Tagesblick – 14.5.2024 Dienstag

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FAZIT DES TAGES

„Der Friede der Welt muß in unserem Herzen, in unserem Hause den Ursprung nehmen.“
Reinhold Schneider

COMMENT – FAZIT:

  • Israel-Hamas-Krieg: eskalative Tendenzen, heftige Kämpfe in allen Gaza-Abschnitten, Blinken sieht Chaos, Aufruhr und Wiedererstarken der Hamas
  • Ukraine-Krieg: brenzlige Situation um Charkiw, Kritik an zu wenigen und in der Verwendung eingeschränkten Waffenlieferungen
  • Steigende Metallpreise durch erhöhten Bedarf für Waffen und Munition, auch für Bauten im Zuge der sich belebenden Weltwirtschaft & COMMENT
  • Ungebändigte Reiselust beschert Deutschland Nächtigungsrekorde & COMMENT
  • Nachträge zur „Omri Boehm“ Debatte inkl. Milo Rau
  • Nachträge zur MENA-Watch
  • Teures Eigenheim ein Traum: Zinsen vergällen Kreditnehmern die Freude am Eigenheim – und das bei Nachholbedarf für Wohnungseigentum, so eine für Raiffeisen durchgeführte Studie
  • Dauerbrenner Vermögen: die Gier der Reichen – wie sieht das Vermögensforscher Druyen?
  • Keiner will mehr arbeiten, oder was?

Märkte – Report

Israel, Ukraine

Meldungen

Themenreigen – Medizin, Gesundheitssystem, Tierverhalten, Forschung, Umwelt, KI, Medien, Bildung, Gesellschaft, Unternehmen

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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!

HELLMEYER-Report (gekürzt)

  • Heute, 14.5., nicht eingelangt.
  • Kein Hellmeyer Report am 15. & 16. Mai 2024!

MÄRKTE

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

06:28EUREX/Bund-Future im Frühhandel wenig verändert143Dow Jones News
06:25EUREX/DAX-Future im frühen Handel knapp behauptet204Dow Jones News
MoNACHBÖRSE/XDAX -0,1% auf 18.734 Pkt – Medigene unter Druck738Dow Jones News
MoMÄRKTE USA/Wall Street in Lauerstellung585Dow Jones News
MoROUNDUP/Aktien New York Schluss: Träger Wochenstart – Warten auf Inflationsdaten517dpa-AFX
MoUS-Anleihen: Moderates Plus NEW YORK (dpa-AFX) – US-Staatsanleihen sind mit leichten Kursgewinnen in die neue Woche gestartet. Der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) stieg am Montag zuletzt um 0,11 Prozent auf 108,83 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere fiel im Gegenzug leicht auf 4,48 Prozent. Der Wochenauftakt fiel ruhig aus. Entscheidende Konjunkturdaten stehen erst im Verlauf der Woche auf dem Programm, mit den Erzeugerpreisen am Dienstag und den Verbraucherpreisen am Mittwoch. Sie sind für den geldpolitischen Kurs der US-Zentralbank von hoher Bedeutung./edh/bgf/he477dpa-AFX
MoDevisen: Euro sinkt unter 1,08 US-Dollar350dpa-AFX
MoMÄRKTE EUROPA/Knapp behauptet – Anglo weist neue BHP-Offerte zurück336Dow Jones News
MoAktien Schweiz von Zurückhaltung geprägt343Dow Jones News
MoAktien Europa Schluss: Zurückhaltung vor US-Preisdaten264dpa-AFX
MoAktien Wien Schluss: Kaum Bewegung – Addiko mit satten Gewinnen300dpa-AFX
MoDax zum Wochenstart schwächer – Gewinne werden verdaut277dts Nachrichtenagentur
MoAktien Frankfurt Schluss: Dax-Rekordrally pausiert259dpa-AFX
MoDeutsche Anleihen: Kaum verändert FRANKFURT (dpa-AFX) – Die Kurse deutscher Bundesanleihen haben sich am Montag kaum verändert. Am Nachmittag lag der Terminkontrakt Euro-Bund-Future stabil bei 130,88 Punkten. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen betrug 2,50 Prozent. Der Handel verlief in ruhigen Bahnen. In der Eurozone und den USA wurden keine wichtigen Konjunkturdaten veröffentlicht. Im weiteren Wochenverlauf werden in den Vereinigten Staaten wichtige Daten zur Preisentwicklung bekanntgegeben. Vor allem die künftige Geldpolitik der Notenbanken steht weiter im Blick der Finanzmärkte. Im Euroraum gilt eine Leitzinssenkung im Juni als ausgemacht. In den USA ist die Lage angesichts der hartnäckigen Inflation ungewiss. In der vergangenen Woche hatten schwächere Wirtschaftsdaten Zinssenkungserwartungen wieder etwas gestützt./jsl/he266dpa-AFX

VERMÖGEN – STEUERN

Österreichs Superreiche: Ein Psychogramm der Gier – FALTER.morgen, 13.5.2024

Ein vertraulicher Bericht aus dem Finanzministerium, der dem FALTER zugespielt wurde, hat vergangene Woche aufgezeigt, wie österreichische Superreiche mit komplexen Firmengeflechten Steuern systematisch vermeiden. Und wie selten die Steuerprüfer bei ihnen anklopfen (hier geht es zur Geschichte). 

Doch wer sind die Superreichen überhaupt und wie ticken sie? Was verbindet sie jenseits des monetären Wohlstands? Viel? Oder viel weniger, als man denkt? Ich habe für den FALTER.morgen hat bei einem der wenigen Forscher nachgefragt, der sich mit den obersten Zehntausend – den sogenannten High Net Worth Individuals (HNWI) – beschäftigt: Professor Thomas Druyen von der Sigmund Freud-Universität in Wien. …

„Die meisten sind trotz Mammon relativ normal“

Thomas Druyen, Professor an der Sigmund Freud-Universität in Wien, über die Unterschiede zwischen Superreichen und Vermögenden.

FALTER.morgen: Herr Druyen, was weiss die Forschung über Superreiche in Österreich? Unterscheiden sie sich von ihren Kollegen in anderen westeuropäischen Staaten?

Thomas Druyen: Nationalität, Kultur, Religion, Ökonomie, Geschichte, Charakter, Familie und weitere Faktoren bestimmen das Mindset der Superreichen. Selbstverständlich auch die Sprache, in diesem Sinne ist der Reichtum in Österreich, Deutschland und in der Schweiz vergleichbarer als mit Großbritannien oder Schweden. Aber Wien und Salzburg, Berlin oder München, Zürich oder Bern sind in Bezug auf die Vermögenden schon nicht über einen Kamm zu scheren. Die Superreichen selbst sind keine Gemeinschaft oder Community. Sie sind genauso unterschiedlich wie die anderen Bevölkerungsgruppen auch, national wie international. Die Handvoll österreichischer Milliardäre unterscheidet sich in Bezug auf ihre multi-unternehmerischen oder dynastischen Spielfelder weniger von vergleichbaren Deutschen, aber die kulturelle Mentalität bleibt fast immer sehr individuell und kaum zu generalisieren.

Was ist der Unterschied zwischen einem Reichen und einem Vermögenden? Und in welche Kategorie würden Sie die Superreichen in Österreich zuordnen?

Reichtum ist lediglich ein quantitativer Begriff, der sich auf die materielle Dimension fokussiert. Vermögen ist weitreichender. Da geht es auch um die Frage, was man mit seinem Geld und seinem Erfolg macht und welche Verantwortung man grundsätzlich zu übernehmen vermag. Wir sprechen in der Vermögenspsychologie daher von Vermögenskultur. Wer nun von den HNWI‘s in Österreich zu welcher Kategorie gehört, könnte man in Anbetracht einer dezidierten Analyse ermitteln. Vorausgesetzt, neben öffentlich zugänglichen Daten gäbe es auch eine individuelle Bereitschaft, darüber zu sprechen. Eine solche Studie gibt es aber noch nicht. Grundsätzlich kann ich vermuten, dass ungefähr drei Viertel der Vermögenden bereit sind, sich in unterschiedlichem Maße mit Förderungen von Kunst, Wissenschaft, Musik, Sport und sozialen Zielen zu engagieren. Luft nach oben gibt es auf jeden Fall, zumal die Wertschätzung diesem Engagement gegenüber in Österreich nicht besonders hoch ist. 

Gibt es eine (monetäre) Vermögensgrenze, ab der noch mehr Geld keinen Unterschied mehr für das Wohlbefinden der Menschen macht?

Das kann man sagen, aber es ist sehr relativ. Amerikanische Studien zum Thema Zufriedenheit suggerieren seit vielen Jahren, dass eine Summe jenseits der 120.000 Dollar keine wesentlich größere Zufriedenheit mehr erzeugt. Auch wenn dies statistisch belegbar ist, so sieht die gefühlte Wirklichkeit bei den Superreichen ganz anders aus. Da müssen wir wieder unterscheiden zwischen Reichen und Vermögenden. Die Reichen bekommen nie genug, da gibt es keine Grenze des Habenwollens. Bei den Vermögenden sieht das anders aus, da geht es immer um unternehmerische, investive, experimentelle oder innovative Überlegungen, um das Vermögen zu mehren, für die Familie, für die Unternehmen, für die Gesellschaft und letztlich für die Zukunft. Hier wird die Vermögenshöhe als Hebel für Gestaltung begriffen, bei den bloß Reichen nur als Hebel für das Ego und den Selbstwert. Das Wohlbefinden, welches auf rein quantitativen Füßen steht, dient viel weniger dem Fortschritt als jenes ganzheitliche Wohlbefinden, dass auch die Allgemeinheit im Blick hat.

Was unterscheidet traditionelle Industriellenfamilien von neuen Superreichen, die etwa durch die Digitalisierung reich wurden?

Seit 20 Jahren wächst eine neue Klientel von Superreichen heran, die vor allem im Bereich der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz Furore machen. In den weltweiten Milliardärs- Rankings sind sie überall vorhanden. Sie unterscheiden sich von den Industriellenfamilien weitreichend. Meistens handelt es sich um Persönlichkeiten, die digitale Geistesblitze hatten und im Zuge dessen die Welt veränderten: Microsoft, Google, Apple, Meta, Amazon und viele weitere, die als Plattform-Konzerne unsere Wirklichkeit maßgeblich mitgestalten. Ihre Eigentümer und Anteilseigner bilden ein neues Milieu von Superreichen und Milliardären. Auch ihre Mentalität ist nicht zu generalisieren, aber dennoch haben sie teilweise unterschiedliche Wertprioritäten. Sie sind draufgängerisch, obsessiv, maßlos und atemberaubend neugierig. Sie haben immer wieder neuen Mut zu experimentieren, Risiken einzugehen, und das Erreichte für ein neues Ziel aufs Spiel zu setzen. Ihre Währung ist die Weltveränderung und der existenzielle Nutzen ständig beschleunigter Technologie.

Inwiefern liegt bei ersterer und zweiterer Kategorie ein Gefühl von „ich habe mir das verdient, das Geld steht mir zu“ vor?

Bei einigen Reichen gibt es Selbstüberschätzung, Überheblichkeit und ein Verlust für ein Gefühl der Normalität. Das ist aber nicht die Mehrheit. Die meisten sind trotz Mammon relativ normal. Bei den wirklich herausragenden Persönlichkeiten, die ich kennengelernt habe und die zudem auch noch exorbitant reich waren, ging es meistens weder um Privilegien noch um Geld, noch um kleinkarierte Vergleiche. Ihr Ansinnen war es durchweg, etwas Herausragendes zu tun und diese Versuche immer wieder neu zu entfachen. Privatflugzeuge, Yachten, Inseln, gewaltige Anwesen und so weiter sind viel mehr Teil eines groß orchestrierten Arbeits-Szenarios als eine unverzichtbare Quelle kleiner und geistiger Arroganz. Ausnahmen bestätigen die Regel.

ISRAEL

n-tv aktuell ISRAEL

13.05.2024 19:06

Erdogan unterstützt Terrormiliz Mehr als 1000 Hamas-Kämpfer liegen in türkischen Kliniken

Trotz des Überfalls der Hamas auf Israel im letzten Jahr unterstützt der türkische Präsident Erdogan die Terrormiliz im Krieg. Und das nicht nur mit wohlwollenden Worten, sondern auch mit Taten. Laut seinen Angaben werden viele Kämpfer in den Kliniken des Landes behandelt.

12.05.2024 22:53

Ein Aufstand nicht unrealistisch Blinken befürchtet Anarchie und Chaos im Gazastreifen

Die Situation im Gazastreifen ist nach wie vor dramatisch. Israels Kampf gegen die Hamas sorgt für viele tote Zivilisten. Ein Fakt, den US-Außenminister Blinken heftig kritisiert. Er warnt vor einem möglichen bewaffneten Aufstand.

n-tv aktuell Nahost-Konflikt

NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL  

ROUNDUP/Netanjahu: ‚Der Krieg wütet weiter‘ – Nacht im Überblick

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) – Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat zum Unabhängigkeitstag seines Landes Entschlossenheit im Krieg gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen betont. „Der Krieg wütet weiter“, sagte er am Montagabend in einer Videoansprache. Die Armee lieferte sich an dem Tag erneut vom Norden bis in den Süden heftige Kämpfe.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurde unterdessen erstmals ein internationaler UN-Mitarbeiter im Gazastreifen getötet. Er sei bei einem Angriff auf sein Fahrzeug auf dem Weg zu einem Krankenhaus im abgeriegelten Küstenstreifen ums Leben gekommen, sagte ein Sprecher am Montag. Ein weiterer Mitarbeiter sei verletzt worden. Hintergründe des Vorfalls wie auch die Nationalität der Opfer blieben zunächst unklar. Die US-Regierung nahm die israelische Führung derweil vor Anschuldigungen in Schutz, sie begehe im Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen einen Völkermord an Palästinensern.

Familien der Geiseln: Unsere Hoffnung ist noch nicht verloren

Währenddessen erinnerten am Vorabend des Unabhängigkeitstages bei einer Kundgebung in Tel Aviv nach Angaben der Veranstalter rund 100 000 Menschen an das Schicksal der 132 Geiseln im Gazastreifen. Die Kundgebung stand unter dem Motto „Unsere Hoffnung ist noch nicht verloren“. Dabei gab es auch Proteste gegen Netanjahu und seine Regierung. Vor dem Hintergrund der festgefahrenen Verhandlungen über die Freilassung der in Gaza festgehaltenen Geiseln und eine Waffenruhe sagte ein Redner der Kundgebung am Abend: „Die Regierung, die sie mit höchster Wachsamkeit schützen sollte, hat kein Recht, über den Preis für ihre Rückkehr zu sprechen. (…) Es gibt keinen Preis für das Leben der Geiseln.“

Bericht: Vermittler wollen Verhandlungen über Waffenruhe fortsetzen

Die arabischen Vermittler hoffen derweil, die Kluft zwischen den beiden Konfliktparteien zu verringern, wie das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete. Sie erwarteten, dass sie diese Woche in Doha, der Hauptstadt von Katar, erneut zu Gesprächen zusammenkommen, wie es hieß. Eine Verhandlungsrunde in der ägyptischen Hauptstadt Kairo war vor Kurzem ergebnislos verlaufen. Da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln, fungieren Ägypten, Katar und die USA als Vermittler.

Derweil weitete die israelische Armee ihre Angriffe im Gazastreifen wieder auf Gebiete aus, in denen das Militär schon zuvor im Einsatz gewesen war. So lieferte sie sich am Montag an verschiedenen Orten im Norden, im Zentrum und im Süden des abgeriegelten Küstengebiets erneut heftige Gefechte, darunter auch in der an Ägypten grenzenden Stadt Rafah.

UN: Fast 360 000 Menschen bereits aus Rafah geflohen

Seit dem Vorrücken der Armee in Rafah sind nach UN-Angaben fast 360 000 Menschen aus der mit Binnenflüchtlingen überfüllten Stadt geflohen. Israel übt militärischen Druck auf die Hamas in Rafah aus, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen und vier Bataillone der Islamistenorganisation zu zerschlagen. „Wir sind kurz davor, die verbleibenden Hamas-Bataillone zu zerstören“, sagte Netanjahu in einem am Sonntag aufgezeichneten Podcast. US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte nach Angaben eines Sprechers, die USA seien nach wie vor gegen eine große Bodenoffensive in Rafah, wo bis vergangene Woche mehr als eine Million Menschen Schutz vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht hatten.

Auslöser des Kriegs war das Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten. Sie töteten 1200 Menschen, nahmen 250 weitere als Geiseln und verschleppten sie nach Gaza. Im folgenden Krieg wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35 000 Palästinenser getötet, wobei die unabhängig kaum zu verifizierende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet. Die hohe Zahl ziviler Opfer und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung lösten international scharfe Kritik am Vorgehen Israels aus.

US-Regierung: Israel begeht keinen Völkermord

„Wir glauben nicht, dass das, was in Gaza geschieht, ein Genozid ist“, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Montag in Washington. „Wir haben diese Behauptung stets entschieden zurückgewiesen.“ Sullivan sagte, die USA hätten ihren Standpunkt zu dieser Frage auch vor dem Internationalen Gerichtshof schriftlich und detailliert dargelegt. Er betonte zugleich: „Wir glauben, dass Israel mehr tun kann und muss, um den Schutz und das Wohlergehen unschuldiger Zivilisten zu gewährleisten.“

Israels Generalstabschef Herzi Halevi soll zuvor Medienberichten zufolge beklagt haben, dass die Armee mangels einer politischen Strategie für die Zeit nach dem Krieg immer wieder auch an Orten in Gaza kämpfen müsse, aus denen sie sich bereits zurückgezogen hatte. Israel sei auf dem besten Weg, einen Aufstand mit vielen bewaffneten Hamas-Kämpfern zu erben, sagte US-Außenminister Blinken am Sonntag im US-Fernsehen. Es drohe ein Vakuum, das von Chaos, Anarchie und wahrscheinlich von der Hamas wieder aufgefüllt werde.

Netanjahu: Israel im Kampf um seine Existenz

Netanjahu bezeichnete den Krieg am Montag bei der zentralen Zeremonie zum Soldatengedenktag als Kampf um die Existenz seines Landes. Am Abend sagte er anlässlich des Unabhängigkeitstages seines Landes in seiner Videoansprache: „Obwohl es sich nicht um einen regulären Unabhängigkeitstag handelt, ist dies für uns eine besondere Gelegenheit, uns der Bedeutung unserer Unabhängigkeit bewusst zu werden„. Unabhängigkeit, „uns aus eigener Kraft zu verteidigen“, sagte er. Der Ausgang des Kriegs wird nach Einschätzung seines Verteidigungsministers Joav Galant das Leben der Israelis in den kommenden Jahrzehnten bestimmen. „Dies ist ein Krieg ohne Alternative“, sagte Galant.

„Dies ist ein Krieg, der weitergehen wird, bis wir unsere Geiseln zurückbringen, die Herrschaft der Hamas und ihre militärischen Fähigkeiten zerschlagen und dem Staat Israel sein Gedeihen und Schaffen und seinen Bürgern das Lächeln auf ihren Gesichtern zurückgeben“, sagte der Verteidigungsminister.

Bei der Kundgebung in Tel Aviv am Vorabend des Unabhängigkeitstages warf ein Redner der Regierung Versagen vor, den Terrorangriff am 7. Oktober nicht verhindert zu haben. „Wir sind von einer geeinten Gemeinschaft zu einer zerbrochenen und trauernden geworden“, sagte eine im Zuge eines Austauschs gegen palästinensische Häftlinge freigekommene Geisel laut der Organisatoren der Kundgebung./ln/DP/zb

WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN

Secret Hamas Files Show How It Spied on Everyday Palestinians – NYT, 13.5.2024 (pictures online)

Hamas monitored political activity, online posts, and apparently even love lives. Palestinians were stuck between an Israeli blockade and a repressive security force.

The Hamas leader Yahya Sinwar has for years overseen a secret police force in Gaza that conducted surveillance on everyday Palestinians and built files on young people, journalists and those who questioned the government, according to intelligence officials and a trove of internal documents reviewed by The New York Times.

The unit, known as the General Security Service, relied on a network of Gaza informants, some of whom reported their own neighbors to the police. People landed in security files for attending protests or publicly criticizing Hamas. In some cases, the records suggest that the authorities followed people to determine if they were carrying on romantic relationships outside marriage.

Hamas has long run an oppressive system of governance in Gaza, and many Palestinians there know that security officials watch them closely. But a 62-slide presentation on the activities of the General Security Service, delivered only weeks before the Oct. 7 attack on Israel, reveals the degree to which the largely unknown unit penetrated the lives of Palestinians.

The documents show that Hamas leaders, despite claiming to represent the people of Gaza, would not tolerate even a whiff of dissent. Security officials trailed journalists and people they suspected of immoral behavior. Agents got criticism removed from social media and discussed ways to defame political adversaries. Political protests were viewed as threats to be undermined.Everyday Gazans were stuck — behind the wall of Israel’s crippling blockade and under the thumb and constant watch of a security force. That dilemma continues today, with the added threat of Israeli ground troops and airstrikes.

“We’re facing bombardment by the occupation and thuggery by the local authorities,” Ehab Fasfous, a journalist in the Gaza Strip who appeared in the files of the General Security Service, said in a phone interview from Gaza.

Mr. Fasfous, 51, is labeled in one report as among “the major haters of the Hamas movement.”

The documents were provided to The Times by officials in Israel’s military intelligence directorate, who said they had been seized in raids in Gaza.

Reporters then interviewed people who were named in the files. Those people recounted key events, confirmed biographical information and, in Mr. Fasfous’s case, described interactions with the authorities that aligned with the secret files. The documents reviewed by The Times include seven intelligence files ranging from October 2016 to August 2023. The military intelligence directorate said it was aware of files containing information on at least 10,000 Palestinians in Gaza.The General Security Service is formally part of the Hamas political party but functions like part of the government. One Palestinian individual familiar with the inner workings of Hamas, who spoke on the condition of anonymity because of the sensitivity of the matter, confirmed that the service was one of three powerful internal security bodies in Gaza. The others were Military Intelligence, which typically focuses on Israel, and the Internal Security Service, an arm of the Interior Ministry.

Basem Naim, a spokesman for Hamas, said the people responsible for the General Security Service were unreachable during the war.

With monthly expenses of $120,000 before the war with Israel, the unit comprised 856 people, records show. Of those, more than 160 were paid to spread Hamas propaganda and launch online attacks against opponents at home and abroad. The status of the unit today is unknown because Israel has dealt a significant blow to Hamas’s military and governing abilities.

The Israeli intelligence authorities believe that Mr. Sinwar directly oversaw the General Security Service, according to three Israeli intelligence officials, who spoke on the condition of anonymity because they were not authorized to discuss the matter publicly. They said the slide show was prepared for Mr. Sinwar personally, though they did not say how they knew that.

The presentation said that the General Security Service works to protect Hamas’s people, property and information, and to support its leadership’s decision-making.Some slides focused on the personal security of Hamas leaders. Others discussed ways to stamp out protests, including the “We Want to Live” demonstrations last year that criticized power shortages and the cost of living. Security officials also tracked operatives from Palestinian Islamic Jihad, an ideologically aligned militant group that often partners with Hamas.

Some tactics, like amplifying Hamas’s own message, appeared to be routine politicking. In other instances, officials suggested using intelligence to undermine opponents and distort their reputations, though the files were vague about how that was to be done.

“Undertaking a number of offensive and defensive media campaigns to confuse and influence adversaries by using private and exclusive information,” the document read.

Security officers stopped Mr. Fasfous on his way to a protest last August, seized his phone and ordered him to leave, a report says. Mr. Fasfous confirmed that two plainclothes officers had approached him. The authorities searched his recent calls, and wrote that he was communicating with “suspicious people” in Israel.“We advise that closing in on him is necessary because he’s a negative person who is full of hatred, and only brings forth the Strip’s shortcomings,” the document said.

The most frustrating thing, Mr. Fasfous said, was that the officers used his phone to send flirtatious messages to a colleague. “They wanted to pin a moral violation on me,” he said.

The report does not include that detail but does describe ways to “deal with” Mr. Fasfous. “Defame him,” the report said.

“If you’re not with them, you become an atheist, an infidel and a sinner,” Mr. Fasfous said. He acknowledged supporting protests and criticizing Hamas online, but said the people he was in touch with in Israel were Palestinians who owned food and clothing companies. He said he helped run their social media accounts.

The General Security Service’s goals are similar to those of security services in countries like Syria that have used secret units to quell dissent. The files of the General Security Service, though, mention tactics like censorship, intimidation and surveillance rather than physical violence.“This General Security Service is just like the Stasi of East Germany,” said Michael Milshtein, a former Israeli military intelligence officer specializing in Palestinian affairs. “You always have an eye on the street.”

Palestinians in Gaza live in fear and hesitate to express dissent, analysts said.

“There are a lot of people practicing self-censorship,” said Mkhaimar Abusada, a professor of political science from Gaza City. “They just don’t want problems with the Hamas government.”

That view clashes with the most strident comments of Israel’s leaders, like President Isaac Herzog, who blamed Gazans for not toppling Hamas before the Oct. 7 attacks.

“There’s an entire nation that is responsible,” he said. “This rhetoric about civilians were not aware, not involved, it’s absolutely not true. They could have risen up.”The General Security Service, the files show, also tried to enforce a conservative social order.

In December 2017, for example, the authorities investigated a tip that a woman was acting immorally with a man who owned a clothing shop. A security report noted that she visited the shop for an hour on one day, then more than two hours the next. The report presented no evidence of wrongdoing, but proposed that “relevant parties” address the matter.

An October 2016 report described young men and women performing unspecified “immoral acts” at a Palestine Liberation Organization office in Khan Younis at night. Hamas sees the Palestine Liberation Organization as a compromised entity, whose leader too often favors Israeli interests. The report offered no evidence of misdeeds but recommended summoning a man who claimed to be in possession of videos and pictures.

The files also show that Hamas was suspicious of foreign organizations and journalists.When Monique van Hoogstraten, a Dutch reporter, visited a protest encampment along the border with Israel in April 2018, the authorities noted the most banal of details. They noted the make and model of her car and her license plate number. They said she took pictures of children and tried to interview an elderly woman Ms. van Hoogstraten confirmed the reporting trip in an interview with The Times.

The file recommended further “reconnaissance” on journalists.

None of the files reviewed by The Times were dated after the start of the war. But Mr. Fasfous said the government remained interested in him.Early in the war, he said he took images of security forces hitting people who fought over spots in line outside a bakery. The authorities confiscated his camera.

Mr. Fasfous complained to a government official in Khan Younis, who told him to stop reporting and “destabilizing the internal front,” Mr. Fasfous recalled.

“I told him I was reporting on the truth and that the truth won’t hurt him, but that fell on deaf ears,” he said. “We can’t have a life here as long as these criminals remain in control.”AUTHORS

Adam Rasgon reports from Israel for The Times’s Jerusalem bureau. More about Adam Rasgon

Ronen Bergman is a staff writer for The New York Times Magazine, based in Tel Aviv. His latest book is “Rise and Kill First: The Secret History of Israel’s Targeted Assassinations,” published by Random House. More about Ronen Bergman

US-Regierung: Israel begeht keinen Völkermord in Gaza

WASHINGTON (dpa-AFX) – Die US-Regierung hat die israelische Führung vor Anschuldigungen in Schutz genommen, sie begehe im Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen einen Völkermord an Palästinensern. „Wir glauben nicht, dass das, was in Gaza geschieht, ein Genozid ist“, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Montag in Washington. „Wir haben diese Behauptung stets entschieden zurückgewiesen.“ Sullivan sagte, die USA hätten ihren Standpunkt zu dieser Frage auch vor dem Internationalen Gerichtshof schriftlich und detailliert dargelegt. Er betonte zugleich: „Wir glauben, dass Israel mehr tun kann und muss, um den Schutz und das Wohlergehen unschuldiger Zivilisten zu gewährleisten.“

Israel wird angesichts der großen Zahl an zivilen Opfern in Gaza von Kritikern vorgeworfen, im Kampf gegen die Hamas in dem Küstengebiet einen Genozid (Völkermord) zu begehen. Südafrika hatte Klage vor dem Internationalen Gerichtshof erhoben und Israel die Verletzung der Völkermord-Konvention vorgeworfen. Israel weist den Vorwurf entschieden zurück. Die Angriffe werden als Selbstverteidigung nach der Terrorattacke der Hamas und anderer Extremisten am 7. Oktober vergangenen Jahres gerechtfertigt, bei denen nach israelischen Angaben rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden waren. Im folgenden Krieg Israels gegen die Hamas wurden nach palästinensischen Angaben mehr als 35 000 Menschen getötet.

Auch die US-Regierung – und allen voran Biden – sind derzeit vielfach mit dem Vorwurf konfrontiert, durch die militärische Unterstützung für Israel Beihilfe zu einem Genozid zu leisten. Demonstranten unterbrechen öffentliche Auftritte des Präsidenten regelmäßig mit entsprechenden Parolen. Andere wiederum beklagen, dass Biden durch zunehmend scharfe Töne gegenüber Israel den wichtigen Verbündeten im Stich lässt. Die wachsende Kritik an Bidens Kurs von verschiedenen Seiten ist für den Präsidenten mitten im Wahljahr ein echtes Problem. Sullivan sah sich bei seinem Auftritt am Montag dazu bemüßigt, weit auszuholen zu einer allgemeinen Klarstellung von Bidens grundsätzlichen Positionen in dem Konflikt./jac/DP/he

Israelische Rechtsextremisten versuchen Hilfstransport aufzuhalten

TEL AVIV (dpa-AFX) – Eine Gruppe rechtsextremer israelischer Aktivisten hat am Montag laut Medienberichten versucht, einen Transport mit Hilfsgütern für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen aufzuhalten. Die Lastwagen seien am Grenzübergang zwischen dem südlichen Westjordanland und Israel aufgehalten worden, meldeten israelische und palästinensische Medien. Die Aktivisten hätten zudem Hilfsgüter von den Lastwagen gezogen. Die israelische Zeitung „The Times of Israel“ berichtete, vier der etwa hundert Aktivisten seien festgenommen worden. Bei dem Protest wurden den Berichten zufolge neun der Lastwagen beschädigt.

