Tagesblick – 31.10.2023 Dienstag

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FAZIT DES TAGES

Weiter eskalative Tendenzen im Nahen Osten, sich verfestigender Stellungskrieg in der Ukraine: Sitzt Russland auf dem längeren Ast?

Aufflammender Antisemitismus in Österreich. Gedämpfte Wirtschaftsaussichten für Österreich.

Nebstbei: Tagesblick gekürzt aus organisatorischen und Zeitgründen.

HELLMEYER

Nicht eingelangt

ÜBERSICHT

BAHA-News – Graphik-Link

Graphik-Link DAX Deutsche Börse

NACHBÖRSE/XDAX +0,1% auf 14.831 Pkt – Ruhiger Handel

MÄRKTE USA/Etwas fester – Zurückhaltung vor Fed-Entscheid

Aktien New York Schluss: Oktober-Ausklang mit fortgesetzter Erholung

US-Anleihen vor Fed-Entscheid wenig bewegt

ROUNDUP 2/Aktien Frankfurt Schluss: Inflation hilft Dax über 14 800 Punkte

Deutsche Anleihen: Kursgewinne – Inflation sinkt deutlich

Termine

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Marktumfeld

Saurenz über Inflation und Zinsen „‚Der Markt‘ liegt eigentlich seit 20 Jahren daneben“ – Kurzvideo

Anderthalb Jahre lang kämpfen Politik und Notenbanken gegen die hohe Inflation. Nun geht sie spürbar zurück. Finanzexperte Daniel Saurenz erklärt jedoch, warum das nicht unbedingt nur gute Nachrichten sein müssen. Bitcoin und Gold könnten derweil auf sich anbahnende Probleme hindeuten.

Geldanlage-Check „DAX könnte über Klippe in Chart-Abgrund stürzen“ – Kurzvideo

Zentralbanken

INTERNATIONAL

International migration flows to OECD countries and labour market outcomes of immigrants at record highs – OECD 

23/10/2023 – Permanent migration to OECD countries reached 6.1 million in 2022, a 26% increase compared with 2021, and its highest level since at least 2005. 15 out of the 38 OECD countries registered in 2022 their highest levels of permanent migration over the past 15 years. Rising labour migration was one contributing factor, as migrant workers have helped lower labour and skills shortages in OECD countries.

Asylum applications in the OECD were also at a record high. Over two million new applications were lodged in OECD countries in 2022, well above the previous record of 1.7 million in 2015 and almost twice the 2021 level. The rise was largely due to increased applications in the United States and Europe.

Russia’s war of aggression against Ukraine has resulted in millions of Ukrainian refugees in OECD countries. Germany and Poland are hosting the highest numbers in absolute terms, while Estonia, the Czech Republic and Lithuania are hosting the highest numbers of refugees from Ukraine as a share of their population.

“Permanent migration and asylum applications to OECD countries last year were at their highest levels on record, driven by increases in humanitarian and managed labour migration, along with accompanying family members. Driven primarily by the tightness of labour markets and significant labour and skills shortages in many OECD economies, labour market outcomes of migrants are also the best on record, with increases in both new labour migration and the employment rate of residents,” OECD Secretary-General Mathias Cormann said. “Employment rates increased for migrant men and for migrant women, but migrant mothers continue to face specific challenges. Specific measures would help boost their labour market participation, for example by facilitating early access to childcare services.”

Labour market prospects and integration of migrants have improved, in the context of tight OECD labour markets. The employment rate of migrants rose to 72.3% across OECD countries in 2022, catching up almost with that of the native-born population. Employment rates increased both for migrant men and for migrant women.

The increases in new labour migration and the employment rate of resident migrants are linked to widespread labour and skills shortages across OECD countries. This has pushed labour migration high on the policy agenda. Several countries, including Australia, Germany and Spain, are planning significant changes in their labour migration frameworks.

This year’s Outlook includes a special focus on the challenges facing immigrant women. In most OECD countries, the gender gap in migrant employment is twice as large as the gender gap among the native-born. Immigrant mothers face a disproportionate disadvantage, compared with both immigrant women without children and their native-born peers. On average across the OECD, the gap in employment rates between immigrant and native-born mothers is 20 percentage points.

The benefits of addressing gender issues in migrant integration are large. Reducing the immigrant gender gap in employment to that of the native-born in OECD countries would bring an additional 5.8 million immigrant women into employment. 

Working with over 100 countries, the OECD is a global policy forum that promotes policies to preserve individual liberty and improve the economic and social well-being of people around the world.

AMERIKA: USA, VENEZUELA, u.a.

ASIEN: CHINA, JAPAN u.a.

AUSTRALIEN

AFRIKA

ZENTRALASIEN

NAH-/MITTELOST: ISRAEL u.a.

EUROPA

DiFrankreich: Inflation verliert an Schwungdpa-AFX

DEUTSCHLAND

WAHLUMFRAGEN

WEITERE MELDUNGEN

DiÜBERBLICK am Morgen/Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
DiIfo-Institut: Weniger Unternehmen erwarten steigende PreiseDow Jones News
DiDeutsche Importpreise steigen im September um 1,6 ProzentDow Jones News
DiDeutschland: Einfuhrpreise fallen etwas weniger starkdpa-AFX
DiDeutscher Einzelhandel büßt Umsatz im September einDow Jones News
DiDeutschland: Umsatz im Einzelhandel fällt vierten Monat im Folgedpa-AFX

Deutsche Unternehmen stellen wieder mehr ein – Beschäftigungsbarometer des ifo Instituts steigt im Oktober gegenüber Vormonat um 0,4 Punkte

München (pte027/27.10.2023/13:52) – Trotz Rezession und konjunktureller Flaute ist die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen in Deutschland angesichts des Fachkräftemangels gestiegen. Das besagt das aktuelle Beschäftigungsbarometer des ifo Instituts. Dieses kletterte im Oktober auf 96,2 Punkte, nach 95,8 Punkten im September.

Viele Firmen zurückhaltend

„Die Unternehmen sind aber weiterhin zurückhaltend bei Neueinstellungen. Fehlende Neuaufträge wirken sich weiterhin negativ aus“, so ifo-Analyst Klaus Wohlrabe. Der in vielen Branchen bestehende Fachkräftemangel treibe die Unternehmen weiterhin um.

In der Industrie ist das ifo-Barometer erneut gesunken. Insbesondere die energieintensiven Branchen planen mit weniger Personal. Auch im Handel und Baugewerbe gibt es eine Tendenz zu weniger Mitarbeitern, wenn auch weniger stark ausgeprägt. Einzig die Dienstleister wollen verstärkt einstellen, wenn auch auf einem niedrigen Niveau – allen voran IT und Touristik. (Ende)

ÖSTERREICH

STATISTIK AUSTRIA

WAHLUMFRAGEN

WEITERE MELDUNGEN

Österreichs Industrie mit gedämpften Erwartungen – Managementberatung Horváth identifiziert Prioritäten 2023/24 – Horvath Managementberatung / Pressetext, 27.10.2023

Wien (pts011/24.10.2023/10:45) – Die österreichische Industrie geht mit gedämpften Erwartungen ins kommende Jahr. Nur jedes dritte Konzernunternehmen erwartet höhere Umsätze, auch im Rückblick auf 2022 hat die Industrieproduktion hierzulande schwächer performt als im europäischen Vergleich. Das geht aus einer CxO-Studie der Managementberatung Horváth hervor, für die 50 Topmanager aus österreichischen Konzernen befragt wurden. http://www.horvath-partners.com

Cyber Security ist für Österreichs Industriekapitäne aktuell das drängendste Thema. Jedes vierte Industrieunternehmen wurde der Umfrage zufolge in den vergangenen 12 Monaten Opfer einer Cyberattacke, das Risikobewusstsein für entsprechende Abwehrmaßnahmen ist daher hoch. Auf Platz zwei und drei der Prioritätenliste folgen Nachhaltigkeits- und Personalfragen. Nachhaltigkeitsthemen misst man in Österreich insgesamt eine höhere Priorität zu als im restlichen Europa.

Weit oben auf der strategischen Agenda der Vorstände und Geschäftsführer stehen weiterhin Digitalisierung und – in der aktuellen wirtschaftlichen Situation wenig überraschend – die Verbesserung der Kostenstruktur und Liquidität. „In Zeiten steigender Finanzierungskosten und voller Lagerhäuser sehen wir jetzt eine stark gesteigerte Nachfrage nach Working Capital Optimierungen bei unseren Kunden“, so Horváth Industrie-Experte und Partner Christoph Kopp.

M&A-Aktivitäten liegen dagegen im Augenblick weit abgeschlagen am Ende der Prioritätenliste. Damit ist ein ruhiges Jahr für Unternehmenskäufe und -verkäufe vorhersagbar. In aller Munde, aber ebenfalls am Ende, rangiert das Thema Diversität und Inklusion – mit etwas mehr Fokus in Österreich als im restlichen Europa.

Umsatzentwicklung schwächelt

Für die Studie „CxO Priorities 2023“ hat Horvath im Frühsommer über 400 Vorstände und Geschäftsführer in der Dienstleistungs- und Fertigungsindustrie befragt, davon waren etwa 50 aus Österreich. Die Ergebnisse zeigen, dass heimische Konzerne schwächer performen als jene im übrigen Europa, das gilt für das Jahr 2023 ebenso wie in der Vorschau auf 2024. Nur ein Drittel der befragten Konzernlenker in Österreich erwarten höhere Umsätze für 2023 und für 2024, im übrigen Europa sind es die Hälfte. Treiber der Umsatzsteigerungen sind vor allem steigende Preise.

Immerhin die Hälfte der befragten Unternehmen erwarten 2023 eine steigende EBIT-Marge, wobei die Profitabilitätseinschätzungen zwischen den Branchen stark divergieren – die produzierende Industrie ist tendenziell am pessimistischsten, Versicherungen und Energieversorger sind am optimistischsten.

Regionalisierung im Trend

Auch ein weiteres Ergebnis überrascht: Während europäische Unternehmen, allen voran die Automobil-Industrie, aber auch Maschinen- und Anlagenbau, eine stärkere Regionalisierung anstreben – sprich Wertschöpfung stärker regional nach Weltregionen im Sinne local-for-local anstatt global aufstellen – ist dieser Trend bei den österreichischen Unternehmen deutlich weniger ausgeprägt. Damit verwundert auch nicht, dass die europäischen Konzerne in Zukunft neues Personal vor allem in Indien, China sowie dem übrigen Asien, Nordamerika sowie Osteuropa aufbauen wollen (jeweils 40 bis 50 Prozent der befragten Unternehmen), während sie in West- und Südeuropa Arbeitskräfte reduzieren (rund 30 Prozent).

Die Gründe für die zunehmende Verlagerung von Wertschöpfung ins Ausland sind für Österreichs Industrieunternehmen die gleichen wie für den europäischen Raum, allerdings werden die hohen Personalkosten mit 35 % und der zunehmende Arbeits- und Fachkräftemangel mit 27 % von Österreichs Top-Managern noch öfters genannt als anderswo. Als weitere Gründe für die Regionalisierung folgen Kundennähe (26 %) sowie Regulatorik (17 %).

Fachkräftemangel als Herausforderung

Und wie begegnet man dem zunehmenden Fachkräftemangel? Hier sind die Rezepte der europäischen und österreichischen Top-Manager gleich: Die Top 3-Maßnahmen sind flexiblere Arbeitszeitmodelle, adäquate Unternehmenskultur sowie Leadership. Nur mit Geld sind keine Mitarbeiter zu holen oder zu halten – nur sechs Prozent der befragten Unternehmen in Österreich und in Europa zahlen überdurchschnittliche Gehälter als Antwort auf den Personalmangel.

Unterschiede zu DACH-Region

Knapp 50 Top-Manager aus österreichischen Unternehmenskonzernen mit mindestens 1000 Mitarbeitern und über 1 Milliarde Euro Umsatz haben an der CxO-Befragung von Horváth teilgenommen, die meisten davon aus der Bauindustrie (26 %), Finanzindustrie (19 %), Konsumgüter- (15 %) und Industriegüterproduktion (11 %). Die Managementberatung identifizierte dabei 13 strategische Prioritäten. Auffällig in den Ergebnissen ist, das sich Österreichs Führungskräfte insgesamt deutlich pessimistischer hinsichtlich ihrer Wirtschaftsaussichten geäußert haben als ihre Wettbewerber in Deutschland und der Schweiz.

