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HELLMEYER (BUNTROCK)
- Märkte weitgehend freundlich
- Fiscal Monitor des IWF: Ein Blick auf Quantität, Gedanken zur Qualität
MÄRKTE
Märkte: Weitgehend freundlich
An den Finanzmärkten setzte sich in den letzten 24 Handelsstunden zu größten Teilen die
freundliche Grundhaltung fort. Die weitere Entwicklung des Konfliktes Palästina/Israel bleibt im
Fokus und stellt einen latenten Unsicherheitsfaktor dar.
Von der Inflationsfront erreichten uns divergierende Signale. Die Erzeugerpreise waren in den USA mit +2,2% im Jahresvergleich höher als erwartet, dagegen in Japan mit +2,0% im Jahresvergleich niedriger als unterstellt. Die deutschen Verbraucherpreise verzeichneten mit +4,5% im Jahresvergleich das erwartete Ergebnis, während die Verbraucherpreise Russlands mit 6,0%
stärker zulegten als prognostiziert (siehe Datenpotpourri).
Das gestern veröffentlichte Protokoll der letzten US-Notenbanksitzung lieferte keine
bahnbrechenden Erkenntnisse. Man sehe im Offenmarktausschuss der US-Notenbank weiter
Aufwärtsrisiken für die Inflation, konstatiert aber, dass die Risiken beidseitig seien. Die
Konjunkturdatenfront mahne zu vorsichtigen Herangehensweisen. In der Kommunikation ginge es
verstärkt darum, wie lange an dem restriktivem Kurs festgehalten würde.
An den Aktienmärkten dominierte bei wenigen Ausnahmen die Farbe grün. Der DAX gewann
0,24%, der EUROSTOXX 50 0,60%, der Dow Jones 0,32%, der Nasdaq 0,84%, dagegen verlor der
S&P 500 geringfügig um 0,11%. Asiens Märkte reüssierten (Stand 07:15). Der Nikkei stieg um
1,64%, der CSI 300 um 0,90%, der Sensex um 0,01% und der KOSPI um 0,90%.
Die Rentenmärkte zeigten sich weiter in einer freundlichen Verfassung und wirkten damit auf die
Aktienmärkte unterstützend (Aspekt sinkender Diskontierungsfaktor). Die Rendite der 10-jähigen
Bundesanleihe stellt sich aktuell auf 2,72% (Vortag 2,79%), während die 10-jährige US-
Staatsanleihe eine Rendite in Höhe von 4,57% abwirft (Vortag 4,64%).
Der Euro konnte fortgesetzt gegenüber dem USD leicht an Boden gewinnen. Die Eröffnung lag
heute mit 1,0631 (Vortag 1,0605) um 0,25% höher.
Die edlen Metalle Gold und Silber sind weiter gefragt. Gold stieg im Tagesvergleich um 1%,
während Silber um 1,2% gegenüber dem USD zulegte
Berichte & Analysen – Auswahl
• Berlin: Die Energiepreisbremsen haben den Staat laut Finanzministerium bislang 32
Mrd. EUR gekostet (vorhandener Rahmen 91 Mrd. EUR, laufen bis 04/2024).
• Berlin: Ab Januar 2024 wird laut Beschluss der Bundesregierung der volle
Umsatzsteuersatz von 19% auf Gas und Fernwärme wieder fällig.
• Berlin: Die zuvor durchgestochenen Prognosen der Regierung für BIP (2023 -0,4%,
CPI 2023 6,1%) wurden offiziell bestätigt. Habeck sagte, die deutsche Wirtschaft
käme langsamer aus der Krise als gedacht.
• Berlin: Laut Umfrage des IFO-Instituts unter Selbständigen legte der
Geschäftsklimaindex per September von -19,9 auf -14,4 Punkte zu.
• Berlin: Die Gewerkschaften fordern für Länderbeschäftigte eine Lohnerhöhung um
10,5%.
• Washington: US-Finanzministerin Yellen ist überzeugt, dass der Nahost-Konflikt
keine großen Auswirkungen für die US-Wirtschaft hätte.
• Washington: Die Republikaner einigten sich auf den Kandidaten Steve Scalise für
Kongress-Chefposten.
EZB: Inflationserwartungen laut Umfrage etwas höher
Die Verbraucher der Eurozone rechnen gemäß einer EZB-Umfrage mittelfristig mit
einer leicht erhöhten Inflation. Sie gingen per August davon aus, dass die Teuerung in
drei Jahren bei 2,5% (Juli 2,4%) liegen würde. Die Inflationserwartungen auf
Zwölfmonatssicht liegen laut Umfrage bei 3,5%. (Juli 3,4%).
IWF: Staatsverschuldung nimmt global zu
Wegen hoher Defizite in den USA und China dürfte es 2023 einen Zuwachs der
weltweiten Staatsverschuldung geben. Nach einem Anstieg zu Beginn der Corona-
Pandemie hatte es eine leichte Entspannung gegeben. Mittelfristig dürfte die weltweite
Staatsverschuldung um rund 1% pro Jahr zulegen.
Fiscal Monitor des IWF: Ein Blick auf Quantität, Gedanken zur Qualität
Der Fiscal Monitor des IWF liefert Prognosen über die Entwicklung der Staatsverschuldungen.
Wegen hoher Defizite in den USA und China dürfte es 2023 einen Zuwachs der weltweiten
Staatsverschuldung geben. Nach einem Anstieg zu Beginn der Corona-Pandemie hatte es eine
leichte Entspannung gegeben. Mittelfristig dürfte die weltweite Staatsverschuldung um rund
1% pro Jahr zulegen. 2030 würde sich die Verschuldung einer Quote von 100% des globalen
BIP annähern. Ohne die Neuverschuldung in den USA und China würde es einen jährlichen
Rückgang von circa 0,5% geben.
Kommen wir zu den Fakten: Neuverschuldungen von mehr als 3% sind rot eingefärbt.
Haushaltsüberschüsse sind blau eingefärbt. Bei der Gesamtverschuldung wird die Marke von
60% des BIP als Grundlage gewählt. Beides sind die Maastricht-Kriterien.
Kommentar: Diese Daten des Fiscal Monitor des IWF sagen solitär etwas über die Quantität der Neu- und Altverschuldung aus.
Sie geben keinen Aufschluss über die Qualität der Defizite und Verschuldungslagen. Dabei
geht es um die Frage, ob die Neuverschuldung/Altverschuldung maßgeblich konsumtiven
Zwecken (wirtschaftlicher Einmaleffekt – negativ) oder investiven Zwecken (wirtschaftliche
Multiplikatoreffekte – positiv) dient/diente.
Grundsätzlich gilt, dass insbesondere in Asien Verschuldung überwiegend investiven Zwecken
diente und dient. Im Westen sind es überwiegend konsumtive Zwecke. Wirtschaftliche
Ertüchtigung (Zukunftsfähigkeit) geht mit Investitionen einher. „Food for thought!“
Datenpotpourri
Eurozone: Deutsche Verbraucherpreise erwartungsgemäß
Deutschland: Laut finaler Berechnung nahmen die Verbraucherpreise per September im
Monatsvergleich um 0,3% und im Jahresvergleich um 4,5% zu. Beides entsprach den
Prognosen und vorläufigen Werten. Es war der geringste Anstieg der Verbraucherpreise im
Jahresvergleich seit Februar 2022 (4,3%).
UK: „Housing Survey“ auf tiefsten Stand seit 03/2009
Der RICS Housing Survey Index sank per Berichtsmonat September von zuvor -68 auf -69
Punkte (Prognose -63). Es ist der niedrigste Indexstand seit März 2009.
USA: Erzeugerpreise höher als erwartet
Die Erzeugerpreise nahmen per Berichtsmonat September im Monatsvergleich um 0,5%
(Prognose 0,3%) nach zuvor 0,7% zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 2,2%
(Prognose 1,6%) nach zuvor 2,0% (revidiert von 1,6%).
Der MBA Hypothekenmarktindex verzeichnete in der Berichtswoche per 6. Oktober 2023 einen
marginalen Anstieg von 178,2 auf 179,3 Punkte. Es ist das schwächste Niveau seit 1995.
Russland: Inflation bei 6%
Die Verbraucherpreise verzeichneten per September im Monatsvergleich eine Zunahme um
0,9% (Prognose 0,7%) nach zuvor 0,3%. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 6,0%
(Prognose 5,8%) nach zuvor 5,2% (Leitzins 13%).
Japan: Erzeugerpreise schwächer als erwartet
Die Erzeugerpreise sanken per September im Monatsvergleich um 0,3% (Prognose +0,1%) nach
zuvor +0,3%. Im Jahresvergleich kam es zu einer Zunahme um 2,0% (Prognose 2,3%) nach 3,3%
(revidiert von 3,2%).
„Machinery Orders“ fielen per August im Monatsvergleich um 0,5% (Prognose +0,4%) nach
zuvor -1,1%. Im Jahresvergleich ergab sich i ein Rückgang um 7,7% (Prognose -7,3%) nach
zuvor -13,0%.
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ÜBERSICHT
Einfluss: negativ (oder bedeutungsvoll), positiv, sowohl negativ als auch positiv, neutral, Kriegseinfluss, neutral oder nicht bewertet
Einflussstärke: fett => stark oder neutral, aber bedeutsam ohne klaren Einfluss
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Termine
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Marktumfeld
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Zentralbanken
Fed-Protokoll: Notenbanker wegen Unsicherheit für vorsichtiges Vorgehen
Von Greg Robb
WASHINGTON (Dow Jones)–Die Sitzung der US-Notenbank am 19. und 20. September ist von hoher Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung geprägt gewesen. Wie es im am Mittwoch veröffentlichten Protokoll heißt, entschieden die Notenbanker einen vorsichtigen Ansatz der Geldpolitik von Sitzung zu Sitzung zu fahren. Dabei stufte „eine überwältigende Mehrheit den künftigen Pfad der Wirtschaft weiterhin als hochgradig unsicher“ ein.
Volatile Daten und Unsicherheit darüber, wie viel Abwärtsdruck die vorherigen Zinserhöhungen auf die Wirtschaft ausüben, hätten den vorsichtigen Ansatz untermauert. Einige Vertreter sahen laut dem Protokoll anhaltende Abwärtsrisiken für das Wachstum und Aufwärtsrisiken für die Arbeitslosenquote. Sie verwiesen auf den Streik der Arbeiter in der Automobilbranche als einen Faktor, der das Wachstum dämpfen könnte.
Bei der Sitzung im September hatte die Fed ihren Leitzins in der aktuellen Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent belassen. Zugleich signalisierte sie, dass sie bereit ist, die Zinsen in diesem Jahr noch einmal anzuheben, um die Inflation zu bekämpfen. Im Juni hatte die Fed bereits eine erste Pause gemacht, im Juli dann aber den Leitzins um weitere 25 Basispunkte erhöht. Weil die Wirtschaftstätigkeit derweil stärker ist als erwartet, ist es gut möglich, dass die Fed ihren Leitzins auch im nächsten Jahr in der Nähe ihres derzeitigen Niveaus beibehalten muss.
Mary Daly, Präsidentin der Fed von San Francisco, sagte jüngst: „Selbst wenn wir die Zinsen auf dem heutigen Niveau halten, wird die Geldpolitik zunehmend restriktiver werden, da die Inflation und die Inflationserwartungen sinken. Die Beibehaltung der Zinssätze ist also eine aktive politische Maßnahme.“
COMMENT: Dies stützt Hellmeyers Ansicht, dass hohe Zinsen bei längerer Dauer die Wirtschaft mehr als zureichend dämpfen.
