Tagesblick – 16.11.2025 Sonntag

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FAZIT DES TAGES ULTRAKURZ – oder: Nachrichten aus dem irrwitzigen Weltzirkus

  • ISRAEL-HAMAS-HISBOLLA-KRIEG: —
  • UKRAINE-KRIEG: Verschärfte Lage: Schlacht um Pokrowsk dauert an, Ukrainer sprengen wichtige Zufahrtsstraße.
    Ukrainische Nadelstiche (Raffinerie, Waffen).
    Gefangenenaustausch Ukraine-Russland kommt in Gang.
    Russland schränkt Internet-Nutzung stark ein, Russen nutzen vermehrt VPN.
    Europa vor zweitem Kalten Krieg, Sanktionen von eingeschränktem
    Nutzen – MEINUNG
  • INTERNATIONAL: Klimaproteste in Belem: Forderungen nach Klima- und Indigenen-Entschädigung.
    Stillstand bei COP30-Klimaverhandlungen.
  • USA: Epstein als größerer Stolperstein für Trump.
  • CHILE: Wahlen mit unterschiedlichen Kandidaten von extrem rechts und links.
  • CHINA-JAPAN im Clinch wegen Taiwan.
  • DEUTSCHLAND: Wahlumfragen.
  • ÖSTERREICH: Wahlumfragen.
    SOS-Kinderdorf-Debakel setzt sich fort.
  • Weitere COMMENTS vorhanden

MÄRKTE – DJI: Shut-Down-Euphorie ist verflogen, Spekulation auf ausbleibende FED-Zinssenkung. DAX: Auf und wieder ab in die Widerstandszone

THEMENREIGEN – MEDIZIN: Neuer Grippevirus-Stamm infiziert erstmals einen Menschen.  KRIMINALITÄT: Brushing: reale Fakebestellungen nehmen zu.

Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!

Apropos Weltzirkus: Zirkus ist was für Kinder und Junggebliebene, Staunen und Lachen über die Clowns! Im Weltzirkus tummeln sich viele Zauberkünstler und Clowns. Lachen wir also, Lachen ist die beste Medizin gegen Depressionen. 

EMPFEHLUNG

INFORADIO als Nachrichtensender am laufenden Band ist mit einem DAB-fähigen Radio zu empfangen. Es wird betrieben von RTR – KommAustria.

Das INFORADIO ist eine wertvolle Ergänzung zu anderen Agenturmeldungen und zum ORF.

Dazu allerdings ca. 15 bis 20 Minuten Zeit für konzentriertes Zuhören einplanen.

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Was denkt „das Volk“? Wer über gute Nerven und über argumentativ gefestigte Einstellungen verfügt sowie sich darüber informieren möchte, was die Hirne und Herzen der Menschen bewegt, der schaue auf X(Twitter) und Bluesky. Sehr aufschlussreich, aber bitte: Warm anziehen und Brechschale vulgo Speibeimer bereithalten!

MÄRKTE

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

COMMENT: DAX wieder abwärts in die Mitte der Widerstandszone, die aus dem heurigen Frühsommer stammt.

Charttechnisch bleibt Situation für den DAX durchaus gut. Windowdressing, Shut-Down-Ende, Irgendwann-Kriegsende mit Wiederaufbau, gute Quartalsberichte, na dann: Gott Mammon, näher zu dir! Der Höchststand im DAX könnte charttechnisch gesehen überwunden werden. Dann wäre nach langer Seitwärtsbewegung der weitere DAX-Anstieg gut vorbereitet.

Fundamental allerdings sieht es kurzfristig etwas anders aus: drohen wieder steigende Zinsen in den USA? Zumindest eine abermalige Zinssenkung der Fed wird weniger wahrscheinlich erachtet. Das Shut-Down-Ende in den USA zieht nicht mehr, ein neuer Shut-Down droht schon wieder im Januar. Dazu kommen die geopolitischen Unsicherheiten.

GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN

findet sich am Ende des Tagesblicks und wurde am 1.10.2025 aktualisiert.

HELLMEYER-REPORT (Märkte u.a.m.)