Sieben Monate nach Beginn des israelischen Militäreinsatzes gegen die islamistische Hamas sind nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA im Gazastreifen mehr als eine Million Menschen von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen und von Hunger bedroht. Das Welternährungsprogramm (WFP) hatte vor Hunger im Norden des in vielen Teilen zerstörten Küstenstreifens gewarnt. Dort schreite die Unterernährung bei Kindern mit großer Geschwindigkeit voran, hieß es in einem Bericht.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten. Sie töteten 1200 Menschen, nahmen 250 weitere als Geiseln und verschleppten sie in den Gazastreifen. Im folgenden Krieg wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 35 000 Palästinenser getötet, wobei die unabhängig kaum zu verifizierende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet. Die hohe Zahl ziviler Opfer und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung haben international scharfe Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst./czy/DP/men

Netanjahu: Israel im Existenzkampf gegen ‚die Hamas-Monster‘

TEL AVIV (dpa-AFX) – Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Gaza-Krieg als Kampf um die Existenz Israels bezeichnet. „Bei dem Krieg geht es darum: Es sind entweder wir, Israel, oder sie, die Hamas-Monster“, sagte Netanjahu am Montag bei der zentralen Zeremonie zum Soldatengedenktag auf dem Herzlberg in Jerusalem. „Entweder Existenz, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand oder Auslöschung, Massaker, Vergewaltigungen und Unterwerfung.“

Netanjahu sagte, Israel sei „entschlossen, in diesem Kampf zu siegen“. Der Feind werde „weiter einen hohen Preis für seine bösartigen Taten zahlen“.

Ein Sieg über die Hamas bedeute, alle Geiseln nach Hause zu bringen, sagte der Regierungschef weiter. Ein solcher Sieg werde „unsere Existenz und unsere Zukunft sichern“. Der Preis, den Israel dafür zahlen müsse, sei jedoch sehr hoch, sagte er mit Blick auf die vielen Toten sei dem 7. Oktober. Der Kampf um Israels Unabhängigkeit dauere an.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten. Sie töteten 1200 Menschen, nahmen 250 weitere als Geiseln und verschleppten sie in den Gazastreifen.

Im folgenden Krieg wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde vom Montag mehr als 35 000 Palästinenser getötet, wobei die unabhängig kaum zu verifizierende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet. Die hohe Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung haben international scharfe Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst.

Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums sind seit dem 7. Oktober mehr als 700 israelische Sicherheitskräfte getötet worden, darunter nach Militärangaben 620 Soldaten. Dies schließt die am Tag des Massakers selbst Getöteten und die während der Bodenoffensive Gefallenen ein, die drei Wochen später begann./le/DP/jha

Israels Verteidigungsminister: Krieg wird kommende Jahrzehnte prägen

TEL AVIV (dpa-AFX) – Der Ausgang des Gaza-Kriegs wird nach Einschätzung des israelischen Verteidigungsministers Joav Galant das Leben der Israelis in den kommenden Jahrzehnten bestimmen. „Dies ist ein Krieg ohne Alternative“, sagte Galant am Montag bei einer Ansprache zum Soldaten-Gedenktag in Israel. „Dies ist ein Krieg, der weitergehen wird, bis wir unsere Geiseln zurückbringen, die Herrschaft der Hamas und ihre militärischen Fähigkeiten zerschlagen und dem Staat Israel sein Gedeihen und Schaffen und seinen Bürgern das Lächeln auf ihren Gesichtern zurückgeben.“

Ziel sei es auch, dass rund eine Viertelmillion Israelis, die wegen des Kriegs die Grenzorte zum Gazastreifen und zum Libanon verlassen mussten, in ihre Wohnorte zurückkehren könnten.

Israel gedachte am Montag seiner Kriegstoten. Mehr als 25 000 Soldaten und jüdische Untergrundkämpfer wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums seit 1860 getötet. Die Zählung beginnt mit der Einwanderung der Juden ins Gebiet des heutigen Israel, also lange vor der Staatsgründung 1948. Im Gedenken an die Toten heulten am Montagvormittag landesweit zwei Minuten lang die Sirenen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten. Sie töteten 1200 Menschen, nahmen 250 weitere als Geiseln und verschleppten sie in den Gazastreifen. Im folgenden Krieg wurden nach palästinensischen Angaben rund 35 000 Palästinenser getötet, wobei die unabhängig kaum zu verifizierende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet.

Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums sind seit dem 7. Oktober mehr als 700 israelische Sicherheitskräfte getötet worden, darunter nach Militärangaben 620 Soldaten. Dies schließt die am Tag des Massakers selbst Getöteten und die während der Bodenoffensive Gefallenen ein, die drei Wochen später begann./le/DP/jha

Proteste gegen Rede von jüdischem Comedian Seinfeld an US-Uni

Bei einer Abschlussfeier an der Duke Universität im US-Bundesstaat North Carolina haben Studenten aus Protest gegen den jüdischen Comedian Jerry Seinfeld die Veranstaltung verlassen. Kurz vor einer Rede des 70-Jährigen im Football-Stadion der Universität in Durham seien Dutzende Zuschauer aufgestanden, berichteten US-Medien am Sonntag (Ortszeit). Während sie das Stadion verließen, hätten sie palästinensische Flaggen getragen und „Free, free Palestine“ skandiert.

Auch Buhrufe waren nach Angaben des Senders NBC zu hören, wobei nicht eindeutig war, ob sich diese auf die Proteste oder auf den Comedian bezogen. Seinfeld, dem bei der Veranstaltung am Sonntag eine Ehrendoktorwürde verliehen wurde, ging laut „New York Times“ in seiner anschließenden Rede nicht auf die Unterbrechung durch die Demonstrierenden oder den Gaza-Krieg ein.

Der 70-jährige New Yorker hatte nach dem Massaker der islamistischen Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober öffentlich seine Unterstützung für Israel bekundet. Im Dezember reiste er nach Angaben von US-Medien nach Israel, um Angehörige der von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Geiseln zu treffen. Auf die Frage nach den Gründen für seine Reise sagte er der Zeitschrift „GQ“: „Nun, ich bin Jude“.

In den USA gibt es seit Wochen Proteste an zahlreichen Universitäten gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg. Dabei geht es meist um die Forderung an Hochschulen und Unternehmen, finanzielle Beziehungen zu Israel zu kappen. Kritiker werfen insbesondere dem radikalen Teil der Bewegung Antisemitismus und die Verharmlosung der Hamas vor. Auch in Australien, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und anderen Ländern haben propalästinensische Gruppen Protestcamps an Universitäten errichtet.   © dpa

Propalästinensische Studenten buhen jüdischen Komiker Seinfeld an US-Uni aus (inkl. KURZVIDEO)

Jerry Seinfeld bekundete öffentlich seine Solidarität mit Israel. Bei der Feier an der Duke University wurde ihm ein Ehrendoktortitel verliehen, in seiner Rede sprach er nicht über die Lage im Nahen Osten

Durham – In den USA ist der beliebte jüdische Komiker Jerry Seinfeld bei einer Abschlussfeier einer renommierten Universität von propalästinensischen Studenten ausgebuht worden. Wie mehrere Beobachter in Onlinenetzwerken berichteten, verließen während der Zeremonie an der Duke University in Durham im US-Staat North Carolina am Sonntag mehrere Dutzend Besucher die von tausenden Studenten besuchte Feier. Mehrere Demonstranten trugen palästinensische Flaggen. … => KURZVIDEO …

Zum Weiterlesen:

Nach Demo: Altes AKH sperrt nachts Höfe

Nach dem Pro-Palästina-Camp am Gelände des Alten AKH greift man nun zu strengeren Sicherheitsmaßnahmen: Die kleineren Höfe werden nachts gesperrt, im Haupthof patrouilliert mehr Sicherheitspersonal. Grund dafür seien „Störaktionen und Beschädigungen“, heißt es

n der Nacht auf vergangenen Donnerstag hatte die Polizei das Pro-Palästina-Protestcamp auf dem Campus der Universität Wien geräumt, teils verließen die Demonstrantinnen und Demonstranten das Gelände des Alten AKH im Bezirk Alsergrund auch freiwillig. Nun zieht die Universitätsleitung Konsequenzen: Wie der „Kurier“ am Montag berichtete, bleiben die meisten Höfe des Campus bis auf Weiteres nachts geschlossen – konkret zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr.Der Haupthof des Unigeländes, in dem sich auch mehrere Lokale befinden, bleibt geöffnet – allerdings werde dort mehr Sicherheitspersonal eingesetzt. „Störaktionen und Beschädigungen erfordern derzeit zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen am Campus“, heißt es auf Schildern, die an den Toren angebracht sind. Unklar ist laut „Kurier“ derzeit, wie lange die Maßnahmen aufrecht bleiben.

Rasen des Haupthofes beschädigt

Die Wiese des Haupthofes zeigt auch deutlich, wo sich das Camp befunden hat. Laut dem Bericht ist der frische Rollrasen beschädigt – man gehe von einem Schaden von mindestens 5.000 Euro aus, die Prüfung sei allerdings noch nicht abgeschlossen, wird das Rektorat zitiert. Zudem wolle man prüfen, ob und an wem sich die Universität schadlos halten kann. Eine für Dienstag geplante öffentliche Diskussion zum Thema wurde abgesagt und findet nun als Lehrveranstaltung nur für Studentinnen und Studenten statt.

red, wien.ORF.at

Link:

Nach dem Pro-Palästina-Camp: Campus wird abends geschlossen – Kurier (ZAHLPFLICHT)

Nach der Räumung ist die Hälfte des Uni-Geländes am Alten AKH zwischen 22 und 6 Uhr komplett gesperrt. Auch mehr Sicherheitspersonal ist im Einsatz

Von Christian Mayr

Die Universität Wien greift nun zu drastischen Maßnahmen: Als Reaktion auf das in der Vorwoche von der Polizei geräumte Pro-Palästina-Camp werden ab sofort große Teile des Alten AKH nachts abgeriegelt.

Unter dem Motto „Campussicherheit für alle“ kündigt die Universitätsleitung auf Info-Tafeln die Sperre der Höfe 2, 3, 4, 5, 8 und 9 – das entspricht der Hälfte des Freizeit- und Uni-Areals – zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Früh an. Als Gründe sind „Störaktionen und Beschädigungen“ angeführt, die „zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen“ erforderlich machten. Zuletzt wurde schon rund um das Judaistik-Institut auf dem Campus eine Videoüberwachung installiert – eine Reaktion auf antisemitische Schmierereien (der KURIER berichtete). Der große Hof 1, also dort, wo das Camp war und sich Lokale befinden, bleibt zwar durchgängig offen – allerdings wird dort das Sicherheitspersonal aufgerüstet.

In einer Stellungnahme des Rektorats heißt es, dass „derzeit noch Maßnahmen zur Nachsicherung auf dem Campus durchgeführt“ werden – darunter fallen die „nächtliche Schließung der Höfe, aber auch verstärkter Einsatz von Sicherheitspersonal“. Offen ist, wie lange diese Regelung andauert und ob sie etwa bis Semesterende in Kraft bleibt. „Die Situation wird regelmäßig evaluiert, die Maßnahmen werden nur so lange wie nötig aufrechterhalten – im besten Fall nur noch wenige Tage“, heißt es. …

66 Millionen Euro erbeutet Bewaffnete plündern Bank in Gaza – 4.5.2024

Im Gazastreifen überfallen bewaffnete Gruppen offenbar mehrere Filialen der Bank of Palestine und erbeuten dabei umgerechnet 66 Millionen Euro. Die Täter sollen Verbindungen zur radikalislamischen Hamas haben.

Bewaffnete palästinensische Gruppen im Gazastreifen haben einem Medienbericht zufolge im vergangenen Monat aus Tresoren der Bank of Palestine umgerechnet rund 66 Millionen Euro gestohlen. Wie die französische Zeitung „Le Monde“ mit Verweis auf ein von der wichtigsten Bank im Gazastreifen an „bestimmte internationale Partner“ verschicktes Dokument berichtet, wurde das Geld aus mehreren Zweigstellen in der Stadt Gaza entwendet. Eine der Gruppen hat demnach mutmaßlich Verbindungen zur radikalislamischen Hamas.

Dem Bericht zufolge hatten Mitarbeiter am 16. April ein Loch in einem Tresor in einer Zweigstelle in Gaza entdeckt und festgestellt, dass israelische Schekel im Wert von 2,8 Millionen Euro fehlten. Laut „Le Monde“ kehrten die Gruppen am nächsten Tag in das Gebäude zurück, sprengten einen Zementkasten und entwendeten aus drei Tresoren Geld verschiedener Währungen im Wert von 29 Millionen Euro.

Laut den Aufzeichnungen der Bank wurde am 18. April die zweitgrößte Filiale in Gaza von einem Kommando überfallen, das sich als „höchste Behörde im Gazastreifen“ bezeichnete, womit die Palästinenserorganisation Hamas gemeint ist. Bei diesem Vorfall wurde dem Zeitungsbericht zufolge Geld im Wert von 33,6 Millionen Euro gestohlen. Auf Anfrage erklärte die Palästinensische Zentralbank (PMA), eine unabhängige Einrichtung, welche die Finanzinstitute in den palästinensischen Gebieten überwacht, im Laufe des heutigen Samstags eine Erklärung veröffentlichen zu wollen.

Die 1960 gegründete Bank of Palestine ist das wichtigste Finanzinstitut im Gazastreifen. Laut dem Artikel in „Le Monde“ hat die Bank seit Beginn des Krieges Schwierigkeiten, ihr Bargeld in Sicherheit zu bringen. Aber auch für die Bewohner im Gazastreifen ist es schwer, an Bargeld zu gelangen, da nur noch zwei Geldautomaten in Betrieb sind. Quelle: ntv.de, jki/AFP

OMRI BOEHM

Warum Omri Boehm mit seiner „Europa“-Rede aneckt – Der Standard, 7.5.2024

Die Dienstagabend auf dem Wiener Judenplatz stattfindende Veranstaltung stößt auf erbitterte Ablehnung nicht nur der Kultusgemeinde

Mit seiner heutigen „Rede an Europa“, die er auf Einladung der Festwochen auf dem Wiener Judenplatz hält, hat der Philosoph Omri Boehm bereits im Vorfeld heftige Kritik geerntet. Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), aber auch hochrangige Regierungspolitiker sehen mit der Abhaltung der Veranstaltung vor dem Wiener Shoah-Mahnmal dem Antisemitismus Tür und Tor geöffnet. Boehm tritt vehement für ein binationales Zusammenleben von Juden und Palästinensern in Israel ein. Hier die wesentlichen Fragen und Antworten zum Thema.

javascript:(function()%7breturn;%7d)() Frage: Warum gehen die Wogen wegen Omri Boehms „Europa“-Rede derart hoch?

Antwort: Der deutsch-israelische Philosoph vertritt die Auffassung, Israelis und Palästinenser sollten in einem gemeinsamen Staat zueinanderfinden: im Wege einer Föderation, die auf der Gleichheit und Gemeinsamkeit aller Staatsbürger beruht. Sie soll auf dem Gebiet von Israel vor 1967, dem Westjordanland und dem Gazastreifen etabliert werden. In seinem Buch Israel – eine Utopie plädiert Boehm obendrein für eine gemeinsame Gedenkkultur von Juden und Palästinensern. Die Erinnerung an die Shoah soll mit derjenigen an die Nakba, die Vertreibung der Araber aus Palästina, verknüpft werden. Boehms streng egalitaristische Argumentation wird im Gefolge des Massakers vom 7. Oktober 2023 von vielen Juden als unangemessen empfunden – darunter auch von führenden Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien.

Frage: Worin besteht die Kernaussage von Boehms Philosophie?

Antwort: Boehm steht in der Tradition der universalistischen Philosophie Immanuel Kants. Der in New York lehrende Denker weist Teilansprüche – etwa von identitätspolitisch Engagierten – zurück. Die verbriefte Teilhabe an der menschlichen Würde stellt die Menschen einander gleich.

Frage: Was wirft man den Wiener Festwochen vor?

https://923809ef4584e1f73d5009d207b5b283.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-40/html/container.html Antwort: Boehm hat mit Blick auf Israels Politik wiederholt das Wort „Apartheid“ verwendet. Er selbst will den Begriff ausdrücklich nicht mit dem südafrikanischen Apartheidsystem verglichen wissen. Die von ihm aufgesetzte „Rede an Europa“ wird am Dienstagabend auf dem Wiener Judenplatz gehalten. IKG-Präsident Oskar Deutsch empfindet die Ortswahl wegen Boehms angeblicher Relativierung der Shoah als Affront.

Frage: Womit ist am Abend zu rechnen?

Antwort: Der ehemalige IKG-Präsident Ariel Muzicant gab an, mit Eiern nach Boehm werfen zu wollen, wenn er denn nur 30 Jahre jünger wäre. Bereits vorher hatte die Einladungspolitik der heuer erstmals vom Schweizer Milo Rau geleiteten Wiener Festwochen Entrüstungsstürme hervorgerufen. In seinen „Rat der Republik“ hat das Festival Israel-Gegner und BDS-Unterstützer wie den griechischen Ex-Politiker Yanis Varoufakis und die französische Autorin Annie Ernaux eingeladen. Betitelt hat Omri Boehm seine Rede übrigens mit „Shadows of History, Spectres of the Present: The Middle East War and Europe’s Challenge“. Boehm erläuterte vorweg, er wolle seinen Föderationsgedanken mit Blick auf die Union vertiefen.

Frage: Wie verlief Omri Boehms erster Auftritt in Wien?

Antwort: Als der Philosoph mit Autor Daniel Kehlmann über das gemeinsam verfasste Kant-Buch Der bestirnte Himmel über mir am Montagabend im Volkstheater sprach, war etwas mehr Sicherheitspersonal vor Ort als üblich. Die beiden gingen nur kurz auf die schwelende Debatte ein. In Österreich werde „irgendwie alles zur Katastrophe oder zur reinen Lächerlichkeit“, zitierte Kehlmann Gerd Bacher – daran fühle er sich erinnert. IKG-Präsident Deutsch und dessen Vorgänger Muzicant versteht Kehlmann nicht. Jemand müsse ihnen gesagt haben, Boehm sei „so arg“. In Deutschland sei es üblich, dass man sich wenigstens etwas aus dem Werk der kritisierten Person „heraussucht“, gegen das man dann „Einspruch erhebt“. Hier aber fehlte Kehlmann ein Zitat oder ein klarer Verweis, wogegen man sei. „So geistlos muss nicht einmal Cancel-Culture sein“, beendete Kehlmann seinen Exkurs auf die „Farce“.

Frage: Ist Omri Boehm etwa antisemitisch?

Antwort: Boehm vertritt eine differenzierte Auffassung von der Geschichte des Zionismus, der man wiederum kritisch gegenüberstehen kann. Im Kern glaubt der Verfechter einer „Republik Haifa“ eben nicht an eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten, sondern propagiert eine „binationale Utopie“. Das Existenzrecht Israels steht laut Boehm in keiner Weise zur Diskussion. Die Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus, wie sie jetzt von einigen ÖVP-Politikerinnen und -Politikern vorgenommen wurde, scheint zumindest mit Rücksicht auf den jüdischen Denker Omri Boehm fragwürdig. (Ronald Pohl, Michael Wurmitzer, 7.5.2024)Zum Weiterlesen:

Wiener Festwochen: Holocaustrelativierung am Judenplatz? – Raimund Fastenbauer, MENA-Watch, 1.5.2024

Der in Israel weitgehend unbekannte, aber in Deutschland gern gesehene deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm wird am 7. Mai, dem Vorabend des Jahrestags der Nazikapitulation, im Rahmen der Wiener Festwochen seine »Rede an Europa« halten.

Die Sorge des jüdischen Kronzeugen gilt dabei nicht weniger als der Einheit Europas, die er bedroht sieht, da Deutschland – und wohl auch Österreich – mit seiner aus der »Verantwortung für den Holocaust« abgeleiteten Solidarität mit Israel quasi einen »Judenknax« (Dieter Kunzelmann) wegen des Nationalsozialismus habe, der das Land uneingeschränkt an die Seite des jüdischen Staates stelle. Dem gegenüber stünden EU-Länder wie Frankreich, die in ihrem Selbstverständnis vom »kolonialen Erbe« geprägt seien, wodurch es dort dann so etwas wie einen fortschrittlichen Postkolonialismus gebe, der die Unterstützung der Palästinenser zur Folge habe.

Vergessen des Holocaust

Die These von der Singularität oder Präzedenzlosigkeit der Shoah würde dahingehend instrumentalisiert, Deutschlands universalistische Verpflichtungen zu untergraben, sich gegen Unrecht und Unterdrückung weltweit einzusetzen. Stattdessen würde (allein) Israel bedingungslos unterstützt und jede Kritik daran mundtot gemacht werden: »Wir sollten uns der Tendenz widersetzen, Israel als einen gleichsam der Kritik enthobenen Staat zu behandeln, der nicht auf herkömmlicher, legitim zu hinterfragender und zu diskutierender Politik beruht, sondern auf einem quasi sakralisierten Holocaust-Gedenken«, schreibt Boehm in seinem Buch Israel – eine Utopie.

Ein besonderes Problem hat Boehm auch mit der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, weil der dort angeblich betriebene »Holocaust-Messianismus« den jüdischen Staat der Sphäre rationaler, universalistischer Politik enthebe, die er einklagt. Sein wichtigstes Thema ist nicht der Holocaust, sondern die »Nakba«, wobei ihn die »jüdische Nakba«, die Unterdrückung und Vertreibung der Juden aus islamischen Ländern, nicht weiter interessiert. Vielmehr geht es ihm um die palästinensische »Nakba« und damit um nicht weniger als um die Gründung des jüdischen Staates, den Boehm ablehnt.

Boehm will das, wie er sagt, »quasi sakralisierte Holocaust-Gedenken« auslöschen. Der Holocaust müsse »mit der Wurzel ausgerissen«, der »angstbasierte mythologische Holocaust-Messianismus« entsorgt werden. In diesem Zusammenhang spricht Boehm gerne von der »politischen Kunst des Vergessens« und will den Holocaust auf eine Stufe gestellt sehen mit einer von ihm behaupteten Katastrophe (»Nakba«), welche die Juden 1948 angeblich über die Araber Palästinas gebracht hätten. Um einen von ihm geforderten jüdisch-palästinensischen, binationalen und föderativen Staat aufbauen zu können, müsse »die Nakba« als »ein untrennbarer Teil der Geschichte des Holocaust« verstanden und beide vergessen werden, so Boehms Versuch einer Holocaustrelativierung und -verdrängung.

Laut der Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler gebe es zwar »für Antisemitismus bei den Wiener Festwochen keinen Platz«, aber man wolle dem Intendanten Milo Rau bei der Kuratierung und Programmierung keine Vorschriften machen. Und wenn dieser sich, wie in solchen Fällen seit Jahrhunderten üblich und beliebt, eines jüdischen Kronzeugen bedient, scheint es für die Verantwortlich überhaupt schwierig dagegenzuhalten.

Seltsame Seilschaften

Beim Postkolonialismus, dessen Narrative jemand wie Boehm mit seinem spezifischen Rekurs auf das koloniale bzw. anti- oder postkoloniale Erbe Frankreichs bedient, auch wenn der sich als universalistischer Kantianer verstehende Philosoph selbst nicht der Theorieströmung zurechnen würde, handelt es sich im Wesentlichen um eine nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus bei großen Teilen der Linken in Mode gekommene Schöpfung, der gemäß Jahrzehnten nach dem Ende des Kolonialismus die Welt manichäisch in zwei Teile eingeteilt wird, wobei der »weiße« Norden den als »schwarz« verstandenen »globalen Süden« ausbeute.

Israel wird, obwohl mehr als die Hälfte seiner Einwohner orientalische Juden sind, die aus arabischen Ländern in den jüdischen Staat geflüchtet sind, dem »weißen« Norden und dem »(Siedler-)Kolonialismus« zugerechnet. Dazu versuchen postkoloniale Theoretiker, ähnlich wie Boehm, Israel vom Holocaust zu trennen und vielmehr selbst als einen genozidalen Akteur darzustellen, was sie wiederum – nur scheinbar paradox – an die Seiten europäischer Rechter und Rechtsextremer bringt, die ebenfalls die Judenvernichtung loswerden wollen, weil sie ihren politischen Intentionen im Weg steht.

Während deutsche AfD-Politiker den Nationalsozialismus und damit auch die Judenvernichtung als »Vogelschiss« in der deutschen Geschichte bezeichnen, schreibt die sich als antirassistische Kämpferin gegen Islamophobie und Neokolonialismus bezeichnende franko-algerische Politaktivistin und Sprecherin der Parti des Indigènes de la République (PIR) in ihrem Buch Whites, Jews and Us: »Für den Süden ist die Shoah nichts weiter als ein kleines Detail.« Der Holocaust sei demnach eine eher unwesentliche, innerweiße Auseinandersetzung gewesen, wogegen dem jüdischen Staat ein »Genozid« an den Palästinensern vorgeworfen wird, dem bloß aus rassistischen Gründen keine Bedeutung zugeschrieben werde – weil er keine »Weißen« getroffen habe.

Hier ergibt sich eine weitere, nur auf den ersten Blick paradox anmutende Überschneidung: Der als links auftretende Postkolonialismus geht in diesem Fall gut mit dem klerikal-faschistischen Islamismus zusammen: Antisemitismus und die Entrechtung der Frauen sowie religiöser und sexueller Minderheiten werden nicht kritisiert, da einen das in das Lager des »weißen« Imperialismus bringe, der dem »globalen Süden« Vorschriften machen wolle, sondern als kulturelle Eigenart akzeptiert. Und der Terror der Hamas gilt laut Judith Butler als »Akt des bewaffneten Widerstands«; und damit quasi als – wenn auch vielleicht überzogenene – Notwehr gegen ›weißen Siedlerkolonialismus‹, ›rassistische Unterdrückung‹ und ›imperiale Fremdbestimmung‹.

Nur für Juden

Der britische Historiker Sebag Montefiore charakterisierte diese Denkform im November 2023 in der Neuen Zürcher Zeitung:

»Das Narrativ der Entkolonialisierung hat die Israeli zu einer Masse entmenschlicht, sodass ansonsten rationale Menschen die Barbarei entschuldigen, leugnen oder gar unterstützen. Das Narrativ besagt, dass Israel eine ›imperialistisch-kolonialistische‹ Macht ist, Israeli ›Siedlerkolonialisten‹ sind und die Palästinenser das Recht haben, ihre Unterdrücker zu beseitigen. Was das bedeutet, haben wir am 7. Oktober alle gelernt. Israeli werden als ›weiß‹ oder ›weiß-angepasst‹ und Palästinenser als ›people of colour‹ dargestellt. …

Im Zentrum der Entkolonialisierungsideologie steht die Einstufung aller Israeli, historisch und gegenwärtig, als ›Kolonialisten‹. Dies ist schlichtweg falsch. Die meisten Israeli stammen von Menschen ab, die zwischen 1881 und 1949 in das Heilige Land eingewandert sind. Sie waren nicht völlig neu in der Region. Das jüdische Volk hat tausend Jahre lang jüdische Königreiche regiert und im Jerusalemer Tempel gebetet und war dann in den folgenden zweitausend Jahren in geringerer Zahl immer wieder dort präsent.

Mit anderen Worten: Die Juden sind im Heiligen Land beheimatet, und wenn man an die Rückkehr von Menschen im Exil in ihre Heimat glaubt, dann ist die Rückkehr der Juden genau das. Selbst diejenigen, die diese Geschichte leugnen oder sie als irrelevant für die heutige Zeit betrachten, müssen anerkennen, dass Israel heute die einzige Heimat von neun Millionen Israeli ist. Die meisten leben dort seit vier, fünf oder sogar sechs Generationen.«

Viele der Palästinenser sind selbst Einwanderer: Jassir Arafat, der gerne erzählte, in der Altstadt Jerusalems oder Gaza geboren worden zu sein, wurde eigentlich in Kairo geboren, sein Chefverhandler Erekat stammte aus einer saudi-arabischen Familie. Personen wie die US-Vizepräsidenten Kamala Harris oder die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen Nikki Haley und andere, deren Eltern oder Großeltern aus Indien, Westafrika oder Südamerika in die Vereinigten Staaten eingewandert sind, würde niemand als »Siedler« bezeichnen, schreibt Montefiore weiter:

»Doch israelische Familien, die seit einem Jahrhundert in Israel leben, werden als ›Siedlerkolonialisten‹ bezeichnet, die aus diesem Grund verstümmelt und gar ermordet werden dürfen. Und entgegen der Ansicht der Hamas-Apologeten rechtfertigt die ethnische Zugehörigkeit von Tätern oder Opfern niemals Gräueltaten. Es ist bestürzend, dass es oft selbsternannte ›Antirassisten‹ sind, die jetzt genau dieses Morden nach ethnischer Zugehörigkeit rechtfertigen, manchmal gar befürworten. Die Linken sind der Meinung, dass Migranten, die vor Verfolgung fliehen, willkommen geheißen und ihnen erlaubt werden sollte, sich anderswo ein Leben aufzubauen.«

Genau das fordert die Linke heute in Europa für Asylsuchende und Migranten. Doch wenn auch fast alle Vorfahren der heutigen Israelis vor Verfolgung geflohen sind, soll eben diese Forderung für sie selbst nicht gelten. Juden würden, ginge es nach den Postkolonialisten, wieder rechtlos werden und zu einer bestenfalls geduldeten Minderheit in einem nur auf dem Papier »binationalen und föderativen« Staat.

Omri Boehm würde solch ein Szenario natürlich weit von sich weisen. Dass er sich mit dem Antisemitismus der Hamas im Besonderen und mit dem im Nahen Osten allgemein weit verbreiteten Judenhass nicht auseinandersetzen möchte und ausschließlich von den Bewohnern des jüdischen Staates Zugeständnisse fordert, zeigt aber, dass auch er bereit ist, eine solche Entwicklung in Kauf zu nehmen.

MILO RAU

Kritik an Israel verboten? In welcher Welt lebt Festwochen-Intendant Rau eigentlich? – MENA-Watch, 5.5.2024

In einem Kommentar für die österreichische Tageszeitung Kurier behauptet der Intendant der Wiener Festwochen, Milo Rau, gar wundersame Dinge.

Sehr geehrte Kurier-Redaktion,

in seinem Gastkommentar Die Bruchlinie verläuft mitten durch Europa am vergangenen Sonntag behauptete Milo Rau mit Blick auf Österreich und Deutschland, »Kritik an der Politik Israels (…) ist in beiden Ländern per Parlamentsbeschluss verboten«.

Das ist schlicht haarsträubender Unsinn: Der deutsche Bundestag und der österreichische Nationalrat haben zwar die Israel-Boykottbewegung BDS – völlig zu Recht – als antisemitisch eingestuft und dazu aufgerufen, ihr keine staatlichen Mittel zukommen zu lassen, aber weder BDS oder »Israel-Kritik« wurden damit verboten. In welcher Welt lebt Rau, wenn er solchen Unsinn behauptet? Hat er jemals österreichische oder deutsche Zeitungen gelesen?

