen Beschämung durch die User kommt es, weil es das Internet einer sehr großen Anzahl von Menschen zu leicht macht, dem menschlichen Bedürfnis nach der Bestrafung von Übeltätern Nahrung zu geben.
Posten von Mitgefühl bleibt dennoch
Da das Posten einer Verdammung so gut wie nichts kostet, wird es eine verlockende Möglichkeit, die eigene moralische Tugend und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu signalisieren, heißt es. Eine tatsächliche Hilfe werde fallweise durch das Posten von Mitgefühl sowie das Liken und Teilen von Posts ersetzt.
Das helfe zwar den Betroffenen kaum, die Beteiligten hätten jedoch das Gefühl, ihren moralischen Verpflichtungen bereits nachgekommen zu sein. Dass es so einfach ist, online etwas zu organisieren, führe zudem dazu, dass zwar riesige, aber nur kurzlebige, soziale Bewegungen entstehen, die nur flach verwurzelt sind und wenig Durchhaltevermögen haben. Details sind in „PNAS Nexus“ nachzulesen. (Ende)
Auf Party: Zillertaler Landjugend grölte ausländerfeindliche Parolen wie auf Sylt
Laut „Tiroler Tageszeitung“ grölte der halbe Saal „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ – Tirols Landesobmann zeigt sich „erschüttert“
Bei einer Party der Landjugend Uderns im Tiroler Zillertal sind am Freitag offenbar zu dem Lied „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino ausländerfeindliche Parolen gesungen worden. Laut einem Bericht der „Tiroler Tageszeitung“ skandierte der halbe Saal „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“. Tirols Landesobmann Christoph Pirnbacher bedauerte den Vorfall und der Vorstand empfahl seinen Ortsgruppen, das Lied nicht mehr zu spielen.
„Das geht gar nicht, darüber müssen wir gleich ab heute ernsthaft reden. Ich bin erschüttert“, sagte Pirnbacher. Dies sei „nicht unsere Vorstellung von Gesellschaft und Gemeinschaft.“ Die Organisation stehe für „Vielfalt, Respekt und ein harmonisches Miteinander aller Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Kultur.“ Der Landesvorstand der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend beschloss daraufhin Montagnachmittag einstimmig mehrere Maßnahmen, damit die Ortsgruppen ihre „wertvolle Arbeit ohne extremistische Einflüsse fortsetzen können.“
Dabei wurde unter anderem „dringend empfohlen“, das Lied von D’Agostino „bei keiner Veranstaltung mehr zu spielen“. Es wurde „bedauert“, dass Musik „für solche Zwecke vereinnahmt wird, allerdings dient diese Maßnahme dem Schutz der Ortsgruppen und soll verhindern, dass Besucher:innen diese Parolen überhaupt anstimmen.“ Darüber hinaus werde ein „Leitfaden“ erstellt, der aufzeige, wie man als Veranstalter auf „radikales Verhalten jeglicher Art“ reagiere. „Der Schutz unserer Ortsgruppen vor Vereinnahmung ihrer Veranstaltungen für die Verbreitung extremistischer Inhalte hat oberste Priorität“, hieß es.
„Saal war bummvoll“
Auch die Verantwortlichen der Landjugend Uderns hatten den Vorfall bedauert. „Aber was hätten wir tun sollen, der Saal war bummvoll“, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der „TT“. Auf die Idee, das Lied zu stoppen, sei man nicht gekommen. „Außerdem ist das Lied ja nicht verboten“, wurde festgehalten.
Der Landesvorstand nahm die Ortsgruppe Uderns indes „in Schutz“. Trends und Social Media hätten einen „erheblichen Einfluss auf das Verhalten von Einzelpersonen und Gruppen“. „Oftmals verbreiten sich Meinungen und Aktionen schnell und ungefiltert über soziale Netzwerke, was in einigen Fällen zu Missverständnissen oder unangemessenem Verhalten führen kann“, hieß es. Es sei daher „umso wichtiger, kritisch zu hinterfragen und sich bewusst von negativen Einflüssen zu distanzieren.“
Ein Partygast schilderte gegenüber der Tagezeitung, dass er sich an der Bar über die Vorgänge beschwert habe. Anschließend sei er aus dem Saal gebracht worden. Zuvor hatten einige „Nazis raus“ gerufen.
Bürgermeister fordert „konsequentes Handeln“
Der Bürgermeister der Gemeinde Uderns, Josef Bucher, verurteilte ausländerfeindliche Parolen „auf das Schärfste“, „Aktionen der Intoleranz und des Fremdenhasses dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“ Man dürfe auch „keine Hexenjagd auf den veranstaltenden Verein“ machen, denn es sei „allzu leicht, jemanden als Sündenbock hinzustellen, doch das Problem wird dadurch sicherlich nicht gelöst“, sagte er.
