Tagesblick – 27.12.2023 Mittwoch

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FAZIT DES TAGES

Israel-HAMAS-Krieg
* Israels Armee: Krieg dauert viele Monate – keine „magischen Lösungen“  – HAMAS will weiterkämpfen
* Vorschlag Ägyptens zur stufenweisen Beendigung des Kriegs dennoch nicht vom Tisch.
* UN besorgt über Israels Bombardierungen
* Gazastreifen erneut ohne Internet
* Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: Zerschlagung der Hamas und eine Entmilitarisierung Gazas als Bedingung für Frieden. Er steht allerdings innenpolitisch unter Druck, die Freilassung aller Geiseln in Gaza zu bewirken.
* Erneut Angriffe auf Schiffe im Roten Meer
* US-Militär schießt Drohnen und Raketen der Huthis ab
* Feuerwechsel auch an Israels Nordgrenze
* Israels Armee weitet Bodeneinsätze im Süden des Gazastreifens aus.
* Die Lage der Zivilbevölkerung ist weiter katastrophal.
* Israels Kabinett wollte einem Medienbericht zufolge Ägyptens Plan für eine stufenweise Beendigung im erweiterten Ministerkreis erörtern.

Ukraine-Krieg
* Opfer durch Angriff auf Bahnhof von Cherson
* Ukraine: Oberbefehlshaber gibt weitgehenden Rückzug aus Marjinka zu – Schonung der Soldaten
* Neue russische Drohnenangriffe
* Putin empfängt Staats- und Regierungschefs postsowjetischer Länder
* Weitere Gefechte im Osten und im Süden der Ukraine , auch rund um die nun zumindest weitgehend von den Russen besetzte Kleinstadt Marjinka im Donezker Gebiet
* Norwegen und Finnland: Russische Artillerie nahe Grenze

MARKTUMFELD
* „Weg des größten Schmerzes“: Darauf müssen sich Anleger für 2024 einstellen – COMMENT

USA
* Wirtschaftsindex der Chicago-Fed steigt im November
* USA: Hauspreise legen wie erwartet zu – Case-Shiller-Index
* USA: Häuserpreise steigen weniger deutlich als erwartet – FHFA
* Über 150.000 Migranten bringen New York an seine Grenzen

NORDKOREA
* Wichtiges Treffen von Nordkoreas Arbeiterpartei mit Kim Jong Un

NAHOST
* Vergeltungsschläge der türkischen Luftwaffe in Syrien und Irak

EUROPA
* Wahlproteste werden in Belgrad fortgesetzt
* Niederlande: Ohnmacht gegenüber „Narcoterrorismus“
* Edtstadler will Pro-Europa-Kampagne lancieren

DEUTSCHLAND
* IW: Verbandsumfrage liefert schlechte Perspektiven für die Wirtschaft
* Netzagentur-Chef rechnet mit dauerhaft hohen Strompreisen

ÖSTERREICH
* Siebente KV-Runde: Handel ringt erneut um Kompromiss
* Karner sieht latente Bedrohung durch Einzeltäter

IT
* 23.000 Daten gestohlen: Uni Innsbruck wurde wieder Opfer von Cyberattacke

GESELLSCHAFT – MENSCHEN
* „Steinach-Film“: Neuvermessung der Geschlechter in den 1920ern (inkl. KURZVIDEO)
* Monarchie: Wie Homosexuelle verfolgt wurden
* Ernährungsgeschichte: Der Anfang vom Kalorienzählen
* Im Kreise der Familie: Deutsche Polit-Legende Wolfgang Schäuble gestorben

HELLMEYER

  • Märkte: Wenig Bewegung
  • USA: PCE-Indices signalisieren Entspannung bei Inflation

MÄRKTE

Märkte: Wenig Bewegung

Die Finanzmärkte zeigten sich weitgehend wenig bewegt, grundsätzlich bleiben die Vorzeichen

positiv im Sinne vorhandener Risikobereitschaft.

Die jüngsten Datensätze aus den USA unterstützen diese Entwicklung (siehe Datenpotpourri). Sie lieferten deutlich mehr „Sonne“ als „Schatten“.

In Frankreich ergab sich die beste Konsumlaune seit März 2022. In Belgien darf man sich bei Verbraucherpreisen in Höhe von +1,35% im Jahresvergleich langsam auf Disinflationsdebatten einstellen. In China erholen sich die Gewinnsituationen der Industrieunternehmen.

Auch aus Deutschland erreichte uns ein positiver Datensatz. Das IFO-Beschäftigungsbarometer

legte per Dezember zu. Ansonsten enttäuschten deutsche Daten und Nachrichten. Die Preise für

Wohnimmobilien in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt im 3. Quartal 2023 in

Rekordtempo gesunken (Datenreihe ab 2000). Sie fielen von Juli bis September um

durchschnittlich 10,2% im Jahresvergleich (USA zuletzt +4,9%!).

Die Bauaufträge sind per Oktober den zweiten Monat in Folge gesunken. Real kam es im Monatsvergleich zu einem Rückgang um 6,3%. Im Zeitraum von Januar-Oktober stellte sich ein Rückgang um 4,9% ein (Statistisches Bundesamt).

Auf Basis Kaufkraftparität belegt Russland laut der Weltbank Rang 5.

China führt die Rangliste vor den USA, dann folgt Indien, Japan ist Nummer vier (Deutschland Nr.6.). Letzteres darf Fragen über die Wirkungsweise der „Mutter aller Sanktionen“ gegen Russland aufwerfen, die vom Westen im Februar 2022 verkündet wurden und die jetzt im 12. Sanktionspaket mündeten, nachdem 11 Pakete sich ultimativ gegen Europa auswirkten. Meine liebe Frau Conny ruft mir gerade zu, dass sie sich mit mir nach dem Fertigstellen des Reports über die Begriffe Intelligenz

und Intellektualität in der deutschen und europäischen Politik bezüglich der Verantwortung für die

Bürger Deutschlands und der Eurozone (auch Eide) unterhalten will. Dem werde ich nachkommen.

An den Aktienmärkten ergab sich am 26.12.2023 wenig Bewegung. Niveaus wurden gehalten.

Fernost eröffnet heute freundlich (stand 6:30 Uhr Nikkei +1,15%, CSI 300 +0,21%, Sensex +0,64%).

Die Rentenmärkte zeigen sich stabil. Die Rendite der 10 jährigen Bundesanleihe stellt sich auf

1,98% und die 10-jährige US-Staatsanleihe auf 3,88%.

Der USD hat über die Tage gegenüber dem EUR und Gold leicht an Boden verloren

Berichte & Analysen – Auswahl

Nachrichten in Kurzform:

• Berlin: Die Bauaufträge sind per Oktober den zweiten Monat in Folge gesunken.

Real kam es im Monatsvergleich zu einem Rückgang um 6,3%. Im Zeitraum von

Januar-Oktober stellte sich ein Rückgang um 4,9% ein (Statistisches Bundesamt).
=> Negativ

• Berlin: Der Chef des DIHK Adrian sagte, man bräuchte keine vorgezogenen

Neuwahlen, wir bräuchten nicht noch mehr Unruhe.
=> DIHK faktisch für Fortsetzung diese Politik???

• Nahost: Laut Gesundheitsbehörde sind seit dem 7. Oktober bisher mehr als 20.000

Menschen im Gazastreifen umgekommen und mehr als 53.000 verletzt worden.
=> Prekär

• Peking: Die Planungsbehörde legte 9.600 öffentliche Investitionsprojekte mit einem

Volumen von 71 Mrd. USD fest.
=> Positiv – Investition!

• Moskau: 2023 soll die Hälfte aller russischen Ölexporte an China gegangen sein.

=> Keine Überraschung

Deutschland: Unternehmen wollen mehr einstellen

Das Beschäftigungsbarometer des IFO-Instituts legte (Umfrage unter 9.000 Firmen)

per Dezember von 95,9 auf 96,5 Punkte zu. Das ist der höchste Stand seit August.

Zurzeit suchten Dienstleister Personal (IT, Tourismus). In der Industrie wären die

Unternehmen wegen Auftragsmangels zurückhaltend. In diesem Sektor sank das

Barometer nach kurzem Anstieg im Vormonat wieder.

=> Positiv

Deutschland: Immobilienpreise fallen in Rekordtempo

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt im

3. Quartal 2023 in Rekordtempo gesunken (Datenreihe ab 2000). Sie fielen von Juli bis

September um durchschnittlich 10,2% im Jahresvergleich.

=> Negativ

Weltbank: Russland Nummer 5 der Weltwirtschaft

Auf Basis Kaufkraftparität belegt Russland laut der Weltbank Rang 5. China führt die

Rangliste vor den USA, dann folgt Indien, Japan ist Nummer vier (Deutschland Nr.6.).
=> Russland vor Deutschland

USA: PCE-Indices signalisieren Entspannung bei Inflation

Der von der Fed als wichtig betrachtete PCE Index (Personal Consumption Expenditure Index)

verzeichnete per November einen Anstieg im Jahresvergleich um 2,6% (Prognose 2,8%) nach

zuvor 2,9% (revidiert von 3,0%). Es ist der geringste Anstieg seit März 2021 (2,3%).

Der von der Dallas Fed ermittelte „trimmed“ PCE Index (annualisiert) lag bei 1,5% nach zuvor

2,7%, dem niedrigsten Niveau seit November 2020.

Kommentar: Diese Indices sind signifikant. Sie sind Ausdruck des Stresses für die privaten

Haushalte bezüglich des Preisanstiegs. Sowohl der Vergleich auf Jahresbasis signalisiert

Entspannung als auch der auf das Jahr hochgerechnete Wert des Federal Reserve Dallas.

Letzterer ist sogar in meinen Augen bedeutender, da er das Momentum der aktuellen

Preisentwicklung abbildet. Damit ergeben sich für die US-Notenbank bezüglich der

Inflationslage als auch des voraussichtlichen Momentums der Inflationsentwicklung weitere

Grundlagen für eine entspannte Haltung in der Zins- und Geldpolitik.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank im März 2022

ausgehend von 0,25% Leitzins (erster Schritt +0,25% auf 0,50%) bei einem PCE-Wert im

Jahresvergleich bei 2,3% begann (Leitzins aktuell 5,375%). Seinerzeit lag der annualisierte Wert

der Dallas Fed bei 3,10%.

Als Fazit lässt sich ziehen, dass die Signale für Zinsentspannung auf „Dunkelgrün“ stehen.

Lediglich von außen wirkende Einflüsse (Geopolitik) könnten dieses Bild gefährden.

Datenpotpourri

USA: Daten mit mehr „Sonne“ als „Schatten“

Der Absatz neuer Wohnimmobilien sank unerwartet per November im Monatsvergleich um

12,2% auf annualisiert 590.000 (Prognose 685.000) nach zuvor 672.000 (revidiert von 679.000) und markierte den schwächsten annualisierten Wert seit Juli 2022.

Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart der Universität Michigan stellte sich laut finaler Berechnung auf 69,7 Punkte (Prognose 69,4, vorläufiger Wert 66,4, Vormonatswert 56,8).

Der Auftragseingang für langlebige Wirtschaftsgüter legte per November im Monatsvergleich um 5,4% (Prognose 2,2%) nach zuvor -5,1% (revidiert von -5,4%) zu.

Der von der Chicago Fed ermittelte „National Activity Index“, ein Sammelindex aus 85 US-Einzelindikatoren, stellte sich per Berichtsmonat November auf 0,03 Punkte (Vormonat -0,66, revidiert von -0,49).

Der Case/Shiller Hauspreisindex (20 Städtevergleich) verzeichnete per Berichtsmonat Oktober im Monatsvergleich in der saisonal bereinigten Fassung einen Anstieg um 0,6% (Vormonat 0,8%). Im Jahresvergleich ergab sich ein Plus in Höhe von 4,9% nach zuvor 3,9% (Unterschied zu Deutschland – größter Einbruch in Geschichte im 3. Quartal 2023, -10,2%!).

Der Dallas Fed Manufacturing Business Index lag per Dezember bei -9,3 nach zuvor -19,9 Punkten.

Eurozone: Stimmung der Verbraucher auf höchstem Stand seit 03/2022

Frankreich: Der Index des Verbrauchervertrauens stieg per Dezember von 88 (revidiert von 87) auf 89 Punkte (Prognose 88). Es war der höchste Stand seit März 2022.

Belgien: Die Verbraucherpreise nahmen per Dezember im Jahresvergleich um 1,35% zu (hohe Spreizung im Euroraum).

Japan: Arbeitsmarkt weiter sehr stabil

Die Arbeitslosenrate stellte sich per Berichtsmonat November auf 2,5% (Prognose und

Vormonatswert bei 2,5%).

China: Unternehmensgewinne weniger negativ

Die Gewinne der Industrieunternehmen sanken in der Phase von Januar bis November 2023 um 4,4% nach zuvor -7,8% im Zeitraum Januar bis Oktober 2023. Es war der geringste

Rückgang seit Dezember 2022.

Hier den Hellmeyer Report herunterladen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)

ÜBERSICHT

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

Immer weiter immer heiter: DAX gewinnt bis 10:40 heute um +0,07% auf 16.717 Punkte.
Die Umsätze nahmen in den letzten Tagen deutlich ab.