Rau nahm darüber hinaus Yanis Varoufakis in Schutz, der die Hamas »klar und explizit verurteilt« habe. Auch das stimmt nicht: Tatsächlich hat Varoufakis in der angesprochenen Rede nur allgemein »jede Gräueltat« verurteilt, um gleich im Anschluss daran Terror gegen Israel als »bewaffneten Widerstand gegen ein Apartheidsystem« zu legitimieren und Israel selbst dafür verantwortlich zu machen, wenn Israelis bestialisch ermordet werden.

Von einer »klaren und expliziten« Verurteilung der Hamas durch Varoufakis kann also keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober hat er sich nicht nur nicht von der Hamas distanziert, sondern ausdrücklich festgehalten, dass er diese »niemals verurteilen« werde.

Mit freundlichen Grüßen,
Florian Markl
Mena-Watch – Der unabhängige Nahost-Thinktank

UKRAINE

Karte der Ukraine

n-tv aktuell UKRAINE

+++ 07:42 Wollen Russen nicht weiter vorrücken? US-Thinktank verwundert über Taktik bei Wowtschansk +++
Das relativ schnelle Vorrücken der russischen Streitkräfte in Wowtschansk und die gemeldete Zerstörung mehrerer Brücken über wichtige Wasserstraßen innerhalb der Siedlung lassen darauf schließen, dass die russischen Streitkräfte der Schaffung einer „Pufferzone“ Vorrang vor einem tieferen Vordringen geben, schätzt der US-Thinktank „Institute for the study of war“ ein. Das ISW hat bisher keine Bestätigungen dafür gefunden, dass russische Streitkräfte das südliche (linke) Ufer des Flusses Wowtscha in Wowtschansk oder dessen unmittelbarer Umgebung überschritten haben. Russische Streitkräfte haben am Sonntag insbesondere Brücken über die Wowtscha unmittelbar westlich und östlich von Wowtschansk angegriffen und am Montag damit begonnen, Brücken über den Fluss und Logistiklinien in Wowtschansk selbst ins Visier zu nehmen, sodass den ukrainischen Streitkräften angeblich nur noch zwei benutzbare Brücken über die Wowtscha in Wowtschansk zur Verfügung stehen. Es ist unklar, warum die russischen Streitkräfte vor allem Brücken ins Visier nehmen, die sie selbst zur Überquerung des Flusses Wowtscha und zur Sicherstellung einer stabilen Logistik für Offensivoperationen tiefer im Norden der Oblast Charkiw benötigen.

+++ 07:09 Sabotage durch Kreml-Gegner? Güterzug in Russland entgleist +++
In der russischen Region Wolgograd sind nach Angaben von russischen Nachrichtenagenturen Waggons eines Güterzugs entgleist. Die Waggons seien am Bahnhof Kotluban wegen des Eingreifens von „unbefugten Personen“ entgleist, meldet die Nachrichtenagentur TASS. In Russland hat es wiederholt Brände und Entgleisungen im Schienennetz gegeben. Russland hat für frühere Vorfälle die Ukraine und ihre Unterstützer verantwortlich gemacht.

+++ 06:37 Bilanz: 18 von 18 – Ukraine berichtet Abschuss aller russischen Drohnen +++
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben alle 18 in der Nacht von Russland abgefeuerten Angriffsdrohnen abgefangen. Die Drohnen seien über mehreren Regionen abgeschossen worden, unter anderem über der Region Kiew und den östlichen Regionen an der Front, teilt die Luftwaffe auf Telegram mit.

+++ 06:02 USA und Ukraine sprechen über weitere Militärhilfe für Kiew +++
Die Ukraine und die USA sprechen nach offiziellen Angaben über weitere Militärhilfen und die Lage an der Front. „Wir haben über die Lage an der Front und die Unterstützung gesprochen, die die Ukraine auf dem Schlachtfeld braucht“, schreibt Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj auf Telegram nach Gesprächen zwischen ihm, Verteidigungsminister Rustem Umerow und dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, Verteidigungsminister Lloyd Austin und Stabschef Charles Brown. Ausrüstung und Munition aus einem Hilfspaket im Wert von 61 Milliarden Dollar sind nach monatelangen Verzögerungen aufgrund von Streitigkeiten im Kongress bereits in der Ukraine eingetroffen.

+++ 05:00 Unangekündigter Besuch: US-Außenminister Blinken in Kiew eingetroffen +++
US-Außenminister Antony Blinken ist zu einem unangekündigten Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Er kam mit einem Nachtzug aus Polen an. Es ist Blinkens vierter Besuch in Kiew seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Unter anderem ist ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj geplant.

+++ 04:28 General im russischen Verteidigungsministerium verhaftet +++
Der im russischen Verteidigungsministerium für Personalfragen zuständige General Juri Kusnezow ist nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass wegen des Verdachts auf kriminelle Handlungen festgenommen worden. „Der Fall wird von der militärischen Hauptermittlungsbehörde des russischen Ermittlungskomitees untersucht“, zitiert Tass eine mit der Angelegenheit vertraute Person aus russischen Sicherheitskreisen. Die populäre Blogger-Website Rybar vermutet, die Ermittlungen könnten mit seiner früheren Tätigkeit im russischen Generalstab zusammenhängen, wo er mit Staatsgeheimnissen zu tun hatte. Präsident Putin hatte zuvor umfassende Änderungen im russischen Verteidigungsapparat vorgenommen, darunter die Entlassung und Versetzung von Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

+++ 02:17 USA: Russlands Umstellung der Verteidigungsspitze zeigt Putins „Verzweiflung“ über Krieg +++
Die Entlassung des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu zeigt aus Sicht der USA die „Verzweiflung“ von Präsident Wladimir Putin über die hohen Kosten des Kriegs in der Ukraine. Der Krieg gegen die Ukraine belaste die russische Wirtschaft stark, die russischen Truppen hätten schwere Verluste erlitten, sagt US-Außenamtssprecher Vedant Patel. „Unserer Ansicht nach ist das ein weiteres Anzeichen für Putins Verzweiflung, seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortzusetzen“, so Patel.

Putin entmachtet Schoigu Beloussow kann der Ukraine gefährlich werden

13.5.2024

+++ 21:34 Dänemark fordert von Europäern fünf bis sechs Patriot-Systeme für Ukraine +++
Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat andere europäische Staaten aufgefordert, dem deutschen Beispiel zu folgen und der Ukraine mehr Patriot-Luftabwehrsysteme zu liefern. „Wir brauchen fünf, sechs weitere Patriot-Systeme“, sagt sie in Stockholm. Diese Systeme stünden in Europa. Es sei derzeit besser, die Luftabwehrsysteme in der Ukraine zu haben als in den NATO-Ländern. Die Kämpfe mit den russischen Angreifern in der Ukraine gingen derzeit nicht in die richtige Richtung. „Die Ukrainer brauchen mehr“, sagt sie mit Blick auch auf Munition.

+++ 21:00 Großbanken im Euroraum haben Russland-Engagements deutlich verringert +++
Große Geldhäuser aus Ländern der Euro-Zone haben ihre Engagements in Russland laut Europäischer Zentralbank um mehr als die Hälfte verringert. Die EZB habe die Präsenz der Großinstitute dort genau überwacht, erklärt EZB-Chefbankenaufseherin Claudia Buch in einer Mitteilung zu einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. „Die Engagements scheinen sich ziemlich in Grenzen zu halten, und die direkten Engagements sind zwischen Ende 2021 und Ende 2023 um 55 Prozent zurückgegangen“, führt sie aus. Einige Banken hätten sich vollständig aus dem russischen Markt zurückgezogen.

+++ 20:33 Makeiev: „Russland will zweitgrößte Stadt der Ukraine vernichten“ +++
Während man sich in Kiew mit düsteren Aussichten bezüglich Charkiw zurückhält (siehe vorheriger Eintrag), tut der ukrainische Botschafter in Deutschland Oleksii Makeiev das nicht. Im Gespräch mit ntv erneuert er die Forderung nach mehr und schnelleren Waffenlieferungen. Hinter der aktuellen Angriffswelle auf Charkiw vermutet er nicht weniger als das Ziel, die Stadt vollständig auszulöschen.

Ukrainischer Botschafter Makeiev „Russland will zweitgrößte Stadt der Ukraine vernichten“

+++ 20:12 Kiew befürchtet keine russische Bodenoffensive auf Großstadt Charkiw +++
Die Ukraine befürchtet nach Angaben des neuen Sekretärs des Nationalen Sicherheitsrates keine russische Bodenoffensive auf die Großstadt Charkiw im Nordosten des Landes. „Im Moment dauern die russischen Aktionen im Grenzgebiet an“, sagt Oleksandr Lytwynenko der Nachrichtenagentur AFP in einem Interview. „Wir können sagen, dass wir keine Gefahr eines Angriffs auf die Stadt Charkiw sehen“, fügte er hinzu.

+++ 19:44 Ukraine meldet Zerstörung von russischem Munitionsdepot +++
Sorokyne im Osten der Ukraine ist seit 2014 von Russland besetzt. Aufnahmen aus der Gegend zeigen eine riesige Rauchsäule nach einer vorangegangenen Explosion. Laut ukrainischen Medien soll die von einem angegriffenen, russischen Munitionsdepot kommen.

In besetztem Frontort Sorokyne Ukraine meldet Zerstörung von russischem Munitionsdepot

+++ 19:00 So äußert sich der designierte neue Verteidigungsminister Russlands vor dem Parlament +++
Andrej Beloussow soll nach dem Willen von Wladimir Putin neuer russischer Verteidigungsminister werden. Dass er es wird, ist nur noch Formsache. In seiner Rede vor einem Ausschuss des russischen Parlaments am heutigen Montag ist der Krieg in der Ukraine zwar kein direktes Thema, aber Beloussow äußert sich zu verwandten Themen. Auf die Fragen der Abgeordneten verspricht er, die „übermäßige Bürokratie“ im Verteidigungsministerium abzubauen und sich um Wohnungen für Veteranen zu kümmern. Auch mit Korruption in seinem Haus wird Beloussow sich beschäftigen müssen. Ende April war ein stellvertretender Minister wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit festgenommen worden.

+++ 18:10 Wadephul: Austausch von Verteidigungsminister zeigt Russlands Kurs auf Kriegswirtschaft +++
Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Johann Wadephul bezeichnet den von Präsident Wladimir Putin verkündeten Austausch des russischen Verteidigungsministers als Zeichen für eine weitere Militarisierung des russischen Staates. „Putin verfolgt konsequent das Ziel, Russland zu einer Militärsupermacht in jeder Hinsicht zu formen“, sagt der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Das Land hat auf Kriegswirtschaft umgestellt. Dazu passt der neue Minister, der diesen Kurs als Ökonom weiter verfolgen soll.“

Putin entmachtet Schoigu Beloussow kann der Ukraine gefährlich werden

+++ 17:40 Estland will vorangehen und eingefrorenes russisches Vermögen an Ukraine geben +++
Estlands Regierungschefin Kaja Kallas begrüßt die Pläne der EU, der Ukraine die Zinserträge aus eingefrorenem russischen Vermögen zu übergeben. Dies bedeute, dass das von Russland angegriffene Land „wirkliche Mittel zum Kauf von Waffen“ erhalte, sagt Kallas nach einem Treffen der baltischen Ministerpräsidentinnen in Litauens Hauptstadt Vilnius. Zugleich fordert sie weitergehende Schritte: „Wir können hier nicht aufhören. Wir müssen einen Weg finden, auch die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu nutzen“. Russland verursache die Schäden in der Ukraine und sollte dafür zahlen müssen, betont Kallas. Estland selbst will in der Sache vorangehen und russisches Vermögen, das im Zuge der Sanktionen gegen Russland eingefroren wurde, an die Ukraine weitergeben. Dazu sei nach Angaben von Kallas von der Regierung ein entsprechender Gesetzesentwurf ausgearbeitet worden, der gegenwärtig von Parlament diskutiert werde.

Militär- und Finanzhilfe EU will Zinsen aus eingefrorenen Moskau-Geldern für Kiew ausgeben

+++ 17:05 Russland: vier Tote bei ukrainischen Angriffen in Grenzgebieten +++
In einem von Russland kontrollierten Teil der Ostukraine und in einer russischen Grenzregion sind laut russischen Angaben mindestens vier Menschen bei ukrainischen Angriffen getötet worden. Der von Russland eingesetzte Gouverneur der von Moskau besetzten ostukrainischen Region Luhansk, Leonid Pasetschnik, schreibt im Onlinedienst Telegram, Raketen hätten ein Industriegebiet in Krasnodon getroffen. „Wir wissen bereits von drei Toten und vier Verletzten.“ Die regionalen Behörden in der russischen Grenzregion Kursk erklären indes, dass bei einem ukrainischen Drohnenangriff auf mehrere Autos eine Frau getötet und drei weitere Menschen verletzt worden seien. Moskau und Kiew haben in den vergangenen Wochen ihre Luftangriffe auf die Grenzregionen der jeweils anderen Seite verstärkt.

+++ 16:31 Bundesregierung gegen NATO-Beteiligung an Luftabwehr in Ukraine +++
Die Bundesregierung erteilt Überlegungen zu einer NATO-Beteiligung an der Luftverteidigung der Ukraine eine Absage. Regierungssprecher Steffen Hebestreit verweist auf früher diskutierte Flugverbotszonen mit westlichem Einsatz in der Ukraine, gegen die man sich bereits ausgesprochen habe. Das gleiche gelte für die jetzt geäußerten Überlegungen. Medienberichten zufolge haben Politiker von CDU, FDP und Grünen Sympathie für eine Schutzzone im ukrainischen Luftraum gezeigt, die auch von NATO-Gebiet aus gesichert werden könnte. Hebestreit sagt, es gehe jetzt darum, die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken. Deutschland mache dies mit der Lieferung eines weiteren Patriot-Abwehrsystems. „Das sollte uns im Augenblick vor allem beschäftigen.“

Abwehr von NATO-Gebiet aus SPD lehnt Hilfe für ukrainischen Luftraum ab

+++ 16:00 Ukraine: Serie russischer Bombenanschläge, einige in Kiew, vereitelt +++
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben eine Reihe russischer Bombenanschläge vereitelt. Demnach habe Russland unter anderem Anschläge auf Baumärkte in der Hauptstadt Kiew und auf ein Rüstungsunternehmen in der westlichen Stadt Lwiw geplant gehabt, teilt die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft über die Messaging-App Telegram mit. „Nach dem Plan des russischen Geheimdienstes sollten die Sprengsätze während der Stoßzeiten in den Geschäften explodieren, um maximale Schäden unter der Zivilbevölkerung zu verursachen.“ Zwei russische Militäragenten seien wegen des Verdachts auf Beteiligung an dem mutmaßlichen Plan festgenommen und 19 Sprengsätze beschlagnahmt worden. Nach Angaben des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU waren vier Bombenexplosionen in Kiew am 9. Mai vorgesehen – dem Tag, an dem Russland den sowjetischen Sieg über Nazi-Deutschland im Jahr 1945 feiert. Auch die Ukraine beging den Gedenktag über Jahrzehnte am selben Tag, verlegte diesen aber infolge des Kriegs und als Annäherung an den Westen auf den Vortag. Nun gedenkt die Ukraine des Kriegsendes wie viele andere Länder am 8. Mai.

+++ 15:36 Epizentrum des Krieges verschiebt sich auf Kleinstadt +++
Der Krieg konzentriert sich derzeit auf die ukrainisch-russische Grenze. In der Metropolregion Charkiw muss die Bevölkerung aufgrund des dauerhaften Beschusses seitens Russlands zwangsevakuiert werden, im russischen Belgorod stürzt ein zehnstöckiges Wohnhaus ein. Von Waffenlieferungen fehlt indessen noch jede Spur.

Russland rückt weiter vor Epizentrum des Krieges verschiebt sich auf Kleinstadt

+++ 15:01 Habeck zu deutscher Unterstützung: „Wir haben nicht genug getan“ +++
„Wir haben nicht genug getan“, sagt Vize-Kanzler Robert Habeck mit Blick auf die deutsche Unterstützung für die Ukraine. „Andere können auch mehr machen“, so der Grünen-Politiker. Deutschland sollte aber nicht auf der Seite der Länder stehen, die zu wenig machten. Die Ukraine habe erkennbar einen Mangel an Rüstungsgütern, um sich zu verteidigen. Menschen könnten in dem Krieg auch sterben durch unterlassene Hilfsleistungen. Durch den „russischen Imperialismus“ gebe es in Europa derzeit ein massives Bedrohungsszenario.

Schwere Kämpfe im Nordosten Habeck: Deutschland macht für Ukraine zu wenig

+++ 14:30 Hamburg übergibt erste Minenräumfahrzeuge für die Ukraine – weitere sollen folgen +++
Hamburgs Innensenator Andy Grote übergibt symbolisch das erste von insgesamt vier Minenräumfahrzeugen an den ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev. Das Gerät soll ab Juni zur Entschärfung von Kampfmitteln in der Ukraine eingesetzt werden. Bis August sollen drei weitere Geräte folgen. „Die Verminung großer Teile der Ukraine gehört zu den größten Gefahren, die der Krieg für die Bevölkerung dort mit sich bringt“, sagt Grote. „Wir sind deshalb sehr froh, dass wir mit der Hamburger Expertise in der Kampfmittelräumung etwas dazu beitragen können, damit in der Ukraine weniger Menschen durch Minen sterben.“ Im Zuge des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine werden immer mehr Minen auf ukrainischem Territorium entdeckt. Ein Drittel der Landfläche der Ukraine soll inzwischen vermint sein. Betroffen ist nach ukrainischen Angaben eine Fläche von rund 174.000 Quadratkilometern. Viele der nicht explodierten Sprengsätze kosten Zivilisten, darunter auch Kindern, das Leben.

+++ 13:59 Cyberattacken innerhalb Deutschland nehmen ab – Russland dagegen immer aggressiver +++
Die Zahl der Cyber-Angriffe aus dem Ausland auf Einrichtungen und Personen in Deutschland ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser mitteilt, nahmen die Attacken, bei denen sich Täter im Ausland oder an einem unbekannten Ort aufhielten, 2023 um 28 Prozent zu. „Die Bedrohungslage im Bereich der Cybersicherheit bleibt hoch“, sagt Faeser bei der Vorstellung des Bundeslagebilds im Bundeskriminalamt in Wiesbaden. „Deshalb handeln wir so entschieden – national wie international.“ Im Inland stagnierte die Zahl der Straftaten den Angaben zufolge „auf hohem Niveau“ bei 134.407 Fällen, einem Minus von 1,8 Prozent im Vergleich zu 2022. Die Aufklärungsquote steigt mit 32 Prozent leicht. Das Bundeskriminalamt habe erfolgreich kriminelle Netzwerke zerschlagen, von denen Cyberkriminalität ausgehe, so Faeser. Aber: „Wir müssen den Schutz gegen die aktuellen Bedrohungen überall weiter hochfahren.“ Als Urheber von Cyber-Kriminalität nannte Faeser explizit Russland, auch im Zusammenhang mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine.

+++ 13:43 Freiwillig an die Front – Auto von Duma-Abgeordneten fliegt in die Luft +++
Ein regionaler russischer Abgeordneter soll am Wochenende Ziel eines Autobombenanschlags in der besetzten Ukraine geworden sein. Denis Kharitonow, Abgeordneter der Regierungspartei „Einiges Russland“ in der Duma für die südliche Region Astrachan, sagte Anfang des Jahres, dass er sich dem Militär angeschlossen habe und zum Einsatz an der Front geschickt worden sei. Am Wochenende veröffentlicht er auf Telegram ein Video, auf dem zu sehen ist, wie sein Auto im durch Russland besetzten Teil der Ukraine am Straßenrand brennt. „Ich benutze mein eigenes Auto, um Aufgaben in der Zone der speziellen Militäroperation zu erfüllen“, schreibt Kharitonow. „Heute ist [das Fahrzeug] bei einem anderen Einsatz explodiert und bis auf die Grundmauern niedergebrannt“. In sozialen Medien ist zu lesen, dass er sich zum Zeitpunkt des Anschlags im Auto befand, jedoch unverletzt blieb. Kharitonow selbst bestätigt dies nicht.

+++ 13:22 Frontverlängerung – „Russen können Vorteil ausspielen“ +++
Die Ukraine steht vor dem Eintreffen der US-Waffen unter enormem Druck, sagt Oberst a.D. Wolfgang Richter im ntv Ukraine-Talk. Eine russische Einnahme von Charkiw sei mit der Menge an eingesetzten russischen Soldaten jedoch nicht möglich. Das Ziel der Russen liege mutmaßlich aber ohnehin woanders, meint der Experte.

Gründe für Angriff auf Charkiw Frontverlängerung – „Russen können Vorteil ausspielen“

+++ 12:59 Lawrow: Wir nehmen es mit dem Westen auf, wenn er Truppen in die Ukraine schickt +++
Der amtierende russische Außenminister erklärt, Russland sei bereit, wenn der Westen auf dem Schlachtfeld für die Ukraine kämpfen wolle. Sergej Lawrow wird entsprechend von der staatlichen Nachrichtenagentur RIA zitiert, nachdem der Kreml letzte Woche eine ähnliche Warnung ausgesprochen hatte. Moskau erklärt, dass die Entsendung von NATO-Truppen in die Ukraine potenziell äußerst gefährlich wäre, und verfolge aufmerksam eine ukrainische Petition, die eine solche Intervention fordert.

+++ 12:36 Überfallartige Erfolge der Russen bei Charkiw – Ukraine wirft Kommandeur raus +++
Der ukrainische Kommandeur, der für die Front im Nordosten von Charkiw zuständig ist, wurde während der russischen Offensive abgelöst, wie ein Militärsprecher mitteilt. Nazar Woloschin sagt gegenüber RBC-Ukraine, dass die Entscheidung, Brigadegeneral Mykhailo Drapatyi auf den Posten zu setzen, am 11. Mai getroffen wurde. Gründe nennt er nicht. Wie die BBC berichtet, haben die russischen Streitkräfte in den letzten Tagen kleine, aber bedeutende Fortschritte entlang der Grenze in der Region Charkiw gemacht. Ihre Vorstöße sind nur wenige Kilometer tief, haben aber rund 100 Kilometer ukrainisches Gebiet verschlungen. Im stärker verteidigten Osten der Ukraine hat Russland Monate gebraucht, um das Gleiche zu erreichen.

+++ 12:12 Ukraine feuert fast 50 Mal auf russisches Gebiet – angeblich ohne Schäden +++
Russland meldet einen größeren ukrainischen Luftangriff. Die Luftabwehr habe 16 Raketen und 31 Drohnen zerstört, die in der Nacht von der Ukraine auf russisches Territorium abgefeuert worden seien, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau auf Telegram mit. Zwölf Lenkraketen seien über der an die Ukraine grenzenden Region Belgorod zerstört worden. Über der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim seien vier Marschflugkörper vom britischen Typ Storm Shadow sowie sieben Drohnen abgeschossen worden. In der russischen Grenzregion Kursk seien acht Drohnen und vier weitere in der Region Lipezk abgefangen worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

31 Drohnen angeblich zerstört Russland klagt über versuchten Terror des „Kiewer Regimes“

+++ 11:52 Rocklegende soll Frieden bringen – U2-Frontmann Bono soll für Konferenz werben +++
Der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andriy Yermak, traf sich online mit dem irischen Rockmusiker und U2-Sänger Bono. Dabei bat er ihn, die Idee des Weltfriedensgipfels, der am 15. und 16. Juni in der Schweiz stattfinden wird, zu unterstützen und Informationen darüber zu verbreiten, wie die Website des Präsidialamtes am Sonntag berichtet. „Sie können dabei helfen, denn Ihre Stimme ist bekannt und wird von Millionen von Menschen gehört, und sie ist lauter als die Stimmen vieler Politiker“, betonte der Leiter des Präsidialamtes. Das Gespräch fand sogar an Bonos Geburtstag statt, und er betonte, dass es sein größter Wunsch sei, dass die Ukraine frei bleibe. „Die Ukrainer sind wahre Helden. Sie stehen heute an der Spitze des Kampfes um die Freiheit für uns alle. Die Ukrainer haben einen unbezwingbaren Geist. Ein Geist, der nicht besiegt werden kann“, sagte der U2-Frontmann. Bono und Gitarrist The Edge kamen im Mai 2022 auf Einladung von Wolodymyr Selenskyj nach Kiew, um ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk zu bekunden.

+++ 11:20 War Taurus gestern? Deutsche Waffenschmieden entwickeln neuen Überschall-Marschflugkörper 3SM +++
Das norwegische Rüstungsunternehmen Kongsberg sowie die deutschen Waffenschmieden MBDA und Diehl Defence werden gemeinsam einen neuen Überschall-Marschflugkörper entwickeln. Das geben die Unternehmen unter anderem auf X bekannt. Auf der Website von Kongsberg heißt es zur Ankündigung, die Partnerschaft unter der Leitung von Kongsberg vereine die Stärken dieser Unternehmen und bringt jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung von Flugkörpern zusammen. Demnach soll ein hochmoderner, manövrierfähiger Langstrecken-Superschall-Lenkflugkörper für norwegische und deutsche Kunden sowie für künftige alliierte Kunden entwickelt werden. Thomas Gottschild, Geschäftsführer von MBDA Deutschland, sagt: „Wie wir in den letzten zwei Jahren gesehen haben, sind Abstandswaffen entscheidend für eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigung.“ „Gemeinsam werden wir mit 3SM etwas entwickeln, das keiner von uns allein entwickeln könnte“, ergänzt Helmut Rauch, Vorstandsvorsitzender von Diehl Defence.

+++ 10:51 Abfangquote bricht völlig ein: Ukraine schießt nicht mal jede zweite russische Rakete ab +++
Die Flugabwehr der Ukraine ist einem Bericht zufolge im vergangenen halben Jahr deutlich ineffizienter geworden. Nach Angaben des „Wall Street Journalswurden in den letzten sechs Monaten rund 46 Prozent aller durch Russland gefeuerten Raketen abgefangen. In den sechs Monaten zuvor waren es dagegen 73 Prozent. Im April lag die Abfangquote nochmals niedriger. Gerade 30 Prozent der russischen Raketen konnte die ukrainische Flugabwehr abschießen. Bei von Russland abgefeuerten Kamikaze-Drohnen ist die Quote deutlich höher, allerdings auch rückläufig. In den letzten sechs Monaten konnten dem Bericht zufolge 82 Prozent der Drohnen abschießen, im Sechsmonatszeitraum davor waren es 83 Prozent. Die Zahl russischer Raketen und Drohnen, die auf die Ukraine abgefeuert wurden, habe in den letzten sechs Monaten um 45 Prozent zugenommen. Der Ukraine fehlt es immer öfter an Munition für die Flugabwehr.

+++ 10:24 Explosion reißt riesiges Loch in russisches Wohnhaus +++
In der russischen Stadt Belgorod stürzt ein mehrstöckiges Wohnhaus teilweise ein. Mehrere Menschen sterben, mindestens 15 werden verletzt. Russland macht die Ukraine für den Angriff verantwortlich. Ein Überwachungsvideo zeigt eine Explosion am Gebäude und den folgenden Einsturz.

Video zeigt Vorfall in Belgorod Explosion reißt riesiges Loch in russisches Wohnhaus

+++ 09:54 Russische Armee rückt näher: Ukraine evakuiert Tausende Zivilisten aus Charkiw +++
In den vergangenen Tagen wurden 5762 Zivilisten im Gebiet Charkiw aus ihren Häusern gerettet und in Sicherheit gebracht, wie Gouverneur Oleh Syniehubov mitteilt. Russland hat seine neuen Offensivaktionen in Richtung Lyptsi und Wowtschansk seit Freitag deutlich intensiviert. Mehr als 30 Siedlungen in der Oblast Charkiw wurden etwa am Sonntag von russischer Artillerie und Mörsern beschossen, und die Stadt Wowtschansk wurde von „einer Reihe massiver Granateneinschläge“ getroffen, so Syniehubow. Bei den Angriffen wurden nach Angaben von Syniehubov neun Zivilisten in der Region verletzt.

NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE

ROUNDUP: Ukraine wehrt sich gegen Angriff bei Charkiw – Die Nacht im Überblick

KIEW (dpa-AFX) – Die Ukraine versucht, den großen neuen Angriff russischer Truppen im Grenzgebiet nahe der Millionenstadt Charkiw zurückzuschlagen. Russische Kräfte drangen am Montag bis zum Nordrand der Stadt Wowtschansk etwa 40 Kilometer nordöstlich von Charkiw vor. Der ukrainische Generalstab in Kiew stellte es so dar, dass die Gegend von Angreifern gesäubert werde. Der russische Militärblog Rybar berichtete, die russischen Einheiten hätten sich dort festgesetzt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, die Ukraine müsse alles daran setzen, eine Ausweitung der Front zu verhindern. „Unsere Aufgabe ist klar: den Versuch Russlands zu vereiteln, den Krieg auszuweiten“, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. Die Nacht auf Dienstag begann für die Ukraine mit russischen Drohnenangriffen vor allem im Süden, wie die Luftwaffe mitteilte.

Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab. Angesichts der Verschlechterung der Lage für die Ukraine sagten Deutschland und die nordischen Länder der Ukraine weitere Waffenlieferungen zu.

Ukraine gruppiert Truppen um

Selenskyj und der Generalstab nahmen für die Verteidiger in Anspruch, die Lage unter Kontrolle zu haben. In der seit vergangener Woche angegriffenen Grenzregion bei Charkiw gebe es Gegenangriffe, sagte der Präsident am Montag in Kiew. „Das Gebiet ist verstärkt worden.“ Die Führung lasse auch andere Frontabschnitte nicht aus dem Auge. „Natürlich lassen wir die Gebiete um Donezk nicht ohne die nötige Unterstützung und den nötigen Nachschub, nämlich in Richtung Kramatorsk und Pokrowsk.“ Nach Einschätzung von Militärexperten ist ein Ziel des neuen russischen Angriffs, die Ukraine zum Abziehen von Truppen an anderen bedrohten Frontabschnitten im Osten zu zwingen.

„Die ukrainischen Soldaten fügen dem Feind Verluste zu, erobern ihre Stellungen zurück und erzielen in einigen Gebieten taktische Erfolge“, hieß es im Bericht des Generalstabs. Im Laufe des Tages habe es an der Front im Osten und Süden 140 Gefechte gegeben. Selenskyj bestätigte Militärangaben, dass im Gebiet Donezk ein russischer Kampfjet vom Typ Su-25 abgeschossen worden sei.

US-Institut kritisiert Beschränkungen beim Waffeneinsatz

Der neue russische Angriff werde der Ukraine in den kommenden Monate große Probleme bereiten, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in einer Analyse.

