Tagesblick – 28.12.2023 Donnerstag

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FAZIT DES TAGES

Israel-HAMAS-Krieg
* Israel kämpft an mehreren Fronten: wachsende Eskalation an der libanesischen Grenze zu Israel
* Bisher schwerster Raketenbeschuss durch Hisbollah, schrillende Sirenen im Norden Israels
* Kampfansage an die Hisbollah von israelischem Minister Gantz
* Sorge vor Eskalation im Nahen Osten
* Bericht: Blinken reist erneut in den Nahen Osten
* WHO: Zehntausende suchen in Gaza Schutz in Kliniken
* Erdogan vergleicht Netanjahu mit Hitler
* Israels Armee weitet seine Bodenoffensive im Süden Gazas aus. Derweil erhöhen sich die Spannungen an Israels nördlicher Grenze zum Libanon.

Ukraine-Krieg
* Ukraine erhält neue Militärhilfe aus den USA, weitere US-Hilfen für Ukraine bleiben ungewiss
* Nouripour: Deutschland könnte US-Unterstützung für Ukraine nicht kompensieren
* Selenskyj: Ukraine kann einer der größten Rüstungsproduzenten werden
* Ukraine: Haben dieses Jahr eigene Rüstungsproduktion verdreifacht – Knappes Schießpulver – COMMENT
* Ukraine lehnt Kretschmers Idee zu Waffenstillstand mit Russland ab
* Im Osten und im Süden der Ukraine gehen die Kämpfe auch am Donnerstag unvermindert weiter

MÄRKTE
* DAX und DJ: Immer weiter immer heiter, wenn auch mit verminderter Kraft

MARKTUMFELD
* Studie zeigt: ESG-Aspekte rücken bei Investoren in den Hintergrund – nachlassendes Interesse vor allem bei Millennials und Generation Z

ZENTRALBANKEN
* OeNB und FMA haben ihre gemeinsamen Schwerpunkte in der Bankenaufsicht für das Jahr 2024 festgelegt

INTERNATIONAL
* Hapag-Lyoyd meidet weiter Route durch Rotes Meer

USA – ARGENTINIEN
* USA: „NYT“ klagt OpenAI und Microsoft wegen ChatGPT
* USA und Mexiko verstärken Kampf gegen illegale Migration
* USA: Über 60 Festnahmen bei Nahost-Protesten auf US-Flughäfen
* USA: Oberster Gerichtshof in Michigan lehnt Ausschluss Trumps von Vorwahlen ab
* ANALYSE – HINTERGRUND: Verprellte Jungwähler: Israel-Politik wird zu Problem für Biden
* ARGENTINIEN: Tausende Argentinier protestieren gegen Reformen des neuen Präsidenten

NORDKOREA
* Kim Jong Un intensiviert Kriegsvorbereitungen in Nordkorea

NAHOST
* MENA-Watch (27.12.2023)

EUROPA
* Moskau: Erdölexporte fast vollständig nach China und Indien umgeleitet
* Russische Journalistin gründet nach abgelehnter Präsidentschaftskandidatur Partei
* Erdogan sieht „keinen Unterschied“ zwischen Netanjahu und Hitler
* Doch kein schnelles Aus für metrisches System in GB
* Polnische Regierung liquidiert öffentliche Medien
* Rumänien: Einigung mit Österreich über teilweisen Schengen-Beitritt
* Nach Wahl: Protest soll Belgrad am Freitag lahmlegen
* Unglücksschiff „Vasa“ zerbröckelt wieder
* KOMMENTAR: Orban-Kritik: Die fortdauernde Fäulnis im Organismus Europas

DEUTSCHLAND
* IW-Studie: Mehrheit der Wirtschaftsbranchen blickt pessimistisch ins neue Jahr
* Mehr als 11,7 Milliarden Euro So viele Rüstungsexporte wie noch nie
* KI-Boom: Unternehmen suchen Fachkräfte
* Netzagentur: Stromnetzausbau zeigt deutliche Beschleunigung
* Jeder zweite Bundesbürger (50 Prozent) spricht sich für ein pauschales Verbot von Böllern und anderen Feuerwerkskörpern zu Silvester aus

ÖSTERREICH
* Staatsschulden im 3. Quartal weiter gestiegen
* KV-Einigung: 8,43 Prozent mehr für Handelsangestellte
* Ausgaben für Parteienförderung 2023 deutlich gestiegen
* „Politisches Übereinkommen“: Rumänien sieht Schengen-Einigung
* KOMMENTAR: Bahnfahren zwischen Zürich und Wien Hohe Preise und defekte Züge: Österreichs Bahn fährt in die Krise
* UNTERNEHMEN: Wiener Pratersauna laut KSV insolvent – Martin Ho und Dotsgruppe dementieren

MEDIZIN
* Österreich: knapp 45.000 an Covid-19 erkrankt
* Migration mit eine Ursache: Leichter Anstieg der Tuberkulose in Deutschland
* Wieder mehr Menschen in Berlin von Masern betroffen
* Nachtschichten führen häufig zu Schlafstörungen
* Biomarker bei Leberzirrhose von Wiener Wissenschaftern identifiziert
* Nach 30 Jahren haben ehemalige Raucher das gleiche Mortalitätsrisiko wie Nieraucher
* KI identifiziert Nieraucher mit hohem Lungenkrebsrisiko
* Wissenschaftsjahr 2024: Bessere KI, Supercomputer, Gesellschaftsnähe

UMWELT
* Die Luft ist seit dem Jahr 1600 deutlich trockener geworden

BILDUNG
* Wer gute Noten schreibt, ist in der Regel auch beliebt

GESELLSCHAFT – MENSCHEN
* STANDARD-Umfrage: Nur ein Drittel lebt finanziell unbeschwert – Vertrauensverlust in den Staat – Junge sehen bessere Jobmöglichkeiten – Stabile Wahlumfragen mit FPÖ an der Spitze (Tabellen online)
* Kinderbetreuung: Österreich hinkt trotz Rekords hinterher
* Gesundheit – Sache von Bildung und Geld
* Ex-EU-Kommissionspräsident Delors ist tot
* CDU-Urgestein verstorben Wolfgang Schäubles 51 Jahre in der Politik – KURZVIDEO
* Rigoroser Sparkurs Schäubles finanzielles Erbe bleibt umstritten – KURZVIDEO
* 1929–2023: Gaston Glock ist tot

HELLMEYER

  • Märkte: Die Farbe „Grün“ dominiert weiter
  • IW-Ökonom Hüther auf unseren Spuren

MÄRKTE

Märkte: Die Farbe „Grün“ dominiert weiter

Die Finanzmärkte zeigten sich Richtung Jahresende fortgesetzt in einer weitgehend freundlichen

Verfassung. Die Farbe „Grün“ dominierte.

An der Datenfront ergaben sich positive Impulse aus der Schweiz, Japan, Südkorea und Russland

(siehe Datenpotpourri).

In der Schweiz stieg die Investoren-Konfidenz.

Südkorea reüssiert mit unerwartet starker Industrieproduktion.

Der Datensatz aus Russland lieferte einmal mehr den Beleg einer alle Bereiche umfassenden Expansion der Ökonomie. Zudem soll sich das Haushaltsdefizit dort auf nur 1,5% des BIP belaufen.

Japans Datensatz offerierte starke Einzelhandelsdaten und besser als erwartete Daten im Sektor Industrieproduktion.

Die Daten aus den USA (Richmond Fed Composite Index) als auch aus der Eurozone (Finnland) setzten dagegen negative Akzente.

Als Fazit lässt sich ziehen, dass Europa, allen voran Deutschland, konjunkturell immer weiter

abgehängt wird. Deutlich wurde das einmal mehr an der Beurteilung der deutschen

Wirtschaftsverbände. Laut IW-Köln berichten 30 von 47 Wirtschaftsverbänden von einer aktuell

schlechten Lage, 23 Verbände gehen 2024 von einer weiteren Verschlechterung aus. Das IW

bemängelte Planungsunsicherheit. Nun, Planungssicherheit ist unverzichtbar für nachhaltige und

expansive Investitionstätigkeit zur Erhaltung des Kapitalstocks (Grundlage aller Einkommen).

Die Aktienmärkte konnten bei wenigen Ausnahmen zulegen. Der MSCI World Index nahm um

0,41% zu. Der DAX stieg um 0,21%, der EuroStoxx50 um 0,17%. In den USA ergab sich ein mild

positives Bild. Der S&P 500 legte um 0,14%, der Dow Jones um 0,07% und der Citi Tech 100 um

0,16% zu. In Fernost enttäuschte der Nikkei (Japan) Stand 08:06 Uhr mit einem Minus in Höhe von

0,42%. Der CSI 300 (China) stieg um 2,27%, der HangSeng (Hongkong) um 2,67%, der Sensex

(Indien) um 0,49% und der Kospi (Südkorea) um 1,60%.

An den Rentenmärkte kam es zu weiterer Entspannung. 10-jährige Bundesanleihen rentieren

aktuell mit 1,91% (Vortag 1,98% ), 10-jährige US-Staatsanleihen mit 3,81% (Vortag 3,88%).

Der USD stand gegenüber dem EUR (+0,65%), gegenüber Gold (+1,06%) und gegenüber Silber

(+1,16%) unter Verkaufsdruck.

Berichte & Analysen – Auswahl

Nachrichten in Kurzform:

• Berlin: Der prägende Politiker Wolfgang Schäuble ist im Alter von 81 Jahren

verstorben.
=> Wir sprechen unser Beileid aus

• Berlin: Laut IW-Köln berichten 30 von 47 Wirtschaftsverbänden von einer aktuell

schlechten Lage, 23 Verbände gehen 2024 von einer weiteren Verschlechterung

aus. Das IW bemängelte Planungsunsicherheit.
=> Prekär. Planungsunsicherheit ist „Gift“ für bitter notwendige Investitionen!

• Paris/Brüssel: Der frühere EU-Kommissionschef Jacques Delors ist im Alter von 98

Jahren verstorben.
=> Wir sprechen unser Beileid aus

Moskau: Russland verkaufte sein Öl im Jahr 2023 insbesondere nach China (45% –

50%) und Indien (40%).
=> Prekär. Planungsunsicherheit ist „Gift“ für bitter notwendige Investitionen!

=> Wir sprechen unser Beileid aus

• Washington: Republikaner legten Berufung gegen Trumps Ausschluss bei Wahlen

in Colorado ein.
=> Nicht überraschend

Pjöngjang: Nordkorea intensiviert laut Staatsführer Kim Kriegsvorbereitungen

seines Landes als Antwort auf die Konfrontationspolitik der USA.

=> Negativ

IW-Ökonom Hüther will Infrastruktur- und Transformationsfonds

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) Hüther machte sich

gestern für einen Infrastruktur- und Transformationsfonds stark. Nach dem Urteil des

Bundesverfassungsgerichts, so Hüther, sei die Regierung mit dem Staatsschulden-

recht konfrontiert. Er sagte, man bastelte drum herum. Man redete über die Notlagen.

Das wären alles keine nachhaltigen Lösungen, mit denen der Eindruck entstünde, man

hätte das im Griff. Hüther wäre nicht für eine Aufhebung der Schuldenbremse, aber

man könnte kluge Lösungen finden, indem man einen gesamtstaatlichen Infrastruktur-

und Transformationsfonds auflegte. Alle Investitionen, für die man eine Planungs- und

Verfahrensbeschleunigung machen könnte, gehörten in einen solchen Fonds,

Subventionen nicht. Das einseitige Beachten der Schulden und nicht des BIP führte

laut Hüther dazu, dass die Regierung selbst verschärfend in die gesamtwirtschaftliche

Entwicklung hineinwirkte. Das machte die Sache nicht besser.
=> Hüther auf unseren Spuren

Kommentar: Das deckt sich mit unserer Analyse massiver Unterinvestitionen in diesen

Sektoren, die fortgesetzt zu Standortnachteilen und damit einem Mangel an

Konkurrenzfähigkeit führten und führen. Die aktuellen Wirtschaftsdaten (Konjunktur und

Struktur) belegen den „Verliererstatus“ Deutschlands.

Hüther adressiert damit einige der offenen Flanken der fehlgeleiteten Politik der deutschen

Regierungen, die seit Jahren ideologisch überfrachtet ist.

Leider gibt es noch mehr Baustellen, ein prohibitives Steuersystem, eine überbordende

Bürokratie und einen Bildungsnotstand, wie nie zuvor seit 1949 (Auflistung nicht vollständig).

Darüber hinaus sind es zeitgeistliche Themen, die über Jahre via Medien und Politik in die

Gesellschaft implementiert wurden, beispielsweise eine Technologiefeindlichkeit, die politisch

induziert ist (z.B. Biotechnologie, Weiterentwicklung der Atomenergie).

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, so Hüther, sei die Regierung mit dem

Staatsschuldenrecht konfrontiert. Er sagte, man bastelte drum herum. Man redete über die

Notlagen. Das wären alles keine nachhaltigen Lösungen, mit denen der Eindruck entstünde,

man hätte das im Griff.

Kommentar: Hüther hat Recht. Es geht um nachhaltige Lösungen. Der fiskalische Spielraum

Deutschlands (Staatsschulden 66% des BIP) ist in Anbetracht der im Vergleich zu den USA

(2023 123% des BIP), Japan (255% des BIP), China (83% des BIP) und UK (104% des BIP)

mäßigen Staatsverschuldungsquote nach wie vor gegeben. Diesen Spielraum nicht zu nutzen

(Investitionen, Strukturen „Aristoteles“), wäre vor dem jetzt „endlich“ erzielten

Erkenntnisgewinnen verantwortungslos.

Wenn diese strukturellen Defizite nicht abgestellt würden, ergäbe sich über die Erosion des

Kapitalstocks (Summe aller Unternehmen, Quelle der staatlichen und privaten Einkommen)

hinsichtlich nicht mehr gegebener Konkurrenzfähigkeit des Standorts im Rahmen der

fortgesetzten Abkehr von der Leistungsgesellschaft hin zur Anspruchsgesellschaft eine

Erhöhung der Staatsschulden für konsumtive Zwecke. Das wäre prekär für die

Zukunftsfähigkeit dieses Landes. Es wäre reine Verschwendung.

Es geht darum, die Ursachen der strukturellen Probleme Deutschlands zu benennen und Politik

zu gestalten, die diese massiven Defizite neutralisiert und internationale Konkurrenzfähigkeit

herstellt. Hintergründig geht es darum, für den Standort, für die Menschen vor Ort und für die

Unternehmen Politik zu machen, nicht für die Interessen Dritter, ansonsten würde das ohnehin

angeschlagene Vertrauen der Unternehmen und der Bürger weiter erodiert. Das hätte ultimativ

auch erhebliche Folgen für die gesellschaftspolitische als auch politische Stabilität.

Hüther wäre nicht für eine Aufhebung der Schuldenbremse, aber man könnte kluge Lösungen

finden, indem man einen gesamtstaatlichen Infrastruktur- und Transformationsfonds auflegte.

Alle Investitionen, für die man eine Planungs- und Verfahrensbeschleunigung machen könnte,

gehörten in einen solchen Fonds, Subventionen nicht.

Kommentar: Die Debatte über die Schuldenbremse ist sinnlos, entscheidend ist die

Verwendung der Mittel zur Bereinigung der realen und nicht ideologischen Brennpunkte.

Das einseitige Beachten der Schulden und nicht des BIP führte laut Hüther dazu, dass die

Regierung selbst verschärfend in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hineinwirkte. Das

machte die Sache nicht besser.

Kommentar: Genau – deswegen gilt es, die noch verbliebenen Ressourcen der

Leistungsgesellschaft Sinn stiftend zu nutzen. Ist unsere Regierung dazu in der Lage?

Datenpotpourri

Eurozone: Finnlands Daten nicht erbaulich

Finnland: Der Index des Verbrauchervertrauens sank per Dezember von -12,4 auf -13,3 Punkte.

Der Index des Vertrauens der Industrie stellte sich per Dezember auf -20 nach -21 Zählern.

Schweiz: Investorenzuversicht auf höchstem Stand seit 02/2023

Der Index des Sentiments der Investoren verzeichnete per Dezember einen Anstieg von -29,6 auf -23,7 Punkte. Es ist der höchste Wert seit Februar 2023.

USA: Richmond mit gesamtwirtschaftlicher Schwäche

Der Richmond Fed Composite Index sank von zuvor -5 auf -11 Punkte (schwächster Wert seit Mai 2023).

Japan: Starker Einzelhandel, Industrieproduktion (M) besser als erwartet

Die Industrieproduktion sank per November im Monatsvergleich um 0,9% (Prognose -1,6%) nach zuvor +1,3%. Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 1,4% nach zuvor -0,6%.

Die Einzelhandelsumsätze nahmen per November im Jahresvergleich um 5,3% (Prognose 5,0%) nach zuvor 4,1% (revidiert von 4,2%) zu.

Russland: Daten stark, sowohl unter als auch über Prognosen

Die Industrieproduktion stieg per November im Jahresvergleich um 4,3% (Prognose 4,4%) nach zuvor 5,3%.

Die Einzelhandelsumsätze legten per November im Jahresvergleich um 10,5% (Prognose

11,7%) nach zuvor 12,7% zu.

Die realen Löhne konnten per Oktober im Jahresvergleich um 9,9% (Prognose 7,7%) nach zuvor 7,2% zunehmen.

Das BIP legte per November im Jahresvergleich um 4,4% (Prognose 3,6%) nach zuvor 5,1%

(revidiert von 5,0%) zu.

Die Arbeitslosenrate stellte sich per November auf 2,9% (Prognose und Vormonatswert 2,9%, Allzeittief).

Südkorea: Starke Industrieproduktion

Die Industrieproduktion verzeichneten per November im Jahresvergleich eine Zunahme um

5,3% (Prognose 3,0%) nach zuvor 1,1%.

Hier den Hellmeyer Report herunterladen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)

ÜBERSICHT

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

DAX sinkt heute, 10:32, marginal um -0,07% auf 16.731 Punkte.

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Termine

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Marktumfeld

Studie zeigt: ESG-Aspekte rücken bei Investoren in den Hintergrund – nachlassendes Interesse vor allem bei Millennials und Generation Z – finanzen.net, 28.12.2023

Laut einer Studie der Stanford University und der Hoover Institution wurde 2023 ein Rückgang der Unterstützung für ESG-Themen festgestellt – vor allem bei jungen Anlegern. Kaum Veränderungen gab es hingegen bei den Baby Boomern und der stillen Generation.

• Ex-Trendthema ESG auf absteigendem Ast
• Studie zeigt Interessensrückgang
• Besonders Millennials und Generation Z betroffen

ESG: Environment, Social und Governance

In den vergangenen Jahren kam das generell verstärkte Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch an der Börse an. Die Kurzform ESG, die für Environment, Social und Governance steht, beinhaltet Umweltschutz, soziale Nachhaltigkeit und nachhaltige Unternehmensführung. Eine Investition in den Trend ist entweder direkt durch den Kauf von Anteilen solcher Unternehmen, die einen großen Wert auf einen nachhaltigen Geschäftsbetrieb legen, oder aber auch durch ESG-Fonds, die gleich mehrere solcher Unternehmen bündeln, möglich. In den vergangenen Monaten nahm das Interesse an den vermeintlich nachhaltigen Anlagemöglichkeiten jedoch ab, unter anderem weil vielen Firmen, die unter die ESG-Prinzipien fallen, Greenwashing unterstellt wurde. Der Begriff bezeichnet das Vorgehen, sich umweltfreundlicher zu präsentieren als man tatsächlich ist, beispielsweise durch Kommunikationsmaßnahmen oder Marketinginstrumente.

Stanford-Studie untersucht ESG-Interesse innerhalb verschiedener Generationen

Auch eine im Dezember 2023 veröffentlichte Studie der Stanford University und der Hoover Institution zeigt, dass ESG-Anlagen bei Anlegern nicht mehr so hoch in der Gunst stehen. Die Befragung wurde von LUCID Theorem im Herbst 2023 unter 993 US-amerikanischen Privatanlegern durchgeführt.

Das Anlagevermögen der Teilnehmer auf Altersvorsorge– und Privatsparkonten reichte von weniger als 10.000 US-Dollar bis zu über 500.000 US-Dollar. Im Schnitt verfügten die Probanden über ein Vermögen in Höhe von 150.000 US-Dollar. Die meisten der genannten Anlagen wurden durch die Vermögensverwalter Fidelity, Vanguard, American Funds, BlackRock, Invesco und State Street gehalten. 45 Prozent der befragten Teilnehmer waren zum Erhebungszeitpunkt zwischen 18 und 41 Jahren alt und waren damit den Generationen Millennials und Generation Z zuzuordnen. 28 Prozent entsprachen der Generation X mit einer Altersspanne von 42 bis 57 Jahren, während 27 Prozent der Befragten 58 Jahre und älter waren und damit den Baby Boomern und der stillen Generation angehörten.

Starker Rückgang von ESG-Interesse bei Millennials und Generation Z

Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass unter den befragten Millennials [Generation Y] und Generation Z-Mitgliedern die Sorge um ESG-Themen im Jahresvergleich zurückging. Dies galt sowohl für Umweltaspekte als auch für soziale Themen und Führungsfragen. So erklärten 2023 nur noch 49 Prozent der Teilnehmer, dass ihnen Umweltbelange wie Kohlenstoffemissionsziele und die Beschaffung erneuerbarer Energien am Herzen liege, nach 70 Prozent im Vorjahr. 53 Prozent erklärten, dass sie sich über soziale Probleme wie Vielfalt am Arbeitsplatz, Einkommensunterschiede und Arbeitsplatzbedingungen Gedanken machen. Zuvor waren es noch 65 Prozent. Und auch mit der Unternehmensführung beschäftigten sich nach 64 Prozent im Jahr 2022 nun nur noch 47 Prozent.

Rückgang auch bei Generation X – Baby Boomer kaum verändert

Auch bei der Generation X standen die ESG-Themen in diesem Jahr nicht mehr so stark im Fokus: Umweltherausforderungen fanden nur noch bei 41 statt zuvor 57 Prozent Anklang, über soziale Themen machten sich noch 42 Prozent Gedanken, nach 54 Prozent im Vorjahr. Und auch bei Aspekten der Führungsriege von Unternehmen sank die Anteilnahme von 53 Prozent auf 30 Prozent.

Deutlich weniger Veränderung gab es bei den Boomern und der stillen Generation zu beobachten, allerdings war das Interesse in dieser Altersklasse auch schon im Vorjahr vergleichsweise niedrig. Nach 35 Prozent im Vorjahr machten sich 2023 immerhin 34 Prozent der befragten Baby Boomer Gedanken über die Umwelt. Soziale Aspekte stiegen hingegen leicht in der Gunst der Generation, von zuvor 30 Prozent auf nun 33 Prozent. Führungsthemen beschäftigten hingegen nur 26 Prozent, nach 28 Prozent im Jahr 2022.

„Stimmung dramatisch verändert“

„Noch vor einem Jahr sagten uns junge Anleger mit überwältigender Mehrheit, dass sie sich große Sorgen um Umwelt- und Sozialthemen machten und dass sie wollten, dass die Fondsmanager, die ihre Ersparnisse anlegen, ihre Größe und ihr Stimmrecht nutzen, um für Veränderungen einzutreten, auch wenn dies einen Verlust des persönlichen Reichtums bedeutete“, kommentierte Professor David F. Larcker von der Stanford Graduate School of Business und der Hoover Institution Working Group on Corporate Governance die Studienergebnisse im Rahmen einer Pressemitteilung. „In diesem Jahr hat sich die Stimmung dramatisch verändert, wobei junge Anleger und Anleger mittleren Alters durchweg eine geringere Unterstützung für ESG-Themen zum Ausdruck brachten, und zwar im zweistelligen Prozentbereich.“

Keine Verluste mehr aufgrund von ESG-Aspekten

Demnach sind junge Anleger immer weniger dazu bereit, sich mögliche Gewinne durch Ideale wie Umweltbelange, soziale Aspekte und eine nachhaltige Unternehmensführung entgehen zu lassen, wie auch Professor Amit Seru ergänzte: „Junge Investoren sagen uns, dass sie viel weniger bereit sind, persönliches Geld zu verlieren, um Fortschritte bei Themen wie Klimawandel, Nachhaltigkeit, Arbeitsbedingungen und Vielfalt am Arbeitsplatz zu sehen.