Es stelle sich aber sehr wohl die Frage nach einem sofortigen und angebrachten Vorgehen, „um solch enorme Dummheiten zu unterbinden. Hier bin ich dankbar für jede Person, die Zivilcourage zeigt und sich unmittelbar dagegen zur Wehr setzt, auch wenn dies in einer aufgeheizten Menschenmenge viel leichter gesagt als getan ist.“
Das Verbieten des Songs hielt er indes nicht für die richtige Maßnahme, „da bestimmt rasch ein anderes Lied gefunden wäre, zu welchem sich die verbale Hetze gegen Ausländer aufs Neue verbreiten ließe.“ Der Dorfchef forderte vielmehr „konsequentes Handeln seitens der Bundesgesetzgebung und eine adäquate Handhabe für die Exekutive“.
Ende Mai hatte ein Video, aufgenommen auf der deutschen Urlauberinsel Sylt, für Aufsehen gesorgt. Junge Partygäste hatten zu dem Lied von D’Agostino dieselben Parolen gesungen wie nun im Zillertal. Auch aus anderen Bundesländern in Österreich und Deutschland waren Vorfälle bekannt geworden. Zudem war eine Diskussion über das Verbot des Liedes entbrannt. Der italienische DJ stellte selbst klar, dass es in dem Hit aus dem Jahr 1999 um die Liebe gehe. (APA, 10.6.2024)
Der Artikel wurde mehrmals aktualisiert, zuletzt am 10.6.2024 um 17:15 Uhr.
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RECHT
Oberstes Gericht der USA hält Zugang zu Abtreibungspille aufrecht
Washington – Das Oberste Gericht der USA hält den Zugang zu einer weit verbreiteten Abtreibungspille aufrecht. Die Entscheidung des Supreme Courts heute kam rund zwei Jahre, nachdem das Gericht das landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt hatte. Die Richter erklärten nun einstimmig, dass Abtreibungsgegner nicht das Recht hätten, gegen die Zulassung der Pille Mifepristone und die von der Arzneimittelbehörde erlassenen Zugangserleichterungen zu klagen.
Die Kläger hätten nicht nachweisen können, dass sie einen tatsächlichen oder unmittelbar bevorstehenden Schaden erlitten hätten oder erleiden würden, hieß es. Klägern, die möglicherweise nur „allgemeine rechtliche, moralische, ideologische oder politische Einwände“ gegen die Verwendung von Mifepristone hätten, stehe keine Klagebefugnis zu.
Mifepristone kommt bei mehr als 60 Prozent der in den USA durchgeführten Abtreibungen zum Einsatz. Das Medikament wurde im Jahr 2000 in den USA zugelassen und wird von der US-Arzneimittelbehörde FDA als zuverlässig eingestuft. Üblicherweise wird Mifepristone zusammen mit der Arznei Misoprostol für den Schwangerschaftsabbruch eingesetzt – Misoprostol kann aber auch allein verwendet werden. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge ist die Kombination aus beiden Medikamenten etwas wirksamer.
In den vergangenen Jahren hatte die FDA mehrere Zugangserleichterungen für Mifepristone erlassen. Dazu zählen unter anderem die Einnahme bis zur zehnten Schwangerschaftswoche und die Versendung per Post innerhalb der USA.
Das Oberste Gericht hatte sich bereits bei einer Anhörung vor einigen Monaten skeptisch mit Blick auf die Argumente der Kläger gezeigt, die vor dem Supreme Court weitreichende Beschränkungen beim Zugang zu der Pille erreichen wollten. Der Supreme Court ist unter Ex-Präsident Donald Trump weit nach rechts gerückt. Nur drei der neun Richterinnen und Richter gelten als liberal.
Das Gericht löste vor knapp zwei Jahren ein politisches Erdbeben aus, als es das bis dahin seit rund 50 Jahren geltende landesweite Recht auf Abtreibung kippte. In der Folge können die Parlamente der Bundesstaaten per Gesetz regeln, ob und unter welchen Bedingungen Abtreibungen erlaubt sind. © dpa/aerzteblatt.de
GESELLSCHAFT – RELIGION
„Was glaubt Österreich?“ – Erste Trends der großen Umfrage
Ein multimedialer Schwerpunkt der ORF-Hauptabteilung „Religion und Ethik“ ab 15. Juni in ORF 2, Ö1, auf religion.ORF.at, on.ORF.at und in der ORF-ON-App
Wien (OTS) – Der ORF präsentiert ab Samstag, dem 15. Juni 2024, erste Tendenzen der Studie „Was glaubt Österreich?“ über Glaubens- und Wertvorstellungen der Menschen in Österreich. Die repräsentative Studie der Universität Wien ist Teil des multimedialen Kooperationsprojekts zwischen dem Forschungszentrum „Religion and Transformation in Contemporary Society“ und der ORF-Hauptabteilung „Religion und Ethik multimedial“.