Der Experte George Barros kritisierte in der Analyse das Verbot von Washington, dass die Ukraine gelieferte Waffen aus den USA nicht gegen russisches Gebiet einsetzen dürfe. Dies schränke die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine ein. Für die russische Armee schaffe es dagegen eine Art Reservat, in dem sie ungehindert ihre Angriffe vorbereiten könne. Die russische Luftwaffe könne ungehindert aus eigenem Luftraum Gleitbomben auf die Großstadt Charkiw abschießen. Die USA und Deutschland haben Beschränkungen verhängt, weil sie hoffen, dass sich so eine Eskalation mit Russland vermeiden lässt.

Neue Rüstungszusagen aus dem Norden

Angesichts der russischen Offensive im Nordosten der Ukraine sagten Deutschland und die nordischen Länder weitere Waffen zu. „Wir sind geeint in unserer Unterstützung für die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen den russischen Angriff“, versicherte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Treffen mit den Regierungschefs von Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen und Island in Stockholm. „Wir werden die Ukraine weiter unterstützen – so lange wie nötig.“

Finnlands Regierungschef Petteri Orpo sagte, die Lage auf dem Schlachtfeld sei kritisch und es sei an der Zeit, zu reagieren und mehr zu tun. „Wir wollen kein neues Mariupol in Charkiw sehen. Deshalb muss jedes einzelne Land im Westen, in der Europäischen Union sofort alles tun, was es kann.“ Konkrete neue Zusagen etwa für mehr Patriot-Flugabwehrsystemen gab es bei dem Treffen aber nicht. Die Bundesregierung versucht derzeit, weitere Patriot-Luftabwehrsysteme für die Ukraine zu organisieren.

Berlin schraubt Erwartungen an Friedenskonferenz herunter

Scholz dämpfte die Erwartungen an die Ukraine-Friedenskonferenz im Juni in der Schweiz. „Da sollte niemand überhöhte Erwartungen haben: Wir verhandeln dort nicht über das Ende des Krieges“, sagte Scholz dem „Stern“. „Bestenfalls ist es der Einstieg in einen Prozess, der zu direkten Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland führen könnte. Es wird in der Schweiz um die Sicherheit von Atomkraftwerken gehen, über Getreideexporte, über die Frage von Gefangenenaustausch und über das nötige Tabu, was einen Einsatz von Atomwaffen angeht. Noch mal: Das ist alles noch ein zartes Pflänzchen.“

Über das Engagement der Europäer im Ukraine-Krieg zeigte sich der Sozialdemokrat nach seinen Appellen für mehr Waffenlieferungen enttäuscht. Es sei „offen gesagt noch nicht genug“, resümierte er. „Das ist bedrückend, denn die Ukraine braucht dringend weitere Luftverteidigungssysteme. Putin will offensichtlich die Infrastruktur der Ukraine zerstören.“/fko/DP/zb

WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN

dts Nachrichtenagentur

14.05.2024 | 07:42

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Scholz dämpft Erwartungen an Ukraine-Friedenskonferenz

Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rechnet nicht mit Durchbrüchen bei der im Juni anstehenden Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz. „Da sollte niemand überhöhte Erwartungen haben: Wir verhandeln dort nicht über das Ende des Krieges“, sagte Scholz dem „Stern“.

„Bestenfalls ist es der Einstieg in einen Prozess, der zu direkten Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland führen könnte. Es wird in der Schweiz um die Sicherheit von Atomkraftwerken gehen, über Getreideexporte, über die Frage von Gefangenenaustausch und über das nötige Tabu, was einen Einsatz von Atomwaffen angeht. Nochmal: Das ist alles noch ein zartes Pflänzchen.“

Über das Engagement der Europäer im Ukraine-Krieg zeigte sich der Sozialdemokrat auch nach seinen Appellen für mehr Waffenlieferungen enttäuscht. „Leider gibt es längst noch nicht genügend Nachahmer. Das ist bedrückend, denn die Ukraine braucht dringend weitere Luftverteidigungssysteme. Putin will offensichtlich die Infrastruktur der Ukraine zerstören.“

Deutschland und nordische Länder bekräftigen Unterstützung für Ukraine

STOCKHOLM (dpa-AFX) – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat gemeinsam mit den nordischen Regierungschefs der Ukraine weitere Unterstützung zugesichert. „Wir sind geeint in unserer Unterstützung für die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen den russischen Angriff. Wir werden die Ukraine weiter unterstützen – so lange wie nötig“, sagte Scholz in Stockholm am Montag nach einem Treffen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten von Schweden, Dänemark, Finnland, Island und Norwegen.

Deutschland habe der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 Waffen im Wert von 28 Milliarden Euro zukommen lassen oder zugesagt, sagte Scholz weiter. „Das ist recht viel.“ In diesem Jahr seien es militärische Hilfen im Wert von mehr als sieben Milliarden Euro – das sei europaweit der größte Beitrag. „Wir haben geliefert und wir werden liefern“, versicherte der Kanzler mit Blick auf die bereits versprochenen Militärhilfen. Zugleich wies er erneut darauf hin, dass Deutschland der Ukraine gerade eine dritte Patriot-Batterie zur Flugabwehr zur Verfügung gestellt habe.

Die Entscheidungen, der Ukraine weitere Lieferungen zukommen zu lassen, wie etwa Patriot-Systeme aus Deutschland, seien essenziell, bekräftigte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. „Das sind sehr wichtige Lieferungen, aber wir müssen noch mehr tun, wir müssen die Ukraine weiter unterstützen, damit sie sich selbst und den Rest Europas verteidigen kann“, sagte Frederiksen bei der Pressekonferenz.

Der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson habe am Montag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen, unter anderem zum Thema Patriot. „Wir haben bereits Teile der Luftverteidigung übernommen und werden dies auch weiterhin tun. Wie genau und in welchem Umfang, wird zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben.“

Die Lage auf dem Schlachtfeld sei kritisch und es sei an der Zeit, zu reagieren und mehr zu tun, sagte auch Finnlands Regierungschef Petteri Orpo. „Wir wollen kein neues Mariupol in Charkiw sehen. Deshalb muss jedes einzelne Land im Westen, in der Europäischen Union, sofort alles tun, was es kann.“

Der Kanzler und die nordischen Regierungschefs betonten, dass die EU- und Nato-Staaten nun geeinter denn je seien – womit der russische Aggressor nicht gerechnet habe. Der Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato mache das Militärbündnis stärker und gebe allen Mitgliedsländern mehr Sicherheit, sagte Scholz.

Die Regierungschefs besuchten mit dem Kanzler auch den Technologiekonzern Ericsson. Am Dienstag wird Scholz seinen Schweden-Besuch fortsetzen und Ministerpräsident Ulf Kristersson zu einem bilateralen Gespräch treffen./mee/DP/he

Estland will eingefrorenes russisches Vermögen an Ukraine weitergeben

VILNIUS (dpa-AFX) – Estlands Regierungschefin Kaja Kallas hat die Pläne der EU begrüßt, der Ukraine die Zinserträge aus eingefrorenem russischen Vermögen zu übergeben. Dies bedeute, dass das von Russland angegriffene Land „wirkliche Mittel zum Kauf von Waffen“ erhalte, sagte Kallas am Montag nach einem Treffen der baltischen Ministerpräsidentinnen in Litauens Hauptstadt Vilnius. Zugleich forderte sie weitergehende Schritte: „Wir können hier nicht aufhören. Wir müssen einen Weg finden, auch die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu nutzen“. Russland verursache die Schäden in der Ukraine und sollte dafür zahlen müssen, betonte Kallas.

Estland selbst will in der Sache vorangehen und russisches Vermögen, das im Zuge der Sanktionen gegen Russland eingefroren wurde, an die Ukraine weitergeben. Dazu sei nach Angaben von Kallas von der Regierung einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausgearbeitet worden, der gegenwärtig von Parlament diskutiert werde. „Wir haben versucht, es so unangreifbar wie möglich zu machen, um es nutzen zu können“, sagte die estnische Regierungschefin. Dabei müsse man natürlich kreativ sein und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit wahren.

„Wir haben unseren Gesetzesentwurf auch mit unseren baltischen Kollegen und anderen Kollegen außerhalb geteilt“, sagte Kallas und äußerte die Erwartung, dass auch andere Länder auf europäischer Ebene dem Vorstoß Estland folgen werden. Viele EU-Mitgliedsstaaten zeigten sich bislang allerdings aufgrund rechtlicher Bedenken und wahrscheinlichen Vergeltungsmaßnahmen Russlands zurückhaltend./awe/DP/men

Analyse: Schoigu-Abgang: Putin verstärkt Kriegswirtschaft

Mit dem Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums von dem seit 2012 im Amt befindlichen gelernten Bauingenieur Sergej Schoigu zu dem Ökonomen Andrej Beloussow will der russische Präsident Wladimir Putin offenbar die Kriegswirtschaft im Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter stärken und ausbauen, wie internationale Medien am Montag schreiben. Auch die „nächste Generation“, die Putins Erbe weiterführen soll, scharrt schon in den Startlöchern.

Die Wahl des neuen Verteidigungsministers signalisiere Putins Wunsch nach einem Verteidigungsminister, der eine strenge Kontrolle über die enormen Erhöhungen der Militärausgaben zur Finanzierung des Angriffskrieges gegen die Ukraine habe, so die „Washington Post“ am Montag. Von Beloussow erhoffe man sich im Kreml auch eine Eindämmung der weit verbreiteten Korruption im Verteidigungsministerium.

Der Ton der Ernennung, die am Sonntag eines viertägigen Feiertagswochenendes in Russland bekanntgegeben wurde, sei sorgfältig abgestimmt gewesen, um keine großen Veränderungen zu suggerieren oder gar eine Degradierung Schoigus zu signalisieren, so die „Washington Post“ weiter.

Industrie für Krieg bedeutsam

Vor wenigen Wochen war einer von Schoigus Stellvertretern, Timur Iwanow, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. Fachleute hatten das als Anzeichen von Machtkämpfen innerhalb des russischen Militär- und Sicherheitsapparats gewertet und als Beginn der nun erfolgten Ablöse Schoigus gesehen.

Laut „Washington Post“ („WP“) zeigt der Fall auch die neue Notwendigkeit, Korruption zu bekämpfen, die in Russland lange geduldet wurde, um sicherzustellen, dass wichtige militärische Ressourcen die Front überhaupt erreichten, so die Zeitung. Die „New York Times“ etwa stößt ins selbe Horn. Indem er einen Ökonomen als Verteidigungsminister einsetze, erkenne Putin die Bedeutung der Industrie für einen möglichen militärischen Sieg in der Ukraine an.

Vorbereitung auf Konfrontation mit NATO?

Die Einschätzung des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) in Washington zeigt ebenfalls in diese Richtung. Die Umbesetzung auf höchster Ebene deute stark darauf hin, dass Putin bedeutende Schritte zur Mobilisierung der russischen Wirtschaft und der Verteidigungsindustrie unternehme, um damit den langwierigen Krieg in der Ukraine besser zu unterstützen. Laut ISW könnte der Schritt auch gemacht worden sein, um sich auf eine zukünftige Konfrontation mit der NATO vorzubereiten.

Wirtschaftsflügel vs. Sicherheitsapparat

Beloussows fast zehnjährige Amtszeit als Wirtschaftsminister und seine neuere Beteiligung an der Leitung verschiedener Innovations- und Drohnenprojekte hätten ihn gut auf die Leitung des angeschlagenen Verteidigungsministeriums vorbereitet, so die Einschätzung des ISW. Dass sich Putin für einen Vertreter des Wirtschaftsflügels in der russischen Führung entschied und nicht für einen Angehörigen des mächtigen Sicherheitsapparats, gilt dennoch als Überraschung.

Schoigu bekommt Patruschew-Posten

Schoigu soll nun Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates werden; diesen Posten hat bisher Nikolai Patruschew bekleidet. Patruschews neue Verwendung werde in Kürze bekanntgegeben, hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Sonntag erklärt.

Patruschew ist ein noch längerer Weggefährte Putins als Schoigu. Patruschew und Putin kennen einander seit den 1970er Jahren und sollen bereits in St. Petersburg, damals noch Leningrad, zusammengearbeitet haben. Patruschew galt auch als De-facto-Leiter der unterschiedlichen russischen Geheimdienste.

Autorität überschritten?

Es wird erwartet, dass Patruschews nächste Position etwas über Putins weitere Absichten aussagen wird. Der Kreml könnte für Patruschew eine neue Rolle oder ein neues Amt festlegen, so das ISW, beispielsweise die Schaffung einer höherrangigen Position zur Leitung und informellen Führung der unterschiedlichen mächtigen Fraktionen im Kreml. Doch auch kremlnahe Quellen sind sich unsicher. So zitiert die „Washington Post“ am Montag Sergej Markow: „Niemand weiß, was mit Patruschew passiert“, so der Insider zu der Zeitung.

„Es gibt Gerüchte, dass er zum Leiter der Präsidialverwaltung ernannt werden könnte; oder vielleicht wurde er gefeuert“, so Markow weiter. Doch auch Patruschews Alter – er ist 72 – und sein Gesundheitszustand könnten Faktoren sein, zitiert die Zeitung Markow. Markow spekulierte auch darüber, dass Patruschew seine Befugnisse überschritten haben könnte.

Sammelbecken von „ehemaligen“ Schlüsselfiguren

Der Nationale Sicherheitsrat werde zunehmend „zu einem Sammelbecken für Putins ‚ehemalige‘ Schlüsselfiguren – diejenigen, die man nicht entlassen kann, für die es aber keinen Platz mehr gibt“, fasst Tatjana Stanowaja, Gründerin von R. Politik, einem russischen Politikberatungsunternehmen, das jetzt in Frankreich ansässig ist, die Vorgänge in der „Washington Post“ zusammen.

Der frühere Premierminister Dmitri Medwedew, der von 2008 bis 2012 den Arbeitsplatz mit Putin getauscht hatte, um die Amtszeitbeschränkung zu umgehen, fungiert etwa seit seiner Absetzung als Regierungschef im Jänner 2020 als stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrats. Auch Stanowaja glaubt, dass Putin mit Patruschew noch mehr vorhat. „Für Patruschew scheinen sie etwas Neues zu schaffen“, so Stanawaja.

Sohn als Personalreserve für Kreml-Ämter

Politisch könnte längerfristig auch Patruschews ältester Sohn in den Machtspielen des Kreml wichtiger werden, gilt er doch als Teil der „nächsten Generation“. Dmitri Patruschew ist seit 2018 Landwirtschaftsminister. Er ist wie der neue Verteidigungsminister Wirtschaftsexperte und arbeitete bereits im Ministerium für Transportwesen und im Außenministerium.

baue, ORF.at/Agenturen

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Analyse: Wie weiter, Russland? Putin verändert inneren Zirkel seines Machtapparates (inkl. Videos)

„Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen und deren Umsetzung ist“, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow Putins Entscheidung für einen Zivilisten an der Spitze des Verteidigungsministeriums.

Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine baut Kremlchef Wladimir Putin den bisherigen Machtapparat in Moskau um. Als ersten Schritt entließ der Präsident seinen engen Vertrauten Sergej Schoigu als Verteidigungsminister. 

Schoigus Nachfolger soll der bisherige Vize-Regierungschef Andrej Beloussow werden, wie die russische Staatsagentur Tass am Sonntag unter Berufung auf den Föderationsrat meldete. Dort waren Putins Vorschläge für die Zusammensetzung der neuen russischen Regierung eingegangen. 

Putin war erst vor wenigen Tagen für eine neue Amtszeit vereidigt worden.

„Innovationen“ für den Krieg in der Ukraine?

„Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen und deren Umsetzung ist“. So erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow Putins Entscheidung für einen Zivilisten an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Beloussow sei nicht nur Zivilbeamter, sondern habe auch viele Jahre erfolgreich in der Politik gearbeitet und Putin in Wirtschaftsfragen beraten. Er sei „zweifellos der beste Kandidat“, den Komplex der russischen Rüstungsindustrie auszubauen und neue Technologien einzuführen, wurde der Duma-Abgeordnete Sergej Gawrilow von Tass zitiert.

Über eine mögliche Entlassung des 68 Jahre alten Schoigu, der seit 2012 Verteidigungsminister war, war schon lange spekuliert worden. Vor wenigen Wochen war einer von Schoigus Stellvertretern, Timur Iwanow, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. Beobachter hatte das als Anzeichen von Machtkämpfen innerhalb des russischen Militär- und Sicherheitsapparats gewertet. Generalstabschef Waleri Gerassimow bleibe an seinem Platz, betonte Peskow. Die militärische Komponente im Verteidigungsministerium bleibe auch nach der Ernennung Beloussows unverändert.

Was wird aus der „grauen Eminenz“ Patruschew?

Schoigu soll nun Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates werden; diesen Posten hat bislang Nikolai Patruschew bekleidet. Patruschews neue Verwendung werde in Kürze bekannt gegeben, erklärte Peskow. Der 72-jährige Hardliner und ehemalige Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB, galt als „graue Eminenz“ im Kreml.

Schoigus 65 Jahre alter Nachfolger Beloussow war lange Jahre Putins Berater in Wirtschaftsfragen und bekleidete in den vergangenen Jahren verschiedene Posten in der Regierung. Unter anderem war der Wirtschaftsexperte im Jahr 2020 für mehrere Wochen kommissarischer Regierungschef, als Michail Mischustin mit einer Corona-Infektion ausgefallen war.

Lawrow in Krisenzeiten unentbehrlich

Außenminister Sergej Lawrow, über dessen mögliche Ablösung zuletzt ebenfalls spekuliert worden war, bleibt Leiter des Außenressorts. Das verlautete aus dem Föderationsrat, wie die Agentur Interfax berichtete. Der 74-Jährige ist bereits seit 2004 im Amt und damit einer der dienstältesten Außenminister weltweit. Der enge Vertraute Putins gilt als unentbehrlich für Russland in Krisenzeiten.

„Den Krieg beenden“?

Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps hat den abgesetzten russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu als verantwortlich für hunderttausende Tote und Verletzte im Ukraine-Krieg bezeichnet. „Sergej Schoigu hat mit einem illegalen Feldzug in der Ukraine über 355.000 Opfer unter seinen eigenen Soldaten und massenhaftes Leid unter der Zivilbevölkerung zu verantworten“, schrieb Shapps am Sonntagabend im Onlinedienst X nach Bekanntwerden von Schoigus Postenwechsel in der neuen russischen Regierung.

„Russland braucht einen Verteidigungsminister, der dieses katastrophale Erbe überwindet und den Krieg beendet“, schrieb Shapps und fügte mit Blick auf Russlands Staatschef Wladimir Putin an: „Aber alles, was sie bekommen werden, ist eine weitere Marionette Putins.“

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Analyse: Wirtschaftsexperte soll Kriegsmaschine am Laufen halten – Expertin: „Putin versteht nicht, wen er hier gestärkt hat“

Moskau. Als Wirtschaftsexperte soll Andrej Beloussow die russische Kriegsmaschine am Laufen halten – doch die Personalie birgt einige Risiken.

Obwohl es schon länger Gerüchte um die Zukunft von Verteidigungsminister Sergej Schoigu gab, seine Entlassung war dann doch ein Paukenschlag. Schoigus Nachfolger wird der 65-jährige Andrej Beloussow, ein Wirtschaftsexperte – und ein Zivilist, der schon Minister für wirtschaftliche Entwicklung und zuletzt Erster Stellvertretender Ministerpräsident war. Einen offiziellen Grund für die Entlassung Schoigus wurde nicht genannt. Er ist künftig Sekretär im russischen Sicherheitsrat, dessen Vorsitzender Präsident Wladimir Putin ist.

Der Kremlchef zielt mit der Regierungsumbildung allem Anschein nach langfristig darauf ab, auf Kriegswirtschaft einhergehend mit hohen Rüstungsausgaben umzustellen. In Zeiten eines neuen Kalten Krieges soll die Armee schlagkräftiger werden. Das kostet viel Geld, und es belastet die Volkswirtschaft. Doch Putin will die Fehler der ehemaligen Sowjetunion nicht wiederholen. Neben anderen Problemen führten immer höhere Rüstungsausgaben das Riesenreich in den Ruin. Putin will die Kosten im Griff behalten – zumal es innenpolitisch viele Probleme im Land gibt. Auch deren Lösung kostet Geld.

In der Armeeführung setzt Putin offenbar auf eine Art Doppelspitze. „Das Verteidigungsministerium muss absolut offen für Innovationen und die Einführung aller fortschrittlichen Ideen sein, um Bedingungen für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen“, sagt Kremsprecher Dmitri Peskow. Wohl deshalb fiel die Wahl auf den Wirtschaftsexperten Beloussow als Minister, während Waleri Gerassimow als Generalstabschef fürs eigentlich Militärische zuständig bleibt.

Putin plant im Krieg mit der Ukraine inzwischen langfristig

Beloussow studierte Wirtschaftswissenschaften, die Moskauer Lomonossow-Universität absolvierte er 1981 mit Auszeichnung. Fast 20 Jahre lang war er an der Russischen Akademie der Wissenschaften tätig. Dann der Wechsel in den öffentlichen Dienst. Er wurde Putins oberster Wirtschaftsberater und war seit 2020 Vize-Ministerpräsident. Im Juli 2022 wurde Beloussow auf die Sanktionsliste der EU gesetzt. Die Ernennung Beloussows deute darauf hin, dass Putin den Krieg in der Ukraine vor allem mit der Produktion in den Rüstungsbetrieben gewinnen wolle, sagt der Russland-Experte Alexander Baunow vom Carnegie Russia Eurasia Center.

„In seiner Denkweise ist das logisch, weil sich der wirtschaftliche Block in dem Krieg als effektiver erwiesen hat als der Sicherheits- und Militärapparat“, analysiert Baunow. Dass Generalstabchef Waleri Gerassimow im Amt bleiben soll, dürfte wohl nur daran liegen, dass die russische Armee unter seiner Führung in der Ukraine zuletzt erfolgreich war. Putin hatte an Schoigu und Gerassimow festgehalten, obwohl die Lage vor einem Jahr im Juni mit einem Aufstand des Chefs der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, eskaliert war.

Prigoschin hatte Schoigu massive Korruption, Führungsschwäche und Versagen im Krieg bescheinigt. Den Machtkampf mit der russischen Militärführung verlor Prigoschin, der im August wie die gesamte Wagner-Führung bei einem bislang nicht aufgeklärten Flugzeugabsturz ums Leben kam. Aber vergessen waren die Skandale um Amtsmissbrauch und Veruntreuung von Mitteln sowie Diebstahl in der russischen Militärführung nicht.

Russland: Mit Schoigu verbindet Putin eine enge Freundschaft

Als wichtigster Mann an der Seite Schoigus galt stets Generalstabschef Gerassimow. Beloussows Ernennung würde keinen Einfluss auf dessen Tätigkeit haben, betonte Kremlsprecher Peskow. „Was die militärische Komponente betrifft, so wird diese Ernennung in keiner Weise das aktuelle Koordinatensystem ändern, die militärische Komponente war schon immer das Vorrecht des Generalstabschefs, er wird seine Tätigkeit fortsetzen“, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax Putins Sprecher.

Ob Putin mit der Regierungsbildung klug gehandelt hat? Die Politikwissenschaftlerin Tatjana Stanowaja hat daran ihre Zweifel. „Die Ernennung von Sergei Schoigu zum Sekretär des Sicherheitsrats ist eine sehr umstrittene Entscheidung“, sagt sie. „Ich denke, dass Putin selbst nicht wirklich verstanden hat, wen er hier gestärkt und wen er geschwächt hat.“ Putin verbindet mit Schoigu eine enge Freundschaft, die beiden haben immer wieder auch zusammen demonstrativ Freizeit und Urlaub miteinander verbracht.

Putin hat Schoigu mit einer gesichtswahrenden Funktion betraut

Putin hatte an dem Minister trotz aller Niederlagen und Pannen besonders zu Beginn des Krieges festgehalten. Immer wieder hatte es Spekulationen um eine Ablösung gegeben. Aber Putin gilt seinen Freunden als treu. Dass er Schoigu nun zum Sicherheitsratschef macht, gilt auch als gesichtswahrende Lösung für den langjährigen Weggefährten. Und sie hat Vorteile für Putin, denn so sei es für den Kremlchef sicherer, meint Stanowaja. „Anscheinend beginnt der Sicherheitsrat damit, seinen Namen zu rechtfertigen: sich vor ehemaligen Schwergewichten zu schützen, die nirgendwo sonst angebracht sind, aber nicht weggeworfen werden können.“

Die Zukunft des einflussreichen bisherigen Sicherheitsratssekretärs Nikolai Patruschew bleibt indes vorläufig offen. Die künftigen Aufgaben des 72-Jährigen würden in den kommenden Tagen bekannt gegeben, erklärte Kremlsprecher Peskow. Auf Beloussows Posten als ersten Stellvertreter von Regierungschef Michail Mischustin wird demnach der bisher für die russische Kriegswirtschaft verantwortliche Minister Denis Manturow befördert.

Analayse: Putin entmachtet Schoigu Beloussow kann der Ukraine gefährlich werden

Wladimir Putin ernennt mit Andrej Beloussow einen Technokraten zum neuen russischen Verteidigungsminister. Er soll dafür sorgen, dass die enormen Militärausgaben für den Angriffskrieg in der Ukraine effizienter eingesetzt werden.  

Der Unterschied ist deutlich. Sergej Schoigu trägt gerne Uniform und ist mit so vielen Orden dekoriert, dass selbst nordkoreanische Offiziere neidisch werden könnten. Andrej Beloussow dagegen setzt auf schlichte Anzüge. Gemeinsam ist dem alten und dem neuen russischen Verteidigungsminister zwar, dass sie keinen militärischen Hintergrund haben. Für die Ukraine ist der Wechsel dennoch eine schlechte Nachricht.

Denn Russlands Präsident Wladimir Putin entfernt mit Schoigu einen Mann von der Spitze des Militärs, den sowohl russische Kriegsbefürworter als auch westliche Analysten für die zahlreichen Fehlschläge Moskaus vor allem zu Beginn der Invasion in der Ukraine mitverantwortlich machen. Durch den Ökonomen Beloussow als neuen Verteidigungsminister stärkt Putin den Fokus auf die wirtschaftlichen Ressourcen, die Russland braucht, um einen langen Krieg zu führen.

Putin will den Krieg mit der Waffenproduktion der Rüstungsindustrie gewinnen. „In seiner Denkweise ist das logisch, weil sich der wirtschaftliche Block in dem Krieg als effektiver erwiesen hat als der Sicherheits- und Militärapparat“, sagte Alexander Baunow, der jahrelang als politischer Analyst am Moskauer Carnegie-Institut gearbeitet hat und mittlerweile beim Carnegie Russia Eurasia Zentrum in Berlin leitender Wissenschaftler ist. Putins Strategie sei es, Druck auf die Ukraine nicht durch die Mobilmachung neuer Soldaten auszuüben, sondern durch die Kapazitäten des Rüstungskomplexes.

Beloussow ist Wirtschaftswissenschaftler. Er hat in der Sowjetunion Ökonomie studiert und hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin in verschiedenen Funktionen als Wirtschaftsberater gedient. Seit Januar 2020 ist er Vize-Regierungschef. Wie erfolgreich der „wirtschaftliche Block“ ist, zeigt sich etwa an der Notenbankchefin Elwira Nabiullina. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass Russland den westlichen Finanzsanktionen bisher weitgehend widerstanden hat.

Angeln mit Putin

Schoigu dagegen gehört zu den sogenannten „Silowiki“, den „Mächtigen“ des Geheimdienst- und Sicherheitsapparats, die Schlüsselstellungen in Politik und Wirtschaft besetzen. Er war viele Jahre Minister für Katastrophenschutz und erhielt dort seinen Rang als General, obwohl er keinen Militärdienst hinter sich hatte. 2012 wurde er Verteidigungsminister. Trotz zahlreicher Fehler und Rückschläge der russischen Armee bei ihrer Invasion in der Ukraine sowie der weitverbreiteten Korruption bei Rüstungsaufträgen war Schoigu nahezu unantastbar. Das lag vor allem an seiner Nähe zu Putin, der Loyalität sehr viel Wert beimisst. Beide Männer hatten mehrfach gemeinsam Urlaub in der Heimat Schoigus gemacht und sich beim Angeln fotografieren lassen.

Auch den Aufstand der Söldnertruppe Wagner von Jewgeni Prigoschin vor knapp einem Jahr überstand Schoigu. Dabei richtete sich die Meuterei explizit gegen den Verteidigungsminister und den Generalstabschef Waleri Gerassimow, denen Prigoschin Versagen vorwarf. Nach dem Zusammenbruch des Aufstands und dem Tod des Söldner-Führers bei einem Flugzeugabsturz war Schoigus Position gefestigt. Im April wurde jedoch sein Stellvertreter Timur Iwanow wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Damit deutete sich an, dass Schoigu bald seinen Posten räumen muss. Nun wird er Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats. Formell ist das ein Aufstieg. Doch Schoigu hat damit keine direkten Befugnisse mehr.

Während Russlands Armee in der Ukraine vorrückt, war für Putin der Zeitpunkt gekommen, den Verteidigungsminister auszutauschen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, dass die Ausgaben für das Militär inzwischen so hoch seien, dass sie von jemandem wie Beloussow kontrolliert werden müssten. Allein in diesem Jahr sollen dem Militär umgerechnet rund 117 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen. Fast ein Drittel des russischen Staatshaushalts geht in den Verteidigungshaushalt.

Beloussow gilt – im Gegensatz zu Schoigu und seinem Umfeld – als nicht korrupt. „Er ist absolut nicht korrumpiert“, zitiert die „Financial Times“ eine Person, die ihn seit Jahrzehnten kennt. „Beloussow … wird nicht so tun, als würde er die Armee wie ein General mit vielen Orden befehligen.“ Er sei ein Workaholic, den Putin sehr genau kenne. Der Sohn eines sowjetischen Ökonomen arbeitete in der Wissenschaft, bevor er 1999 in den Regierungsapparat wechselte. Er war Minister für wirtschaftliche Entwicklung, danach Wirtschaftsberater von Putin und zuletzt Vize-Ministerpräsident.