Über Horváth
Horváth ist eine international tätige, unabhängige Managementberatung mit Hauptsitz in Stuttgart. Das Unternehmen beschäftigt über 1.350 hochqualifizierte Berater*innen an Standorten in Deutschland, Österreich, Italien, Rumänien, der Schweiz, Ungarn, Dänemark, USA, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Kunden werden von der betriebswirtschaftlichen Konzeption bis zur Verankerung in Prozessen und Systemen begleitet. http://www.horvath-partners.com (Ende)

Aussender:Horváth Managementberatung
Ansprechpartner:Dr. Stefan Bergsmann
Tel.:+43 1 51275080
E-Mail:sbergsmann@horvath-partners.com
Website:www.horvath-partners.com

Unicampus mit antisemitischen Parolen beschmiert – ORF, 30.10.2023

Mehrere Hauswände auf dem Campus der Universität Wien wurden am Wochenende mit antisemitischen Parolen und Diffamierungen beschmiert. Auf dem Campus befindet sich auch das Institut für Judaistik, das zuletzt ebenfalls bereits Ziel antisemitischer Botschaften war.

Die Universität Wien verurteilte via Postings in sozialen Netzwerken die aktuellen Beschmierungen, Antisemitismus und die Verharmlosung von Terror. Von einer Sprecherin der Universität Wien hieß es zudem, dass Anzeige erstattet worden sei.

Uni ließ Graffiti entfernen

An der Entfernung der antisemitischen Parolen werde seit Montagfrüh gearbeitet. Die Sicherheitsvorkehrungen für das Institut für Judaistik würden ein weiteres Mal verstärkt. Inhaltlich gleichen die antisemitischen Parolen auf dem Campus dem, was in den vergangenen drei Wochen bei Demonstrationen von Gruppen zu hören und zu sehen war, die sich selbst als palästinensisch bezeichnen.

Alon Ishay, der Vertreter der jüdischen Studierenden, wünscht sich aber von den österreichischen Universitäten generell mehr. Die Universitäten müssten auf solche Vorfälle reagieren, forderte Ishay. „Sie müssen ein ganz klares Zeichen setzen, dass solche antisemitischen Diffamierungen und Schuldkultthesen an Universitäten in Wien oder in Österreich keinen Raum haben kann.“

Krieg in Nahost: Sorge unter jüdischen Studierenden nach antisemitischen Beschmierungen – Der Standard, 30.10.2023

Auch in Österreich mehren sich Vorfälle, zuletzt an der Uni Wien. Diese hat die Beschmierungen bereits entfernen lassen und Anzeige erstattet

Die Aufforderung der Hamas wurde gehört: Nachdem die palästinensische Terrororganisation erneut zu Protesten von Palästinensern, Arabern und Muslimen allgemein aufgerufen hatte, kam es am Wochenende weltweit zu propalästinensischen Demonstrationen.

In Dagestan stürmte eine Menschenmenge nach der Landung einer Maschine aus Israel am Sonntagabend gar den Flughafen der Hauptstadt der russischen Republik. Angreifer rannten laut Medienberichten auf das Rollfeld und erklommen das Dach des Flughafens von Machatschkala. Im Onlinenetzwerk Telegram veröffentlichte Videos zeigen, wie Männer Zäune durchbrechen, Türen im Terminal eintreten und versuchen, Autos beim Verlassen des Flughafens auf israelische Staatsbürgerinnen und -bürgern zu kontrollieren. 20 Menschen wurden dabei laut Angaben der dortigen Behörde verletzt. Dagestan ist eine vorwiegend muslimische Region im Nordkaukasus im südlichen Teil Russlands.In zahlreichen arabischen Ländern gab es Solidaritätsbekundungen für die Palästinenser, darunter im Irak, in Jordanien, in Tunesien und in Malaysia. In der Türkei fand ebenso eine Demonstration statt, mehrere Hunderttausend Menschen kamen türkischen Medienangaben zufolge zu der Kundgebung in Istanbul. Geladen hatte der Staatspräsident persönlich. Recep Tayyip Erdoğan stellte sich dabei nicht nur klar auf die Seite der Bevölkerung im Gazastreifen, sondern auch auf die der dort herrschenden radikalislamischen Hamas. Schon zuvor hatte Erdoğan gesagt, die ursprünglich aus der aus Ägypten stammenden Bewegung der Muslimbruderschaft hervorgegangene Hamas sei keine Terrororganisation – als solche wird sie vorwiegend im Westen, darunter in der EU und in den USA bezeichnet –, sondern eine Gruppe von „Befreiern“, die für ihr Land kämpfe.

Demos auch in Europa, umstrittene Sprüche

Aber auch in vielen Teilen Europas gingen Menschen und dabei auch zahlreiche Nichtmuslime auf die Straße. In London forderten die Menschen den britischen Premierminister Rishi Sunak auf, sich für eine Waffenruhe starkzumachen. Die Demonstration war eine der größten in Europa, sie verlief weitgehend friedlich. Im Londoner Stadtzentrum riefen allerdings einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer erneut die umstrittene Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“. Der Slogan meint das Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer und bekräftigt den Anspruch auf jenes Territorium, auf dem sich der Staat Israel befindet. Die britische Innenministerin Suella Braverman hatte den Slogan bereits zuvor als antisemitisch kritisiert und erklärt, er werde von vielen als Aufruf zur Zerstörung Israels verstanden. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte zuletzt in den Raum gestellt, dass das Skandieren des Slogans „Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein“ strafrechtlich verboten werden könnte.

Kundgebungen wurden unter anderem auch aus Kopenhagen, Rom und Stockholm gemeldet. In Frankreich verboten einige Städte Demonstrationen aus Furcht vor Eskalationen, in Paris und Marseille fanden Kundgebungen statt. Tausende Menschen protestierten unter anderem auch in Berlin und München, wo Israel auf hochgehaltenen Plakaten und skandierten Sprüchen Völkermord vorgeworfen wurde. Auch in der US-Staat New York und in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington marschierten Menschen mit palästinensischen Flaggen und Plakaten mit der Aufschrift „Free Palestine“.

Vorfälle in Österreich

In Österreich demonstrierten am Samstag 700 Menschen in Bregenz: Die Aktion unter dem Motto „Freiheit für Palästina“ verlief der Polizei zufolge „laut, aber friedlich“. Drei Anzeigen erfolgen demnach wegen des Vermummungsverbots, zwei wegen aggressiven Verhaltens. Eine Anzeige erging wegen des Verdachts auf Verhetzung nach einer entsprechenden Parole. Die Kundgebung war von der Sozialistischen Jugend Vorarlberg (SJV) veranstaltet worden, sie wurde am frühen Nachmittag vorzeitig beendet. Von der SJV selbst nahm schlussendlich nur eine Handvoll Personen teil, hieß es seitens der Polizei.

Zuletzt hatte die SJV mit einem Posting auf Social Media für Aufregung gesorgt. In dem auch von der eigenen Partei scharf kritisierten Posting hatte die SJV einen „erbarmungslosen Krieg gegen die gesamte palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen beklagt“, ihre Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung bekundet, ohne das Massaker der Hamas, das dem jetzigen Krieg voranging, zu verurteilen oder überhaupt zu erwähnen.

Auch in Salzburg kamen – zum ersten Mal in dem Bundesland – am Samstag 200 Personen in der Altstadt zusammen, um ihre Solidarität mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Gazastreifens zum Ausdruck zu bringen. Polizeiangaben zufolge blieb der Protest ruhig. In anderen Bundesländern hat es bereits eine Reihe von propalästinensischen Veranstaltungen gegeben, einige waren vorab nach behördlicher Überprüfung verboten worden – unter anderem aufgrund der besagten „Free, free Palestine, from the river to the sea“-Parole.

Beschmierungen an der Universität Wien

Am Sonntag stellte die Vertretung der jüdischen Studierenden in Österreich, die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JÖH), Bilder von antijüdischen Beschmierungen auf dem Campus der Universität Wien auf den Social-Media-Kanal X, vormals Twitter: Auf den Fotos sind Sprüche an einigen Wänden des Universitätsgeländes zu sehen, bei denen Israel auf Deutsch und Englisch „Apartheid“ sowie „Genozid“ vorgeworfen wird. Auch die in Deutschland ebenfalls zuletzt öfter skandierte Losung „Free Palestine from German guilt“, übersetzt: „Befreit Palästina von deutscher Schuld“, wurde an mehrere Stellen gemalt und dabei um „österreichische Schuld“ erweitert. Mit diesem bereits seit 1946 bekannten Propagandabegriff wurde in der Vergangenheit gefordert, einen „Schlussstrich“ unter die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit und die deutsche respektive österreichische Verantwortung für ihre Verbrechen zu ziehen. Nun wird gefordert, den Nahostkonflikt losgelöst von der historischen Verantwortung Deutschlands und Österreichs zu bewerten.

Die JÖH kritisierten „die antisemitischen Diffamierungen“ sowie „Schuldkult und Entlastung, wie man ihn sonst nur von Neonazis kennt“. „Jüdische Studierende fühlen sich an Universitäten zurzeit nicht sicher“, heißt es zudem vonseiten der Studierendenvertretung. Das 96.000 Quadratmeter große Campusgelände des ehemaligen Allgemeinen Krankenhauses in der Nähe des Zentrums beherbergt 16 Institute, das Hörsaalzentrum mit zwei Hörsälen, zahlreiche Serviceeinrichtungen für Studierende sowie Geschäfte, Büros und Gastronomiebetriebe. Aus dem Pressebüro der Universität Wien heißt es, die Beschmierungen seien „unmittelbar entfernt“ worden, zudem habe man Anzeige erstattet. Pressesprecherin Cornelia Blum sagte am Montag im Gespräch mit dem STANDARD, dass die Universität dazu aufrufe, derartige Vorfälle zu melden, denn: „Antisemitismus hat keinen Platz an der Universität Wien.“

Sorgen jüdischer Studierender

Es handle sich um den zweiten diesbezüglichen Vorfall seit dem Terrorangriff der Hamas in Israel am 7. Oktober: Beim ersten wurden beim Institut für Judaistik, das ebenfalls auf dem Campus beheimatet ist, laut Blum bereits antisemitischen Sprüche aufgemalt. Aufgrund von Sicherheitsbedenken von Studierenden sowie Mitarbeiterinnen des Instituts habe die Universität schon infolge der Gewalt am 7. Oktober – zusätzlich zum ohnehin immer vorhandenen Sicherheitspersonal auf dem Campus – weitere Security zur Verfügung gestellt: Die eine Person an der Judaistik sei jetzt um eine weitere aufgestockt worden.

Alon Ishay, Präsident der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen, sagt im STANDARD-Gespräch, dass die Angst unter jüdischen Studierenden seit dem Hamas-Angriff in Israel auch in Österreich „stark gestiegen“ sei. Antisemitische Vorfälle hätten generell zugenommen, Universitäten seien darüber hinaus ein Ort, an dem man sich besonders viel mit Politik auseinandersetze, da „kommt man um das Thema Nahost nicht herum“. Und es sei schließlich davon auszugehen, dass jene Personen, die die antisemitischen Sprüche angebracht hätten, auf Israel nicht gut zu sprechen seien – und damit auch auf Jüdinnen und Juden, für die Israel auch als Schutzraum diene. „Wenn man sich die Vorfälle an Universitäten anschaut, dann sieht man, wohin das münden kann“, sagt Ishay mit Blick auf propalästinensische Bekundungen an amerikanischen Hochschulen. An einigen US-Unis würden sich Jüdinnen und Juden nicht aus ihren Studentenwohnheimen trauen, da sie „Angst vor ihren Kommilitonen und Kommilitoninnen haben“.Ishay sagt, Jüdinnen und Juden hätten in Österreich zwar „das Privileg“, dass sowohl die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) als auch die hiesige Regierung klare Beschlüsse gefasst hätten in Hinblick auf Israel-bezogenen Antisemitismus. Er würde sich jedoch, sagt er, wünschen, dass Lehrende mehr in die Verantwortung gezogen werden, etwa wenn es darum geht, antisemitische Vorfälle in ihren Lehrveranstaltungen „klar zu benennen, zu beantworten und zurückzuweisen“.

Zunahme antisemitischer Vorfälle

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hatte zuletzt aufgrund von einer Zunahme „antisemitischer und terrorverherrlichender Reaktionen“ auf die Verbrechen der Hamas in Israel eine Sonderauswertung der gemeldeten Vorfälle für den Zeitraum zwischen 7. und 19. Oktober 2023 in Auftrag gegeben. Gezählt wurden dabei ausschließlich jene, die in dieser kurzen Zeit verifiziert werden konnten. Das Ergebnis: In diesen ersten 13 Tagen seit dem Hamas-Überfall wurden insgesamt 76 antisemitische Vorfälle gemeldet. „Im Vergleich zu den im gesamten Jahr 2022 gemeldeten Vorfällen entspricht dies einer Steigerung um 300 Prozent“, hielt IKG-Generalsekretär und Leiter der Meldestelle, Benjamin Nägele, bei der Präsentation des Berichts fest. Als Beispiele führte er das Einschlagen einer Fensterscheibe eines koscheren Lebensmittelgeschäfts, Shoah-relativierende oder gar Shoah-glorifizierende Botschaften an Schulen sowie in sozialen Netzwerken an.