Termine

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Marktumfeld

„Weg des größten Schmerzes“: Darauf müssen sich Anleger für 2024 einstellen – n-tv, 25.12.2023

Die Aussichten für die Börse waren Ende 2022 so schlecht wie selten. Herausgekommen sind neue Rekorde beim DAX und eine Party bei US-Technologieaktien. Mal sehen, wie erfreulich das kommende Jahr wird.

Ende vergangenen Jahres war für 2023 war alles ausgemachte Sache. Die Zinsen waren weit oben, und natürlich könnte dies für Technologieaktien der Nasdaq ebenso wenig gut sein wie für Gold oder Bitcoin. Kurz vor dem Jahreswechsel bleibt als Fazit, dass es genau anders gekommen ist. Vor zwölf Monaten war zudem erstmals seit Ewigkeiten das Gros der Analysten großer Banken negativ gestimmt. Sie haben sich geirrt.

Die Stimmung war zum Neujahr 2023 so schlecht, „dass für das erste Halbjahr ein kräftiges Minus von mehr als zehn Prozent erwartet wurde“, blickt Salah Eddine-Bouhmidi vom Broker IG zurück. Nun sind Krisenpropheten an der Börse wie stehengebliebene Uhren. Sie liegen fast immer falsch. Nur zweimal am Tag zeigen sie die richtige Zeit an. Die Quittung folgte 2023 insofern, da bis auf zwei kleinere Korrekturen beim DAX im März und Oktober kaum ein Rücksetzer zum Nachkauf einlud. „Der Markt geht meist den Weg des größten Schmerzes“, so Stefan Riße von Acatis. Dieser Schmerz lag im vergangenen Jahr in Europa wie auch in den USA auf der Oberseite der Kurstafel. Inzwischen haben sich die Kurse auf neue Hochs emporgeschwungen. Der Deutsche Aktienindex sah erstmals die 17000er-Marke, wenngleich dem besser vergleichbaren Kursindex noch einiges zum Rekord fehlt und auch SDAX und MDAX viel Aufholpotenzial haben.

Heute ist die Ausgangslage jedoch anders als Ende 2022. „Knapp 80 Prozent der von Profis verwalteten Vermögen sind in US-Aktien investiert. Das ist ein hoher, aber noch kein extremer Wert, mit Hebelinstrumenten sind auch 110 Prozent möglich, wie zuletzt Anfang 2021“, zeigt Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets auf.

Gut die Hälfte der Anleger sieht den S&P 500 auf Sicht von sechs Monaten höher. Etwas Luft bis zur selten erreichten Schwelle von rund 60 Prozent ist noch vorhanden, das Chance-Risiko-Verhältnis hat sich aber deutlich verschlechtert.

Ähnliche Signale sendet die sehr niedrige Volatilität. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Im Auf und Ab der vergangenen zwei Jahre hat sich das Angstbarometer als guter Kompass erwiesen. In starken Aufwärtsphasen wie von 2019 bis 2020 war die fast durchgehend tiefe Vola hingegen kein zuverlässiger Kontraindikator.

Zinssenkungen nicht immer positiv

Es stellt sich daher die Frage, ob der Traum vom Goldlöckchen-Szenario (moderates Wachstum, moderate Inflation, niedrige Zinsen) wie eine Seifenblase platzen könnte und Risiken zu wenig eingepreist sind. Von den Notenbanken, deren geldpolitischer Kurs letztlich die Richtung stark beeinflusst, ist zumindest eher Unterstützung zu erwarten. Fed-Chef Jerome Powell spielte auf der Dezember-Sitzung den Weihnachtsmann und ließ keine Wünsche offen. „Drei Zinssenkungen bis [wohl: Ende]2024 sind nichts anderes als eine 180-Grad-Wende in der US-Geldpolitik“, findet RoboMarkets-Analyst Molnar. Erste Anpassungen könnten sogar früher als erwartet erfolgen. „Denn die Fed wird sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, mit einer stärkeren Lockerung den Wahlausgang Anfang November zu beeinflussen“, glaubt IG-Experte Bouhmidi. Dennoch dürften sich die am Terminmarkt eingepreisten Zinssenkungen von 150 Basispunkten als zu sportlich erweisen.

Auch sind für den Aktienmarkt Zinssenkungen nicht per se positiv. „Befand sich die Wirtschaft in einer Rezession, lag der S&P 500 rund zehn Monate nach der ersten Lockerung im Durchschnitt um rund 20 Prozent tiefer. Ohne Rezession, was eher selten vorkam, stieg er um fünf Prozent“, so Experte Riße. Die Musik spielt also vor der ersten Lockerung, an der Börse wird schließlich die Zukunft gehandelt. Experten der Fonds-Boutique Skeptiker weisen aber darauf hin, dass für manche die Fed schon „hinter der Kurve“ sei. Sie hätte längst mit Zinssenkungen beginnen müssen, so die Sorge.

Die Bäume wachsen nicht in den Himmel

Im Gegenzug dürfte die Kapitalumschichtung von Aktien in Anleihen weit fortgeschritten sein. Hebelpapiere auf Zinsen respektive Treasuries waren jüngst beim Smartbroker eine häufig gehandelte Anlageklasse. Nach dem Rückgang der 10-Jahres-Zinsen in den Bereich von vier Prozent erscheint die relative Bewertung des S&P 500 gegenüber Anleihen wieder attraktiver.

Problematisch ist nur der eigene historische Vergleich. Auf Basis der Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate liegt das KGV bei 19 und damit deutlich über dem 10-Jahres-Durchschnitt. Die beliebte Bewertungskennzahl sagt aber nur die halbe Wahrheit. „Ähnlich wie bei der Performance-Betrachtung verzerren die großen Tech-Schwergewichte den Durchschnitt deutlich nach oben. Ohne die Giganten ist der US-Aktienmarkt sogar recht attraktiv“, findet RoboMarkets.

Allerdings nur, wenn die Unternehmen auf der Gewinnseite liefern. Für das erste Quartal 2024 wird ein Wachstum von sieben Prozent erwartet, im zweiten Quartal sollen es elf Prozent sein, für das Gesamtjahr liegt die Messlatte bei sportlichen zwölf Prozent.

Künstliche Intelligenz mag unsere Zukunft in einigen Jahren spürbar verändern. Ob aber schon 2024 deswegen die Kassen klingeln, ist zumindest fraglich, nachdem zuletzt Adobe die hohen Erwartungen an seine Programme rund um künstliche Intelligenz nicht erfüllen konnte.

Natürlich darf ein Blick auf die Markttechnik nicht fehlen, vor allem die Prognosegüte der Zyklusbetrachtung konnte sich 2023 sehen lassen. „Vorwahljahre weisen unter bestimmten Voraussetzungen eine Trefferquote von 100 Prozent auf, das zu Ende gehende Börsenjahr hat dies eindrucksvoll bestätigt“, so Franz-Georg Wenner vom Börsendienst Indexradar. US-Wahljahre zeigen dagegen häufig eine uneinheitliche Entwicklung in den ersten sechs Monaten mit einem Tiefpunkt im Mai.

Dies passt auch gut zu der derzeit eher optimistischen Stimmung. Abgesehen von einer Delle im September verläuft die zweite Jahreshälfte dagegen überwiegend freundlich. Rein statistisch gesehen entwickelt sich der Aktienmarkt vor allem in den sonst eher schwierigen Sommermonaten recht gut. Das dritte Quartal ist in Wahljahren das mit Abstand beste. Unter dem Strich liegt die Gewinnwahrscheinlichkeit bezogen auf das Gesamtjahr bei knapp 75 Prozent.

Daniel Saurenz betreibt das Börsenportal „Feingold Research“  

Zentralbanken

INTERNATIONAL

AMERIKA: USA, VENEZUELA, u.a.

Wirtschaftsindex der Chicago-Fed steigt im November

CHICAGO (Dow Jones)–Die Wirtschaftsaktivität in den USA hat sich im November verbessert. Der Chicago Fed National Activity Index (CFNAI) stieg auf einen Stand von plus 0,03, wie die Federal Reserve Bank of Chicago mitteilte. Für den Oktober wurde der Indexstand auf minus 0,66 revidiert, nachdem zunächst ein Wert von minus 0,49 genannt worden war.

Der aussagekräftigere gleitende Dreimonatsdurchschnitt verbesserte sich und notierte im November bei minus 0,20. Für den Oktober wurde ein revidierter Wert von minus 0,26 ausgewiesen, nachdem zuvor ein Stand von minus 0,22 gemeldet worden war.

Ein CFNAI von Null signalisiert ein Wirtschaftswachstum auf historischem Trendniveau. Weist der Index einen negativen Stand auf, deutet dies auf eine Expansion unterhalb des historischen Trendniveaus hin, ein positiver Wert zeigt ein darüber liegendes Wachstum an.

USA: Hauspreise legen wie erwartet zu – Case-Shiller-Index

NEW YORK (dpa-AFX) – In den 20 großen Metropolregionen der Vereinigten Staaten habe die Häuserpreise im Oktober wie von Experten erwartet zugelegt. Zum Vormonat betrug das Plus 0,6 Prozent, wie aus dem am Dienstag in New York veröffentlichten S&P/Case-Shiller-Index hervorgeht. Volkswirte hatten mit dieser Entwicklung gerechnet.

Zum entsprechenden Vorjahresmonat legten die Preise um 4,8 Prozent zu. Analysten hatten mit 5,0 Prozent gerechnet./he

USA: Häuserpreise steigen weniger deutlich als erwartet – FHFA

NEW YORK (dpa-AFX) – In den USA sind die Hauspreise im Oktober nicht so deutlich gestiegen wie von Experten erwartet. Im Vergleich zum Vormonat legten sie um 0,3 Prozent zu, wie die Federal Housing Finance Agency (FHFA) am Dienstag in New York mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit einem Anstieg um 0,5 Prozent gerechnet.

Im September waren die Preise noch um revidierte 0,7 (zuvor 0,6) Prozent nach oben geklettert. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen die Hauspreise im Oktober um 6,3 Prozent./he

Über 150.000 Migranten bringen New York an seine Grenzen

Die US-Metropole New York sieht zum Jahresende auf einen zuletzt ungekannten Zustrom von Migranten und Flüchtlingen zurück: Mehr als 150.000 Einwanderer und Einwanderinnen kamen in den vergangenen eineinhalb Jahren in der Stadt an der Ostküste an. Zu Winterbeginn gerät sie an die Grenzen ihrer Kapazitäten.

Einer der Gründe, warum New York so viele Menschen anzieht, ist die rechtliche Verpflichtung der Stadt, jedem, der darum bittet, eine Unterbringung für die Nacht zu gewähren.

Fast 70.000 der Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber, die hauptsächlich aus süd- und mittelamerikanischen Ländern wie Venezuela kommen, sind von der Stadtverwaltung in städtischen Notunterkünften untergebracht worden, wo sich zuvor bereits Zehntausende Obdachlose befanden.

Kritik an fehlender Unterstützung von Regierung Biden

New Yorks Bürgermeister Eric Adams und die Gouverneurin des Bundesstaates, Kathy Hochul, machen die Regierung von US-Präsident Joe Biden für fehlende Unterstützung verantwortlich. Ein Krisentreffen im Dezember blieb erfolglos. „Hilfe ist nicht auf dem Weg“, kommentierte Adams danach.

Die irreguläre Einwanderung ist auch eines der dominierenden Themen im Wahlkampf für die 2024 anstehende Präsidentschaftswahl in den USA. Die Republikaner, für die sich unter anderem Ex-Präsident Donald Trump wieder als Kandidat bewirbt, werfen dem demokratischen Präsidenten Biden vor, nicht hart genug dagegen vorzugehen.

ASIEN: CHINA, JAPAN u.a.

Wichtiges Treffen von Nordkoreas Arbeiterpartei mit Kim Jong Un

In Anwesenheit von Machthaber Kim Jong Un hat die in Nordkorea herrschende Arbeiterpartei ein wichtiges Jahresendtreffen begonnen. Kim bezeichnete 2023 bei der Plenarsitzung des Zentralkomitees der nordkoreanischen Arbeiterpartei als Jahr des „großen Wandels“, wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Mittwoch berichtete. Nordkorea habe „in allen Bereichen des sozialistischen Aufbaus und der Stärkung der nationalen Kraft“ große „Siege“ erzielt.

AUSTRALIEN

AFRIKA

ZENTRALASIEN

NAH-/MITTELOST: ISRAEL u.a.

Vergeltungsschläge der türkischen Luftwaffe in Syrien und Irak – Euronews, 26.12.2023, 6:55

Das türkische Militär hat bei Luftangriffen in Nordsyrien und im Nordirak eigenen Angaben zufolge mindestens 26 „Terroristen neutralisiert“.

Das türkische Militär hat seine Luftangriffe gegen kurdische Gruppen in Syrien und im Nordirak als Vergeltung für den Tod von 12 türkischen Soldaten im Irak am Wochenende intensiviert.

Das türkische Verteidigungsministerium erklärte, bei den Angriffen seien mindestens 26 Kämpfer getötet worden.

Im Nordosten Syriens wurden am Montag bei türkischen Luftangriffen nach Angaben einer kurdischen Miliz mindestens acht Zivilisten getötet, darunter zwei Frauen,

Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab an, dass 12 weitere Personen verwundet worden seien.