Angesichts der enormen Kosten versucht der Kreml, den Krieg auf eine wirtschaftlich tragfähige Grundlage zu stellen und die Verteidigungsausgaben effizienter für die Invasion in der Ukraine zu nutzen. Dazu soll Beloussow seinen Teil beitragen. Doch nicht nur das würde die Probleme der Ukraine vergrößern. Der neue Verteidigungsminister könnte den in Russland wegen Erfolglosigkeit kritisierten Gerassimow ablösen und einen fähigeren Mann an die Spitze des Generalstabs setzen. Quelle: ntv.de, mit dpa

Stühlerücken in Moskau Putin ersetzt Verteidigungsminister Schoigu – 12.5.2024, 20:29

Personalwechsel im Kreml. Präsident Putin baut nicht mehr auf die Dienste von Verteidigungsminister Schoigu. Ein Nachfolger steht schon bereit. Schoigu erhält eine neue Aufgabe.

Der russische Präsident Wladimir Putin schlägt nach Beginn seiner neuen Amtszeit Andrei Beloussow für das Amt des Verteidigungsministers vor. Das meldet die russische Agentur TASS aus dem Föderationsrat, wo Putins Vorschläge für die Zusammensetzung der neuen russischen Regierung eingegangen waren. Sergei Schoigu übt das Amt sei 2012 aus. Der 68-Jährige zählt zu den dienstältesten Ministern und Putins engsten Vertrauten. Beloussow fungiert bislang als Vize-Regierungschef und war lange Jahre Putins Berater in Wirtschaftsfragen.

Schoigu soll nun Sicherheitsratssekretär Nikolai Patruschew ablösen. Patruschew erhalte eine neue Aufgabe, hieß es aus Moskau. Der 72-jährige Hardliner, ehemalige Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB, gilt als „graue Eminenz“ im Kreml. An Außenminister Sergej Lawrow und Generalstabschef Waleri Gerassimow will Putin den Angaben zufolge festhalten. Die bisherige Regierung war verfassungsgemäß zurückgetreten, als Putin am Dienstag seine fünfte Amtszeit als Präsident angetreten hatte.

„Zweifellos der beste Kandidat“

„Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen und deren Umsetzung ist“, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow Putins Entscheidung für einen Wirtschaftsexperten an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Beloussow sei nicht nur Zivilbeamter, sondern habe auch viele Jahre erfolgreich in der Politik gearbeitet. Er sei „zweifellos der beste Kandidat“, den Komplex der russischen Rüstungsindustrie auszubauen und neue Technologien einzuführen, wurde der Duma-Abgeordnete Sergej Gawrilow von TASS zitiert.

Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) hatte bereits vergangene Woche spekuliert, dass Putin die Macht von Schoigu beschneiden könnte. Kurz zuvor war Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow aufgrund von Korruptionsermittlungen verhaftet worden. Berichten zufolge pflegten Schoigu und Iwanow ein enges Verhältnis. Beobachter werteten die Verhaftung als Anzeichen von Machtkämpfen innerhalb der russischen Führung. Schoigu stand wegen des schleppenden Kriegsverlaufs in der Ukraine immer mal wieder in der Kritik, besonders der im vergangenen Sommer gestorbene Söldnerchef Jewgeni Prigoschin hatte ihm schwere Vorwürfe gemacht.

Schoigu stammt aus der autonomen Republik Tuwa in Sibirien, die an der Grenze zur Mongolei liegt. Er war ab den 1990er Jahren Leiter des Zivilschutzes und später auch Gouverneur des Moskauer Umlands. Putin und Schoigu waren vor der russischen Invasion in der Ukraine 2022 auch abseits der Politik viel gemeinsam unterwegs: Der Minister begleitete den Präsidenten medienwirksam bei diversen Abenteuerreisen, wo beide zum Beispiel 2019 beim Wandern und Pilzesammeln in der sibirischen Taiga zu sehen waren. Zudem spielten die beiden Politiker regelmäßig im selben Team beim traditionellen Eishockey-Match am Roten Platz. Quelle: ntv.de, jpe/rts/dpa

MELDUNGEN

07:19PRESSESPIEGEL/Zinsen, Konjunktur, Kapitalmärkte, BranchenDow Jones News
MoScholz fordert mehr Hilfen für Ukraine und betont Bedeutung von 5G-TechnologieDow Jones News
MoÜBERBLICK am Abend/Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
MoHabeck: Sollten in kritischer Infrastruktur keine chinesische Technik habenDow Jones News
MoLindner: Kapitalmarktunion zentral für Wettbewerbsfähigkeit EuropasDow Jones News
MoÜBERBLICK am Mittag/Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
MoBooking.com unterliegt als „Gatekeeper“ strengeren EU-RegelnDow Jones News
MoBundesbank: Zahl der Banken sinkt 2023 etwas langsamerDow Jones News
MoÜBERBLICK am Morgen/Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
MoÜbernachtungszahlen steigen im März auf RekordwertDow Jones News
MoPRESSESPIEGEL/Zinsen, Konjunktur, Kapitalmärkte, Branchen METALLE – Nach einer langen Periode der Preisstabilität sind die Kurse der wichtigsten Industriemetalle im April sprunghaft gestiegen [was inflationstreibend wirken kann]. Die leichte Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar hat diesen Effekt noch verschärft. Der Industriemetallpreis-Index (IMP-Index) des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat im April um 9,5 Prozent zugelegt. Das ist der stärkste Anstieg seit März 2022. Damit geht eine lange Phase relativer Stabilität zu Ende. Seit über anderthalb Jahren pendelte der Index zumeist um die 500-Punkte-Marke. Hintergrund des jüngsten Preisanstiegs könnten höhere Nachfrageerwartungen [Metallbedarf für Munition und Waffen] bei begrenzten Angebotskapazitäten sein. (Börsen-Zeitung)

COMMENT: „Dr. Copper“ als Leitmetall der Metallwerte steigt ab dem Zeitpunkt der Aufhebung der republikanischen Blockade von Ukraine-Unterstützungen der USA. Zeitgleich erklärten sich einige Länder zu Hilfen für die Ukraine bereit, die zuvor stille hielten.
Dow Jones News

WEITERE MELDUNGEN

International: 75,9 Mio.: Zahl der Binnenvertriebenen auf Höchststand

Die Konflikte im Sudan und im Gazastreifen haben die Zahl der Binnenvertriebenen bis Ende 2023 einem Bericht zufolge weltweit auf einen Höchstwert steigen lassen. Er lag bei 75,9 Millionen Menschen, wie die Organisation Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) heute mitteilte.

Innerhalb von fünf Jahren sei die Zahl der Binnenvertriebenen um mehr als 50 Prozent gestiegen. Hauptursachen sind den Angaben zufolge Gewalt und Konflikte: Dadurch seien 68,3 Millionen Menschen vertrieben worden. Bei 7,7 Millionen Menschen seien Katastrophen der Grund. red, ORF.at/Agenturen

Gewalttätige Proteste gegen Frankreich in Neukaledonien

Im französischen Überseegebiet Neukaledonien ist es zu gewalttätigen Protesten von Unabhängigkeitsbefürwortern gekommen. Die Separatisten sind verärgert über eine geplante Verfassungsänderung der Regierung in Paris, die Tausenden französischen Wählern und Wählerinnen in dem Inselstaat im Südpazifik das Wahlrecht und somit mehr politischen Einfluss einräumen würde.

Speziell in Vororten der Hauptstadt Noumea kam es zu Demonstrationen und Zusammenstößen mit Sicherheitskräften, wie der öffentliche Sender 1ere Nouvelle-Caledonie heute berichtete. Mehrere Geschäfte und Autos gingen in Flammen auf. Augenzeugen berichteten in sozialen Netzwerken von Plünderungen und Festnahmen.

Schulen und öffentliche Dienste sollen in den nächsten Tagen geschlossen bleiben. Der französische Hochkommissar Louis Le Franc gab bekannt, dass mehrere Polizisten verletzt worden seien und er Verstärkung aus Paris angefordert habe.

Fronten verhärtet

Neukaledonien ist für Paris geopolitisch, militärisch und wegen des dortigen Nickelvorkommens von Bedeutung. Im vergangenen Jahr waren Gespräche über einen neuen Status des Überseegebiets wieder aufgenommen worden. Präsident Emmanuel Macron kündigte eine spezifische Verfassungsreform an. Paris hofft, in den kommenden Monaten ein neues Abkommen zu schließen – jedoch sind die Fronten verhärtet.

Bei Volksabstimmungen 2018, 2020 und 2021 stimmten die Menschen für einen Verbleib bei Frankreich. Die Unabhängigkeitsbewegung hatte das letzte Votum allerdings boykottiert und angekündigt, das Ergebnis nicht zu akzeptieren. Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken – Neukaledoniens Ureinwohner – hofft seit Langem auf einen eigenen Staat. red, ORF.at/Agenturen

MENA-Watch (8.5.2024)

MENA-Watch (1.5.2024)

Trotz Massenprotesten: Umstrittenes „russisches Gesetz“ von Ausschuss durchgewunken (inkl. Video)

In Georgien hat der Justizausschuss des Parlaments das umstrittene Gesetz nach russischem Vorbild zum ausländischen Einfluss durchgewunken.

Das umstrittene Gesetz, das den ausländischen Einfluss auf Organisationen – nach russischem Vorbild – einschränken soll, ist vom Justizausschuss durchgewunken worden.

Beobachtern zufolge könnte das Parlament das Gesetz schon an diesem Dienstag beschließen – trotz der Massenproteste in der georgischen Hauptstadt Tiflis am Wochenende.

Das umstrittene Gesetz hat die regierenden Partei Georgischer Traum vorgeschlagen. Wenn eine NGO oder eine Stiftung oder ein Unternehmen mehr als 20 Prozent des Budgets aus dem Ausland bekommt, muss sie sich als „unter Einfluss einer ausländischen Macht stehend“ registrieren lassen.  Damit soll der laut Regierung „schädliche“ ausländische Einfluss auf Georgiens Politik eingedämmt werden.

In Russland hat das Gesetz, auf das sich die georgische Regierung beruft, für das Ende zahlreicher Menschenrechtsorganisationen und kremlkritischer Medien gesorgt. Auch Oppositionspolitiker und Regierungskritiker wurden in Russland mit diesem Gesetz mundtot gemacht. 

Justizausschuss winkt Gesetz durch

Der Justizausschuss des georgischen Parlaments hat in dritter Lesung den Gesetzentwurf „über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ angenommen. Wie der Vorsitzende des Ausschusses zu Beginn der Sitzung erklärte.

Der Ausschuss-Vorsitzende Anri Okhanashvili stellte zu Beginn der Sitzung fest, dass die anwesenden Abgeordneten bei der dritten Lesung keine Fragen, Kommentare oder Meinungen zu dem Gesetzentwurf hatten. Sie nahmen den umstrittenen Vorschlag also ohne Diskussion an. Daher wurde die Sitzung etwa zwei Minuten nach ihrem Beginn schon wieder beendet.

Zuvor hatten Demonstrierende vor dem georgischen Parlament versucht, die Abgeordneten daran zu hindern, ins Parlament zu kommen. Die Opposition befürchtet, dass das Gesetz – ähnlich wie in Russland – dazu genutzt werden könnte, Regierungskritiker, Medien und Organisationen einzuschränken. Teilweise werden Kritiker jetzt schon vom Staat eingeschüchert

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und andere Politikerinnen und Politiker in Brüssel hatten das geplante Gesetz kritisiert und als unvereinbar mit den Beitrittskriterien der Europäischen Union bezeichnet.Georgien ist seit Dezember 2023 EU-Beitrittskandidat. Kritiker befürchten, das Gesetz könnte Georgiens Demokratie untergraben Georgiens EU-Beitritt gefährden.

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Proteste in Georgien: „Agentengesetz“ geht in nächste Runde

Seit mehr als zwei Monaten sorgt der Entwurf eines Gesetzes zur „ausländischen Einflussnahme“ in Georgien für heftige Proteste. Im März hatte die Regierung den Plan zunächst zurückgezogen, im April dann aber wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Noch in dieser Woche soll das „Agentengesetz“ im Plenum beschlossen werden. Kritiker und Kritikerinnen halten an den Protesten fest.

Nachdem am Montag der Gesetzesentwurf den Justizausschuss in dritter und finaler Lesung passiert hat, erfolgt am Dienstag die letzte Lesung im Plenum. Der Entwurf sieht vor, dass sich Organisationen, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, in Georgien behördlich registrieren lassen müssen. Die Pläne dafür gibt es schon länger, die Regierung will diese nun durchpeitschen. Es wird erwartet, dass die georgische Präsidentin Salome Surabischwili ein Veto gegen das Gesetz einlegen wird.

Das kann nach Angaben der Regierung vom Parlament überstimmt werden. Die Opposition wie auch die eher westlich ausgerichtete Zivilgesellschaft sehen in dem Gesetz Parallelen zum Gesetz gegen „ausländische Agenten“ in Russland. Dieses ermöglicht den dortigen Behörden, strikt gegen kritische Medien und Organisationen vorzugehen. Die von der Partei Georgischer Traum geführte Regierung verteidigt diesen Schritt als Stärkung von Transparenz und nationaler Souveränität. Die Partei tritt vor der für Herbst geplanten Parlamentswahl zunehmend autoritär auf.

Zigtausende auf den Straßen

Die Sicherheitsbehörden reagierten hart auf die Proteste der vergangenen Wochen, verbunden mit Drohungen und Einschüchterungen gegen Oppositionelle und bekannte Vertreter der Zivilgesellschaft. Auch am Montag griffen maskierte Polizisten vor dem Parlament in Tiflis brutal ein und verhinderten, dass der Eingang zum Parlament blockiert wurde. Berichten zufolge wurden 20 Menschen festgenommen – darunter auch zwei US-Bürger und ein Russe. Zum wiederholten Mal wurden die Proteste in der Nacht auf Dienstag fortgesetzt. Die Kritiker fürchten, dass ihr Land vom EU-Kurs abweicht.

Zuvor hatte Innenminister Vachtang Gomelauri im Fall einer Blockade des Parlaments mit Festnahmen gedroht. Schon am Samstag waren nach Reuters-Schätzungen rund 50.000 Menschen für Proteste auf der Straße, die Regierungspartei sprach von 18.000 Demonstrierenden. Auch Ministerpräsident Irakli Kobachidse kündigte an, dass seine Partei Georgischer Traum dafür sorgen werde, das Gesetz zu verabschieden. Der Gründer der Regierungspartei, Bidsina Iwanischwili, erklärte, das Gesetz diene der Sicherung von Georgiens Souveränität gegen westliche Mächte, die das Land in eine Konfrontation mit Russland hineinziehen wollten.

Der milliardenschwere Oligarch Iwanischwili mit engen Verbindungen nach Russland gilt als Drahtzieher im Hintergrund. Russland kontrolliert seit einem Krieg im Jahr 2008 die georgischen Regionen Abchasien und Südossetien, die in international nicht anerkannten Schritten ihre Unabhängigkeit von dem Kaukasus-Staat erklärt haben.

Zerrissen zwischen EU und Russland

Der Streit über das Gesetz gilt als richtungsweisend für das Land, das seit Dezember den Status eines EU-Beitrittskandidaten hat, und als Entscheidung, ob es weiter seine Beziehungen zu EU und NATO ausbaut oder die Fühler Richtung Russland stärker ausstreckt.

Vonseiten der EU gab es jedenfalls immer wieder Hinweise, dass die Integration Georgiens in die EU durch das Gesetz gefährdet werden könnte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sah Georgien erst kürzlich „am Scheideweg“. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte am Montag, dass das Gesetz nicht mit den grundlegenden Normen und Werten der EU übereinstimme. Kritik an dem Gesetzesvorhaben kam auch immer wieder vonseiten der UNO und der USA.

EU-Außenminister zeigen sich besorgt

In einem gemeinsamen Brief an Borrell und EU-Kommissar Oliver Varhelyi zeigten sich zwölf Außenminister der Europäischen Union sehr besorgt über die aktuellen Entwicklungen. Borrell wird darin gebeten, umgehend und vor der endgültigen Abstimmung mündlich über die Auswirkungen des vorgeschlagenen Gesetzes auf den EU-Beitrittsprozess des Landes zu informieren. Der Brief ist von den Chefdiplomaten Tschechiens, Dänemarks, Estlands, Finnlands, Frankreichs, Deutschlands, Irlands, Lettlands, Litauens, der Niederlande, Polens und Schwedens unterzeichnet.

Das Gesetz ist mit den Fortschritten Georgiens auf seinem Weg in die EU laut den Außenministern jedenfalls unvereinbar. „Dieses vorgeschlagene Gesetz ist ein weiteres Anzeichen für einen besorgniserregenden Rückschritt in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte in Georgien.“ Die europäische und euro-atlantische Integration des Landes werde durch die Regierung gefährdet.

red, ORF.at/Agenturen

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Wohnen in Europa: Wer wohnt zur Miete und wer hat ein Haus? Die Zahlen zur Wohnungskrise (inkl. zahlreichen instruktiven Schaubildern)

Deutschland und die Schweiz haben hohe Mietquoten. Im Gegensatz dazu weisen die Balkanländer höhere Wohneigentumsquoten auf, doch viele Wohnungen dort sind überfüllt.

Die Wohnungskrise ist in ganz Europa ein wachsendes Problem, das durch Wohnungsknappheit und eskalierende Mieten gekennzeichnet ist. Etwa 70 Prozent der EU-Bürger und -Bürgerinnen sind Eigentümer oder Eigentürmerin ihrer Wohnung, während die restlichen 30 Prozent zur Miete wohnen. Etwa 17 Prozent der EU-Bevölkerung leben in überfüllten Wohnungen.

In Europa ist die Wohnungslandschaft sehr unterschiedlich, mit einer großen Kluft zwischen Eigenheimbesitzern und Mietern. In acht von 36 europäischen Ländern lebten nach Angaben von Eurostat im Jahr 2022 mehr als 90 Prozent der Bevölkerung in ihren eigenen vier Wänden.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung mietet in Deutschland und der Schweiz

In Deutschland liegt der Anteil der Mieterinnen und Mieter im Jahr 2022 bei mehr als 50 Prozent und ist damit einzigartig unter den EU-Ländern. In der Schweiz ist der Anteil derer, die zur Miete wohnen, mit 57,7 Prozent am höchsten.

Wohneigentum ist in den Balkanländern höher

In Nordmazedonien, Albanien und Rumänien liegt die Wohneigentumsquote bei über 95 Prozent. Mit Ausnahme der Türkei war die Wohneigentumsquote in den Balkanländern höher – ein Trend, der sich auch auf Ungarn, Serbien, Kroatien und Montenegro erstreckt.

Im Gegensatz dazu liegen Länder wie Österreich, die Türkei, Dänemark, Frankreich, Schweden und das Vereinigte Königreich bei der Wohneigentumsquote unter dem EU-Durchschnitt von 69,1 Prozent.

Unter den „Großen Vier“ der EU weisen Spanien und Italien die höchsten Quoten auf. Dort leben drei von vier Einwohnern in ihren eigenen vier Wänden.

Öffentliche Maßnahmen und sozialer Wohnungsbau

Die europäischen Länder haben verschiedene politische Maßnahmen ergriffen, um bezahlbaren Wohnraum zu gewährleisten. Dazu gehören Wohngeld, soziale Mietwohnungen und Mietvorschriften.

Laut einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über erschwinglichen Wohnraum machen Sozialwohnungen im Durchschnitt 8 Prozent des gesamten Wohnungsbestands in der EU aus. Dabei handelt es sich um Mietwohnungen, die zu Preisen unterhalb des Marktniveaus zur Verfügung gestellt werden und nicht nach Marktmechanismen, sondern nach bestimmten Regeln vergeben werden.

Die Niederlande, Österreich und Dänemark haben den größten Anteil an Sozialwohnungen, die mehr als 20 Prozent des gesamten Wohnungsbestands ausmachen.

Großbritannien, Frankreich, Irland, Island und Finnland haben einen moderaten Anteil an Sozialwohnungen, der zwischen 10 Prozent und 19 Prozent liegt.

Relativ klein ist der Sektor in der Schweiz (8 Prozent) und in Deutschland (2,7 Prozent), wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung Mieter sind.

Haben Sie genug Platz in Ihrer Wohnung?

Die Qualität der Wohnung ist entscheidend. Die OECD weist darauf hin, dass sich überfüllte Wohnungen mit wenig Platz negativ auf die Gesundheit auswirken, insbesondere bei Kindern. Die durchschnittliche Anzahl der Zimmer pro Person und die Überbelegungsrate sind Schlüsselindikatoren für die Wohnqualität.

Im Jahr 2022 lag die durchschnittliche Zahl der Zimmer pro Person in der EU bei 1,6 wobei die Spanne von 2,3 Zimmern in Malta bis 1,1 Zimmern in Polen, Rumänien und der Slowakei reichte.

Die durchschnittliche Zahl der Zimmer pro Person war in den Beitrittsländern auf dem Balkan niedriger, was mit einer höheren Überbelegungsrate korreliert. Trotz hoher Eigentumsquoten in den Balkanländern ist die Überbelegung in diesen Regionen weiterhin ein Problem.

Mindestens die Hälfte der Bevölkerung in Montenegro, Albanien und Serbien lebte in überbelegten Wohnungen. In der EU lag die Überbelegungsquote bei 16,8 Prozent.

Von den EU-Ländern wiesen Lettland (41,7 Prozent), Rumänien (40,5 Prozent) und Bulgarien (36,2 Prozent) die höchsten Überbelegungsquoten auf, während die niedrigsten in Zypern (2,2 Prozent), Malta (2,8 Prozent) und den Niederlanden (2,9 Prozent) zu verzeichnen waren.

Aufruf zu erschwinglichem Wohnraum

Im Januar 2024 trafen sich 100 öffentliche, genossenschaftliche und soziale Wohnungsanbieter sowie politische Entscheidungsträger und Wissenschaftler im Europäischen Parlament. Unter der Leitung von Housing Europe veröffentlichte die Gruppe ein Manifest, in dem sie drei Schritte zur Sicherstellung von erschwinglichem und angemessenem Wohnraum für alle in der EU skizzierte:

  • Ein neues Paradigma für den Wohnungsbau einführen
  • Unterstützung der Bewegung für eine faire Energiewende
  • Beseitigung der Ursachen für die Ausgrenzung aus dem Wohnungsmarkt

Das Manifest forderte insbesondere die Unterstützung von öffentlichem, genossenschaftlichem, sozialem und gemeinschaftlichem Wohnungsbau als Rückgrat der nationalen Wohnungssysteme.

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Booking.com unterliegt als „Gatekeeper“ strengeren EU-Regeln

FRANKFURT (Dow Jones)–Das US-Unternehmen Booking muss verschärfte Regeln der EU-Kommission befolgen. Wie die Kommission mitteilte, hat sie die Webseite Booking.com unter dem „Digital Markets Act“ (DMA) als „Gatekeeper“ eingestuft, was bestimmte Pflichten mit sich bringt. Innerhalb von sechs Monaten muss Booking nun dafür sorgen, dass es die Auflagen erfüllt, die eine größere Auswahl für Endkunden und einen fairen Zugang für Geschäftskunden vorsehen.

Die Werbegeschäfte der sozialen Netzwerke X und Tiktok, X Ads und Tiktok Ads, fallen dagegen nicht unter den DMA. Sie wurden nicht als „Gatekeeper“ eingestuft. Als solche gelten große digitale Plattformen, die eine wichtige Verbindung zwischen Geschäfts- und Endkunden darstellen. Sie haben damit die Macht, als Engpässe in der digitalen Wirtschaft zu fungieren.

Gleichzeitig hat die EU-Kommission eine Untersuchung des Kurzbotschaftendienstes X wegen dessen Status als „Gatekeeper“ eingeleitet. Diese soll innerhalb von fünf Monaten abgeschlossen werden.

DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN

Ein Drittel teurer: Brot-Preise steigen überdurchschnittlich – 30.4.2024

Verbraucher müssen heute deutlich tiefer in die Tasche greifen als noch 2019. Besonders gestiegen sind die Preise für Brot und Brötchen. Immerhin scheinen deren überdurchschnittlichen Preissprünge gestoppt.

Brot und Brötchen haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich verteuert. Die Preise für die Backwaren stiegen von 2019 bis 2023 um gut ein Drittel (34,4 Prozent), wie das Statistische Bundesamt anlässlich des „Tag des deutschen Brotes“ am 5. Mai mitteilte.

Die Verbraucherpreise insgesamt erhöhten sich nach Angaben der Behörde in dem Zeitraum um 17,3 Prozent. Dass Verbraucherinnen und Verbraucher gerade für Brot und Brötchen so tief in die Tasche greifen mussten, erklärte das Bundesamt unter anderem mit gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe. Aber auch steigende Personalkosten könnten nach Einschätzung der Statistiker ein Grund gewesen sein.

Die gute Nachricht aus Verbrauchersicht: Zuletzt schwächte sich der Preisanstieg bei Brot und Brötchen deutlich ab. Im März 2024 kosteten die Backwaren 2,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, während die Verbraucherpreise insgesamt in dem Zeitraum um 2,2 Prozent zulegten. Auch im April lagen die Verbraucherpreise um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Für Nahrungsmittel zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher im April 0,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Im Jahresschnitt erwarten führende Wirtschaftsforschungsinstitute eine deutliche Abschwächung der Inflation auf 2,3 Prozent nach 5,9 Prozent im vergangenen Jahr. Allerdings könnte der Weg dorthin mühsamer werden als erhofft. Die aktuellen Preispläne der Unternehmen hierzulande deuten nach Einschätzung des Münchner IFO-Instituts auf eine Pause beim Rückgang der Inflation hin. Teurer werden dürfte es für die Kundschaft vor allem in der Gastronomie, beim Kauf von Spielwaren und Drogerieartikeln. Quelle: ntv.de, chl/dpa

Übernachtungszahlen steigen im März auf Rekordwert

WIESBADEN (Dow Jones)–Die Beherbergungsbetriebe in Deutschland haben im März 35,6 Millionen Übernachtungen in- und ausländischer Gäste verzeichnet. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, waren das 12,3 Prozent mehr als im März des Vorjahres und damit die größte Zahl an Übernachtungen, die jemals für einen März registriert wurde. Der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2018 von 33,1 Millionen Übernachtungen wurde um 2,5 Millionen beziehungsweise 7,5 Prozent übertroffen.

Die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Inland stieg im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 13,2 Prozent auf 30,1 Millionen. Dieser Anstieg dürfte auch damit zusammenhängen, dass im März dieses Jahres in allen Bundesländern außer in Schleswig-Holstein bereits die Osterferien begonnen hatten. Die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland stieg unterdessen um 7,8 Prozent auf 5,5 Millionen.

Im ersten Quartal 2024 konnten die Beherbergungsbetriebe insgesamt 88,9 Millionen Übernachtungen verbuchen. Auch das ist der höchste jemals erfasste Wert für das erste Quartal eines Jahres und eine Zunahme von 8,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Inland stieg dabei um 8,5 Prozent auf 73,9 Millionen. Bei den Gästen aus dem Ausland stieg die Zahl um 7,8 Prozent auf 15,0 Millionen.

Medizintourismus nach Deutschland stark gestiegen

St. Augustin – Im Jahr 2022 haben sich rund 182.200 Patienten aus dem Ausland in Deutschland behandeln lassen. Das entspricht einem Anstieg um 17,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das berichtet die Forschungs­stelle Medizintourismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Demnach hat der deutsche Gesundheitssektor mit den Behandlungen einen Umsatz von schätzungsweise 880 Millionen Euro erwirtschaftet. Hinzu kommen Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe für Tourismusange­bote und den Handel.

Laut der Analyse der Forschungsstelle reisten im Jahr 2022 Patienten aus 149 Ländern für eine Behandlung nach Deutschland. Weiterhin stammen drei Viertel davon aus Nachbarländern. Den Spitzenplatz nimmt Polen ein. Die Zahl von 11.270 Behandlungen bedeutet einen Anstieg um 8,5 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr. Das größte Nachfrageplus zeigte Dänemark mit 46 Prozent.

Zudem gab es innerhalb und außerhalb Europas eine deutlich stärkere Nachfrage aus dem englischsprachi­gen Raum mit den Herkunftsländern USA (plus 73 Prozent), Kanada (plus 67 Prozent), Irland (plus 58 Prozent) und Australien (plus 580 Prozent).

Ein großes Plus gibt es auch aus den Golfstaaten. Mehr als 560 kuwaitische Patienten sind 2022 in Deutsch­land stationär behandelt worden – ein Plus von 580 Prozent zum Vorjahr.

Das Wachstum bei den Zahlen der ausländischen Patienten lässt sich 2022 bundesweit beobachten – ledig­lich Sachsen-Anhalt und das Saarland bilden eine Ausnahme. Die Gesundheitsdestinationen Bayern und Baden-Württemberg haben um jeweils 16 Prozent zugelegt.

Besonders stark entwickelt haben sich die nord-östlichen Bundesländer. Am deutlichsten ist dieser Trend in Hamburg (plus 37 Prozent), gefolgt von Schleswig-Holstein (plus 30 Prozent). Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg verzeichnen jeweils ein Plus von mehr als 20 Prozent. Berlin hat um 14 Prozent zugelegt.

Nach Aussagen von Mariam Asefi, die den Forschungsbereich Medizintourismus leitet, ist mit dem Ende der Coronapandemie eine „globale Euphorie“ beim Thema Medizintourismus entstanden. Deutschland sei wegen der guten Qualität des Gesundheitssystems bei Medizintouristen gefragt.

In der Außenvermarktung habe es aber einige stärkere Mitbewerber wie die Türkei oder Spanien. „Die Türkei gilt derzeit weltweit als Vorreiterin bei der Vermarktung ihrer Medizintourismus-Angebote wie beispielsweise von Haartransplantationen, in der Zahnmedizin oder bei Schönheitsoperationen“, so Asefi.

Einflussfaktoren wie die Vergabeverfahren von medizinischen Visa oder das Fehlen eines klaren, gesetzlich geregelten, transparenten Abrechnungsmodells für die internationalen Patientinnen und Patienten bestimmten weiterhin stark den Markt, so die Expertin. © hil/aerzteblatt.de

ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN

Österreich hat Nachholbedarf bei Wohneigentum – Eigentum ist die gewünschte Wohnform der Bevölkerung

Wien (pts015/13.05.2024/11:45) – Die Österreicher:innen haben eine klare Präferenz, wie sie wohnen möchten: in der eigenen Immobilie. Wohneigentum wird von 85 % der Bevölkerung, die derzeit in Miete lebt, als die ideale Wohnform gesehen. Nur 15 % bevorzugen andere Wohnformen, Miete mit 9 % und Genossenschaftswohnung mit 6 % werden nur selten genannt. Das zeigt eine aktuelle Raiffeisen Immobilien Wohntrend-Umfrage, durchgeführt von Gallup1) im Auftrag von Raiffeisen Immobilien, dem größten heimischen Makler-Verbund.