EZB/Knot sieht noch weiten Weg zur Preisstabilität
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach den Worten von EZB-Ratsmitglied Klaas Knot bedeutende Fortschritte bei der Eindämmung der Inflation gemacht, hat aber trotzdem noch einen weiten Weg vor sich. „Ich glaube, dass die Politik derzeit gut aufgestellt ist“, sagte Knot bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Marrakesch, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Die EZB habe eine glaubwürdige Perspektive, die Inflation bis 2025 auf ihren Zielwert von 2 Prozent zu senken. Knot fügte hinzu: „Wir werden wachsam bleiben und sind bereit, die Zinsen noch weiter zu erhöhen, wenn der Rückgang der Inflation zum Stillstand kommen sollte.“
INTERNATIONAL
WIEDERHOLUNG: IWF fordert straffere Fiskalpolitik – Konflikt mit Klimazielen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)–Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor einer weltweit zu starken Staatsverschuldung und sieht für die meisten Länder die Notwendigkeit einer strafferen Fiskalpolitik. Das steht jedoch im Widerspruch zu den finanziellen Erfordernissen, die sich aus dem Ziel eines CO2-neutralen Wirtschaftens ergibt. …
=》gestriger Tagesblick
AMERIKA: USA, VENEZUELA
API-Daten zeigen sehr starken Anstieg der US-Rohöllagerbestände
NEW YORK (Dow Jones)–Die Rohöllagerbestände in den USA sind in der zurückliegenden Woche sehr stark um 12,9 Millionen Barrel gestiegen, wie aus Daten des privaten American Petroleum Institute (API) hervorgeht. In der Vorwoche war ein Minus von 4,2 Millionen Barrel berichtet worden. Die Benzinbestände erhöhten sich um 3,6 Millionen Barrel nach plus 3,9 Millionen eine Woche zuvor. Für die offiziellen Daten der staatlichen Energy Information Administration (EIA), die am Mittwoch veröffentlicht werden, erwarten Volkswirte beim Rohöl eine Zunahme von 0,9 Millionen und bei Benzin ein Plus von 0,4 Millionen Barrel.
COMMENT: Starker Anstieg nach einer Serie von Rückgängen. Gewisser Einfluss auf Ölpreis ist möglich.
ASIEN: CHINA, JAPAN u.a.
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AUSTRALIEN
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AFRIKA
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NAH-/MITTELOST: ISRAEL u.a.
— ISRAEL – HAMAS siehe ganz unten
EUROPA
SCHWEIZ: Die Inflation verschiebt viel Geld von unten nach oben – Info-Sperber, 6.10.2023
Ungleichheit verursacht die Inflation. Mit ihrer hohen Kaufkraft treiben die Reichen die Preise hoch.
Nach dem Lehrbuch der Ökonomie bestimmen die Kosten die Preise. Wer etwas herstellt, muss dafür Material kaufen, Löhne zahlen und die entsprechenden Kosten auf die Kunden abwälzen. Der billigste Produzent gewinnt, die teuren Anbieter werden von der Konkurrenz verdrängt. So funktioniert es zum Teil auch in der Realität.
Der Strompreis steigt, weil die Elektrizitätswerke das Gas, die Kohle oder das Erdöl teurer einkaufen müssen. Der Kaffee wird teuer, weil die Beizer den Angestellten einen Teuerungsausgleich bezahlen müssen.
Doch da ist auch noch ein anderer Mechanismus im Spiel. Gewisse Preise steigen unabhängig von den effektiven Kosten, weil die Produzenten mehr aus den Konsumenten herausholen können. Die Preise richten sich massgeblich nach der Kaufkraft der reichen Oberschicht, die dann wiederum von den hohen Preisen profitiert. Das Ausschalten des «natürlichen» Preismechanismus bewirkt somit eine Umverteilung von unten nach oben.
Der US-Wirtschaftswissenschaftler Richard D. Wolff sagt, Oligopole, Kartellabsprachen und koordinierte Preiserhöhungen seien die Haupttreiber der Inflation in den USA:
In der Schweiz begünstigen auch staatliche Regulierungen die Preiserhöhungen bei Mieten, Medikamenten und Energie.
Hohe Mieten – Avenirsuisse findet’s gut
Das gilt ausgerechnet für die wichtigsten Ausgabeposten der meisten Haushalte – angefangen bei dem Mieten. «Die Mieten sind hoch, weil hierzulande hohe Einkommen erzielt werden.» So fasst der unternehmerfreundliche Thinktank «Avenirsuisse» das Ergebnis seiner neuesten Studie zum Wohnungsmarkt «Mieten und Mythen» zusammen.
In der Tat haben die Preise für Wohnraum mit den effektiven (Bau-)Kosten immer weniger zu tun. So wird etwa im Zürcher Vorort Adliswil eine 92 Quadratmeter grosse 3,5 Zimmer-Wohnung für 1,555 Millionen angeboten und verkauft. Im Jura, wo weit weniger hohe Einkommen erzielt werden, zahlt man dafür nicht einmal einen Drittel. Das obwohl die Baukosten in etwa gleich sind. Nur die Landkosten sind in Adliswil höher. Doch eine Million Franken mehr, entspricht etwa 2500 Franken monatlichen Mehrausgaben, die nicht durch die effektiven Bau- Unterhalts- und Verwaltungskosten gerechtfertigt sind.
Die Mieten und die Immobilienpreise sind auch deshalb so hoch, weil die Schweiz (und viele Kantone) eine Steuerpolitik betreibt, die darauf abzielt, möglichst viele zahlungskräftige Steuerzahler anzulocken. Avenirsuisse spielt dabei eine treibende Rolle. Hier etwa macht sie konkrete Vorschläge, wie die Schweiz die von der OECD verlangte minimale Gewinnsteuer von 15 Prozent sogar unter Null senken kann, um noch mehr Firmensitze und gut bezahlte Kaderleute in die Schweiz zu locken.
Der Zuzug von Multimillionären und deren schonende fiskalische Behandlung ist einer der Gründe für die extrem ungleiche Vermögensverteilung in der Schweiz. Bloss 6 Prozent der Haushalte besitzen über 70 Prozent der deklarierten steuerpflichtigen Vermögen in Höhe von 2200 Milliarden Franken. (Siehe hier) Diese liquide Oberschicht ist bereit, für die als wertsichernd erachteten Immobilien fast jeden Preis zu zahlen.
Teure Medikamente: Avenirsuisse will mehr davon
Derselbe Mechanismus – hohe Kaufkraft verteuert die Preise – spielt nicht nur bei den Immobilien, sondern auch im Gesundheitswesen. Und auch hier liefert die Avenirsuisse Schützenhilfe. In einer Studie mit dem Titel «Die Schweiz muss für die Pharmaindustrie attraktiv sein» setzt sie sich dafür ein, dass neue teure Medikamente schneller zugelassen und von den Krankenkassen bezahlt werden. Zu welchem Preis? Dazu heisst es in der Studie: «Ein weiterer Vorschlag von Avenirsuisse bestünde darin, die Preisfestsetzung für Arzneimittel auf der Basis ihres objektiv gemessenen Mehrwerts zu ermöglichen.»
Das heisst: Nicht die Kosten sind für den Preis einer medizinischen Massnahme massgebend, sondern der therapeutische Mehrwert, beziehungsweise der Nutzen für den Patienten. Am Wichtigsten, so die Studie, sei die Frage: «Welche Bedürfnisse haben die Patient:innen?» Die Antwort sei klar: «raschen Zugang zu lebensrettenden oder -verlängernden Medikamenten» Die Kosten spielen offensichtlich keine Rolle.
Konkret geht das in etwa so: Wenn eine vom Hersteller bezahlte Studie zeigt, dass das neue Medikament den Spitalaufenthalt um drei Tage (zu 400 Franken) verkürzt, und der Patient drei Tage (zu 500 Franken) früher wieder arbeiten kann, dann beläuft sich der Mehrwert des Medikaments auf 2700 Franken – auch wenn es für wenige Franken hergestellt werden kann. Wenn das Leben um zwei Jahre verlängert wird, beträgt der Mehrwert zwei Lebensjahre, die im Falle der USA mit je etwa 100’000 Dollar beziffert werden.
Avenirsuisse schlägt vor, dass sich die Hersteller und die «Allgemeinheit» diesen Mehrwert hälftig teilen. Bei häufig verschriebenen Medikamenten könne ferner berücksichtigt werden, ob die Krankenkassen die Kosten noch tragen können. Der «unabhängige» Thinktank hat dies nicht selbst ausgedacht, sondern übernimmt im Wesentlichen die Ideen und Forderungen der Pharmaindustrie und deren Gesundheitsökonomen.
Diese Spritze macht Novo Nordisk noch fetter
Die Studie der unternehmernahen Denkfabrik hat – zufällig? – einen aktuellen Hintergrund: Die Pharmafirma Novo Nordisk und die von ihr mitfinanzierte Allianz Adipositas drängen darauf, dass ihre von der Swissmedic bereits zugelassene Fett-weg-Spritze Wegovy von den Krankenkassen übernommen und bezahlt wird.
Diese zögern nicht ohne Grund: Für eine Spritze kassiert Novo Nordisk in Deutschland aktuell rund 300 Euro. Sie muss monatlich injiziert werden und zwar – um den JoJo-Effekt zu vermeiden – bis ans Lebensende. Gemäss Allianz Adipositas gibt es in der Schweiz mehr als 400’000 Personen mit schwerem Übergewicht. Tendenz steigend. Das verspricht für Novo Nordisk und ihre Konkurrenten einen Markt von rund 1,5 Milliarden Franken und für die Krankenkassen einen entsprechenden Kostenschub.
Als Folge davon alimentieren Normalbürger und der Staat mit den Krankenkassenprämien eine reiche Oberschicht: Die Marktkapitalisierung von Novo Nordisk beläuft sich aktuell auf rund 450 Milliarden Dollar. Die Aktionäre konnten ihren Einsatz in nur vier Jahren mehr als vervierfachen. CEO Lars Jörgensen kassiert jährlich rund 5,4 Millionen Dollar. Der Medianlohn bei Novo Nordisk liegt bei 130’000 Dollar pro Jahr (siehe hier) – weit mehr als bei Normalverdienern. Die Ärzte, welche die Fett-weg-Pillen verschreiben, profitieren mit. Allein letztes Jahr hat Novo Nordisk Ärzte mit 457’000 Mahlzeiten bewirtet und zu Fortbildungen eingeladen. Fast 12’000 Medizinerinnen und Mediziner liessen sich sogar mehr als ein Dutzend Mal einladen. Ein einzelner Arzt in den USA stellte über 30’000 Rezepte aus. Die Kasse klingelt. Infosperber informierte darüber.
Rekordgewinne auch im Energiesektor
Auch bei den Energiepreisen, dem drittgrössten Ausgabenposten der Privathaushalte, funktioniert der Marktmechanismus nicht so, wie im Lehrbuch vorgesehen. Dafür sind vor allem zwei Gründe verantwortlich. Erstens: Sobald die Nachfrage das Angebot übersteigt, richtet sich der Strompreis nach dem Börsenpreis der teuersten Energiequelle (konkret von Gaskraftwerken), was die Gewinnmargen aller billigeren Quellen so lange anschwellen lässt, bis die Engpässe beseitigt sind.
So konnte der Marktführer Exxon Mobil 2022 den Gewinn gegenüber dem Vorjahr von 23 auf 55,7 Milliarden Dollar steigern. Auch Shell, Chevron, Total Energies und BP konnten ihren Gewinn verdoppeln. Insgesamt hat dieser Profitschub die Konsumenten mehr als 200 Milliarden Dollar gekostet. (siehe hier) In der Schweiz hat der führende Stromanbieter Axpo den Betriebsgewinn im ersten Halbjahr 2023 mit 3,8 Milliarden Franken gegenüber dem Vorjahr fast vervierfacht.
Die Kleinen zahlen sechsmal so viel
Dazu kommt zweitens, dass diese überhöhten Preise nicht auf alle gleich verteilt werden. Die grossen Stromkunden können in den meisten Ländern ihre Lieferanten frei wählen und dadurch den noch günstigsten Anbieter wählen. Auch können sie den Preis verhandeln, indem sie etwa mit der Verlagerung der Produktion drohen. Der grüne deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck will den Strompreis für energieintensive Industrien temporär auf maximal 6 Cent je Kilowattstunde (kWh) festlegen (hier), während Privathaushalte und Gewerbler leicht das Sechsfache bezahlen müssen.
Wer von der Inflationsbekämpfung profitiert
Preissteigerungen sind somit auch – oder vielleicht sogar in erster Linie – die Folgen eines von der reichen Ober- und Unternehmerschicht gewonnenen Verteilungskampfs. Demgegenüber sieht die offizielle Lesart die «Inflation» als normale Konsequenz einer «überhitzten» Wirtschaft, die zu einer «galoppierenden» Inflation wird, wenn die Zentralbanken rechtzeitig die Zinsen erhöhen und damit die Wirtschaft abkühlt. Unter anderem mit der Folge, dass die Mieten und die Arbeitslosigkeit steigen, was wiederum in erster Linie die Mittel- und die Unterschicht trifft.