Juden und Jüdinnen in Österreich seien angesichts des wachsenden Antisemitismus sehr besorgt, manche hätten auch Angst, sagte IKG-Präsident Oskar Deutsch am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“: Weil „ein bisschen“ versucht werde, „den Krieg nach Europa und in die ganze Welt zu bringen. Aber wir werden uns nicht einschüchtern lassen.“ Das jüdische Leben funktioniere mittlerweile auch dank der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen wieder relativ normal. Jüngst wurde die Förderung für die Israelitische Kultusgemeinde auf sieben Millionen Euro erhöht. „Wenn es so weitergeht, werden wir 100 Prozent dieses Geldes in Sicherheit stecken müssen“, so der IKG-Chef. Allein die jüdische Gemeinde in Wien gebe aktuell fünf Millionen Euro und damit 23 Prozent ihres Gesamtbudgets jährlich für Sicherheit aus.

Die Lage sei allerdings hierzulande „noch nicht so schlimm wie in anderen Ländern“. Die meisten Muslime in Österreich würden sich in der derzeitigen Situation relativ besonnen benehmen, betonte Deutsch. Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) sei „beruhigend unterwegs“. (Anna Giulia Fink, 30.10.2023)

KOMMENTARE – HINTERGRUND – ANALYSEN

Inside Austria: Antisemitismus – Spiegel, 24.10.2023

Eisenbahn: Vom Péage-Vertrag zum freien Wettbewerb – 30.10.2023

Die Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist ein interessantes Beispiel für die Entwicklung des Schienenverkehrs in Europa. Diese Länder haben im Laufe der Geschichte unterschiedliche Wege bei der Privatisierung und Liberalisierung des Eisenbahnsektors beschritten.

Die drei Staaten haben eine ähnliche Entwicklung hinter sich, jedoch war die Herangehensweise bezüglich privater bzw. staatlicher Verkehre und Infrastruktur sehr unterschiedlich. In Deutschland stemmte man sich viele Jahre hinweg gegen private Mitbewerber und in Österreich fuhren zu Beginn private Eisenbahngesellschaften reihenweise in die Pleite oder mussten notverstaatlicht werden.

Dennoch hatte es in der Alpenrepublik eine lange Tradition, dass auch alternative Anbieter die zumeist staatliche Infrastruktur gegen Gebühr nutzen dürfen. Bis zur Gründung der Westbahn, die zunächst zwischen Wien und Salzburg aktiv war, wurde dies aber nur äußerst selten tatsächlich in Anspruch genommen. Zusätzlich befeuert wurde dies auch davon, dass bedingt durch verschiedene EU-Verordnungen Privatunternehmen mittlerweile einen gesetzlichen Anspruch auf die Nutzung der Infrastruktur gegen angemessenes Entgelt haben. Selbstredend: Was angemessen ist und was nicht, da gibt es dann gerne Konflikte zwischen Staatsbahnen und privaten Anbietern.

Die Geschichte der Eisenbahnen in Deutschland

Die Anfänge des Eisenbahnverkehrs in Deutschland reichen bis in die Gründerzeit des 19. Jahrhunderts zurück. In dieser Zeit entstanden zahlreiche private Eisenbahngesellschaften, die den Aufbau eines Schienennetzes vorantrieben. Beispiele für solche Unternehmen sind die Bayerische Ludwigsbahn und die Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft. Doch im Laufe der Zeit begann die deutsche Regierung, die Eisenbahninfrastruktur zu verstaatlichen. Dieser Prozess begann im 19. Jahrhundert und wurde schließlich im 20. Jahrhundert mit der Gründung der Deutschen Reichsbahn und später der Deutschen Bundesbahn abgeschlossen.

Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Entwicklung. Ein herausragendes Beispiel ist die Hohenzollerische Landesbahn (HzL), die seit ihrer Gründung im Jahr 1869 ununterbrochen in privatem Besitz ist und den Schienenverkehr in Baden-Württemberg betreibt.

Die Situation in Deutschland heute

In Deutschland wurde der Schienenverkehr zunächst weitgehend verstaatlicht. Erst in den letzten Jahren gab es Bestrebungen, den Wettbewerb zu fördern und die Schiene für private Unternehmen zu öffnen. Die Zugangsmöglichkeiten zur Infrastruktur sind jedoch begrenzt, und private Eisenbahnunternehmen mussten mit Einschränkungen kämpfen.

Im Gegensatz zu Österreich war es privaten Eisenbahngesellschaften über eine sehr lange Zeit nicht gestattet die Infrastruktur der Bundesbahn bzw. Reichsbahn zu nutzen. Dies hat sich mittlerweile grundlegend geändert, denn die DB Netz AG muss gegen Entgelt Zugang gewähren.

Bekannte Beispiele für private Anbieter im Fernverkehr sind beispielsweise die Westbahn sowie Flixtrain. Im Nahverkehr sind mittlerweile eine ganze Reihe von Eisenbahngesellschaften aktiv, denn es handelt sich um bestellte Verkehre der Bundesländer, die ausgeschrieben und an den Bestbieter vergeben werden müssen. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Österreichischen Bundesbahnen die deutschen Verkehre von Go-Ahead übernehmen werden. Weiters sind die ÖBB innerdeutsch auch als Anbieter von Nachtzügen tätig.

Die Geschichte der Eisenbahnen in Österreich

Im Gegensatz zu Deutschland gab es in Österreich von Anfang an eine liberalere Politik in Bezug auf den Schienenverkehr. Bereits in der Gründerzeit konnten private Eisenbahngesellschaften die Gleise der staatlichen Eisenbahnen nutzen. Dies wurde durch sogenannte Péage-Verträge ermöglicht.

Auch in der Alpenrepublik war die Anfangszeit von vielen privaten Gesellschaften, die in den meisten Fällen ihre eigene Infrastruktur errichtet haben, geprägt. Dies nahm zum Teil absurde Ausmaße, die sich in der Vielzahl der Kopfbahnhöfe in Wien zeigte, an. Nahezu alle Anbieter errichteten im 19. Jahrhundert ihre eigenen Großbahnhöfe in der Hauptstadt und dabei spielte es auch keine Rolle, dass die Konkurrenz in unmittelbarer Nähe bereits eine Station hatte.

Aus heutiger Sicht wirkt es besonders absurd, dass der Süd- und Ostbahnhof (ursprünglich hatten beide andere Namen) direkt nebeneinander standen, aber keinerlei schienenmäßige Verbindung miteinander hatten. Die Situation des „doppelten Kopfbahnhofs“ wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht behoben, sondern allenfalls kaschiert. Dazu kommt, dass es nicht sonderlich weit entfernt davon mit dem Aspangbahnhof einen dritten Kopfbahnhof gab. Mittlerweile existieren die drei genannten Stationen nicht mehr. Mit dem Hauptbahnhof wurden durchgehende Zugverbindungen ermöglicht.

Eine ähnlich absurde Situation gab es bezüglich dem Nord- und Nordwestbahnof. Beide wurden von privaten Gesellschaften errichtet und waren nur wenige Schritte zu Fuß voneinander entfernt. Auch gab es jeweils einen getrennten Güterbereich, der durchaus groß war. Die Konkurrenzsituation führte dazu, dass am Nordwestbahnhof der Personenverkehr schon frühzeitig aufgegeben werden musste, jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg für etwa zehn Jahre reaktiviert wurde. Anschließend war der Nordwestbahnhof bis zu seiner endgültigen Schließung für viele Jahrzehnte ein reiner Güterbahnhof. Das ursprüngliche Gebäude des Nordbahnhofs war nach dem Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und wurde ähnlich wie die anderen Kopfbahnhöfe aus der Gründerzeit abgetragen. Damals wurde der Personenbetrieb dann an die heutige Stelle der Station Praterstern verlegt. Die Fracht blieb wo sie ist und konkurrierte weiterhin mit dem nahegelegenen Nordwestbahnhof, jedoch wurde das Nordbahnareal schon wesentlich früher aufgegeben und ist mittlerweile weitgehend verbaut.

Weitere Relikte aus der Zeit der privaten Eisenbahngesellschaften sind der Franz-Josefs-Bahnhof und der Westbahnhof. Die ursprünglichen Gebäude existieren schon sehr lange nicht mehr. Man hat diese aufgrund von Kriegsschäden nicht renoviert, sondern dem damaligen Zeitgeist nach abgerissen und neue Bauwerke errichtet. Ein Sonderfall ist der Nordwestbahnhof: Die Halle war schon vor dem Zweiten Weltkrieg eher eine Veranstaltungshalle als ein Bahnhof und nachdem der Personenbetrieb ein zweites Mal nach Wien-Nord verlagert wurde, benötigte man diese nicht mehr und riss das pompöse Gebäude ab. Anzumerken ist, dass man jegliche Investitionen unterlassen hat und entsprechend veraltet und abgewirtschaftet war der Bau zum Zeitpunkt des Abrisses.

Dem „Wildwuchs“ an Bahnhöfen und Eisenbahnstrecken versuchten die Behörden bereits zu Zeiten der Donaumonarchie einen Riegel vorzuschieben. Es war fast schon an der Tagesordnung, dass Gesellschaften mitten in Bauprojekten aus Geldmangel pleite gingen oder aber der Betrieb schlichtweg nicht kostendeckend war. Daraus resultierten dann Verstaatlichungen, wobei diese sich zunächst auf Strecken, die aus Sicht der kuk-Monarchie von strategischer Bedeutung waren, beschränkt haben. Später übernahm man so ziemlich alles, das noch in privater Hand war, jedoch konnten sich einige Betreiber über einen langen Zeitraum hinweg zur Wehr setzen und zumindest die Infrastruktur behalten.

Ein sehr bekanntes Beispiel hierfür ist die Südbahngesellschaft, die zuletzt als Donau-Save-Adria-Eisenbahngesellschaft aktiv war. Diese war vom Verlust vieler Strecken nach dem Ersten Weltkrieg, die sich nun im Ausland befanden, stark betroffen. Die diplomatische Aufteilung der Vermögenswerte zog sich über Jahrzehnte hin. Bis heute gibt es noch einige ehemalige Südbahn-Töchter, die noch immer im Firmenbuch eingetragen sind. Der Bahnbetrieb ist schon lange eingestellt und die sich in Österreich befindliche Infrastruktur befindet sich schon enorm lange im Eigentum der ÖBB.

Die EWA (Eisenbahngesellschaft Wien-Aspang) hielt zumindest als Infrastruktur-Eigentümer länger durch. Hintergrund ist, dass die touristische Schneebergbahn erhebliche Einnahmen beschwerte. Erst ab dem Jahr 1937 übernahmen die ÖBB zunächst nur den Betrieb und das N.S.-Regime löste dann die EWA auf bzw. gliederte diese gegen den Willen der Aktionäre in die Reichsbahn ein.

Nennenswert ist auch, dass die EWA zum Zeitpunkt des Streckenbaus in Niederösterreich regelrecht gezwungen wurde zwischen Sollenau und Wiener Neustadt einen Péage-Vertrag mit der Südbahngesellschaft abzuschließen. Eigentlich wollte man eigene Schienen legen und in Wiener Neustadt einen eigenen Bahnhof bauen. Dagegen stemmte sich aber die Regionalpolitik, denn man wollte einen „Wildwuchs“ wie in Wien vermeiden. Also arrangierte sich die EWA mit der Südbahn-Gesellschaft. Dieser Zustand hält, wenn gleich heute alles ÖBB ist, bis heute an.

Was ist ein Péage-Vertrag überhaupt?

Ein Péage-Vertrag ist eine Vereinbarung zwischen einem privaten Eisenbahnunternehmen und dem staatlichen Infrastrukturbetreiber, die es dem privaten Unternehmen ermöglicht, die Gleise und Einrichtungen des staatlichen Schienennetzes zu nutzen. Diese Vereinbarung regelt in der Regel die Gebühren, die das private Unternehmen für die Nutzung der Infrastruktur zahlen muss.