Wohnt man zur Miete, so ist für drei von vier Personen das finanzielle Motiv ausschlaggebend. Man würde also lieber in Eigentum wohnen, 75 % der Befragten geben aber an, dass finanzielle Gründe dies unmöglich machen. 27 %, also knapp über ein Viertel der Befragten, sieht jedoch Flexibilität und Unabhängigkeit als Beweggrund für Miete (Mehrfachantworten möglich). Je jünger die Befragten, desto stärker das finanzielle Motiv, warum man zur Miete wohnt. Den Hauptvorteil von Immobilieneigentum sehen die Österreicher:innen mit 79 % in der eigenen Unabhängigkeit, mit deutlichem Abstand gefolgt von Sicherheit mit 59 % und Altersvorsorge mit 53 % (Mehrfachantworten möglich). Sicherheit ist dabei vor allem den 20- bis 30-jährigen besonders wichtig (73 % Zustimmung).

Mehr als drei Viertel (77 %) der Befragten haben den Eindruck, dass es junge Menschen heute schwerer als ihre Elterngeneration haben, Immobilieneigentum zu erwerben. 60 % sind dementsprechend dafür, dass der Staat den Immobilienerwerb durch junge Menschen stärker fördert. Bei den unter 30-jährigen befürworten das sogar 74 %. Und wie sollte diese Förderung nun konkret aussehen? Als am besten geeignete Maßnahme wird mit 63% die steuerliche Absetzbarkeit der Zinsen gesehen, gefolgt von einer Ausweitung von direkten Förderungen (z.B. Baukostenzuschüsse) mit 61 % sowie dem Erlassen der Grunderwerbssteuer mit 58 %. Staatliche Bürgschaften für Wohnbaukredite halten nur 32 % als geeignete Maßnahme.

Baukonjunktur-Paket wichtiger Schritt – noch keine starken Markteffekte spürbar

„Die Bevölkerung möchte mehrheitlich in Wohneigentum leben. Die immer schwierigeren Rahmenbedingungen rund um die Leistbarkeit und Finanzierung stehen diesem großen Wunsch der Österreicher:innen entgegen. Die Politik muss darauf reagieren und Antworten finden. Das kürzlich vom Nationalrat beschlossene Baukonjunktur-Paket geht in die richtige Richtung, wir stehen hier aber erst am Anfang. Durch den Wegfall der Grundbuchsgebühren wurde ein erster Anreiz geschaffen. Generell trägt das Paket mit Sicherheit zu einer Verbesserung der Marktstimmung bei. Es hat in der kurzen Zeit seit Inkrafttreten am Markt aber noch kaum messbare Effekte ausgelöst, obwohl sich leicht steigende Anfragen – speziell von Jungen und Erstkäufern – abzeichnen. Hier wird es entscheidend sein, wie intelligent die nun zur Verfügung gestellten Mittel für den geförderten Wohnbau eingesetzten werden und am wichtigsten, wie schnell die Länder die geförderten Darlehen zur Verfügung stellen können“, so die Sprecher von Raiffeisen Immobilien Österreich, Ing. Mag. (FH) Peter Weinberger und Prok. Peter Mayr unisono.

Überdies sind die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung sind auf nur zwei Jahre beschränkt – eine Chance die zeitnah genutzt werden sollte: „Wer sich eine Immobilie zulegen will, sollte daher rasch zur Tat schreiten“, rät Peter Weinberger.

Mehr Infos zum Thema und die Detailergebnisse der Gallup-Umfrage finden Sie hier zum Download im Pressebereich unserer Homepage.

  1. Computer Assisted Web Interviews, durchgeführt vom Österr. Gallup Institut im April 2024; N = 1000, repräsentativ für die österreichische Bevölkerung von 20 bis 65 Jahren

(Ende)

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Immobilie: Eigenheim bleibt ein Traum, auch Besserverdiener schaffen Vorgabe zur Kredittilgung nicht

40 Prozent des Monatseinkommens darf die Kreditrückführung nicht überschreiten: ein Wert, den selbst Besserverdiener nicht schaffen, weil Immo-Preise und Zinsen weiter hoch sind

Wien – Die Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Mit den Zinserhöhungen der EZB wurden bestehende variable Kredite, aber auch neu abgeschlossene Fixkredite ebenso teurer. Hinzu kamen die Verschärfungen bei der Kreditvergabe. Der Traum vom Eigenheim war damit für viele Menschen ausgeträumt. Das Wohnbaupaket der Regierung, sinkende Immobilienpreise, sinkende variable Zinsen, inflationsangepasste Gehälter – viele Entwicklungen in den vergangenen Monaten könnten vermuten lassen, dass sich die Leistbarkeit für das Eigenheim stark verbessert hat. Doch das ist nicht so, wie ein Überblick vom Tarifvergleichsportal durchblicker.at zeigt.

Denn nach wie vor müsste ein durchschnittlicher Doppelverdienerhaushalt für eine 90-m²-Neubauwohnung in Wien 59 Prozent seines Einkommens aufwenden, um den Kredit zu tilgen. Auch wenn der Zenit überschritten sein dürfte – im Jahresdurchschnitt 2023 waren es 64 Prozent –, ist man laut durchblicker.at von der maximalen Schuldentilgungsquote von 40 Prozent noch weit entfernt. Lediglich Besserverdienende nähern sich der in den Kreditvergaberegeln vorgesehenen Zielquote: Bei diesen Haushalten würden derzeit aber auch durchschnittlich 45 Prozent des Monatseinkommens in die Kreditrückzahlung fließen.

Gießkanne keine gute Lösung

„Für Durchschnittsverdiener platzt der Traum vom Eigenheim damit nach wie vor, die Leistbarkeit hat sich gegenüber 2023 nur geringfügig verbessert“, sagt Martin Spona, Chef von durchblicker.at, in einer Aussendung. Damit verfehle auch das Wohnbaupaket auf vielen Ebenen bisher seine Wirkung. Das Gießkannenprinzip benachteilige einkommensschwächere Haushalte, entlastet würden nur jene, die es sich ohnehin leisten können. „Aus unserer Sicht wäre etwa ein Genossenschaftsmodell mit verpflichtender Kaufoption deutlich zielführender, um mehr Eigentum im Wohnungssektor zu schaffen“, teilt Spona mit. Außerdem gelte es, Hürden für jüngere Menschen, etwa im Bereich Eigenkapital, zu beseitigen.

ur Illustration hat das Vergleichsportal ein Beispiel gewählt anhand einer Immobilie im dritten Wiener Gemeindebezirk: Der Preisrückgang pro Quadratmeter wird mit 8140 Euro statt 8200 Euro pro Quadratmeter angegeben. Das verringere die Kaufnebenkosten. Dazu komme der Wegfall der Grundbuch- und Pfandrechtseintragungsgebühr im Rahmen des Wohnbaupakets. In der Beispielrechnung sind das rund 11.500 Euro (2,5 Prozent vom Kaufpreis). „Die geförderten Darlehen sind in der jetzigen Ausgestaltung des Wohnbaupakets noch nicht berücksichtigt. Es zeichnet sich aber bereits jetzt eine hohe Komplexität ab, weshalb einige Banken angekündigt haben, davon abzusehen“, so Spona.

Zinssenkung wird erwartet

Erwartet wird, dass die EZB im Juni die Zinsen in einem ersten Zinsschritt wieder senkt. Angenommen wird, dass die Zinsen um 0,5 Prozent sinken. Für die Immo-Leistbarkeit bedeutet das laut durchblicker-Modellrechnung aber nur eine marginale Erleichterung: Statt 59 Prozent wären dann „nur“ mehr 55 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens fällig. „Um bei der Schuldentilgungsquote von 40 Prozent zu landen, bräuchte es eine Zinssenkung in Höhe von rund 3,0 Prozent – und das ist aus jetziger Sicht nicht zu erwarten, bzw. es sind bereits im nächsten Jahr wieder Zinserhöhungen denkmöglich“, sagt Andreas Ederer, Head of Banking bei durchblicker.at.

javascript:(function()%7breturn;%7d)() Stark betroffen seien nach wie vor auch jüngst abgeschlossene variable Kredite. Hätte man dieselbe Wohnung bereits 2021 erworben, zahlte man damals für einen variabel verzinsten Kredit im ersten Monat 1740 Euro zurück. Inzwischen beträgt die Rückzahlungsrate 2745 Euro – und damit knapp 60 Prozent mehr als zum Abschluss des Kredits. Das variable Zinsniveau ist seit Jahresbeginn rückläufig. Der Grund: Die Märkte haben die in Kürze zu erwartenden Zinssenkungen der EZB bereits eingepreist. Der Euribor liegt derzeit rund 6,3 Prozent unter dem Niveau von Ende 2023. Seit nunmehr einem Jahr sind Fixzinsangebote günstiger als variable Kredite. So kostet aktuell eine 15-jährige Fixzinsbindung um bis zu 1,575 Prozentpunkte weniger als die variabel verzinste Kreditalternative.

„All jene mit variablen Krediten, die aktuell Schwierigkeiten mit der Tilgung ihres Kredits haben, sollten auf jeden Fall eine Umschuldung in Erwägung ziehen“, erklärt Ederer. Damit lasse sich das Zinsänderungsrisiko für einen definierten Zeitraum völlig ausschalten. „Das schafft finanzielle Sicherheit. Wer es sich leisten kann, auf sinkende Zinsen zu wetten, für den kann es sich auszahlen, bis Jahresende abzuwarten“, fasst Ederer zusammen. (Bettina Pfluger, 6.5.2024)Mehr zum Thema

Zählertausch: Rechnungshof sieht bei Smart Meter hohe Kosten und bisher kaum Nutzen 3.5.2024

Die Umrüstung auf intelligente Stromzähler schlägt bei Österreichs Haushalten mit mehr als zwei Milliarden Euro zu Buche, ohne dass sie merklich davon profitieren, kritisiert der RH

Sie sollten Haushalten helfen, Strom und damit auch Kosten zu sparen, Netzbetreiber sollten sie dabei unterstützen, die Lastflüsse in der besonders heiklen Phase der Umstellung von fossil auf erneuerbar ohne allzu große Eingriffe stabil zu halten: intelligente Stromzähler, bekannt auch als Smart Meter. So gut wie nichts davon ist eingetreten, zumindest bisher, kritisiert der Rechnungshof in einem am Freitag vorgelegten Prüfbericht.

Das liege unter anderem daran, dass bei der überwiegenden Zahl der installierten neuen Stromzähler smarte Funktionen weitgehend ungenutzt blieben. Hohen Kosten stehe ein geringer Nutzen gegenüber.

Verzögerungen beim Rollout

Die Prüfer des Rechnungshofs haben sich speziell die Zeitspanne 2019 bis 2022 angeschaut. Das ist ein Zeitraum, in dem 95 Prozent aller rund 5,5 Millionen alten, mechanischen Ferraris-Zähler in Österreich bereits gegen neue, intelligente Strommessgeräte hätten getauscht sein sollen, wäre an den ursprünglichen Plänen festgehalten worden. Ende des Jahres 2022 waren aber erst knapp 68 Prozent aller Smart Meter ausgerollt. Anzumerken ist, dass sich der Rollout auch in anderen Ländern verzögert hat, was Brüssel dazu bewog, die Frist für den Abschluss des Rollouts auf Ende 2024 zu verschieben. Bis dahin dürfte es nun auch in Österreich klappen, wie aus der Regulierungsbehörde E-Control und von einzelnen Netzbetreibern zu hören ist.

Die Kosten für den Zählertausch allerdings gehen in die Höhe. Ursprünglich war von Investitionskosten von 830 Millionen Euro die Rede. Tatsächlich werden sie nach Einschätzung des Rechnungshofs bei 1,78 Milliarden Euro liegen. Die Summe aus Investitionskosten und Betriebskosten dürfte österreichweit 2,18 Milliarden Euro betragen.

Mehrbelastung

Ursprünglich war auch davon die Rede, dass es für Konsumenten und Konsumentinnen „zu keiner wesentlichen Mehrbelastung“ kommen würde – Zitat E-Control. Begründung: Die Umstellung führe auch zu Kostenreduktionen für die Stromnetzbetreiber, die folglich weniger Geld von den Netznutzern bräuchten. Diese Einschätzung wurde allerdings schon vor längerer Zeit gegeben, als man noch vom Erreichen einer 95-prozentigen Rollout-Quote Ende 2019 ausging, verbunden mit einem hohen Anteil intelligent geschalteter Geräte. Nichts davon ist eingetreten.

Der Rechnungshof kritisiert nicht nur die E-Control; der Regulierungsbehörde werfen die Rechnungsprüfer vor, das Monitoring in der Umstellungsphase vernachlässigt zu haben. Der Rechnungshof kritisiert auch das zuständige Ministerium bzw. den Minister, die Ministerin. „Das jeweils für Energiefragen zuständige Ressort übernahm de facto zehn Jahre lang keine Eigentümerrolle bei der Einführung des Smart Meter“, schreibt der Rechnungshof. Seit Jänner 2020 ist Leonore Gewessler (Grüne) Energieministerin. Der Rechnungshof empfiehlt pro futuro: „Das Klimaschutzministerium sollte die strategische Begleitung der Einführung von Smart Metering in Kooperation mit den Stakeholdern verstärken.“

Wenig Kommunikation

Von den bis Ende 2022 installierten Smart Meter kommunizierte jeder siebente nicht. Für die Monate Juli und August 2022 hat der Rechnungshof erhoben, ob Verbrauchsdaten via Smart Meter verfügbar waren. Ergebnis: Fünf Landesnetzbetreiber erreichten an mehreren Tagen nur etwa 35 bis 40 Prozent ihrer Zähler. Zwei davon erreichten an mehreren Tagen kein einziges Messgerät. Ein ernüchternder Befund.

Ebenfalls bedenklich und zugleich symptomatisch für das geringe Interesse, das Smart Meter entgegengebracht wird, ist ein anderes Faktum: Per 31. Dezember 2022 nutzten rund 90 Prozent aller Kundinnen und Kunden lediglich die Standardkonfiguration ihres Smart Meter. Dadurch ist lediglich der Verbrauchswert des Vortags ersichtlich. Nur 7,2 Prozent wählten die Viertelstundenvariante (Opt-in). Hier liegen dem Kunden, der Kundin täglich 96 Messwerte im Abstand von 15 Minuten vor. Bei der Opt-out-Variante wird der Messwert nur einmal jährlich übertragen. Mit dem starken Anstieg der Strompreise sei aber doch ein Umdenken gegeben. Kundenseitig sei eine stärkere Nachfrage nach viertelstündlich übermittelten Messwerten feststellbar. (Günther Strobl, 3.5.2024)Zum Weiterlesen:

Neuer Vorwurf gegen „Letzte Generation“

Rund um die Ermittlungen gegen die „Letzte Generation“ hat die Polizei eine Anzeige wegen Verleumdungsverdachts eingebracht. Zuvor gab es Beschwerden von Aktivistinnen über die Haftbedingungen.

Im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen die „Letzte Generation“ ist nun ein weiterer Vorwurf gegen die Klimaschutzbewegung publik geworden. Die Behörde hat ein Verfahren wegen des Verdachts der Verleumdung gegen drei Aktivistinnen der Gruppe eingeleitet, nachdem ein entsprechender Anfallsbericht Anfang April eingegangen ist. Die Frauen hatten sich über ihre Behandlung in Polizeigewahrsam beschwert.

Vorfälle sollen im November 2023 passiert sein

Der neue Ermittlungsstrang dürfte eine Reaktion der Landespolizeidirektion (LPD) auf das entsprechende Rechtsmittel der drei Frauen gegen die Vorfälle im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) am 22. November 2023 sein. Die Polizei soll demnach den nun beschuldigten Aktivistinnen damals nach einer Protestaktion den Kontakt zu ihrem Anwalt verwehrt und ihnen über zehn Stunden lang kein Essen gegeben haben. Im Jänner wandten sich die drei Frauen daraufhin an das Landesverwaltungsgericht mit einer Maßnahmenbeschwerde.

Jene Beschwerde löste nach Prüfung durch die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (EBM) im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) auch strafrechtliche Ermittlungen gegen die handelnden Beamtinnen und Beamtinnen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs aus. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch wieder ein. Die LPD erstattete daraufhin einen Bericht wegen Verdacht auf Verleumdung an die Anklagebehörde.

Das Verfahren ist dabei nur ein Nebenstrang der noch laufenden Ermittlungen wegen des Verdachts der kriminellen Vereinigung, der Sachbeschädigung und der schweren Sachbeschädigung gegen 38 Beschuldigte (Stand März 2024). Die wegen der Vorfälle im Polizeianhaltezentrum eingebrachte Maßnahmenbeschwerde wird indessen am 25. Juni am Verwaltungsgericht Wien verhandelt.

Anwalt kritisiert Polizei

Rechtsanwalt Clemens Lahner nahm die Polizei in diesem Zusammenhang in die Kritik. Es sei „das gute Recht jedes Menschen“, sich über eine polizeiliche Amtshandlung zu beschweren. „Alleine schon wegen der Verfahrenskosten wird man sich vorher zweimal überlegen, ob man die Vorwürfe auch beweisen kann“, sagte Lahner, der die Aktivistinnen vertritt.

„Dass die LPD Wien jetzt als Reaktion auf unsere Beschwerde über Haftdauer und Haftbedingungen gleich laut ‚Verleumdung‘ schreit, anstatt die Sache ordentlich zu untersuchen, sagt einiges über die unterentwickelte Fehlerkultur innerhalb der Polizei aus.“

Auch die „Letzte Generation“ nahm die Vorgänge zum Anlass für Kritik. Die Behörden würden versuchen, die Aktivistinnen und Aktivisten mit strafrechtlichen Anschuldigungen „mundtot zu machen“, hieß es. „Und das alles nur, weil wir uns für ein Recht auf Überleben einsetzen“, erklärte Pressesprecherin Marina Hagen-Canaval, selbst Beschuldigte im Verleumdungsverfahren, der APA. „Anstatt sich in aussichtslosen, rechtlichen Drohgebärden gegen uns zu verlieren, sollte die Polizei mit uns für wirksamen Klimaschutz einstehen“, so Hagen-Canaval. red, wien.ORF.at/Agenturen

Ruf nach Helmpflicht beim Radeln mit E-Bikes

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) tritt für eine Helmpflicht für E-Bikefahrerinnen und -fahrer ein. Dadurch könnten österreichweit 300 Schädel-Hirn-Verletzungen pro Jahr verhindert werden, so das KFV. Eine solche Maßnahme würde mittlerweile mehrheitlich von den Sportlern selbst befürwortet.

Dennoch gebe es Vorbehalte gegen eine gesetzliche Pflicht, einen Helm aufzusetzen, wenn man mit einem strombetriebenen Fahrrad unterwegs ist, so Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit.

„Bevor die Radhelmpflicht für Kinder und Jugendliche bis zwölf Jahren im Juni 2011 beschlossen wurde, gab es jede Menge Vorbehalte. Heute ist die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme längst Konsens im Land. Auch die Daten sprechen eine klare Sprache. Vor der Einführung der Radhelmpflicht für Kinder im Juni 2011 lag der Anteil an Kopfverletzungen in dieser Altersgruppe bei 23 Prozent, im Jahr 2021 aber nur mehr bei zehn Prozent, was einem Rückgang von 57 Prozent entspricht.“

Gefahrenquelle mit E-Bikes deutlich gestiegen

E-Bikes sind am Vormarsch, die Nutzung des bequemen Strombetriebs ist längst auch in Tirol angekommen. Mittlerweile kehren auf beliebten Almen mehr E-Biker ein, als Sportlerinnen und Sportler, die ohne Strom unterwegs sind. Der Stromantrieb birgt allerdings einige Gefahrenquellen, etwa eine höhere Geschwindigkeit, eine schnellere Beschleunigung. Das Durchschnittsalter der mit E-Bikes verunglückten Personen liegt im Fünf-Jahresschnitt bei 55 Jahren. „Die meisten Erwachsenen haben das Radfahren noch mit herkömmlichen Fahrrädern gelernt, wobei E-Bikes schwieriger zu manövrieren sind. Wie KFV-Umfragen zeigen, sind die häufigsten Probleme beim Umstieg vom Fahrrad auf das E-Bike das höhere Gewicht, gefolgt vom anderen Bremsverhalten, dem höheren Tempo und generell die Bedienung“, so Robatsch vom KFV.

Risiko von E Bikern ist sieben Mal höher

62 Prozent der E-Bikerinnen und Biker würden bereits jetzt einen Helm tragen, so das Kuratorium. Und diese Quote ist höher als bei herkömmlichen Fahrrädern, hier verwenden nur 40 Prozent der Fahrer einen Helm. Bei den tödlich verunglückten E Bikern schützten laut KFV nur etwas mehr als ein Drittel den Kopf mit einem Helm.

KFV-Berechnungen zeigen ebenfalls, dass das Risiko bei einem Unfall mit dem E-Bike eine Schädel-Hirnverletzung zu erleiden ohne Helm sieben Mal höher ist als mit Helm. „Das verpflichtende Tragen eines Helms für alle Altersgruppen hätte in den vergangenen sieben Jahren mehr als 2.200 Schädel-Hirnverletzungen verhindern können. Das sind mehr als 300 Fälle pro Jahr. Je eher also die allgemeine Helmpflicht für E-Bikes eingeführt wird, desto mehr menschliches Leid kann verhindert werden“, sagte der Leiter der Verkehrssicherheit im KFV überzeugt. Zusätzlich zur Helmpflicht für E-Bikes fordert das KFV aber auch den massiven Ausbau der Radinfrastruktur mit ausreichend breiten Radfahranlagen.

red, tirol.ORF.at

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MEDIZIN

Chronic Wasting Disease: Übertragung auf Menschen möglich?

San Antonio – Zwei Menschen haben sich in den USA möglicherweise mit der Chronic Wasting Disease (CWD, dt.: Chronische Auszehrkrankheit) infiziert – eine Erkrankung, die normalerweise bei Rotwild auftritt. Das legt eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung von den im Jahr 2022 aufgetretenen Fällen nahe (Neurology 2024; DOI: 10.1212/WNL.0000000000204407 ).

Die CWD ist eine Prionenkrankheit, die bei Hirschen, Rentieren und Elchen auftritt. Wie die Bovine spongifor­me Enzephalopathie (BSE) und die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zählt die CWD zu den transmissiblen spongi­formen Enzephalopathien. Frühe Symptome sind Apathie, Verwirrtheit und motorischen Störungen. Im späten Stadium magern die erkrankten Tiere ab. Bislang war keine Übertragung auf den Menschen bekannt.

Forschende der University of Texas Health San Antonio berichten nun von zwei möglichen Übertragungs­fäll­en. Ein 72-jähriger Mann hatte im Jahr 2022 Fleisch von einer CWD-Infizierten Hirschpopulation gegessen und anschließend eine Verwirrtheit und Aggressivität entwickelt.

„Sein Freund, der ebenfalls Wildfleisch aus derselben Hirschpopulation verzehrt hatte, war vor kurzem an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gestorben, was Bedenken hinsichtlich eines möglichen Zusammenhangs zwi­schen CWD und menschlicher Prionenerkrankung aufkommen ließ“, schreibt das Forschungsteam.

Zwar sei die Diagnose Creutzfeldt-Jakob-Krankheit postmortal anhand von homozygotem Methionin in Codon 129 (sCJDMM1) bestätigt worden, allerdings sei aufgrund der Ähnlichkeit der Prionproteine eine CWD nicht auszuschließen, erklärt die Forschenden weiter. Sie empfehlen weitere Untersuchungen zu dem potenziellen Übertragungsrisiko beim Verzehr von infiziertem Fleisch.

„Nach unserem Kenntnisstand gibt es keinen wissenschaftlichen Hinweis, dass die beiden Männer sich tat­sächlich mit CWD infiziert haben und daran gestorben sind“, so das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) auf Anfrage. Zwar könne eine Übertragung nicht mit völliger Sicherheit ausgeschlossen werden, allerdings scheine die Barriere zur Übertragung vom Tier auf den Menschen sehr hoch.

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine 2023 publizierte Übersichtsarbeit (MDPI 2023; DOI: 10.3390/foods12040824 ). „Die meisten experimentellen Daten deuten darauf hin, dass das Zoonoserisiko von CWD sehr gering ist“, heißt es hier. Das Wissen über die CWD sei jedoch noch unvollständig (zum Beispiel zu Ursprung, Übertragungseigenschaften und Ökologie).

Die norwegischen Autoren Michael A. Tranulis und Morten Tryland empfehlen daher Vorsichtsmaßnahmen, um die Exposition des Menschen zu minimieren. Den aktuellen Fall hält der Veterinärmediziner Tranulis für sehr interessant und erklärt ebenfalls, dass es weitere Untersuchungen brauche. „Die Exposition von Menschen und Tier gegenüber diesem Pathogen sollte auf ein absolutes Minimum reduziert werden“, sagte Tranulis dem Deutschen Ärzteblatt.

In Norwegen hatte es 2016 die ersten CWD Fälle in Europa gegeben – zunächst bei Rentieren, später auch bei Rotwild und Elchen. Tranulis hat schon zuvor zu Prionenkrankheiten geforscht und seit dem ersten Auftreten von CWD zu wissenschaftlichen Gutachten und Bewertungen für die norwegischen Behörden für Lebens­mittelsicherheit beigetragen. In Deutschland gibt es bisher keine bekannten Fälle. In den USA ist CWD ist in den USA bereits in den 1960er Jahren aufgetreten und hat sich dort mittlerweile verbreitet. © mim/aerzteblatt.de

Einsatz von Pubertätsblockern und Hormontherapien stärker abwägen

Mainz – Pubertätsblocker, geschlechtsumwandelnde Hormontherapien oder ebensolche Operationen sollten bei unter 18-jährigen mit Geschlechtsinkongruenz beziehungsweise Geschlechtsdysphorie nur im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien, unter Hinzuziehen eines multidisziplinären Teams sowie einer klinischen Ethikkommission und nach abgeschlossener medizinischer und psychiatrischer Diagnostik und Behandlung eventueller psychischer Störungen zugelassen werden. Dazu forderte der Deutsche Ärztetag die Bundesregierung am vergangenen Freitag nach längerer Diskussion auf.

Die Therapieergebnisse sollen über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren soziologisch, medizinisch, kinder- und jugendpsychiatrisch, sozial und psychologisch nachverfolgt werden. Die Evaluationsergebnisse sollen darüber hinaus in die Überarbeitung der Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung“ einfließen, heißt es in dem Beschluss.

Der Ärztetag begründet die Entscheidung damit, dass entsprechende Behandlungen die Symptomatik und psychische Gesundheit bei betroffenen Kindern und Jugendlichen nicht verbessern würden. Dies mache die aktuelle medizinische Evidenzlage deutlich.

Es handele sich um irreversible Eingriffe in den menschlichen Körper bei physiologisch primär gesunden Minderjährigen, die für derartige Maßnahmen kein informiertes Einverständnis geben könnten. Dem Be­schluss zufolge beeinflussten die Eingriffe insbesondere bei Minderjährigen in der Entwicklung auch die Psyche.

Die Gabe von Pubertätsblockern und die Durchführung von gegengeschlechtlichen Hormonbehandlungen sei eine Form experimenteller Medizin an Kindern, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffe in den kindli­chen Körper anschließen würden und den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit sowie die Verminderung sexu­eller Erlebnisfähigkeit und Anorgasmie zur Folge haben könnten, heißt es in dem Beschluss.

Die Sorge um das Kindeswohl müsse bei der bestehenden Evidenzlage zur Behandlung mit entsprechenden Therapien im Vordergrund stehen, beschloss der Deutsche Ärztetag.

Änderung des Geschlechtseintrags nur nach Diagnostik und Beratung

Ohne vorherige fachärztliche kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und Beratung sollen unter 18-Jäh­rige nach Ansicht der Delegierten auch keine Angaben zu ihrem Geschlecht und Personenstand im Personen­re­gister vornehmen oder vornehmen lassen. Dies beschloss der Deutsche Ärztetag ebenfalls am vergangenen Freitag. Er forderte die Bundesregierung auf, entsprechende Änderungen am Selbstbestimmungsgesetz vor­zunehmen.

Der Ärztetag kritisiert am Selbstbestimmungsgesetz, dass der Gesetzgeber nur unzureichend zwischen „sub­jek­ti­vem Zugehörigkeitsgefühl“ und dem „faktisch gegebenen“ körperlich-biologischen Geschlecht unter­scheiden würde.

Darüber hinaus sei eine Gleichsetzung von geschlechtsbezogenem Identitätsempfinden und personenstands­rechtlicher Zuordnung im amtlichen Geburtsregister kritisch zu betrachten. Intersexualität würde im Gesetz zudem unzureichend von der Transsexualität abgegrenzt.

Die Antragsteller weisen darauf hin, dass das Personenstandsrecht nicht das richtige Instrument sei, um die Selbstbestimmung der von Geschlechtsinkongruenz betroffenen Menschen zu gewährleisten, deren Gleichbe­handlung zu fördern und sie vor Diskriminierung im Alltag zu schützen. © nfs/aerzteblatt.de

Mäusestudie: Neuartiges Gel macht Alkohol unschädlich

Ein neues Gel lässt Mäuse ohne Schäden Alkohol trinken. Das Mittel baut Alkohol im Magen-Darm-Trakt ab, bevor er ins Blut gelangt. In Zukunft könnte das Gel auch bei Menschen die gesundheitsschädigende und berauschende Wirkung von Alkohol reduzieren.

„Unsere Technologie könnte eine neuartige Lösung im Kampf gegen das weltweite Problem des Alkoholmissbrauchs bieten“, sagt der Studienleiter Raffaele Mezzenga von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich zu der soeben im Fachblatt „Nature Nanotechnology“ veröffentlichten Studie. Wenn Alkohol konsumiert wird, gelangt er in den Magen und den Darm, wo er in den Blutkreislauf aufgenommen und dann zur Leber transportiert wird. Dort wird der größte Teil des Alkohols abgebaut. Die Leber enthält Enzyme, die Alkohol in verschiedene Substanzen umwandeln, insbesondere in Acetaldehyd und dann weiter in Essigsäure. Das Zwischenprodukt ist giftig und zerstört die Leber.

„Das Gel wandelt Alkohol in Essigsäure um, ohne Acetaldehyd zu produzieren“, erklärt Mezzenga. Wird es also vor dem oder während des Alkoholkonsums eingenommen, wandelt es den Alkohol um, bevor er in den Blutkreislauf gelangt. „Wenn der Alkohol jedoch bereits im Blut ist, ist es zu spät“, so der Wissenschaftler.