Fakt ist, die Konzerne sitzen am längeren Hebel. Sie und ihre Kaderleute können ihren Steuersitz dorthin verlegen, wo die Steuern am Tiefsten sind. Und sie können mit der Verlagerung von zehntausenden Jobs drohen. Avenirsuisse kennt diese Kräfteverhältnisse und rät deshalb der Schweiz, sie solle für die Pharma-Industrie «attraktiv bleiben». Lieber zu hohe Pharmapreise zahlen, als Verlierer im Standortwettbewerb zu sein.
Dieser Ratschlag ist kurzsichtig. Wir bräuchten unabhängige Thinktanks, die nicht nur die aktuellen Kräfteverhältnisse kennen, sondern auch grundsätzliche Fragen stellen: Ob wir den Pharma- oder den Wohnungsmarkt nicht auch so organisieren können, dass nicht der Nutzen (der Kaufkräftigen), sondern die Kosten den Preis bestimmen. Und ob wir unsere Zivilisationskrankheiten nicht viel intelligenter bekämpfen können als mit immer teureren und keineswegs nebenwirkungsfreien Medikamenten.
DEUTSCHLAND
WAHLUMFRAGEN
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WEITERE MELDUNGEN
München (pte017/12.10.2023/10:30)
Das Geschäftsklima für Selbständige hat sich laut der aktuellen Befragung des ifo Instituts für dieses Segment deutlich aufgehellt. Der Index ist nach minus 19,9 Punkten im August einen Monat später auf minus 14,4 Punkte gestiegen.
„Talsohle erreicht“
„Die Selbständigen scheinen die konjunkturelle Talsohle erreicht zu haben. Ob die Besserung anhält, wird sich in den nächsten Monaten zeigen“, sagt ifo-Expertin Katrin Demmelhuber. Vor allem die Unzufriedenheit der Selbständigen mit ihren laufenden Geschäften sei spürbar zurückgegangen. Auch die Erwartungen legten leicht zu.
Die Stimmung bei den Selbständigen entwickelte sich somit positiver als in der Gesamtwirtschaft, wo das Geschäftsklima im September fast unverändert blieb. „Eine Herausforderung bleibt aus Sicht der Selbständigen der Zugang zu Krediten“, so Demmelhuber.
Restriktive Kreditvergabe
Zwar ist der Anteil der Befragten, die im dritten Quartal 2023 Kreditverhandlungen geführt haben, laut ifo-Statistik mit 8,3 Prozent recht gering. Allerdings stuften 37,4 Prozent der Selbständigen in Kreditverhandlungen das Verhalten der Banken als restriktiv ein, heißt es.
ÖSTERREICH
STATISTIK AUSTRIA
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WAHLUMFRAGEN
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WEITERE MELDUNGEN
Passagierzahlen am Flughafen Wien im September nur knapp unter Vorkrisenniveau
September 2023 – Verkehrsergebnis: 3.801.022 Passagiere in der Flughafen-Wien-Gruppe und 2.919.579 Passagiere am Standort Wien
Flughafen Wien (OTS) – Nach einem starken Sommer liegen die Passagierzahlen am Flughafen Wien im September nur knapp unter dem Vorkrisenniveau: Im September 2023 legten die Passagierzahlen um 12,7% auf 3.801.022 Reisende in der Gruppe (Flughafen Wien, Malta Airport und Flughafen Kosice) und um 10,1% auf 2.919.579 Reisende am Standort Wien gegenüber dem September des Vorjahres zu. Damit liegt das Passagieraufkommen im September 2023 in der Gruppe bei 99,9% und am Standort Wien bei 98,1% des September 2019 – und damit in Wien weiterhin geringfügig unter dem Niveau des Jahres vor der Corona-Pandemie.
Am Standort Wien stieg die Zahl der Lokalpassagiere auf 2.212.441 (+15,5%) und die der Transferpassagiere fiel leicht auf 702.008 Reisende (-3,5%). Die Flugbewegungen erhöhten sich auf 20.729 Starts und Landungen (+6,3%). Das Frachtaufkommen sank gegenüber dem September 2022 um 5,1% auf 20.209 Tonnen.
Details zum Passagieraufkommen
Im September 2023 stieg das Passagieraufkommen am Flughafen Wien nach Westeuropa auf 994.705 Passagiere (+8,0% im Vergleich zum Vorjahr). Nach Osteuropa reisten im September 2023 insgesamt 225.877 Passagiere (+3,6%). Nach Nordamerika verzeichnete der Airport 49.085 Reisende (+0,5%) und nach Afrika 24.852 (+26,9%). In den Nahen und Mittleren Osten reisten im September 2023 insgesamt 90.581 (+33,8%) und in den Fernen Osten 39.416 Passagiere (+101,5%).
Die Flughafen-Wien-Beteiligungen wachsen bereits über das Vorkrisenniveau hinaus: Am Flughafen Malta stieg das Passagieraufkommen im September 2023 auf 812.176 Reisende (+23,3%) und liegt damit 6,5% über dem Vorkrisenniveau (September 2019). Am Flughafen Kosice legte das Passagieraufkommen auf 69.267 Reisende (+11,8%) zu und liegt damit 9,3% über dem Vorkrisenniveau.
Details zu den Verkehrszahlen finden sich in der beigefügten Tabelle [online].
Disclaimer/Haftungshinweis
Alle in dieser Presseaussendung getroffenen Aussagen, die an die Zukunft gerichtet sind und auf künftige Entwicklungen der Flughafen Wien AG/Flughafen-Wien-Gruppe Bezug nehmen, beruhen auf derzeitigen Annahmen und Prognosen der Unternehmensführung. Sollten die den Prognosen zugrunde liegenden Einschätzungen nicht eintreffen oder die im Risikobericht des Unternehmens beschriebenen Risiken eintreten, können die tatsächlichen Ereignisse oder Ergebnisse von den zurzeit erwarteten abweichen. Trotz größter Sorgfalt erfolgen daher alle zukunftsbezogenen Aussagen ohne Gewähr und die Flughafen Wien AG/Flughafen-Wien-Gruppe übernimmt keine Verpflichtung, diese zukunftsgerichteten Aussagen zu aktualisieren oder sie an zukünftige Ereignisse oder Entwicklungen anzupassen.
Rückfragen & Kontakt:
Flughafen Wien AG
Peter Kleemann
Unternehmenssprecher
(+43-1-) 7007-23000
p.kleemann@viennaairport.com
www.viennaairport.com
MEDIZIN – PSYCHOLOGIE – FORSCHUNG
Forscher beweisen, dass Gewichtsreduktion Prädiabetes stoppt
Eine Gewichtsabnahme um fünf Prozent kann bei Prädiabetikern das Risiko des Ausbruchs einer Zuckerkrankheit um bis zu 73 Prozent verringern. Es kommt vor allem auf weniger Bauchfett an, haben deutsche Wissenschafterinnen und Wissenschafter nun bewiesen. In Österreich leben rund 800.000 Menschen mit Diabetes. Hinzu kommen laut Berechnungen noch rund 350.000 Personen, die eine Vorstufe der Erkrankung haben.
Bei letztgenannter Gruppe wäre es besonders wichtig, den Ausbruch der vollen Erkrankung von Anfang an zu verhindern. Andreas Birkenfeld (Universitätsklinik Tübingen) und seine Co-Autoren vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) haben vor kurzem in „Lancet Diabetes & Endocrinology“ (DOI: https://doi.org/10.1016/S2213-8587(23)00235-8 ) eine neue Analyse der „Prediabetes Lifestyle Intervention Study“ veröffentlicht. „Eine Typ-2-Diabetes-Erkrankung kann als Resultat einer Gewichtsreduktion (…) wieder verschwinden. In dieser Analyse haben wir versucht, diesen Mechanismus infolge einer Gewichtsreduktion bei Menschen mit Prädiabetes zu klären“, schrieben die Wissenschafter.
Rund 1.105 Personen mit Prädiabetes (Nüchternblutzucker hundert bis 125 Milligramm pro Deziliter, HbA1c-Wert als Maß für längerfristige Zuckerbeladung der roten Blutkörperchen zwischen 5,7 und 6,4 sowie erhöhte Blutzuckerwerte im Belastungstest) wurden zu wesentlichen Lebensstiländerungen mit Umstellung der Ernährung und mehr körperlicher Aktivität veranlasst. Das lief über ein Jahr hinweg.
Als die Wissenschafter die Daten jener 298 Studienteilnehmer analysierten, die mindestens fünf Prozent ihres Körpergewichtes abgenommen hatten, zeigte sich, dass bei 43 Prozent von ihnen die Anzeichen von Prädiabetes verschwunden waren. Es war zu einer sogenannten Remission der Vorstufe der Zuckerkrankheit gekommen. Auch noch zwei Jahre nach dem Ende der wissenschaftlichen Untersuchung waren sie im Vergleich zu jenen Personen, bei denen sich dieser positive Effekt nicht eingestellt hatte, um 73 Prozent seltener an Typ-2-Diabetes erkrankt.
Bessere Nierenfunktion und besserer Zustand der Blutgefäße
„Außerdem zeigten sie eine verbesserte Nierenfunktion und einen besseren Zustand ihrer Blutgefäße“, schrieben die Wissenschafter. Ein Vergleich der Studienteilnehmer, die ihr Körpergewicht um fünf Prozent reduziert hatten und keinen Prädiabetes mehr aufwiesen und jenen, die trotz Gewichtsabnahme weiterhin die Anzeichen der Vorstufe einer Zuckerkrankheit zeigten, führte zur wahrscheinlichen Ursache für den Effekt. Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung in einer Aussendung: „Die Wahrscheinlichkeit einer Remission steigt den neuen Ergebnissen zufolge, wenn das Körpergewicht um fünf Prozent und der Bauchumfang um etwa vier Zentimeter bei Frauen und sieben Zentimeter bei Männern reduziert werden.“
Es geht offenbar um das „Bauchfett“. Diejenigen Probanden, die in eine Prädiabetes-Remission gekommen waren, hätten „mehr viszerales Bauchfett abgebaut. Viszerales Bauchfett liegt direkt in der Bauchhöhle und umgibt den Darm. Es kann die Insulinsensitivität beeinflussen, unter anderem durch eine Entzündungsreaktion im Fettgewebe“, so die Wissenschafter. Eine Verringerung dieses Bauchfetts sei „bei Prädiabetes offenbar von entscheidender Bedeutung“.
Erst im vergangenen Juli hat ein internationales Team von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern mit Beteiligung der Wiener Kardiologin Jolanta Siller-Matula eine Metaanalyse von wissenschaftlichen Studien mit den Daten von mehr als 40.000 Patienten mit Prädiabetes veröffentlicht. Es zeigte sich, dass Betroffene nicht nur an sich bereits ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen, sondern nach akuten Eingriffen wegen eines Herzinfarkts (Herzkatheterinterventionen, Stents) auch eine um ein Drittel höhere Mortalität aufweisen.
Typ-2-Diabetes: Diät senkt HbA1c-Wert und Körpergewicht in Studie
Biratnagar/Nepal – Eine randomisierte Studie aus einem der ärmsten Länder der Erde, das trotzdem eine Diabetesepidemie erlebt, erinnert daran, dass es neben den vielen Antidiabetika noch eine weitere Möglichkeit gibt, den Blutzucker langfristig zu senken.
Eine Ernährungsberatung verhalf den Patienten mit Typ-2-Diabetes auch ohne Medikamente zu einer Reduktion des HbA1c-Werts und des Körpergewichts. Ergebnisse wurde in Lancet Regional Health Southeast Asia (2023; DOI: 10.1016/j.lansea.2023.100285 ) publiziert.
Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 733 US-Dollar gehört Nepal zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Kaufkraft entspricht allerdings 2.679 US-Dollar, und die Bevölkerung muss nicht Hunger leiden. Es ist sogar mehr Nahrung verfügbar, als zum Erhalt des Lebens notwendig ist.
Nach den Ergebnissen einer bevölkerungsbasierten Querschnittstudie aus den Jahren 2016 bis 2018 haben 8,5 % aller Nepalesen einen Typ-2-Diabetes. Da Medikamente aus dem Ausland importiert werden müssen, ist die Versorgung mit Antidiabetika schwierig.
Die Studie, die Mediziner der Purbanchal Universität in Biratnagar (zusammen mit Kollegen in den USA und England) durchgeführt haben, dürfte deshalb auch das Ziel gehabt haben, Patienten zu helfen, die keinen Zugriff auf Medikamente haben.