Derartige Vereinbarungen können sowohl von einem staatlichen Infrastrukturbetreiber mit einem privaten Eisenbahnunternehmen, das die Strecke nutzen will, als auch umgekehrt abgeschlossen werden. Die Staatseisenbahnen der Donaumonarchie sowie die spätere BBÖ, aus denen die ÖBB hervorgegangen sind, haben anfangs nach Möglichkeit nur den Betrieb übernommen. Die Schienen und Bahnhöfe sowie insbesondere deren kostenintensiver Unterhalt blieben zunächst in privater Hand und der staatliche Betrieb zahlte Nutzungsgebühren. Dieser Zustand hielt aber nicht lange an und ist spätestens seit 1942 nicht mehr üblich. Im Bereich von Landesbahnen, die rechtlich gesehen Privatbahnen sind, gibt es aber bis heute noch Ausnahmen. Historisch gesehen haben auch private Bahnen untereinander Péage-Verträge miteinander abgeschlossen.

Historisch gesehen: Ganz freiwillig hat man das ursprünglich nicht getan, aber es war eine Art erzwungenes Zugeständnis an die Politik. Diese wollte den Wildwuchs an Bahnhöfen und Schienen eindämmen, denn wo es schon zwei oder gar drei Trassen in die ungefähr gleiche Richtung gab, wollte man nicht, dass noch eine gebaut wurde und das Resultat dann ist, dass ein paar Jahre oder Monate später alle pleite sind, denn keiner verdiente ausreichend Geld. Mit den Péage-Verträgen konnte dem sinnbefreiten Errichten neuer Infrastruktur Einhalt geboten werden, aber der Niedergang der Eisenbahn in privater Hand war absehbar.

Der erste Péage-Vertrag in Österreich

Der erste Péage-Vertrag in Österreich wurde im Jahr 1841 zwischen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und der Kaiserlichen Privatbahn-Gesellschaft abgeschlossen. Dies ebnete den Weg für die Nutzung von Eisenbahnstrecken durch private Unternehmen und trug zur Entwicklung des österreichischen Eisenbahnnetzes bei.

Die Situation in Österreich heute

In Österreich gibt es immer noch zahlreiche private Eisenbahnunternehmen, die Péage-Verträge mit dem staatlichen Infrastrukturbetreiber, der ÖBB-Infrastruktur AG, abgeschlossen haben. Diese Vereinbarungen ermöglichen es privaten Betreibern, das Schienennetz für den Güter- und Personenverkehr zu nutzen und tragen zur Vielfalt und Konkurrenz im österreichischen Schienenverkehrssektor bei.

Anzumerken ist, dass es in Österreich auch zahlreiche Strecken gibt, die sich nicht oder nicht mehr im Eigentum der ÖBB befinden. Einige Routen gehörten auch nie den ÖBB, sondern stets privaten Anbietern bzw. Landesbahnen. Auch diese müssen Wettbewerbern gegen Entgelt Zugang zu ihrem Netz gewähren.

Einige Strecken, die von den ÖBB aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben wurden, sind entweder von Landesbahnen, Privatunternehmen oder aber eigens hierfür gegründeten Gesellschaften übernommen worden. In der Wachau bietet die NÖVOG touristische Verkehre auf ehemaligen ÖBB-Strecken an.

Nicht immer führt der Verkauf der Infrastruktur dazu, dass sich unter neuer Eigentümerschaft alles verbessert. Beispiele hierfür: Die Südburgenländische Regionalbahn, eine Tochtergesellschaft der Autoreisen Schuch, hatte im Jahr 1989 große Teile der Pinkatalbahn übernommen. Es gelang nicht diese dauerhaft wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben. Nach der Einstellung des Bahnbetriebs verkaufte man an das Land Burgenland, das Radwege errichten will. Die Südburgenländische Regionalbahn löste sich Ende 2022 freiwillig selbst auf.

Die Situation in der Schweiz

Die Schweiz hat eine einzigartige Herangehensweise an die Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs. Hier ist die Schieneninfrastruktur und der Betrieb weitgehend in staatlicher Hand. Private Eisenbahnunternehmen können jedoch Schienennetze nutzen, indem sie Gebühren an den staatlichen Infrastrukturbetreiber, die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), zahlen.

In der Schweiz werden die Gebühren für die Nutzung des Schienennetzes nach einem komplexen Tarifsystem berechnet. Die Kosten variieren je nach Streckenlänge, Nutzungszeit und Gewicht der Züge. Zum Beispiel zahlen private Anbieter pro Kilometer und pro Bahnhofsnutzung Gebühren an die SBB.

Die Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt, wie unterschiedlich Länder in Europa mit diesem wichtigen Verkehrssektor umgehen. Deutschland hat erst in den letzten Jahren begonnen, den Markt zu öffnen, während Österreich von Anfang an auf die Zusammenarbeit mit privaten Eisenbahnunternehmen setzte. Die Schweiz hingegen behält die Kontrolle über die Schieneninfrastruktur, ermöglicht aber dennoch private Beteiligung. Diese Vielfalt spiegelt die verschiedenen Wege wider, wie europäische Länder den Eisenbahnverkehr gestalten und die Bedürfnisse ihrer Bürger und Wirtschaftssektoren erfüllen.

UNTERNEHMEN

PORR rechnet mit anhaltender Baukonjunktur – Generaldirektor Karl-Heinz Strauss: „Mach‘ mir keine Sorgen über die Zukunft“ – Horvath Managementberatung / Pressetext, 30.10.2023 (inkl. Video)

Wien (pts017/30.10.2023/09:15) – Der Generaldirektor des börsennotierten Baukonzerns PORR AG, Karl-Heinz Strauss, ist zuversichtlich, dass die Bauindustrie auch in den nächsten Jahren boomt. Die Auftragsbücher seien voll, das betrifft Hoch- und Tiefbau ebenso wie Straßenbau, Bahn- und Infrastruktur, selbst der Wohnbau werde sich erholen. „Ohne Bauwirtschaft sind die Megatrends Urbanisierung, Mobilität, Bildungs- und Gesundheitsinfrastruktur nicht zu bewältigen“, so Strauss im Executive Talk mit Horváth Österreich-Geschäftsführer Stefan Bergsmann. Deshalb mache er sich über die Zukunft auch keine Sorgen. https://youtu.be/5kJ1dsfM47A

Strauss ist seit 2010 Generaldirektor der Unternehmensgruppe, die inzwischen über 20.000 Mitarbeiter beschäftigt und einen Jahresumsatz von sechs Milliarden Euro aufweist. In seiner Zeit als verantwortlicher Manager habe sich das Baugeschäft deutlich mehr verändert als in den 20 bis 30 Jahren davor, so der PORR-Chef. „Wir beschäftigen uns heute viel mehr mit Prozessen, Planung und Kalkulation, aber auch mit Gesetzen und Regularien. Nicht zu vergessen sind die Themen Nachhaltigkeit von Materialien, die Wiederverwertbarkeit, Lebenszyklen und Lieferketten. Man baut heute schneller, präziser und effizienter – eben im Sinne von Lean Construction.“

Wachstum in allen Bereichen

Trotz Zinswende, gestiegener Materialpreise und verschärfter Eigenkapitalvorschriften geht Strauss für sein Unternehmen weiterhin von einem Wachstum in allen Bereichen aus. Es sei ein Spezifikum der PORR, dass sie so breit aufgestellt ist. „Hochbau, Tiefbau, Straßenbau, Infrastruktur, Brückenbau, Bahnbau, Fassadenbau – wir können alles selbst. Wir haben uns auf sieben Heimmärkte konzentriert, das sind Österreich, Schweiz, Deutschland, Polen, Tschechien, Slowakei und Rumänien, in denen wir alles anbieten. Und das unterscheidet uns auch von den anderen.“

Der Wohnbau kämpft derzeit zwar mit hohen Zinsen und Materialpreisen sowie Inflation: „Die Lage ist aber nicht so schlecht, wie man es in den Zeitungen liest. Ich glaube, dass die Stimmung deutlich besser ist. Viele beginnen schon wieder mit den Kalkulationen, vor allem die gemeinnützigen Wohnbauträger. Auch wir kalkulieren derzeit für unsere Kunden so viel wie selten zuvor. Ob die Projekte dann allerdings realisiert werden, wird man sehen. Wir sind jedenfalls voll ausgelastet. Für 2024 schaut es auch im Wohnbau ganz gut aus, und alle anderen Bereiche funktionieren ja ohnehin extrem gut.“

Österreich als Europa-Player

Warum gerade die österreichische Baubranche europaweit überproportional stark vertreten ist, begründet der PORR-Chef mit der guten Ausbildung, den führenden Technischen Universitäten des Landes und den unternehmenseigenen Ausbildungsprogrammen vieler Baukonzerne. „Österreicherinnen und Österreicher waren auch immer bereit, ins Ausland zu gehen. Das nimmt zwar ein bisschen ab, wir haben dafür aber gute Headquarters und Niederlassungen.“ Ein weiterer Grund sei, dass Österreich schon allein durch seine Topografie alle Arten von Bautätigkeiten benötigt hat: „Tunnel, Brücken, Bahnbau in schwierigen Gegenden: Das ist natürlich ein Know-how, das wir heute in alle Welt verkaufen.“

Befragt nach dem eigenen Erfolgsgeheimnis, verweist Strauss auf die lange Geschichte des Baukonzerns, den es seit über 150 Jahren gibt. „Wir haben den Kaiser erlebt, den Ersten Weltkrieg, die große Depression, den Zweiten Weltkrieg und die Ölkrise.“ Auch die vielen Krisen der Gegenwart könnten der PORR nichts anhaben: „Mit unserem Know-how und unserer Kompetenz, und wenn wir uns auf das Bauen konzentrieren, brauchen wir uns keine Sorgen vor externen Einflüssen machen. Wir machen einfach unser Ding, und das machen wir weiterhin konsequent und professionell, dann haben wir nichts zu befürchten.“

Digitalisierung als Erfolgsgarant

Ein anderer wichtiger Baustein zum Erfolg sei es, Teil einer Familie zu sein. Das müsse man sich erst einmal verdienen, so Strauss: „Wir fordern Leistung, und wir leben nach Prinzipien, die für alle sehr offen und transparent sind. Es hilft zudem, Teil einer großen Familie zu sein, in der man eben nicht allein ist, und stolz sein kann, dazuzugehören. Das bringt viele Vorteile und führt dazu, dass wir im Vergleich zu anderen Bauunternehmen relativ wenig Fluktuation haben. Wir können da auf eine sehr gute Stammbelegschaft zurückgreifen – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ja das Fundament unserer Firma.“

Das gelte auch für die zentrale Frage der Digitalisierung. „Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verstehen, warum sie etwas anders machen müssen als bisher, dann werden sie das nicht gerne machen und oft auch nicht tun. Das heißt, wir müssen die digitalen Prozesse so gestalten, dass die operativen Leute abgeholt werden. Unser Geschäft passiert ja nicht in der Zentrale, in den Kalkulationsbüros, sondern auf der Baustelle. Unsere Operativen draußen müssen überzeugt werden, dass digitale Veränderungen etwas bringen und dabei helfen, ihre Ziele zu erreichen. Auf der Baustelle wird Geld verdient, aber auch Geld verloren.“

Jobs für Herz und Hirn

Optimistisch ist der PORR-Chef auch, was den Nachwuchs angeht. Er glaubt nicht daran, dass der Bauindustrie aufgrund der demografischen Entwicklung die Talente verloren gehen, aber ohne Zuzug von Arbeitskräften aus anderen Ländern wie Indien oder Pakistan werde es auch nicht gehen. Das Besondere am Bau sei es, und das habe sich geändert, dass alle Prozesse – von der Bauvorbereitung, über die Planung und Kalkulation bis zur Modellierung – digital durchgespielt werden. „Am Ende des Tages muss aber jemand das Loch machen, Beton einfüllen. Das heißt, alles was man konzipiert hat, entsteht auch tatsächlich. Man ist dabei und kann es angreifen, ist verantwortlich für das Ergebnis. Und das fasziniert junge Leute.“

Über die PORR Group
Innovationskraft für Spitzenleistungen – dafür steht die PORR seit über 150 Jahren. Sie ist mit rund 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer Produktionsleistung von 6,2 Mrd. Euro (2022) eines der größten österreichischen Bauunternehmen und gehört zu den Top-Playern in Europa. Als Full-Service-Provider bietet die PORR alle Leistungen im Hoch-, Tief- und Infrastrukturbau entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Der Fokus liegt auf den Heimmärkten Österreich, Deutschland, Schweiz, Polen, Tschechien, Slowakei und Rumänien. In ausgewählten internationalen Projektmärkten wie in Norwegen, UK, den VAE und Katar ist die PORR ebenfalls tätig. Die PORR Aktie ist im prime market Segment der Wiener Börse gelistet. http://www.porr-group.com

Über Horváth
Horváth ist eine international tätige, unabhängige Managementberatung mit Hauptsitz in Stuttgart. Das Unternehmen beschäftigt 1.350 hochqualifizierte Berater/innen an Standorten in Deutschland, Österreich, Italien, Rumänien, der Schweiz, Ungarn, Dänemark, USA, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Kunden werden von der betriebswirtschaftlichen Konzeption bis zur Verankerung in Prozessen und Systemen begleitet. http://www.horvath-partners.com (Ende)

Aussender:Horváth Managementberatung
Ansprechpartner:D. Wilfried Seywald
Tel.:+43 699 18 11 4006
E-Mail:seywald@tsp.at
Website:www.horvath-partners.com

MEDIZIN – PSYCHOLOGIE – FORSCHUNG

Neue CT-Technologie mit ultra-niedriger Strahlendosis übertrifft Lungenröntgen

(Wien, 30-10-2023) Trotz diagnostischer Überlegenheit hat sich die Computertomographie (CT) in der Notfallmedizin für die häufigsten Fragestellungen bisher nicht als eine primäre Methode zur Untersuchung des Thorax durchgesetzt. Lungenröntgen sind meist nach wie vor das Mittel der Wahl, insbesondere aufgrund der niedrigen Kosten und sehr geringen Röntgendosis. Im Rahmen einer aktuellen Studie an der Medizinischen Universität Wien (Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin in Kooperation mit der Universitätsklinik für Notfallmedizin) wurde eine neuartige CT-Technologie als echte Alternative bestätigt: Die Ultra-Low-Dose-CT (ULDCT) bietet viele der Vorteile (z. B überlagerungsfreie Darstellung) einer Standard-CT, kommt aber mit einer deutlich niedrigeren Strahlendosis von etwa zwei Standard-Lungenröntgen-Untersuchungen aus. Die Forschungsarbeit wurde aktuell im renommierten Fachjournal „eClinical Medicine“ der Reihe The Lancet Discovery Science publiziert.