Genuss ohne Rausch

Die Forschenden sehen verschiedene Anwendungsbereiche für das Gel. Interessant ist es laut Mezzenga etwa für Menschen, die nicht auf Alkohol verzichten wollen, ihren Körper aber nicht belasten möchten und auch nicht an der berauschenden Wirkung des Alkohols interessiert sind. So könnte man damit beispielsweise ein paar Gläser Alkohol trinken und trotzdem sicher mit dem Auto nach Hause fahren.

„Wir haben in Tierversuchen nachgewiesen, dass die Verwendung unseres Gels in Kombination mit Alkohol Mäusen ein Verhalten verleiht, das dem von nüchternen Mäusen ähnelt: Sie sind wacher und aufmerksamer“, so Mezzenga. „Wir erwarten daher auch, dass das Gel positive Auswirkungen auf die Linderung von Katererscheinungen hat.“

Vermeidung von Todesfällen

Vor allem soll das Gel aber dabei helfen, die mit Alkohol in Verbindung stehenden Todesfälle zu minimieren. „Es soll keinesfalls zu erhöhtem Alkoholkonsum anregen“, stellt Mezzenga klar. Es wird geschätzt, dass übermäßiger Alkoholkonsum jedes Jahr weltweit mehr als drei Millionen Menschen tötet.

„Wir haben eindeutige Beweise dafür, dass unsere Technologie die negativen Auswirkungen von Alkohol in allen Organen wie Leber, Darm usw. verringert“, sagt Mezzenga. Denn neben einem niedrigeren Blutalkoholspiegel wiesen die Mäuse, denen innerhalb von zehn Tagen regelmäßig Alkohol verabreicht wurde, dank des Gels auch einen geringeren Gewichtsverlust, weniger Leberschäden und bessere Blutwerte auf. Auch andere Organe wie Milz und Darm sowie das Gewebe der Mäuse wiesen deutlich weniger alkoholbedingte Schäden auf.

Gel aus Molke

Das Gel besteht aus einem Molkenprotein, das bei der Käseherstellung als Nebenprodukt anfällt. Dieses wurde mehrere Stunden lang gekocht, sodass sich daraus lange, dünne Fasern bildeten, wie die ETH in einer Mitteilung zur Studie erklärt. Fügt man anschließend Salz und Wasser als Lösungsmittel hinzu, vernetzen sich die Fasern zu einem Gel.

Daraufhin ergänzten die Forschenden das Gel mit Eisen, Glukose und Gold. So wird eine mehrstufige Kaskade von Reaktionen ausgelöst, die am Ende Alkohol in Essigsäure verwandelt. Bevor es für Menschen zugelassen wird, sind aber noch einige klinische Tests notwendig. „Wir planen, bald klinische Studien durchzuführen“, sagt Mezzenga. Ein Patent haben die Forschenden für ihr neues Gel aber bereits beantragt.

red, science.ORF.at/Agenturen

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GESUNDHEITSSYSTEM

Mehr Krankheitsausfälle bei Pflegekräften

Berlin – Krankheitsausfälle beim Pflegepersonal in Heimen und Kliniken haben einer Auswertung der Techniker Krankenkasse zufolge weiter zugenommen. Im vergangenen Jahr waren Pflegekräfte im Schnitt 29,8 Tage krankgeschrieben, wie die Kasse nach eigenen Versichertendaten ermittelte.

Im Jahr 2022 waren es im Schnitt 28,8 Tage und 2021 noch 23,3 Tage gewesen. Dabei waren Ausfälle in der Altenpflege nun mit 34,2 Tagen länger als in der Krankenpflege mit 28 Tagen.

Der Krankenstand in der Pflegebranche liege damit weitaus höher als in anderen Berufsfeldern, erläuterte die Kasse anlässlich des Tages der Pflegenden gestern.

Dies sei „ein unmissverständliches Signal, das die starke Belas­tung durch den physisch wie psychisch fordern­den Arbeitsalltag widerspiegele“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Thomas Ballast. Über alle Berufsgruppen hinweg waren Versicherte der Kasse 2023 im Schnitt 18,6 Tage krankgeschrieben.

In der Pflege waren der Auswertung zufolge 2023 durch­schnitt­lich 6,2 Fehltage auf Atemwegserkrankungen zurückzuführen, auf psychische Erkrankungen 5,9 Tage und auf Rückenschmerzen und andere Muskel-Skelett-Erkrankungen 5,1 Tage.

Die Zahlen gehen den Angaben zufolge auf eine Auswertung zurück, die auf 5,7 Millionen versicherten Erwerbstätigen aller Berufe bei der Kasse basiert. © dpa/aerzteblatt.de

Bewegungsmangel kommt die Gesellschaft teuer zu stehen

Hamburg – Die Krankheitslast, die auf unzureichende körperliche Aktivität zurückzuführen ist, treibt die Kos­ten für Gesundheitssystem und Gesellschaft in die Höhe. Das berichtet eine Arbeitsgruppe des Universitäts­klini­kums Hamburg-Eppendorf (UKE) im European Journal of Health Economics (2024, DOI: 10.1007/s10198-024-01697-9 ).

Einen positiven Effekt auf die Kosten beobachteten sie durch Freizeitsport, während hohe körperliche Aktivi­tät bei der Arbeit in der vorliegenden Studie mit höheren Kosten einherging.

Die Analyse basiert auf den Daten von 157.648 Teilnehmern der NAKO Gesundheitsstudie, Deutschlands größter epidemiologischer Bevölkerungsstudie. Die Teilnehmenden machten darin Angaben zur körperlichen Aktivität in den Bereichen „Freizeit“, „Arbeit“ und „Fortbewegung“.

Die Forscher teilten das Level der körperlichen Aktivität über alle Bereiche gemäß Empfehlungen der Weltge­sundheitsorganisation (WHO) in „ausreichend“ beziehungsweise „unzureichend“ sowie separat für jeden Be­reich in „sehr niedrig“ bis „hoch“ ein. Die WHO empfiehlt 150 Minuten moderate bis anstrengende Bewegung pro Woche, um gesund zu bleiben und Krankheiten vorzubeugen.

Die Schätzung der Gesundheitskosten basierte auf Angaben der befragten NAKO-Teilnehmer zu Gesundheits­leistungen in den vergangenen zwölf Monaten. Darüber hinaus haben die Forscher weitere gesellschaftliche Kosten wie Produktivitätsverluste berücksichtigt, basierend auf Angaben zu krankheitsbedingten Fehlzeiten und gesundheitsbedingten Frühberentung.

Es zeigte sich: Unzureichend aktive Menschen hatten 188 Euro höhere durchschnittliche jährliche Gesund­heitskosten und rund 482 Euro höhere Gesundheitskosten plus indirekte Kosten im Vergleich zu ausreichend aktiven Menschen. Der Unterschied war besonders deutlich in der Bevölkerung ab 60 Jahren.

„Interessanterweise war ein höheres Aktivitätslevel in der Freizeit mit niedrigeren Kosten für das Gesund­heits­­system und die Gesellschaft assoziiert, während höhere körperliche Aktivität bei der Arbeit mit höheren Kosten einherging“, berichtet Sophie Gottschalk, Wissenschaftlerin am Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung am UKE.

Eine mögliche Erklärung für dieses Paradoxon könnten Risikofaktoren am Arbeitsplatz sein, unter anderen schwere körperliche Arbeit, Fehlhaltungen oder Umweltfaktoren, so die Wissenschaftler. © hil/aerzteblatt.de

ETHOLOGIE – TIERVERHALTEN

Medien: Schwertwale versenkten Jacht vor Marokko

Schwertwale sollen spanischen Medienberichten zufolge erneut eine Segeljacht in der Nähe von Gibraltar versenkt haben. Die zwei Besatzungsmitglieder der 15 Meter langen „Alboran Cognac“ hätten Sonntagfrüh etwa 26 Kilometer vor Kap Spartel in Marokko zunächst dumpfe Schläge gegen den Rumpf wahrgenommen, berichteten die spanische Zeitung „El Pais“, das Portal 20Minutos und andere Medien unter Berufung auf Spaniens Seenotrettungsdienst.

Dabei sei das Ruderblatt beschädigt worden. Als dann Wasser in das Boot eingedrungen sei, hätten die Segler einen Notruf abgesetzt. Von Spanien aus sei ein Hubschrauber gestartet und der in der Nähe fahrende Tanker „MT Lascaux“ gebeten worden, dem Boot zu Hilfe zu kommen, hieß es unter Berufung auf das Verkehrsministerium in Madrid weiter.

Eine Stunde nach dem Notruf seien die Schiffbrüchigen von dem Tanker wohlbehalten an Bord genommen worden. Die Jacht habe man jedoch nicht bergen können, sie sei kurz darauf gesunken. Es war bereits der siebente derartige Vorfall seit 2020.

Hintergründe unklar

Experten, die das Verhalten der Tiere studieren, gingen davon aus, dass die zwei Schwertwale zu einer Gruppe gehören, die zwischen dem Norden der Iberischen Halbinsel und der Straße von Gibraltar im Süden leben, wie die Zeitung weiter berichtete. Warum die Tiere es seit 2020 immer wieder auf die Schiffe abgesehen haben, ist nicht bekannt.

Obwohl stets von „Attacken“ die Rede ist, sprechen Forscher lieber von „Interaktionen“, da der Grund für dieses nur in diesem Seegebiet beobachtete Verhalten der Schwertwale nicht bekannt sei. So sei es möglich, dass die Tiere nur spielen wollten. Es könne sich aber auch um die Reaktion auf ein negatives Erlebnis mit einem Schiff handeln.

red, ORF.at/Agenturen

FORSCHUNG

Mitten in Wien: Radioaktiver Kernreaktor bleibt noch bis mindestens 2040

Wer an den Prater in Wien denkt, denkt an Riesenrad, Achterbahnen und Spaß. Doch auf dem Gelände befindet sich ein Atomreaktor. Brennstäbe aus Uran liegen dort im Wasser – betrieben als Forschungsreaktor der Technischen Universität (TU). Eigentlich sollten die Brennstäbe im kommenden Jahr in die USA transportiert werden. Doch weil die Brennelemente nur gering abgebrannt sind, bleiben sie – bis mindestens 2040, berichtet nun der ORF.Zweieinhalb Meter dick ist der Schwerbeton, hinter dem sich die über 80 Brennelemente des Forschungsreaktors Triga Mark-II befinden. Viele von ihnen enthalten jeweils Uran-235 und sind mit 20 Prozent nur gering angereichert. Das Atominstitut der TU Wien versucht mit dem Reaktor Neutronen zu erzeugen, erklärt Andreas Musilek, Leiter des Instituts: „Diese Neutronen kann man in den verschiedensten Bereichen nutzen: Grundlagenforschung, für Analysen in der Archäometrie, für Atomuhren – Kernuhren –, die braucht man in der Fahrzeugtechnologie für selbstfahrende Autos.“

Forschungsreaktor: Kein Grund zur Sorge vor Strahlung

Eine große Leistung hat der Reaktor nicht, gerade mal 250 Kilowatt beträgt die maximale Dauerleistung. Das sei auch der Grund, warum die Brennstäbe noch so lange weitergenutzt werden können. Und auch die Angst vor radioaktiver Strahlung sei nicht gerechtfertigt: Laut der TU Wien bekomme Flugpersonal während der Flüge mehr (kosmische) Strahlung ab als die Mitarbeitenden am Reaktor. Überwacht werden Reaktor und Mitarbeitende dennoch stetig.

Eingeweiht wurde der Forschungsreaktor am heutigen Standort im Wiener Prater bereits 1962.

UMWELT

Sonnensturm brachte am Wochenende Nordlichter bis Österreich

Am Wochenende haben die Menschen in vielen dafür untypischen Regionen der Erde die Gelegenheit gehabt, Polarlichter am Himmel zu bestaunen. Ein massiver Sonnensturm sorgte dafür, dass das Phänomen in der Nacht auf Samstag auch aus Österreich zu sehen war – in der Nacht auf Sonntag noch teilweise. Inzwischen wurde die Störung im Erdmagnetfeld deutlich schwächer. Es sei „zu wenig, dass man in Österreich etwas sieht“, sagte Tanja Amerstorfer von Geosphere Austria zur APA.

„Es sind noch Sonnenstürme auf dem Weg“, betonte die stellvertretende Leiterin des Space Weather Office der Geosphere Austria (vormals Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, ZAMG). Diese sind am Samstag losgegangen, es sei aber fraglich, ob sie die Erde treffen, „wenn dann nur am Rand“, sagte die Physikerin am Sonntagnachmittag. Es gebe erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass Sonnenstürme in ein paar Wochen oder Monaten wieder auftreten. Der Zyklus der Sonnenaktivität sei gerade im Maximum, das ist alle elf Jahre der Fall.

Das Besondere an der Situation am Wochenende war, „dass mehrere Sonnenstürme gleichzeitig losgegangen sind von der Sonne. Wenn die interagieren, dann ist die geomagnetische Antwort größer“, erklärte Amerstorfer die Sichtbarkeit von Polar- bzw. Nordlichtern („Aurora Borealis“) bis nach Österreich. Außerdem habe auch die südliche Ausrichtung des Magnetfelds in diesen Sonnenstürmen dazu beigetragen.

„Die meisten Beobachter haben in Österreich noch nie vorher so spektakuläre Nordlichter gesehen“, hatte Michael Jäger, Obmann des Astronomischen Zentrums Martinsberg in Niederösterreich, am Samstag betont. Bis weit nach Mitternacht habe der Sonnensturm für einen farbenfrohen Nachthimmel gesorgt. In der Nacht auf Sonntag waren die abgeschwächten Polarlichter dank der größeren Weitsicht und geringerer Lichtverschmutzung in den Bergregionen besser zu sehen.

Erster „extremer“ Sonnensturm seit 20 Jahren

Der erste „extreme“ Sonnensturm seit 20 Jahren sorgte in vielen Erdteilen für beeindruckende Polarlichter am Himmel. Das Phänomen erreichte die Erde am Freitagnachmittag und hielt in unterschiedlicher Stärke über das Wochenende an, wie das Weltraumwetterprognosezentrum der Wetter- und Ozeanografiebehörde der USA (NOAA) mitteilte.

Internet-User in vielen Ländern posteten Fotos vom bunt erleuchteten Nachthimmel. In Amerika konnte das sonst nur an den Polen zu sehende Phänomen unter anderem in den USA, Chile und Argentinien bestaunt werden. Auch in Australien und Neuseeland veröffentlichten begeisterte User Fotos.

Bei einem Sonnensturm handelt es sich um „Explosionen von energiereichen Teilchen und Magnetfeldern, die von der Sonne ausgehen“, erklärte Shawn Dahl vom US-Weltraumwettervorhersagezentrum (SWPC), das der NOAA angegliedert ist. Ursprungsregion der Sonnenstürme ist den NOAA-Experten zufolge ein großer, komplexer Sonnenfleckcluster, der etwa 17-mal so groß wie der Durchmesser der Erde ist.

Der Sonnensturm war Freitag als „extrem“ eingestuft worden – zuletzt war diese Kategorie nach NOAA-Angaben im Oktober 2003 bei den sogenannten Halloween-Stürmen erreicht worden. Damals kam es demnach in Schweden zu Stromausfällen, in Südafrika wurden Transformatoren beschädigt.

Beeinträchtigungen bei GPS und Stromnetzen

GPS, Stromnetze, Raumschiffe, Satellitennavigation und andere Technologien könnten auch beim aktuellen Sonnensturm beeinträchtigt werden, teilte die NOAA mit. Am Samstag sprach sie von „Berichten über Unregelmäßigkeiten im Stromnetz und Beeinträchtigungen der Hochfrequenzkommunikation und des GPS“.

Aufgrund möglicher Störungen durch Veränderungen des Erdmagnetfeldes empfahlen Behörden Satelliten- und Strombetreibern sowie Fluggesellschaften, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Das SWPC in den USA riet Bürgerinnen und Bürger dazu, sich vorsichtshalber mit Batterien oder Generatoren zu versorgen. Die Experten wiesen aber daraufhin, dass der Sonnensturm wenn, dann vor allem Hochstromleitungen beeinträchtigen könnte. Elon Musk, dessen Starlink-Netzwerk rund 5.000 Satelliten in einer niedrigen Erdumlaufbahn betreibt, teilte auf X mit, die Satelliten ständen unter großem Druck, hielten aber bisher Stand.

Der stärkste bisher gemessene geomagnetische Sturm wurde 1859 gemessen und ging als Carrington Event in die Geschichte ein, benannt nach dem britischen Astronomen Richard Carrington. Es hatte große Beeinträchtigungen des Telegrafen-basierten Kommunikationsnetzes zur Folge, setzte Telegrafen in Brand und verpasste Arbeitern Stromschläge.

IT – KI – ROBOTIK – INTERNET

Wer sich über Chat GPT informiert, landet in der Echokammer – Die Presse (ZAHLPFLICHT)

Eine neue Studie zeigt: Die Informationen von Chatbots verstärken bestehende Vorurteile. Aber warum?

Wie praktisch ist doch ChatGPT! Man fragt einfach, was man wissen will, und bekommt vom Textgenerator eine maßgeschneiderte und fertig ausformulierte Antwort. Wenn etwas fehlt oder unklar ist, hakt man nach, und es wird fast ein richtiger Dialog daraus. Hunderte Millionen Menschen haben das schon ausprobiert, und es werden täglich mehr. Der Popularität der Sprachmodelle tut es keinen Abbruch, dass sie oft falsche oder unsinnige Antworten liefern.

Aber das ist nicht die einzige Gefahr, wie nun ein Experiment zeigt: Wer über Chatbots nach Informationen sucht, landet in einer Echokammer. Die KI erkennt, was man hören will, und antwortet entsprechend. Das verstärkt bestehende Vorurteile und kann damit bestehende Polarisierung verschärfen. Davor warnen Forscher rund um Ziang Xiao von der Johns Hopkins University in Baltimore. Ihre Studie haben sie Montagabend bei einer Konferenz präsentiert. …

Studie: Künstliche Intelligenz kann lügen und betrügen

Sie lügen und betrügen, um ans Ziel zu kommen: Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) sind in der Lage, Menschen zu täuschen – selbst wenn sie darauf trainiert wurden, hilfreich und ehrlich zu sein. Das ist das Ergebnis einer Übersichtsstudie von Forschern am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts), die in der Fachzeitschrift „Patterns“ veröffentlicht wurde.

In dem Beitrag forderten die Wissenschafter die Politik auf, so schnell wie möglich strenge Vorschriften zu entwickeln, um KI-Systeme in die Schranken zu weisen. Als auffälligstes Beispiel für eine manipulative Künstliche Intelligenz nennen die Autoren das vom Facebook-Konzern Meta entwickelte KI-System Cicero, das im Brettspiel-Klassiker Diplomacy gegen menschliche Mitspieler antreten kann.

Diplomacy simuliert die Machtverhältnisse in Europa vor dem Ersten Weltkrieg. Um zu gewinnen, müssen die Spieler Allianzen schmieden, Schlachtpläne ausarbeiten und verhandeln und so eine stilisierte Version von Europa erobern. Da es nur einen Sieger gibt, sind die Spieler früher oder später gezwungen, eingegangene Allianzen wieder zu brechen.

Die MIT-Forscher fanden nun heraus, dass Cicero oft nicht fair gespielt habe, obwohl Meta behaupte, das KI-System darauf trainiert zu haben, „größtenteils ehrlich und hilfsbereit“ zu sein. Außerdem sei das System angewiesen worden, seine menschlichen Verbündeten während des Spiels „niemals absichtlich zu hintergehen“. Die Wissenschafter stützen ihre Bewertung auf Daten, die von Meta selbst in Verbindung mit einem wissenschaftlichen Papier zu Cicero veröffentlicht wurden.

KI von Meta ist Meister der Täuschung

„Wir fanden heraus, dass die KI von Meta gelernt hatte, ein Meister der Täuschung zu sein“, sagte Hauptautor Peter S. Park, ein Postdoktorand am MIT. Meta habe es zwar geschafft, seine KI so zu trainieren, dass sie im Diplomacy-Spiel überdurchschnittlich häufig gewinnt. So habe Cicero zu den besten zehn Prozent der Spieler gehört, die mehr als ein Spiel gespielt hatten. „Es gelang Meta aber nicht, seine KI so zu trainieren, dass sie ehrlich gewinnen konnte.“

Auch KI-Systeme von OpenAI und Google seien in der Lage, Menschen zu täuschen. Die MIT-Forscher verweisen dabei auf mehrere Studien, wonach große KI-Sprachmodelle (LLMs) wie GPT-4 von OpenAI inzwischen in der Lage sind, sehr überzeugend zu argumentieren und auch auf Täuschungen und Lügen auszuweichen.

Eine Studie zu den Trickbetrügereien von GPT-4 hat der Entwickler OpenAI selbst veröffentlicht. Danach war das KI-Sprachmodell in der Lage, sich menschliche Hilfe zu suchen, um Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen, die eigentlich dafür gedacht sind, Software-Roboter davon abzuhalten, sich etwa bei Web-Services einzuloggen oder sie zu benutzen. In dem Test war GPT-4 schlau genug, um über die Dienstleistungsplattform TaskRabbit einen Menschen zu beauftragen, ein Bilderrätsel (Captcha) zu lösen. Dabei hat GPT-4 sich erfolgreich als Person mit eingeschränktem Sehvermögen ausgegeben, die nicht in der Lage sei, das Bilderrätsel zu lösen.

Missbrauch durch böswillige Akteure

„Wenn KI die Fähigkeit zur Täuschung erlernt, kann sie von böswilligen Akteuren, die absichtlich Schaden anrichten wollen, effizienter eingesetzt werden“, schreiben die Autoren der Übersichtsstudie. Die Täuschungen mithilfe von KI könnten zu einem Anstieg des Betrugs führen. So könnte der Betrug auf bestimmte Ziele individuell angepasst werden. Außerdem könnten die Betrugsversuche massenhaft gestartet werden.

Die Autoren befürchten auch einen politischen Einfluss durch manipulative KI-Systeme. Sie könnten zum Beispiel bei Wahlen als Waffe eingesetzt werden. Eine fortschrittliche KI könnte potenziell gefälschte Nachrichtenartikel, die Gesellschaft spaltende Beiträge in Sozialen Medien und gefälschte Videos, die auf einzelne Wähler zugeschnitten sind, erstellen und verbreiten. So könnten KI-generierte Inhalte dazu verwendet werden, sich als Regierungsvertreter auszugeben, um Fehlinformationen über die Wahlen zu verbreiten. Beispielsweise habe ein wahrscheinlich von KI generierter gefälschter Roboteranruf von US-Präsident Joe Biden die Einwohner von New Hampshire dazu aufgefordert, bei den Vorwahlen nicht zur Urne zu gehen.

Park und seine Kollegen vertreten in der Studie die Meinung, dass die Gesellschaft bisher nicht über die richtigen Maßnahmen verfüge, um gegen KI-Täuschungen vorzugehen. Es sei aber ermutigend, dass die politischen Entscheidungsträger begonnen hätten, das Thema durch Maßnahmen wie das KI-Gesetz der Europäischen Union und die KI-Exekutivverordnung von Präsident Biden ernst zu nehmen. Es bleibe jedoch abzuwarten, ob die Maßnahmen zur Eindämmung der KI-Täuschung strikt durchgesetzt werden könnten, da die KI-Entwickler bisher nicht über die Techniken verfügen, um diese Systeme in Schach zu halten. „Wenn ein Verbot von KI-Täuschung zum jetzigen Zeitpunkt politisch nicht durchsetzbar ist, empfehlen wir, trügerische KI-Systeme als hohes Risiko einzustufen“, sagte Park.

MEDIEN

Social-Media-Nutzer suchen „Echokammern“ – Laut Rensselaer Polytechnic Institute neigen sie dazu, sich Mehrheitsmeinung anzuschließen

Troy (pte003/13.05.2024/06:10) – Social-Media-User suchen nach sogenannten „Echokammern“ und schließen sich damit mehrheitlich einer vorherrschenden Meinung an. Auch suchen sie nach Bestätigung anderer für die eigene Auffassung, statt sich mit unterschiedlichen Meinungen auseinanderzusetzen. Das zeigt eine Analyse von Boleslaw Szymanski vom Rensselaer Polytechnic Institute von 183 Mio. Posts auf der Social-Media-Plattform „Parler“, die sich an rechtsgerichtete Nutzer richtet sowie von 702 Mio. X-Posts. Das trage zur massiven Polarisierung bei.

Kapitulation bei anderen Meinungen

Sowohl bei Parler als auch bei X, vormals Twitter, verschoben sich danach die Ansichten der Nutzer in Richtung der allgemeinen Meinung. Stimmten die geäußerten Ansichten nicht mit ihren eigenen überein, verließen sie die Plattformen gänzlich. „In früheren Untersuchungen haben wir die politischen Ansichten von Studenten auf dem Universitätsgelände analysiert. Wir fanden heraus, dass Studentengruppen, die sich aus Vertretern der Mehrheitsmeinung zusammensetzen, stabiler und langlebiger sind. In ähnlicher Weise fanden wir bei unserer jüngsten Untersuchung heraus, dass Parler-Nutzer, die die Mehrheit der Meinungen vertraten, eine stabilere Mitgliedschaft hatten und länger auf der Plattform blieben. Sie waren die extreme Rechte“, so Szymanski.

Liberal ausgerichtete Inhalte machten eine unbedeutende Minderheit der Inhalte aus, heißt es in der wissenschaftlichen Erhebung. Allerdings hätten die X-Nutzer zu Beginn ein breites Spektrum an politischen Einstellungen und bewegten sich dann in Richtung des einen oder anderen Endes des Spektrums. „Die Gemeinsamkeit bestand darin, dass sich die Nutzer entweder in Richtung gleichgesinnter Gruppen bewegten oder ganz ausstiegen“, verdeutlicht Szymanski.

Parler-User kennen rechte Richtung

Laut dem Team steuern X-Nutzer entweder liberale oder konservative Nachrichten an. Parler-Nutzer hingegen bilden nur eine große, mehrheitlich konservativ ausgerichtete Gruppe. Diese folgt auch am ehesten Fake News oder wendet sich ihnen zu. Zudem neigen Parler-Nutzer mit anderen Ansichten eher dazu, zu wechseln und selbst Fake News zu verbreiten. Die Fake-News-Gruppe auf X zog nicht viele Nutzer an. „Obwohl die sozialen Medien zur Demokratisierung von Informationen beitragen könnten, trägt die Tendenz der Nutzer, Echokammern aufzusuchen, zur sozialen Spaltung bei“, meint Szymanski. (Ende)

BILDUNG

China lässt Schüler nicht mehr so lange sitzen – Weniger Bildschirmzeit, weniger Hausaufgaben und weniger Schulstunden staatlich verordnet

Bristol (pte013/13.05.2024/10:30) – Zukunftsweisende Maßnahmen zur Bekämpfung des sitzenden Verhaltens haben sich bei Kindern in China als wirksam erwiesen, zeigt eine Studie unter der Leitung der University of Bristol. Bestimmungen, die kürzlich von der chinesischen Regierung eingeführt worden sind, beruhen auf Einschränkungen für Online-Gaming-Unternehmen, der Einschränkung des Ausmaßes an Hausaufgaben, die von den Lehrern aufgegeben werden dürfen, sowie Kürzungen, wenn private Nachhilfeunternehmen auch Lektionen anbieten können.

Maßnahmen fruchten

Durch diese Faktoren hat sich die insgesamt sitzend verbrachte Zeit der Kinder deutlich verringert, aber auch, wie lange die Kinder mit sitzenden Aktivitäten beschäftigt waren. Insgesamt verringerte sich die täglich sitzend verbrachte Zeit um 13,8 Prozent. Das entspricht mehr als einer Dreiviertelstunde, die weniger körperlich inaktiv verbracht wird. Laut der leitenden Wissenschaftlerin Bai Li sind diese Ergebnisse auch deshalb so interessant, weil eine derartige Regulierung noch nie zuvor durchgeführt worden ist.

Traditionell wurden Kinder, ihre Eltern oder Betreuungspersonen mittels Bildung angeleitet und dazu ermutigt, selbst für Veränderungen des Verhaltens zu sorgen. „Das hat aber nicht wirklich funktioniert“, so Li. Ein Team aus britischen und chinesischen Wissenschaftlern hat die Überwachungsdaten von mehr als 7.000 Schülern der Unter- und Oberstufe für die Jahre 2020 und 2021 einander gegenübergestellt, also vor und nach der Einführung der Regulierungen. Die Kinder stammen aus 31 städtischen und ländlichen Regionen quer durch 14 Städte in der Region Guangxi im Süden Chinas.

Zeit effektiver einsetzen

In diesem Zeitraum verringerte sich laut Statistik die sitzend verbrachte Zeit um 46 Minuten. Dieser Effekt war vor allen im städtischen Umfeld besonders stark ausgeprägt. Die Zeit, die pro Tag vor einer Art von Bildschirm verbracht wurde, verringerte sich mit 6,4 Prozent um zehn Minuten. Es zeigte sich auch, dass sich die Schüler nach der Einführung der Regelungen um 20 Prozent wahrscheinlicher an die Empfehlungen von weniger als zwei Stunden pro Tag vor einem Bildschirm hielten.

Zudem erreichten die Schüler mit 2,8 Mal fast drei Mal so wahrscheinlich die Empfehlungen der Regierung hinsichtlich der maximalen Zeit, die mit Hausaufgaben verbracht werden sollte. Diese Wahrscheinlichkeit nahm mit steigendem Alter ab. Sie sank von 3,6 Mal bei den jüngeren Kindern auf 2,1 Mal bei den älteren Schülern. Die Forscher räumen allerdings ein, dass die Umsetzung derartiger Maßnahmen außerhalb von China eine Herausforderung darstellen könnte. Details sind im „International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity“ nachzulesen. (Ende)

GESELLSCHAFT

„Präferenz für Freizeit“ Deutsche wollen weniger arbeiten – 1.5.2024

Laut einer Studie wollen die Menschen in Deutschland gerne weniger Zeit in der Woche einer Lohnarbeit nachgehen – und das durch alle Altersschichten hinweg. Besonders bei einer Gruppe an Erwerbstätigen veränderten sich die Zahlen sehr deutlich.

Die Deutschen wollen einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge weniger arbeiten. Bei den jüngsten Beschäftigten bis zum Alter von 25 Jahren sei die Wunscharbeitszeit von 2007 bis 2021 um gut drei auf rund 35 Wochenstunden zurückgegangen, berichtete die „Rheinische Post“ aus Düsseldorf vorab aus der noch unveröffentlichten Studie. Bei den 26- bis 40-Jährigen sank sie demnach um rund zwei auf knapp 34 Wochenstunden, bei den über 40-Jährigen um knapp drei auf 32 Wochenstunden.