Da ihr Selbstvertrauen gesunken ist, sind Anleger vorsichtiger, wenn es darum geht, ihr persönliches Vermögen zu riskieren, um die Anliegen ihrer Interessengruppen zu unterstützen.“

„Bewährungsprobe“ für ESG-Markt

Darüber hinaus sieht Seru auch die hohen Inflationsraten im Jahr 2023 als mitverantwortlich für den Nachfrageeinbruch bei ESG-Investitionen, wie der Professor gegenüber der Nachrichtenagentur „Bloomberg“ erklärte. „Wenn die Zinssätze steigen, schießt die Inflation in die Höhe und die Menschen müssen sich mit der Realität auseinandersetzen“, so der Stanford-Forscher. Unternehmen, die saubere Energie produzieren, hatten sich vom Inflation Reduction Act der US-Regierung, der auch die Umstellung auf Alternativen zu fossilen Brennstoffen beinhaltet, eine stärkere Kurs-Performance an der Börse erhofft. Durch höhere Kreditkosten wurden aber auch die Aktien in Mitleidenschaft gezogen. Laut Bloomberg betrugen die Verluste an der Börse hier im zweiten Halbjahr 2023 etwa 30 Milliarden US-Dollar. „Das letzte Jahr war so etwas wie eine Bewährungsprobe“, resümierte Seru. Redaktion finanzen.net

Zentralbanken

OeNB und FMA haben ihre gemeinsamen Schwerpunkte in der Bankenaufsicht für das Jahr 2024 festgelegt

Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) und die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA haben für das Jahr 2024 erneut Themenschwerpunkte bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der Bankenaufsicht festgelegt

Resilienz des Bankensektors und Sicherung der Finanzmarkstabilität
Die Kapital- und Liquiditätsausstattung der österreichischen Kreditinstitute wird angesichts des herausfordernden Umfelds weiterhin einem intensiven Monitoring unterzogen – insbesondere die Kapitalstärkung soll weiterhin im Fokus von mikro- bzw. makroprudenziellen Maßnahmen stehen. Die Auswirkungen von Inflation und der restriktiveren Geldpolitik auf das Zins- und Kreditrisiko, die Liquiditätsausstattung sowie die Kapitalausstattung werden sowohl mikro- als auch makroprudenziell analysiert.

Immobilienrisiken
Die Immobilienrisiken (Wohn- und Gewerbeimmobilien) im österreichischen Bankensektor sollen durch mikro- und makroprudenzielle Maßnahmen weiter begrenzt werden. Dabei stehen die Einhaltung nachhaltiger Vergabestandards und die vorausschauende Bildung von Risikovorsorgen in Verbindung mit konservativen Sicherheitenbewertungen im Zentrum.

Digitalisierung und ICT-Risiken – Chancen und Risiken des technischen Fortschritts
Die Umsetzung von DORA (Digital Operational Resilience Act) wird aufsichtlich entsprechend vorbereitet. Ebenso sollen die Auswirkungen von neuen Technologien wie KI-Anwendungen auf die Geschäftsmodelle und die Risikosituation erfasst werden.

Klima- und Umweltrisiken und die damit einhergehende Transformation der Wirtschaft
Nachhaltigkeitsrisiken, insbesondere Klima- und Umweltrisiken, sollen noch stärker in Risikomanagement, Strategie und Governance der Kreditinstitute abgebildet werden. Der FMA-Nachhaltigkeitsleitfaden soll novelliert, der von der OeNB durchgeführte nationale Klimastresstest methodisch weiterentwickelt werden.

Regulatorik
Die österreichischen Aufsichtspositionen zu wesentlichen Rechtsmaterien sollen im Rahmen des europäischen Rechtssetzungsverfahrens (z. B. Weiterentwicklung der Regelungen im Bereich Krisenmanagement) sowie der nationalen Umsetzung eingebracht werden. Die Vorbereitungen auf den Vollzug neuer Regelungen (insbesondere EU-Bankenpaket und DORA) sind im Gange, erforderliche Änderungen in der Aufsichtspraxis werden eingeleitet.

Governance
Die Durchsetzung der Governance-Anforderungen gegenüber Kreditinstituten wird durch die Überarbeitung des regulatorischen Rahmenwerks im Zuge der nationalen Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben sowie durch eine noch engere Zusammenarbeit im Bereich der Geldwäscheprävention gestärkt.

Inhaltlich sind die dargestellten Ziele in Verbindung mit den Aufsichtsschwerpunkten des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) für 2024 zu sehen und stehen in Einklang mit den Zielen und dem Work Programme der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA).

Die Festlegung und Kommunikation gemeinsamer Aufsichtsschwerpunkte von OeNB und FMA in der Bankenaufsicht erfolgt jährlich für das darauffolgende Jahr. 

INTERNATIONAL

Hapag-Lyoyd meidet weiter Route durch Rotes Meer

Wegen der unsicheren Lage im Roten Meer meidet Deutschlands größte Containerreederei Hapag-Lloyd weiterhin das Seegebiet im Nahen Osten. Die Schiffe würden weiter über das Kap der Guten Hoffnung an der Spitze Südafrikas umgeleitet, teilte ein Unternehmenssprecher heute mit. Hapag-Lloyd beobachte die Situation laufend und wolle Ende der Woche erneut entscheiden. Das Hamburger Unternehmen hatte unlängst mitgeteilt, bis Jahresende rund 25 Schiffe umzuleiten, die für das Rote Meer und den Sueskanal geplant waren.

Der dänische Rivale Maersk erklärte inzwischen, angesichts der angekündigten Maßnahmen zur Sicherung der Schifffahrtswege im Roten Meer die Route bald wieder nutzen zu wollen. Allein in den kommenden Wochen sollten mehrere Dutzend Containerschiffe die schnellere Route durch den Sueskanal und das Rote Meer nutzen. Allerdings stehe dieser Plan noch unter Vorbehalt.

Unter den Schiffen, die heute in einer Information an die Kunden des Konzerns aufgeführt wurden, war unter anderem die „Maren Maersk“, die am 24. Dezember den Hafen von Tanger in Marokko verlassen hat und die durch den Sueskanal weiterfahren wird.

Im Jemen haben sich die Huthi-Rebellen mit der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen solidarisch erklärt und wiederholt Schiffe vor der von ihnen kontrollierten Küste attackiert. Am 15. Dezember war auch ein Hapag-Lloyd-Frachtschiff angegriffen worden. Die weltweit fünftgrößte Containerreederei hat Zuschläge für den Transport auf ihren Schiffen von und nach Nahost angekündigt. Maersk erhebt Zusatzgebühren für den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung.

AMERIKA: USA, VENEZUELA, u.a.

„NYT“ klagt OpenAI und Microsoft wegen ChatGPT

Als erste große amerikanische Zeitung hat die „New York Times“ („NYT“) die Softwareunternehmen OpenAI und Microsoft wegen ihres KI-Chatbots ChatGPT geklagt. Die „NYT“ wirft den Firmen vor, dass diese Wissen aus Millionen Artikeln benutzt haben, um ChatGPT zu füttern und damit auf Kosten der „NYT“ ein Geschäft aufbauen.

Die „NYT“ nannte keine konkreten Schadenersatzforderungen, teilte aber mit, dass die Klage „darauf abzielt, diese (OpenAI und Microsoft, Anm.) für den gesetzlichen und tatsächlichen Schadenersatz in Milliardenhöhe verantwortlich zu machen, den sie für das unrechtmäßige Kopieren und die Nutzung der einzigartig wertvollen Werke der Times schulden“.

Im Juli kündigten OpenAI und die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) eine Vereinbarung an, das dem Unternehmen für künstliche Intelligenz (KI) Zugriff auf das AP-Archiv gewähren soll. Die „NYT“ sagte in diesem Zusammenhang, sie habe nie jemandem die Erlaubnis erteilt, ihre Inhalte für generative KI-Zwecke zu nutzen. Die nun eingereichte Klage folgt auf offenbar gescheiterte Gespräche.

Man habe sich im April an Microsoft und OpenAI gewandt, um Bedenken hinsichtlich der Nutzung ihres geistigen Eigentums zu äußern und eine Lösung in dieser Angelegenheit zu finden, wie es dazu vonseiten der „NYT“ heißt.

USA und Mexiko verstärken Kampf gegen illegale Migration

Zur Bewältigung der irregulären Migration wollen die USA und Mexiko enger zusammenarbeiten. Bei Gesprächen in Mexiko-Stadt einigten sich Vertreter der beiden Regierungen gestern auf die Einrichtung einer bilateralen Arbeitsgruppe, die sich regelmäßig treffen soll, wie die mexikanische Außenministerin Alicia Barcena mitteilte. Ziel ist, die Zahl der Migranten einzudämmen, die über Mexiko in die USA gelangen wollen.

In die Bemühungen sollen auch die Herkunftsländer der meisten Migranten und Migrantinnen in Mittel- und Südamerika einbezogen werden. Präsident Andres Manuel Lopez Obrador traf sich im Nationalpalast in Mexiko-Stadt mit US-Außenminister Antony Blinken, US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas und mit der Heimatschutzberaterin des Weißen Hauses, Liz Sherwood-Randall.

Zum Zeitpunkt des Treffens waren nach örtlichen Medienberichten im Süden von Mexiko mindestens 7.000 Migranten zu Fuß in Richtung USA unterwegs. Sie hatten sich zu Weihnachten zu einer Karawane zusammengeschlossen.

Mexiko liegt auf der Migrationsroute von Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben die USA erreichen wollen. Sie fliehen vor Armut, Gewalt und politischen Krisen in ihren Heimatländern.

Die irreguläre Einwanderung ist eines der dominierenden Themen im Wahlkampf für die Präsidentenwahl 2024 in den USA. An der Südgrenze der USA wurden nach Angaben der Grenzschutzbehörde CBP im Haushaltsjahr 2023 fast 2,5 Millionen versuchte Grenzübertritte registriert.

Über 60 Festnahmen bei Nahost-Protesten auf US-Flughäfen

Bei pro-palästinensischen Demonstrationen auf den Flughäfen von Los Angeles und New York sind nach Polizeiangaben mehr als 60 Menschen festgenommen worden. In Los Angeles, wo die Demonstranten und Demonstrantinnen laut Polizei randalierten, wurden 36 Personen verhaftet.

„Die Demonstranten warfen einen Polizisten zu Boden, blockierten eine Straße zum Flughafen mit Bauschutt, Straßenschildern, Ästen und Betonblöcken und griffen unbeteiligte Passanten in ihren Fahrzeugen an“, erklärte die Polizei.

Auf der anderen Seite des Landes wurden nach Polizeiangaben 26 Personen wegen ordnungswidrigen Verhaltens und Verkehrsbehinderung am Flughafen JFK in Queens in Gewahrsam genommen worden.

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Oberster Gerichtshof in Michigan lehnt Ausschluss Trumps von Vorwahlen ab

Im US-Bundesstaat Michigan hat der Oberste Gerichtshof einen Ausschluss des früheren US-Präsidenten Donald Trump von der republikanischen Präsidentschaftsvorwahl abgelehnt. In ihrer kurzen Begründung erklärten die sieben Richter, sie seien „nicht davon überzeugt, dass die vorgelegten Fragen von diesem Gericht überprüft werden sollten“, bevor die Vorwahl am 27. Februar kommenden Jahres stattfindet.

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Tausende Argentinier protestieren gegen Reformen des neuen Präsidenten

Aus Protest gegen die einschneidenden Wirtschaftsreformen ihres neuen Präsidenten Javier Milei sind in Argentinien Tausende Menschen auf die Straße gegangen. In der Hauptstadt Buenos Aires forderten die Demonstranten die Justiz auf, ein Dekret für eine umfassende Deregulierung der Wirtschaft für ungültig zu erklären. Zahlreiche Menschen schwenken die argentinische Flagge und Plakate mit der Aufschrift „Das Heimatland ist nicht zu verkaufen“.

ANALYSE – HINTERGRUND  

Verprellte Jungwähler: Israel-Politik wird zu Problem für Biden

Die USA rüsten sich schon jetzt für die Präsidentschaftswahlen im November, bei der alles auf eine Neuauflage des Duells zwischen Amtsinhaber Joe Biden und seinem Vorgänger Donald Trump hinausläuft. Das Rennen wird großenteils von jungen Wählerinnen und Wählern entschieden. Diese wenden sich allerdings von den Demokraten ab – die unbedingte Unterstützung Israels durch Biden erregt ihren Zorn. Biden muss hoffen, dass die Jungen Trump noch stärker ablehnen.

Israels Armee weitet den Bodeneinsatz gegen die Hamas im Gazastreifen aus und rechnet mit „vielen Monaten“ Krieg, wie es am Mittwoch hieß. Die humanitäre Lage in Gaza ist derweil verheerend, kaum ein Spital ist noch im Betrieb, die Lieferung lebensnotwendiger Güter ist ein andauernder Drahtseilakt.

Die Bilder, die über soziale Netzwerke Menschen auf der ganzen Welt erreichen, sind verstörend – und mitunter gefälscht. Sie erreichen vor allem die Jungen und wirken bei der Meinungsbildung mit. Bidens Haltung, auch angesichts der Schicksale der Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza an Israels Seite zu stehen, verstört viele.

Das zeigen nicht zuletzt die Kontroversen der vergangenen Wochen an US-Universitäten, wo es bei propalästinensischen Protesten wiederholt zu antisemitischen Vorfällen kam. Auch jüngste Umfragen geben ein Bild vom Dilemma, vor dem Biden angesichts der bevorstehenden Wahl im Herbst steht.

Mehrheit lehnt Bidens Politik ab

Eine aktuelle Erhebung der „New York Times“ in Kooperation mit dem Siena College Research Institute ergab, dass eine klare Mehrheit unter den registrierten Wählerinnen und Wählern (57 Prozent von über 1.000 Befragten) Bidens Umgang mit dem Konflikt in Nahost ablehnte. Nur 33 Prozent stimmten zu. 38 Prozent befanden, Biden mache einen guten Job, während 46 Prozent eher Trump zutrauten, besser mit dem Konflikt umgehen zu können.

Dass Israel seinen Militäreinsatz fortsetzt, wünschten sich laut der Umfrage fast genauso viele US-Amerikanerinnen und -Amerikaner wie eine Ende des Einsatzes zum Wohl der Zivilbevölkerung. 48 Prozent aller befragten Wähler gaben an, dass Israel nicht genügend Vorkehrungen treffe, um zivile Opfer in Gaza zu vermeiden.

Junge kritischer

Jene im Alter zwischen 18 und 29 Jahren zeigte sich besonders kritisch und drückten eine noch stärkere Ablehnung gegenüber Bidens Politik aus. Sie gaben mit 72 Prozent an, eher die palästinensische Sache als die israelische zu unterstützen. Die älteren Kohorten gaben ein völlig anderes Bild ab: Je älter die Befragten, desto eher unterstützten sie die israelische Seite.

Am unnachgiebigsten in ihrer Kritik waren jene unter den Jungen, die angaben, regelmäßig TikTok zu nutzen. Die chinesische Videoplattform steht neben X (Twitter) und anderen in der Kritik, zu wenig gegen Fake News zu unternehmen.

Wahlentscheidende Kohorten

Für Biden könnte dieser erste Blick in das wahrscheinliche Wahlverhalten junger Wähler eine Hiobsbotschaft sein. Die Gen Z (Jahrgänge 1995 bis 2010) und die Millennials (1980 bis 1996) dürften bis zu 40 Prozent der Wählerschaft im kommenden Jahr ausmachen. Sie tendieren prinzipiell in Richtung der Demokraten und haben Biden auch 2020 durch ihre Wahl in den „Swing-States“, etwa in Michigan, den Sieg gebracht. Auch die für sie oft abschreckende Haltung Trumps bei den Themen Abtreibung, Minderheiten und Migration wäre eigentlich ein bestellter Acker für die Demokraten in dieser Wählergruppe.

Enttäuschungen auch abseits der Außenpolitik

Doch Biden und sein Team sorgten für viel Enttäuschung, etwa in der Klimapolitik. Die US-Regierung hatte versprochen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren und die USA auf saubere Energie umzustellen. Doch genehmigte Biden etwa heuer das „Willow“-Projekt in Alaska, eine neue große Ölbohreinrichtung samt Straßen, Pipeline und Flugplatz.

Auch den Erlass von Studierendenkrediten – in den USA ein lang gepflegtes Vorhaben – konnte Biden nicht durchbringen. Nicht zuletzt das Alter des Präsidenten (81) dürfte viele Jungwähler abschrecken, obwohl ihm Trump (77) hier nur wenig nachsteht. Zusätzlich dazu könnte 2024 die Israel-Frage die entscheidende sein.

Politische Beobachter erwarten daher bei der kommenden Wahl für das Weiße Haus eine verstärkte Hinwendung zu den traditionell chancenlosen Kandidaten dritter Parteien sowie mehr ungültige Stimmzettel – wenn Trump für die Jungen keine wählbare Alternative ist. Doch ist es noch fast ein Jahr Zeit bis zur Wahl, und die Demokraten pulvern Millionen Dollar in Kampagnen, die auf das junge Elektorat abzielen.

Das kleinere Übel

Viele junge Anhänger der Demokraten verbänden die Frage der Palästinenser auch mit jener der sozialen Gerechtigkeit in den USA, sagte Michael Abramson gegenüber der BBC. Abramson ist der politische Direktor der Young Democrats of Maricopa County im Bundesstaat Arizona. „Viele der Organisationen, in denen ich vertreten bin, haben eine starke Verbindung zu den Erfahrungen der Palästinenser und wollen ihren Kampf weiter vorantreiben.“ Doch gebe es auch wahlbestimmende Themen wie Abtreibungsrechte. Zudem sei der demokratische Kandidat für seine Zielgruppe schlicht „das kleinere von zwei Übeln“.

red, ORF.at

Links:

ASIEN: CHINA, JAPAN u.a.

Kim Jong Un intensiviert Kriegsvorbereitungen in Nordkorea

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un intensiviert die Kriegsvorbereitungen seines Landes. Er habe das Militär, die Rüstungsindustrie und den Atomwaffensektor angewiesen, die Kriegsvorbereitungen zu beschleunigen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA heute. Der Schritt sei eine Antwort auf die beispiellose Konfrontationspolitik der USA.

Die Regierung in Washington wirft Pjöngjang vor, Moskau mit Rüstungsgütern für den Krieg gegen die Ukraine zu beliefern, während Russland dem isolierten Land im Gegenzug technische Hilfe bei der Verbesserung seiner militärischen Fähigkeiten leiste.

Am Vortag hatte Kim bei einem Treffen der Regierungspartei des Landes die politischen Leitlinien für das neue Jahr vorgestellt: Pjöngjang werde die strategische Zusammenarbeit mit „antiimperialistischen, unabhängigen“ Ländern ausbauen, hieß es laut KCNA.

AUSTRALIEN

AFRIKA

ZENTRALASIEN

NAH-/MITTELOST: ISRAEL u.a.

MENA-Watch (27.12.2023)

Israel-Boykottbewegung BDS gegen Israel eine Bedrohung für Juden weltweit.

Palästinensische Kindersoldaten: die Welt schaut weg.

u.a.m.

Aus dem Editorial:

In der vergangenen Woche machte der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem gleich zweimal von sich reden. Einmal, als er in der ORF-Nachrichtensendung ZiB 2 vom 22. Dezember in ungewohnter Eindeutigkeit – und zur offensichtlichen Verwunderung der Moderatorin – aussprach, wer die Verantwortung für die aktuelle Lage in Gaza und den herrschenden Krieg trage.

Obwohl Israel diesen Krieg nicht gewollt habe, in den es von der Hamas hineingezwungen wurde, erläuterte Markus Stefan Bugnyar, bestehe im Land überhaupt kein Zweifel, dass dieser Krieg solange geführt werden muss, bis die Verantwortlichen für das Massaker vom 7. Oktober zur Verantwortung gezogen seien und es der Hamas unmöglich gemacht werde, solch einen Terrorangriff zu wiederholen.

Es sei, hielt Bugnyar fest, die Terrororganisation gewesen, die den noch am 6. Oktober bestehenden Waffenstillstand gebrochen habe, weswegen der Ball auch eindeutig bei der Hamas liege: »Es liegt an ihr, dieses Drama auch zu beenden, aber offensichtlich haben sie nur ein überschaubares Interesse am Schicksal ihrer eigenen Bevölkerung im Gazastreifen.«

Selbst auf Israels Angebote, die Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu verdreifachen, sei kein Zeichen des Entgegenkommens seitens der Hamas gesetzt worden. »Aber die Hamas hält offensichtlich nicht nur Israelis als Geiseln, sondern auch ihre eigene Zivilbevölkerung, hinter der sie sich versteckt und die sie als Schutzschild missbraucht für ihr Tun und ihre Aktionen.« Die kommenden Ereignisse hingen also, so Bugnyar zusammenfassend, vom Wohlwollen der Hamas ab, welche die Verantwortung für die Situation vor Ort trage. …

EUROPA

Moskau: Erdölexporte fast vollständig nach China und Indien umgeleitet

Russland hat seine Ölexporte nach eigenen Angaben fast vollständig nach China und Indien umgeleitet. 45 bis 50 Prozent der russischen Erdölausfuhren würden an China geliefert, 40 weitere Prozent an Indien, erklärte der für Energie zuständige Vizeministerpräsident Alexander Nowak. Während „wir vorher 40 bis 45 Prozent des Exportvolumens an Erdöl und Erdölprodukten an Europa geliefert haben, erwarten wir, dass diese Zahl bis Ende des Jahres nicht mehr als 4 oder 5 Prozent betragen wird“, fuhr er fort.

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Russische Journalistin gründet nach abgelehnter Präsidentschaftskandidatur Partei

In Russland hat die von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossene Journalistin Jekaterina Dunzowa die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. „Das wird die Partei aller sein, die für Frieden, Freiheit und Demokratie eintreten“, erklärte Dunzowa im Online-Dienst Telegram. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Russlands die Berufung Dunzowas gegen ihren Ausschluss von dem Urnengang im kommenden Jahr abgewiesen.

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Erdogan sieht „keinen Unterschied“ zwischen Netanjahu und Hitler

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht nach eigenen Worten „keinen Unterschied“ zwischen dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und Adolf Hitler. „Es gibt keinen Unterschied zwischen den Handlungen von Netanjahu und Hitler“, sagte Erdogan. Netanjahu sei allerdings „reicher als Hitler“ und bekomme von den USA und anderen westlichen Ländern „jede Art von Unterstützung“, fügte der türkische Präsident hinzu.

Doch kein schnelles Aus für metrisches System in GB

In Großbritannien bleibt die nach dem Brexit angekündigte große Abkehr vom metrischen System mit Meter und Kilogramm vorerst aus. Das gab das Handelsministerium in London heute bekannt. Zuvor hatten sich bei einer staatlichen Erhebung 98,7 Prozent der mehr als 100.000 Befragten zufrieden mit der Verwendung des metrischen Systems beim Einkauf oder Verkauf geäußert.

In Großbritannien ist es im Handel derzeit nur erlaubt, traditionelle Maße wie Pfund und Pints zu verwenden, wenn dazu die metrischen Maße wie Gramm und Liter genannt werden. Die britische Regierung hatte eine Änderung dieses Gesetzes in Betracht gezogen.

Der damalige britische Premierminister Boris Johnson hatte angekündigt, nach dem Vollzug des britischen EU-Austritts eine „neue Ära der Großzügigkeit und Toleranz“ gegenüber den traditionellen britischen Maßeinheiten einzuläuten.

Pint-Comeback im Supermarkt

Nun erklärte das britische Handelsministerium, die Regierung habe sich nach einer Auswertung aller Befragungsergebnisse und aller Argumente „derzeit gegen jegliche Gesetzesänderung entschieden“. Großbritannien habe aber eine „lange und stolze“ Geschichte des Gebrauchs der „imperial measures“, wie die traditionellen Maße in Großbritannien genannt werden.