Breite Verfügbarkeit, kurze Befundungszeit, niedrige Kosten und vor allem eine vergleichsweise geringe Strahlenbelastung machen das Lungenröntgen zur bevorzugten radiologischen Bildgebungsmodalität für ein breites Spektrum an Indikationen in der Notfallmedizin. In Hinblick auf Sensitivität und Spezifität wäre eine Standard-Thorax-CT der Röntgenaufnahme zwar deutlich überlegen, doch hat die deutlich höhere durchschnittliche Strahlendosis der Standard-CT bisher verhindert, dass sie als primäre Bildgebungsmethode des Thorax bei Patient:innengruppen mit niedriger Krankheitsprävalenz eingesetzt wird. Dank jüngster Fortschritte in der CT-Technologie konnte jedoch die Strahlenbelastung für native ULDCTs des Thorax erheblich gesenkt werden. Inzwischen entspricht die Strahlendosis einer ULDCT nur mehr jener von zwei Standard-Lungenröntgen-Untersuchungen (in zwei Ebenen), sodass dieser Nachteil nahezu beseitigt ist.

Diese Entwicklung ermöglichte nun, die ULDCT des Thorax als eine diagnostische Alternative zur konventionellen Röntgenaufnahme bei nichttraumatischen Patient:innen in der Notaufnahme zu betrachten. „Gleichzeitig stellte sich die Frage, ob native ULDCTs des Thorax mit derartig geringer Röntgendosis noch den angenommenen diagnostischen Vorteil einer CT im Vergleich zu einem Lungenröntgen bieten und ob die resultierenden Befunde letztlich von zusätzlicher klinischer Relevanz sind“, fasst Erstautor Christian Wassipaul (Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien) die Ausgangslage für die aktuell publizierte Studie zusammen, welche in Kooperation mit der Universitätsklinik für Notfallmedizin der Medizinischen Universität Wien durchgeführt wurde.

Um diese Frage zu klären, entwickelte die Forschungsgruppe ein prospektives Studiendesign mit geringem Risiko einer statistischen Verzerrung, das in der klinischen Routine einer Notaufnahme und einer radiologischen Abteilung durchführbar war. So konnten präzise Informationen über die Erkennungsrate von Befunden und Diagnosen beider Modalitäten und vor allem über deren individuelle klinische Relevanz in Bezug auf den jeweiligen Krankenhausaufenthalt gewonnen werden. „In dieser prospektiven Crossover-Kohortenstudie mit niedriger Krankheitsprävalenz in der Notaufnahme haben wir festgestellt, dass der klinische Wert der ULDCT des Thorax dem Lungenröntgen bei einer Strahlendosis von nur zwei Standard-Lungenröntgen-Untersuchungen deutlich überlegen ist“, fasst Studienleiter Helmut Ringl (Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien; Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie der Klinik Donaustadt) die Ergebnisse zusammen. „Die verbesserte diagnostische Erkennungsrate der ULDCT Untersuchung unterstützt die klinisch tätigen Zuweiser:innen in der präzisen Diagnosefindung. Eine Implementierung dieser Untersuchungsmethode in den Routinebetrieb der Akutmedizin erscheint daher sinnvoll und wünschenswert“, ergänzt Karin Janata-Schwatczek (Universitätsklinik für Notfallmedizin der Medizinischen Universität Wien).

Die beobachteten Vorteile in Bezug auf die Erkennungsrate, einschließlich der Verdoppelung des Prozentsatzes der direkt entdeckten Hauptdiagnosen, würden dafür sprechen, dass die ULDCT in Zukunft auch als primäres bildgebendes Verfahren in der Notfallmedizin eingesetzt wird, wenn die entsprechenden Ressourcen vorhanden sind, so die Forscher:innen. Da diese Ressourcen an vielen Institutionen knapp sind, seien weitere Studien und nötig, um die ökonomische Rationale und das optimale Indikationsspektrum einer breiteren Substitution der CXR durch die ULDCT zu bestimmen.

Publikation: eClinical Medicine (The Lancet Discovery Science)
Ultra-low-dose CT vs. chest X-ray in non-traumatic emergency department patients – a prospective randomised crossover cohort trial
Christian Wassipaul, Karin Janata-Schwatczek, Hans Domanovits, Dietmar Tamandl, Helmut Prosch, Martina Scharitzer, Stephan Polanec, Ruediger E. Schernthaner, Thomas Mang, Ulrika Asenbaum, Paul Apfaltrer, Filippo Cacioppo, Nikola Schuetz, Michael Weber, Peter Homolka, Wolfgang Birkfellner, Christian Herold, Helmut Ringl
Doi: https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2023.102267

Reizdarmsyndrom: Große randomisierte Studie bestätigt Wirksamkeit von Amitriptylin

Leeds – Eine niedrig dosierte Behandlung mit Amitriptylin, die von den Leitlinien bereits empfohlen wird, aber bei Patienten und Ärzten auf eine niedrige Akzeptanz stößt, hat in der bisher weltweit größten randomisierten Studie die Beschwerden von Patienten mit Reizdarmsyndrom gelindert. Die Ergebnisse wurden auf der Tagung „UEG Week 2023“ vorgestellt und im Lancet (2023; DOI: 10.1016/S0140-6736(23)01523-4 ) publiziert.

Etwa 5 % bis 10 % der Erwachsenen leiden unter einem Reizdarmsyndrom. Den häufigen Bauchschmerzen, Bauchkrämpfen, Blähungen und Störungen des Stuhlgangs (Obstipation und/oder Diarrhö) liegen zwar keine erkennbaren organischen Veränderungen zugrunde. Die Beschwerden können jedoch die Lebensqualität herabsetzen, so dass viele Patienten einen Arzt aufsuchen, nachdem alle Hausmittel nichts genutzt haben.

Wenn auch Ernährungsumstellungen und Ratschläge zum Lebensstil, lösliche Ballaststoffe, Abführmittel und krampflösende oder antidiarrhoische Medikamente keine Linderung verschaffen, empfehlen die Leitlinien als Zweitlinientherapie den Einsatz von trizyklischen Antidepressiva wie Amitriptylin.

Obwohl die Dosierung niedriger ist als in der Behandlung von Depressionen (für die Amitriptylin nur noch selten eingesetzt wird), verschreckt der Begriff „Antidepressivum“ viele Patienten. Auch das Vertrauen der meisten Ärzte in die Behandlung ist nicht besonders groß. In einer in England durchgeführten Umfrage be­richteten weniger als 10 % der Hausärzte, dass sie häufig trizyklische Antidepressiva beim Reizdarmsyndrom verschreiben und nur 50 % meinten, dass sie wirksam sind.

Auch die wissenschaftliche Evidenz war bisher nicht sehr solide. Die besten Belege lagen noch für Amitripty­lin vor, das in vier randomisierten Studien an 120 Patienten getestet worden war. Amitriptylin erzielte dort eine globale Symptomverbesserung mit einer Odds Ratio von 4,18 (95-%-Konfidenzintervall 2,00-8,7).

An der britischen ATLANTIS-Studie („Amitriptyline at Low-Dose and Titrated for Irritable Bowel Syndrome as Second-Line Treatment“) nahmen jetzt mehr als viermal so viele Patienten teil. Laut Studienleiter Alexander Ford von der Universität Leeds ist es die weltweit größte Studie zu Amitriptylin beim Reizdarmsyndrom und zugleich die erste randomisierte kontrollierte Studie, die niedrig dosiertes Amitriptylin in der Hausarztversor­gung mit Placebo verglichen hat.

An der Studie beteiligten sich in 55 Hausarztpraxen insgesamt 463 Patienten, die im mittleren Alter von 48,5 Jahren seit durchschnittlich zehn Jahren an einem Reizdarmsyndrom litten. Über 80 % hatten ein mit Durch­fällen einhergehendes Reizdarmsyndrom oder ein Reizdarmsyndrom mit gemischtem Stuhlverhalten, bei dem sich Diarrhö und Obstipation auch innerhalb eines Tages abwechseln können.

Im Symptomfragebogen IBS-SSS („Irritable Bowel Syndrome-severity scoring system“) erreichten die Patienten im Durchschnitt 272,8 Punkte. Der Score reicht von 0 bis 500 Punkten. Bei 75 bis 174 Punkten liegt eine milde Störung, bei 175 bis 299 Punkten ein mittelschweres und ab 300 Punkten ein schweres Reizdarmsyndrom vor.

Die Patienten (zu zwei Dritteln Frauen) wurden per Los auf eine Behandlung mit Amitriptylin oder Placebo verteilt. Die Dosis von Amitriptylin betrug einmal täglich 10 mg, konnte aber auf bis zu 30 mg gesteigert werden. Wie Ford mitteilt, kam es in beiden Gruppen zu einer Linderung der Symptome, die allerdings in der Amitriptylingruppe stärker ausfiel.

Der IBS-SSS, der primäre Endpunkt der Studie, besserte sich in der Amitriptylingruppe nach sechs Monaten um 99,2 Punkte auf 170,4 Punkte gegenüber einem Rückgang um 68,9 Punkte auf 200,1 Punkte in der Placebogruppe. Die Differenz von 27,0 Punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 7,1 bis 46,9 Punkten signifikant.

In der Amitriptylingruppe gaben 61 % der Patienten an, dass sich ihre Symptome „einigermaßen“, „beträcht­lich“ oder „vollständig“ gebessert hätten, gegenüber 45 % in der Placebogruppe. Ford ermittelt eine Odds Ratio von 1,78 (1,19-2,66). Bei 36 % versus 23 % der Patienten hatten sich die Beschwerden „beträchtlich“ oder „vollständig“ gebessert: Odds Ratio 1,88 (1,20-2,95). Die Chance, dass es unter der Behandlung zu einer allgemeinen Verbesserung der Symptome kam, war damit fast doppelt so hoch wie in der Placebogruppe.

Die Patienten hatten vor und nach der Behandlung auch den Standardfragebogen HADS („Hospital Anxiety and Depression Scale“) zu Depressivität und Angststörung ausgefüllt. Vor Beginn der Behandlung zeigten 84 % der Teilnehmer keine Auffälligkeiten. Unter der Behandlung kam es zu keinen Veränderungen. Die meisten Pa­tienten litten demnach nicht unter mentalen Störungen und Amitriptylin erzielte bei den wenigen Patienten mit depressiven Störungen keine Wirkung (was aufgrund der niedrigen Dosis auch nicht zu erwarten war).