Die IW-Untersuchung stützt sich auf regelmäßige Umfragen unter Zehntausenden Beschäftigten für das Socio-Oekonomische Panel mit seinem großen sozialwissenschaftlichen Datenbestand. Betrachtet wurden Arbeitszeitwünsche der abhängig Beschäftigten ohne Schüler, Studierende und Auszubildende. Die Wunscharbeitszeit wurde im Panel mit dem Hinweis erfragt, dass sich mit der Verringerung der Arbeitszeit der Lohn entsprechend ändern würde.

Bei jüngeren Erwerbstätigen bis zum Alter von 25 Jahren mit geringem Einkommen ging die Wunscharbeitszeit seit 2007 demnach besonders stark zurück – um 6,3 Wochenstunden. Aber auch Jüngere mit höheren Einkommen wollen drei Stunden weniger arbeiten. „Die These, dass Jüngere ihr Arbeitsangebot verringern, weil sie saturiert sind und geringere Konsumwünsche haben, lässt sich mit den vorliegenden Daten nicht bestätigen“, hieß es vom IW.

Junge Menschen wollen mehr Freizeit

Frauen wollten demnach 2021 durchschnittlich 29,5 Stunden pro Woche arbeiten, Männer 35,4 Stunden. Bei den Frauen unter 25 waren es 2007 noch 37 Stunden, 2021 dann 33 Stunden. Bei Männern zwischen 26 und 40 Jahren waren es 2007 fast 40 Stunden und 2021 noch 36 Stunden. Bei Schülern und Studenten ging der Wunsch nach Vollzeit von 62 auf 48 Prozent zurück.

„Die Entwicklung der Arbeitszeitwünsche junger Menschen deutet an, dass die Präferenz für Freizeit zugenommen hat – insofern könnte man die These der freizeitorientierten Generation Z bestätigt sehen“, wurde aus der IW-Studie zitiert. Es zeige sich aber, „dass die Freizeitpräferenz höherer Altersgruppen nicht weniger stark stieg, darin also keine Besonderheit der jungen Generation zu sehen ist“.

Das zunehmende Interesse an kürzeren Arbeitszeiten falle „in eine Zeit, in der der demografische Wandel das Arbeitskräfteangebot stark verknappt“. Ob es gelinge, den Abgang geburtenstarker Jahrgänge vom Arbeitsmarkt durch intensivierte Zuwanderung und eine Erhöhung der Erwerbsneigung zu kompensieren, sei fraglich.

Eine Ausweitung der Arbeitszeit sei daher eine wichtige Stellschraube. „Gehen die Präferenzen der Arbeitnehmer in die entgegengesetzte Richtung, ist es umso dringlicher, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, die eine Ausweitung der Arbeitszeit attraktiv erscheinen lassen“, mahnte das IW in seiner Studie. Quelle: ntv.de, lme/AFP

Siehe dazu

Klage zum Tag der Arbeit Arbeitgeber-Boss fordert mehr Fleiß von den Deutschen – 1.5.2024

Am Tag der Arbeit spricht auch Arbeitgeber-Präsident Dulger über das Thema – jedoch mit einer etwas anderen Akzentuierung als die Gewerkschaften. Der Verbandschef beklagt zu viele Diskussionen „über die Bedingungen von Nicht-Arbeit“. Und weiter: „Es gibt keinen anstrengungslosen Wohlstand.“Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat zum Tag der Arbeit dazu aufgerufen, wieder mehr zu arbeiten. „Wir brauchen mehr und nicht weniger Arbeit in Deutschland“, erklärte Dulger. „Deutschland diskutiert zu viel über die Bedingungen von Nicht-Arbeit und zu wenig über den Wert von Arbeit“, beklagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Im Mittelpunkt müsse die Frage stehen, wie der Standort Deutschland wieder attraktiv gemacht werden könne. „Dazu gehört auch: Wir werden alle mehr und länger arbeiten müssen“, machte Dulger deutlich. Dazu müssten die Rahmenbedingungen für Arbeit verbessert werden.

„Arbeit ist viel mehr als eine Notwendigkeit, dies muss am 1. Mai wieder stärker in den Fokus gerückt werden“, betonte der BDA-Chef und ergänzte: „Es gibt keinen anstrengungslosen Wohlstand. Und: Wertschöpfung entsteht in privaten Unternehmern.“

Dulger wies zugleich auf den Wert der Sozialpartnerschaft hin. „In Zeiten geringen Wachstums, einer immer älter werdenden Gesellschaft und eines hohen Arbeits- und Fachkräftemangels müssen wir gemeinsam anpacken, um gute Arbeitsplätze und Wohlstand auch für die Zukunft am Standort Deutschland sichern zu können“, betonte der Arbeitgeberpräsident.

Er rief Gewerkschaften und Politik dazu auf, „Arbeit endlich wieder konstruktiv mitzugestalten. Das hilft allen: Wenn die Wirtschaft brummt, werden auch die Löhne schneller steigen.“

DGB: USA lacht über Lindners „Knauserigkeit“

Die Gewerkschaften nutzten den Tag der Arbeit, um den Sparkurs der Bundesregierung hart zu kritisieren. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) forderte Vorstandsmitglied Stefan Körzell eine Reform der Schuldenbremse. „Die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Der Vorsitzende der Dienstleistungsgesellschaft Verdi, Frank Werneke, sprach von einer „Zukunftsbremse“.

Körzell sagte, in den USA werde über die „Knauserigkeit“ von Bundesfinanzminister Christian Lindner gelacht. Die Bundesregierung fahre auf Betreiben der FDP mit einer „harten Sparpolitik“ den falschen Kurs. Andere Länder handelten weitsichtiger als Deutschland und seien damit „viel besser dran“.

Notwendige Investitionen in „Infrastruktur, den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr oder in Bildung finden nicht mehr statt oder bleiben nur Stückwerk“, erklärte Werneke. Die Schuldenbremse mindere vor allem die Chancen der großen Mehrheit der Menschen, „die auf eine funktionierende öffentliche Daseinsvorsorge angewiesen sind“.

In den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland drohte Werneke der Bundesregierung mit einer Verfassungsklage, sollte sie Haushaltseinsparungen und die Klinikreform zulasten der Beitragszahler umsetzen. Außerdem sprach er sich ebenso wie DGB-Chefin Yasmin Fahimi gegen Steuerbegünstigungen für Überstunden aus. Das bedeute „eine Diskriminierung von Teilzeitkräften und damit häufig von Frauen“, sagte Werneke.

Fahimi kritisierte in dem Zusammenhang die SPD. Diese solle „nicht über jedes Stöckchen springen, das FDP und Union ihr hinhalten“, sagte sie dem „Spiegel“. Steuerfreie Überstunden, die FDP und Union fordern, seien nicht umsetzbar, weil die Arbeitgeber die reguläre Arbeitszeit in den Verträgen absenken würden, um Steuern zu sparen. Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP

Mehr LGBTQ-Personen von Gewalt und Drohungen betroffen

In der EU werden Menschen wegen ihrer sexuellen Identität laut einer Umfrage häufiger attackiert und belästigt. Im Gegensatz dazu hat Diskriminierung durch Behörden, Gesundheitseinrichtungen, Schulen und Firmen insgesamt abgenommen.

Das geht aus einer Onlinebefragung von mehr als 100.000 LGBTQ-Personen in der EU und einigen Kandidatenländern hervor, die heute von der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien veröffentlicht wurde.

Lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und queere Menschen wurden unter anderem gefragt, ob sie in den vorangegangenen zwölf Monaten verbal belästigt oder bedroht worden waren.

Bei 54 Prozent war das der Fall – deutlich mehr als bei der FRA-Umfrage von 2019 mit 37 Prozent. Der Anteil der Menschen, die Gewalt erlebten, stieg auf 14 Prozent (2019: elf). EU-weit berichtete mehr als ein Drittel von Benachteiligungen aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität, 2019 waren es mehr als 40 Prozent.

Mobbing in Schulen nimmt zu

Laut der Studie sind die Umfrageergebnisse zum Bildungswesen besonders besorgniserregend. Während sexuelle Vielfalt in Schulen mittlerweile häufiger thematisiert wird als noch vor einigen Jahren, hat Mobbing gegen LGBTQ-Kinder und -Jugendliche zugenommen. Zwei Drittel berichteten von Beleidigungen oder Drohungen an ihren Schulen.

Die Fachleute der FRA wiesen auch auf die besonders schlechten Umfragewerte von Menschen hin, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Personen sind nicht nur häufiger mit Übergriffen konfrontiert, sondern auch mit psychischen Problemen und Obdachlosigkeit. red, ORF.at/Agenturen

ÖAW-Coronastudie zeigt Lehren für künftige Krisen auf – 21.12.2024

Verlust von Vertrauen zentrales Problem ++ Politische Unabhängigkeit von Wissenschaft und Medien für Bürger:innen extrem wichtig ++ Mut zur Debatte statt intransparenter Entscheidungen ++ Training für Wissenschaftler:innen vor Krisenberatung für Politik

Die Aufarbeitung der Coronazeit anhand von fünf wissenschaftlichen Fallbeispielen und einem breit aufgesetzten Bürgerdialog war das Ziel der Studie „Nach Corona. Reflexionen für zukünftige Krisen“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Im Fokus stand das Lernen für künftige gesamtgesellschaftliche und politische Herausforderungen und nicht die Bewertung von vergangenen Entscheidungen oder Maßnahmen.

Alexander Bogner, Projektleiter und Soziologe an der ÖAW, sagt dazu: „In der Corona-Krise war das Vertrauen der Bevölkerung in Medien, Wissenschaft und Regierung zunächst hoch. Vertrauensverluste drohen, wenn breite, ergebnisoffene Debatten fehlen, politische Maßnahmen nicht gut kommuniziert werden und Medien, Wissenschaft und Politik den Eindruck erwecken, in Symbiose zu leben.“

Unabhängigkeit von Wissenschaft und Medien zentral

Ein zentrales Ergebnis, das sowohl die wissenschaftliche Studie als auch der Bürgerdialog ergaben, bezieht sich auf das Rollenverständnis von Politik, Wissenschaft und Medien. Während der Pandemie entstand aufgrund der notwendigen, engen Koppelung der Eindruck einer wechselseitigen Instrumentalisierung. Das führte zum zunehmenden Vertrauensverlust der Bevölkerung in alle drei Player. In Krisenzeiten ist es daher wesentlich, dass Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar verteilt sind und Wissenschaft und Medien nicht als verlängerter Arm der Regierung wahrgenommen werden, so die Studienautor:innen. Diese Sichtweise unterstreicht auch der Bürgerdialog „Österreich am Wort“ deutlich: 97% der 319 Teilnehmer:innen an den Dialogveranstaltungen sehen eine unabhängige Wissenschaft als wichtigste Empfehlung zur Vermeidung von Polarisierung, 96% politisch unabhängige Medien.

Wissenschaftsskepsis

Die Annahme einer mangelnden Unabhängigkeit der Wissenschaft war eine wesentliche Triebfeder für die lauter werdende Wissenschaftsskepsis, die in wöchentlichen „Corona-Demonstrationen“ ihren Höhepunkt fand. Die Studienautor:innen weisen allerdings auch darauf hin, dass die Wissenschaftsskepsis nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern ein politisches Phänomen und Teil einer allgemeinen Institutionenskepsis ist. Ein Stärken der politischen Bildung, der Vermittlung von Arbeitsweisen der Wissenschaft und von Science Education leitet die Studie als Empfehlung aus den Ergebnissen ab. In einer für die Studie durchgeführten quantitativen Befragung sprechen sich nicht nur wissenschaftsaffine, sondern auch der Wissenschaft gegenüber distanzierte oder skeptische Personen – insgesamt 64% – für eine Vermittlung des wissenschaftlichen Denkens ins Schulen aus.

Ende der Pandemie vs. Ende der Freiheit

Konflikte hat es während der Pandemie zwar zur Genüge gegeben, an transparentem Austausch von unterschiedlichen Argumenten mangelte es unter dem Zeitdruck mancher Entscheidungen allerdings. Vor allem im Zusammenhang mit der Impfpflicht hat eine transparente Entscheidungsfindung gefehlt, macht die Studie deutlich. Stattdessen wurde die Impfpflicht als einzige Option dargestellt, um die Pandemie nach fast zwei Jahren in den Griff zu bekommen. Dies verstärkte den moralischen Tonfall in der öffentlichen Debatte.

Die Folge war eine Polarisierung, bei der sich zwei Lager herausbildeten: Die einen erhofften durch die Impfung das Ende der Pandemie, die anderen fürchteten das Ende der Freiheit. Eine offene, argumentative Austragung dieses Konflikts hätte zur Vermeidung der Polarisierung beitragen können. „Debatten fördern, trotz allem“, lautet daher eine Erkenntnis der Studienautor:innen – auch wenn Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen und die Geduld mit dem Gegenüber sinkt. Zwar werden die radikalen Ränder damit nicht erreicht, sehr wohl kann aber ein Abrutschen der distanzierten, unentschiedenen oder ängstlichen Mitte in die Wissenschafts- und Institutionenskepsis verhindert werden, so die Wissenschaftler:innen.

Nötige Vielfalt der Perspektiven

Schließlich ist es in Krisen wichtig, vor politischen Entscheidungen die Expertise unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen zu berücksichtigen, betonen die Forscher:innen. In der Coronapandemie wurden Virologie und Epidemiologie lange Zeit der Vorrang gegeben. In der Diskussion um offene Schulen waren bildungswissenschaftliche oder kinderpsychologische Aspekte zunächst hingegen von weniger Relevanz. Dem Bildungsministerium gelang es zwar, zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens beizutragen, indem es umfangreiche Testdaten lieferte. Damit konnte der Unterricht wieder vor Ort stattfinden. Zugleich festigte das Ministerium mit dieser Fokussierung auf das Infektionsgeschehen aber die Rolle der Virologie, während andere Perspektiven – wie etwa jene der Bildungswissenschaften – weiter im Hintergrund blieben. Die Empfehlung der Studie: Beratungsgremien mit Vertreter:innen unterschiedlicher Disziplinen können die Politik von Beginn an auf verschiedene Aspekte einer Krise hinweisen. Das gilt für Pandemien ebenso wie etwa für die Klimakrise.

Training für Politberater:innen

Wissenschaftlichen Beratungsorganen wie der Pandemie-Koordinationsstelle GECKO kommt in Krisen eine Schlüsselrolle zu. Um das Potenzial solcher breit aufgestellten Gremien künftig besser nutzen zu können, empfehlen die Studienautor:innen, trotz des verständlichen Wunsches nach eindeutigen Antworten auf brennende Fragen, Raum für Auseinandersetzung und Dissens zu lassen. Die Wissenschaft kann und soll der Politik nicht die Entscheidungskompetenz abnehmen, sie kann nur Handlungsoptionen aufzeigen. Um zielgerichtete Politikberatung zu ermöglichen, müssen aber auch Daten der unterschiedlichen Behörden und Ministerien zur Verfügung gestellt werden. Wissenschaftler:innen benötigen zudem Beratungstrainings, bevor sie sich einem solchen Gremium zur Verfügung stellen. Diese Trainings dürfen sich nicht auf das Einüben des sicheren Medienauftritts beschränken. Viel wichtiger ist es, eine klare Vorstellung von der eigenen Rolle im Beratungsprozess, von den eigenen Verantwortlichkeiten und Grenzen zu erhalten. Wissenschaftler:innen müssen außerdem von anderen Aufgaben freigestellt werden, um genügend Zeit aufbringen zu können.

Bürgerdialog „Österreich am Wort“

Der Dialogprozess „Österreich am Wort“ fand im Herbst 2023 mit 319 von der Statistik Austria zufällig ausgewählten, der Struktur der österreichischen Bevölkerung entsprechenden Personen aus allen Bundesländern statt. Der Dialog diente einer vertieften Auseinandersetzung mit der Pandemie und war keine repräsentative Umfrage. Die Bürger:innen entwickelten in Kleingruppen von sechs bis acht Personen 185 Empfehlungen an Politik, Medien und Wissenschaft. Diese wurden analysiert und nach Maßgabe ihrer inhaltlichen Nähe zu 38 Empfehlungen zusammengesetzt. Diese 38 Empfehlungen wurden allen Teilnehmer:innen des Dialogprozesses schließlich zur Bewertung vorgelegt.

Zur Studie

Die Studie „Nach Corona“ wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung des Soziologen Alexander Bogner durchgeführt. Weitere beteiligte Institutionen: Universität Wien, Zentrum für Soziale Innovation, Institut für Höhere Studien, Medienhaus Wien, Statistik Austria

Die Studie setzt sich aus fünf sozialwissenschaftlichen Fallstudien und einer Beschreibung des Bürgerdialogs „Österreich am Wort“ zusammen.

  • Fallstudie 1: Polarisierung in Medien und Öffentlichkeit
  • Fallstudie 2: Zum politischen Umgang mit Zielkonflikten I: Die Impfpflicht
  • Fallstudie 3: Zum politischen Umgang mit Zielkonflikten II: Distance Learning
  • Fallstudie 4: Evidenz und Eindeutigkeit – Herausforderungen der Organisation wissenschaftlicher Politikberatung
  • Fallstudie 5: Wissenschaftsskepsis
  • „Österreich am Wort“ – Ein Dialogprozess zur Aufarbeitung der Coronakrise

Auf einen Blick

Studienbericht

Alle Ergebnisse können im ausführlichen und öffentlich zugänglichen Studienbericht nachgelesen werden.

Podcast – 18-min-Audio 

APA-Faktencheck: Die Mär der versprochenen sterilen Immunität

Während die Corona-Pandemie mitsamt ihren Problemen und Themen für die breite Bevölkerung vorbei zu sein scheint, bleibt das Thema unter Gegnern der Covid-Impfung und der Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus hochaktuell. Nahezu unwidersprochen können diese nun ihre Version der Erinnerung unter das Volk bringen. Einige Versuche der Uminterpretation von Abläufen in der Pandemie grenzen dabei an Geschichtsklitterung, also das Verzerren historischer Ereignisse.

Beliebt ist derzeit der Hinweis, dass die Covid-Impfung damals unter dem Versprechen des Schutzes vor einer Ansteckung bzw. der sogenannten sterilen Immunität angepriesen worden sei. Da dies auch als Maßnahme für Einschränkungen des öffentlichen Lebens genutzt worden sei, sehen sich viele Kritiker als betrogene Opfer. Sie formulieren Vorwürfe und verweisen auf Dokumente, die eine fehlende Effektivität der Impfung zu belegen versuchen oder darauf aufmerksam machen, dass die Impfstoffe nicht dafür zugelassen seien, eine Übertragung des Virus zu verhindern. (1,2,3,4).

Einschätzung: Die Erwartung an die Impfung gegen das Coronavirus war der Schutz vor Todesfällen, schweren Verläufen und Erkrankungen. Da sie diese Ziele erreichte und darüber hinaus auch noch anfangs Ansteckungen reduzieren konnte, wurden damit politischer Druck und Maßnahmen gerechtfertigt. Mit stetiger Abnahme der Impfeffektivität versuchen Kritiker, die Geschehnisse in ein schlechtes Licht zu rücken. Eine Art Versprechen für die Reduktion von Infektionen hat es bei der Einführung der Impfung allerdings nicht gegeben.

Überprüfung: Grundsätzlich können Impfungen verschiedene Erfolge beim individuellen Schutz vor Krankheiten haben. Sie können die Gefahr von Todesfällen oder schweren Verläufen durch Infektionen reduzieren. Es ist auch möglich, dass sie eine symptomatische Erkrankung des Geimpften oder sogar eine Übertragung der Krankheit durch den Geimpften verhindern.

Impfung sollte Erkrankungsrisiko reduzieren

Was auch in diesem Jahr noch in Postings von Impf- und Maßnahmengegnern oft thematisiert wird, ist eine sogenannte „sterile Immunität“ durch die Impfung. Damit ist gemeint, dass eine geimpfte Person niemanden mehr anstecken kann (5). Dies bedeutet also einen noch besseren Schutz als die sogenannte „klinische Immunität“, bei der eine geimpfte Person zwar bei Infektion vor dem Ausbruch von Krankheitssymptomen bewahrt wird, andere allerdings weiterhin anstecken kann (6).

Vorweg ist zu sagen, dass die Impfung nie mit der Erwartung entwickelt worden, um die Krankheitsübertragung durch Geimpfte zu stoppen, wie in diesem Text noch anhand von Beispielen gezeigt wird. In erster Linie wollte man dadurch Todesfälle durch das Coronavirus reduzieren und man erhoffte sich, auch schweren Verläufen besser entgegentreten zu können.

Das Konzept der Herdenimmunität (7) war damals die große Hoffnung für den Kampf gegen SARS-CoV-2. Dabei geht es darum, in einer Bevölkerung einen so hohen Impfschutz aufzubauen, damit die Menschen nicht in Massen erkranken und Infektionsketten durchbrochen werden. Durch eine hohe Impfquote könnten so auch Menschen geschützt werden, die sich aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht impfen lassen können. Die WHO machte schon im Sommer 2020 klar, dass die Weltbevölkerung in der Pandemie dabei nur durch umfangreiche Impfungen nachhaltig geschützt werden könne (8). Für die Herdenimmunität wäre eine sterile Immunität der Impfung bedeutend gewesen.

Sterile Immunität nicht erwartet

Mit dieser sterilen Immunität wurde jedoch von Beginn an nicht gerechnet. Das Ärzteblatt zitierte noch am 5. Dezember 2020 Klaus Cichutek, den Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts, in einem Artikel folgendermaßen: „Cichutek stellte zudem klar, dass es sich bei den Impfungen nicht um ’sterile Impfungen‘ handeln werde. Die Impfungen hätten das Ziel, schwerwiegende Erkrankungen und Folgen von SARS-CoV-2 zu vermeiden. Er gehe davon aus, dass die Impfung die Ansteckungsgefahr für andere verringern könne. Eine Ausscheidung des Virus werde es aber weiterhin geben.“ Auch Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), hätte demnach bei derselben Veranstaltung gesagt, dass es sterile Impfungen quasi nicht gebe (9).

„Die Zeit“ schrieb im Dezember 2020, dass es unklar sei, ob die Biontech-Impfung eine sterile Immunität erzeugen könne, da diese Daten nicht erhoben worden seien (10). Bei AstraZeneca habe es hingegen erste Anzeichen gegeben. In einem Artikel des MDRs stand noch Anfang 2021 geschrieben, dass es unklar sei, ob eine vollständig geimpfte Person das Virus weitergeben könne (11)

Das Epidemiologische Bulletin des Robert-Koch-Instituts vom 14. Jänner 2021 definierte als primäres Impfziel „schwere Verläufe und Tod durch COVID-19 größtmöglich zu reduzieren“. Darüber hinaus sollten Personen mit großem Expositionsrisiko geschützt sowie die Transmission unter vulnerablen Personen verhindert werden, auch um staatliche Funktionen und das öffentliche Leben aufrechtzuerhalten (12, Seite 33). Als Maßnahmen für die reduzierte Transmission sind dabei durchwegs produzierte Antikörper durch die Impfung genannt. Eine Reduktion der Virenlast in den Atemwegen und somit eine geringere aktive Übertragungschance durch die Impfung war zu diesem Zeitpunkt nur von Tierexperimenten bekannt (13, Seite 20).

Überraschung nach Impf-Zulassung

Das Ziel der Reduktion der Erkrankungen sowie schweren Verläufe konnten einige Impfwirkstoffe wie von Biontech/Pfizer (14) oder AstraZeneca (15) erfüllen oder zumindest in Aussicht stellen. Sie wurden daraufhin freigegeben.

Ein paar Monate nachdem die Impfung dann Ende 2020 zugelassen und eingesetzt worden ist, stellte sich in zusätzlichen Studien heraus, dass die Impfung auch Schutz vor der Weitergabe der Infektion bieten könne – eine zu diesem Zeitpunkt eher unerwartete Nachricht. Laut den Untersuchungen lag diese Effektivität sogar bei 92 Prozent (16), was umso erstaunlicher war und einige sogar zu Jubelstürmen trieb.

Die BILD-Zeitung ließ sich damals etwa zu der Überschrift „Geimpfte sind NICHT mehr ansteckend“ hinreißen (17). Diese Überschrift wird heute noch unter Impfgegnern herumgereicht, die gerne behaupten, dass es von Beginn an das Versprechen der Impfung gewesen wäre, vor der Weitergabe des Virus zu schützen. Dies war ursprünglich nicht der Fall.

Auch die Politik hat öfter das Argument der verminderten Virenübertragung durch Impfungen geäußert, was anfangs auch stimmte und bei diesen 92 Prozent Wirksamkeit durchaus nachvollziehbar ist. Über die Monate und Jahre ließ die Effektivität der Impfung gegen Ansteckungen allerdings immer mehr nach – eine natürliche Entwicklung, da sich das Virus immer wieder verändert, um möglichst viele Menschen zu infizieren und sich auszubreiten.

Fazit

Es gab nie die Erwartung einer sterilen Immunität an die Impfung. Das Ziel war es, klinische Immunitäten hervorzurufen und dadurch die Ausbreitung in der Bevölkerung zu verringern. In diesem Vorhaben hatte die Impfung anfangs eine sehr hohe Effektivität. Zu Beginn stand jedoch auch eine sterile Immunität im Raum.

Die Politik hat die Bevölkerung wegen dieser erfolgsversprechenden Indikatoren zur Impfung aufgerufen. Diese Effektivität beim Schutz vor Ansteckungen hat mit der Zeit jedoch nachgelassen, wie ein Faktencheck von „Medizin transparent“ (18) zeigt. Impfgegner basteln sich jetzt eine eigene Version der jüngsten Vergangenheit, indem sie so tun, als wäre es seit jeher Ziel gewesen, dass die Impfung Infektionen verhindert und sie belogen worden seien.

Links

(1) Behauptung auf Facebook: https://go.apa.at/WZTZ5enG (archiviert: https://archive.ph/3QAnr )

(2) Behauptung auf Instagram: https://go.apa.at/IM0Z3MNa (archiviert: https://perma.cc/E9CB-KZPV, Videodownload archiviert: https://go.apa.at/tDcdSZ1W)

(3) Behauptung auf Twitter: https://go.apa.at/WPHwHpdf (archiviert: https://perma.cc/D3SU-R2DS)

(4) Behauptung auf Facebook: https://go.apa.at/Fdo6ZCVW (archiviert: https://perma.cc/8ENH-DUGP)

(5) Flexikon mit Definition: https://go.apa.at/4XmHEel3 (archiviert: https://go.apa.at/RuNjpKHL)

(6) Flexikon mit Definition: https://go.apa.at/xhOgypsM (archiviert: https://go.apa.at/hafR76r8)

(7) vfa-Artikel zu Herdenimmunität: https://go.apa.at/UmgUOyQk (archiviert: https://perma.cc/PTH7-XY9Y)

(8) Ärzteblatt: https://go.apa.at/8XlpLMuw (archiviert: https://perma.cc/JZK4-78F8)

(9) Ärzteblatt mit Zitaten: https://go.apa.at/KDUK9x6R (archiviert: https://perma.cc/TWP7-DZV6)

(10) Zeit-Artikel: https://go.apa.at/WyB5V8Ji (archiviert: https://go.apa.at/0GyY2fFU)

(11) MDR-Artikel: https://go.apa.at/tI9Ws1Qz (archiviert: https://go.apa.at/fHQ3bYjL)

(12) Epidemiologisches Bulletin des RKI: https://go.apa.at/CviVHF96 (archiviert: https://go.apa.at/zEW2L21c)

(13) Zeit-Artikel: https://go.apa.at/WyB5V8Ji (archiviert: https://go.apa.at/0GyY2fFU)

(14) Biontech/ Pfizer-Aussendung: https://archive.is/X0bL3

(15) AstraZeneca-Aussendung: https://go.apa.at/1dIODHkN (archiviert: https://go.apa.at/fthINdQV)

(16) Studie aus Israel: https://go.apa.at/9P0lbokO (archiviert: https://go.apa.at/xAGxVSt8)

(17) BILD-Artikel: https://go.apa.at/ezzUJhzw (archiviert: https://go.apa.at/Zz9EKnlZ)

(18) Faktencheck von „Medizin transparent“: https://go.apa.at/grbyQPfO

Wenn Sie zum Faktencheck-Team Kontakt aufnehmen oder Faktenchecks zu relevanten Themen anregen möchten, schreiben Sie bitte an faktencheck@apa.at. Die Texte vieler deutschsprachiger Faktencheck-Teams finden Sie auf der Seite des German-Austrian Digital Media Observatory (GADMO) unter: www.gadmo.eu

UNTERNEHMEN

Kein Kauf von Strabag-Aktien Raiffeisen Bank International sagt Russland-Deal ab – 8.5.2024

Über ein Geschäft mit Anteilen des Baukonzerns Strabag will die Raiffeisen Bank International bisher in Russland eingefrorene Gewinne nach Österreich zurückzuholen. Doch daraus wird nichts: Aus Gründen der Vorsicht, wie es von dem Geldinstitut heißt.

Die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) hat ein geplantes Russland-Geschäft abgeblasen. Im jüngsten Austausch mit den relevanten Behörden habe die Bank „nicht den erforderlichen Komfort erhalten, um die geplante Transaktion durchzuführen“, teilte das Geldinstitut mit. Die Bank habe daher beschlossen, aus Gründen der Vorsicht von der Transaktion Abstand zu nehmen. Die RBI wollte über ihre russische Tochter 28,5 Millionen Aktien am österreichischen Baukonzern Strabag im Wert von mehr als einer Milliarde Euro erwerben.

Das Strabag-Aktienpaket von 24,1 Prozent gehörte einem russischen Milliardär, der wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sanktioniert wurde. Der Milliardär hatte seine Anteile vor wenigen Wochen an einen anderen, nicht sanktionierten Investor verkauft. Die Raiffeisen Bank erhoffte sich mit dem Geschäft, einen Teil ihrer bei einer russischen Tochter eingefrorenen Gewinne in Milliardenhöhe nach Österreich holen zu können.

Da die Strabag deutsche Tochtergesellschaften hat, hatte das deutsche Bundeswirtschaftsministerium nach Angaben aus Regierungskreisen eine Investitionsprüfung eingeleitet. Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat die RBI nach eigenen Angaben ihre Aktivitäten in Russland deutlich reduziert. Unabhängig von der Entscheidung zur Absage der geplanten Transaktion strebe die RBI weiterhin die Entkonsolidierung ihrer russischen Tochtergesellschaft an, betonte die RBI erneut. Die RBI steht unter dem Druck der Europäischen Zentralbank (EZB), die zuletzt einen weiteren deutlichen Abbau des Raiffeisen-Kreditgeschäfts in Russland ab Mitte dieses Jahres gefordert hat. Quelle: ntv.de, lme/dpa