Die türkischen Angriffe waren eine Reaktion auf Auseinandersetzungen mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans im Nordirak erfolgt, bei denen dem türkischen Militär zufolge am Freitag und am Samstag mindestens zwölf türkische Soldaten getötet worden waren.

Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste und hat ihr Hauptquartier in den Kandil-Bergen im Nordirak. 

In dem Konflikt mit der Türkei sind bereits Zehntausende Menschen getötet worden. Ein Friedensprozess war 2015 gescheitert. Seitdem geht Ankara in der Südosttürkei und im Nordirak wieder regelmäßig gegen die PKK vor, die ihrerseits Anschläge verübt.

EUROPA

Wahlproteste werden in Belgrad fortgesetzt

Niederlande: Ohnmacht gegenüber „Narcoterrorismus“

Die Schwemme harter Drogen, allen voran Kokain, von Südamerika Richtung Europa hat sich in jüngster Zeit noch einmal verschärft. Besonders die Niederlande sind gemeinsam mit Belgien als größte Umschlagplätze betroffen. Vorhandene Programme, um Jugendliche von der Drogenmafia fernzuhalten, werden auf eine harte Probe gestellt, die niederländische Regierung ist auf der Suche nach wirksamen Methoden gegen den „Narcoterrorismus“. Lesen Sie mehr …

Edtstadler will Pro-Europa-Kampagne lancieren

Trotz den jüngst beschlossenen Beitrittsverhandlungen der EU mit der Ukraine und Moldawien glaubt Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nicht, dass diese beiden Staaten innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre Mitglieder der Union sein können.

Dafür brauche es bei allen Bemühungen noch viele Reformen. Was die EU-Wahl angeht, vermutet sie, dass es Regierungsparteien in ganz Europa schwer haben werden. Nicht zuletzt deshalb plant sie eine Art Pro-Europa-Kampagne.

Dass Österreich laut Eurobarometer den letzten Platz bei der Zustimmung zur EU einnimmt, habe sie nachdenklich gemacht, betonte Edtstadler gegenüber der APA. Einen Grund sieht sie darin, dass die Menschen krisenmüde seien. Dazu komme, dass viele Errungenschaften der Union schon selbstverständlich geworden seien.

Daher wolle sie im kommenden Jahr diese Dinge auch „trommeln“. Dass man etwa in der ganzen EU arbeiten könne, keine Roaming-Gebühren zahle oder in den meisten Staaten der EU kein Geld mehr wechseln müsse, man kein Visum und keine Niederlassungsbewilligung brauche – all das sei zu wenig bewusst. Dabei gebe es keine nationalstaatlichen Lösungen – von der Energieautarkie bis zur Migration.

DEUTSCHLAND

WAHLUMFRAGEN

WEITERE MELDUNGEN

IW: Verbandsumfrage liefert schlechte Perspektiven für die Wirtschaft

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)–Ein Großteil der Unternehmensverbände erwartet nach einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) einen Produktions- oder Geschäftsrückgang im kommenden Jahr. „Die Ergebnisse der IW-Verbandsumfrage vom Jahreswechsel 2023/2024 liefern schlechte Perspektiven für die deutsche Wirtschaft im neuen Jahr“, erklärte das arbeitgebernahe Institut. Die schwache Entwicklung der Weltwirtschaft infolge der geopolitischen Verwerfungen, die geldpolitische Straffung wegen der hohen Inflation sowie die Verunsicherungen von Unternehmen und Haushalten aufgrund der haushaltspolitischen Unklarheiten in Deutschland bedrückten die Aussichten für 2024.

Nur neun der 47 Wirtschaftsverbände erwarteten laut der Umfrage vom November und Dezember 2023 für das kommende Jahr ein höheres Produktionsniveau. Kein einziger Verband gehe für 2024 von einer wesentlich höheren Produktion aus. Dagegen sprächen 23 Verbände von einem Produktions- oder Geschäftsrückgang und 15 von gleichbleibender Wirtschaftsaktivität. „Aus der Einordnung des aktuellen Erwartungsbildes in die Historie der IW-Verbandsumfragen der letzten drei Dekaden lässt sich ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung in 2024 ableiten“, erklärte das Institut.

Vor dem Hintergrund der insgesamt rückläufigen Produktions- und Geschäftserwartungen hätten nicht mehr die Verbände mit stabilen Investitionsaussichten die Oberhand, sondern die pessimistischen Verbände. Die Verbandsumfrage signalisiere ein schwaches Investitionsjahr 2024. Die Entwicklung des unternehmerischen Kapitalstocks komme somit auch im neuen Jahr nicht weiter voran – mit langwierigen Folgen für das Produktionspotenzial am Standort Deutschland. Hinzu komme, „dass die über lange Zeit erkennbare Stabilität am deutschen Arbeitsmarkt mit Blick auf das Jahr 2024 nicht mehr zu sehen ist“.

Nur noch fünf Verbände meldeten für das Jahr 2024 einen Aufbau an Beschäftigung, dagegen erwarteten 23 Wirtschaftsverbände einen Rückgang und 19 eine stabile Beschäftigung. „Die IW-Verbandsumfrage zeigt, dass am deutschen Arbeitsmarkt infolge der multiplen Krisenbelastungen und der unsicheren konjunkturellen Rahmenbedingungen eine Trendwende hin zu weniger Beschäftigung und zu leicht ansteigender Arbeitslosigkeit im Gang ist“, folgerte das Kölner Institut.

Bereits die aktuelle Lage werde von 30 der insgesamt 47 teilnehmenden Verbände schlechter bewertet als vor einem Jahr. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass auch vor einem Jahr aufgrund der Energiekrise keine gute Stimmung in der deutschen Wirtschaft zu verzeichnen gewesen sei. Nur in sechs Branchen werde die aktuelle Situation besser bewertet als im vergangenen Jahr, in den verbleibenden elf Verbänden werde von einer unveränderten Wirtschaftslage gesprochen.

Blick in die Münchener Fußgängerzone „So leer war es an einem Samstag lange nicht mehr“  – n-tv, 23.12.2023 KURZVIDEO

Der Einzelhandel erlebt ein enttäuschendes Weihnachtsgeschäft. Zu Inflation und Streik kommt nun auch noch das Wetter obendrauf. Am sonst umsatzstärksten Tag im Jahr ist die Münchener Fußgängerzone ungewöhnlich leer, wie ntv-Reporter Felix Balß berichtet.

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Netzagentur-Chef rechnet mit dauerhaft hohen Strompreisen

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat die Verbraucher auf anhaltend hohe Strompreise eingestimmt. „Die Großhandelspreise für Strom sind deutlich gefallen gegenüber 2022. Dennoch ist das Preisniveau höher als vor dem russischen Angriffskrieg. Daran wird sich so schnell nichts ändern“, sagte Müller der Rheinischen Post. „Die Zeit der billigen Energie ist vorbei; jedenfalls solange wir noch große Mengen konventionell erzeugter Energie verbrauchen.“

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Klimabeauftragte Morgan: Investitionen in fossile Projekte sind rausgeschmissenes Geld

Die Klimabeauftragte der Bundesregierung, Jennifer Morgan, hat nach dem Abschluss der jüngsten Klimakonferenz in Dubai an die deutsche Wirtschaft appelliert, kein Geld mehr in fossile Projekte zu stecken. „Öffentliche Gelder sind wichtig, sowohl für die Transformation der Weltwirtschaft als auch für die Bewältigung von Klimaschäden“, sagte sie dem Handelsblatt. „Aber dieses Geld wird niemals reichen.“ Es sei daher „unbedingt notwendig, dass die Privatwirtschaft stärker in den Ausbau der Erneuerbaren investiert und ihr Geld nicht mehr in die alte fossile Welt steckt“.

1942–2023: Wolfgang Schäuble ist tot

Der frühere deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Der CDU-Politiker sei im Kreise seiner Familie zu Hause am Dienstagabend im Alter von 81 Jahren friedlich eingeschlafen, teilte die Familie am Mittwoch der dpa mit. Schäuble starb nach langer schwerer Krankheit. In seiner politischen Laufbahn war er Minister, CDU-Chef, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er. …

ÖSTERREICH

STATISTIK AUSTRIA

WAHLUMFRAGEN

WEITERE MELDUNGEN

Siebente KV-Runde: Handel ringt erneut um Kompromiss

Am Mittwoch beginnt die siebente Verhandlungsrunde für einen neuen Kollektivvertrag im Handel. Nach sechs Runden konnten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft auf keinen Kompromiss einigen. Die neue Runde soll die Angestellten vor einem Novum bewahren: Denn im Handel wurde bisher noch nie ein Gehaltsabschluss erst im neuen Jahr festgelegt.

Die Gewerkschaft fordert einen gestaffelten Gehaltsabschluss zwischen 8,48 und 9,38 Prozent. Das letzte Angebot der Arbeitgeber lag bei acht Prozent. Vor einer Woche scheiterte die sechste Verhandlungsrunde nach fast zehn Stunden. Danach hatten in ganz Österreich Warnstreiks und öffentliche Aktionen stattgefunden.

Die sechs Runden seien an den „wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ gescheitert, sagte WKO-Handelsobmann Rainer Trefelik vor gut einer Woche. „Wir haben verschiedenste Varianten durchgerechnet“, so Trefelik. Ein Gehaltsplus von 8,2 Prozent wäre „vorstellbar gewesen“, mehr sei „nicht leistbar“ für die Betriebe. Die rollierende Inflation von Oktober 2022 bis September 2023 lag bei 9,2 Prozent.

Die gewerkschaftliche Chefverhandlerin Helga Fichtinger hatte aber „die Hinhaltetaktik“ der Arbeitgeber kritisiert. „Das ist nicht fair.“ Die Gewerkschaft hatte nach eigenen Angaben einen sozial gestaffelten Gehaltsabschluss zwischen 8,58 und 9,38 Prozent vorgeschlagen. Das wäre im Schnitt ein Gehaltsplus von 8,96 Prozent.

Verhandlungen seit Ende Oktober

Die Handels-KV-Gespräche laufen seit Ende Oktober und waren von Betriebsversammlungen, öffentlichen Kundgebungen und Warnstreiks im Weihnachtsgeschäft begleitet. Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach einem Gehaltsplus von elf Prozent in die Verhandlungen gegangen. Die Arbeitgeber hatten ihr Eröffnungsangebot erst in der dritten Runde mit einem Plus von fünf Prozent und einer Einmalzahlung von 800 Euro gelegt.

Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und 15.000 Lehrlingen. Es ist der größte Branchenkollektivvertrag in Österreich. Knapp zwei Drittel der 430.000 Angestellten sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Knapp 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote bei nur rund 13 Prozent.

„Branche am stärksten von Insolvenzen betroffen“

Der Handelsverband hatte nach dem Scheitern der Verhandlungen bekräftigt, dass die Arbeitgeberseite den Betrieben nun eine Erhöhung der Mindestgehälter um acht Prozent empfehle. „Nachdem sich die Gewerkschaft bei ihren Forderungen kaum bewegt hat, wäre ein Abschluss mit unabsehbaren wirtschaftlichen Risken einhergegangen, der viele weitere Betriebsschließungen verursacht hätte“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

„Dabei ist der Handel jene Branche, die mit Abstand am stärksten von Insolvenzen betroffen ist“, sagte Will weiter. Das bestätigte indirekt auch Lohnexperte Benjamin Bittschi. Die Situation im Handel sei schwieriger als etwa in der Industrie. Im Gegensatz zur Industrie befinde sich der Handel seit dem Pandemiejahr 2020, mit Ausnahme von 2022, in einer Rezession.

„Ich verstehe die Seite der Arbeitgeber, dass um jedes Zehntel gefeilscht wird“, sagte der Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO). Aber man werde sich einigen müssen. Man müsse sich aus dem Instrumentenkasten, der auch schon bei anderen KV-Verhandlungen angewandt worden sei, bedienen, so Bittschi. Es werde eine soziale Staffelung beinhalten müssen, es brauche eine Wettbewerbssicherungsklausel und im Durchschnitt einen Abschluss unter der rollierenden Inflation.

red, ORF.at/Agenturen

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Karner sieht latente Bedrohung durch Einzeltäter

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sieht nach Aufflammen des Nahost-Kriegs eine größere Gefährdung durch islamistische Einzeltäter. Verantwortlich dafür macht er hybride Kriegsführung mit Phänomenen wie Fake News und Desinformation. Die Gefährdungsstufe wieder hinuntersetzen will er gerade zu Jahresende nicht, sei das doch eine Zeit, wo potenzielle Bedrohungen besonders hoch seien.

Nicht jeder einzelne Radikalisierte sei dabei ein Attentäter, aber das Potenzial sei größer geworden. Um Täter bekämpfen zu können, plädiert der Innenminister einmal mehr dafür, der Exekutive den Zugriff auf Messenger-Dienste zu ermöglichen.

„Air Schengen“ könnte rasch kommen

Hoffnungen macht Karner, dass „Air Schengen“ für Rumänien und Bulgarien rasch kommen könnte. Österreich blockiert ja als mittlerweile einziges Land der Union den Schengen-Beitritt der beiden osteuropäischen Länder. Karner gibt zu bedenken, der Ist-Zustand sei, dass es derzeit real kaum Schengen-Vollmitglieder gebe.