Eine gute Neuigkeit für die Verfechterinnen und Verfechter traditioneller britischer Maßeinheiten verkündete das Ministerium dennoch: Fortan soll es in Großbritanniens Supermärkten, Pubs und Restaurants erlaubt sein, Wein oder Schaumwein in der Maßeinheit Pint zu verkaufen, die 568 Millilitern entspricht. Dieser Schritt sei dank der „neuen Freiheiten“ möglich, die der Austritt aus der Europäischen Union mit sich bringe, erklärte das Handelsministerium.

Polnische Regierung liquidiert öffentliche Medien

Der Streit über die öffentlich-rechtlichen und staatsnahen Medien in Polen ist um eine Facette reicher. Der polnische Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz kündigte heute an, das Fernsehen, Radio und die Nachrichtenagentur des Landes zu liquidieren.

Sein Schritt folgt auf die Entscheidung von Präsident Andrzej Duda, ein Veto gegen das Haushaltsgesetz 2024 der neuen Regierung einzulegen. „Aufgrund der Entscheidung des Präsidenten der Republik Polen, die Finanzierung der öffentlichen Medien auszusetzen, habe ich beschlossen, die Unternehmen Telewizja Polska SA, Polskie Radio SA und Polska Agencja Prasowa SA zu liquidieren“, sagte Sienkiewicz.

„In der gegenwärtigen Situation wird eine solche Maßnahme den weiteren Betrieb dieser Unternehmen sicherstellen, die notwendige Umstrukturierung durchführen und Entlassungen von Mitarbeitern in den oben genannten Unternehmen verhindern.“

Umbau der öffentlichen Medien

Nach den Wahlen im Oktober hatten der neue proeuropäische Ministerpräsident Donald Tusk und seine Bündnispartner vor zwei Wochen in Warschau die Regierung übernommen. Vor einer Woche hatte das Kulturministerium bereits die gesamte Führungsriege der polnischen öffentlichen Medien, die jahrelang als Sprachrohre der rechtsnationalistischen PiS-Vorgängerregierung galten, abgesetzt.

Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte etwa 2020 festgestellt, dass einseitige Berichterstattung und „Hassreden“ bei den Medien in Polen an der Tagesordnung seien. Die öffentlichen Medien seien in „Propagandasprachrohre der Regierung“ verwandelt worden. In ihrem Bericht 2023 stellte die Organisation fest, dass die PiS-Regierung auch verstärkt versuche, private Medien unter ihre Kontrolle zu bringen.

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Rumänien: Einigung mit Österreich über teilweisen Schengen-Beitritt

Rumänien und Bulgarien haben sich nach Angaben aus Bukarest mit Österreich auf einen teilweisen Beitritt der beiden osteuropäischen Länder zum Schengen-Raum geeinigt. Das rumänische Innenministerium sprach von einer politischen Einigung zwischen den drei Ländern über eine Ausweitung des Schengen-Raums auf die „Luft- und Seegrenzen“ Rumäniens und Bulgariens „ab März 2024“. Über eine Öffnung von Landgrenzen solle im kommenden Jahr gesprochen werden.

Nach Wahl: Protest soll Belgrad am Freitag lahmlegen

Fast zwei Wochen nach den von Betrugsvorwürfen überschatteten Wahlen in Serbien wollen Protestierende am Freitag die Hauptstadt Belgrad lahmlegen. „Wir kündigen für Freitag eine 24-stündige Blockade an“, sagte der Aktivist Ivan Bijelic heute bei einer Protestkundgebung vor der Universität.

Der Verkehr soll ab 12.00 Uhr am Freitag lahmgelegt werden, erst für eine weitere geplante Protestkundgebung am Samstag sollen die Straßen wieder frei sein.

An der Protestkundgebung vor der Philosophischen Fakultät der Universität Belgrad nahmen mehrere hundert Menschen teil – vor allem Studierende, die der Protestbewegung Borba (Kampf) angehören: Sie fordern eine Überprüfung des Wählerverzeichnisses.

Tagelange Proteste nach Wahl

Bei der Parlamentswahl am 17. Dezember hatte die rechtspopulistische Partei SNS von Präsident Aleksandar Vucic klar gewonnen. Abgehalten wurden an dem Tag auch Kommunalwahlen. Eine internationale Beobachtermission berichtete nach der Wahl über eine Reihe von „Unregelmäßigkeiten“.

Der Wahlausgang löste tagelange Proteste vor dem Gebäude der serbischen Wahlkommission und vereinzelte Straßenblockaden aus. Mehrere Abgeordnete der Opposition traten in einen Hungerstreik. Am Sonntagabend versuchten Protestierende, in Belgrads Rathaus einzudringen und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Die Wahlkommission kündigte inzwischen eine Wiederholung des Urnengangs in 30 Wahllokalen am 30. Dezember an. Den Protestierenden geht das aber nicht weit genug. Sie fordern eine Annullierung des Wahlergebnisses und eine neue Wahl. Präsident Vucic zeigte sich bisher von der Kritik unbeeindruckt.

Unglücksschiff „Vasa“ zerbröckelt wieder

Das historische schwedische Kriegsschiff „Vasa“ gilt als Unglücksschiff, ist es doch 1628 bei der Jungfernfahrt aufgrund von Konstruktionsproblemen quasi noch im Hafen gesunken. Auch seit der Bergung und Restauration des Schiffes Anfang der 1960er Jahre scheint ein „Fluch“ auf dem schwedischen Tourismusmagnet zu liegen. Bereits vor einem Jahrzehnt musste das Schiff vor dem Verfall gerettet werden. Nun droht schon wieder der Zerfall des bröckelnden Schiffs, wie der „Guardian“ heute berichtete. Lesen Sie mehr …

KOMMENTAR

Die fortdauernde Fäulnis im Organismus Europas

Mit Viktor Orbáns Ungarn hat sich die Autokratie in der EU fest verwurzelt. Ihm geht es nur darum, die Union auszunutzen.

Mitte Dezember beschloss der Europäische Rat, Beitrittsgespräche mit der Ukraine aufzunehmen. Es war ein wichtiger politischer Sieg für den unter Druck stehenden ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war es „ein Tag, der in die Geschichte unserer Union eingehen wird“. Der wahre Gewinner freilich war der der EU feindlich gegenüberstehende ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán.

Nachdem er wochenlang gedroht hatte, die Entscheidung zu blockieren, gab Orbán scheinbar nach, indem er einfach den Saal verließ, sodass die übrigen Staats- und Regierungschefs zu einer offiziell einstimmigen Übereinkunft kommen konnten. Nicht nur wird Orbán trotzdem reichlich Gelegenheit haben, den ukrainischen Beitritt zu sabotieren. Er hat es zudem geschafft, die Freigabe von EU-Geldern zu erzwingen, die die EU-Kommission wegen Korruptionsbedenken zurückgehalten hatte.

Ironischerweise stärkt das Ergebnis die Argumente gegen die europäische Erweiterung zusätzlich. Schließlich kann einen, sobald man erst einmal Mitglied des europäischen Clubs ist, anscheinend niemand mehr zwingen, sich an dessen Regeln zu halten. Die ungarische Regierung hat es vor aller Welt unter Beweis gestellt.

Orbáns Unverfrorenheit

Je näher die Ukraine dem Beitritt kommt, desto lauter wird der Chor jener werden, die uns erinnern, dass der Korruption und Autokratisierung innerhalb des Blocks – entgegen aller Verträge und moralistischen Rhetorik seitens der europäischen Eliten – keine echten Grenzen gesetzt sind.

Jeder in der EU weiß, dass Orbán mit harten Bandagen spielte, um EU-Gelder freizumachen. Er brachte immer neue Gründe gegen die Eröffnung von Beitrittsgesprächen vor, wobei er alles von Sorgen über die ethnische ungarische Minderheit der Ukraine bis hin zu Befürchtungen über Korruption geltend machte (wobei Letzteres vom Regierungschef einer kleptokratischen Autokratie kommend besonders unverfroren war).

Angesichts der letztlichen Notwendigkeit, eine – wie sie es nannte – „strategische Entscheidung“ zu treffen, akzeptierte von der Leyen kosmetische Veränderungen im Justizwesen Ungarns. Dabei hatte die Regierung in Budapest nur einen Tag vor der Mittelfreigabe ein drakonisches Gesetz eingebracht, das es ihr erlaubt, NGOs im Namen der „Verteidigung der nationalen Souveränität“ zu verfolgen.

Nicht nur hat Orbáns Erpressung funktioniert. Was als geschickter Ausweg gelobt wurde, wird Europa insgesamt schlussendlich teuer zu stehen kommen. Bedanken können sich die Europäer hierfür bei Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Idee ins Spiel brachte, seinen ungarischen Amtskollegen zum Kaffeetrinken zu schicken, während die übrigen 26 Mitgliedsregierungen abstimmten.

Zudem ist die Aufnahme von Beitrittsgesprächen zwar symbolisch von großer Wichtigkeit, doch wird sie den Ukrainern nicht helfen, den Winter zu überstehen. Die Ukraine kämpft weiterhin ums Überleben gegen einen russischen Kriegsverbrecher, der sein Ziel bekräftigt hat, sie von der Landkarte zu tilgen.

Fehlende Bereitschaft

Orbán weiß sehr wohl, dass die 50 Milliarden Euro, die die EU der Ukraine versprochen hat, nun, da die Republikaner im US-Kongress das Bekenntnis zu Waffenlieferungen und Hilfsleistungen in Frage stellen, besonders wichtig sind. Doch er hat sichergestellt, dass er seinen Kaffee im Saal trank, als sich die Chance bot, diese lebenswichtige Unterstützung zu verweigern.

Die europäischen Regierungen haben noch immer keine Strategie entwickelt, um der Präsenz eines Putin-Verbündeten mit Vetomacht in ihrer Mitte zu begegnen. Die selbstgefällige Erwartung, man könne einem relativ kleinen Land immer Anreize zum Nachgeben bieten – Politologen sprechen hier vom „Loser‘s Consent“ –, mag begründet gewesen sein, als die EU bei wesentlichen Themen noch ordnungsgemäß als konsensbildende Maschine funktionierte. Doch diese Tage sind vorbei.

Ein Ansatz, der funktionieren könnte, wäre, Orbáns Kaffeepausen zur Dauereinrichtung zu machen. Es gibt bereits einen Präzedenzfall dafür, ein Veto zu umgehen, um Einigungen zu Themen wie der Bündelung von Ressourcen zu erreichen. In den frühen 2010er Jahren lernte der britische Premierminister David Cameron auf die harte Tour, dass sich der britische Widerstand auf die Reaktionen der EU auf die Eurokrise in der Tat umgehen ließ.

Die Europäische Kommission wird ihrer Rolle als „Hüterin der Verträge“ eindeutig nicht gerecht. Kritiker betonen seit Jahren, dass alles Gerede über neue „Instrumente“ und „Mechanismen“ (man beachte das technokratische Vokabular) das wahre Problem verschleiert: Es fehlt der EU nicht an rechtlichen Werkzeugen, sondern an der Bereitschaft, sich Mitgliedsregierungen entgegenzustellen, die es darauf anlegen, die Grundlage der europäischen Einigung – die Rechtsstaatlichkeit – zu untergraben.

Primus inter Pares

Natürlich ist es manchmal eine clevere Methode, Konfliktparteien zu helfen, ihr Gesicht zu wahren, indem man behauptet, dass ein Problem technischer statt politischer Art sei. Doch Orbán ist nicht an Gesichtswahrung interessiert. Im Gegenteil: Er ist dabei, sich als Primus inter Pares einer neuen Kohorte rechtsextremer europäischer Populisten zu positionieren.

Anders als frühere euroskeptische Hardliner verfolgt er nicht das Ziel, die EU zu verlassen, sondern sie im größtmöglichen Maßstab auszunutzen. Wie Orbán es in einer Rede im vergangenen Monat ausgedrückt hat, besteht die Idee darin, die Präsidentin der Europäischen Kommission als „unsere Angestellte“ zu behandeln und dabei einen maximalen nationalen Vorteil herauszuschlagen. Das fasst das rechtspopulistische Wahlprogramm für die Wahlen zum Europaparlament im kommenden Jahr zusammen.

Zersplittert und unfähig

Es mag eine Zeit gegeben haben, in der die EU stark genug war, um mit einer Regierung fertig zu werden, die die Vorteile der Mitgliedschaft in Anspruch nimmt, ohne die Regeln zu beachten. Im gegenwärtigen Kontext setzen einige ihre Hoffnung auf den jüngsten Triumph der liberalen Oppositionsparteien Polens über die vorherige populistische Regierung. Könnten die Menschen das Problem selbst lösen, indem sie die antieuropäischen rechtsextremen Populisten per Urnengang loswerden?

Unglücklicherweise übersieht ein derartiger Optimismus die Tatsache, dass Orbáns Autokratie inzwischen fest verwurzelt ist und dass sich eine fortdauernde Fäulnis innerhalb der Institutionen nicht ohne Weiteres eindämmen lässt. Europa mag weiter wachsen, aber wird immer zersplitterter und unfähiger zu entschlossenem gemeinsamen Handeln werden. Es wird eine wuchernde Peripherie geben, wo jeder weiß, dass die Dinge nicht wirklich so laufen, wie sie sollten – und dass niemand den politischen Willen hat, das in Ordnung zu bringen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan
Copyright: Project Syndicate 2023

Der Autor: Jan-Werner Müller (*1970 in Bad Honnef) lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Uni Princeton und ist Fellow des New Institute, Hamburg. Sein jüngstes Buch „Freiheit, Gleichheit, Ungewissheit. Wie schafft man Demokratie?“.

DEUTSCHLAND

WAHLUMFRAGEN

WEITERE MELDUNGEN

IW-Studie: Mehrheit der Wirtschaftsbranchen blickt pessimistisch ins neue Jahr

Hohe Zinsen, schwache Weltwirtschaft, Haushaltschaos: Die Mehrheit der Branchen der deutschen Wirtschaft blickt pessimistisch ins kommende Jahr. Wie eine Umfrage des abeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 47 deutschen Wirtschaftsverbänden ergab, beschreiben 30 von ihnen die aktuelle Lage im Jahresvergleich als schlechter – und nur neun gehen davon aus, im nächsten Jahr mehr zu produzieren.

“Selten war die Lage so düster wie derzeit, und selten war die Prognose so pessimistisch”, lautet die Zusammenfassung der Autorinnen und Autoren der am Mittwoch vorgestellten Studie. Mit einer wesentlichen Verschlechterung rechnen laut Studie vor allem energieintensive Branchen, etwa Gießereien, die Keramische Industrie, die Lederindustrie sowie die Kunststoffverarbeitung. Auch die Immobilienwirtschaft, Baugewerbe und Bauindustrie sowie Banken und Sparkassen sind angesichts der hohen Zinsen pessimistisch.

“Die deutsche Wirtschaft leidet flächendeckend darunter, dass sie nicht planen kann”, erklärte IW-Direktor Michael Hüther. Das “Desaster um den Haushalt” in der Regierungskoalition zeige, wie gravierend die Lage sei. Er warnte vor einer Deindustrialisierung und einer zunehmenden Abwanderung der Firmen aus Deutschland und forderte unter anderem eine Reform der Schuldenbremse. hcy/oer

IW-Umfrage zeigt Pessimismus Deutsche Wirtschaft rechnet mit miserablem 2024 – KURZVIDEO

Eine Betriebsumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft unterstreicht, wie pessimistisch Deutschlands Unternehmen in die Zukunft blicken. Insgesamt 22 der 47 befragten Branchen gehen von sinkenden Investitionen aus. Belastend sind vor allem fehlende Subventionen.

Mehr als 11,7 Milliarden Euro So viele Rüstungsexporte wie noch nie – Tagesschau, 27.12.2023

Die Ampelregierung hatte sich vorgenommen, die deutschen Rüstungsexporte einzudämmen. Jetzt hat sie einen neuen Rekord aufgestellt. Das liegt vor allem an den Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine – aber nicht nur.

Die Bundesregierung hat bis Mitte Dezember Rüstungsexporte für mindestens 11,71 Milliarden Euro genehmigt und damit einen neuen Rekord aufgestellt. Der bisherige Höchststand von 9,35 Milliarden Euro aus dem Jahr 2021 wurde um 25 Prozent übertroffen. Im Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg sogar 40 Prozent.

Mehr als ein Drittel der genehmigten Ausfuhren ging mit 4,15 Milliarden Euro an die Ukraine für den Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

KI-Boom: Unternehmen suchen Fachkräfte – IWD (Institut der deutschen Wirtschaft Köln)

Immer mehr Unternehmen in Deutschland wollen Fachkräfte mit KI-Expertise einstellen. In welchen Bereichen besonders viele Spezialisten gesucht werden, zeigt eine Studie des IW für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Künstliche Intelligenz (KI) verändert gerade in rasantem Tempo die Arbeitswelt: In vielen Unternehmen ist KI bereits fester Bestandteil der Arbeitsprozesse – sei es als Chatbot im Kundenservice, als Industrieroboter oder bei Produktempfehlungen, die auf dem Suchverhalten der Kunden basieren.

Richtig eingesetzt, kann KI enorme Kosten sparen und sogar dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenwirken – doch hierfür braucht es in den Firmen die nötige Expertise: Die gesuchten Spezialisten müssen KI an die Unternehmen anpassen, die Technik verbessern und praktisch anwenden können.

Im ersten Quartal 2023 erschienen in sieben Einsatzbereichen – diese reichen von Big Data und Business Intelligence bis zur Fahrassistenz – jeweils mehr als 1.000 KI-Stellenanzeigen auf den Jobportalen Stepstone und Xing sowie bei der Bundesagentur für Arbeit. Weil sich die Berufsfelder überschneiden, entfällt ein beträchtlicher Teil der KI-Stellenanzeigen auf mehrere Einsatzbereiche.

JI-Jobs (Graphik-Link)

In den vergangenen fünf Jahren ist die Nachfrage nach KI-Experten um rund 50 Prozent gestiegen – am höchsten ist sie im Bereich Big Data und Business Intelligence

Die meisten Unternehmen in Deutschland suchen Fachkräfte, die große Datenmengen KI-basiert analysieren und daraus geschäftsrelevante Entscheidungen ableiten (Grafik):

Im ersten Quartal 2023 waren rund 72 Prozent der KI-Stellenanzeigen im Bereich Big Data und Business Intelligence ausgeschrieben.

Jeder dritte KI-Experte wird in der Beratung gesucht, knapp über 10 Prozent jeweils in der Forschung und Wissenschaft, Robotik und Fahrassistenz. Seltener brauchen die Unternehmen neue KI-Experten in der Bild- oder Sprachverarbeitung.

Dass sich die Suche nach KI-Fachkräften schwierig gestaltet, zeigt sich daran, dass einige Jobangebote bereits mehrmals in der Vergangenheit veröffentlicht wurden – besonders im IT-Bereich bleiben zahlreiche Stellen unbesetzt.

Der Bedarf wächst indes immer weiter:

Zwischen 2019 und 2023 ist die Nachfrage nach KI-Experten – unabhängig vom Fachgebiet – um rund 50 Prozent gestiegen.

Die Unternehmen beschränken ihre Suche nicht auf deutsche Bewerber, die Stellenanzeigen sollen vielmehr auch Fachkräfte aus dem Ausland ansprechen. Deshalb sind die meisten Jobangebote auf Englisch verfasst.

Vor allem international tätige Firmen suchen aktuell neue Beschäftigte mit KI-Kompetenzen für ihre Standorte in und außerhalb der Bundesrepublik.

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Netzagentur: Stromnetzausbau zeigt deutliche Beschleunigung

Der Stromnetzausbau hat sich in Deutschland in diesem Jahr deutlich beschleunigt. Nach Angaben der Bundesnetzagentur hat sie in diesem Jahr rund 600 Kilometer Stromleitungen genehmigt. Auf weiteren rund 400 Kilometern könne durch gesetzliche Beschleunigung unmittelbar mit der Umsetzung begonnen werden. Die Übertragungsnetzbetreiber können nun mit dem Bau von 1.000 Leitungskilometern beginnen. „Die Beschleunigung zeigt Wirkung. 2023 ist die Zahl der durchgeprüften Leitungskilometer deutlich angestiegen. Wir gehen wir davon aus, dass wir in den kommenden Jahren noch deutlich größere Fortschritte sehen werden“, sagte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.

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WIRTSCHAFTSPOLITIK – Angesichts schlechter Konjunkturerwartungen vieler Wirtschaftsverbände werfen die Ampel-Parteien der CDU/CSU-Opposition eine Blockade von Reform- und Investitionsvorhaben vor. „Die Wirtschaft könnte gleich zu Jahresbeginn aufatmen, wenn die Union ihre polittaktische Blockade des Wachstumschancengesetzes schnell beenden würde“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben. „Die CDU/CSU sollte das nicht länger verhindern.“ (Welt)

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KI-GESETZ – Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) kritisiert das Regelwerk für Künstliche Intelligenz (KI) aus Brüssel als potenziellen „Schutz der Großen“ und sieht Innovationen in Europa gefährdet. „Das ist kein faires Wettbewerbsumfeld“, sagte Wissing dem Handelsblatt. Die Regulierung der KI-Basismodelle stelle ein großes Risiko für kleinere Modelle dar. Der Minister erklärte, dass die strengen Hürden europäische Hersteller zu stark benachteiligen und damit Innovationen verhindern könnten. (Handelsblatt)

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GEWALT – Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet mit erneuten Ausschreitungen an Silvester und stellt sich auf massive Polizeieinsätze ein. „Dass in diesem Jahr an Silvester in vielen Orten massive Angriffe mit Böllern auf andere Feiernde, Polizisten und Rettungssanitäter drohen, kann niemanden überraschen“, sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke der Rheinischen Post. (Rheinische Post)

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BÖLLER – Jeder zweite Bundesbürger (50 Prozent) spricht sich für ein pauschales Verbot von Böllern und anderen Feuerwerkskörpern zu Silvester aus. Das ergibt eine repräsentative Umfrage des Instituts INSA. Am größten ist der Zuspruch für ein Verbot bei Wählern der Grünen (73 Prozent) und der SPD (53 Prozent). Demgegenüber lehnen insgesamt 42 Prozent der Befragten ein generelles Böllerverbot ab. (Bild)

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Jura-Professor legt Verfassungsbeschwerde gegen Akw-Aus ein – Zeitung

Ein Jura-Professor zieht wegen der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland gegen die Bundesregierung vor Gericht. Wie die Bild-Zeitung berichtet, reichte Jura-Professor Michael Kotulla von der Universität Bielefeld beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen das Akw-Aus ein. Die Beschwerde liege der Zeitung vor. Nach Auffassung der Beschwerdeführer „verstößt die Bundesregierung gegen ihre Pflicht zum Klimaschutz und zum Schutz der Freiheit künftiger Generationen“, berichtet die Zeitung.

ÖSTERREICH

STATISTIK AUSTRIA

„Staatsschulden im 3. Quartal weiter gestiegen“ von Statistik Austria finden Sie als PDF  

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WEITERE MELDUNGEN

KV-Einigung: 8,43 Prozent mehr für Handelsangestellte – ORF, 27.12.2023

In der siebenten Verhandlungsrunde und nach etwas mehr als dreistündigen Verhandlungen haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft Mittwochabend auf einen neuen Kollektivvertrag im Handel verständigt. Die Gehälter und Löhne der Angestellten steigen zwischen 8,3 und 9,2 Prozent, teilte die GPA in einer Aussendung mit.

Das entspreche einer durchschnittlichen Erhöhung von 8,43 Prozent. Die Lehrlingseinkommen steigen demnach um zehn Prozent. Die Lehrlingseinkommen werden den Angaben zufolge im ersten Lehrjahr auf 880 Euro angehoben, im zweiten Lehrjahr auf 1.130 Euro und im dritten Lehrjahr auf 1.430 Euro. Mit dem Abschluss erhöhe sich außerdem das Mindestgehalt für Berufseinsteiger. Dieses liege nun bei 2.124 Euro brutto, so die Gewerkschaft weiter.

„Für uns war wichtig, dass wir einen dauerhaft wirksamen Gehaltsabschluss für alle erreichen. Wesentlich ist weiters, dass wir die von den Arbeitgebern vorgeschlagene Einmalzahlung vom Tisch bekommen haben. Diese wäre auf Perspektive ein riesiges Verlustgeschäft für die Angestellten gewesen“, wurde die Chefverhandlerin der GPA, Helga Fichtinger, in der Aussendung zitiert.