Die Behandlung mit Amitriptylin wurde im allgemeinen gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren auf die bekannten anticholinergen Eigenschaften von Amitriptylin zurückzuführen, darunter waren Mundtro­ckenheit (54 % versus 37 % in der Placebogruppe), Schläfrigkeit (53 % versus 34 %), verschwommenes Sehen (17 % versus 9 %) und Probleme beim Wasserlassen (22 % versus 13 %). Insgesamt 20 % der Patienten bra­chen die Behandlung mit Amitriptylin ab (versus 26 % in der Placebogruppe), davon 13 % (versus 9 % in der Placebogruppe) wegen Nebenwirkungen. © rme/aerzteblatt.de

UMWELT

BILDUNG

MEDIEN – IT – KI

Falsch geklickt, Job weg: IT-Chefs greifen durch – Laut Kaspersky-Studie würden nur sechs Prozent der Verantwortlichen Fehlverhalten akzeptieren

Ingolstadt (pte021/24.10.2023/13:30) – Nur sechs Prozent der IT-Entscheider in Österreich zeigen sich bei Fehlverhalten von Mitarbeitern in Sachen IT-Security nachsichtig. Beim Rest würden den Betroffenen im Unternehmen Konsequen drohen – Kündigung nicht ausgeschlossen. Das zeigt eine neue Studie des Cyber-Sicherheitsspezialisten Kaspersky.

Phishing-E-Mails und Co

Mitarbeiter, die auf eine Phishing-E-Mail hereinfallen oder einen Malware-Link anklicken, drohen teils drastische Konsequenzen. So tauchen in den offenen Antworten der IT-Experten im Rahmen der Studie Aussagen wie „wird gefeuert“, „bekommt eine Abmahnung“ oder „werden zur Rechenschaft gezogen“ auf.

Dennoch, so Kaspersky: Müssen Mitarbeiter bei einem Fehlverhalten drakonische Konsequenzen fürchten, werden sie weniger geneigt sein, offen damit umzugehen und den Vorfall einem Vorgesetzten beziehungsweise IT-Beauftragten melden.

Gute Fehlerkultur wichtig

Ein Teil der IT-Entscheider würde laut der Umfrage bei Fehlverhalten auf Schulungen und Trainings setzen, um das Bewusstsein für Bedrohungen und Schutzmaßnahmen zu stärken. „Eine gute Fehlerkultur im Unternehmen ist essenziell, damit Mitarbeiter Sicherheitsvorfälle sofort melden, denn bei einem IT-Sicherheitsvorfall kommt es auf eine schnelle Reaktion an“, so Kai Schuricht, Lead Incident Response Specialist bei Kaspersky. (Ende)

KI verbessert Qualität von Wikipedia-Einträgen – Tool „SIDE“ von Samaya AI überprüft alle Quellen und schlägt auch bessere Alternativen vor

London (pte003/27.10.2023/06:05) – Die Qualität der in der Online-Enzyklopädie Wikipedia zusammengefassten Infos lässt sich mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) deutlich verbessern. Das glaubt zumindest das Londoner Start-up Samaya AI, das mit „SIDE“ ein eigenes KI-System entwickelt hat, das die Quellen von Wikipedia-Beiträgen automatisch nach ihrer Überprüfbarkeit und Zuverlässigkeit klassifiziert und bei Bedarf auch alternative Quellen vorschlägt. Bei ersten Tests vertrauten User bereits in 70 Prozent der Fälle lieber jenen Quellenangaben, die SIDE zutage förderte.

„Wichtige Wissensquelle“

„Wikipedia ist heute mit einer halben Bio. Seitenbesuchen pro Jahr eine der beliebtesten Websites und eine der wichtigsten Wissensquellen im Internet“, so Fabio Petroni, Mitgründer und CTO von Samaya AI. Gerade deshalb sei es umso wichtiger, dass jedes Wissen, das über diese Seite verbreitet werde, genau zu überprüfen ist. „Wikipedia-User sollten in der Lage sein, Behauptungen, die auf der Seite aufgestellt werden, mithilfe von verlässlichen externen Quellen zu verifizieren. Um das zu ermöglichen, enthalten die Beiträge verlinkte Quellenangaben, die auf entsprechendes Hintergrundmaterial verweisen“, erklärt der Experte.

Die Verbesserung der Qualität dieser Quellenangaben sei eine wichtige Herausforderung. „Es gibt einen gewaltigen Druck, um neue Werkzeuge zu kreieren, die Menschen dabei unterstützen können, dieses Ziel zu erreichen“, betont Petroni. In seinem Unternehmen sei man davon überzeugt, dass dies mithilfe von KI und einem dazugehörigen Sprachmodell durchaus machbar ist. „Wir haben mit SIDE ein System entwickelt, das auf einem neuronalen Netzwerk basiert und all jene Zitate identifizieren kann, die wenig glaubwürdig erscheinen, und anschließend auch selbst bessere vorschlagen kann“, so der Firmenmitgründer.

Erfolgreicher Praxistest

Um die Qualität der Quellenangaben zu steigern, haben Petroni und sein Team ihr KI-System zunächst mit einem riesigen Datenset von Wikipedia-Einträgen gefüttert und trainiert. Anschließend wurden damit dann Artikel überprüft, die das Modell bislang noch nicht analysiert hatte. Dabei wurde besonders auf eine korrekte Angabe von Quellen geachtet. Wenn diese nicht überprüfbar waren oder als wenig verlässlich eingestuft wurden, schlug SIDE selbst alternative Referenzen vor.

Bei einem Praxistest wurden die ursprünglich angeführten Wikipedia-Quellen dann mit jenen verglichen, die das KI-System ausgesucht hatte. Das Ergebnis war eindeutig: Wenn SIDE Quellen als nicht überprüfbar einstufte und Alternativen vorschlug, präferierten User in 70 Prozent der Fälle die Referenzen des KI-Tools. In rund der Hälfte der Fälle fand SIDE genau die gleichen Quellen, die auch im entsprechenden Wikipedia-Artikel angeführt waren. (Ende)

RECHT

GESELLSCHAFT – RELIGION

So ist Deutschland gealtert – Anmiation/Video, Statista, 22.6.2023

Der Anteil der Menschen an der deutschen Gesamtbevölkerung, die 60 Jahre und älter sind, wird immer größer. Das zeigt die Statista-Animation auf Basis von Daten der UN Population Division. Der Anteil der jungen Menschen bis 30 Jahre schrumpft dagegen. Der demografische Wandel ist in Deutschland also in vollem Gang, die Belastungen für das Rentensystem steigt.

Diese Entwicklung wird sich in Zukunft weiter verstärken, da demnächst die so genannte Babyboom-Generation in Rente gehen wird. Als Babyboomer werden die geburtenstarken Jahrgänge der Zeit von 1955 bis 1965 bezeichnet. Das Wirtschaftswunder sorgte damals für steigende Geburtenraten.

Das staatliche Rentensystem wird daher in den kommenden Jahren großen finanziellen Belastungen ausgesetzt. Derzeit stehen einem Altersrentner rund zwei Beitragszahler gegenüber. Anfang der 1960er Jahre war das Verhältnis noch solider: hier kamen auf einen Altersrentner sechs aktiv versicherte Erwerbspersonen.

Starökonom Piketty: Inflation ist eine Vermögenssteuer für Arme – 30.10.2023

Der französische Ökonom Thomas Piketty begreift die Inflationskrise als Konsequenz einer verfehlten Wirtschafts- und Geldpolitik des Westens. Zur Finanzierung der Covidhilfen ließen die Staaten im großen Stil Geld drucken, anstatt einen höheren Beitrag von Wohlhabenden einzufordern, kritisierte er im Gespräch mit der APA. Die entstandene Last müssten nun einkommensschwächere Schichten schultern. De facto komme die Teuerung daher einer „Vermögenssteuer für Arme“ gleich.

Im Grunde gehe es bei der Teuerungsdebatte um die Frage, wie die Staaten mit ihren aufgenommenen Schulden umgehen. Denn die Inflation führt dazu, dass die Steuereinnahmen sprudeln und sich dadurch die staatlichen Defizite in Relation zur Wirtschaftsleistung verringern. Dieser Zusammenhang sei den Regierungen ebenso bewusst wie der Umstand, dass die Geldausweitung früher oder später in ein höheres Preisniveau mündet, so Piketty: „Wenn Sie Geld drucken, ohne die Steuern zu erhöhen, bekommen Sie irgendwann eine Inflation. Darüber sollten wir uns im Klaren sein. Es ist einfach die heuchlerischste Art und Weise, um für die Rettung der Banken in den vergangenen Jahren und für die ganze Geldschöpfung zu bezahlen, die wir gemacht haben.“ Und: „Historisch betrachtet war Inflation immer eine der Möglichkeiten zum Abbau hoher Staatsschulden. Ist dies der einzige Weg, ist dies der beste Weg? Sicherlich nicht.“

Als Alternative schlägt Piketty höhere Abgaben für Reiche vor. Denn der gewählte Zugang gehe vor allem zu Lasten der Ärmeren, die von der Inflation viel stärker betroffen seien als Wohlhabende. Piketty vergleicht die Teuerung mit einer Art regressiven Steuer, bei der die prozentuale Belastung mit steigendem Vermögen abnimmt. „Wenn man also wenig Ersparnisse auf dem Konto hat (…) mit keiner oder einer sehr geringen Rendite, dann sind 10 Prozent Inflation wie eine 10-prozentige Vermögenssteuer für die Armen“, so der Ökonom, der als führender Forscher auf dem Gebiet der Einkommens- und Vermögensungleichheit gilt.

Die Darstellung, dass einzig der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehenden Kapriolen an den Märkten für die hohe Teuerung verantwortlich sind, lässt Piketty nicht gelten: „Insbesondere aus den USA haben uns die ersten hohen Inflationsdaten Ende 2021 erreicht, also vor dem Krieg in der Ukraine.“ Wenn also „Regierungen – einschließlich jener von Joe Biden in den USA – sagen, dass alles auf Putin zurückzuführen ist, dann stimmt das nicht“. Solange der Krieg andauere, halte sich dieses Narrativ aufrecht, aber früher oder später werde sich die öffentliche Meinung drehen, glaubt der renommierte Wirtschaftswissenschafter.

„Arbeitgeber übertreiben ein wenig“

Wenig abgewinnen kann Piketty auch so manchen Horrorszenarien, welche die Arbeitgeber teilweise in den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen ins Treffen führen – die Rede ist etwa von Wohlstandsverlusten oder notwendigem Stellenabbau bei Lohnanhebungen über der Inflation. „Die Arbeitgeber übertreiben ein wenig, wenn sie ein so düsteres Bild zeichnen“, findet Piketty und warnt vor zu niedrigen Abschlüssen: „Man kann die Löhne nicht um 20 oder 30 Prozent erhöhen, aber wenn man sie um weniger als die Inflationsrate erhöht, dann ist das im Vergleich zur Produktionsentwicklung dürftig.“ Laut dem Ökonomen wären das Resultat negative Folgen für die österreichische Wirtschaft, weil dann der Konsum und die Ersparnisse der Haushalte zurückgehen würden. „Wenn die Löhne weniger steigen als die Inflation, bedeutet das, dass jemand mehr bekommt“, gibt Piketty außerdem zu bedenken.

Grundsätzlich offen zeigt sich Piketty, der am Mittwoch in Wien mit der Oskar-Morgenstern-Medaille ausgezeichnet wurde, für Übergewinnsteuern. Diese könnten in gewissen Fällen ein sinnvolles Mittel sein, um Vermögensungleichheiten auszugleichen, meint der Ökonom. „Wir haben in den letzten zwei Jahren eine Extremsituation erlebt, in der einige Sektoren unglaubliche Gewinne gemacht haben.“ Bei der Ausgestaltung solcher Steuern müsse man aber einen genauen Blick auf die einzelnen Situationen werfen, denn es gebe große Unterschiede zwischen den Ländern, etwa im Energiebereich.

Trotz aller Krisen und negativer Entwicklungen plädiert Piketty dafür, den größeren Zusammenhang nicht aus den Augen zu verlieren. „Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass es langfristig eine Bewegung hin zu mehr wirtschaftlicher Gleichheit und Wohlstand gegeben hat“, verweist Piketty auf Errungenschaften wie den Ausbau des Sozialstaats und der öffentlichen Bildung oder der Einführung von progressiven Steuern, die die Ungleichheit verringert hätten. Darauf gelte es aufzubauen. „Am Ende geht es um politische Mobilisierung (…) Das war nie einfach. Es bedurfte immer enormer politischer und sozialer Kämpfe, um dorthin zu gelangen.“

Dass die Herausforderungen groß sind, ist dem Franzosen bewusst. Es brauche etwa Investitionen in Bildung und in Maßnahmen gegen die Klimakrise, von denen nicht nur die Kinder der Topverdiener profitieren. „Die Forderung nach Chancengleichheit unabhängig von Geschlecht und Hautfarbe oder nach Klimagerechtigkeit (…), all diese Forderungen werden nicht verstummen“, so Piketty. „Wir sollten die nötigen Investitionen tätigen. Wir waren als Gemeinschaft noch nie so reich wie heute. Die Behauptung, dass wir uns das nicht leisten können, klingt für mich verrückt.“

(Das Gespräch führten Sandra Grossmann und Anton Porsch/APA)

RUSSLAND – UKRAINE

Newsticker

DIE NACHT IM ÜBERBLICK – Ukraine

ROUNDUP/Selenskyj: Russland erleidet Kontrollverlust – Die Nacht im Überblick

KIEW (dpa-AFX) – Nach den antisemitischen Gewaltexzessen in der russischen Teilrepublik Dagestan hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Moskau einen erneuten Kontrollverlust bescheinigt. Kremlchef Wladimir Putin hingegen nutzte die Ausschreitungen im Süden seines Landes, um dem Westen Vorwürfe zu machen und seinen eigenen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Und die Niederlande versprechen Kiew eine schnelle Lieferung der zugesagten F-16-Kampfjets.