Denn die meisten Staaten hätten wieder Grenzkontrollen zu Nachbarländern eingeführt. Er warte nun auf Vorschläge der Kommission zur Umsetzung des Schengen-Beitritts nur auf dem Flugweg. Über eine Vollmitgliedschaft zu reden, halte er für „reine Spekulation“.

EU-Asylpakt „Schritt in richtige Richtung“

Beim EU-Asyl- und -Migrationspakt sieht der Minister einen „Schritt in die richtige Richtung“. Die detaillierten Vorschläge würden jetzt geprüft. Noch keine Verständigung gefunden hat man bezüglich der Überlegungen, die Verfahren außerhalb der EU in sicheren Drittstaaten durchzuführen: „Da sind wir leider noch nicht so weit“, konzediert Karner.

Noch nicht zufrieden ist Karner mit der Asylsituation in Österreich, auch wenn heuer ein starker Rückgang an Anträgen zu verzeichnen war: „Österreich ist nach wie vor zu hoch belastet.“

Es sei zwar gelungen, in manchen bisher besonders belasteten Bezirken speziell im Burgenland die Aufgriffszahlen zu senken, doch müsse sich diese Entwicklung fortsetzen: „Es muss Ziel sein, weiter nach unten zu kommen.“

SPÖ NÖ: Sparkurs kostet mehrere Jobs

Persönlicher Feiertag: Antrag bis 29. Dezember möglich

Edtstadler will Pro-Europa-Kampagne lancieren

Trotz den jüngst beschlossenen Beitrittsverhandlungen der EU mit der Ukraine und Moldawien glaubt Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nicht, dass diese beiden Staaten innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre Mitglieder der Union sein können.

Dafür brauche es bei allen Bemühungen noch viele Reformen. Was die EU-Wahl angeht, vermutet sie, dass es Regierungsparteien in ganz Europa schwer haben werden. Nicht zuletzt deshalb plant sie eine Art Pro-Europa-Kampagne.

Dass Österreich laut Eurobarometer den letzten Platz bei der Zustimmung zur EU einnimmt, habe sie nachdenklich gemacht, betonte Edtstadler gegenüber der APA. Einen Grund sieht sie darin, dass die Menschen krisenmüde seien. Dazu komme, dass viele Errungenschaften der Union schon selbstverständlich geworden seien.

Daher wolle sie im kommenden Jahr diese Dinge auch „trommeln“. Dass man etwa in der ganzen EU arbeiten könne, keine Roaming-Gebühren zahle oder in den meisten Staaten der EU kein Geld mehr wechseln müsse, man kein Visum und keine Niederlassungsbewilligung brauche – all das sei zu wenig bewusst. Dabei gebe es keine nationalstaatlichen Lösungen – von der Energieautarkie bis zur Migration.

MEDIZIN – PSYCHOLOGIE – FORSCHUNG

UMWELT

BILDUNG

MEDIEN – IT

23.000 Daten gestohlen: Uni Innsbruck wurde wieder Opfer von Cyberattacke – Kronenzeitung, 25.12.2023

Eine unerlaubte Datenabfrage zu Stammdaten von Studierenden verzeichnete die Universität Innsbruck vergangenen Donnerstag. Knapp 23.000 Datensätze wurden unerlaubt heruntergeladen, heißt es seitens der Einrichtung. Entsprechende Gegenmaßnahmen seien gesetzt worden. Es ist nicht die erste Cyberattacke.

Erneut zu Opfer von Hackern wurde vor wenigen Tagen die Universität Innsbruck. 23.000 Stammdaten von Studierenden wurden dabei widerrechtlich heruntergeladen. Die Uni gibt an, die notwendigen Gegenmaßnahmen bereits gesetzt und alle betroffenen Studierenden sowie die Datenschutzkommission informiert zu haben.

Auch die Polizei sei eingeschaltet. Über Hintergründe und mögliche Motive der Täter könne man aus ermittlungstaktischen Gründen keine näheren Angaben machen.

Persönliche Infos und Mail-Adressen
Die gestohlenen Stammdaten enthalten neben persönlichen Informationen wie dem Namen, oder dem Wohnsitz auch die universitäre Mail-Adresse. „Es besteht kein Handlungsbedarf bei den betroffenen Studierenden, sie wurden jedoch aufgefordert, in nächster Zeit besonders auf mögliche Phishingversuche zu achten und diese Verdachtsfälle gegebenenfalls an die Fachleute des Zentralen Informatikdienstes (ZID) der Universität Innsbruck weiterzuleiten“, heißt es seitens der Universität.

Nicht der erste Cyberangriff
Für die Uni Innsbruck sind Angriffe dieser Art nichts Neues. Bereits im Vorjahr verschafften sich Hacker Zugang auf den Server der medizinischen Uni und veröffentlichten Daten im Darknet. Und auch Anfang dieses Jahres setzten Cyberkriminelle der Uni mit einer Attacke zu. Diese Attacke endete jedoch glimpflich.

RECHT

GESELLSCHAFT – RELIGION – MENSCHEN

„Steinach-Film“: Neuvermessung der Geschlechter in den 1920ern – Topos/ORF, 6.12.2023 (inkl. KURZVIDEO)

Inkl. KURZVIDEO: Die genderfluide Schauspielerin Lucy McEvil sichtet für ORF-Topos den „Steinach-Film“ und geht der Frage nach, wie die mitunter verstörenden Inhalte heute zu bewerten sind (Triggerwarnung: In diesem Beitrag werden Operationen und Tierversuche gezeigt)

Der Österreicher Eugen Steinach (1861–1944) war in der Zwischenkriegszeit ein weltbekannter Pionier der Sexualforschung. 1923 präsentierte er in einem populären Kinofilm Tabuthemen wie Geschlechtsumwandlung und Homosexualität – und auch seine weltberühmte „Verjüngungskur“. Die Nazis führten Steinachs biologische Experimente weiter – an Homosexuellen in den KZs. ORF Topos hat den „Steinach-Film“ mit der genderfluiden Schauspielerin Lucy McEvil gesichtet (siehe Video).

Silvia Heimader

Der erfolgreiche Dokumentarfilm, der vor hundert Jahren – nach etlichen Problemen mit der Zensur – Hunderttausende in die Kinos lockte, hat es bei heutiger Betrachtung in sich: Tier- und Menschenversuche, endlose Operationsszenen, ein überkommenes Verständnis von Geschlechterrollen, eine fragwürdige Einteilung in „normale“ und „abnorme“ Sexualität, eine mehr als fragwürdige „Heilung“ von Homosexuellen, eine eigentlich unwirksame Verjüngungskur.

„Erschreckend, wie viel noch aktuell ist“, meint Schauspielerin McEvil, die auf der Bühne die Themen Sex und Gender auslotet. Der „Steinach-Film“ bietet mehr als nur einen Blick ins vermeintliche und tatsächliche Gruselkabinett der Geschichte. Fritz Kalteis, Regisseur des ORF-Zweiteilers „Verbotenes Begehren. Meilensteine queerer Geschichte“ meint gegenüber ORF Topos, der Film aus den 1920er Jahren zeige, dass die aktuelle Diskussion über Genderdiversity keine Erfindung der Gegenwart sei.

Die „Heilung“ von Homosexuellen

Die aus heutiger Sicht wohl problematischste Aussage des „Steinach-Films“ ist die darin propagierte Methode zur „Heilung“ homosexueller Männer. Durch das Einpflanzen von Hoden Heterosexueller, so der Film, sollte es möglich sein, Homosexuelle „umzupolen“. Die Operation erwies sich in der Realität nicht nur als nutzlos und gesundheitsschädlich, sondern implizierte auch, dass Homosexualität eine Krankheit sei.

McEvil fühlte sich bei der Sichtung des Filmes an noch immer aktuelle Konversionstherapien zur „Umpolung“ von Homosexuellen erinnert, die, so Lucy, „hoffentlich endlich weltweit verboten werden. Wie viel seelisches Leid da angerichtet wird!“ Diese psychotherapeutisch orientierten Interventionen werden heute vorwiegend in radikalen religiösen Gruppen angewendet. In Österreich forderte zuletzt NEOS ein wirksames Gesetz dagegen.

McEvil stößt sich an den Wertungen, die der „Steinach-Film“ bei der Darstellung homosexueller und diverser Menschen vornimmt: „Es sollten alle verschiedenen Typen, Geschlechter gefeiert und nicht bewertet werden!“ Der Filme zeige, „wie vorsichtig man mit Ethik und Wissenschaft umgehen“ müsse.

Der Diskurs über Homosexualität in den 1920ern

Der „Steinach-Film“ war – und das ist aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar – durchaus philanthropisch motiviert. So gab der Filmproduzent Oskar Kalbus der Hoffnung Ausdruck, durch den Film „die menschlichen Zwitter und Homosexuellen vor voreiliger Verdammung und Verachtung zu schützen“, indem man „wissenschaftliches Verständnis für die organischen Anlagen“ weckte.

Über den „Steinach-Film“:

Steinach, der die Verzerrung seiner Forschungsarbeiten im Massenmedium fürchtete, soll vom österreichischen Bundespräsidenten Michael Hainisch persönlich zur Verfilmung überredet worden sein. Der Film wurde schließlich in zwei Fassungen produziert: einer wissenschaftlichen „Steinachs Forschungen“ von 1922 und der Publikumsfassung mit dem Titel „Der Steinach-Film“ von 1923. Beide sind nur in wenigen Kopien erhalten geblieben. Im Filmarchiv Austria liegt eine dänische Kopie der wissenschaftlichen Fassung von 1922, und im Bundesarchiv Berlin die Publikumsfassung von 1923 in einer deutsch-französischen Version.

Aber nicht nur die gesellschaftliche Ausgrenzung verursachte Leid, auch die Strafverfolgung. In Deutschland wie in Österreich standen homosexuelle Handlungen bei Männern unter Strafe. In Österreich war auch Sex zwischen Frauen verboten. Der entsprechende Paragraf des Strafgesetzbuchs galt gar bis 1971. Aktivisten der ersten Stunde wie der deutsche Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld kämpften gegen die Gesetzeslage an.

Auch Steinach, der mit Hirschfeld eng kooperierte, hoffte, wie er es 1915 in einem Brief ausdrückte, dass seine Arbeiten „ein zwingendes Material“ liefern würden, um „den bewussten Paragraphen niederzukämpfen“. Er habe den „Beweis erbracht, dass es sich nicht um ‚Störungen‘, sondern eher um Bereicherungen“ handle, weswegen Homosexualität „nicht als krankhafter Zustand bezeichnet werden“ solle, wie die Wissenschaftshistorikerin Sonja Walch in ihrer Studie „Triebe, Reize und Signale“ schreibt.

Steinach und der Verjüngungshype

Die Pläne der deutschen Filmgesellschaft UFA, Anfang der 1920er gemeinsam mit der österreichischen Staatlichen Filmhauptstelle einen Film über den Physiologen Steinach zu machen, kamen nicht von ungefähr. Der gebürtige Vorarlberger war in der Zwischenkriegszeit eine Berühmtheit. Grundlage seines weltweiten Ruhms war eine zweifelhafte Verjüngungsoperation.

Der irische Literaturnobelpreisträger William Butler Yeats tat es, Millionäre und Millionärinnen aus aller Welt taten es, und Sigmund Freud tat es auch: nämlich sich „steinachen lassen“. Auch ins Englische hatte es Steinachs obskure Verjüngungsmethode geschafft: „To be steinached“ war ein geläufiger Begriff. Die US-Schriftstellerin Gertrude Atherton feierte die Verjüngungskur 1923 im Bestseller „Black Oxen“. Und der Steinach-Hype lieferte Stoff für Kabarettbühnen und Satireseiten.

Hormonbehandlungen zur Verjüngung waren im „Jazz Age“ der letzte Schrei. Steinach war nicht der Einzige, der damit wissenschaftlich experimentierte. Der französische Chirurg Serge Voronoff transplantierte zu diesem Zweck sogar Affenhoden. Steinachs Methode war vergleichsweise einfach und vermutlich deshalb so populär. Mit einer simplen Vasektomie schienen nicht nur individuelle, sondern auch soziale Probleme gelöst – nämlich die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit von älteren Männern in einer Gesellschaft, der nach dem Massentöten im Ersten Weltkrieg die männliche Jugend fehlte.

Hormonwirkung als Trickfilmaufnahme

Der „Steinach-Film“ brachte den Verjüngungskult filmtechnisch auf die Höhe der Zeit. In damals aufsehenerregenden Trickfilmaufnahmen erklärt er das Wirken von Hormonen im Körper. Durch eine ausgefeilte Aufnahmetechnik konnte das Kinopublikum hautnah miterleben, wie Steinach einer männlichen altersschwachen Ratte eine Samenleiter durchtrennte und dem Tier durch den (angeblich) damit ausgelösten Hormonschub einen zweiten Frühling schenkte. Im großen Finale des Films treten dann eine Reihe menschlicher Testimonials an, die durch die Steinach-Operation angeblich wieder „frisch und leistungsfähig“ geworden waren.