Wie sich die Glaubens- und Wertvorstellungen der Menschen, die in Österreich leben, angesichts von Individualisierung, Digitalisierung und Pluralisierung verändern, steht im Zentrum des Projekts „Was glaubt Österreich?“, bei dem die ORF-Hauptabteilung „Religion und Ethik multimedial“ mit der Universität Wien kooperiert. Für die repräsentative Studie „Was glaubt Österreich?“ der Universität Wien wurden von April bis Mai 2024 insgesamt 2.160 Personen zu individuellen Sinn-, Glaubens- und Religionskonzeptionen befragt.
Nun liegen erste Trends vor: Neben der seit Jahren fortschreitenden Pluralisierung zeigen die Daten, dass in Österreich zwar der „traditionell katholische Überbau wegbricht“, gleichzeitig jedoch Religiosität als Transzendenzbezug keineswegs verschwindet.
Erste Tendenzen weisen darauf hin, dass Religiosität zunehmend aus fragmentierten Einzelstücken zusammengesetzt wird, die kein nachvollziehbares stimmiges Gesamtkonzept erkennen lassen, sondern häufig diffus und zum Teil widersprüchlich nebeneinanderstehen. Deutlich zeigt sich damit sowohl eine Veränderung der Funktion von Religion als auch eine zunehmende Individualisierung und neue Kombinationen bisher unterschiedlicher Selbstverständnisse:
Nicht-religiös zu sein schließt etwa nicht aus, sich dennoch als spiritueller Mensch zu verstehen.
Im Gespräch mit den Studienverantwortlichen thematisiert die ORF-Hauptabteilung „Religion und Ethik multimedial“ in neuen und etablierten Formaten in TV, Radio und online Hintergründe dieser Entwicklungen und fragt nach Folgen für das Zusammenleben. https://religion.ORF.at geht am Samstag, dem 15. Juni, im Gespräch mit dem Projektmitarbeiter Patrick Rohs u. a. der Frage nach, wie Glaube und Zugehörigkeit sich verändern und welche Rolle magische Vorstellungen und Schicksalsgläubigkeit für Menschen in Österreich spielen. Die beiden wissenschaftlichen Studienleiterinnen Regina Polak und Astrid Mattes-Zippenfenig analysieren am Sonntag, dem 16. Juni, um 12.30 Uhr in ORF 2 im Studio des TV-Religionsmagazins „Orientierung“ bzw. am Mittwoch, dem 19. Juni, ab 16.05 Uhr im Ö1-Religionsmagazin „Im Fokus“ die Trends.
Neben den zahlreichen Programmangeboten, die sich im Rahmen des Schwerpunkts mit den vielfältigen Glaubens- und Wertvorstellungen der Menschen in Österreich auseinandersetzen, wirft das neu entwickelte TV-Format „Was glaubt Österreich? Rituale“ einen Blick auf die Bedeutung von Ritualen in einer pluralen Gesellschaft und begleitet dazu ab 15. Juni jeweils samstags und sonntags ab 16.53 Uhr in ORF 2 Menschen unterschiedlicher Weltanschauung in den neun Bundesländern Österreichs bei Ritualen, die ihnen an existenziellen Stationen ihres Lebens Halt und Kraft geben.
Einen Schwerpunkt zu „Was glaubt Österreich?“ setzt ab 15. Juni außerdem die neu gestartete Plattform on.orf.at bzw. die ORF-ON-App.
„Was glaubt Österreich?“ ist ein Kooperationsprojekt der ORF-Hauptabteilung „Religion und Ethik multimedial“ unter der Leitung von Barbara Krenn und der ORF-Markt- und Medienforschung unter der Leitung von Eva Sassmann mit dem Forschungszentrum „Religion and Transformation in Contemporary Society“ der Universität Wien unter der wissenschaftlichen Leitung von Regina Polak und Astrid Mattes-Zippenfenig. Die wissenschaftliche Forschung wird vom Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert.
Alle Informationen zu „Was glaubt Österreich?“ sind unter
https://religion.ORF.at/wasglaubtoesterreich/ zu finden.
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