Selenskyj: Russland ist in Dagestan die Macht entglitten

Russland habe all seine Kräfte mobilisiert, um in seinem schon seit mehr als 20 Monaten andauernden Angriffskrieg besetzte ukrainische Gebiete zu halten, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Montag. „Doch dabei haben sie ihr eigenes Staatsgebiet mit einem solchen Ausmaß an Hass und Erniedrigung verseucht, dass Russland bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Kontrolle über die Ereignisse verliert“, meinte der ukrainische Staatschef, der selbst jüdische Wurzeln hat.

Zuerst seien meuternde russische Söldner in Richtung Moskau marschiert, sagte Selenskyj mit Blick auf den Aufstand des mittlerweile ums Leben gekommenen Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin im Juni. Und nun sei zu beobachten, dass die Macht der Behörden in Dagestan schwinde, meinte Selenskyj weiter.

In Russlands muslimisch geprägtem Nordkaukasus war es am Sonntagabend zu beispiellosen antijüdischen Exzessen gekommen. In Dagestans Hauptstadt Machatschkala stürmte eine aufgebrachte Menge den Flughafen, nachdem dort eine Maschine aus Israel gelandet war. Es folgten schwere Ausschreitungen, Passagiere wurden unter anderem mit Steinen beworfen. Den russischen Behörden zufolge wurden rund 20 Menschen verletzt. Bis zum Montagabend wurden mehr als 80 Menschen festgenommen.

Putin nutzt antisemitische Ausschreitungen für Vorwürfe gegen Westen

Kremlchef Putin nutzte die Ausschreitungen in Dagestan unterdessen für Vorwürfe gegen den Westen. Die Ereignisse in Machatschkala seien nicht zuletzt von ukrainischem Gebiet aus inspiriert worden, „durch die Hände westlicher Geheimdienste“, sagte er bei einer Sitzung zur Sicherheitslage Russlands. Belege für die Behauptung einer angeblich ausländischen Steuerung des Vorfalls im muslimisch geprägten Nordkaukasus legte er nicht vor.

Einmal mehr hingegen rechtfertigte der 71-Jährige in diesem Zusammenhang seinen eigenen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wer gerade wirklich für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfe, seien Russlands Soldaten, sagte Putin. Gegen den russischen Präsidenten ist wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine bereits ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs erlassen worden.

Niederlande versprechen Ukraine schnelle F-16-Lieferung

Die Niederlande wollen innerhalb der nächsten zwei Wochen der Ukraine die zugesagten Kampfflugzeuge zur Verfügung stellen. Die F-16 würden in zwei Wochen im Trainingszentrum in Rumänien sein, teilte Ministerpräsident Mark Rutte auf der Plattform X mit. In Rumänien sollen ukrainische Piloten für diese Maschinen ausgebildet werden. „Das bedeutet, dass die Ausbildungen der ukrainischen Piloten schnell beginnen können,“ schrieb Rutte.

Russische Behörden versteigern Selenskyjs Wohnung auf der Krim

Russlands Behörden haben einem Medienbericht zufolge die Wohnung von Selenskyjs Familie auf der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim versteigert. Bei einer Auktion sei die Immobilie für 44,3 Millionen Rubel (rund 440 000 Euro) versteigert worden, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass. Insgesamt habe es nur zwei Bieter gegeben. Die etwa 120 Quadratmeter große Wohnung im Luxus-Kurort Jalta war 2023 von den russischen Behörden verstaatlicht worden. Offiziell gehörte sie Selenskyjs Ehefrau, Olena Selenska.

Das wird am Dienstag wichtig

Im Osten und Süden der Ukraine halten die schweren Kämpfe an. Unter besonders heftigem Beschuss steht weiter die bereits völlig zerstörte Stadt Awdijiwka im Donezker Gebiet, die Russlands Armee besetzen will./haw/DP/zb

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ROUNDUP/Palästinenser: Gaza ist ‚Hölle auf Erden‘ – Die Nacht im Überblick

TEL AVIV/GAZA/NEW YORK (dpa-AFX) – Während Israels Bodentruppen verstärkt im Gazastreifen gegen die islamistische Hamas vorrücken, hat der palästinensische Vertreter bei den Vereinten Nationen mit drastischen Worten auf das Leiden der Zivilbevölkerung hingewiesen. Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates sagte Riad Mansur mit Blick auf die heftigen Kämpfe: „Gaza ist jetzt die Hölle auf Erden.“

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu lehnt jedoch trotz Kritik an der hohen Zahl ziviler Opfer eine Waffenruhe ab und verglich den Krieg gegen die Hamas mit dem Kampf der Alliierten gegen die Nazis. Israels UN-Botschafter Gilad Erdan steckte sich derweil vor dem Weltsicherheitsrat einen gelben Davidstern mit den Worten „Never Again“ („Nie Wieder“) ans Revers. Dies erinnert an Sterne, die die Nazis im Dritten Reich Juden als Kennzeichen aufgezwungen hatten.

Israel zieht Vergleich zum D-Day

Er werde den Stern tragen, so wie seine Großeltern und die Großeltern von Millionen Juden, sagte Erdan an den Sicherheitsrat gewandt. „Wir werden den Stern tragen, bis Sie die Gräueltaten der Hamas verurteilen und Sie die sofortige Freilassung unserer Geiseln fordern“. Terroristen der im Gazastreifen herrschenden Hamas hatten am 7. Oktober in Israel ein Massaker unter Zivilisten angerichtet. Mehr als 1400 Menschen starben dabei und in den folgenden Tagen.

Erdan verglich Israels Bodenoffensive mit der Landung der Alliierten 1944 in der Normandie. Hätte es den Weltsicherheitsrat am 6. Juni 1944, auch als D-Day bekannt, gegeben, hätte es vermutlich auch eine heftige Debatte darüber gegeben, wie viel Strom und Treibstoff die Münchner Bürger noch hätten, spottete er vor dem UN-Sicherheitsrat. Der palästinensische UN-Vertreter Mansur flehte dagegen: „Behandeln Sie uns wie Menschen mit dem Respekt, den wir verdienen. Wir sind keine Untermenschen. Wir sind nicht von einem anderen Planeten.“

UN-Hilfsorganisation: Bevölkerung wird entmenschlicht

Der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) drängte auf eine Ausweitung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen. Eine Handvoll Konvois wie bislang reiche für mehr als zwei Millionen Notleidende nicht aus, sagte UNWRA-Generalkommissar Philippe Lazzarini. Die meisten Menschen im Gazastreifen fühlten sich in einem Krieg gefangen, mit dem sie nichts zu tun hätten. „Sie haben das Gefühl, dass die Welt sie alle mit der Hamas gleichsetzt. Das ist gefährlich. Und das wissen wir nur zu gut aus früheren Konflikten und Krisen. Eine ganze Bevölkerung wird entmenschlicht“, warnte Lazzarini.

Akuter Treibstoffmangel wirkt sich nach UN-Angaben bereits auf die Wasserversorgung der Bewohner Gazas aus. „Nur eine Entsalzungsanlage arbeitet mit lediglich einer Kapazität von fünf Prozent, während alle sechs Wasseraufbereitungsanlagen im Gazastreifen aufgrund von Treibstoff- oder Strommangels derzeit außer Betrieb sind“, sagte die Direktorin des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Catherine Russell.

Erneut Rufe nach Waffenstillstand

Sie flehe den Weltsicherheitsrat an, unverzüglich eine Resolution zu verabschieden, die die Parteien an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erinnere, sagte Russell. Dazu gehöre auch ein Waffenstillstand. Der palästinensische UN-Vertreter Mansur zitierte den ehemaligen UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld mit den Worten: „Die Vereinten Nationen wurden nicht gegründet, um uns in den Himmel zu bringen, sondern um uns vor der Hölle zu retten.“ Dies bedeute nichts anderes als die Rettung der Palästinenser in Gaza, forderte Mansur.

Israel lehnt eine Waffenruhe jedoch weiterhin ab. „So wie die USA nach der Bombardierung von Pearl Harbor oder dem Terroranschlag vom 11. September keiner Waffenruhe zugestimmt hätten, wird Israel einem Stopp der Kämpfe mit der Hamas nach den schrecklichen Angriffen des 7. Oktobers nicht zustimmen“, so Regierungschef Netanjahu am Montag vor Journalisten. „Aufrufe an Israel, einer Waffenruhe zuzustimmen, sind Aufrufe, gegenüber der Hamas, gegenüber Terrorismus, gegenüber der Barbarei zu kapitulieren. Das wird nicht passieren.“

Israels Bodentruppen rücken weiter vor

Und so rücken Israels Bodentruppen im Verbund mit der Luftwaffe und Marine denn auch weiter im Gazastreifen vor. Dabei befreiten sie nach eigenen Angaben eine ihrer Soldatinnen aus der Gewalt der Hamas. Mindestens 239 weitere Menschen waren bei dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober laut Israels Armee in den Gazastreifen verschleppt worden, darunter sind auch mehrere Deutsche. Die Hamas ließ bisher auf Vermittlung Katars und Ägyptens vier Geiseln frei. Israels Armee geht davon aus, dass die meisten der übrigen Geiseln noch am Leben sind.

40 Menschen gelten seit den Terroranschlägen noch als vermisst. Wegen ihres schlimmen Zustands sind viele der Leichen noch nicht identifiziert. Unter den Getöteten ist auch die Deutsche Shani Louk.

Unterdessen bombardierten Kampfflugzeuge des israelischen Militärs auch „Terrorinfrastruktur“ der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon, wie die Armee in der Nacht zum Dienstag mitteilte. Dazu gehörten Waffen und Stellungen der Hisbollah. In den Tagen zuvor waren nach Angaben der Armee erneut Raketen aus dem Libanon auf Israel abgefeuert worden. An der Grenze kommt es seit Beginn des Gaza-Kriegs zunehmend zu Konfrontationen. Die Hisbollah hat Verbindungen zur im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas.

Was am Dienstag wichtig wird

Israel setzt seine Militäroffensive weiter fort. Derweil laufen die Bemühungen um verstärkte Hilfslieferungen in den Gazastreifen weiter. Hilfsorganisationen beschreiben die Lage für die Menschen dort als katastrophal. Zugleich dauern auch die Bemühungen um die Freilassung der mindestens 239 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln an./ln/DP/zb

Finanznachrichten – Israel

GESAMT-ROUNDUP: Israelische Armee rückt weiter in Gaza vor – UN drängt auf Hilf3 – 30.10.2023

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) – Die israelische Armee ist weiter mit Bodentruppen im Gazastreifen vorgerückt. Die Armee teilte am Montag mit, sie habe bei ihrem Vorstoß Dutzende Hamas-Kämpfer getötet. Nach nun mehr dreieinhalb Wochen Gaza-Krieg forderten die Vereinten Nationen mehr Hilfe für die notleidende Bevölkerung. Nach UN-Angaben kamen seit Kriegsbeginn am 7. Oktober 117 Lastwagen in dem abgeriegelten Küstenstreifen an. Es seien aber viel größere Mengen nötig, um eine Verschlechterung der Lage und Unruhen zu vermeiden.

Vermisste Shani Louk tot

Der Tod der seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vermissten Deutschen Shani Louk wurde bestätigt. Das israelische Militär informierte die Familie in der Nacht zu Montag. Die 22-Jährige wurde nach Angaben ihrer Familie bei einem Musikfestival in der israelischen Negev-Wüste von der islamistischen Hamas getötet. Die Mutter geht davon aus, dass ihre Tochter bereits seit dem 7. Oktober tot ist – möglicherweise sei sie bei dem Terrorüberfall durch einen Schuss in den Kopf getötet worden, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas hatte in Israel ein Massaker an Zivilisten angerichtet. Mehr als 1400 Menschen kamen dabei und in den folgenden Tagen ums Leben. Militante verschleppten mindestens 239 Menschen in das dicht besiedelte Küstengebiet.