In einer Klinik der Hauptstadt Kathmandu wurden 156 Patienten mit Typ-2-Diabetes auf eine Ernährungsberatung und eine Kontrollgruppe randomisiert. Die Patienten waren mit einem BMI von 25,98 nur knapp über der Grenze zum Übergewicht, ihr Verzehr von Kohlenhydraten lag mit 360 Gramm/Tag jedoch deutlich über dem Bedarf, und der HbA1c-Wert war mit 8,0 % über der Schwelle zum Typ-2-Diabetes (6,5 %). Ein Drittel der Patienten hatte keine schulische Ausbildung und damit vermutlich auch keinerlei Wissen über die Erkrankung und ihre Folgen.
Dies sollte eine Ernährungsberatung ändern, an der die Hälfte der Patienten teilnahm. Im ersten Teil wurden sie zu den Zusammenhängen der Ernährung und ihrer Erkrankung aufgeklärt. Im zweiten Teil wurde dann für jeden Patienten ein individueller Ernährungsplan entworfen mit fünf Mahlzeiten am Tag und der Vermeidung von zu vielen Kohlenhydraten und Fetten und der vermehrten Zufuhr von Ballaststoffen und Mikronährstoffen.
Wie Dev Ram Sunuwar von der Purbanchal Universität und Mitarbeiter berichten, ist es den Teilnehmern der Ernährungsberatung gelungen, die Kohlenhydratzufuhr um durchschnittlich 69,22 Gramm am Tag zu senken, während es in der Kontrollgruppe zu einer Zunahme um 36,94 Gramm kam. Dies hatte einen Rückgang des HbA1c-Werts um 0,48 %-Punkte auf 7,53 % zur Folge, während es in der Kontrollgruppe zu einer Zunahme um 0,22 %-Punkte auf 8,21 % kam.
Die Differenz von 0,61 %-Punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,17 bis 1,04 %-Punkte signifikant und dürfe in etwa dem Bereich entsprechen, der mit einem oder zwei Antidiabetika erreicht wird. Der Nüchternblutzucker sank im Vergleich zur Kontrollgruppe sogar um 18,96 mg/dl (1,81 bis 36,12 mg/dl).
Die Ernährungsumstellung hat zu einem Rückgang der Energieaufnahme um 202,12 kcal/Tag geführt, während die Kontrollgruppe die Energieaufnahme sogar um 167,13 kcal steigerte. Die Teilnehmer der Ernährungsberatung konnten ihren BMI von 26,04 auf 25,69 senken, während es in der Kontrollgruppe zu einer Zunahme von 25,05 auf 25,11 kam. Auch beim Taillen- und Hüftumfang kam es durch die Ernährungsumstellung zu einer Verbesserung. © rme/aerzteblatt.de
London (pte001/11.10.2023/06:00) – Auf Basis von KI-Sprachmodellen haben Forscher des UCL Institute for Neurology neue Tools entwickelt, die die subtilen Signaturen im Sprechen von Schizophrenie-Patienten beschreiben. Die in „PNAS“ veröffentlichte Studie zielt darauf ab, zu verstehen, wie die automatisierte Analyse von Sprache Medizinern und Wissenschaftlern dabei helfen kann, psychiatrische Erkrankungen zu diagnostizieren und zu beurteilen.
Bisher fehlende Präzision
Derzeit basiert eine Schizophrenie-Diagnose fast ausschließlich auf Gesprächen mit den Patienten und ihnen nahestehenden Personen. Bluttests und Gehirn-Scans spielen in diesem Zusammenhang nur eine sehr geringe Rolle. Diese fehlende Präzision verhindert jedoch ein besseres Verständnis der Ursachen von psychischen Erkrankungen und die genaue Überwachung der Behandlung.
Die Forscher haben 26 Teilnehmer mit Schizophrenie und 26 Personen der Kontrollgruppe ersucht, zwei Aufgaben zur Wortflüssigkeit zu absolvieren. Dabei sollten sie innerhalb von fünf Minuten so viele Wörter wie möglich nennen, die entweder in die Kategorie „Tiere“ gehören oder mit dem Buchstaben „P“ beginnen. Die Analyse erfolgte mittels eines KI-Sprachmodells, das mit riesigen Textmengen aus dem Internet trainiert worden war, um über eine ähnliche Bedeutung von Wörtern zu verfügen wie der Mensch. Dabei wurde getestet, ob die Wörter, an die sich die Teilnehmer spontan erinnerten, durch die KI vorhergesagt werden konnte und ob diese Vorhersagbarkeit bei Patienten mit Schizophrenie geringer ausfiel.
Signifikante Unterschiede
Tatsächlich waren die Antworten der Kontrollgruppe vorhersehbarer als jene, die von den Schizophrenie-Patienten stammten. Am stärksten ausgeprägt war dieser Unterschied bei Personen mit schwereren Symptomen. Die Forscher nehmen an, dass dieser Unterschied darauf zurückzuführen ist, wie das Gehirn Beziehungen zwischen Erinnerungen und Ideen lernt sowie diese Infos in den sogenannten kognitiven Karten abspeichert.
Diese Theorie wird von einem zweiten Teil der Studie gestützt. Hier wurde mittels Scans die Aktivität in jenen Bereichen des Gehirns gemessen, die beim Lernen und dem Abspeichern dieser kognitiven Karten eine Rolle spielt. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit rund 24 Mio. Menschen an Schizophrenie leiden. Zu den Symptomen gehören Halluzinationen, Wahnvorstellungen, wirre Gedanken und Veränderungen im Verhalten.
Oulu (pte004/11.10.2023/06:15) – Personen, die in den Abend- und Nachtstunden aktiv sind, haben eher niedrigere Löhne und Gehälter. Das gilt vor allem für Männer mittleren Alters, wie Forscher der Universität Oulu sagen. Sie haben eine Verbindung zwischen dem inneren zirkadianen Rhythmus und dem Einkommen aufgedeckt. Details wurden in „Economics & Human Biology“ veröffentlicht.
Großer Datensatz genutzt
Der Chronotyp bezieht sich auf den inneren zirkadianen Rhythmus einer Person, der ihr Schlafverhalten und die Aktivitätszeiten am Tag bestimmt. Es gibt den Morgen- beziehungsweise Frühtyp, den Abend- beziehungsweise Spättyp sowie den Misch- beziehungsweise Normaltyp. Die Studie zeigt, wie und durch welche Mechanismen der Chronotyp einer Person mit ihrem Arbeitsmarkt-Status zusammenhängt. Die Forscher haben umfassende Daten aus der nordfinnischen Geburtenkohorte 1966 und Aufzeichnungen der Steuerverwaltung genutzt. Auf dieser Basis wurde der Einfluss des Chronotypen auf das Einkommen anhand von Faktoren wie Bildung, Berufserfahrung, Lebensstil und Gesundheit untersucht.
Abendchronotypen weisen im Vergleich eher negative Eigenschaften auf. Dazu zählen Alkoholkonsum, Rauchen, geringe körperliche Aktivität oder Bewegungsmangel, ein hoher Body-Mass-Index, viel Bildschirmzeit außerhalb von Arbeit und Schule und ungesunde Ernährung. „Abend-Chronotypen neigen dazu, weniger Human-, Sozial- und Gesundheitskapital zu akkumulieren. Im Schnitt sind weniger Berufserfahrung und schlechtere Entscheidungen in Bezug auf einen gesunden Lebensstil mit einem niedrigeren Einkommensniveau im mittleren Alter verbunden“, so Hauptautor Andrew Conlin. Bei Männern führte dieser Effekt des abendlichen Chronotyps zu einem um vier Prozent niedrigeren durchschnittlichen Jahreseinkommen während einer siebenjährigen Nachbeobachtungszeit.
Anpassung an Chromotypen
Die Erkenntnisse sind laut dem Team wirtschaftlich wie sozial bedeutsam, da Menschen, die abends arbeiten, laut Stichprobe immerhin elf Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die Forscher betonen, wie wichtig es ist, die Chronotypen der Menschen am Arbeitsplatz zu erkennen und zu berücksichtigen. So sei der traditionelle Arbeitstag von 8 bis 16 Uhr nicht optimal auf das Aktivitätsniveau von Menschen mit Abendchronotyp abgestimmt. Diese neigen zu Schlafproblemen und arbeiten möglicherweise nicht während ihrer produktivsten Zeit am Tag. „Darüber hinaus erscheint es wichtig, Lösungen zu finden, die eine gesündere Lebensweise von Personen des Abendchronotyps unterstützen“, sagt Co-Autorin Leena Ala-Mursula.
Spanische Grippe: Studie widerlegt Mythos von Todesfällen bei Gesunden
Hamilton, Ontario – Häufige aktive Periostreaktionen an Schienbeinen aus der Knochensammlung eines Museums deuten darauf hin, dass an der Spanischen Grippe von 1918/19 nicht bevorzugt junge gesunde Erwachsene gestorben sind, wie dies historische Beschreibungen vermuten ließen. Nach den in den Proceedings of the National Academy of Sciences (2023; DOI: 10.1073/pnas.2304545120 ) vorgestellten Beobachtungen litten viele Opfer wohl an chronischen Erkrankungen.
Normalerweise sterben während einer Grippeepidemie vor allem Säuglinge und ältere Menschen, was eine U-förmige Mortalitätskurve ergibt. Bei der Spanischen Grippe, an der 1918/19 weltweit 20 bis 50 Millionen Menschen gestorben sein sollen, gab es einen dritten Mortalitätsgipfel in der Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen.
Die Ursache für diese W-förmige Kurve ist unbekannt. Eine verbreitete Vermutung ist, dass sich nach 20 bis 40 Jahren Abwesenheit wieder ein Virus ausgebreitet hat, gegen das ältere Menschen noch eine Immunität aufwiesen, während jüngere ungeschützt waren.
Dennoch ist erstaunlich, warum gerade Menschen in einem Alter starben, in dem chronische Erkrankungen, die zuletzt während der Coronapandemie die wichtigsten Risikofaktoren für einen tödlichen Verlauf waren, sehr selten sind. Hieraus hat sich die Hypothese entwickelt, dass das Virus der Spanischen Grippe aus welchen Gründen auch immer bevorzugt das Leben gesunder junger Menschen ausgelöscht hat.
Diese Annahme wird jetzt durch Untersuchungen infrage gestellt, die die beiden Anthropologinnen Amanda Wissler von der McMaster Universität in Hamilton/Ontario und Sharon DeWitte von der Universität von Colorado in Boulder an den Knochenresten von Verstorbenen durchgeführt haben. Sie stammten aus den Archiven des Cleveland Museum of Natural History das über die Jahrhunderte die Knochen von etwa 3.000 Menschen gesammelt hat.
Darunter waren 81 Personen, die zwischen September 1918 und März 1919 gestorben waren, als die Spanische Grippe in der Stadt wütete. Ob dies die Todesursache war, konnten die Forscherinnen zwar nicht ermitteln. Aber 60 % waren vor dem 50. Lebensjahr gestorben, was einen Zusammenhang wahrscheinlich macht, da die Sterberate in diesem Alter normalerweise niedrig ist.
Die beiden Anthropologinnen verglichen die Knochen mit denen von 288 Personen, die vor der Spanischen Grippe gestorben waren. In beiden Gruppen hatten einige Verstorbene sogenannte Periostreaktionen am Schienbein. Es handelt sich um lokale Abhebungen der Knochenhaut. Sie treten bei einer Verletzung des Knochens, aber auch bei chronischen Erkrankungen oder Mangelzuständen wie einer Unterernährung auf.
Der Vergleich ergab nun, dass die Periostreaktionen bei den jungen Menschen, die während der Spanischen Grippe gestorben waren, fast dreimal häufiger auftraten als in den Knochen aus der Zeit vor der Pandemie. Wissler und DeWitte schließen daraus, dass die Verstorbenen nicht so gesund waren, wie man dies angesichts ihres Lebensalters erwarten könnte.
Die Ursache der Periostreaktionen konnten die Forscherinnen nicht ermitteln. Die Spanische Grippe fiel allerdings in eine Zeit, in der chronische Infektionen wie die Tuberkulose weit verbreitet waren. Eine Heilung gab es damals nicht. Die „Schwindsucht“, wie die Krankheit damals genannt wurde, führte zu einer Schwächung der Abwehrkräfte.