Literaturhinweise:

Christine N. Brinckmann, Rainer Herrn: Von Ratten und Männern. Der Steinach-Film (2005)
Oskar Kalbus: Der Steinachfilm (1924)
Heiko Stoff: Magnus Hirschfeld und das Erbe der Sexualwissenschaft (2023)
Florian Mildenberger: Vom Prater nach Buchenwald. – in: Davidsen-Nielsen (Hg.): Carl Vaernet – der dänische SS-Arzt im KZ Buchenwald. (2004)
Sonja Walch: Triebe, Reize und Signale

Steinachs Erfolg unterlief teilweise seine Intentionen: Die „Heilungsexperimente“ des bekannten Mediziners führten erst recht zu einer Pathologisierung von Homosexualität. Die Genderjuristin der Universität Linz, Elisabeth Greif, macht darauf aufmerksam, dass beispielsweise 1927 der sozialdemokratische Abgeordnete Arnold Eisler eine Entkriminalisierung der Homosexualität mit dem Argument forderte, dass sie durch „Veränderungen am Körper des Betreffenden“ heilbar sei.

Homosexuellenexperimente im Nationalsozialismus

In Österreich war unter der christlich-sozialen Kanzlerdiktatur nach 1933 ohnehin Schluss mit Genderdebatten. Ebenso in Deutschland, wo die Nazis die Macht ergriffen hatten und eine beispiellose Verfolgung queerer Menschen einsetzte. Steinach flüchtete 1938 als verfolgter Jude in die Schweiz. Sein Wiener Forschungslabor wurde beschlagnahmt, und seine Frau beging Suizid.

Seine Experimente zur „Umpolung“ Homosexueller wurden von den Nationalsozialisten pervertiert. Obwohl Steinach selbst bereits deren Unsinnigkeit eingeräumt hatte, führte der dänische SS-Arzt Carl Vaernet von Steinach inspirierte Forschungen weiter: Ab 1944 experimentierte er im KZ Buchenwald an homosexuellen Häftlingen. Den unfreiwilligen Opfern wurde eine Metallkapsel mit einem künstlichen Hormoncocktail eingesetzt.

„Vater“ der Pille und der Transgendermedizin

Doch Steinachs Forschungen, die den zeitgenössischen eugenischen Diskurs befeuert hatten, waren nicht nur Quacksalberei mit unheilvollen Konsequenzen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten setzten Impulse, die bis in die Gegenwart wirken: Sie bahnten den Weg für hormonelle Schwangerschaftsverhütung und Transgendermedizin.

Unter anderem entwickelte Steinach mit der deutschen Pharmafirma Schering das Hormonpräparat „Progynon“, das 1928 als erstes Östrogenmedikament auf den Markt kam und neben der Behandlung von Wechselbeschwerden bei Frauen auch zur Geschlechtsumwandlung von Transgender-Personen verwendet wurde, und das – laut Auskunft des Historikers Andreas Brunner von QWIEN, dem Zentrum für queere Geschichte – bis in die 1970er Jahre.

Die Meriten für „Progynon“ streifte allerdings der an der Entwicklung beteiligte deutsche Biochemiker Adolf Butenandt ein. Das NSDAP-Mitglied erhielt für seine Sexualhormonforschungen 1939 den Nobelpreis. Der jüdische Forscher Steinach, der selbst unzählige Male für den Nobelpreis vorgeschlagen worden war, ging leer aus.

Silvia Heimader, ORF-Archiv (Interview, Text, Videogestaltung), Roman Bagner (Kamera), Laura Russo (Schnitt), beide für ORF Topos

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Lucy McEvil (Facebook)

Monarchie: Wie Homosexuelle verfolgt wurden – Science / ORF, 6.12.2023

Während der Habsburgermonarchie sind auf homosexuelle Handlungen schwere Strafen gestanden. Einzelne Intellektuelle wie Sigmund Freud und Karl Kraus setzten sich zwar für Straffreiheit ein, doch für Kaiser Franz Joseph kam das nicht infrage – auch wenn er bei seinem kleinen Bruder ein Auge zudrückte.

Als der junge Kaiser Franz Josef 1852 ein neues Strafgesetz erließ, beinhaltete das den Paragrafen 129 1b, der die „Unzucht“ mit Personen desselben Geschlechts unter Strafe stellte. 119 Jahre lang sollte der Paragraf in Kraft bleiben: bis zur Kleinen Strafrechtsreform von 1971.

Die Rechtslage in der Monarchie enthielt einige Besonderheiten im europäischen Vergleich, sagt Andreas Brunner, Germanist und Theaterwissenschaftler, der am QWIEN – Zentrum für queere Geschichte auch historische Forschung betreibt: „Zum einen ist die Strafandrohung mit bis zu fünf Jahren schweren Kerker ungewöhnlich hoch, zum anderen war der Paragraf geschlechtsneutral formuliert, wodurch auch sexuelle Handlungen zwischen Frauen strafrechtlich pönalisiert waren – auch das ist ungewöhnlich im europäischen Vergleich.“

Nur in der Theorie „geschlechtsneutral“

Was man genau unter „Unzucht“ verstand, wurde im Laufe der Jahrzehnte unterschiedlich ausgelegt. „Am Anfang war die Vorstellung, dass eigentlich nur der Analverkehr pönalisiert werden sollte, doch im Laufe der Zeit fielen immer mehr Handlungen darunter und die Verfolgungsintensität nahm zu“, so Brunner. Die Definition sei mehrmals Verhandlungsgegenstand am Obersten Gerichtshof gewesen. So war es laut einem OGH-Urteil von 1906 möglich, auch den Versuch einer homosexuellen Handlung zu bestrafen.

Zu 95 Prozent waren Männer von der strafrechtlichen Verfolgung betroffen, schätzt der Experte für queere Geschichte. In die Kategorie „Mann“ fielen für die Kriminalpolizei aber auch Transfrauen, die sich ebenfalls der „gleichgeschlechtlichen Unzucht“ strafbar machten, wenn sie mit Männern Sex hatten. Lesben und als Frauen gelesene Transmänner waren auch betroffen, aber in einem geringeren Ausmaß.

„Frauen wurde lange Zeit keine eigenständige Sexualität zugestanden und weil die Vorstellung von Sexualität sehr stark auf Penetration beschränkt war, stellten sich viele Strafrechtswissenschaftler die Frage, wie denn Unzucht zwischen Frauen funktionieren solle“, so Brunner. Doch es stand so im Gesetz, also wurde die Kriminalpolizei aktiv, wenn „Unzuchtshandlungen“ zwischen Frauen angezeigt wurden. Generell agierte die Kripo eher auf Zuruf, auch bei Männern. „Es gab zwar ein eigenes zuständiges Sittendezernat, aber wir können nicht von einer systematischen Jagd auf Homosexuelle – wie sie später während des Nationalsozialismus stattfand – sprechen.“

Queeres Leben um die Jahrhundertwende

Nicht nur die Strafverfolgung, auch das homosexuelle Leben selbst war für Lesben und Schwule sehr unterschiedlich. „Alleine die finanzielle und rechtliche Abhängigkeit von Frauen schränkte das lesbische Leben ein. Und es war nicht üblich, dass Frauen allein in ein Lokal gingen“, so Brunner. Daher seien heute wenig öffentliche Treffpunkte lesbischer Frauen aus der Monarchie belegt, anderes als bei den Männern: „Da gab es eine sehr lebhafte Subkultur um die Jahrhundertwende.

Der deutsche Sexualforscher und Aktivist Magnus Hirschfeld war 1903 in Wien und beschreibt das homosexuelle Wien in seinen Aufzeichnungen als sehr bunt und lebhaft und mit vielen Lokalen, die als Treffpunkte dienten.“ An diesen Orten gab es auch Veranstaltungen, Bälle und Travestiedarbietungen. Ungefährlich war das natürlich auch nicht. Transpersonen wurden wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses angezeigt, wenn sie nicht so gekleidet waren, wie es vom ihnen zugewiesenen Geschlecht erwartet wurde, und Gewerbetreibende konnten ihre Konzession verlieren, wenn sie „Unzuchtshandlungen“ in ihrem Lokal duldeten.

Badeanstalten als Treffpunkte

Beliebte schwule Treffpunkte waren in der Hauptstadt Wien und seinen Vorstädten vor allem die Badeanstalten, so Brunner: „Da gab es einerseits die Nobelbäder wie das Dianabad am Donaukanal und das Centralbad in der Innenstadt, das heute noch als Kaiserbründl-Sauna ein schwuler Treffpunkt ist. Und in den Vorstädten waren das Margaretenbad und das Esterházy-Bad bei proletarischen Männern beliebt, um andere Männer kennenzulernen.“

Kennenlernen im Bad, das hatten schwule Männer quer durch alle Schichten gemeinsam, wenn auch nicht in den gleichen Bädern. Aber es gab auch wesentliche Unterschiede: „Bessergestellte konnten es sich oft gut einrichten. Wer mit seiner Familie auf Gang, Küche und Kabinett zu sechst oder zu acht lebte, konnte natürlich weder einen Liebhaber mit nach Hause nehmen noch ein Hotelzimmer bezahlen.“ Man hatte Sex an öffentlichen Orten wie Bädern, Parks und Toilettenanlagen und war dadurch einem größeren Risiko ausgesetzt, angezeigt und verurteilt zu werden.

Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass Menschen aus unteren Schichten überproportional von Verurteilungen betroffen waren, die entsprechenden Strafakten existieren allerdings nicht mehr. Sie sind erst ab dem Jahr 1936 erhalten und für die Zeit danach sprechen die Akten eine klare Sprache, so Brunner: „Für die NS-Zeit können wir nachweisen, dass Homosexuellenverfolgung blanke Klassenjustiz war.“

Skandal um den Erzherzog

Im Centralbad war auch der jüngste Bruder des Kaisers, Erzherzog Ludwig Viktor ein gern und oft gesehener Gast. Am Hof wussten vermutlich alle über seine Homosexualität Bescheid, als Mitglied des Erzhauses brauchte er aber keine strafrechtliche Verfolgung zu fürchten. Brunner erzählt: „Es gab Gerüchte, aber die öffentliche Wahrnehmung war reduziert, denn es bestand Hofzensur und darüber wurde natürlich nicht berichtet.“

Ludwig Viktor konnte seine Homosexualität jahrzehntelang fast ungehindert ausleben, bis es 1904 zum Skandal kam: Der Erzherzog kassierte eine Watsche, als er einen anderen Badegast im Centralbad sexuell belästigte. Der Vorfall wurde zum Stadtgespräch und Kaiser Franz Josef musste handeln. Für seinen Bruder ging es aber nicht in den Kerker, sondern auf ein Schloss: Er wurde aus Wien verbannt und verbrachte die letzten 15 Jahre seines Lebens auf Schloss Kleßheim in Salzburg.

Kleiner Kreis für Straffreiheit

Sexualität war im 19. Jahrhundert und um die Jahrhundertwende generell ein viel diskutiertes Thema und so auch die Homosexualität. In der Medizin, der Psychiatrie und der Sexualforschung machte man sich Gedanken darüber, woher Homosexualität kam, und das brachte auch das Strafrecht in die Kritik. Die Ärzte Richard Krafft-Ebing und Sigmund Freud setzten sich beispielsweise für die Abschaffung des Paragrafen 129 1b ein, denn in der Wissenschaft pathologisierte man Homosexuelle und definierte ihre Sexualität als psychische oder angeborene „Störung“. Eine „Störung“ bedeutete aber auch, dass man dafür nicht juristisch belangt werden konnte.

Diese Argumentation stand im Gegensatz zur weit verbreiteten und von der Kirche propagierten Sichtweise, wonach Homosexualität eine lasterhafte, unmoralische Lebensweise sei, zu der viele weitere verführt werden könnten, und die daher auch ein bevölkerungspolitisches Problem darstellen würde. Demnach musste man insbesondere Schwule bestrafen, damit sich ihr Lebensstil nicht ausbreitete.

Diese Sichtweise sei in rechten, konservativen und linken Kreisen weit verbreitet gewesen, so Brunner: „Es gab nur eine sehr dünne gesellschaftliche Schicht, die sich für Homosexuellenrechte einsetzte: Eine urbane, gebildete, künstlerische Schicht, die auch grundsätzlich eine offene Gesellschaft propagierte.“ Zu ihr gehörte unter anderem auch der Wiener Publizist Karl Kraus, der in seiner Zeitschrift „Die Fackel“ jahrelang immer wieder die Abschaffung des Paragrafen 129 1b forderte. Es gab auch immer wieder Petitionen für die Abschaffung, die von Prominenten aus Kunst und Kultur unterschrieben wurden, aber, so Brunner: „Ihre Wirksamkeit war gleich null.“

Als die Erste Republik ausgerufen wurde, änderte sich nichts an der Rechtslage, denn keine Partei interessierte sich für Homosexuellenrechte. Es folgte die systematische Verfolgung durch die Nazis und erst vor gut 50 Jahren wurde der Paragraf 129 1b aus dem Strafrecht gestrichen.

Katharina Gruber, ORF-Wissenschaftsredaktion/Universum History

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Ernährungsgeschichte: Der Anfang vom Kalorienzählen – Topos / ORF, 25.12.2023

Bis Mitte, Ende des 19. Jahrhunderts war ein Großteil der Bevölkerung Europas chronisch unterernährt. Das hat sich grundlegend geändert. Wie Kalorienzufuhr und gesellschaftlicher Wandel zusammenhängen und einander bedingen, darüber spricht der Wirtschafts- und Sozialgeschichtler Erich Landsteiner in einem ORF-III-Podcast, der flankierend zur 40-teiligen TV-Serie „Österreich – die ganze Geschichte“ publiziert wird.