Trefelik: Deutlich unter rollierender Inflation

Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und Chefverhandler der Arbeitgeberseite, sprach von einem „schwierigen Kompromiss“. Er sei zwar erfreut über den Abschluss, zum Jubeln sei ihm angesichts der weiter schwierigen Rahmenbedingungen für Betriebe aber nicht zumute. Trefelik verbuchte als Verhandlungserfolg, dass der Abschluss nach seinen Worten „deutlich“ unter der rollierenden Inflation liege. Wichtig sei jedenfalls, dass es zu keinem Zweijahresabschluss gekommen sei, weil das den Handlungsspielraum der Branche in der Zukunft eingeschränkt hätte. „Die Situation im Handel ist dermaßen volatil, dass wir hier jedes Jahr einzeln bewerten sollten.“

Letzte Chance vor Jahreswechsel

Wäre an diesem Abend keine Einigung gelungen, hätten sich die KV-Verhandlungen im Handel erstmals in der Geschichte über den Jahreswechsel hinausgezogen. Bereits im Vorfeld der letzten Verhandlungsrunde hatten sich Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter optimistisch gezeigt, dass eine Einigung gelingt. Die Gewerkschaft forderte zuletzt einen gestaffelten Gehaltsabschluss zwischen 8,48 und 9,38 Prozent. Das letzte Angebot der Arbeitgeber lag bei acht Prozent.

Verhandlungen seit Ende Oktober

Zuletzt hatten nach gescheiterten Verhandlungsrunden immer wieder Warnstreiks und öffentliche Kundgebungen für Begleitmusik gesorgt. Die Handels-KV-Gespräche hatten Ende Oktober begonnen. Die Gewerkschaft war ursprünglich mit der Forderung nach einem Gehaltsplus von elf Prozent in die Verhandlungen gegangen. Die Arbeitgeber hatten ihr Eröffnungsangebot erst in der dritten Runde mit einem Plus von fünf Prozent und einer Einmalzahlung von 800 Euro gelegt.

Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und 15.000 Lehrlingen. Es ist der größte Branchenkollektivvertrag in Österreich. Knapp zwei Drittel der 430.000 Angestellten sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Knapp 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote bei nur rund 13 Prozent.

red, ORF.at/Agenturen

Links:

Ausgaben für Parteienförderung 2023 deutlich gestiegen

Die Ausgaben von Bund und Ländern für die Parteienförderung sind 2023 stark gestiegen. In Summe haben Parteien, Parlamentsklubs und politische Akademien 237,4 Mio. Euro erhalten, wie Recherchen der APA ergaben. Das ist ein Anstieg um 6,9 Prozent gegenüber 2022 und entspricht 26 Euro pro Einwohner und Einwohnerin.

Die Fördergelder unterstützen die politische Arbeit der Parteien sowie ihrer Parlaments- und Landtagsklubs. Sie steigen meist mit der Inflation oder den Beamtengehältern.

Am meisten Geld fließt in Richtung ÖVP, die mit ihren Landesparteien und Parlamentsklubs heuer knapp 80 Mio. Euro an Fördergeld erhalten hat. Dahinter folgt die SPÖ mit 63,1 Mio. Euro vor der FPÖ (39,4) und den Grünen (30,8 Mio. Euro). NEOS erhält in Bund und Ländern 16,7 Mio. Euro, die KPÖ 2,2 und die Impfskeptiker-Partei MFG 1,3 Mio. Euro.

Welche Partei wie viel erhält, hängt vom Wahlergebnis im jeweiligen Bundesland bzw. bei der Nationalratswahl ab. Davon konnte heuer die FPÖ profitieren, die bei den Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg stark und in Kärnten leicht zulegen konnte. In Summe sind die blauen Fördereinnahmen damit um 13 Prozent angestiegen – klar über der Inflationsrate.

Großes Plus in Wien

In der Regel steigt die Parteienförderung mit der Inflation, während die Klubförderung mit den Beamtengehältern mitwächst. Im Detail unterschieden sich die Regeln der Länder aber deutlich.

Besonders stark gestiegen sind die ausgezahlten Mittel heuer in Wien. Die Hauptstadt hatte ihre Fördermittel 2021 und 2022 weitgehend eingefroren. Nun ist die Summe aus Parteien-, Klub- und Akademieförderung um elf Prozent auf 46,4 Mio. Euro gestiegen.

„Politisches Übereinkommen“: Rumänien sieht Schengen-Einigung

Rumänien, Bulgarien und Österreich haben nach Angaben der Regierung in Bukarest ein „politisches Übereinkommen“ über die Schengen-Erweiterung erzielt. Wie das rumänische Innenministerium Mittwochabend mitteilte, ist ein schrittweiser Schengen-Beitritt vorgesehen. Österreich war das einzige Land, das einen Schengen-Beitritt beider Länder blockierte.

Den Angaben Bukarests zufolge werden Bulgarien und Rumänien ab März 2024 den Schengen-Rechtsbestand an ihren Luft- und Seegrenzen anwenden. Ein entsprechendes Angebot hatte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Anfang Dezember gemacht.

Die Vereinbarung sei am 23. Dezember zwischen den Innenministerien in Wien, Sofia und Bukarest getroffen und danach auf diplomatischen Kanälen, der Ebene der Außenministerien sowie der EU-Vertretungen erörtert worden, damit es juristisch in Beschlüsse des Ausschusses der Ständigen Vertreter (COREPER) eingebaut werden könne, hieß es vom rumänischen Innenministerium weiter.

Verhandlungen „auf Hochtouren“

Demnach sollen die Verhandlungen über eine Schengen-Vollmitgliedschaft im kommenden Jahr „auf Hochtouren“ weitergeführt werden, und zwar eingedenk der österreichischen Forderungen für einen verstärkten Außengrenzschutz und der Dublin-III-Verordnung.

„Konstruktive Gespräche“

In seiner Aussendung dankte das Innenressort in Bukarest sowohl der Europäischen Kommission und der spanischen EU-Ratspräsidentschaft als auch den Innenministerien in Wien und Sofia für die „konstruktiven Gespräche“, die dieses Übereinkommen letztlich möglich gemacht hätten. Der rumänische Regierungschef Marcel Ciolacu teilte wenig später in einem Facebook-Posting mit, dass die Behörden seines Landes entschlossen seien, kommendes Jahr auch die Verhandlungen über die Schengen-Vollmitgliedschaft erfolgreich abzuschließen.

Zuletzt allein mit Weigerung

Die Verweigerung der Zustimmung belastet seit Monaten die Beziehungen mit den beiden Ländern, in denen Österreichs Wirtschaft stark engagiert ist. Rumänien rief vorübergehend seinen Botschafter zurück, auch wirtschaftliche Sanktionen standen im Raum.

In seinem Widerstand gegen den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien ist Österreich zudem derzeit allein innerhalb der Europäischen Union. Denn das niederländische Justizministerium hatte vor Weihnachten mitgeteilt, dass es sein mit Rechtsstaatsmängeln begründetes Veto gegen eine Mitgliedschaft Bulgariens im Schengen-Raum zurückziehe. Allerdings muss dieser Kurswechsel noch durch ein Votum im niederländischen Parlament bestätigt werden, dessen Ausgang nach einem starken Rechtsruck fraglich ist.

Seit Jahren warten auf Reisefreiheit

Der visumfreien Zone des Schengen-Raums gehören derzeit 27 europäische Länder mit rund 400 Millionen Bürgerinnen und Bürgern an. Darunter sind 23 EU-Länder und vier Partnerstaaten: die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein.

Nach mehr als zehnjähriger Wartezeit war den EU-Mitgliedern Bulgarien und Rumänien Ende vergangenen Jahres von den Schengen-Ländern erneut die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. Österreich legte damals sein Veto gegen die Aufnahme beider Länder ein, die Niederlande stimmten gegen Bulgariens Antrag.

red, ORF.at/Agenturen

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Politik zu männlich: Junge Frauen vermissen Vorbilder

In der Politik sind Frauen eine Minderheit. In der Regierung sitzen weniger Ministerinnen als Minister, im Parlament weniger Mandatarinnen als Mandatare. Dasselbe gilt auf Landes- und Gemeindeebene: Trotz des Geschlechtergleichgewichts in der Bevölkerung dominieren Männer die Politik. Eine Studie hat nun unter Mädchen und jungen Frauen nach Erklärungen gesucht. Lesen Sie mehr …

Polizeipräsenz bleibt zu Silvester hoch

Die Polizeipräsenz in Wien bleibt auch über Silvester hoch. Grund dafür sind die erhöhte Terrorwarnstufe und die Festnahmen von drei Terrorverdächtigen am Tag vor Weihnachten. Zu Silvester werden wieder fast eine Million Menschen in der Innenstadt erwartet. Mehr dazu in wien.ORF.at

Feuerwerk: Große Gefahr und strenge Regeln in Wien

In der Stadt ist das Zünden von Feuerwerkskörpern großteils verboten, und auch auf dem Silvesterpfad ist heuer kein Feuerwerk geplant. Trotzdem warnen Berufsrettung und Polizei vor verheerenden Unfällen – während bei den Feuerwerkshändlern Hochbetrieb ist.

Es knallt, es raucht und bereitet Pyrotechnikfans große Freude: das Schießen von Raketen und die Knallereien am Silvesterabend. Dabei ist ein Großteil der Feuerwerkskörper (F2-Kategorie) wie etwa Raketen und Schweizer Kracher im Stadtgebiet verboten. Nur kleine Knaller mit sehr geringem Gefahrenpotenzial und vernachlässigbarem Lärmpegel sind erlaubt. Darunter fallen zum Beispiel Wunderkerzen, Knallerbsen und Tischfeuerwerke der Kategorie F2.

Aufgestocktes Personal und strenge Kontrollen

Doch auch für sie gilt: Das Zünden in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Pflege- und Tierheimen ist streng verboten. Wer gegen das Pyrotechnikgesetz verstößt, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 3.600 Euro. Wer es bei Sportveranstaltungen knallen lässt, für den können es sogar über 4.300 Euro werden. Aber damit nicht genug: „Sollten Sie andere Personen gefährden, muss immer bedacht werden, dass auch strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten sind“, warnte Polizeisprecher Mattias Schuster.

Die Polizei wird in der Silvesternacht wieder verstärkt im Einsatz sein und auch die Einhaltung des Pyrotechnikgesetzes kontrollieren. Bereits im Vorfeld gab und gibt es laufend Schwerpunktkontrollen, um die Einfuhr und den Verkauf illegaler Feuerwerkskörper zu unterbinden. Die Strafen sind hoch: „Den Händlern droht hier bei einem Verstoß eine Strafe von bis zu 10.000 Euro“, so Schuster.

Berufsrettung warnt vor gefährlichen Verletzungen

Auch wenn die meisten Knallkörper im Stadtgebiet verboten sind, kommt es auch in Wien immer wieder zu tragischen Unfällen. Am häufigsten sind Verletzungen im Bereich der Arme und im Gesicht. Diese seien schwer rückgängig zu machen, berichtete Barbara Hallmann, Oberärztin bei der Berufsrettung Wien: „Wir können gut weiteren Schaden abwenden. Aber das Hauptproblem ist – wenn die Kraft einmal auf den Körper eingewirkt hat und vielleicht teilweise wirklich Finger, Arme, Hände zerstört worden sind, ist die Möglichkeit, hier das wiederherzustellen, sehr, sehr schwierig.“

Neben der Amputation von Gliedmaßen drohen etwa schwere innere Verletzungen und der Verlust des Augenlichts. Solche körperlichen Schäden seien nicht nur in der Akutphase belastend, sondern oft auch mit mehreren Operationen und einer langen Rehabilitation verbunden. Hinzu kommen die psychischen Folgen: „Für vielleicht ein paar Sekunden Freude, die es einem vielleicht bereitet, sind es tatsächlich Risiken, die man in Kauf nimmt, die ein Leben lang das Leben verändern können“, sagte Hallmann.

Feuerwerkshandel im Hochbetrieb

Trotz aller Risiken und Regeln ist bei den Feuerwerkshändlern derzeit Hochbetrieb. In den letzten fünf Tagen vor Silvester würden fast 90 Prozent des Geschäfts abgewickelt, erklärte Klaus Peter, Inhaber von Rocket Rooney Feuerwerk in Favoriten. Er mache seine Kundinnen und Kunden auch auf die Rechtslage aufmerksam: „Aber was dann die Leute schlussendlich machen, liegt nicht bei uns. Wir können ihnen nur sagen, was sie halt dürfen. Und das ist gerade beim Fachhandel das Wichtigste, was wir den Endkunden weitergeben können.“

Peter bemüht sich auch mit einem eigenen TikTok-Kanal um die Aufklärung über Feuerwerkskörper und ihre richtige Verwendung: „Manchmal schreiben Kinder rein, was sie sich irgendwo gekauft haben, was sie gar nicht haben hätten dürfen. Dann sagen wir ihnen, dass sie das am besten gleich abgeben oder ja nicht verwenden. Also oberstes Ziel ist es, Aufklärung zu machen.“ Wer sich das Böllern nicht nehmen lassen will, der sollte zumindest auf legale Produkte, mit CE-Zertifizierung samt deutscher Beschreibung achten.

red, wien.ORF.at

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KOMMENTARE – HINTERGRUND

Bahnfahren zwischen Zürich und Wien Hohe Preise und defekte Züge: Österreichs Bahn fährt in die Krise – Bernhard Odehnal, Tagesanzeiger, 22.12.2023

Mit der versteckten Preiserhöhung bei Nachtzügen, Verspätungen und ständigen Zugausfällen droht den ÖBB ein massiver Imageschaden. Von den Problemen sind auch Züge in die Schweiz betroffen.

Zürich Hauptbahnhof, 22. Dezember: Der ÖBB-Nightjet aus Wien ist zwar fast ausgebucht, aber nicht gerade pünktlich unterwegs. An diesem Tag kommt er mit beachtlichen zwei Stunden Verspätung an. Immerhin: Er kommt an. Der Nightjet von Hamburg nach Zürich ist in dieser Nacht gleich ganz ausgefallen. Grund dafür seien die Unwetter in Deutschland, heisst es auf der Homepage der ÖBB. Die SBB hingegen kommunizieren den Ausfall auf ihrer Seite überhaupt nicht.

Seit die ÖBB mit dem Fahrplanwechsel die Preise für ihre Nightjets heimlich aber signifikant erhöhten, ist der Nachtverkehr auf Schienen auch in der Schweiz ein heiss diskutiertes Thema.

Die österreichische Staatsbahn kann zwar zurecht mit Stolz darauf verweisen, dass sie als eine der wenigen Bahnverwaltungen in Europa dem Nachtverkehr eine Chance gab und ihn nun konsequent ausbaut.

Doch die ständigen Verspätungen und Zugausfälle bereiten der Bahn nun grosse Probleme. Selbst die mit grossem Medienecho präsentierten neuen Nightjet-Garnituren sind überraschend störungsanfällig. In den ersten Betriebstagen fielen sie gleich mehrmals ganz aus. An den restlichen Tagen kamen sie mit grosser Verspätung an.

In 30 Tagen nur sieben Mal pünktlich

Es sind nicht nur die vermutlich lösbaren Kinderkrankheiten der neuen Nachtzüge, die im östlichen Nachbarland derzeit Sorgen bereiten. Mit relativ dichten Intervallen im Personenverkehr und hoher Kundenzufriedenheit galten die ÖBB bisher als vorbildlich unter den Bahnverwaltungen der EU. Jetzt aber steckt die österreichische Staatsbahn in einer schweren Krise, und das trifft auch den Verkehr in die Schweiz – sowohl bei den Nacht- als auch bei den sehr beliebten und stark frequentieren Tagzügen.

Besonders in der Ost-West-Richtung, also von Wien nach Zürich, sind diese Züge fast immer mit grossen Verspätungen unterwegs. Laut der Statistik der Website zugfinder.net hatte der beliebte Nachtzug von Wien nach Zürich in den vergangenen 30 Tagen eine Pünktlichkeitsrate von 23 Prozent, der Zug kam also nur an sieben Tagen mit weniger als 5 Minuten Verspätung an. Die höchste Verspätung betrug viereinhalb Stunden.

Zum Teil lag das an Baustellen und Umleitungen, aber nicht nur. Manchmal waren auch ganze Wagen defekt und mussten abgestellt werden. Oder sie wurden erst gar nicht an den Zug gehängt und die verstörten Reisenden bekamen einen Gutschein für ein Hotelzimmer.

Nicht viel besser ist laut zugfinder.net die Pünktlichkeitsstatistik im Tagverkehr. Der Railjet 162, der von Budapest bis Zürich fährt und zu den am stärksten frequentierten Zügen auf der österreichischen Westbahn gehört, war im vergangenen Monat nur zu 26 Prozent pünktlich.

Gründe dafür gibt es viele: Einerseits werden die ÖBB Opfer des eigenen Erfolgs. Mehr Menschen fahren Bahn, der Fahrplan wird dichter, aber dafür müssen alle Züge eingesetzt werden. Das ist besonders bei den fast zwanzig Jahre alten Railjets ein Problem. Diese müssten dringend in die Werkstätten zur Generalüberholung. Was aber sowohl ihre Einsatzpläne als offenbar auch die Kapazitäten der Werkstätten nicht erlauben. Die Folgen: Allein in den vergangenen sieben Tagen gab es zwei Fälle, bei denen defekte Railjets im Grenzbahnhof Buchs SG nicht weiter nach Zürich fahren konnten. Die Fahrgäste mussten auf Züge der SBB umsteigen.

Neue Züge würden die Situation entspannen, versprechen die ÖBB. Allerdings wurden die Züge spät bestellt und werden von der Herstellerfirma Siemens mit deutlicher Verspätung ausgeliefert. Die ÖBB haben deshalb zum ersten Mal auch beim Schweizer Bahnbauer Stadler Rail bestellt; doppelstöckige Railjets für den Fernverkehr und sogenannte «Cityjets» für den Nahverkehr. Aber auch diese Züge werden frühestens 2026 in Betrieb gehen.

Dass die Situation bei der österreichischen Bahn bis dahin wohl angespannt bleiben wird, liegt auch an einem gravierenden Managementfehler der Vergangenheit: Dem ehemaligen Bahnchef Christian Kern, der 2016 zum Regierungschef aufstieg, war eine schöne Bilanz wichtiger als Reserven im Fernverkehr. Er verkaufte viele Reisezugwagen ins Ausland. Heute fehlen sie. Als Ersatz fahren nun auch Schweizer Waggons in weit entfernte Regionen, sogar bis an die polnisch-ukrainische Grenze.

Weihnachtskekse als Entschuldigung

Ein weiteres Problem ist der Drang des aktuellen Managements, Fernzüge möglichst weit zu führen, über mehrere Staatsgrenzen hinweg. Die Railjets, die in Zürich ankommen, starten in Budapest oder Bratislava. An ihren rund 10-stündigen Fahrten sind vier Bahnverwaltungen beteiligt, die schlecht bis gar nicht kooperieren. Für die Fahrgäste könnten solche direkten Züge quer durch Europa an sich bequem und attraktiv sein. Theoretisch. Praktisch sind diese Verbindungen von permanenten Verspätungen und Zugausfällen betroffen.

Ein Gespräch mit ÖBB-CEO Matthä oder den Chefs des Personenverkehrs zu diesen Themen war leider nicht möglich. Im österreichischen Radio ORF sprach der Vorstand des Personenverkehrs, Klaus Garstenauer, von einer «ausserordentlichen Situation» und versprach normale Zustände im Fernverkehr im neuen Jahr.

Auf dem Wiener Hauptbahnhof verteilen Mitarbeitende der ÖBB jetzt Weihnachtskekse und rote Kärtchen mit der Aufschrift: «Entschuldigung, das war so nicht geplant!»

Bernhard Odehnal ist Mitarbeiter beim Tamedia-Recherchedesk. Er studierte Slawistik und war bis 2017 Korrespondent des Tages-Anzeigers für Österreich und Osteuropa. Er hat mehrere Bücher geschrieben und unter anderem den Zürcher Journalistenpreis gewonnen.Mehr Infos@BernhardOdehnal

UNTERNEHMEN

Wiener Pratersauna laut KSV insolvent

Das Betreiberunternehmen des Clubs Pratersauna, die Soundgang Studio GmbH, soll insolvent sein. Das berichtete der Kreditschutzverband von 1870. Die Gesamtverbindlichkeiten belaufen sich auf rund 600.000 Euro. Die DOTS Group von Martin Ho dementierte hingegen die Insolvenz der Pratersauna. Mehr dazu in wien.ORF.at

MEDIZIN – PSYCHOLOGIE – FORSCHUNG

Österreich: knapp 45.000 an Covid-19 erkrankt

44.741 bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) versicherte Personen waren in der Woche vor Weihnachten (Kalenderwoche 51) mit Covid-19 im Krankenstand. Das waren um 110,53 Prozent mehr als 2022. Damals waren 21.252 Personen bei der ÖGK krankgemeldet.

Eine Woche davor (Kalenderwoche 50) waren 52.338 Personen nicht arbeitsfähig, also um rund 14,52 Prozent mehr als in der vorletzten Woche des Jahres. „Bei den Arbeitsunfähigkeitsmeldungen der Österreichischen Gesundheitskasse ist eine leichte Entspannung bemerkbar. Jedoch ist die Zahl der Covid-Erkrankten weiterhin sehr hoch“, sagte ÖGK-Chefarzt Andreas Krauter am Mittwoch.

„Deswegen ist das Tragen einer FFP2-Maske weiterhin ein einfacher und effektiver Schutz, um Ansteckungen und Weiterverbreitung von Covid, aber auch von grippalen Infekten und echter Grippe zu vermeiden“, so Kauter weiter.

Besonders viele in Wien

Allein in Wien waren in der Vorwoche 13.011 berufstätige Menschen mit Covid-19 außer Gefecht. In Niederösterreich waren es 8.464, in Oberösterreich 8.038. Seit 1. Juli 2023 gilt Covid-19 allerdings nicht mehr als meldepflichtige Erkrankung, wodurch seither weniger getestet wird. Das tatsächliche Infektionsgeschehen ist über das Abwassermonitoring sichtbar.

Dort spiegelten sich bei mittlerweile 48 von der Beobachtung umfassten Abwasseranlagen zuletzt Rekordwerte bei Infektionen mit SARS-CoV-2. Besonders viele Betroffene gibt es – gerechnet am Anteil der jeweiligen Population – in Wien, der Steiermark und in Vorarlberg.

Influenza-Fälle nehmen zu

Mit Influenza krankgemeldet waren laut ÖGK in der Vorwoche 1.260 Personen, ein Anstieg um 41,89 Prozent binnen einer Woche. 89.819 Krankenstände gab es wegen grippaler Infekte. 2022 hatte die Grippewelle am Jahresende signifikant höher ausgeschlagen: In der Kalenderwoche 51 waren 8.713 Personen mit Influenza und 155.033 mit einem grippalen Infekt im Krankenstand.

Rauch will mehr Forschung zu Long Covid

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) setzt im Umgang mit Covid-19 und den gesundheitlichen Folgen auf Forschung und Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten. Das betreffe sowohl die akute Erkrankung als auch Langzeitfolgen. Generelle Maßnahmen oder Verordnungen der Bundesregierung wird es – „Stand heute“ – keine mehr geben, wiederholte er.

Bezüglich der möglichen Langzeitfolgen einer Coronavirus-Infektion verwies der Minister auf die gesetzten Maßnahmen und erwartet weitere Forschungsergebnisse. Die vom Obersten Sanitätsrat empfohlenen Schritte werde man alle umsetzen, sagte Rauch und sprach damit das geplante Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen an (wie Long/Post Covid und ME/CFS).

„Faktum ist, das sei schon auch gesagt: Man kann einfach nicht sagen, es existiert kein Long Covid, oder ME/CFS ist eine Erkrankung, die quasi nur eine psychosomatische ist“, sagte der Minister. „Da sind die Betroffenen zu Recht verärgert, fühlen sich nicht ernst genommen und allein gelassen. Das ernst zu nehmen und da die entsprechenden Schritte zu setzen, das tun wir“, versicherte Rauch.