Auch eine Unterernährung war damals verbreitet, vor allem bei ärmeren Menschen, deren Knochen nach dem Tod eher als von reicheren Menschen den Museen zur Verfügung gestellt wurden. Einen Kausalzusammenhang kann die Studie zwar nicht herstellen, die Ergebnisse sprechen jedoch gegen die Annahme, dass das Virus der Spanischen Grippe sich bevorzugt gesunde Menschen herausgepickt hat.
Dieser Mythos könnte entstanden sein, weil der Tod eines gesund erscheinenden jungen Menschen länger in Erinnerung bleibt als der einer gebrechlichen Person, bei der ein Tod eher erwartet wird. © rme/aerzteblatt.de
UMWELT
Der strahlende Makel sauberer Windkraft
In den Magneten von Windrädern ist jede Menge Neodym verbaut, durch dessen Abbau Radioaktivität freigesetzt wird. Eine kritische Lebenszyklus-Analyse deutscher Radioökologen. eodym ist ein Schlüsselelement für die Energie- und Mobilitätswende. Das Metall aus der Gruppe der Seltenen Erden wird für den Bau starker und kompakter Permanentmagnete gebraucht und steckt in vielen Elektromotoren der E-Autos und in den getriebelosen Generatoren der Windkraftanlagen, die hierzulande bereits mehr als 30 Prozent an grünem Strom erzeugen. Rund 560 Kilogramm Neodym sind in dem zwei Tonnen schweren Magneten einer Drei-Megawatt-Windanlage verbaut.Etwa 90 Prozent des Neodyms stammen derzeit aus China, dem Hauptproduzenten der Seltenerdmetalle. Kein anderes Land kann das begehrte Metall günstiger fördern. Dass der Abbau des Erzes mit den darin enthaltenen Seltenen Erden und die Aufbereitung des Materials mit beträchtlichen Gesundheitsrisiken verbunden sind, wird aber öffentlich wenig beachtet. Dabei stecken in den Mineralen Bastnäsit und Monazit auch hohe Konzentrationen an Thorium und Uran sowie deren radioaktiver Zerfallsprodukte.
BILDUNG
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MEDIEN – IT
Ann Arbor (pte002/11.10.2023/06:05) – An einem typischen Tag erhalten Teenager auf ihrem Smartphone rund 240 App-Benachrichtigungen. Ein Viertel dieser Nachrichten kommt während der Zeit in der Schule und weitere fünf Prozent in der Nacht. Durchschnittlich verbringen Jugendliche pro Tag fast 4,5 Stunden am Handy. Dabei reicht die individuelle Nutzung von wenigen Minuten bis zu mehr als 16 Stunden, zeigt eine Studie der University of Michigan Health, des C.S. Mott Children’s Hospital und von Common Sense.
Social-Media-Apps vorne
Die Untersuchung basiert auf den Daten eines Samples von 203 Kindern im Alter von elf bis zwölf Jahren sowie Teenagern zwischen 13 und 17 Jahren, die über ein eigenes Handy verfügen. Diese Daten wurden mit den eigenen Einblicken der jungen Menschen kombiniert, die sie ihm Rahmen des „Common Sense Youth Advisory Council“ gewonnen hatten. Laut der leitenden Wissenschaftlerin Jenny Radesky leben die Kinder und Jugendlichen seit rund 15 Jahren mit dem Handy, das für sie aus einer Vielzahl von Gründen längst zum ständigen Begleiter geworden ist.
Die Nutzung von Handys während der Schulzeit ist laut der Expertin verbreitet und entsprechende Regelungen uneinheitlich. Fast alle Teilnehmer nutzen ihr Handy an einem Schultag mindestens einmal und für eine durchschnittliche Dauer von 40 Minuten.
Insgesamt wurden 1.644 verschiedene Apps während der Woche genutzt, in der die Handys von den Forschern überwacht wurden. Am meisten verbreitet sind Social-Media-Apps, die jeden Tag auch am längsten genutzt werden. Auf sie entfallen rund 42 Prozent der Handy-Nutzung. YouTube erreicht einen Anteil von 19 Prozent.
Dabei handelt es sich um YouTube, YouTube Kids, and YouTube TV. Mobile Gaming mit elf Prozent steht an letzter Stelle.
TikTok und YouTube verfügen über die höchste Anzahl an Usern, die mehrere Stunden pro Tag diese Apps verwenden. 64 Prozent verbringen mehr als eine Stunde pro Tag mit TikTok. Bei YouTube liegt dieser Wert bei 41 Prozent. Nur wenige Minuten pro Tag verbringen die Studienteilnehmer jedoch mit Fotografie- und Kamera-Apps, Telefonanrufen und Musik.
Rating einfach umgangen
Von den 85 Teilnehmern unter 13 Jahren haben 68 Prozent Social-Media-Apps genutzt, die eigentlich eine Freigabe ab 13 Jahren haben. Alle verwendeten zumindest eine App, die für Teenager oder höher eingestuft war. Die Top 3 bei den Kindern zwischen elf und zwölf Jahren waren TikTok, Snapchat und die Gaming-Plattform Discord. Fast die Hälfte aller Teilnehmer nutzten Apps mit einem Rating für „mature“ (17+) oder „adult only“ (18+). Dabei handelte es sich um Pornhub, Fantasy Sport und Apps für Wetten („Yahoo Fantasy Sports & Daily“, „Sleeper Fantasy Football“), Telegram, Reddit, Casino-Games oder gewalttätige Spiele.
Mehr als die Hälfte der Befragten nutzten ihr Handy an den Abenden vor Schultagen – zum Musikhören, Entspannen oder Einschlafen. Manche der jungen Menschen gaben allerdings auch an, dass ihre Tage so ausgelastet sind, dass Zeit beim Zubettgehen die einzige ist, in der sie sich mit dem Handy entspannen könnten. Dadurch verringert sich auch die Zeit, die sie schlafend verbringen. Laut Radesky sagen die Jugendlichen selbst, dass Grenzen für die Nutzung am Abend am besten eingehalten werden können, wenn sie das Handy erst gar nicht mit in ihr Zimmer nehmen. (Ende)
Rund einem Drittel der Österreicher fehlen digitale Grundkompetenzen
Rund einem Drittel der Bevölkerung in Österreich fehlen digitale Grundkompetenzen. Laut Statistik Austria verfügten 2021 63 Prozent der 16- bis 74-Jährigen über diese Basic Skills. Dieser Anteil sinkt erwartungsgemäß mit steigendem Alter und geringerem Bildungs- und Urbanisierungsgrad. Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) will bis 2030 alle Österreicher digitalisierungsfit machen und plant einen achtstufigen digitalen Referenzrahmen.
Deutlich sind die Unterschiede in der Altersstruktur: Während 79 Prozent der 16- bis 24-Jährigen über digitale Grundkenntnisse verfügen, sind es bei den 55- bis 64-Jährigen nur mehr 53 Prozent und bei den 65- bis 74-Jährigen lediglich 35 Prozent.
Ebenfalls große Differenzen gibt es beim Bildungsgrad: 86 Prozent der Hochschulabsolventinnen und -absolventen und 81 Prozent der Maturantinnen und Maturanten weisen digitale Grundkenntnisse auf – bei denjenigen, die als höchsten Abschluss lediglich die Pflichtschule absolviert haben, beträgt dieser Anteil nur 40 Prozent.
Nur geringe Unterschiede gibt es dagegen zwischen Erwerbstätigen (71 Prozent) und Arbeitslosen (65 Prozent), sogenannte „Nicht-Erwerbspersonen“ wie etwa Pensionisten oder Hausfrauen fallen dagegen mit 39 Prozent deutlich ab. Ebenfalls nur eher gering ist der Abstand zwischen Männern (66 Prozent) und Frauen (61 Prozent). Größer sind die Abstände zwischen Stadtbewohnern (71 Prozent) und Bewohnern ländlicher Gebiete (59 Prozent).
Österreich über EU-Durchschnitt
Im EU-Vergleich liegt Österreich mit seinen 63 Prozent der Bevölkerung mit digitalen Grundkenntnissen auf Platz neun. Der EU-Schnitt liegt bei 54 Prozent, deutlich höhere Werte weisen Finnland, die Niederlande, Irland, Dänemark und Schweden auf.
Der sogenannte Digital Skills Indicator setzt sich laut Statistik Austria aus 33 Internet- und Softwareaktivitäten (Einzelindikatoren) bzw. fünf Teilindikatoren zusammen. Die Datenbasis ergibt sich aus hochgerechneten Ergebnissen der europäischen Erhebung über den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in Haushalten und bei Personen 2021.
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 auf einen Wert von 80 Prozent der Bevölkerung mit digitalen Grundkenntnissen zu kommen. Turskys Vorhaben ist ambitionierter – er strebt 100 Prozent an. Heutzutage benötige man für neun von zehn Jobs digitale Grundkompetenzen, meinte er am Donnerstag bei der Eröffnung der Geschäftsstelle Digitale Kompetenzen, die im OeAD, Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung, angesiedelt ist. Diese Basic Skills seien aber auch nötig, um etwa die Teilhabe an E-Government-Lösungen sicherzustellen oder einfach nur am Leben teilzunehmen.
Die Geschäftsstelle will dafür sorgen, dass 2024 in allen österreichischen Gemeinden Workshops für digitale Grundkompetenzen umgesetzt werden. Insgesamt sind 3.500 Workshops geplant, 860 davon bereits heuer. Tursky plant darüber hinaus einen achtstufigen nationalen Referenzrahmen, der nun erarbeitet werden soll. Künftig sollen daher etwa Personen, die sich für eine Stelle bewerben, dies nicht mehr mit einer Aufzählung von Kenntnissen wie Word, Excel oder Powerpoint tun müssen, sondern einfach durch Angabe ihrer Stufe in der achtstufigen Skala.
RECHT
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GESELLSCHAFT – RELIGION – GESCHICHTE – ARBEITSWELT
Faul und fragil? Eine Pflichtverteidigung der Generation Z
Ist die Generation Z wirklich fauler als alle anderen? Oder glorifiziert sie Selbstausbeutung einfach nicht mehr so schamlos wie ihre Vorgänger? Und, ganz generell: Wer braucht diese Generationenkonflikte eigentlich?
Ja, genau, das ist jetzt dieser Text. Er musste früher oder später ja irgendwo auftauchen – bei so einer demografischen Lage, bei so einer gesamtgesellschaftlichen Debatte. Generationenkonflikte eignen sich schließlich großartig für Essays, man kann dann PDF-Konvertierungswitze über Boomer machen oder allen unter 30-Jährigen universal eine Laktoseintoleranz diagnostizieren, die irgendwie mit der grundsätzlichen Verweichlichung der Bevölkerung zusammenhängt. Noch mehr wohlfeile Polemik? Gerne. „Meinen Kaffee trinke ich nur mit Hafermilch und Agavendicksaft.“ „Ich habe das Internet gelöscht.“ „Ich kann heute leider nur drei Stunden arbeiten, ich muss danach zum Innere-Mitte-Matcha-Tee-Plenum.“ „Wenn Armin Wolf in der ‚ZIB 2‘ noch einmal gendert, überfahr ich den Fernseher mit meinem Benziner.“
Nun können wir uns aber ruhig eingestehen, dass die Art und Weise, wie wir diese Diskussion derzeit führen – in unzähligen Glossen und nicht enden wollenden Podcast-Folgen von „Lanz und Precht“ –, genau niemandem hilft, genau gar nichts löst. Generationenkonflikte sind auch kein neues Phänomen, schon immer forderte die Jugend herrschende Moralvorstellungen und Gesellschaftsstrukturen heraus. Und schon immer endete das sehr oft in Scheindebatten und mit einem Haufen von Vorurteilen.
Aktuell trifft es eben die Generation Z. Die Jahrgänge zwischen 1995 und 2010 haben sich einen Ruf eingefangen, den sie nur mehr schwer wieder loswerden: faul und autoritätsverweigernd und gleichzeitig zu frech und zu soft. Niemand von ihnen will mehr arbeiten, ständig sind sie auf der Suche nach irgendwas und dabei auch noch dauernd getriggert. Aber welche Realität steckt hinter diesem Image? Gehen wir dem doch einfach einmal auf den Grund, hoffentlich ein letztes Mal – und ohne Boomer- oder Hafermilch-Witze.