Mariella Gittler, Simon Hadler

Die Welternährungsorganisation (FAO) hat auf ihrer Website eine Grafik von Our World in Data veröffentlicht, die entlang eines veränderbaren Zeitstempels das tägliche Kalorienangebot nach Ländern und Jahren anzeigt – bis zurück zum Jahr 1380. Allerdings sind Daten, die so alt sind, nur von Großbritannien halbwegs zuverlässig vorhanden. Dort standen im Jahr 1380 der Bevölkerung durchschnittlich zwischen 2.000 und 2.250 Kilokalorien (kcal) zur Verfügung – heute sind es zwischen 3.250 und 3.500.

Aber Großbritannien ist nicht unbedingt repräsentativ für den Rest Europas. Das sieht man anhand jener Jahre, für die dann auch aus anderen Ländern belastbare Daten vorhanden sind. Mitte des 18. Jahrhunderts standen Menschen in Frankreich etwa 1.800 kcal zur Verfügung, jenen in England 2.200. Am besten, erzählt Landsteiner, seien weiße Siedler in den heutigen USA ernährt gewesen.

Überanstrengung, hohe Sterblichkeit

400 kcal Unterschied klingt nicht viel, ist aber damals entscheidend gewesen. Es gebe aus dieser Zeit, so Landsteiner, Karikaturen, die ausgemergelte Franzosen im Kontrast zu feisten Engländern vor dicken Braten zeigen. 1.800 kcal waren es also in Frankreich. Der Grundumsatz eines Menschen liegt bei 1.400 bis 1.500 kcal, je nach Körpergewicht und Körpergröße. So viel braucht der Körper, um in Betrieb zu bleiben, wenn er überhaupt keine Zusatzbelastung hat.

Für alles andere hatten die Franzosen und Französinnen Mitte des 18. Jahrhunderts also 400 kcal zur Verfügung. Das, so Landsteiner, ist praktisch nichts, wenn man sich vorstellt, dass früher viel weniger geheizt wurde (der Körper verbraucht Energie, um sich aufzuwärmen) und die Menschen harte körperliche Arbeit leisten mussten. Heute nimmt man an, dass Menschen, die schwere körperliche Arbeit leisten, 3.500 kcal pro Tag brauchen, also in etwa doppelt so viel.

Was heißt das jetzt für die Menschen? Das heißt, dass sie nicht dauerhaft schwer arbeiten konnten und sehr schnell von Anstrengungen überfordert waren. (…) Unterernährung schwächt zudem das Immunsystem. Die Mortalität war sehr hoch. Man bekommt bei Unterernährung viel schneller Infektionskrankheiten, an denen man damals auch verstarb.

Wirtschafts- und Sozialgeschichtler Erich Landsteiner im ORF-III-Podcast von Mariella Gittler zur TV-Serie „Österreich – die ganze Geschichte“

Reiche waren groß, Arme klein

Ein wesentlicher Regulierungsmechanismus in Sachen Nahrungsmangel dürfte die Körpergröße gewesen sein. Im Vergleich zu heute waren die Menschen Mitte des 18. Jahrhunderts im Durchschnitt um zehn bis zwölf Zentimeter kleiner – und sie wogen auch weniger, im Schnitt 60 bis 65 Kilogramm. Aber nicht alle – die soziale Ungleichheit war enorm und wirkte sich tatsächlich auf das Erscheinungsbild der Menschen aus. Bessergestellte, Wohlhabende waren größer als Arme und auf den Straßen auf den ersten Blick als wohlgenährter zu erkennen.

Die erste Staffel des multimedialen Prestigeprojekts „Österreich – die ganze Geschichte“, das durch Schwerpunkte in Hörfunk und online begleitet wird, ist in Doppelfolgen am 27., 28. und 29. Dezember sowie am 2. und 3. Jänner 2024 jeweils ab 20.15 Uhr in ORF III zu sehen.

Außerdem ist die Produktion als Livestream bzw. nach der TV-Ausstrahlung als Video-on-Demand in der ORF-TVthek abrufbar.

Bereits seit 8. Dezember gibt es dazu auf allen gängigen Plattformen wie etwa der ORF-Sound-App, Apple iTunes und Spotify einen begleitenden Podcast (20 Folgen à 20 Minuten). Die Ausdifferenzierung von Arm und Reich bei Körpergröße und Gewicht aufgrund der Ernährung dürfte, so Landsteiner, im Hochmittelalter, also von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, stattgefunden haben. Man dürfe sich das aber nicht so klischeehaft vorstellen, dass Reiche einen Exzess nach dem anderen abfeierten, völlerten und dann extrem übergewichtig waren. Viel eher sei es so gewesen, dass sie hochwertigere Nahrungsmittel zu sich genommen hätten. Fleisch war bei Wohlhabenderen öfter auf dem Teller, bei allen anderen nur zu speziellen Anlässen und höchstens einmal in der Woche.

Die Industrialisierung brachte Kalorien

Interessant auch, dass der durchschnittliche Kalorienverbrauch wegen großer regionaler und saisonaler Schwankungen oft wenig aussagt. Landsteiner erklärt, dass in Jahren von Missernten Hunger herrschte, in Jahren guter Ernten jedoch nicht. Im Winter wurde weniger in der Landwirtschaft gearbeitet, deshalb konnte man sich „Winterspeck“ anlegen. Rund um Feiertage legte man sich ebenfalls einen Fettspeicher an. Die Situation begann sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts, manche sagen, Ende des 19. Jahrhunderts, entschieden zu verbessern. Bis dahin war chronische Unterernährung das Schicksal eines Großteils der österreichischen Bevölkerung.

In Zeiten des Feudalismus mussten die Menschen einen großen Teil ihrer Einkünfte bzw. dessen, was sie produzierten, an Adel und Klerus abliefern. Mit der Industrialisierung ging immer noch viel Elend einher, die Ernährungssituation verbesserte sich jedoch. 1885 war in Österreich für nahezu alle Bevölkerungsgruppen ein Versorgungsgrad von 100 Prozent erreicht. Das heißt, es waren so viele Kalorien vorhanden, wie man brauchte. Nur bei Kleinkindern belief sich der Wert auf lediglich 94 Prozent, wie in einer Masterarbeit von Julia Löschenbrand-Bläuel zur „Ernährung in Oberösterreich im späten 19. Jahrhundert“ aus dem Jahr 2021 ausgeführt wird.

Nur 830 kcal in Kriegszeiten

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren vor allem die Kriegs- und Nachkriegszeiten von Hunger geprägt. Besonders hart traf es die städtische Bevölkerung, wie es in einem Überblick der Österreichischen Mediathek mit zahlreichen Film- und Tondokumenten heißt. Demnach reichten in der Regel die durch staatliche Stellen zur Verfügung gestellten Lebensmittel kaum zum Überleben. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges, heißt es, erhielten die „Nichtselbstversorger“ nur noch 830 kcal pro Kopf. 1918 stellte die Stadt Wien in einer Untersuchung fest, dass 91 Prozent der Schulkinder von Unterernährung betroffen waren. Auch in den ehemaligen Kronländern herrschte Hunger. So berichtete die Tageszeitung „Der Abend“ im Jahr 1919 über das „verhungerte Deutschböhmen“:

„In den Schulen sitzen Kinder, die sich vor Schwäche kaum mehr erheben können. Fast in jeder Bank ist ein Fall von Hungerödem vorhanden, daneben Skrophulose, Rhachitis- und Tuberkulosefälle, Krankheiten, die infolge der Unterernährung in erschreckender Zunahme begriffen sind. In jeder Klasse zeigen die Lehrer eine Menge Entschuldigungszettel der Eltern vor, auf denen immer wieder geschrieben steht: Mein Kind kann nicht zur Schule kommen, weil wir nichts zu essen haben. Es gibt Schulkinder, die infolge rhachitischer Beinverkrümmungen die Schule überhaupt nicht besuchen können […]. Die Stadt Asch zählt allein 200 rhachitische Kinder.“ – „Der Abend“, 1919, zitiert nach einem Online-Dokument der Österreichischen Mediathek

Tagesration 950 kcal (Photo-Link)

Der Hungerwinter 1946

In der Zwischenkriegszeit kostete die Weltwirtschaftskrise den Österreichern Kalorien. Besonders prekär wurde die Situation wieder während des Zweiten Weltkrieges und direkt danach. In Ostösterreich waren im Kältewinter 1946/47 fast 70 Prozent der Kinder unterernährt, heißt es in einem „profil“-Artikel aus dem Jahr 2005. Bei zwanzig Prozent aller Todesfälle seien Infektionskrankheiten die Ursache gewesen, „meist TBC oder Gehirnhautentzündung“. Wiens Bürgermeister Theodor Körner habe an seinen New Yorker Amtskollegen Fiorello La Guardia appelliert: „Wenn nicht Hilfe kommt, bricht die Bevölkerung zusammen.“

Wieder waren die Österreicherinnen und Österreicher auf 800 kcal pro Tag beschränkt. Danach ging es jedoch rasch bergauf, vor allem aufgrund des Marshallplans, mit dem die USA Europa wieder aufpäppelten. In einer Studie der FAO wird der Kalorienverbrauch in Österreich in den Jahren 1947/48 bereits mit 2.397 kcal pro Kopf angegeben, ein Jahr später sogar schon mit 2.698. Noch rascher war der Zuwachs nach dem Krieg in Deutschland mit 500 kcal im selben Jahresvergleich.

Schon in den 50er Jahren wendete sich das Blatt. Unterernährung und Hunger waren bereits Anfang der 50er kaum noch Themen. Als neues Problem tauchte das Übergewicht auf.

So wies etwa der Politiker Andreas Korp, in der Regierung Renner Staatssekretär für Volksernährung, 1950 in einer Ansprache an die österreichischen Frauen auf die veränderte Einstellung bezüglich der Kalorienfrage hin. Während 1945 der Großteil der Bevölkerung von virulenter Sorge um genug Kalorien beherrscht worden sei, würden nun, fünf Jahre später, nur noch jene auf Kalorien achten, „die schlanker werden möchten“.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rückten denn auch in Österreich Fragen der Überernährung bzw. der „gesunden Ernährung“ in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die Erinnerungen an den Hunger wirkten zwar noch lange nach, wurden aber allmählich von der Erkenntnis, dass „rund“ durchaus auch „ungesund“ sein kann, überlagert.

Onlinedokument der Österreichischen Mediathek zur Geschichte der Ernährung in Österreich

Durchschnittliches Kalorienangebot in Österreich 1947-2018 (Graphik-Link)

„Hat’s dir denn nicht geschmeckt?“

Vor allem jener Generation, die den Krieg bewusst miterlebt hat, war schwer zu vermitteln, dass die Aufnahme deftiger Nahrungsmittel zwar eine gute Idee in Zeiten des Mangels war, wenn man danach lange nichts mehr bekommen hat und große körperliche Anstrengung aushalten musste, in Zeiten der Wirtschaftswunderjahre aber zum Problem wurde. Man saß untertags im Büro und am Abend vor dem Fernseher, das Schnitzel wurde trotzdem doppelt in Schmalz herausgebraten, und die süße „Nachspeis“ gehörte dazu wie das Amen im Gebet. Wer nach dem Sonntagmittagessen nicht kurz vor dem Kollaps stand, musste sich die Frage gefallen lassen: „Hat’s dir denn nicht geschmeckt?“

Im Zeitraum zwischen 2014 und 2020 standen Menschen weltweit laut FAO im Schnitt 2.982 Kilokalorien pro Tag im Schnitt zur Verfügung:

USA: 3.891

Österreich (2018): 3.695

Europa: 3.511
Südamerika: 3.111
Asien: 3025
Afrika: 2.602

Am Heiligen Abend war es in vielen Regionen Österreichs übrigens noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Brauch, bescheiden zu essen, etwa eine Stosuppe mit Rahm und Erdäpfeln. Das dürfte sich geändert haben, wenn man sich die Festtagsangebote der Supermärkte anschaut.

Und, ja: 100 Gramm Vanillekipferl haben mehr als 400 kcal. Zur Erinnerung: Das ist so viel, wie Menschen in Frankreich Mitte des 18. Jahrhunderts nach dem Grundumsatz insgesamt zur Verfügung hatten. Und, Hand aufs Herz: Bei Vanillekipferln ist es schwer, aufzuhören. Die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung lautet: Normalgewichtige Männer von 25 bis 50 Jahren brauchen 2.300 bis 3.000 kcal täglich und Frauen 1.800 bis 2.400 kcal. Da geht sich sogar ein halbes Kilo Vanillekipferl aus. Wenn man sonst nichts mehr isst.

ORF IN EIGENER SACHE: Die erste Staffel des multimedialen Prestigeprojekts „Österreich – die ganze Geschichte“, das durch Schwerpunkte in Hörfunk und online begleitet wird, ist in Doppelfolgen am 27., 28. und 29. Dezember sowie am 2. und 3. Jänner 2024 jeweils ab 20.15 Uhr in ORF III zu sehen.

Außerdem ist die Produktion als Livestream bzw. nach der TV-Ausstrahlung als Video-on-Demand in der ORF-TVthek abrufbar.