ZENTRALBANKEN

WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK

ISRAEL-IRAN-HAMAS-HISBOLLAH-KRIEG

ISRAEL-IRAN-KRIEG im n-tv Liveticker

ISRAEL – NAHOST-KONFLIKT im n-tv Liveticker

ISRAEL – NAHOST-KONFLIKT im FAZ-Liveblog

Chronologisch absteigend, jüngste Meldungen zuoberst:

WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN

URAINE-KRIEG im n-tv Liveticker

Chronologisch absteigend, jüngste Meldungen zuoberst.

Detaillierte Meldungsübersicht. Daraus eine Auswahl:

+++ 06:22 Ukrainer jagen Straße nach Pokrowsk in die Luft und berichten von hohen russischen Verlusten +++

Die Truppengruppe Ost der Ukraine berichtet von massiven Verlusten der russischen Truppen im Raum Pokrowsk. Man habe seit dem 10. November 524 Invasoren getötet und weitere 260 verwundet. Zudem seien 55 Einheiten militärischer Bodenausrüstung unschädlich gemacht und etwa 300 Drohnen zerstört worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Truppengruppe berichtet zudem von der Sprengung der Straße zwischen Selidowe und Pokrowsk durch einen Luftangriff. „Damit haben die Russen die Möglichkeit verloren, diese Strecke für das Eindringen nach Pokrowsk mit leichten Fahrzeugen zu nutzen.“ In einem Video ist die Sprengung zu sehen:

+++ 05:49 Selenskyj: Russische Armee reißt von Putin gesetzte Frist für Einnahme von Pokrowsk +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußert sich nach einem weiteren Bericht seines Militärgeheimdienstchefs Kyrylo Budanow. „Zu diesem Zeitpunkt hat Russland eine weitere von Putin gesetzte Frist für die Einnahme von Pokrowsk und Kupjansk nicht eingehalten, und diese Fristen wurden erneut verschoben“, schreibt Selenskyj auf X. „Wir haben die wichtigsten Prioritäten für unsere Verteidigung in den kommenden Wochen festgelegt und werden auch den Verteidigungsplan für die Wintermonate ausweiten.“

Putin will Abwehrgürtel sprengen „Kramatorsk ist die entscheidende Festung“

+++ 04:54 Selenskyj reist nach Korruptionsskandal nach Europa +++

Nach Bekanntwerden des Korruptionsskandals im Energiesektor in der Ukraine reist Präsident Selenskyj nach Griechenland, Frankreich und Spanien. Die Reise dient zunächst der Sicherung weiterer Militärhilfen und Sicherheitszusagen. Selenskyj wolle die Reise auch dazu nutzen, den europäischen Verbündeten zu versichern, dass Kiew die Korruption im Land bekämpfen werde.

+++ 03:36 Bundesinnenministerium erhält 100 Millionen Euro für Drohnen-Abwehr +++

Der Bund investiert kurzfristig 100 Millionen Euro in Drohnen-Abwehr, berichtet die „Bild am Sonntag“. Demnach habe der Haushaltsausschuss des Bundestages grünes Licht gegeben, um den Abwehrplan gegen russische Drohnen zu finanzieren. Die Bundeswehr solle die Polizei im Falle eines Drohnen-Angriffs unterstützen und damit sogenannte Amtshilfe leisten. Der Bund wolle laut Medienbericht unter anderem Störtechnik und Abfangdrohen kaufen.

+++ 02:39 Kiew will Gefangenenaustausch mit Moskau wieder aufnehmen +++

Der zum Erliegen gekommene Austausch von Kriegsgefangenen zwischen Kiew und Moskau wird nach ukrainischen Angaben wieder aufgenommen. Der Prozess werde in Kürze wieder aktiviert, es gehe um die Rückholung von 1200 ukrainischen Soldaten aus russischer Gefangenschaft, schrieb der inzwischen zum ukrainischen Botschafter in den USA bestellte Ex-Verteidigungsminister Rustem Umjerow auf Telegram. Umjerow hatte im Frühjahr die ukrainische Verhandlungsdelegation bei Gesprächen mit Russland geführt.