Die Zahl der durch israelische Gegenschläge in Gaza getöteten Palästinenser stieg nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums auf mehr als 8300. Die Angaben zu Todeszahlen konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Israelische Armee rückt weiter im Gazastreifen vor

Wie der US-Fernsehsender CNN auf Basis ausgewerteter eigener Luftaufnahmen berichtete, ist das israelische Militär etwa drei Kilometer in den Gazastreifen vorgestoßen. Auf einem im Internet verbreiteten Video war ein Panzer auf der Hauptverbindungsstraße vom Norden in den Süden des Küstenstreifens zu sehen. Das war nach Angaben eines dpa-Reporters vor Ort etwa drei Kilometer westlich des Grenzzaunes zu Israel. Augenzeugen hätten auch von einem gepanzerten Bulldozer dort berichtet.

Ein Armeesprecher sagte auf Anfrage, man äußere sich nicht zum Standort der eigenen Verbände im Gazastreifen. Die Hamas feuerte weiter Raketen auf Israel ab, in Jerusalem gab es nach Armeeangaben Raketenalarm.

Reporter ohne Grenzen: Journalisten im Südlibanon gezielt beschossen

Reporter ohne Grenzen (RSF) warf Israel vor, im Südlibanon vor gut zwei Wochen gezielt auf Journalisten geschossen zu haben. Bei dem Beschuss war ein Reuters-Journalist getötet worden, vier weitere Medienschaffende wurden verletzt. Die Gruppe aus mehreren Journalisten sei am 13. Oktober im Abstand weniger Sekunden zwei Mal aus derselben Richtung von Israel aus beschossen worden, berichtete RSF. Dies habe die Auswertung von Videoaufnahmen ergeben. Die Journalisten seien klar als solche gekennzeichnet gewesen.

Die israelische Armee teilte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit, der Vorfall werde weiter untersucht. An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon kommt es seit dem Hamas-Überfall vermehrt zu gewaltsamen Zwischenfällen zwischen der Hisbollahmiliz und der israelischen Armee mit Toten auf beiden Seiten.

Spannungen im Westjordanland steigen – vier Tote

Die ohnehin schon angespannte Lage im von Israel besetzten Westjordanland verschärfte sich weiter. Bei Gefechten mit dem israelischen Militär wurden in der Stadt Dschenin in der Nacht zu Montag nach palästinensischen Angaben vier Menschen getötet. Wie das Gesundheitsministerium der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah weiter mitteilte, feuerte eine israelische Drohne auch eine Rakete auf das Dach eines Hauses ab.

Seit dem Hamas-Überfall auf Israel starben im Westjordanland bei Auseinandersetzungen mit der Armee und radikalen jüdischen Siedlern 118 Palästinenser, seit Jahresbeginn waren es 314. Auch in Ost-Jerusalem ist die Lage angespannt: Dort verletzte am Montag nach Polizeiangaben ein bewaffneter Palästinenser einen israelischen Polizisten schwer. Andere Sicherheitskräfte hätten auf den Angreifer geschossen. Medienberichten zufolge wurde der Angreifer getötet.

Bundesregierung verurteilt antijüdische Proteste in Dagestan

Die Bundesregierung hat die gewaltsamen antijüdischen Proteste und Übergriffe in der muslimisch geprägten russischen Teilrepublik Dagestan als „unsäglich und inakzeptabel“ verurteilt. Bei Übergriffen auf Passagiere einer aus Israel gelandeten Maschine waren am Sonntagabend auf dem Flughafen der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala nach Behördenangaben 20 Menschen verletzt und 60 Personen festgenommen worden./le/DP/stw

Weitere Meldungen – Israel  

USA und Golfstaaten drehen Hamas Geldhahn zu – Geheimes Investment-Portfolio soll sich laut US-Finanzministerium auf eine Mrd. Dollar belaufen

New York (pte004/27.10.2023/06:10) – Die USA haben sich mit mehreren Nationen des Nahen Ostens zusammengetan, um der palästinensischen Terrororganisation Hamas den Geldhahn zuzudrehen. Hierfür setzt das US Department of the Treasury gemeinsam mit Mitgliedern des Gulf Cooperation Council, zu denen Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, der Oman, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören, auf ein eigenes Terrorist Financing Targeting Center. Dieses hat es vor allem auf ein geheimes Investment-Portfolio der Terroristen abgesehen, das sich auf einen Gesamtwert von einer Mrd. Dollar (rund 950 Mio. Euro) belaufen soll.

Geldflüsse effektiv stören

„Die USA wollen schnelle und entscheidende Maßnahmen ergreifen, um die Finanzierung der Hamas nach dem brutalen und unverständlichen Massaker an israelischen Zivilisten ins Visier zu nehmen“, sagt US-Finanzministerin Janet Yellen. Ihre Behörde könne mittlerweile bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken, wenn es um die effektive Störung der Geldflüsse zur Terrorfinanzierung geht. „Wir werden nicht zögern, unsere Möglichkeiten auch jetzt gegen die Hamas voll auszuschöpfen, und werden weiter alle notwendigen Schritte einleiten, um den Terroristen die Möglichkeit zu nehmen, Geld für ihre Aktivitäten einzusammeln“, betont Yellen.

„Wir können keine Welt tolerieren, in der die Hamas und andere Terrororganisationen ihr Fundraising völlig problem- und straflos durchziehen können, indem sie das Finanzsystem missbrauchen, um ihren Terror aufrechtzuerhalten“, ergänzt Brian Nelson, Unterstaatssekretär für Terrorismus und Financial Intelligence. Um das zu unterbinden oder zumindest deutlich zu erschweren, brauche es die Mithilfe der Golfstaaten. Sie müssten mehr Informationen zu bestimmten Teilen des Hamas-Ökosystems preisgeben und teilen, um Schwachstellen zu identifizieren und Störfaktoren zu setzen, so Nelson.

Auch die EU soll mithelfen

Gleichzeitig werden die Mitglieder des Gulf Cooperation Council aber auch dazu aufgefordert, selbst konkrete Handlungen zu setzen, die den Geldfluss zur Hamas beeinträchtigen könnten. „Aus unserer Sicht würden sie dem palästinensischen Volk einen Bärendienst erweisen, wenn sie sich nicht aktiv im Kampf gegen die Hamas und ihre Terroristen beteiligen“, meint Nelson.

Doch als wichtige Kooperationspartner in diesem Zusammenhang sieht man freilich nicht nur die Länder des Nahen Ostens. Auch die EU-Nationen wollen die USA hier stärker in die Pflicht nehmen. Wie genau diese Zusammenarbeit aussehen könnte, soll der stellvertretende US-Finanzminister Wally Adeyemo schon am heutigen Freitag auf seiner geplanten Europareise besprechen. (Ende)

Nach Terror-Angriff: In Wien hat die jüdische Gemeinde ihre Unbeschwertheit verloren

12.000 Juden leben in Österreich, mehr als 95 Prozent in Wien. Seit dem 7. Oktober ist auch in der jüdischen Gemeinde nichts mehr so, wie es einmal war.

Kaum anderswo in Europa konnte die jüdische Bevölkerung in den letzten Jahren ein so unbeschwertes Leben, einen Alltag frei von Angst führen wie in Wien. Während nicht nur in Paris, Brüssel, London, sondern seit Längerem auch schon in Berlin und München die Kultusgemeinden ihren Mitglieder dringend nahegelegt haben, in der Öffentlichkeit auf das Tragen der Kippa zu verzichten, prägen in einigen Straßenzügen der alten Leopoldstadt nach wie vor orthodoxe, strenggläubige Juden das Straßenbild. In den Morgenstunden kurven die Kinder mit dem Scooter in die Schule, nicht nur am Schabbat eilen Männer in schwarzen Hüten in die Synagoge. An Festtagen werden die Pelzhüte ausgeführt, in so manchen Wiener Innenhöfen wird das Laubhüttenfest tanzend und singend gefeiert. Und am jüdischen Neujahrstag versammelt man sich zum Taschlich am Donaukanal, um sich der letzten Krümel, die in Taschen vorzufinden sind, zu entledigen.

in Österreich leben 12.000 Juden

Die jüdische Community ist genauso heterogen, divers wie jene in Tel Aviv, London oder New York. Der regelmäßige Besuch der Synagoge gehört zum Minderheitsprogramm. Nach internen Schätzungen leben ungefähr 12.000 Juden in Österreich, mehr als 95 Prozent davon in Wien. 8000 haben sich der Kultusgemeinde geschlossen. Ähnlich wie in Israel sind in den letzten Jahrzehnten viele bucharische Juden aus den Nachfolgestaaten der alten Sowjetunion eingewandert. Österreich dient nach wie vor als – geheimer – Brückenkopf für iranische Juden, die in die USA oder nach Israel auswandern wollen.

20 Synagogen, Schulen, zwei Sportklubs und ein Fitnesscenter

Dass sich in Wien ein jüdisches Leben mit mehr als 20 Synagogen und Gebetshäusern, Schulen für mehr als 1000 Schüler, Altersheimen, Sportvereinen (Maccabi, Hakoah), jüdischen Bäckern, Fleischern, Fitnesscentern wieder so entfalten konnte, liegt auch an den enormen Sicherheitsvorkehrungen. Vom 20 Millionen großen Gemeindebudget fließen fast fünf Millionen in Schutzmaßnahmen. Tagsüber, wenn Synagogen oder Schulen geöffnet sind, zeigt die Polizei sichtbare Präsenz. „Wir arbeiten ausgezeichnet mit den Behörden zusammen“, lobt Benjamin Nägele, Generalsekretär der Kultusgemeinde, die Politik. „Unsere Priorität ist, dass jüdisches Leben geschützt wird. Wir schützen keine leeren Gebäude.“ Wohl der wichtigste Indikator für das Sicherheitsempfinden: Im Unterschied zu Frankreich und anderen europäischen Ländern sind in den letzten Jahren kaum Juden aus Wien nach Israel oder die USA ausgewandert.

70 Prozent der Schüler blieben am „Tag des Zorns“ zu Hause

Der 7. Oktober markiert auch in Wien eine Zäsur. „Fast jeder in der Gemeinde hat einen persönlichen Bezug zu den barbarischen Vorfällen, kennt jemanden in Israel, der davon unmittelbar betroffen ist.“, so Nägele. Seit dem Terrorüberfall haben sich die antisemitischen Vorfälle in Österreich verdreifacht, das Herunterreißen der Fahne vor der Hauptsynagoge in Wien war nur die Spitze des Eisbergs. Vor zehn Tagen hatte die Hamas weltweit zum „Tag des Zorns“ ausgerufen. „70 Prozent der Schülerinnen und Schüler blieben aus der Sorge der Eltern zu Hause.“ Wegen Mobbing-Vorfällen und mehrere Übergriffe an Schulen habe man bereits die Bildungsdirektion in Wien angerufen. Seit Jahren steht die Kultusgemeinde mit ihren Mitgliedern im SMS-Kontakt. Sobald sich die Sicherheitslage verändert, wird die Community informiert. Derzeit wird Eltern dringend abgeraten, Kinder allein in die Schule zu schicken. Eingangstüren sollten umgehend geschlossen werden. Vor jüdischen Einrichtungen sollte man nicht verweilen. So weit wie in Berlin, wo bereits Wohnhäuser mit dem Davidsstern beschmiert worden sind, musste man glücklichweise nicht gehen: In Deutschland wurden die Gemeindemitglieder aufgefordert, sich auf der Straße nicht auf Hebräisch zu unterhalten bzw. nicht hebräische Zeitungen oder Bücher in der U-Bahn oder Straßenbahn zu lesen.

Sorgen vor einer zunehmend aufgeheizten Stimmung

Statt sich über die Abwesenheit der Polizei angesichts der heruntergerissenen Fahne zu empören, treibt die Israelitische Kultusgemeinde in Wien eher die Sorge um die „Hamas-Versteher“, die in Wien auf die Straße gehen, um. „Wir wünschen uns, dass die Behörden kompromisslos bei Parolen durchgreifen, die die Vernichtung Israels propagieren.“ Nicht nur das: „Die Sorge ist groß, dass die Stimmung aggressiver wird. Jeder antisemitische Vorfall sorgt dafür, dass sich die Gemeindemitglieder überlegen, ob sie die Kinder in die Schule schicken.“

„Wir wollen den Alltag fortsetzen“

Auch jetzt am Schabbat war die Polizeipräsenz vor jüdischen Einrichtungen nicht zu übersehen, nach wie vor prägen orthodoxe Juden das Straßenbild. „Das jüdische Leben geht weiter“, trotzt Nägele den Einschüchterungsversuchen. „Wir wollen den Alltag fortsetzen.“ Bisher musste keine Veranstaltung abgesagt werden. Auch nicht das Kantorenkonzert am Jahrestag der Reichspogromnacht. (Michael Jungwirth, Chefredakteur, Kleine Zeitung)

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