Bereits seit 8. Dezember gibt es dazu auf allen gängigen Plattformen wie etwa der ORF-Sound-App, Apple iTunes und Spotify einen begleitenden Podcast (20 Folgen à 20 Minuten).

Links:

FAO-Studie zur Nachkriegszeit
Aktuelle FAO-Studie zur Ernährungssicherheit weltweit
Ernährung in Oberösterreich im späten 19. Jahrhundert
Ernährungsgeschichte (Österreichische Mediathek)
„Profil“-Artikel über die „Hungerjahre“

Im Kreise der Familie: Deutsche Polit-Legende Wolfgang Schäuble gestorben

Der frühere deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Der CDU-Politiker sei am Dienstagabend im Alter von 81 Jahren im Kreise seiner Familie zu Hause gegen 20 Uhr friedlich eingeschlafen, teilte die Familie am Mittwoch mit.

Manche nannten ihn Strippenzieher, andere graue Eminenz oder auch Sphinx, weil er so schwer zu durchschauen war. Unbestritten ist mit Wolfgang Schäuble eine der herausragenden Karrieren in der bundesdeutschen Geschichte verbunden. Daran änderte auch ein Attentat eines Verwirrten im Oktober 1990 nichts, das Schäuble in den Rollstuhl zwang.

„Ewiger Abgeordneter“ im Parlament
Schäuble, dessen Vater Karl schon für die CDU im Badischen Landtag saß, hat viel erreicht in seinem Leben. Er war Chef des Kanzleramtes, zweimal Innenminister, Finanzminister, er führte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, stand schließlich dem Deutschen Bundestag als Präsident vor. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er, als „ewiger Abgeordneter“ wurde er mitunter tituliert. 1972 war er erstmals ins „Hohe Haus“ eingezogen, dem er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod am Dienstagabend angehörte. Die Wegbegleiter hatten es nicht immer leicht mit dem Badener.

Kanzler Helmut Kohl macht Schäuble 1984 zum Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 dann zum deutschen Innenminister. Schäuble handelt nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus und gehört mit zu den Architekten der Wiedervereinigung. Als Chef der Unionsfraktion sichert Schäuble von 1991 bis 2000 Kohls Regierungsmacht ab. Zur Bundestagswahl 1998 tritt Kohl noch einmal an, benennt aber Schäuble zu seinem Wunschnachfolger zu einem späteren Zeitpunkt. Dazu sollte es nicht kommen. Die Union verliert die Wahl. Schäuble wird aber Parteichef.

Spendenaffäre führt zu Bruch mit Kohl
Schon bald danach erschüttert eine Spendenaffäre die CDU. Sie kostet Kohl den Ehrenvorsitz, die Turbulenzen erfassen aber auch Schäuble. Unter dem Druck immer neuer Enthüllungen über eine Barspende in Höhe von 100.000 Mark vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber gibt Schäuble im Februar 2000 den Vorsitz von Partei und Fraktion auf. Es kommt zum Bruch mit seinem einstigen Freund und Förderer Kohl. Der Riss lässt sich nie wieder kitten. Schäubles jüngerer und 2013 verstorbener Bruder Thomas, einst Innenminister von Baden-Württemberg, sagt später dazu: „Ich verabscheue Herrn Kohl. Und ich kann da für die ganze Familie sprechen.“

Ohne Schäuble wäre die Karriere von Angela Merkel womöglich anders verlaufen. Nach dem Abgang Kohls vom Parteivorsitz macht der neue CDU-Chef Schäuble die vormalige Ministerin zur Generalsekretärin. Als der Strudel der Spendenaffäre auch Schäuble mitreißt, spült die Parteibasis Merkel an die Parteispitze. Als Kanzlerin beruft sie 2005 Schäuble erneut zum Innenminister, 2009 dann zum Finanzminister. In der Griechenland-Krise treten unterschiedliche Meinungen beider zutage, Merkel hält aber an ihrem Finanzminister fest, auch als er bei einem Krisentreffen zur Euro-Rettung aus gesundheitlichen Gründen ausfällt. Auf der Haben-Seite als Finanzminister steht die „schwarze Null“, also ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden.

Trotz gelegentlicher Differenzen steht Schäuble loyal zu Merkel. Zum Ende ihrer Amtszeit hat er Lob und ein wenig Kritik für sie parat. Im Wahlkampf erklärt er im „Tagesspiegel“, dass er in Merkels Entscheidung, 2018 den CDU-Vorsitz abzugeben, einen Grund für das „enge Rennen“ zwischen Union und SPD sieht. Auf der anderen Seite lobt er bei eine Veranstaltung des Nachrichtenportals „The Pioneer“: „Angela Merkel hat uns in 16 Jahren mit unglaublichen disruptiven Veränderungen Stabilität gesichert. Das ist eine große Leistung.“ Schäuble würdigt ihre Bescheidenheit, lässt aber auch durchblicken, dass er sich gelegentlich entschlossenere Führung gewünscht hätte.

Zog sich 2021 aus Führungsgremien zurück
Wenngleich die Zeit des Parteivorsitzes nur kurz war, bleibt Schäuble einer der einflussreichsten Politiker in seiner Partei und mischt in den Spitzengremien mit. Im Krimi um die Kanzlerkandidatur 2021 schlägt er sich auf die Seite des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet, der das Rennen gegen CSU-Chef Markus Söder gewinnt, jenes um das Kanzleramt aber verliert. Erst nach der von der Union verlorenen Bundestagswahl 2021 zieht sich Schäuble aus den Führungsgremien zurück.

Mit 45-jähriger Parlamentserfahrung wird Schäuble 2017 zum Bundestagspräsidenten gewählt, es ist das zweithöchste Amt in der Bundesrepublik. Darüber steht nur das des Bundespräsidenten. Auch dafür wurde Schäuble mehrmals gehandelt, es fehlte wohl die nötige Unterstützung Merkels. Als Bundestagspräsident steht Schäuble zwei großen Herausforderungen gegenüber. Beim Umgang mit einer starken AfD-Fraktion wählt er klare Worte, aber keinen zu rauen Ton. Erfolglos bleibt hingegen sein Bemühen um eine Wahlrechtsreform, um die weitere Aufblähung der Abgeordnetenzahl zu verhindern. Er scheitert im Wesentlichen an den eigenen Reihen.

Anders als die Kanzlerin steigt Schäuble 2021 nach dem Machtverlust der Union nicht aus der Politik aus und kandidiert erneut für den Bundestag, dem er schon fast ein halbes Jahrhundert angehört. In seinem Wahlkreis Offenburg holt er wieder das Direktmandat. Dem Vorbild anderer CDU-Politiker wie Peter Altmaier oder Annegret Kramp-Karrenbauer, die auf ihr gewonnenes Mandat zugunsten von Jüngeren verzichten, folgt Schäuble nicht. Er wolle das Mandat wahrnehmen, und zwar über die volle Wahlperiode, sagt ein Sprecher.

Schäuble bleibt einfacher Abgeordneter. Als Alterspräsident – nach einer Regeländerung zuungunsten der AfD ist das nun jener Politiker mit den meisten Jahren im Bundestag – eröffnet Schäuble die erste Sitzung und wirbt für offenen Diskurs und selbstbewusste Abgeordnete. Schäuble sah sich als „Parlamentarier mit Leib und Seele“, wie er selbst einmal sagte.

RUSSLAND – UKRAINE

Newsticker

DIE NACHT IM ÜBERBLICK – Ukraine

ROUNDUP: Opfer durch Angriff auf Bahnhof von Cherson – Die Nacht im Überblick

KIEW/CHERSON (dpa-AFX) – Russland hat in der Südukraine nach offiziellen Angaben den Bahnhof der Stadt Cherson beschossen. Zum Zeitpunkt des Angriffes hätten dort viele Zivilisten auf einen Evakuierungszug gewartet, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Die Zahl der Toten und Verletzten werde noch ermittelt. Der ukrainische Innenminister, Ihor Klymenko, schrieb derweil auf Telegram von einem getöteten Polizisten und zwei weiteren Verletzten. Die Behörden teilten mit, dass mehr als 100 Zivilisten nun mit Bussen aus der frontnahen Stadt hinaus und in Sicherheit gebracht werden sollen.

Cherson ist die Hauptstadt des gleichnamigen Gebiets Cherson im Süden der Ukraine. Kurz nach Kriegsbeginn vor fast zwei Jahren wurde sie von russischen Truppen besetzt, einige Monate später jedoch von den Ukrainern wieder befreit. Seitdem sind die Menschen in Cherson immer wieder heftigem Beschuss durch die russische Armee ausgesetzt, die weiterhin Gebiete auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses Dnipro kontrolliert.

Ukraine: Oberbefehlshaber gibt weitgehenden Rückzug aus Marjinka zu

Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj hat einen weitgehenden Rückzug seiner Truppen aus der völlig zerstörten Kleinstadt Marjinka im östlichen Gebiet Donezk eingeräumt. Die Streitkräfte befänden sich im nördlichen Teil, außerhalb von Marjinka seien neue Verteidigungslinien vorbereitet worden, sagte der General vor Journalisten in Kiew. Tags zuvor hatte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu die Eroberung der seit Februar 2022 umkämpften Stadt verkündet.

Neue russische Drohnenangriffe

Die südukrainische Hafenstadt Odessa sowie Cherson waren in der Nacht zum Mittwoch erneut Ziel russischer Kampfdrohnen. Die Flugabwehr in den beiden Städten trat in Aktion, Explosionen waren zu hören. Das russische Militär hatte die Drohnen über das Schwarze Meer anfliegen lassen.

Putin empfängt Staats- und Regierungschefs postsowjetischer Länder

Russlands Präsident Wladimir Putin empfing derweil in St. Petersburg Vertreter der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zu einem informellen Treffen empfangen. An einer Exkursion zum prächtigen Zarenschloss Peterhof und anderen Sehenswürdigkeiten nahmen unter anderem die Staats- und Regierungschefs von Belarus und jene der zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan teil. Vertreten waren bei dem traditionell zum Jahresende stattfindenden Treffen auch die beiden verfeindeten Südkaukasus-Staaten Armenien und Aserbaidschan.

Was am Mittwoch wichtig wird

Im Osten und im Süden der Ukraine halten die Kämpfe an. Laut ukrainischer Darstellung gibt es weiterhin auch Gefechte rund um die nun zumindest weitgehend von den Russen besetzte Kleinstadt Marjinka im Donezker Gebiet./haw/DP/stk

Finanznachrichten – Ukraine


Weitere Meldungen – Ukraine

Ukraine: Mehrere Drohnen-Angriffswellen abgewehrt

Russland hat ukrainischen Angaben zufolge in der Nacht auf Mittwoch mehrere Angriffswellen mit Drohnen gestartet. Wie die ukrainische Luftwaffe auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mitteilte, konnten 32 von insgesamt 46 Drohnen abgeschossen werden. Getroffen worden seien vor allem die Frontgebiete in der südlichen Region Cherson.

Bürgermeister Roman Mrotschko zufolge wurden dabei Schahed-Drohnen aus iranischer Produktion eingesetzt. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Ein 35-jähriger Mann starb nach Angaben der Behörden, als Trümmer einer abgeschossenenen Drohne auf sein Haus in der Region Odessa stürzten. Vier weitere Menschen, darunter ein sechsjähriges Kind, wurden verletzt.

Am Dienstag hatte Russland nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj den Bahnhof von Cherson kurz vor der geplanten Abfahrt eines Evakuierungszuges angegriffen. Die Stadt sei am Dienstagabend „massiv bombardiert“ worden, erklärte Innenminister Ihor Klymenko im Onlinedienst Telegram.

Auch Bahnhof beschädigt

Das Bombardement erfolgte, als etwa 140 Zivilisten und Zivilistinnen auf dem Bahnhof auf die Abfahrt eines Zuges warteten, mit dem sie aus der Stadt in Sicherheit gebracht werden sollten, ein Polizist wurde demnach getötet, zwei Zivilisten und zwei Polizisten wurden durch Splitter verletzt. Auch Selenskyj erklärte, zahlreiche Zivilisten seien zum Zeitpunkt des Angriffs auf dem Bahnhof gewesen.

Laut der ukrainischen Bahngesellschaft Ukrsalisnyzja wurden der Bahnhof und der Evakuierungszug beschädigt. Die Bahnstrecke sei jedoch weiterhin befahrbar. Cherson liegt am Fluss Dnipro und ist häufig Ziel russischer Angriffe, seit die Stadt im November 2022 nach monatelanger russischer Besatzung von den ukrainischen Truppen zurückerobert wurde.

Ukraine will mit Rückzug Kräfte sparen

Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj gab indes einen weitgehenden Rückzug seiner Truppen aus der völlig zerstörten Kleinstadt Marjinka im östlichen Gebiet Donezk bekannt. Die ukrainischen Streitkräfte befänden sich im nördlichen Teil, außerhalb von Marjinka seien neue Verteidigungslinien vorbereitet worden, sagte der General am Dienstag in Kiew.

Saluschnyj sagte weiter, der teilweise erfolgte Rückzug solle „nicht zu einem allgemeinen Aufschrei führen“. Am Vortag hatte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu die Eroberung der seit Februar 2022 umkämpften Stadt verkündet.