Schwierigkeiten bei Impfprogramm

Dass die Überführung des Impfprogramms – auch bei Influenza – in den niedergelassenen Bereich nicht ganz so wie erhofft funktioniert hat, räumte Rauch aber ein: Das habe – anfangs – „nur bedingt funktioniert“. Daher habe er mit den Gesundheitslandesräten in der jüngsten Sitzung der Bundeszielsteuerungskommission vereinbart, im Jänner daraus die Lehren zu ziehen und für die kommende Impfsaison besser vorbereitet zu sein.

Zufrieden ist Rauch mit der im Dezember im Nationalrat beschlossenen Gesundheitsreform. „Ich würde das schon als Riesenwurf bezeichnen“, sagte er. Volle Wirkung entfalten werde die Reform in ein bis drei Jahren, „wenn tatsächlich im niedergelassenen Bereich der Ausbau stattgefunden und dann die Entlastung der Spitäler stattgefunden hat“.

red, oesterreich.ORF.at/Agenturen

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Leichter Anstieg der Tuberkulose in Deutschland

Berlin – In Deutschland ist es erstmals seit 2016 wieder zu einem wenn auch leichten Anstieg der Neuerkran­kungen an einer Tuberkulose gekommen. Nach einem Report des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden letztes Jahr 4.076 Neuerkrankungen registriert, 3,5 % mehr als im Vorjahr. Dies hängt in erster Linie mit dem Krieg in der Ukraine zusammen.

Deutschland gehört bei der Tuberkulose zu den Niedriginzidenzländern. Viele Einwohner stammen jedoch mittlerweile aus Ländern, in denen die Erkrankungen sehr viel häufiger sind. Diese Migranten haben sich in ihrem Heimatland infiziert, erkranken jedoch manchmal erst Jahrzehnte später in Deutschland.

Die Inzidenz unter Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit ist seit 2002 von 6,7 auf nunmehr 1,5 pro 100.000 Einwohner stetig gesunken. Unter den Menschen mit nicht deutscher Staatsbürgerschaft war die Inzidenz bereits 2002 mit 31,9 Erkrankungen auf 100.000 Personen deutlich höher. Die Inzidenz sank 2008 auf 20,9/100.000, stieg dann während der Flüchtlingskrise 2015/16 auf 42,8/100.000. Im Jahr 2021 war sie wieder auf 23,5/100.000 gesunken.

Im letzten Jahr stieg die Inzidenz in dieser Gruppe wieder auf 25,1/100.000 an. Dies ist vor allem auf Geflüch­tete aus der Ukraine zurückzuführen. Auf sie entfielen 6,5 % aller Infektionen bei nicht in Deutschland gebo­renen Menschen (im Vorjahr lag der Anteil nur bei 0,7 %). Die Ukraine ist nach Afghanistan (6,9 %) und vor Rumänien (6,5 %) das zweithäufigste Heimatland bei einer vermutlich außerhalb von Deutschland erwor­benen Tuberkulose.

Wie in den meisten Ländern der ehemaligen UdSSR ist die Resistenzproblematik in der Ukraine hoch. Insgesamt 29,6 % der Patienten aus postsowjetischen Ländern war mit multiresistenten Bakterienstämmen (MDR-TB) infiziert.

Bei den in Deutschland geborenen Patienten waren es nur 1,7 %. Die Migration aus der Ukraine erklärt, warum sich die Zahl der MDR-TB im letzten Jahr von 77 auf 166 Fälle mehr als verdoppelt hat. An einer extensiv-resistenten Tuberkulose (XDR-TB) sind 33 Personen erkrankt.

Bei einer MDR-Tuberkulose sind die Behandlungszeiten verlängert, bei einer XDR-Tuberkulose ist das Sterbe­risiko erhöht. Das RKI hat im letzten Jahr 116 krankheitsbedingte Todesfälle registriert. Das sind etwas weni­ger als im letzten Jahr (123 Todesfälle). Wegen der langen Behandlungsdauer ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Zahl der Todesfälle in den nächsten Jahren ansteigen wird.

Die meisten Erkrankungen betrafen die Lungen. Im letzten Jahr erkrankten 2.567 Patienten an einer offenen, hoch-infektiösen Lungentuberkulose. Bei Umgebungsuntersuchugen wurden 183 Infektionen gefunden. © rme/aerzteblatt.de

Wieder mehr Menschen in Berlin von Masern betroffen

Berlin – In Berlin sind im Jahr 2023 bislang mehr Menschen nachweislich an Masern erkrankt als in der ge­samten Pandemiezeit. Mit Datenstand 20. Dezember waren für die Hauptstadt 15 Fälle gemeldet, wie das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) kürzlich zusammenfasste.

2022 waren es laut einer Datenbank des Robert-Koch-Instituts (RKI) nur zwei Fälle in der Hauptstadt gewe­sen, 2021 gar keiner und 2020 drei. Als Grund für diese niedrigen Werte gelten die weltweit getroffenen Maß­nahmen gegen eine Coronaausbreitung.

Im Jahr 2023 gehört Berlin laut der RKI-Übersicht zu den Bundesländern mit den meisten gemeldeten Fällen der hochansteckenden Krankheit. Bei den Patienten handelte es sich demnach teils um Kinder, teils um Erwachsene.

In den Jahren vor dem Coronaausbruch waren in der Metropole stets zweistellige Masernpatientenzahlen registriert worden. Sie entwickelten sich rückläufig: von 75 im Jahr 2016 auf 22 im Jahr 2019.

2015 hatte es einen großen Masernausbruch mit mehr als 1.240 Betroffenen allein in Berlin gegeben, ein Kleinkind starb. Seit März 2020 gilt eine Impfpflicht gegen Masern, die bei Kitas und Schulen ansetzt und die auch für einige Berufsgruppen wie Personal in Krankenhäusern gilt. © dpa/aerzteblatt.de

Nachtschichten führen häufig zu Schlafstörungen

Groningen/Niederlande – Schlafstörungen sind bei Beschäftigten im Schichtdienst deutlich häufiger als bei anderen Erwachsenen. Neben einem Schlafmangel gaben viele Schichtarbeiter in einer Umfrage in den Frontiers in Psychiatry (2023; DOI: 10.3389/fpsyt.2023.1233640 ) auch schlafbezo­gene Atemstörungen und schlafbezogene Bewegungsstörungen an.

Schichtdienst gehört für viele Menschen zum Lebensalltag. In einer Umfrage von 37.662 berufstätigen Erwachsenen aus den Niederlanden, die auf eine Anzeige in der Zeitschrift De Standaard reagiert hatten, hatten 4.067 (12,5 %) wechselnde Arbeitszeiten. Hinzu kamen noch einige, die nur morgens (434), spät abends (507) oder sogar nur nachts (186) arbeiteten.

Alle Teilnehmer wurden gebeten, den „Holland Sleep Disorders Questionnaire“ (HSDQ) auszufüllen, der 32 Fragen zu sechs Kategorien stellt. Dazu gehören Schlaflosigkeit, schlafbezogene Atmungsstörungen, Hyper­somnie, Parasomnie, zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen (CRSWD) und schlafbezogene Bewegungs­störungen (SRMD). Erfragt wurden auch Geschlecht, Alter, Ausbildung und Familienstand (Partner, Kinder).

Wie ein Team um Marike Lancel von der Universität Groningen berichtet, waren die Schlafeigenschaften der (insgesamt wenigen) Menschen, die nur nachts arbeiteten, am schlechtesten: 49,5 % schliefen weniger als 6 Stunden, 51,1 % gaben wenigstens eine Schlafstörung an, bei 26,4 % waren es sogar zwei oder mehr Schlafstörungen.

Aber auch die Menschen, die in Wechselschichten arbeiteten, bekamen zu 34,0 % weniger als 6 Stunden Schlaf und 44,5 % hatten eine und 20,6 % zwei oder mehr Schlafstörungen: Am häufigsten waren CRSWD (19,4 %), SRMD (15,8 %) und Insomnnie (15,4 %). Diese drei Störungen traten bei Menschen, die tagsüber zu festen Zeiten arbeiteten mit 7,8 %, 12,1 % und 12, 3 % deutlich seltener auf.

Das Lebensumfeld und demografische Faktoren wie Geschlecht, Alter und Bildungsstand beeinflussten die Schlafgesundheit. Männer gaben in der Studie an, weniger zu schlafen als Frauen, Schlafstörungen traten jedoch bei Frauen häufiger auf.

Auch das Alter beeinflusste die Schlafgesundheit: Ältere Teilnehmer schliefen tendenziell kürzer, die meisten Schlafstörungen und ihre Begleiterkrankungen traten jedoch häufiger in der jüngsten Teilnehmer­gruppe im Alter von 30 Jahren und jünger auf. Junge Erwachsene mit niedrigem Bildungsniveau berichteten laut Lancel am häufigsten über Schlafstörungen. © rme/aerzteblatt.de

Biomarker bei Leberzirrhose von Wiener Wissenschaftern identifiziert

Die Leberzirrhose verursacht allein in Europa jährlich 170.000 Todesfälle. Die Krankheit kann über längere Zeit „kompensiert“, also ohne Symptome, verlaufen und schließlich „dekompensieren“ und in einem Leberversagen enden. Wiener Hepatologen haben jetzt in einer Studie Hinweise für einen starken Zusammenhang des Krankheitsverlaufes mit Schilddrüsenhormonen gesammelt.

Bei einer Leberzirrhose kommt es durch chronischen Leberschaden zu einer Vernarbung („Fibrose“) und zum Verlust von funktionierendem Lebergewebe. Das führt mit fortschreitender Erkrankung zu einem erhöhten Blutdruck in der Pfortader. Ein Charakteristikum ist auch eine den ganzen Organismus erfassende Entzündungsreaktion. Schließlich treten Symptome im Rahmen einer „Dekompensation“ auf. Im Rahmen von wissenschaftlichen Studien haben Leberspezialisten der Wiener Universitätsklinik (MedUni/AKH) bereits im Jahr 2020 zeigen können, dass die Konzentration des Entzündungs-Botenstoffs Interleukin-6 (IL-6) im Blut vor allem bei dekompensierter Leberzirrhose ansteigt.

Jetzt haben Lukas Hartl (Universitätsklinik für Innere Medizin III/Gastroenterologie und Hepatologie; MedUni Wien/AKH) und seine Co-Autoren in einer weiteren Untersuchung eines der beiden Schilddrüsenhormone, fT3 (freies Trijodthyronin) als wichtigen Parameter für den Zustand von Patienten mit Leberzirrhose identifiziert.

„Geringere Konzentration an freiem Trijodthyronin (fT3) bei Zirrhose steht mit systemischer Entzündung in Verbindung“, das sei assoziiert mit einem höheren Risiko für den Übergang von einer chronischen Leberschädigung in ein akutes Leberversagen und damit verbundene Sterblichkeit, führen die Wissenschafter in der Open Access-Publication von JHEP-Reports (https://doi.org/10.1016/j.jhepr.2023.100954 ) aus.

fT3-Konzentration wichtiger Hinweis

Die Wissenschafter analysierten die Konzentrationen an fT3 und dem Schilddrüsen-stimulierenden Hormon (TSH; aus der Hirnanhangdrüse; Anm.) und den Verlauf der Lebererkrankung bei insgesamt 297 Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium. 129 der Erkrankten hatten noch eine asymptomatische Zirrhose, 168 bereits eine dekompensierte Form. In der Studie mit Patienten aus den Jahren 2009 bis 2022 zeigte sich mit Fortschreiten der Leberschädigung einerseits ein Anstieg der TSH-Konzentration im Blut, andererseits nahm die Konzentration von fT3 ab.

Entscheidende Hinweise auf den Gesundheitszustand bzw. die Entwicklung der Erkrankung könnte demnach eventuell die fT3-Konzentration im Blut geben: Glich man andere Faktoren statistisch aus, zeigte sich, dass ein niedriger fT3-Wert mit einem um den Faktor 4,58 erhöhten Risiko für eine fortgeschrittene Leberzirrhose verbunden war. Das Sterberisiko durch die Lebererkrankung stieg bei solchen Patienten auf das 6,8-Fache.

„Auf der Basis unserer Studienergebnisse sollte bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose regelmäßig eine Messung der Schilddrüsenhormone – speziell von fT3 – erfolgen“, schrieben die Wissenschafter in ihrer Zusammenfassung. In weiteren Forschungsarbeiten sollte untersucht werden, ob eine durch Medikamente herbeigeführte Normalisierung der Konzentration der Schilddrüsenhormone eventuell einen positiven Effekt auf die Zirrhose haben könnte.

Auch in der aktuellen Studie zeigten sich anhand der Krankheitsgeschichte der Patienten die Hauptursachen für eine Leberzirrhose: 53,9 Prozent hatten die Krankheit infolge von Alkoholmissbrauch, 16,5 Prozent als Folge einer chronischen Virus-Hepatitis. An dritter Stelle folgte eine nicht-alkoholische Fettleberhepatitis.

Nach 30 Jahren haben ehemalige Raucher das gleiche Mortalitätsrisiko wie Nieraucher

Atlanta/Stanford – Innerhalb von 10 Jahren nach dem Aufhören reduziert sich die kardiovaskuläre Übersterb­lichkeit ehemaliger Raucher auf ein Drittel. Nach 20-29 Jahren gleicht ihr kardiovaskuläres Mortalitätsrisiko wieder dem von Menschen, die nie geraucht haben. Ähnliches, wenn auch in geringerem Ausmaß, ist für die krebsbedingte und die respiratorische Mortalität zu beobachten, wie eine Studie in JAMA Internal Medicine zeigt (2023; DOI: 10.1001/jamainternmed.2023.6419 ).

„Mit dem Rauchen aufzuhören, reduziert das Mortalitätsrisiko erheblich. Aber die Zeitskala, über die sich die ursachenspezifischen Mortalitätsvorteile des Rauchstopps entwickeln, ist ungeklärt“, berichten Blake Thom­son von der American Cancer Society, Atlanta, USA, und Farhad Islami von der Stanford University School of Medicine, Stanford, USA.

Sie untersuchten die Assoziation zwischen den seit dem Rauchstopp vergangenen Jahren und der Mortalität anhand von national repräsentativen Daten aus dem National Health Interview Survey (1997-2018) mit einem Follow-up bis Ende Dezember 2019 und dem National Death Index der USA.

Was passiert nach 10, 20, 30 Jahren?

In ihren Analysen verglichen sie aktuelle Raucher und Nieraucher mit ehemaligen Rauchern, die 1-9, 10-19, 20-29 oder mehr als 30 Jahre vor der Rekrutierung mit dem Rauchen aufgehört hatten. Ehemalige Raucher, die weniger als 5 Jahre geraucht hatten, oder die weniger als 1 Jahr vor der Rekrutierung mit dem Rauchen aufgehört hatten, waren von der Studie ausgeschlossen.

Die Rate Ratios (RRs) für die ursachenspezifische Mortalität wurden um Alter, Geschlecht, Bildungsstand, „race­/ethnicity“ sowie Alkoholkonsum adjustiert. Um den Effekt reverser Kausalität möglichst gering zu halten, beschränkten sie die Analysen auf diejenigen, die bei der Rekrutierung angaben, keine kardiovas­kuläre, Krebs- oder respiratorische Erkrankung zu haben.

Von 438.015 eingeschlossenen Erwachsenen – das Durchschnittsalter lag bei 47 Jahren – waren 56 % Frauen und 44 % Männer. 76.501 waren hispanischer Herkunft, 63.083 Schwarz, 270.183 weiß und 28.248 gehörten einer anderen „race/ethnicity“ an.

Im Verlauf von 5 Millionen Personenjahren Follow-up kam es zu 11.860 kardiovaskulären, 10.935 krebs­bedingten und 2.060 respiratorischen Todesfällen. Die RRs von aktuellen versus Nierauchern betrugen 2,30 (95-%-KI 2,17-2,44) für kardiovaskulär bedingte Mortalität, 3,38 (95-%-KI 3,19-3,58) für krebsbedingte Mortalität und 13,31 (95-%-KI 11,46-15,45) für respiratorisch bedingte Mortalität.

Die Hälfte der krebsbedingten und respiratorischen Todesfälle durch Rauchen wird vermieden

Innerhalb der ersten 10 Jahre nach dem Aufhören vermieden ehemalige Rauchende schätzungsweise 64 %, 53 % und 57 % der mit aktuellem Rauchen assoziierten kardiovaskulären, krebsbedingten und respiratori­schen Übersterblichkeit, wobei sich weitere gesundheitliche Vorteile im Laufe der Zeit ansammelten.

Ehemalige Rauchende hatten 20-29 Jahre nach dem Aufhören praktisch keine kardiovaskuläre Übersterblich­keit mehr (RR 1,07; 95-%-KI 0,97-1,18).

Mortalität sinkt nach 30 Jahren auf das Niveau von Nierauchern

Nach 30 oder mehr Jahren nach dem Aufhören (im Schnitt 36 Jahre) hatten ehemalige Rauchende schätzungsweise 100 %, 93 % und 97 % der kardiovaskulären, krebsbedingten und respiratorischen Mortalität vermieden, die mit fortgesetztem Rauchen assoziiert ist.

„Diese Ergebnisse unterstreichen, dass die ursachenspezifischen Mortalitätsraten unter ehemaligen Rauchern auf lange Sicht wieder auf das Niveau von Menschen sinken können, die nie geraucht haben“, so die Autoren. © nec/aerzteblatt.de

KI identifiziert Nieraucher mit hohem Lungenkrebsrisiko

Chicago/Boston – Ein KI-Modell kann anhand eines routinemäßigen Röntgenbilds der Brust Nieraucher identifizieren, die ein hohes Risiko für Lungenkrebs haben. Das zeigt eine Studie, deren Ergebnisse beim Annual Meeting of the Radiological Society of North America in Chicago präsentiert werden.

Rauchen ist der Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs. Dennoch entstehen etwa 10-20 % der Lungenkarzinome bei Menschen, die nie geraucht haben (beziehungsweise weniger als 100 Zigaretten im Lauf ihres Lebens).

Die United States Preventive Services Task Force (USPSTF) empfiehlt für Erwachsene zwischen 50 und 80 Jahren ein Lungenkrebsscreening (Low-Dose-CT), wenn sie seit mindestens 20 Jahren rauchen und gegenwärtig immer noch rauchen oder innerhalb der letzten 15 Jahre aufgehört haben.

In Deutschland wird gerade darüber diskutiert ein nationales Lungenkrebsscreeningprogramm für Raucher mithilfe von Low-Dose-CT-Untersuchungen einzuführen. Für Personen, die nie oder nur wenig geraucht haben, wird kein Screening empfohlen.

Immer mehr Nieraucher erkranken an Lungenkrebs

„Aber die Zahl der Nieraucher, die an Lungenkrebs erkranken, nimmt zu. Und ohne die Früherkennung mittels Screening sind diese Karzinome bei der Diagnose oft weiter fortgeschritten als bei Rauchern“, erklärte Stu­dienleiterin Anika S. Walia, Meidzinstudentin an der Boston University School of Medicine und Forscherin am Cardiovascular Imaging Research Center des Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School in Boston.

Einer der Gründe, weshalb die US-Leitlinien Nieraucher vom Screening ausschlössen, sei, dass sich das Lungenkrebsrisiko in dieser Population nur schwer vorhersagen lasse. Tatsächlich erfordern die existierenden Lungenkrebsrisikoscores oft Informationen, die für die meisten Menschen nicht einfach verfügbar sind, etwa die Lungenkrebs-Familienanamnese, Lungenfunktionstests oder Biomarker im Serum.

Die Forschungsgruppe um Walia wollte herausfinden, ob sich die Vorhersage des Lungenkrebsrisikos bei Nie­rauchern durch den Einsatz von KI verbessern lässt. Sie testeten, ob ein Deep-Learning-Modell in der Lage ist, Nieraucher zu identifizieren, die ein hohes Risiko für Lungenkrebs haben – nur anhand von Röntgenaufnah­men aus elektronischen Patientenakten. Deep-Learning-Modelle sind eine fortgeschrittene Form von KI, die darauf trainiert werden können, Röntgenaufnahmen zu durchsuchen und mit einer Erkrankung assoziierte Muster zu finden.

Die KI braucht nur eine einzige Röntgenaufnahme

„Der große Vorteil unseres Ansatzes ist, dass er nur eine einzige Röntgenaufnahme der Brust erfordert, eine der häufigsten Untersuchungen in der Medizin und in vielen elektronischen Patientenakten zu finden“, sagt Walia.

Das Deep-Learning-Modell namens CXR-Lung-Risk trainierten die Forschenden mit 147.497 Röntgenaufnah­men von 40.643 asymptomatischen Rauchern und Nierauchern aus einer Prostata-, Lungen-, Darm- und Eier­stockkrebs-Screening-Studie. Darüber hinaus wurde es in einer separaten Gruppe von Nierauchern validiert, bei denen 2013/2014 routinemäßig eine Röntgenuntersuchung der Brust durchgeführt wurde.

Der primäre Endpunkt war die 6-Jahres-Inzidenz von Lungenkarzinomen. Die CXR-Lung-Risk-Scores wurden basierend auf externen Grenzwerten in Gruppen mit hohem, mittlerem und niedrigem Risiko konvertiert.

Von 24.333 Patientinnen und Patienten in der Studie stufte das Deep-Learning-Modell 32 % als Hochrisikopatienten ein. 2,5 % der Gesamtkohorte (616/24,333) entwickelten in den folgenden 6 Jahren Lungenkrebs.

KI ermöglicht opportunistisches Screening

Die Assoziation zwischen CXR-Lung-Risk-Gruppe und Lungenkrebsrisiko war abgestuft, mit 1,4 % in der Niedrigrisikogruppe (CRX-Lung-Risk < 45), 2,2 % in der Gruppe mit mittlerem Risiko (45 < CXR-Lung-Risk 45-55) und 3,5 % in der Hochrisikogruppe (CXR-Lung-Risk > 55).

Nach Adjustierung der Ergebnisse um Alter, Geschlecht, Race, früheren Infektionen der unteren Atemwege und dem Vorliegen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) hatte die Hochrisikogruppe noch immer ein um das 2,1-Fache höheres Lungenkrebsrisiko als die Niedrigrisikogruppe.

„CXR-Lung-Risk identifizierte Nieraucher mit hohem Lungenkrebsrisiko, weit über dem 6-Jahres-Grenzwert von 1,3 % Risiko, ab dem die Leitlinien des National Comprehensive Cancer Network ein Lungenkrebs-Screening per CT empfehlen“, heißt es im Kongressabstract.

„Diese KI ermöglicht ein opportunistisches Screening auf Nieraucher mit hohem Lungenkrebsrisiko mittels bereits vorliegender Röntgenaufnahmen in elektronischen Patientenakten“, sagte Seniorautor Michael T. Lu, Direktor für Künstliche Intelligenz und Kodirektor des Cardiovascular Imaging Research Center am Massachu­setts General Hospital in Boston. „Da die Raucherraten sinken, werden Ansätze, mit denen sich Lungenkrebs bei Nichtrauchern frühzeitig nachweisen lässt, an Bedeutung gewinnen.“ © nec/aerzteblatt.de

Wissenschaftsjahr 2024: Bessere KI, Supercomputer, Gesellschaftsnähe

Erst kürzlich listete das Fachjournal „Nature“ den Chatbot ChatGPT unter den maßgebenden Forschenden des Jahres – und damit erstmals einen nicht-menschlichen Akteur. Wenig verwunderlich, dass das renommierte Journal nun auch fortschrittliche Werkzeuge im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI), neben Mondmissionen und ultraschnellen Supercomputern, zu wegweisenden Forschungsentwicklungen im Jahr 2024 zählt.

So sei die neuste Version des KI-gestützten Chatbots von OpenAI, GPT-5, später im Jahr zu erwarten, mit noch viel besseren Fähigkeiten als seine Vorgänger. Auch „Gemini“, der KI-Konkurrent von Google, sowie eine neue Version von Googles „AlphaFold“, eine KI, die sich bereits sehr nützlich bei der Vorhersage von dreidimensionalen Proteinstrukturen erwies, sollen im Jahr 2024 offiziell gelauncht werden. KI werde so etwa in der Lage sein, schrieb „Nature“, Wechselwirkungen zwischen Proteinen, Nukleinsäuren und anderen Molekülen „mit atomarer Präzision“ zu modellieren – auch mit neuen Möglichkeiten für die Wirkstoffentwicklung.