„Keinen Bock!“
Stichwort Work-Life-Balance. Die ist „den Jungen“ bekanntlich besonders wichtig. Laut der Ö3-Jugendstudie 2023 muss den 16- bis 25-Jährigen neben der Arbeit genug Zeit für „andere Dinge“ bleiben, für die Mehrzahl sind flexible Arbeitszeiten deshalb unerlässlich. Kein Wunder, dass es in den sozialen Medien unzählige Clips und Sketches gibt, die sich darüber lustig machen, dass die Generation Z bei der Arbeit nur mehr für das Nötigste zu haben ist. Keine Überstunden mehr, keine Extraarbeit – „Quiet Quitting“ ist angesagt. Übersetzt bedeutet das so viel wie „still kündigen“, sprich: „Dienst nach Vorschrift“. Keine Eigeninitiative mehr, ausschließlich das machen, wofür man bezahlt wird. Auf der Plattform TikTok gibt es ein Video mit dem Titel „Gen Z, wenn es 17.00 Uhr ist“; ein paar Personen sitzen um einen Tisch herum und arbeiten auf ihren Laptops, dann ist Feierabend. Sie packen zusammen und gehen nach Hause. Und das ist auch schon der Witz: dass sie nach Hause gehen. Dass sie nicht länger bleiben, als sie müssen.
Nach Hause gehen, wie im Vertrag vereinbart? Keine All-in-Mentalität? Ein absoluter Alptraum für alle Start-up-Elon-Musks, deren Geschäftsmodell darauf beruht, drei unterbezahlte BWL-Studenten so lange kreativ auszuquetschen, bis auf ein paar mittelmäßige „Family Guy“-Zitate nichts mehr von ihnen übrig ist. Wahrscheinlich ist es spätestens jetzt wichtig, einmal über Arbeitsmoral im gesamtgesellschaftlichen Diskurs nachzudenken. Wenn die nämlich zwangsläufig damit verknüpft wird, unaufgefordert und demütig unbezahlte Arbeit zu verrichten, stimmt nicht etwa mit der Generation Z was nicht, sondern mit ebendieser Arbeitsmoral. Es ist nicht unverschämt, anständig entlohnt werden zu wollen. Eine ganze Generation als arbeitsscheu zu framen, weil Fleiß scheinbar nur wertgeschätzt werden kann, wenn man ihn nicht ausbezahlen muss, weil er in Prekarität entsteht, ist doch eine sehr einseitige Perspektive. Schließlich ist Selbstausbeutung kein Maßstab für Stärke. Sie macht einen nicht besser, in den seltensten Fällen ist sie ein Weg zur eigenen Selbstverwirklichung, und meistens, wenn wir ehrlich sind, auch noch sehr nervig für alle um einen herum. Wenn zum Beispiel Sabine trotz eitriger Angina und kürzlich verstorbenem Zwergpudel weinend in die Arbeit wankt oder Martin trotz eines Urlaubstags den Obstkorb im Büro und die Ein-Apfel-pro-Person-Regel überwacht. Da würde ein bisschen „Quiet Quitting“ wirklich allen guttun.
Wir beobachten also einen Wertewandel. Das liegt zum einen daran, dass wir das „Life“ in der Work-Life-Balance stärker wertschätzen, dass die Generation Z die Gegenwart der Zukunft vorzieht. Zum anderen hat sich unsere demografische Lage insgesamt stark verändert. Hatten Babyboomer noch einiges an Konkurrenz am Arbeitsmarkt zu befürchten, herrscht heute in vielen Branchen ein akuter Arbeitskräftemangel. Unternehmen müssen sich also zwangsläufig darauf einlassen, dass sich die gesellschaftliche Vorstellung von Lohnarbeit im Lauf der Zeit verändert.
„Keine Zukunft!“
Dazu kommt die Sache mit dem Zukunftspessimismus. Klimakrise, Gesundheitskrise, Teuerungskrise. Natürlich ist die Generation Z nicht die erste, die in eine gebeutelte Zeit geboren wurde. Wenn man so darüber nachdenkt, gibt es eigentlich keine Zeit, die nicht gebeutelt war. Trotzdem blickt die Jugend in mittel- und westeuropäischen Ländern laut einer Studie der TUI Stiftung zunehmend pessimistisch auf die eigene Zukunft. Im Vergleich mit den eigenen Eltern werde es ihnen später sicher schlechter gehen, glaubt die Mehrheit. In Österreich ist das nicht anders. In der Trendstudie „Jugend in Österreich – Sommer 2022“ heißt es: „Jeder Dritte zwischen 14 und 29 Jahren ist unzufrieden mit dem eigenen Leben.“
Für was also schuften, wenn am Ende sowieso nichts dabei herausschaut? Zukunftsszenarien, die Klimaforscherinnen und Klimaforscher derzeit liefern, sind ernüchternd; auch was die spätere Pension, die Pläne für ein eigenes Haus oder den Wohnungskauf betrifft, sieht es düster aus. Kein Wunder, dass man die Gegenwart bewusster erleben möchte, wenn alles, was danach kommt, derart unsicher wirkt.
Das konnte man sehr gut in diesem Sommer spüren, als ein „Aging-Filter“ auf TikTok an Popularität gewann, eine Art virtuelle Maske, die einen digital altern lässt. Junge Nutzerinnen und Nutzer fingen an, Persiflagen auf ihr späteres Leben als Omas und Opas zu drehen. „Hey guys, get ready with me to go pick up my weekly water rations.“ (Übersetzt: „Hey Leute, macht euch mit mir fertig, meine wöchentliche Wasserration abzuholen.“) Der TikToker Benton McClintock, so nennt er sich zumindest online, wandelt in seinen Videos regelmäßig mit gealtertem Gesicht durch New York City, gibt sich als Influencer aus dem Jahr 2049 aus, einer ultrakapitalistischen Dystopie. Florida steht unter Wasser, die Luft ist verschmutzt, und so ziemlich alles wird von Megakonzernen beherrscht. „Leben noch Menschen am Land oder in Wäldern?“, fragt jemand unter einem Video. Nein: „Das Landleben ist 2039 ausgestorben, nachdem Amazon jedes Gebiet aufgekauft hatte, das auf der Erde existierte.“
Natürlich soll das in erster Linie witzig sein. Aber wie alle Darstellungen von Zukunft oder Vergangenheit, satirisch oder nicht, sagt es doch viel über unsere Verfassung in der Gegenwart aus. Und die ist wohl nicht besonders optimistisch, wenn der Gedanke an ein gealtertes Ich für junge Menschen zwangsläufig mit einer zerstörten und lebensfeindlichen Umwelt einhergeht. Das sprüht vor Resignation. So wie eben auch „Quiet Quitting“. Es geht dabei nicht mehr um eine große Gesellschaftsanalyse, um den Umsturz des Systems. Es ist ein stiller, individualisierter Protest, der sich manchmal fast schon wie aufgeben anfühlt. „Quiet Quitter grenzen sich ab, statt zu verändern“, schrieb die deutsche Autorin und Journalistin Şeyda Kurt. „Es ist kein lauter, gemeinschaftlicher Widerstand, der bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für alle fordert. Und sich etwa gewerkschaftlich organisiert.“
„Kein Konflikt?“
Noch einmal zurück zum Anfang, zu der „faulen Generation Z“. Ist das denn nun wirklich ein tiefschürfender Generationenkonflikt? Oder eher so etwas wie eine normale Familienstreiterei? Kann man der Generation Z vorwerfen, dass sie in ihrem Pessimismus aufs Arbeiten vergisst? Oder fußt die ganze Debatte auf einem großen Trugschluss?
Alter allein ist für die hier verhandelten Fragen nicht zwangsläufig die passende Kategorie. Eine 19-jährige Milliardenerbin wird der Zukunft anders entgegenblicken als ein 70-jähriger Mindestpensionsbezieher. Findet man seinen Job erfüllend, wird man eine andere Einstellung an den Tag legen als jemand, der das nicht von sich behaupten kann. Faktoren wie soziale Herkunft, Bildungsgrad, politische Einstellung beeinflussen uns genauso, wenn nicht stärker als unser Geburtsdatum. Aber ein Generationenkonflikt lässt sich eben einfacher erklären. „Die faule Generation Z“ ist insofern das Ergebnis von purem Populismus, schließlich lässt sich diese Erzählung einfacher debattieren, als sich ernsthaft mit Klimakrise, Teuerungswelle oder Pensionssystem auseinanderzusetzen. Und natürlich machen plumpe Vorurteile gegenüber „den Jungen“ oder „den Alten“ um einiges mehr Spaß. „Alle jungen Menschen sind faul“, sagt sich leichter als: „Ups, das 1,5-Grad-Ziel ist nicht mehr plausibel.“
Beenden wir diesen Text also so, wie ihr ihn angefangen haben – mit billiger Polemik: „Das wird man wohl noch sagen dürfen.“ „Ich kann heute leider nicht, ich muss auf meinen Hot-Girl-Mental-Health-Walk.“ „Hallo, wollte nur kurz anrufen und Bescheid geben, dass ich dir ein E-Mail gesendet habe.“ „Meine Bildschirmzeit beträgt zwölf Stunden, also ganz normal.“ Okay, und jetzt zu den wirklichen Problemen. [ENDE]
COMMENT: Selbstausbeutung wird so gemieden, dass bei jeder kleinsten Anforderung bereits der Aufschrei erfolgt: „zu viel, ungerecht, wie komme ich dazu.“ Lehrlinge kündigen ihre Ausbildungsstellen. Jungärzte lassen das Stethoskop punktpünktlich bei Arbeitsscluss fallen und schreiben frech in den Decursus morbi (Krankheitsverlauf) oder an Stelle der Anamnese „n.f.“ (non fecit, habe ich nicht gemacht). Kein Witz, so lauten Berichte aus dem Krankenhaus. Life-work-Balance: mehr Zeit für den Konsum. Und für Surfen im Internet und in Socialmedias.
Siehe dazu:
Jugendbericht: Gesundheit für Junge wichtiger als Religion und Party – 9.8.2023
Erste Zahlen aus dem „Bericht zur Lage der Jugend“ von ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm zeigen, was 16- bis 29-jährigen „im Leben besonders wichtig ist.“
Nur für gut jeden achten jungen Menschen in Österreich spielen Glaube und Religion im Leben eine besondere Rolle, wichtig ist den 16- bis 29-jährigen viel eher „einen sicheren Job“ und gleichzeitig „genug Zeit für persönliche Interessen“ zu haben: Das geht aus dem „Bericht zur Lage der Jugend“ hervor, aus dem Jugendstaatssektretärin Claudia Plakolm (ÖVP) morgen erste Zahlen präsentieren will.
Für den Bericht werden unterschiedliche bestehende Studien herangezogen, „um ein möglichst komplettes Bild zu bekommen“, heißt es aus dem Büro der Staatssekretärin, die sich dafür mit dem Jugendforscher Bernhard Heinzelmaier zusammengetan hat – Heinzelmaier hat das Institut für Jugendkulturforschung mitgegründet und leitet das Marktforschungsunternehmen „tfactory“. Der Jugendforscher schreibt außerdem regelmäßig eine Kolumne im „Exxpress“.
Unter anderem Teil des Berichts sind Auszüge aus der „Jugend Wertestudie 2022“, die von Heinzelmaiers Institut durchgeführt wurde. Dabei wurde beispielsweise abgefragt, was 16- bis 29-jährigen im Leben besonders wichtig ist: Am häufigsten wurde hier Gesundheit genannt, gefolgt von einem sicheren Job und genug Zeit für persönliche Interessen. Gute Noten oder weniger Leistungsdruck sind für die unter 30-jährigen in Österreich vergleichsweise weniger relevant, am unwichtigsten sind Glaube und Religion sowie „am Wochenende richtig Party zu machen“.
Die Liebe des Lebens zu finden hat für junge Menschen laut Studie eine höhere Priorität als politische Bildung oder gute Noten, und 23 Prozent der jungen Menschen in Österreich wünschen sich, dass sie „all die Probleme in der Welt einmal vergessen können“.
Diese ersten Zahlen aus dem „Bericht zur Lage der Jugend in Österreich“ werden morgen Vormittag präsentiert, der vollständige Bericht wird nach Fertigstellung dem Parlament vorgelegt.
Teuerung bereitet vielen jungen Menschen Sorgen – 17.5.2023
Nach den Lebenshaltungskosten ist die Klimakrise das drängendste Problem für junge Menschen.