Gleichzeitig sprach Saluschnyj von der Möglichkeit, dass es den russischen Truppen gelingen würde, die nördlich von Donezk gelegene Stadt Awdijiwka in „zwei bis drei Monaten“ zu erobern. „Wir müssen uns nicht an eine bestimmte Siedlung klammern und eine Show oder Trauer darum veranstalten“, sagte er. Zwar werde die Verteidigung so lange wie möglich aufrechterhalten. Jedoch sei es Kiew wichtiger, die Soldaten für eine spätere Rückeroberung aufzusparen.

Norwegen und Finnland: Russische Artillerie nahe Grenze

Russland will indes nach Angaben des Rüstungskonzerns Rostec seine modernsten Artilleriesysteme bald an der Grenze zu Finnland und Norwegen stationieren. Die Tests der neuen selbstfahrenden Haubitzen Coalition-SV seien abgeschlossen, und die Massenproduktion habe bereits begonnen, sagt Rostec-Chef Sergej Tschemesow der staatlichen Nachrichtenagentur RIA. Bis Ende 2023 werde die erste Serienproduktion ausgeliefert.

„Ich denke, dass sie dort bald zum Einsatz kommen werden, denn Haubitzen dieser Klasse sind notwendig, um westliche Artilleriemodelle in der Reichweite zu übertreffen.“ Präsident Wladimir Putin hatte mit dem NATO-Beitritt Finnlands angekündigt, dass Russland seine Streitkräfte an den Westgrenzen des Landes verstärken werde.

NATO-Beitritt Schwedens nimmt weitere Hürde

Die für einen NATO-Beitritt Schwedens noch ausstehende Ratifizierung durch das türkische Parlament hat eine weitere Hürde genommen. Der zuständige Parlamentsausschuss in Ankara schickte am Dienstag das schwedische NATO-Beitrittsprotokoll zur Abstimmung ins Plenum, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Dort muss der Antrag Schwedens auf einen Beitritt zum westlichen Militärbündnis noch abgesegnet werden. Ein Zeitpunkt für die Abstimmung war noch nicht bekannt.

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Schweden im Mai 2022 gemeinsam mit Finnland die NATO-Mitgliedschaft beantragt. Finnland wurde Anfang April als 31. Mitglied im Bündnis willkommen geheißen. Damit auch Schweden aufgenommen werden kann, benötigt es noch die Zustimmung aus der Türkei sowie aus Ungarn. Die zwei Länder sind die beiden letzten NATO-Mitglieder, deren Parlamente die Beitrittsprotokolle für Schweden noch nicht ratifiziert haben.

D: Kretschmer ruft zu Waffenstillstand auf

Der Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), hat indes der ukrainischen Regierung für einen Waffenstillstand im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen einen vorübergehenden Gebietsverzicht nahegelegt. „Es kann sein, dass die Ukraine bei einem Waffenstillstand erst einmal hinnehmen muss, dass gewisse Territorien für die Ukraine vorübergehend nicht erreichbar sind“, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Mittwoch.

Nötig sei eine Kehrtwende in der Russland-Politik. „Russland ist unser Nachbar. Ein gefährlicher, unberechenbarer Nachbar“, sagte Kretschmer. „Die Vorstellung, Russland militärisch, politisch und wirtschaftlich so zu schwächen, dass es uns nicht mehr gefährlich werden kann, ist eine Haltung, die aus dem 19. Jahrhundert kommt. Sie legt das Fundament für weitere Konflikte.“ Kretschmer hat mit Äußerungen zum Ukraine-Krieg immer wieder Kritik auf sich gezogen. So warb der CDU-Politiker im November dafür, den Konflikt „einzufrieren“.

red, ORF.at/Agenturen

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ORF – Ukraine

BAHA NEWS – Ukraine

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n-tv- Ukrainekrieg im Liveticker

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ISRAEL – HAMAS

Newsticker

DIE NACHT IM ÜBERBLICK – Israel

ROUNDUP: Israels Armee: Krieg dauert viele Monate – Die Nacht im Überblick

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) – Während Israels Armee ihren Bodeneinsatz gegen die islamistische Hamas im mittleren und südlichen Gazastreifen ausweitet, gehen im Hintergrund die diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation weiter. Nach Einschätzung von Israels Generalstabschef Herzi Halevi werden die Kämpfe jedoch noch „viele Monate“ dauern. Es gebe „keine magischen Lösungen“. Auch die Hamas will weiterkämpfen. Ein Vorschlag Ägyptens zur stufenweisen Beendigung des Kriegs ist einem Medienbericht zufolge dennoch nicht vom Tisch. US-Präsident Joe Biden sprach derweil mit dem Emir von Katar über „die dringenden Bemühungen“ zur Freilassung aller Geiseln und eine Erleichterung der Hilfslieferungen nach Gaza, wie das Weiße Haus am Dienstag mitteilte.

Israels Armee: Gibt keine magischen Lösungen

Die Kämpfe in dem dichtbesiedelten und abgeriegelten Küstenstreifen würden in einem „komplexen“ Umfeld ausgetragen, sagte Halevi am Dienstagabend. „Der Krieg wird also noch viele Monate andauern, und wir werden auf verschiedene Weise vorgehen, damit der Erfolg über die Zeit erhalten bleibt“, erklärte der israelische Generalstabschef. „Es gibt keine magischen Lösungen oder Abkürzungen bei der grundlegenden Zerschlagung einer terroristischen Organisation, sondern nur einen beharrlichen und entschlossenen Kampf“, führte Halevi weiter aus.

UN besorgt über Israels Bombardierungen

„Wir werden auch an die Hamas-Führung herankommen, ob es nun eine Woche oder Monate dauert“, sagte Halevi. Israels Militär stehe kurz vor dem Abschluss der Zerschlagung der Hamas-Bataillone im nördlichen Gazastreifen. „Derzeit konzentrieren wir unsere Bemühungen auf den südlichen Gazastreifen – Chan Junis, die zentralen Lager und darüber hinaus“, sagte er. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Das UN-Menschenrechtsbüro zeigte sich zuvor besorgt über Israels fortgesetzte Bombardierungen im mittleren Gazastreifen.

Gazastreifen erneut ohne Internet

Seit Heiligabend seien allein in zwei Flüchtlingslagern 137 Menschen ums Leben gekommen, teilte das Büro am Dienstag unter Berufung auf Angaben der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ mit. Getroffen worden seien drei Flüchtlingslager. Alle Straßen zwischen den Lagern seien zerstört worden, was die Versorgung mit Hilfsgütern deutlich erschwere. Auch diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die Telekommunikationsdienste fielen nach Angaben im Westjordanland ansässiger palästinensischer Unternehmen erneut aus. Der Gazastreifen sei wieder von der Außenwelt abgeschnitten, hieß es.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Dienstag im „Wall Street Journal“ die Zerschlagung der Hamas und eine Entmilitarisierung Gazas als Bedingung für Frieden genannt. Er steht allerdings innenpolitisch unter Druck, die Freilassung aller Geiseln in Gaza zu bewirken. Bei einer mehrtägigen Feuerpause Ende November waren 105 Geiseln gegen 240 Palästinenser ausgetauscht worden.

Zeitung: Israel berät ägyptischen Vorschlag zur Deeskalation

Wie die Zeitung nun in der Nacht zum Mittwoch meldete, hat Netanjahus Kriegskabinett einen Vorschlag Ägyptens für eine stufenweise Beendigung des Kriegs an eine größere Gruppe Minister weitergeleitet. Israel sei bereit, die erste Phase des Vorschlags zu diskutieren, die während einer erneuten Feuerpause die Freilassung weiterer Geiseln im Austausch für palästinensische Häftlinge vorsieht, zitierte das „Wall Street Journal“ ein ranghohes Mitglied in Netanjahus Likud-Partei.

Israels Verteidigungsminister: Stehen vor Mehrfrontenkrieg

Nach den Worten von Israels Verteidigungsminister Joav Galant steht sein Land vor einem Krieg an gleichzeitig sieben Fronten. Gemeint sind damit Gaza und das Westjordanland, Libanon, Syrien, Irak, Jemen und der Iran. „An sechs dieser Fronten haben wir bereits reagiert und gehandelt“, sagte er nach Angaben der Zeitung „Times of Israel“ am Dienstag vor dem Außen- und Verteidigungsausschuss des Parlaments.

Erneut Angriffe auf Schiffe im Roten Meer

Israel wird nicht nur von der Hamas im Gazastreifen angegriffen, sondern seit Ausbruch des Gaza-Kriegs auch von den Huthi-Rebellen im Jemen. Zuletzt haben diese auch immer wieder Schiffe im Roten Meer attackiert – eine der für den Welthandel wichtigsten Schifffahrtsstrecken. Nach Angaben der proiranischen Gruppe vom Dienstagabend wurde nun ein weiteres Handelsschiff im Roten Meer angegriffen. Die Besatzung der „MSC United“ hätte mehrere Warnungen ignoriert. Ob es Verletzte oder Schäden gab, blieb zunächst unklar.

US-Militär schießt Drohnen und Raketen der Huthis ab

Das mit Israel verbündete US-Militär schoss derweil im Süden des Roten Meeres nach eigenen Angaben zwölf Angriffsdrohnen und fünf von den Huthi-Rebellen abgefeuerte Raketen ab. Dabei seien unter anderem Kampfflugzeuge einer US-Flugzeugträgergruppe im Einsatz gewesen, hieß es am Dienstag. Die Huthis hätten die Kamikaze-Drohnen, drei ballistische Anti-Schiffs-Raketen und zwei Marschflugkörper am Dienstag in einem Zeitraum von etwa zehn Stunden abgefeuert.

Feuerwechsel auch an Israels Nordgrenze

Am selben Tag hatten sich auch die Hisbollah-Miliz und die israelische Armee im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon wieder gegenseitig unter Feuer genommen. Die vom Libanon aus agierende und mit dem Iran verbündete Schiitenmiliz teilte mit, sie habe militärische Ziele in Israel beschossen und dabei „Volltreffer“ erzielt. Die israelische Armee schoss nach eigenen Angaben zurück.

Auslöser des Gaza-Kriegs war die Terrorattacke der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober. Sie brachten mehr als 1200 Menschen um. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 20 600 Menschen getötet wurden.

Was am Mittwoch wichtig wird

Israels Armee weiter die Bodeneinsätze im Süden des Gazastreifens aus. Die Lage der Zivilbevölkerung ist weiter katastrophal. Israels Kabinett wollte einem Medienbericht zufolge Ägyptens Plan für eine stufenweise Beendigung im erweiterten Ministerkreis erörtern./ln/DP/stk

Finanznachrichten – Israel

Weitere Meldungen – Israel  

ORF – Israel

Geiselfreilassung: Biden sprach mit Katars Emir

Während der Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas unerbittlich weiter tobt, werden im Hintergrund die diplomatischen Bemühungen um eine Freilassung der Hamas-Geiseln fortgesetzt. US-Präsident Joe Biden sprach darüber mit dem Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, gab das Weiße Haus gestern (Ortszeit) bekannt.

Sie hätten sich über „die dringenden Bemühungen um die Freilassung aller noch von der Hamas festgehaltenen Geiseln, darunter auch amerikanische Staatsbürger“, unterhalten. Weiteres Gesprächsthema waren demnach die laufenden Bemühungen, den Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu erleichtern.

Während einer auf Vermittlung Katars zustande gekommenen Feuerpause Ende November hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen, Israel im Gegenzug 240 palästinensische Häftlinge. Ein Entwurf Ägyptens für eine Beendigung des Krieges sieht unter anderem eine neue mindestens zweiwöchige Feuerpause vor.

Huthi-Miliz bekennt sich zu Attacke auf Schiff und auf Israel

Die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen hat sich gestern zu Angriffen auf ein Schiff im Roten Meer sowie auf Ziele im Süden Israels bekannt. Die Miliz erklärte, sie habe das Handelsschiff „MSC United“ attackiert und eine Reihe von Drohnen „gegen militärische Ziele“ in Südisrael eingesetzt.

Der britische Handelsschifffahrtsverband hatte zuvor Explosionen nahe dem jemenitischen Hafen Hodeida gemeldet. Ein durchfahrendes Schiff und dessen Besatzung seien jedoch in Sicherheit, das Schiff habe seine Fahrt unbeschadet fortgesetzt.

Huthi-Miliz sieht sich als „Achse des Widerstands“

Die israelische Armee wiederum hatte das Abfangen eines „feindlichen Luftzieles“ auf dem Weg nach Israel über dem Roten Meer gemeldet. Seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen Anfang Oktober hat die Huthi-Miliz wiederholt Schiffe vor der Küste des Jemen attackiert.

Die Huthi sehen sich als Teil der gegen Israel gerichteten selbst ernannten „Achse des Widerstands“. Dazu gehört neben der Hamas auch die schiitisch-islamistische Hisbollah-Miliz im Libanon.

US-Militär schoss Drohnen ab

Das US-Militär schoss im Süden des Roten Meeres nach eigenen Angaben zwölf Angriffsdrohnen und fünf von den Huthi-Rebellen ab. Dabei seien unter anderem Kampfflugzeuge vom Typ F/A-18 Super Hornet einer US-Flugzeugträgergruppe im Einsatz gewesen. Kein Schiff in dem Gebiet sei zu Schaden gekommen, und man habe keine Kenntnis von Verletzten, erklärte das US-Regionalkommando.

BAHA NEWS – Israel

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