Ebenso sollte man 2024 „Nature“ zufolge auf ultraschnelle Supercomputer achten: So werde früh im Jahr „Jupiter“ („Joint Undertaking Pioneer for Innovative and Transformative Exascale Research“), Europas erster Exascale-Rechner, am Standort des Forschungszentrums Jülich (Deutschland) in Betrieb genommen. Der Supercomputer soll die Grenze von einer Trillion Rechenoperationen pro Sekunde brechen. Mit der Maschine könnten digitale Zwillinge vom menschlichen Herzen und Gehirnen für medizinische Zwecke hergestellt und auch hochauflösende Klima-Simulationen durchgeführt werden. In den USA laufen ebenfalls Vorbereitungen, um im kommenden Jahr zwei Exascale-Rechner zu installieren.

Kampf gegen Dengue-Fieber

Auch den Start der Produktion von Mücken, die aufgrund einer Infektion mit einem Bakterium nicht mehr als Überträger etwa von Dengue-Fieber fungieren können, in einer brasilianischen Fabrik durch das Weltmückenprogramm (World Mosquito Program, WMP) nennt „Nature“ als vielversprechendes Vorhaben des neuen Jahres. Dazu zählt das Journal auch die nächste Generation von Impfstoffen zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 und seinen Varianten, Vorhaben zur Weltraumforschung und Raumfahrt, darunter NASAs Mondmission „Artemis 2“, wie auch neue Einblicke in die neuronale Basis von Bewusstsein. Hoffnungen werden darüber hinaus in Vorhaben gesetzt, die sogenannten Axionen, die als Bausteine der rätselhaften Dunklen Materie gehandelt werden, nachzuweisen. Axionen konnten bisher noch nicht experimentell beobachtet werden; das Experiment BabyIAXO, quasi ein Observatorium für Dunkle Materie, am Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in Hamburg soll hier Licht ins Dunkel bringen.

Auch in Österreich bringt das Jahr Neues in Ergänzung zu wiederkehrenden Großereignissen: So hielt der neue Rat für Forschung und Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung (FWIT-Rat) noch kurz vor Jahresende seine konstituierende Sitzung ab. Das unter dem Vorsitz von Thomas Henzinger stehende Beratungsgremium der Bundesregierung kann so nun – mit einiger Verzögerung – seine Arbeit aufnehmen.

Mit Jahresbeginn bekommt zudem Europas wissenschaftliche Politikberatung ein neues Zuhause: Das European Academies Science Advisory Council – kurz EASAC – wechselt mit dem Sitz seiner Geschäftsstelle an die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Der Zusammenschluss von 30 europäischen Wissenschaftsakademien liefert Berichte und Stellungnahmen zu aktuellen Fragestellungen und will dazu beitragen, dass die Wissenschaft in der europäischen Politik eine Stimme hat.

Beschwingt geht es mit dem Ball der Wissenschaften, zu dem diesmal 4.000 Gäste erwartet werden, am 27. Jänner im Wiener Rathaus ins neue Jahr. Das Motto lautet: „Spaß mit Anstand. Tanz mit Haltung.“

Wien wird Zentrum der Geowissenschafter-Gemeinde

Im März steht voraussichtlich eine Entscheidung bei der nächsten Programmschiene von „excellent=austria“ des Wissenschaftsfonds FWF an: Nach der im Jahr 2023 erstmals vergebenen, hochdotierten Forschungsförderung für fünf „Clusters of Excellence“ sollen nun die bewilligten „Emerging Fields“-Projekte bekannt gegeben werden. Jeweils bis zu sechs Mio. Euro für fünf Jahre gibt es zur Förderung von Forschungsideen, die etablierte Denkansätze aufbrechen sollen.

Bei der erstmals in Wien abgehaltenen Konferenz der European Citizen Science Association (ECSA) trifft sich von 3. bis 6. April die Citizen-Science-Community, um partizipative Forschung voranzutreiben. Ausgerichtet wird die mit der nationalen Citizen-Science-Konferenz zusammengelegte Veranstaltung von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und dem Naturhistorischen Museum (NHM) Wien.

Zum Zentrum der Geowissenschafter-Gemeinde wird Wien wieder von 14. bis 19. April durch die Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU), zu der mehr als 10.000 Wissenschafter aus aller Welt erwartet werden.

Am 24. Mai findet wieder eine alle zwei Jahre abgehaltene „Lange Nacht der Forschung“ statt, an über 250 Standorten in allen Bundesländern. Hier gewähren Forschungseinrichtungen, Universitäten und Unternehmen Einblick in ihre Arbeit. Bei der vergangenen Veranstaltung im Jahr 2022 wurden 135.000 Besucherinnen und Besucher registriert. Sie zählt damit zu den größten Events für Wissenschaft und Forschung im deutschsprachigen Raum.

Unter dem Eindruck einer Studie zur Wissenschaftsskepsis will das Wissenschaftsministerium die bisher zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie gesetzten Maßnahmen überarbeiten. Erste Ergebnisse soll es Anfang 2024 geben, erklärte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) kürzlich. Nachdenken will man unter anderem über Science Clubs als Pilotprojekte an interessierten Schulen.

CERN wird 70

Internationale Bedeutung hat die Europäische Organisation für Kernforschung – bekannt als CERN –, die am 29. September ihr 70-Jahr-Jubiläum feiert. In Österreich ist das Institut für Hochenergiephysik der ÖAW am CERN beteiligt. Zum CERN-Geburtstag wird eine „Science Week“ in Wien veranstaltet. „Meet the Universe“ heißt es ab Juni 2024 im MuseumsQuartier, wo auch die Ausstellung „Spurensuche – Die Bausteine des Universums“ zu sehen sein wird.

Deutlich jünger ist die Forschungsförderungsgesellschaft FFG, gewichtigste Fördererin der angewandten Forschung in Österreich. Sie wurde am 1. September 2004 gegründet, begeht damit kommendes Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Auch das ÖAW-Institut für Quantenoptik und Quanteninformation mit Standorten in Wien und Innsbruck, das einige der weltweit meistzitierten Forschenden unter ihrem Dach versammelt, feiert seinen 20. Geburtstag. Im September gibt es zu diesem Anlass zwei mehrtägige internationale Konferenzen, eine gemeinsame Summer School für Studierende sowie einen Publikumstag in Innsbruck am 20. September. Das Jubiläum wird auch für einen Rückblick auf Erfolge genutzt, darunter natürlich der Physik-Nobelpreis für Anton Zeilinger vor einem Jahr.

Es kann als gesichert gelten, dass die Klimaforschung und ihre verwandten Bereiche auch 2024 wieder im Fokus stehen werden. International wird sich die Aufmerksamkeit vieler Forscherinnen und Forscher naturgemäß auf die von 11. bis 22. November stattfindende UN-Klimaschutzkonferenz (COP29) richten. Sie soll in der zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus liegenden ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan stattfinden.

Weitere runde Jahrestage

2024 bietet aber noch zahlreiche runde Jahrestage: Biochemiker und Ex-Wissenschaftsminister Hans Tuppy wird am 22. Juli 100 Jahre alt. Er war Rektor der Universität Wien sowie Präsident des Wissenschaftsfonds FWF und der ÖAW; sein breites wissenschaftliches Oeuvre reicht von der Aufklärung der Insulin-Struktur bis zur Biochemie der Blutgruppensubstanzen.

Im Jahr 1924 und damit vor 100 Jahren veröffentlichte zudem der französische Physiker Louis-Victor Pierre Raymond de Broglie seine These, dass Elektronen auch Welleneigenschaften besitzen.

Vor 150 Jahren schuf der deutsche Chemiker Carl Bosch die Grundlage für die großtechnische Herstellung von Stickstoffdüngern und damit für große Veränderungen in der Landwirtschaft. 1931 erhielt er für seine Verdienste um die Entdeckung und Entwicklung chemischer Hochdruckverfahren den Nobelpreis für Chemie.

Am 9. Juni 1774, also vor 250 Jahren, wurde Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall, der bedeutende österreichische Orientalist und erste Präsident der ÖAW, geboren.

Und zuletzt noch an der Schnittstelle zur Kultur: Am 4. September jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag des österreichischen Komponisten Anton Bruckner (1824-1896) – ein Anlass für die ÖAW, u.a. von 10. bis 12. April ein internationales Symposion, gemeinsam mit der Österreichischen Nationalbibliothek, zu „200 Jahre Bruckner – 100 Jahre Bruckner-Forschung“ zu veranstalten.

Service: Ausblick des Fachjournals „Nature“: https://doi.org/10.1038/d41586-023-04044-9

  • Wissenschaft 2024: Bessere KI, Supercomputer, CoV-Impfstoffe    
    Weitere Fortschritte bei künstlicher Intelligenz (KI), Mondmissionen, ultraschnelle Supercomputer und neue CoV-Impfstoffe: Das sind einige der wissenschaftlichen Entwicklungen, die das Fachjournal „Nature“ in einer Vorschau für 2024 aufzählt. Auch in Österreich ist einiges zu erwarten. Mehr dazu in science.ORF.at

UMWELT

Die Luft ist seit dem Jahr 1600 deutlich trockener geworden

Die Luft über weiten Teilen Europas ist in den letzten Jahrzehnten deutlich trockener geworden. Das zeigten Jahrringe von Bäumen, die ein internationales Forschungsteam unter Schweizer Leitung untersuchte. Die für die am Mittwoch im Fachblatt „Nature Geoscience“ veröffentlichte Studie untersuchten Jahrringdaten reichen zurück bis ins Jahr 1600.

Angesichts der Dürreereignisse in vielen Regionen Europas in den letzten Jahren sei dies bedenklich, sagte Kerstin Treydte, Erstautorin der Studie und Forscherin am Eidgenössischen Forschungsinstitut für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in einer Mitteilung des Forschungsinstituts. Denn trockene entziehe dem Boden und Pflanzen vermehrt Wasser.

Die Folge: Pflanzen wachsen schlechter, manche sterben ab. Von großer Bedeutung sei dies außerdem für die Landwirtschaft. „Mehr Bewässerung wird nötig und die Erträge sinken“, so Treydte. Als Maß für die Lufttrockenheit diente den Forschenden das sogenannte Dampfdruckdefizit (auf Englisch: „Vapor Pressure Deficit“, VPD). Es beschreibt die Differenz zwischen dem maximalen Wassergehalt, den die Luft bei einer bestimmten Temperatur haben könnte, und dem tatsächlichen Wassergehalt der Luft.

In den bis zu über 400 Jahre alten Jahrringen spiegelt sich das VPD in den so genannten Sauerstoffisotopen wider. Isotope sind unterschiedlich schwere Varianten von Atomen. Aus der Zusammensetzung der Sauerstoffisotope in den Jahrringen können die Forschenden ablesen, wie hoch das VPD in einem Jahr war.

Am stärksten zeigte sich dies laut der Studie in den zentraleuropäischen Tiefländern, in den Alpen und in den Pyrenäen. Die höchsten Werte wurden demnach in den Dürrejahren 2003, 2015 und 2018 erreicht. Anhand von zusätzlichen Modellsimulationen konnten die Autorinnen und Autoren außerdem zeigen, dass die heutigen VPD-Werte ohne Treibhausgas-Emissionen nicht hätten erreicht werden können.
Service: Fachartikelnummer DOI: 10.1038/s41561-023-01335-8

BILDUNG

Wer gute Noten schreibt, ist in der Regel auch beliebt

27.12.2023 Studie der Universität Tübingen zeigt, dass – entgegen vielen Klischees – leistungsstarke Schülerinnen und Schüler gut in ihren Klassen integriert sind

Stereotype über unbeliebte Streberinnen und Streber halten sich hartnäckig – nicht zuletzt aufgrund einer häufig klischeehaften Darstellung in den Medien. Ein Forschungsteam vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen und dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin hat nun anhand von Daten einer großangelegten Studie untersucht, wie es tatsächlich um die soziale Integration von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern steht. Dr. Claudia Neuendorf, die inzwischen an der Universität Potsdam forscht, leitete das Projekt.

Das Ergebnis: Jugendliche, die gute Schulleistungen erbringen, sind in der Regel auch besser in ihre Klassen integriert als solche, die schlechter abschneiden. Außerdem werden leistungsstarke Schülerinnen und Schüler wesentlich häufiger um Hilfe gebeten als leistungsschwächere. Am deutlichsten ausgeprägt ist dies bei jenen Jungen und Mädchen, die in mehreren Fächern leistungsstark sind. Diese Erkenntnisse widersprechen dem weitverbreiteten Klischee, wonach Heranwachsende mit guten schulischen Leistungen vermehrt Hänseleien ausgesetzt und eher Einzelgängerinnen und Einzelgänger sind.

Für ihre Studie untersuchten Neuendorf und ihr Team die Daten aus dem IQB-Bildungstrend von etwa 45.000 Schülerinnen und Schülern der neunten Jahrgangsstufe in Deutschland. Ziel war es, einen Zusammenhang zwischen schulischer Leistung und mehreren Facetten der sozialen Integration, wie Freundschaft, Akzeptanz, Kontakt und subjektive Integration, herzustellen.

Für die ersten drei Facetten wurden die Schülerinnen und Schüler konkret gefragt, wer ihre Freunde in der Klasse sind. Aus den Antworten konnten dann soziometrische Maße berechnet werden, zum Beispiel wie beliebt jemand ist, von wie vielen er oder sie um Hilfe gefragt wird, wer eher abgelehnt wird („Neben wem möchtest du nicht sitzen?“) und wieviele reziproke Freundschaften jemand hat. Die subjektive Integration wurde über psychometrische Maße festgestellt, das heißt, die Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, wie gut integriert sie sich selbst fühlen.

Dabei interessierte die Bildungsforschenden auch, wie die Situation bei Jungen und Mädchen ist, die gute Leistungen in Fächern erbringen, die dem jeweils anderen Geschlechterstereotyp zugeordnet werden. Sie gelangten zu der Erkenntnis, dass auch Jungen, die leistungsstark in Sprachen und Biologie sind, und Mädchen, die gut in Mathematik und Physik sind, eine gute soziale Integration aufweisen.

„Die Botschaft unserer Studie lautet, dass viele leistungsstarke Kinder sehr gut sozial integriert sind, unabhängig davon, ob ihre Leistungen vermeintlich genderkonform oder non-konform sind“, sagt Neuendorf. „Diese Erkenntnis ist hoffentlich ein weiterer Baustein, um Ängste und Vorurteile in der Hinsicht abzubauen.“ Die Bildungsforscherin betont, dass Stereotype aller Art in allen Bereichen der Gesellschaft aufgelöst werden müssen, damit Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrem Geschlecht ihr Potenzial entfalten können. Damit dies gelingt, sollten sich Lehrkräfte, Eltern, Medienschaffende, aber auch die Wissenschaft dafür einsetzen, dass Stereotype sich nicht verfestigen.

Publikation:
Neuendorf, C. & Jansen. M. (2023). Comparing different facets of the social integration of high-achieving students in their classroom: No gender stereotyping, but some non-linear relationships. Journal of Educational Psychology, 115(4), 609-623. https://dx.doi.org/10.1037/edu0000778  

MEDIEN – IT

RECHT

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STANDARD-Umfrage: Nur ein Drittel lebt finanziell unbeschwert – Vertrauensverlust in den Staat – Junge sehen bessere Jobmöglichkeiten – Stabile Wahlumfragen mit FPÖ an der Spitze – Conrad Seidl, Standard, 27.12.2023 (Tabellen online)

War früher alles besser? In den Augen vieler Österreicherinnen und Österreicher erscheint es so: Nur ein knappes Viertel berichtet von höherem Einkommen, ähnlich viele von Einkommensverlusten

Linz – Smartphones sind wahrscheinlich jene in jedem Haushalt vorhandenen Geräte, die in den letzten fünf oder sechs Jahren die größten technischen Verbesserungen erfahren haben – und das wird auch von einer Mehrheit der heimischen Bevölkerung so gesehen: 45 Prozent geben an, dass es da für sie persönlich Verbesserungen oder Erleichterungen gegeben hat, für 37 Prozent hat sich nichts geändert, und nur elf Prozent geben an, dass die Smartphones für sie schlechter oder schwieriger geworden sind. Ähnlich sieht es mit Computern, deren Programmen und Apps aus.

In vielen anderen Bereichen wird aber eine überwiegend negative Entwicklung wahrgenommen. Das ergibt sich aus der in der Vorwoche durchgeführten Market-Umfrage zum Jahreswechsel. Im Auftrag des STANDARD wurden 800 Wahlberechtigten 35 Themen vorgelegt und gefragt: „Wenn Sie jetzt einmal länger zurückdenken, etwa fünf oder sechs Jahre: Was ist da für Sie persönlich besser bzw. leichter geworden, was ist für Sie persönlich schlechter bzw. schwieriger geworden – und wo würden Sie sagen, dass sich wenig geändert hat?“

Ganz eindeutig ist die Wahrnehmung, dass die Sicherheit in der Welt abgenommen hat – das sehen 70 Prozent so. Und 24 Prozent geben auch an, dass die Sicherheit in der Gegend, in der sie selbst leben, abgenommen habe. Auffallend: Unter den jüngeren Befragten (bis zum Alter von 30 Jahren) sagt etwa jeder Fünfte, dass sich die persönliche Sicherheitssituation gebessert habe, bei den Befragten über 50 sehen nur sechs Prozent Verbesserungen.

Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: „Man kann in diesem Punkt deutlich sehen, dass FPÖ-Wähler gefühlsmäßig in einer anderen Welt leben als die übrige Bevölkerung: Die FPÖ-Wählerschaft ist etwa doppelt so stark wie die Wählerinnen und Wähler anderer Parteien der Ansicht, dass ihre Umgebung weniger sicher geworden ist als vor fünf oder sechs Jahren. Diesen Zeitraum haben wir gewählt, weil er zurückreicht in die Zeit, als die türkis-blaue Koalition unter Sebastian Kurz angetreten ist und Herbert Kickl Innenminister geworden ist.“

50 Prozent verloren Vertrauen in den Staat

Was seither besonders gelitten hat, ist das Vertrauen in die staatlichen Institutionen: Jeder Zweite sagt, dass dieses Vertrauen erodiert ist – bei den FPÖ-Wählern sind es sogar 71 Prozent. An dritter Stelle der als negativ empfundenen Entwicklungen kommt mit 45 Prozent „die Sprache, das achtsame, gendergerechte Sprechen und Schreiben“. Das wird besonders von älteren Befragten als zunehmend schwierig empfunden – in allen Parteiwählerschaften mit Ausnahme jener der Grünen gibt es klare Mehrheiten, die da Verschlechterungen wahrnehmen.

42 Prozent meinen, dass das soziale Netz, „falls man einmal Probleme bekommt“, heute schlechter absichert als vor fünf oder sechs Jahren – und das, wobei gleichzeitig ein Drittel der Befragten quer durch alle Altersschichten und sonstigen demografischen und politischen Gruppen sagt, dass der eigene Gesundheitszustand sich verschlechtert habe.

Etwa ausgeglichen ist die Einschätzung der persönlichen Einkommensentwicklung: 23 Prozent sehen eine Verbesserung, Männer deutlich stärker als Frauen. 27 Prozent geben an, dass sie vor fünf bis sechs Jahren besser verdient hätten als heute – das sagen besonders Arbeiter und Selbstständige, während Beamte und Angestellte überdurchschnittlich stark von verbesserten Einkommen berichten.

Pfarrhofer: „Wiederum sind es die freiheitlichen Wähler, die besonders über erlebte Einkommenseinbußen klagen. Die Leute aus dieser Wählergruppe sagen auch überdurchschnittlich oft, dass sie heute mit einem schlechteren Auto unterwegs sind. Sie beklagen sich auch häufiger als andere Befragte, dass ihre Bildungssituation schwieriger geworden ist oder dass sich ihre familiäre Situation und sogar ihr Sexualleben verschlechtert habe.“ 45 Prozent der freiheitlichen Wähler geben auch an, dass ihr Vertrauen, die eigene Zukunft gestalten zu können, in den letzten Jahren gelitten habe.

Junge Befragte sehen bessere Jobmöglichkeiten

Besonders junge Befragte geben an, dass sich ihre beruflichen Möglichkeiten verbessert hätten – das geht allerdings auch mit einem verbreiteten Gefühl einher, nicht mit jener Freiheit leben zu können, die man sich wünscht. In allen Altersgruppen überwiegt der Anteil jener, die heute eine bessere Wohnsituation haben als vor fünf Jahren, gegenüber jenem, der eine Verschlechterung erlebt.

In einer separaten Fragestellung ließ der STANDARD erheben, wie die österreichischen Wahlberechtigten ihre finanzielle Situation einschätzen. Wie schon in einer Vergleichsumfrage vor einem Jahr sagen 34 Prozent, dass sie im Wesentlichen finanziell gut zurechtkämen – „diese Leute wählen in einem hohen Maße die ÖVP, die Neos oder die Grünen“, liest Pfarrhofer aus den Daten. 38 Prozent geben an, sich „ein wenig“ einschränken zu müssen.23 Prozent aber sagen, sie müssten sich „sehr einschränken“ (im Dezember 2022 sagten das 21 Prozent), weitere vier Prozent (im Vorjahr: drei Prozent) sehen sich vor einem finanziellen Desaster stehen. Besondere finanzielle Probleme äußern Befragte im mittleren Alter und mit niedriger formaler Bildung. Vier von zehn FPÖ-Wählern befinden sich nach eigenen Angaben in einer schwierigen bis desaströsen finanziellen Situation.

Pfarrhofer bezeichnet diese Daten als sehr stabil – und reicht dazu die aktuelle Hochrechnung aus der Sonntagsfrage nach: Auch hier gibt es seit Monaten kaum Veränderungen. Würde jetzt – und nicht erst nach einem Wahlkampf im kommenden Herbst – gewählt, so könnte die FPÖ 30 Prozent verbuchen, die SPÖ 24 und die Kanzlerpartei ÖVP 21. Die Neos kämen auf zehn, die Grünen auf acht, die Bierpartei auf drei, die KPÖ auf zwei und weitere Kleinparteien auf etwa zwei Prozent. (Conrad Seidl, 27.12.2023)

Kinderbetreuung: Österreich hinkt trotz Rekords hinterher

29,9 Prozent der Null- bis Dreijährigen hatten 2022 einen Kinderbetreuungsplatz in Österreich, 2,2 Prozent wurden bei Tageseltern betreut. Das ist ein Rekord, wie der am Mittwoch präsentierte Bericht „Familie in Zahlen“ des Österreichischen Instituts für Familienforschung zeigt. Doch international hinkt Österreich beim Ausbau der Betreuungsplätze nach wie vor hinterher.

rotz des leichten Anstiegs der Betreuungsquote der unter Dreijährigen in diesem Jahr (2021: 29,1 Prozent, Tageseltern: 2,1 Prozent) erreicht Österreich nach wie vor nicht das EU-weit vereinbarte Barcelona-Ziel. Diesem zufolge sollte bereits seit 2010 ein Drittel der Kleinkinder Betreuungseinrichtungen besuchen.

2022 wurde dieses Ziel für manche EU-Staaten nochmals auf 50 Prozent erhöht. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Quote machte Österreich einen Vorbehalt geltend und fixierte das Ziel bei 31,9 Prozent. Über 33 Prozent in institutioneller Betreuung erreichen 2022/23 laut Bericht Wien, das Burgenland und Vorarlberg.

Zu wenige Betreuungsplätze für Vollzeitarbeit

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) freute sich über die gestiegenen Zahlen bei der Kinderbetreuung: „Ich bin stolz, dass wir bei der Kinderbetreuung Rekordwerte verzeichnen können und die Kinderbetreuungsquoten der Null- bis Dreijährigen sowie der Drei- bis Sechsjährigen steigern konnten.“ Österreichweit befinden sich 94,7 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in institutioneller Betreuung.