Die hohe Inflation bereitet vielen jungen Menschen in Österreich Sorgen. Fast die Hälfte der Generation Z (18 bis 28-jährige) und der Millennials (29 bis 40-jährige) lebt von einem Gehaltscheck zum nächsten, wie eine Deloitte-Studie nahelegt. Für viele ist eine Gehaltserhöhung oder Beförderung in weite Ferne gerückt – es sei denn, die wirtschaftliche Lage bessert sich.
Sechs von zehn Befragten der Generation Z und der Millennials befürchten, dass die Teuerung ihre Möglichkeiten einschränkt, eine Gehaltserhöhung zu fordern. Fünf von zehn der jungen Menschen glauben, dass sie aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht befördert werden. Mehr als 60 Prozent der Generation Z und der Millennials befürchten, dass es schwierig oder unmöglich sein wird, einmal ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen, wenn sich die Wirtschaftslage nicht verbessert.
Gleichzeitig befürchten gut 40 Prozent der heimischen Generation Z, dass die aktuelle Wirtschaftslage dazu führen könnte, dass Unternehmen und Arbeitgeber bei Klimaschutzmaßnahmen zurückstecken. Bei den Millennials glauben dies nur rund 30 Prozent der Befragten.
Laut Studie ist die Klimakrise nach den Lebenshaltungskosten aktuell das drängendste Problem für junge Menschen in Österreich. Nur knapp über 10 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass große Konzerne einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. „Über ein Drittel der Befragten hat sich bereits aufgrund moralischer oder ethischer Bedenken gegen einen potenziellen Arbeitgeber entschieden“, sagt Elisa Aichinger, Partnerin bei Deloitte Österreich.
Weltweit wurden für den Bericht 22.000 junge Menschen befragt, in Österreich waren es 500. Als Millennials gelten die Jahrgänge 1983 bis 1994, als Gen Z die Jahrgänge 1995 bis 2004.
Historiker: Vatikan war in Fluchthilfe für NS-Verbrecher involviert
Österreichischer Geschichtsforscher Steinacher bei „Pius-XII.-Tagung“ in Rom: Kriegsverbrecher nutzten fehlende Überprüfungskapazitäten von 1944 begründeter „Päpstlicher Hilfskommission“, manche kirchlichen Fluchthelfer wussten aber auch, mit wem sie es zu tun hatten
Rom, 12.10.2023 (KAP) Der Vatikan und Papst Pius XII. war nach Meinung des Historikers Gerald Steinacher unmittelbar an der Fluchthilfe für Nazi-Kriegsverbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt. Die 1944 gegründete „Päpstliche Hilfskommission“ (PCA), der das im Rahmen ihrer damaligen Tätigkeit für Flüchtlings- und Gefangenenbetreuung vorgeworfen wird, sei eingebettet gewesen in das gesamte karitative Bemühen der Kirche in der gigantischen Notlage mit vielen Millionen Flüchtlingen im Europa der 1940er Jahre, erklärte der österreichische Historiker beim dieswöchigen Fachkongress über Papst Pius XII. an der Gregoriana-Universität in Rom. Die Kommission habe Pius XII. sehr am Herzen gelegen.
Seit der Öffnung der Vatikanarchive werde deutlich, wie eng die PCA an das Staatssekretariat angebunden gewesen sei. Die zentrale Regierungsbehörde des Papstes habe die PCA mittelbar und unmittelbar finanziert, sie sei ein integraler Bestandteil der päpstlichen Hilfspolitik gewesen, so der an der US-amerikanischen University of Nebraska lehrende Steinacher.
Unbewusst und bewusst
Wegen der großen Zahl Flüchtlinge in den Nachkriegsjahren habe weder die PCA noch das mit ihr zusammenarbeitende Rote Kreuz in Italien über die Mittel oder das Personal verfügt, die Anträge von Menschen zu prüfen, die um Geleitpapiere baten. Daher sei die sogenannte „Rattenlinie“, die über kirchliche Kreise in Rom und das italienische Rote Kreuz funktionierte, schon bald eine beliebte Fluchtroute für Kriegsverbrecher geworden.
Oft hätten diese die fehlenden Überprüfungskapazitäten ausgenutzt. In einigen Fällen hätten die kirchlichen Fluchthelfer aber auch gewusst, mit wem sie es zu tun hatten. So etwa im Fall des in Italien gesuchten Kriegsverbrechers Erich Priebke, dem sie zu einem Visum für Argentinien verhalfen, nachdem er sich hatte katholisch taufen lassen.
Hudals Agieren „nicht im luftleeren Raum“
Zwar hätten einige Akteure wie der über Jahrzehnte in Rom wirkende österreichische Bischof Alois Hudal nicht zuletzt auf eigenen Antrieb gehandelt. Aber auch ein Hudal habe „nicht im luftleeren Raum agiert“, sondern im Kontext der kirchlichen Hilfsbemühungen dieser Zeit, so Steinachers Fazit.
Der auch als „brauner Bischof“ bezeichnete Hudal war von 1937 bis 1952 Rektor des deutschsprachigen Priesterkollegs Santa Maria dell’Anima in Rom. Er half Nazis nach Kriegsende bei der Flucht aus Europa. Eine anfängliche geistige Nähe zum Nationalsozialismus wird ihm ebenfalls zugeschrieben.
Anima kooperiert mit Holocaust Memorial Museum
Mit anderen organisierte Hudal die sogenannte „Rattenlinie“, auf der zahlreiche NS-Angehörige und Kriegsverbrecher über Italien nach Südamerika entkommen konnten. Hudal begründete dies als karitativen Akt für politisch Verfolgte. In einer Kooperation der Anima und des US Holocaust Memorial Museum in Washington wird sein Handeln derzeit genauer erforscht.
Ende des Homeoffice? Konzernchefs erwarten Rückkehr ins Büro
Seit Corona ist Homeoffice fast überall in der Wirtschaft möglich. Doch viele CEOs haben offenbar genug davon – das zeigt eine großangelegte Studie
Hat das Homeoffice ausgedient? Wenn es nach den Chefs globaler Konzerne geht, dann könnte das bald so sein. Eine Mehrheit der CEOs großer Unternehmen erwartet nämlich eine vollständige Rückkehr zur Präsenzarbeit wie zu Vor-Coronazeiten, wie eine aktuelle Umfrage der Beratungsfirma KPMG unter 1300 Geschäftsführern zeigt. Demnach befürworten knapp zwei Drittel der Befragten eine vollständige Rückkehr ins Büro innerhalb der nächsten drei Jahre.
Um das zu erreichen, wollen die Unternehmenslenker auch verstärkt Anreize setzen: 87 Prozent geben an, sie würden Mitarbeiter, die ins Büro kommen, mit Beförderungen oder Gehaltserhöhungen belohnen. Die Ergebnisse der Umfrage zeigten, dass unter CEOs „traditionelles bürozentriertes Denken“ weiter vorherrsche, so KPMG. Die Unternehmen, die die Teilnehmer repräsentieren, haben laut der Studie einen jährlichen Mindestumsatz von 500 Mio. US-Dollar und kommen aus elf Ländern und elf verschiedenen Branchen.
Die Debatte um Sinn und Unsinn des Homeoffice hat sich in jüngster Zeit aufgeheizt. Erst unlängst lieferten sich Trigema-Chef Wolfgang Grupp und Investor Carsten Maschmeyer einen medienwirksamen Schlagabtausch. „Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig“, lederte Grupp gegen das Homeoffice. „Kontrolle demotiviert und führt zu Unproduktivität“, konterte Maschmeyer. Die Wiederkehr der Präsenzkultur müsse nach seiner Meinung dringend aufgehalten werden.
Unternehmen machen Schluss mit Homeoffice
Wie Maschmeyer sieht es vor allem die junge Generation am Arbeitsmarkt. Sie fordert Studien zufolge mehr Flexibilität am Arbeitsplatz, etwa Vier-Tage-Wochen, Workations und Homeoffice. „Wer nicht über Benefits wie Homeoffice, Workation oder Sabbatical nachdenkt, wird einen Teil dieser Generation als Arbeitgeber erst gar nicht erreichen“, sagt Arbeitsmarktexperte Julian Stahl in einer Studie des Karriereportals Xing. Eine weitere Studie zeigt, dass sich Beschäftigte im Homeoffice wesentlich produktiver und zufriedener fühlen. Trotzdem dürfte damit bei vielen Unternehmen bald stufenweise Schluss sein.
Der Ruf nach einer Rückkehr in die Büros nimmt in vielen Branchen zu. Von der Wall Street bis zum Silicon Valley – Unternehmen fordern wieder mehr Präsenz ein. Tech-Riesen wie Meta, Apple und Google verlangen seit einigen Monaten, dass ihre Mitarbeiter mindestens drei Tage pro Woche im Büro erscheinen. Sogar der Videotelefonie-Anbieter Zoom zog damit vor Kurzem nach – laut Personalchef Matthew Saxon vor allem, um die Probleme der eigenen Kunden besser zu verstehen.
KPMG rät derweil in seiner Studie, langfristig zu denken. Unternehmen sollten dabei die Werte und Bedürfnisse der eigenen Mitarbeiter zu beachten, um sie zu fördern und zu halten. In vielen Fällen dürfte das heißen: die Rückkehr ins Büro nicht zu erzwingen.
Josef Kröppel steht seit 1990 in seiner Fleischerei in der Postgasse 1. Der Anspruch seiner Kundschaft auf qualitativ hochwertiges Fleisch wird immer höher
„Ich bin jetzt 57,5 Jahre alt und seit 1990 der Chef der Fleischerei. Davor führten meine Eltern den Betrieb. Und vor ihnen meine Großeltern. Wir steuern auf den 100. Geburtstag zu. Mein 28-jähriger Sohn Florian arbeitet auch im Geschäft und wird in zweieinhalb Jahren das Ruder übernehmen. Das war überhaupt nie ein Thema. Er wusste schon als Kleinkind, dass er Fleischhauer werden würde. Als in der Volksschule verschiedene Berufe durchgenommen wurden, war er richtig böse, weil sich die Frage der Jobwahl für ihn ja bereits erledigt hatte.
Wir sind die letzten klassischen Fleischhauer im ersten Bezirk. Warum das so ist? Nun, wir sind ein Familienbetrieb, das heißt, es ist neben verschiedenen Aushilfskräften immer ein Familienmitglied anwesend. Ferner bieten wir, wie ich das sehe, beste Qualität hoch über dem Mittelmaß. Da heißt es, immer gut zu sondieren. Vielleicht ist das das Geheimnis. Es stimmt schon, dass auch weiterhin Bäckereien aufsperren, wohingegen im ersten Bezirk alle Fleischer zusperrten. Unser Job ist vielleicht ein bisserl härter. Der Bäcker steht in der warmen Backstube, beim Fleischer ist alles kalt. Klar muss der Bäcker früh aufstehen, aber wenn er Glück hat, geht er zu Mittag schlafen. Bei uns geht’s mitunter von vier, halb fünf in der Früh bis acht am Abend. Wir haben im neunten Bezirk am Sobieskiplatz unsere Erzeugung untergebracht, wo geräuchert, geselcht und gekocht wird. Am meisten Spaß beim Job macht mir allerdings der Verkauf, der Kontakt mit der Kundschaft.
Ein höherer Anspruch
Verändert hat sich über die Jahre der Anspruch der Leute. Der ist heute eindeutig höher. Sie wollen einfach eine Superware. Für diese sind sie auch bereit, Wege auf sich zu nehmen. Zu uns kommen sie von Simmering und anderen Bezirken. Aus dem Grund existieren wir noch.
Ich esse vom Leberkäs bis zum Kalbskotelett jedes Fleisch gerne. Muss ich ehrlich sagen. Bei mir gibt’s täglich Fleisch auf dem Teller, auch wenn ich mir hin und wieder vornehme, einen Tag Pause zu machen. Aber dann rutscht mir mittags doch eine Leberkässemmel durch oder der Anschnitt vom Kümmelbraten, wenn er gerade frisch aus dem Rohr kommt. Man muss ja kosten, oder? Wir bieten sehr viel an, zum Beispiel unsere Spezialitäten Biokalb aus Hartberg, Kalbinnen, also ganz junge Rinder aus dem steirischen Hügelland, Mangalitza-Schwein aus dem Seewinkel, unseren Beinschinken, das Gselchte und so weiter.
Wie ich über Vegetarier denke? Ich glaube, derzeit ernähren sich bei uns zwischen fünf und sieben Prozent vegetarisch. Hin und wieder kommt jemand ins Geschäft und sagt, er sei Vegetarier und würde das Fleisch oder die Wurst nur für jemanden besorgen. Wozu? Das tangiert mich weniger. Ich erzähle ja auch nicht jedem und jeder, dass ich Fleisch und nur wenig Gemüse esse.