Problematisch ist, dass die Hälfte der Kinderbetreuungsplätze nicht mit einem Vollzeitjob der Eltern zu vereinbaren ist. Viele Kindergärten haben nur vormittags geöffnet. Das soll sich bis 2030 ändern. Bis dahin will der Bund 4,5 Mrd. Euro für Länder und Gemeinden auch in Plätze investieren, die mit einer Vollzeittätigkeit zu vereinbaren sind, hielt Raab gegenüber Ö1 fest. Bis 2030 sollen 50.000 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden.

Zusätzlich zu der per 15a-Vereinbarung mit den Ländern vereinbarten „Kindergartenmilliarde“ mit jährlich 200 Mio. Euro sollen aus dem „Zukunftsfonds“ des Finanzausgleichs jedes Jahr wertangepasst weitere 500 Mio. Euro gezahlt werden.

Kritik an geringen Ambitionen Österreichs

Ines Stilling, Leiterin des Bereichs Soziales in der Arbeiterkammer (AK), kritisierte im Ö1-Mittagsjournal die geringen Ambitionen Österreichs im internationalen Vergleich. Es sei dringend erforderlich, nicht nur in den Ausbau, sondern auch in die Qualität und die Arbeitsbedingungen zu investieren – „sonst werden wir das Personalproblem nicht lösen“. Es brauche qualitätsvolle Rahmenbedingungen, das könnten die Pädagogen und Pädagoginnen nicht alleine stemmen. „Ich fürchte, dass der Ausbau auf halber Strecke stehen bleiben wird.“

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner kritisierte eine fehlende Milliarde Euro pro Jahr für den Ausbau der Kinderbetreuung und den fehlenden Rechtsanspruch auf einen kostenlosen und ganztägigen Kinderbildungsplatz ab dem ersten Lebensjahr.

Auch Korinna Schumann, Bundesfrauenvorsitzende des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), mahnte die Regierung am Mittwoch, dass es trotz Rekordwerten keinen Grund gebe, „sich auf den Ergebnissen auszuruhen“. Einen Appell gab es am Mittwoch zudem von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), die Betreuungssituation rasch zu verbessern. Der Wirtschaftsstandort Österreich könne es sich nicht leisten, auf Frauen als Arbeitskräfte zu verzichten.

KDZ: 4,5 Mrd. zu wenig

Berechnungen des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ) zufolge reichen die vom Bund zugesagten 4,5 Mrd. Euro nicht. „Unter den jetzigen Rahmenbedingungen reicht das Geld nicht aus, weil man sich vonseiten des Bundes wieder viel zu sehr auf den Ausbau konzentriert hat und nicht auf den Erhalt und bessere Qualität“, sagte kürzlich auch Karoline Mitterer vom KDZ.

Die von mehreren Ländern schrittweise geplante Verkleinerung der Gruppen werde etwa dazu führen, dass die Kosten um bis zu ein Fünftel steigen und sich zudem kurzfristig der ohnehin schon vorhandene Personalmangel „massiv“ verschärft. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sei aber unerlässlich, um das Fachpersonal zu bekommen und zu halten. Zudem kämen schon jetzt Gemeinden bei den aktuell vorhandenen Plätzen nicht mit ihren Mitteln aus.

Erwerbstätigkeit der Eltern (Graphik-Link)

Frauen dominieren bei Teilzeitbeschäftigung

Die Situation der Kinderbetreuung in vielen Bundesländern ermöglicht häufig nur Teilzeitjobs für zumindest einen Elternteil. In den meisten Fällen sind das die Mütter, wie der Bericht „Familie in Zahlen“ erneut bestätigt. Von den rund 70 Prozent der erwerbstätigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiteten 2022 mehr als drei Viertel in Teilzeit. Bei den Männern derselben Kategorie waren knapp 94 Prozent in Beschäftigung – nur 8,8 Prozent von ihnen in Teilzeit.

Bei Kindern unter drei Jahren arbeitete nur etwas mehr als jede dritte Frau. Für Schumann ist klar, dass das nicht freiwillig gewählt sei, sondern weil es keine flächendeckende Kinderbetreuung gebe. Stilling beobachtet beim regelmäßig durchgeführten Wiedereinstiegsmonitor der AK, dass sich die Situation verschlechtere und es zu einem späteren Berufseinstieg von Müttern komme.

red, ORF.at/Agenturen

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Gesundheit – Sache von Bildung und Geld

Der Aufbau des Wohlfahrtsstaates sollte auch Diskriminierungen in Sachen Gesundheit beseitigen. Doch bei allen Bemühungen ist sie offenbar noch immer von Bildung und Geld abhängig. Das belegen neue Generationen-übergreifende Daten zu Adipositas aus Deutschland bzw. zur Krebssterblichkeit in Großbritannien. Dort unterscheidet sich die Krebsmortalität zwischen Arm und Reich dramatisch.

Die soziale Herkunft kann über Jahrzehnte und Generationen hinweg einen Einfluss haben. Erst vor einigen Wochen veröffentlichte das deutsche Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) eine neue Studie. Die Analysen belegen einen massiven Einfluss des Bildungsstatus der Eltern auf die Gewichtsentwicklung ihrer Kinder bis in deren Erwachsenenalter.

„So hat fast die Hälfte der Befragten im Alter zwischen 18 und 50 Jahren, deren Eltern kein Abitur (Matura; Anm.) haben, einen Body-Mass-Index von über 25 und gilt damit als übergewichtig. Bei Personen, deren Eltern beide das Abitur haben, beträgt der Anteil der Übergewichtigen nur knapp ein Drittel“, teilte das Institut mit.

Groß seien auch die Unterschiede in der Eigenbeurteilung des Gesundheitszustandes, so die deutschen Experten: „Gleichzeitig fühlen sich Menschen aus einem gebildeten Elternhaus gesünder: 77 Prozent beurteilen ihren eigenen Gesundheitszustand als gut oder sehr gut, bei Kindern von Eltern ohne Abitur sind es mit 66 Prozent weniger.“

Für diese Ungleichheiten in Sachen Gesundheit werden mehrere Faktoren verantwortlich gemacht. Zunächst erzielen Kinder aus gebildeteren Familien häufig bessere Bildungsergebnisse sowie höhere Einkommen in körperlich weniger beanspruchenden Tätigkeiten, was bereits zu einer besseren Gesundheit beitragen kann. Zusätzlich unterscheide sich mit dem Bildungsstand der Eltern auch das soziale Umfeld, in dem Kinder aufwüchsen und durch gesundheitsbezogene Lebensweisen geprägt würden. Bessere Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten, die in der Familie und dem Umfeld mitgeprägt werden, könnten bis ins Erwachsenenalter positiv nachwirken, führten die Fachleute aus.

Lebenslanger Effekt der sozialen Herkunft

Die soziale Herkunft kann jedenfalls buchstäblich lebenslang – bis zum Tod – ihre Effekte haben. Mara Barschkett, Co-Autorin der Analyse der staatlichen deutschen Demografie-Forscher: „Langfristig wird sich die schlechtere gesundheitliche Verfassung (von Menschen aus sozial schlechter gestelltem Elternhaus; Anm.) in einer geringeren Lebenserwartung ausdrücken.“

Vor zwei Wochen brachte „Lancet Oncology“ eine Studie mit ganz ähnlichen Ergebnissen, allerdings zur Krebssterblichkeit nach den regionalen Einkommensunterschieden in Großbritannien, heraus. In Großbritannien war das in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte staatliche Gesundheitswesen (National Health Service; NHS) jahrzehntelang hoch angesehen und sollte gleichen Zugang zur medizinischen Versorgung und gleiche Chancen für alle herstellen. In einem über die alle britischen Regionen hinweg ähnlichen Status in Sachen Krebs endete das bisher offenbar nicht.

„Obwohl unsere Untersuchung die gute Nachricht umfasst, dass die Krebsmortalität über alle britischen Bezirke hinweg in den vergangenen 20 Jahren abgenommen hat, wirft sie trotzdem ein Schlaglicht auf die erstaunliche Ungleichheit in der Krebssterblichkeit nach dem jeweiligen Wohnort“, erklärte Majid Ezzati vom Imperial College in London zu seiner Studie.

Krebs häufigste Todesursache in Großbritannien

In Großbritannien ist Krebs die häufigste Todesursache und hat mittlerweile bereits die Herz-Kreislauf-Erkrankungen überholt. Die Wissenschafter analysierten die Sterbestatistiken für die Jahre 2002 bis 2019 nach den zehn Krebsarten mit den meisten Sterbefällen bei Männern und Frauen. Das erfolgte für alle 314 Bezirke des Landes.

Eindeutig: Das höchste Krebs-Sterberisiko hatten im Jahr 2019 die Menschen in den einkommensschwächsten Regionen Großbritanniens in und um Liverpool, Manchester, Hull/Newcastle und östlich von London. „Das Risiko, im Alter unter 80 Jahren an Krebs zu sterben, lag bei einer von zehn Frauen in Westminster (London mit Regierungsviertel; Anm.) und einer von sechs Frauen in Manchester“, schrieb ‚Lancet Oncology“.

Unter den unter 80-jährigen Männern starb 2019 einer von acht in Harrow (Stadt im Nordwesten Londons; Anm.) und einer von fünf in Manchester, so die Studienergebnisse. „Das Krebs-Sterberisiko war mit Armut bei beiden Geschlechtern assoziiert. Die größte Ungleichheit über die Regionen hinweg wurde bei den Krebsarten mit Risikofaktoren wie Rauchen, Alkohol oder Adipositas beobachtet. Sie könnten verhindert oder mittels Screeningprogrammen frühzeitig erkannt werden“, stellte das weltweit angesehene Medizinjournal fest.

Ex-EU-Kommissionspräsident Delors ist tot – ORF, 27.12.2023

Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors ist tot. Der Franzose, der die EU-Kommission von 1985 bis 1995 geleitet hatte, starb heute im Alter von 98 Jahren in Paris, wie seine Tochter Martine Aubry der Nachrichtenagentur AFP sagte. „Er ist heute Morgen in seinem Haus in Paris im Schlaf gestorben“, erklärte die Bürgermeisterin von Lille.

Der französische Sozialist stand von 1985 bis 1995 an der Spitze der EU-Kommission und galt als treibende Kraft hinter den größten Integrationsschritten in der Geschichte der europäischen Einigung: der Vollendung des Europäischen Binnenmarktes 1992 und der Gründung der Europäischen Union 1993.

Nationale und europapolitische Karriere

Delors hatte seine europapolitische Laufbahn im Jahr 1979 begonnen, als einer der erstmals in direkter Volkswahl bestimmten Europaabgeordneten. Von 1981 bis 1984 war er französischer Wirtschafts- und Finanzminister, ehe er die Führung der Europäischen Kommission übernahm.

Auf seine Initiative hin veröffentlichte die Brüsseler Behörde damals ein Weißbuch (Grundlagendokument) zum Binnenmarkt, das unter anderem den Wegfall von Personen- und Warenkontrollen innerhalb der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die Beseitigung von staatlichen Monopolen und von steuerlichen Schranken für den grenzüberschreitenden Wettbewerb vorsah.

In die Amtszeit von Delors fielen auch die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) mit den EFTA-Staaten (darunter Österreich) im Jahr 1994 und der österreichische EU-Beitritt im Jahr 1995.

„Kämpfer für menschliche Gerechtigkeit“

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron bezeichnete Delors als „Kämpfer für menschliche Gerechtigkeit“. Zahlreiche frühere und aktuelle EU-Spitzenpolitiker verneigten sich vor Delors. „Mit dem Tod von Jacques Delors verliert die Europäische Union einen Giganten“, so EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Ähnlich äußerten sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der frühere EU-Kommissar Michel Barnier.

Der ehemalige Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso würdigte Delors als „außerordentliche Führungsfigur“, Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) als „großen Europäer“. Auch italienische Spitzenpolitiker würdigten Delors. „Mit dem Tod von Jacques Delors haben wir eine Persönlichkeit verloren, die auf der Grundlage christlicher Werte den Prozess der Stärkung Europas geprägt hat“, sagte Außenminister Antonio Tajani.

Rigoroser Sparkurs Schäubles finanzielles Erbe bleibt umstritten – KURZVIDEO

In seinen Zeiten als Finanzminister fährt Wolfgang Schäuble einen harten Sparkurs und zieht damit teils europaweit den Zorn auf sich. Ökonomen bemängeln, dass durch die Schwarze Null wichtige Zukunftsinvestitionen verpasst wurden. Schäuble selbst nahm die Kritik an sich stets humoristisch.

CDU-Urgestein verstorben Wolfgang Schäubles 51 Jahre in der Politik – KURZVIDEO

Er wirkte an der Wiedervereinigung mit, wurde Opfer eines Attentates und prägte nicht nur das Gesicht der CDU über Jahrzehnte, sondern das der gesamten deutschen Politik. ntv blickt zurück auf das bewegte Leben des früheren Bundestagspräsidenten.

1929–2023: Gaston Glock ist tot – ORF, 27.12.2023

Der österreichische Rüstungsunternehmer Gaston Glock ist tot. Der gebürtige Wiener starb am Mittwoch im Alter von 94 Jahren, das teilte die Pressestelle von Glock mit. Bekannt wurde Glock durch seine Waffenfirma, die er im Jahr 1963 im niederösterreichischen Deutsch-Wagram gründete – und insbesondere durch die Glock-Pistole.

Der gelernte Kunststofftechniker schuf mit seiner Glock-Pistole eine Waffe, die nicht nur deutlich leichter und einfacher als die damals bekannten Modelle war, sondern auch erheblich günstiger und zuverlässiger.

Spezialeinheiten in aller Welt machten die „Glock“ weltberühmt, selbst die deutsche GSG 9 vertraut – trotz des Hauslieferanten Heckler & Koch – am Gürtel auf ein Fabrikat aus dem niederösterreichischen Deutsch-Wagram. Glock selbst konnte mit dieser Berühmtheit persönlich wenig anfangen, er galt als sehr medienscheu, und auch die Society-Gesellschaft war nicht seines.

Ganz konnte er dem Boulevard aber nicht entfliehen, sein millionenschwerer Rosenkrieg gegen seine Ex-Frau sorgte für Rauschen im Blätterwald. Glock hat zwei Söhne und eine Tochter, der Ehestreit hatte zuletzt auch das Verhältnis zu diesen getrübt.

Für Unternehmen „vorausschauend Sorge getragen“

Für die Weiterführung und Stabilität des Unternehmens habe Glock „vorausschauend Sorge getragen“, schrieb das Unternehmen weiter. „Das Lebenswerk von Ing. Gaston Glock wird auch künftig in seinem Sinne weitergeführt.“ Für weitere Rückfragen stehe man nicht zur Verfügung. Unklar ist etwa, welche Rolle Glock für seine Kinder und seine zweite Ehefrau in Unternehmen und Privatstiftung vorsah.

Im vergangenen Jahr hat der Pistolenproduzent Glock knapp 830 Mio. Euro umgesetzt und etwas über 146 Mio. Euro Gewinn erwirtschaftet. Das Unternehmen beschäftigt rund 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und beliefert neben dem österreichischen Bundesheer unter anderem auch die Armeen von Frankreich und Großbritannien. In den USA sind Pistolen von Glock die am häufigsten an Privatpersonen verkauften Pistolen.

Vom Kunststofftechniker zum Waffenproduzenten

Glock ist Jahrgang 1929, er war ursprünglich Kunststofftechniker, bis er 1963 im niederösterreichischen Deutsch-Wagram eine Waffenproduktion gründete. Mittlerweile gibt es weltweit Niederlassungen, unter anderem ein Werk in den USA. Medienberichten zufolge sollen bis zu 80 Prozent der US-Polizistinnen und -Polizisten auf die Pistolen von Glock vertrauen. Dabei blies diesem am Anfang in den USA ein scharfer Wind der etablierten Waffenproduzenten entgegen, die dem unliebsamen Konkurrenten vorwarfen, „Plastikpistolen“ zu produzieren, die Terroristen vorbei an Metalldetektoren unbemerkt in Flugzeuge mitnehmen könnten.

1999 überlebte Glock knapp einen Mordanschlag, dem mit einem Hammer bewaffneten Angreifer fehlten danach ein paar Zähne. „You don’t mess with Gaston Glock“, schrieb das renommierte US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ damals über diesen.

Klage gegen Amnesty International

Als Amnesty International (AI) von Glock wissen wollte, wie dessen Pistolen in das Bürgerkriegsland Sudan gekommen seien, klagte dieser, unter anderem rumänischer Honorarkonsul in Kärnten, die Menschenrechtsorganisation auf 65.000 Euro Schadenersatz. Letztlich entschied AI nach Eigenangaben den Rechtsstreit für sich.

Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung eingestellt

Auch mit der Steuerfahndung war Glock im Clinch, der in einer Hausdurchsuchung bei ihm gipfelte. Nachdem diese Information an die Öffentlichkeit gelangt war, beauftragte der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Innenrevision, die undichte Stelle in seinem Ministerium zu finden. Die Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung wurden später eingestellt. Der Name Gaston Glock tauchte auch rund um eine Investorengruppe bei der notverstaatlichten Hypo Alpe Adria auf, seine genaue Rolle blieb aber unklar.

Der Pferdeliebhaber machte aber auch als wohltätiger Spender von sich reden. So spendete der Milliardär rund um Weihnachten 2012 insgesamt rund 550.000 Euro für Spitäler in Wien und Klagenfurt. Dazu finanzierte er das Gaston Glock Zentrum für Invasive Kardiologie und Elektrophysiologie, spezialisiert auf die Behandlung von Herzrhythmusstörungen.

Rosenkrieg mit langjähriger Ehefrau

In den Schlagzeilen war Glock in seinen letzten Lebensjahren durch einen langwierigen Rosenkrieg mit seiner ersten Frau, in dem diese ihn 2014 in den USA auf 500 Mio. Dollar (damals 393 Mio. Euro) verklagte. Glock hatte sich 2011 nach 49 Jahren Ehe von Helga Glock getrennt, um eine 52 Jahre jüngere Villacherin zu heiraten. Kathrin Glock wurde am 1. Jänner 2021 Aufsichtsratsvorsitzende der Glock GmbH.

red, ORF.at/Agenturen

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RUSSLAND – UKRAINE

Newsticker

DIE NACHT IM ÜBERBLICK – Ukraine

ROUNDUP: Ukraine erhält neue Militärhilfe aus den USA – Die Nacht im Überblick

WASHINGTON/KIEW (dpa-AFX) – Die US-Regierung stellt der Ukraine weitere Militärhilfe in Höhe von 250 Millionen US-Dollar (rund 225 Millionen Euro) zur Verfügung. Damit dürften die bisher bewilligten US-Mittel nun weitgehend ausgeschöpft sein. Es handle sich um das letzte Paket in diesem Jahr, teilte US-Außenminister Antony Blinken mit. Die Hilfe beinhalte vor allem Munition – darunter 15 Millionen Schuss für kleinere Waffen sowie Munition für die Luftabwehr oder den US-Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars. „Unsere Hilfe war entscheidend für die Unterstützung unserer ukrainischen Partner bei der Verteidigung ihres Landes und ihrer Freiheit gegen die russische Aggression“, so Blinken.

Unterdessen wehrte das russische Militär in der Nacht zum Donnerstag nach Angaben aus Moskau mehrere ukrainische Drohnenangriffe auf die seit 2014 von Russland besetzte Schwarzmeerhalbinsel Krim ab. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 22 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg.

Zukunft von US-Hilfen für Ukraine ungewiss

Wie es künftig mit der US-Unterstützung für die Ukraine weitergeht, ist völlig offen. Das Weiße Haus hatte Mitte Dezember bereits erklärt, nur noch Mittel für ein weiteres Militärhilfepaket für die Ukraine in diesem Jahr zu haben. Es hieß außerdem, dass mit Ende des Jahres die bisher bewilligten Mittel aufgebraucht sein werden.

Die Freigabe weiterer Mittel wird derzeit von einem Streit im US-Parlament zwischen Republikanern und Demokraten blockiert. Die Republikaner stehen der Bewilligung neuer Hilfen im Weg, weil sie von US-Präsident Joe Biden im Gegenzug eine Verschärfung der Asylpolitik in den USA fordern.

Ob, wie und wann sich beide Parteien im kommenden Jahr auf neue Mittel einigen werden, ist unklar. Biden hatte die Aussichten auf eine schnelle Bewilligung weiterer US-Hilfen bei einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Washington vor zwei Wochen gedämpft. Er räumte ein, dass er „keine Versprechungen“ machen könne, aber hoffnungsvoll sei, dass es eine Einigung im Kongress geben werde.

Der Demokrat kann in der Zwischenzeit versuchen, Gelder aus anderen Bereichen für die Ukraine umzuwidmen. Damit kann er aber nicht die Summen bereitstellen, die nötig wären, um die Ukraine im großen Stil dauerhaft zu unterstützen.

Nouripour: Könnten US-Unterstützung für Ukraine nicht kompensieren

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour wies auf die zentrale Rolle der USA bei der westlichen Unterstützung für die Ukraine hin. Deutschland und die EU könnten eine wegbrechende US-amerikanische Unterstützung nicht auffangen, sagte Nouripour der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Es ist kaum möglich, einfach zu kompensieren, was die Amerikaner bisher leisten, weder beim Material noch beim Geld. Aber natürlich werden wir Europäer in diesem Falle die Hilfe für die Ukraine verstärkt angehen müssen.“

Selenskyj: Ukraine kann einer der größten Rüstungsproduzenten werden

Präsident Selenskyj demonstrierte derweil Optimismus bezüglich der Waffenproduktion des eigenen Landes: Die Ukraine kann seiner Ansicht nach künftig zu einem der größten Rüstungsproduzenten der Welt werden. Er sei sicher, dass die ukrainische Rüstungsindustrie „im Laufe der Zeit definitiv in die Top 10 der produktivsten und stärksten Rüstungskomplexe der Welt aufsteigen kann“, sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner allabendlichen Videoansprache. Schon jetzt trage der Industriezweig nicht nur zur Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit gegen den russischen Angriffskrieg, sondern auch wesentlich zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung bei.

Selenskyj lobte die Vereinbarung mit westlichen Partnern, allen voran den USA, über eine gemeinsame Waffenproduktion als „eine unserer größten politischen Errungenschaften in diesem Jahr“. So sei es möglich, modernes Militärgerät zu bauen. Die Herstellung westlicher Waffentypen soll weiter lokalisiert werden.

Ukraine: Haben dieses Jahr eigene Rüstungsproduktion verdreifacht

Zuvor hatte der ukrainische Minister für strategische Industrien, Olexander Kamyschin, bei einer Pressekonferenz in Kiew erklärt, dass die Ukraine ihre Rüstungsproduktion im laufenden Jahr verdreifacht habe. Knapp ein Drittel des Wirtschaftswachstums von 4,9 Prozent sei durch Rüstungsbetriebe generiert worden. Insgesamt seien in den gut 500 zumeist privaten Unternehmen derzeit rund 300 000 Arbeiter beschäftigt.

Kiew hat laut den Angaben des Ministers unter anderem die Herstellung von Mörsergranaten um das 42-fache gesteigert. Bei Artilleriegranaten sei die Produktion fast verdreifacht worden. Bei Granaten mit Nato-Kaliber von 155 Millimetern bestehe weiter Abhängigkeit von westlichen Lieferungen. Kiew arbeite aber am Aufbau einer eigenen Produktion. Sogar selbstfahrende Haubitzen, Schützenpanzer und gepanzerte Fahrzeuge stellt Kiew eigenen Angaben nach inzwischen selbst her – wenn auch in kleinen Stückzahlen. Zumindest die Reparatur westlicher Kampfpanzer soll im kommenden Jahr ebenfalls im eigenen Land gelingen. Bei Drohnen im Fronteinsatz kommt bereits jetzt der Löwenanteil aus eigener Produktion.

Ukraine lehnt Kretschmers Idee zu Waffenstillstand mit Russland ab

Die Idee von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zu einem Waffenstillstand mit Russland unter eventuell vorübergehendem Gebietsverzicht hat Kiew abgelehnt. „Wenn die Ukraine sich mit dem zeitweisen Gebietsverlust abfindet, dann rücken die russischen Truppen näher an Deutschland und dabei Sachsen heran“, schrieb der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko, am Mittwoch bei Facebook. Russlands Präsident Wladimir Putin sei aus seiner Dienstzeit in Dresden auch gut mit Sachsen vertraut.