Die Distanz ist gewachsen
Ich würde nicht sagen, dass früher alles besser war. Aber leichter. Heute brauchst du einen Bescheid für die Lüftung, einen für die Kühlung, ein Pickerl dafür, dass ich vor dem Geschäft parken darf, und so weiter und so fort. Das Rundherum wurde viel aufwendiger. Und die Schreibtischarbeit.
Was das Kundenverhalten betrifft, muss man dieses ‚früher‘ genauer definieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ein irrer Bedarf. Früher hatten manche Leute aus der Oberschicht noch Bedienstete, die ein Riesenstück Kalbsbraten oder Tafelspitz zu besorgen hatten. Freundlich musste man früher sein, und das gilt auch heute noch. Wenn man nicht freundlich ist, hat man im Verkauf nichts verloren. Der Schmäh läuft heute hauptsächlich mit Kunden, die man schon lange Jahre kennt. Generell ist die Distanz eher gewachsen. Wer die nervigste Kundschaft ist? Die, die drei Deka Leberkas in ein Semmerl will.“ (Michael Hausenblas, 26.12.2022)
RUSSLAND – UKRAINE
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Kleider machen Leute : Das geborgte Charisma des Wolodymyr Selenskyj – FAZ
Äußeres Charisma: Zwei Soziologen analysieren das Motiv und die Wirkung der Garderobe des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Charisma wird ebenso geschätzt wie gefürchtet. Einerseits verspricht es Zustimmung, wenn jemand eine „besondere Ausstrahlungskraft“ besitzt, andererseits sind die Erfahrungen mit charismatischen Persönlichkeiten eher ernüchternd: Entweder durchkreuzen sie, wie im Fall Trump, moralische Erwartungen, oder sie verlieren ihre Strahlkraft in der Routine, wie im Fall Obama. Das ist wenig überraschend, denn Charisma beginnt mit dem Brechen von Regeln, und es endet, wenn es sich diesen unterwirft. Der Regelbruch verlangt nach einer Legitimation, die sich weder auf die Regeln noch auf abgeleitete Autorität stützen kann. Sie muss gewissermaßen spontan entstehen und sich deshalb an der Überzeugungskraft einer Person festmachen.
Max Weber, der den Begriff maßgeblich geprägt hat, sah die Bedeutung des Charismas vor allem darin, revolutionären Wandel durchzusetzen. Charisma kommt in außeralltäglichen Situationen zum Tragen, wenn der sichere Boden der Tradition und die starren Verfahren der Bürokratie angesichts neuer Herausforderungen ins Wanken geraten sind. Trotz dieser Gegensätzlichkeit kann das Charisma durchaus in den Dienst der Ordnung gestellt werden: Eine charismatisch vertretene Politik kann es erleichtern, sich mit dem Stillstand der Verwaltung abzufinden. Jede Verstetigung des Charismas birgt allerdings das Risiko seiner Routinisierung – und damit seiner Abschaffung.
Distanz gegenüber den eigenen Militärs
Bereits vor einer Vereinnahmung sind charismatische Persönlichkeiten für die etablierten Institutionen und Eliten jedoch nicht nur als Gegner, sondern auch als Vorbilder von Interesse. Anhand der Figur des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zeigen zwei Soziologen in einer kürzlich veröffentlichten Studie, wie die Etablierten auf charismatische Ansprüche nicht mit Konfrontation antworten müssen, sondern zur Nachahmung animiert werden können. Anstatt eine anticharismatische Haltung einzunehmen, die das Bestehende verteidigt, können sie opportunistisch agieren und sich so positionieren, dass von dem Charisma auch etwas auf sie selbst abfällt – und dies für die eigenen Zwecke nutzen. Das versuchten beispielsweise jene Teile der republikanischen Parteiführung in Amerika, die sich angesichts des aus dem Rahmen fallenden, aber dennoch – oder: gerade deswegen – erfolgreichen Präsidentschaftsbewerbers Trump um politische Allianzen mit ihm bemühten oder sich stilistisch an ihn anlehnten.
Im Fall Selenskyjs beobachten die Autoren eine „charismatische Mimikry“, die auf ästhetische statt auf rhetorische Stilmittel zurückgreift. In den Wochen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine begegnete Selenskyj der Krise nicht nur durch Aussagen wie jene, er benötige Munition, keine Fluchtmöglichkeit, sondern auch durch einen markanten Wechsel seiner Kleidung: Den Anzug ersetzte er durch olivgrüne T-Shirts, meist mit dem Logo der Ukraine versehen. Wie andere charismatische Persönlichkeiten von Gandhi bis Trump gewann er damit einen Wiedererkennungswert, der vom Establishment durchaus als Affront aufgefasst werden konnte: So wurde an seinem Video-Auftritt vor dem amerikanischen Kongress der Verstoß gegen die übliche Kleiderordnung moniert. Interessanterweise stellt Selenskyjs Outfit aber auch Distanz gegenüber den eigenen Militärs her, denn es handelt sich nicht um eine Uniform mit Rangabzeichen.
Trotz der umfassenden Solidarisierung mit seinem Land stellte Selenskyj für die politischen Eliten Europas und Nordamerikas eine Herausforderung dar: Sein Ruf nach umfangreicheren und schnelleren Waffenlieferungen war populär, stand aber im Widerspruch zu bisherigen Grundsätzen und Rücksichtnahmen. In dieser Lage, so die Autoren, griff als Erster Emmanuel Macron den Look Selenskyjs auf und ließ sich im Kapuzenpullover mit einem Emblem französischer Spezialkräfte fotografieren. Das politische Führungspersonal West- und Osteuropas, das in den folgenden Wochen nach Kiew reiste, schloss sich an und präsentierte sich vor Ort bevorzugt in Freizeit- oder Kampfbekleidung.Damit signalisierte es nicht nur Solidarität, sondern borgte sich auch ein wenig Charisma, das zu Hause zur Durchsetzung neuer Leitlinien der Sicherheitspolitik oder, im Fall des britischen Premiers Boris Johnson, zur Abfederung politischer Krisen genutzt werden konnte. Konsequent in ihrer Doppeldeutigkeit war daher die Kleiderwahl des Bundeskanzlers Olaf Scholz bei seinem Besuch in Kiew: Kurzärmelig zollte er der außeralltäglichen Situation Rechnung, doch seine mitgeführte Aktentasche verwies gleichzeitig darauf, dass das Krisenmanagement bürokratisch abgesichert und verwaltet werden muss.
Joosse, P., & Zelinsky, D. (2023). Charismatic mimicry: Innovation and imitation in the case of Volodymyr Zelensky. Sociological Theory, 41(3), 201–228. https://doi.org/10.1177/07352751231174436
Joosse, P., & Zelinsky, D. (2023). Charismatic mimicry: Innovation and imitation in the case of Volodymyr Zelensky. Sociological Theory, 41(3), 201–228. https://doi.org/10.1177/07352751231174436
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Nahostkonflikt: Ermittler verfolgen seit 20 Jahren erfolglos eine Hamas-Spur in Wien
Seit zwei Jahrzehnten haben Ermittler Adel D. auf dem Schirm. Sie werfen ihm vor, über Vereine aus Österreich die Terroristen der Hamas mitfinanziert zu haben. Dafür gibt es Indizien. Was fehlt, ist der harte Beweis
Ein Gruppenfoto aus dem Jahr 2012 ist eines der wichtigsten Indizien österreichischer Ermittler. Darauf zu sehen sind einige hochrangige Vertreter der Hamas-Terroristen bei einer Konferenz in Gaza. In der ersten Reihe stand Ismail Haniyya, damals Ministerpräsident der palästinensischen Autonomiegebiete. Heute ist er der politische Anführer der Hamas.
ie Gruppe versammelte sich einst also genau dort, wo wohl schon bald israelische Soldaten für einen harten Vergeltungsschlag einmarschieren werden.
Der Überfall der Hamas auf Israel am Wochenende hat die Terroristen wieder in die öffentliche Diskussion gerückt. Im Fokus stehen ihre wichtigsten Partner, Iran und Katar, die die Hamas mit Geld und Waffen versorgen sollen. Aber es geht auch um die internationale Vernetzung der Organisation bis nach Europa. Hierzulande versuchen Sicherheitsbehörden schon seit einigen Jahren nachzuvollziehen, ob es auch Geldströme oder anderweitige Unterstützungen aus Österreich in Richtung Hamas gegeben haben könnte.
Dicht am Hamas-Anführer
Dabei handelt es sich um die skandalumwitterte Operation Luxor. In ihrem Rahmen gab es am 9. November 2020 österreichweit dutzende Razzien gegen mutmaßliche Muslimbrüder. Die Hamas ging einst aus einem palästinensischen Zweig der Bruderschaft hervor. Von den Terrorermittlungen in Österreich ist bis dato allerdings wenig übriggeblieben. Der zigtausend Seiten dicke Akt gewährt jedoch einen bisher einzigartigen Einblick in eine klandestine Szene von mutmaßlichen Islamisten.
Dazu zählen die Ermittler unter anderem Adel D. Der heute 60-Jährige ist ebenfalls auf dem Foto aus dem Jahr 2012 zu sehen. Er stand direkt neben Hamas-Chef Haniyya, der den Angriff auf Israel in seinem Büro in Katar via Fernsehen verfolgt hatte. Für D. ist der Schnappschuss aber bloß Zufall. Damals, vor elf Jahren, seien aufgrund eines Embargos mehrere internationale Delegationen nach Gaza gereist, um sich die Lage vor Ort anzusehen. Das Programm habe zudem die palästinensische Regierung vorgegeben. Das sagte er in seiner Einvernahme aus. Das Terrorverfahren der Operation Luxor gegen D. wurde heuer im Februar rechtskräftig eingestellt.
Der Verdächtige ist allerdings kein unbeschriebenes Blatt. Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten, beginnend im Jahr 2003, wird einem Spendenverein und dessen Nachfolgeorganisationen in D.s Umfeld vorgeworfen, die Hamas finanziell unterstützt zu haben. Das vermuteten nicht nur die Behörden in Österreich, sondern auch jene in den USA und in Israel. Dass Geld an die Hamas floss, konnte D. aber bisher nie gerichtsfest nachgewiesen werden.
Ein Geldsammler wohl in Haft
Auf dem Gruppenfoto von 2012 sticht aber noch ein weiterer Mann ins Auge, der im Hintergrund etwas abseits steht: Amin Abou Rashed. Der 56-Jährige soll erst heuer im Juni in den Niederlanden festgenommen worden sein. Rashed gilt als einflussreicher Geldsammler der Hamas. Laut internationalen Berichten werfen ihm die niederländischen Behörden vor, mehr als fünf Millionen Euro an die Terrororganisation weitergeleitet zu haben.
Und Rashed dürfte für den erwähnten in Österreich lebenden D., der in einem Flüchtlingslager für Palästinenser im Libanon geboren wurde, kein Unbekannter sein. Im Akt zur Operation Luxor gibt es auch eine Reihe von anderen Fotos, auf denen D. und einer seiner Mitstreiter mit Rashed zu sehen sind. Unter anderem bei einer Veranstaltung der sogenannten Al-Wafaa Campaign, die Rashed leiten soll und die laut offiziellen Angaben Hilfsprojekte in Palästina durchführt. Laut ihrer Homepage kooperiert die Organisation mit dem Wiener Spendenverein in D.s Umfeld.
Der Strang rund um die Al-Wafaa Campaign bleibt für die Ermittler bisher allerdings auch nicht mehr als ein sehr vager Verdachtsmoment für eine mutmaßliche Hamas-Verbindung von Adel D. Aber auch das stellte sich für die Ermittler als Sackgasse heraus.
Am Ende sind die Ermittler wiederholt daran gescheitert, mutmaßlich strafbare Beziehungen von D. zur Hamas oder weitergeleitete Gelder an die Terroristen zu finden. Ganz im Gegenteil. Für den Wiener Spendenverein interessiert sich jetzt vor allem die Finanzstrafbehörde. Es geht um den Verdacht der mutmaßlichen Abgabenhinterziehung und Veruntreuung. Die Hamas spiele dabei keine Rolle mehr. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Der Anwalt von D. äußerte sich bis Redaktionsschluss dazu nicht. (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 11.10.2023)