Nikolenko erinnerte daran, dass sowohl Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) versucht haben, auf Putin einzuwirken. „Zugeständnisse bei Gebieten führen unweigerlich zu einer größeren Aggression durch Russland, die fraglos über die Grenzen der Ukraine hinausgehen wird“, betonte Nikolenko. Frieden in Europa sei nur über eine Niederlage Moskaus erreichbar.

Das wird am Donnerstag wichtig

Im Osten und im Süden der Ukraine gehen die Kämpfe auch am Donnerstag unvermindert weiter./bal/DP/stk

Finanznachrichten – Ukraine


Weitere Meldungen – Ukraine

USA geben vorerst letzte Militärhilfe frei

Die USA haben ihre vorerst letzte Militärhilfe für die von Russland angegriffene Ukraine im Umfang von 250 Millionen Dollar (rund 226 Mio. Euro) freigegeben. Das Außenministerium in Washington teilte mit, das letzte Hilfspaket in diesem Jahr umfasse unter anderem Luftabwehr- und Artilleriemunition. Eine Einigung auf neue Ukraine-Hilfen war zuletzt am Widerstand der oppositionellen Republikaner im US-Kongress gescheitert.

Außenminister Antony Blinken forderte den Kongress nun auf, so „schnell wie möglich“ zu handeln, um weitere Militärhilfen zu ermöglichen. Der Ukraine zu helfen, sich selbst zu verteidigen, sei „im nationalen Sicherheitsinteresse“ der USA.

US-Präsident Joe Biden hatte den Kongress bereits im Oktober um neue Hilfen für Kiew in Höhe von rund 61 Milliarden Dollar gebeten. Bei Teilen der Republikaner stößt das aber auf Ablehnung, auch wenn der republikanische Senatsminderheitsführer Mitch McConnell für neue Hilfen ist. Die Konservativen können weitere Mittel für die Ukraine mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus und mit ihrer Sperrminorität im Senat blockieren.

Russland: Öl fließt fast gänzlich nach China und Indien

Das wegen seiner Offensive in der Ukraine mit westlichen Sanktionen belegte Russland hat seine Ölexporte nach eigenen Angaben fast vollständig nach China und Indien umgeleitet. 45 bis 50 Prozent der russischen Erdölausfuhren würden an China geliefert, 40 weitere Prozent an Indien, sagte der für Energie zuständige Vizeministerpräsident Alexander Nowak am Mittwoch dem russischen Fernsehsender Rossia 24.

Während „wir vorher 40 bis 45 Prozent des Exportvolumens an Erdöl und Erdölprodukten an Europa geliefert haben, erwarten wir, dass diese Zahl bis Ende des Jahres nicht mehr als vier der fünf Prozent betragen wird“, fuhr er fort.

Russland wird laut Nowak mit seinen Exporten 2023 Einnahmen von umgerechnet etwa 88 Milliarden Euro erzielen. Damit lägen die Einnahmen auf einem vergleichbaren Niveau wie im Jahr 2021, sagte der Politiker.

Nach Sanktionen: Moskau suchte neue Abnehmer

Die Öl- und Gasindustrie macht laut Nowak 27 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts sowie 57 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus. Russland musste angesichts der westlichen Sanktionen neue Märkte für seine Erdgasexporte finden. Die westlichen Länder sahen sich ihrerseits gezwungen, neue Lieferanten zu verpflichten.

„Viele Leute wollen russisches Erdöl oder Erdölprodukte kaufen“, sagte Nowak weiter. „Es handelt sich um Länder aus Lateinamerika, afrikanische Länder und andere Länder der Asien-Pazifik-Region.“

Indien verkauft raffiniertes Öl an Europa weiter

Indien etwa hatte zuvor fast keine Lieferungen aus Russland bezogen. Das Land profitiert nun aber vom Kauf des stark vergünstigten Rohöls aus Russland, welches es raffiniert und an europäische Kunden weiterverkauft. Diese Käufe sind zwar legal, doch umgehen sie nach Einschätzung von Kritikern und Kritikerinnen die westlichen Sanktionen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte sich angesichts dessen bereits im Mai alarmiert gezeigt. „Wenn Diesel oder Benzin aus Indien nach Europa kommt und mit russischem Öl hergestellt wird, ist das sicherlich eine Umgehung der Sanktionen, und die Mitgliedsstaaten müssen Maßnahmen ergreifen“, forderte der Chefdiplomat gegenüber der „Financial Times“ damals.

Russlands Rupien-Milliarden

Russlands Außenminister Sergej Lawrow gestand in den vergangenen Monaten allerdings auch ein, dass Russland „Milliarden Rupien angehäuft“ habe, für die es noch keine Verwendung gefunden habe. Indien soll Russland einem Bloomberg-Bericht vom September zufolge angeboten haben, jene Rupien wieder in die eigene indische Wirtschaft zu investieren.

Am Mittwoch wurde nach einem Treffen Lawrows mit seinem indischen Kollegen Subrahmanyam Jaishankar zudem bekannt, dass Russland und Indien bei der Produktion von Rüstungsgütern enger zusammenarbeiten möchten. Es geht laut Lawrow sowohl um die gemeinsame Herstellung moderner Waffentypen als auch um Rüstungsproduktion im Rahmen des indischen Programms „Make in India“ (Produziere in Indien).

China, welches das meiste russische Öl erhalten dürfte, ist derzeit Russlands größter Handelspartner. China profitiere von der russischen Invasion in der Ukraine, schrieb kürzlich auch die „New York Times“. Denn anstatt vom Westen würde Russland Autos wie auch Computerchips fortan aus China beziehen. „Russland wiederum hat Öl und Erdgas mit hohen Preisnachlässen an China verkauft“, hieß es dort weiter.

Russland beschloss Kürzung von Ölfördermengen

Russland hatte Ende November in Übereinstimmung mit anderen Ländern des Ölkartells OPEC+ entschieden, seine Ölfördermengen weiter zu kürzen, um die Preise anzukurbeln. Zur OPEC+ gehören neben der von Saudi-Arabien angeführten Gruppe der Organisation erdölexportierender Länder auch deren zehn Partnerländer, darunter Russland.

Nowak äußerte sich auch zum russischen Flüssiggasprojekt Arctic LNG 2. Das Projekt sei in Gang gesetzt worden, obwohl US-Sanktionen den Start bedroht hätten, sagte er. „Die Anlage Arctic LNG 2 befindet sich derzeit im Bau, und die erste Etappe hat bereits den Betrieb aufgenommen. Wir erwarten, dass die ersten Lieferungen aus diesem Projekt im ersten Quartal des nächsten Jahres zustandekommen“, sagte Nowak.

Russland produziert derzeit acht Prozent des weltweiten Flüssigerdgases. Bis 2035 beabsichtige Moskau, 15 bis 20 Prozent der weltweiten Produktion zu erreichen, fügte Nowak hinzu. Das wären etwa 100 Millionen Tonnen jährlich.

kale, ORF.at/Agenturen

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Kiew: Eigene Rüstungsproduktion verdreifacht

Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge 2023 trotz ständiger russischer Luftangriffe die Herstellung von Rüstungsgütern stark erhöht. „Insgesamt haben wir in diesem Jahr unsere Produktion verdreifacht“, sagte Olexander Kamyschin, Minister für strategische Industrien, gestern vor Journalistinnen und Journalisten in Kiew.

Knapp ein Drittel des Wirtschaftswachstums von 4,9 Prozent sei durch Rüstungsbetriebe generiert worden. Insgesamt seien in den gut 500 zumeist privaten Unternehmen derzeit rund 300.000 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt.

Schießpulver weltweit knapp

Kiew hat den Angaben des Ministers zufolge unter anderem die Herstellung von Mörsergranaten um das 42-Fache gesteigert. Bei Artilleriegranaten sei die Produktion fast verdreifacht worden.

Bei Granaten mit NATO-Kaliber von 155 Millimetern bestehe weiter Abhängigkeit von westlichen Lieferungen. Kiew arbeite aber am Aufbau einer eigenen Produktion. „Wir planen im nächsten Jahr den Übergang zur Serienproduktion“, verkündete Kamyschin. Ein Problem sei dabei jedoch die Beschaffung von Schießpulver, das weltweit knapp sei.

Eine Million Minidrohnen

Außerdem produziere die Ukraine inzwischen monatlich sechs Stück der selbstfahrenden Haubitzen des Typs Bohdana. Erheblich gesteigert wurde den Worten des Ministers nach auch die Produktion von Schützenpanzern und gepanzerten Fahrzeugen. Der Eigenbedarf könne dadurch aber noch lange nicht gedeckt werden.

Bei Drohnen im Fronteinsatz kommt bereits jetzt der Löwenanteil aus eigener Produktion. Mehr als eine Million First-Person-View-Drohnen – per Hand gesteuerte Drohnen, deren Flug sich über die Kamera in dem Gerät verfolgen lässt – sollen demnach 2024 produziert werden.

KOMMENTARE 

Was die Putin-Versteher nicht verstehen – Der russische Diktator will Europa für seine neue Weltordnung einspannen – Hans Rauscher, Standard, 26.12.2023

Immer wieder stößt man in Diskussionen auf Unglauben, wenn man von den imperialistischen Zielen Russlands unter Wladimir Putin spricht. Ja, sicher, die Ukraine werde er wohl haben wollen, aber das stehe ihm ja irgendwie zu, meinen nicht wenige Gesprächspartner. Aber niemals werde Putin oder überhaupt Russland über die Grenzen der alten Sowjetunion hinausgreifen und Europa ernsthaft bedrohen.

Abgesehen davon, dass damit gleich einmal die drei baltischen Länder gedanklich wieder Russland zugeschlagen werden (und Georgien und …) – das ist eine grundsätzliche Verkennung von Putins Imperialismus, der auch ein russischer Imperialismus ist.

javascript:(function()%7breturn;%7d)() Langfristiger Plan

Putin denkt in Einflusssphären, er glaubt, dass die Zeit des „dekadenten“ Westens vorbei ist und die Welt von autoritären Kräften wie Russland, China oder auch dem Iran beherrscht werden sollte. Da Russland – im Gegensatz zu China – technologisch rückständig ist und nur auf seine Rohstoffe zurückgreifen kann, denkt er daran, sich Finanzierung und Technologie aus dem viel reicheren Westeuropa zu holen. Putin wird nicht in die EU einmarschieren – er wird versuchen, die EU zu spalten und wirtschaftlich zu erpressen. Die zahlreichen extrem rechten Parteien in Europa und einige autoritäre Staaten sind dabei seine Helfer. Das Haupthindernis für eine erfolgreiche russische Einflussnahme in Europa ist neben der EU die Nato mit ihrer Führungsmacht USA. Schon vor seinem Einmarsch in der Ukraine im Februar 2022 unterbreitete Russland der Nato einen „Friedensplan“, der am Ende eine Aufgabe der osteuropäischen Mitglieder durch die Nato bedeutet hätte. Jetzt hofft Putin darauf, dass Donald Trumps Wahlsieg auch das Ende der Nato bedeutet.

Wobei ein Blick in die Geschichte zeigt, dass hier ein langfristiger Plan vorliegt. Im Jahr 2001 hielt Putin eine umjubelte Rede im Deutschen Bundestag, die als Beginn neuer, friedlicher Beziehungen zu Russland gewertet wurde. Aber Putin forderte Europa schon damals auf, die USA längerfristig zu vergessen und stattdessen auf Russland zu setzen: „Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird.“

Neue Weltordnung

Also: „Eurasien“ von Lissabon bis Wladiwostok, selbstverständlich unter russischer Führung, ein Konzept, das seither immer wieder von hohen russischen Funktionären und Ideologen propagiert wird.

javascript:(function()%7breturn;%7d)() Dieses Konzept verfolgt Putin auch nach 22 Jahren weiterhin, wenn inzwischen auch nicht mehr mit friedlichen Mitteln. Dieses imperialistische Denken ist uns lange, lange nicht bewusst geworden. Man hat auf „Wandel durch Handel“ gesetzt und ist gescheitert. Putin schwebt einfach eine neue Weltordnung vor, in der Russland durch eine Dominanz Europas halbwegs im globalen Wettstreit mithalten kann. Die Ukraine hätte gleichsam nebenher einkassiert werden sollen. Dass diese sich erfolgreich wehrte, gab auch Europa eine Chance, sich auf die neue Bedrohung einzustellen. (Hans Rauscher, 26.12.2023)Weiterlesen:

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BAHA NEWS – Ukraine

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DIE NACHT IM ÜBERBLICK – Israel

ROUNDUP 2: Israel kämpft an mehreren Fronten – Die Nacht im Überblick

TEL AVIV/BEIRUT (dpa-AFX) – Während Israels Armeeführung die Kampfeinheiten im Süden des Gazastreifens weiter verstärkt, hat sie ihre Soldaten an der Grenze zum Libanon wegen bedrohlich zunehmender Attacken der Hisbollah in „sehr hohe“ Alarmbereitschaft versetzt. Im Süden Gazas kämpfe man gegen die islamistische Hamas nun „in mehreren Schlüsselgebieten“ und habe in der Stadt Chan Junis die Operation ausgeweitet, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Mittwochabend. „Wir haben heute eine weitere Brigade in dieses Gebiet entsandt und operieren dort weiter mit neuen Methoden der Kriegsführung über und unter der Erde“, sagte er mit Bezug auf das Tunnelnetzwerk der Hamas.

Sorge vor Eskalation im Nahen Osten

Derweil erhöhen die wachsenden Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon die Sorge vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten. Angesichts deutlich zunehmender Angriffe der proiranischen Schiiten-Miliz aus dem Libanon sei die Armee inzwischen in „sehr hoher Bereitschaft“, sagte Israels Generalstabschef Herzi Halevi am Mittwoch laut einer offiziellen Mitteilung bei einem Besuch des Armeekommandos im Norden Israels. „Heute haben wir eine Reihe von Plänen für verschiedene Eventualitäten gebilligt, und wir müssen darauf vorbereitet sein zuzuschlagen, falls nötig“, sagte Halevi.

„Ich sage unseren Freunden in der Welt: Die Lage an der Nordgrenze muss sich verändern“, sagte Benny Gantz, Minister in Israels Kriegskabinett. „Wenn die Welt und die libanesische Regierung nicht vorgehen, um den Beschuss der Orte im Norden (Israels) zu stoppen und die Hisbollah von der Grenze zu entfernen, wird die israelische Armee dies tun“, fügte er am Mittwoch hinzu. Am Donnerstagmorgen schrillten nach Angaben der Streitkräfte im Norden Israels wieder die Sirenen.

Bericht: Blinken reist erneut in den Nahen Osten

Angesichts der sich bedrohlich zuspitzenden Lage im Nahen Osten reist US-Außenminister Antony Blinken nach Informationen des Nachrichtenportals „Axios“ Ende nächster Woche erneut in die Region. Zum fünften Mal seit Beginn des Gaza-Krieges besuche er dabei auch Israel, hieß es. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Bisher schwerster Raketenbeschuss durch Hisbollah

Die mit dem Iran verbündete Hisbollah reklamierte am Mittwoch neue Raketenangriffe auf Israel für sich. Es waren laut der Zeitung „The Times of Israel“ die bisher schwersten Beschüsse nordisraelischer Städte seit dem Beginn des Gaza-Kriegs. In der Grenzstadt Kiriat Schmona seien mehrere Gebäude beschädigt worden, teilte die israelische Polizei mit. Menschen wurden demnach nicht verletzt. Bei israelischen Angriffen auf Hisbollah-Stellungen im Südlibanon starben am selben Tag dagegen drei Menschen, unter ihnen ein Hisbollah-Kämpfer, meldete die libanesische Nachrichtenagentur NNA. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006.

„Bislang wurde die Kampagne hier korrekt und sorgfältig durchgeführt, und so muss es auch weiterhin sein“, sagte Israels Generalstabschef. „Unsere erste Aufgabe ist es, die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Bewohner im Norden wiederherzustellen, und das wird Zeit brauchen“, erklärte dazu Armeesprecher Hagari. Die israelischen Behörden hatten zu Beginn des Gaza-Kriegs Zehntausende Bewohner im Norden aus Sicherheitsgründen ins Landesinnere gebracht. Die Hisbollah gilt als viel stärker bewaffnet als die Hamas in Gaza.

WHO: Zehntausende suchen in Gaza Schutz in Kliniken

Dort suchen unterdessen Zehntausende von Zivilisten nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO in den wenigen noch funktionierenden Krankenhäusern Schutz vor den Kriegshandlungen. Im Schifa-Spital in der Stadt Gaza drängten sich 50 000 Menschen zusammen, im Al-Amal-Spital im südlichen Gazastreifen 14 000, teilte die WHO am Mittwoch auf X mit. Sie berief sich auf ein Team vor Ort. Von unabhängiger Seite ließen sich die Zahlen zunächst nicht überprüfen.

Die Abordnung konnte zusammen mit Vertretern des UN-Kinderhilfswerks Unicef und einer weiteren Organisation Hilfsgüter in die Krankenhäuser bringen, wie es in der Mitteilung hieß. Auf dem Weg zu den Spitälern habe das WHO-Team beobachtet, wie Zehntausende Menschen zu Fuß, auf Mauleseln oder in Autos vor den heftigen israelischen Angriffen flohen. In den Spitälern hätten die WHO-Mitarbeiter über Patienten und Schutzsuchende steigen müssen, die überall lagerten.

„Diese erzwungene Massenbewegung von Menschen wird zu mehr Überfüllung und einem gesteigerten Risiko für Infektionskrankheiten führen und die Verteilung von humanitärer Hilfe noch schwieriger machen“, zitierte die Mitteilung einen WHO-Mitarbeiter vor Ort.

Erdogan vergleicht Netanjahu mit Hitler

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan griff den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erneut für das Vorgehen in Gaza an und verglich ihn mit Adolf Hitler. „Wir haben Israels Nazilager in Stadien gesehen, nicht wahr? Was ist das? Wie unterscheidet ihr euch von Hitler?“, sagte Erdogan am Mittwoch. Er erläuterte nicht, was er genau meinte, allerdings kursierten in sozialen Medien in den vergangenen Tagen Videos, die palästinensische Gefangene in einem Stadion im Gazastreifen zeigen sollen.

Israel trat Erdogans Äußerungen entschieden entgegen. „Seine Worte sind für jeden Juden auf der ganzen Welt zutiefst beleidigend“, sagte Präsident Izchak Herzog am Mittwochabend. Erdogan habe das Andenken an Millionen Juden verletzt, die von den Nazis ermordet wurden.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zu Gaza verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei bisher mindestens 21 110 Menschen getötet. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

Was am Donnerstag wichtig wird

Israels Armee weitet seine Bodenoffensive im Süden Gazas aus. Derweil erhöhen sich die Spannungen an Israels nördlicher Grenze zum Libanon./ln/DP/mis

Finanznachrichten – Israel

Weitere Meldungen – Israel  

Israels Armeechef: Für Offensive im Libanon bereit sein

Das israelische Militär zeigt sich zunehmend bereit, den Kampf gegen die Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon entscheidend auszuweiten. „Heute haben wir eine Reihe von Plänen für die Zukunft gebilligt, und wir müssen, wenn nötig, für eine Offensive bereit sein“, sagte Generalstabschef Herzi Halevi gestern bei einem Besuch des Armeekommandos in der nordisraelischen Stadt Safed. „Die israelischen Streitkräfte und ihr Nordkommando sind auf einem sehr hohen Niveau der Bereitschaft“, fügte er hinzu.

Seit dem Überfall der aus dem Gazastreifen operierenden islamistischen Hamas auf das Grenzgebiet im Süden Israels am 7. Oktober liefert sich das israelische Militär ständige Kämpfe mit Hisbollah-Einheiten im Südlibanon.

Hisbollah beschoss Kirjat Schmona

Die vom Iran unterstützte Hisbollah beschoss unterdessen die israelische Grenzstadt Kirjat Schmona mit Raketen. Mehrere Gebäude seien beschädigt worden, teilte die israelische Polizei mit. Menschen wurden demnach nicht verletzt. Die Behörden hatten zu Beginn des Gaza-Krieges Zehntausende Bewohnerinnen und Bewohner der Nordregion aus Sicherheitsgründen in das Landesinnere gebracht.

Bei israelischen Angriffen auf Hisbollah-Stellungen im Südlibanon starben drei Menschen, unter ihnen ein Hisbollah-Kämpfer, wie die libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete.

Die Kämpfe seit Anfang Oktober stellen an diesem Schauplatz die schwerste militärische Konfrontation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006 dar. Experten zufolge folgen sie aber immer noch gewissen unausgesprochenen Regeln. Beide Seiten vermeiden bisher eine weitere Eskalation.

Über 60 Festnahmen bei Nahost-Protesten auf US-Flughäfen

Bei pro-palästinensischen Demonstrationen auf den Flughäfen von Los Angeles und New York sind nach Polizeiangaben mehr als 60 Menschen festgenommen worden. In Los Angeles, wo die Demonstranten und Demonstrantinnen laut Polizei randalierten, wurden 36 Personen verhaftet.

„Die Demonstranten warfen einen Polizisten zu Boden, blockierten eine Straße zum Flughafen mit Bauschutt, Straßenschildern, Ästen und Betonblöcken und griffen unbeteiligte Passanten in ihren Fahrzeugen an“, erklärte die Polizei.

Auf der anderen Seite des Landes wurden nach Polizeiangaben 26 Personen wegen ordnungswidrigen Verhaltens und Verkehrsbehinderung am Flughafen JFK in Queens in Gewahrsam genommen worden.

Scharfe Attacke auf Netanjahu Erdogan: „Sie bringen uns dazu, Hitler zu vermissen“ – n-tv, 27.12.2023

Einmal mehr greift der türkische Präsident Israels Regierungschef Netanjahu scharf an und vergleicht ihn mit Hitler. Zudem geht er zahlreiche andere Staaten und internationale Institutionen an. Auch Berlin bleibt nicht verschont.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg mit Adolf Hitler verglichen. „Sie haben schlecht über Hitler geredet“, sagte Erdogan bei einer Veranstaltung in der türkischen Hauptstadt Ankara. „Aber was ist der Unterschied zu Hitler? Sie bringen uns dazu, Hitler zu vermissen. Ist das, was dieser Netanjahu tut, weniger als das, was Hitler tat? Das ist es nicht.“

Außerdem sei Hitler nicht so reich wie Netanjahu gewesen. „Er ist reicher als Hitler, er erhält Unterstützung aus dem Westen.“ Aus den USA komme alle mögliche Hilfe. „Und was haben sie mit der ganzen Unterstützung gemacht? Sie haben mehr als 20.000 Menschen im Gazastreifen getötet.“

Netanjahu selbst wies den Hitler-Vergleich von Erdogan scharf zurück. „Erdogan, der Genozid an den Kurden begeht, der einen Weltrekord bei der Inhaftierung von Journalisten hält, die sich seiner Herrschaft entgegenstellen, ist der Letzte, der uns Moralpredigten halten kann“, erklärte Netanjahu.

Erdogan sagte weiter, der Gaza-Konflikt sei eine Prüfung, an der die westlichen Staaten, Institutionen, Journalisten und Medien, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die EU alle gescheitert seien. „Genauso wie es vor 80 Jahren in Nazi-Deutschland war, werden die Wissenschaftler unterdrückt und bedroht, die heute den Mut haben, die Grausamkeit in Gaza als solche zu benennen.“ Deutschland dagegen zahle weiterhin den Preis für Hitler. „Deswegen ist Deutschland schweigsam, deswegen ist sein Kopf gebeugt.“ Erdogan hat in der Vergangenheit wiederholt mit Hitler-Vergleichen für Aufsehen gesorgt.

Anfang November hatte Erdogan mitgeteilt, dass die Türkei im Zuge des Gaza-Kriegs den Kontakt zu Netanjahu abgebrochen habe. „Netanjahu ist für uns keine Art von Gesprächspartner mehr“, hatte er laut einer Mitteilung seines Pressebüros gesagt. „Wir haben ihn gelöscht, wir haben ihn durchgestrichen.“ Ankara beabsichtige allerdings nicht, die diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen. „Die Verbindungen komplett zu kappen, ist nicht möglich, besonders in der internationalen Diplomatie“, betonte er. Quelle: ntv.de, jwu/rts

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BAHA NEWS – Israel

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