+++ 01:54 Kiesewetter warnt vor Rückkehr zu Energielieferungen aus Russland +++

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hat Äußerungen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zu einer perspektivischen Rückkehr zu Energielieferungen aus Russland scharf kritisiert. „Es ist absurd, heute über Energielieferungen aus Russland zu sinnieren, wo dieses Russland täglich ukrainische Wohnungen und Energieinfrastruktur zerbombt“, sagte Kiesewetter dem „Handelsblatt“. Solche Aussagen seien „kontraproduktiv und sicherheitspolitischer Unsinn“. Kretschmer hatte eine Rückkehr zu Energielieferungen aus Russland gefordert. „Wir müssen die Sanktionen gegen Russland auch aus dem eigenen ökonomischen Interesse betrachten“, sagte Sachsens Ministerpräsident den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

+++ 23:31 Estland gibt 3,5 Mio. Euro für Starlink-Systeme an Ukraine +++

Estland stellt der Ukraine 3,5 Millionen Euro für den Erwerb von Starlink-Systemen bereit, teilt das Verteidigungsministerium des Landes mit. Die Mittel stammen aus dem Ukraine-Hilfspaket 2025 und werden über die unter estnischer und luxemburgischer Leitung stehende IT-Koalition bereitgestellt. Verteidigungsminister Hanno Pevkur betont, dass die Unterstützung entscheidend für die Kommunikation auf dem Schlachtfeld sei, insbesondere angesichts der Pläne der Ukraine, ihre Drohnenverbände stark zu erweitern. Estland hatte 2025 bereits etwa 0,3 % seines BIP für militärische Hilfe, Ausbildung der Verteidigungskräfte und IT-Unterstützung der Ukraine bereitgestellt.

+++ 21:52 Orban: Niederlage Russlands würde nukleares Risiko erhöhen +++

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bezeichnet Ängste vor einem Angriff Russlands auf EU und Nato als „lächerlich“. „Bei allem Respekt halte ich es für lächerlich zu sagen, dass Russland die EU oder die Nato angreifen wird, einfach weil es nicht stark genug ist“, sagt Orban im Podcast „MD meets“. „Die Russen schaffen es seit mehr als drei Jahren nicht, die Ukraine vollständig zu besetzen. Wie können wir in Europa behaupten, wir seien schwächer als Russland?“ Gleichzeitig warnt Orban, der Kreml-Chef Putin nahesteht, vor einer militärischen Niederlage Russlands in der Ukraine. „Wenn eine Atommacht einen konventionellen Krieg verliert, dann bin ich absolut sicher (…), dann liegt das nukleare Risiko sofort auf dem Tisch“, behauptet Orban.

+++ 20:58 Ukraine: Vier russische S-400-Systeme und zwei Radare zerstört +++

Bei Drohnenangriffen des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU) auf den Hafen und die Ölanlagen des russischen Noworossijsk sollen vier S-400-Raketenwerfer und zwei Radargeräte zerstört worden sein, berichtet „The Kyiv Independent“ unter Berufung auf eine SBU-Quelle. Satellitenbilder, die die Zeitung veröffentlicht, sollen vier zerstörte Startrampen des Flugabwehrraketensystems S-400 zeigen, die auf dem Militärstützpunkt stationiert waren.

+++ 19:20 Russland und Ukraine reaktivieren Istanbul-Vereinbarungen +++

Der ukrainische Sicherheitsratssekretär Rustem Umjerow erklärt, dass Kiew und Moskau bereit seien, die sogenannten Istanbul-Vereinbarungen wieder zu aktivieren. Umjerow spricht dabei von einer möglichen Freilassung von 1200 Ukrainern aus russischer Gefangenschaft. Wie Umjerow auf Facebook schreibt, habe er in den vergangenen Tagen unter Vermittlung von Partnern in der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten Konsultationen zur Wiederaufnahme der Austauschprozesse geführt – „auf Anweisung des Präsidenten. Im Juli 2025 hatten die Unterhändler beider Länder in Istanbul angekündigt, jeweils mehr als 1200 Kriegsgefangene austauschen zu wollen. Der aktuell letzte Austausch fand Anfang Oktober statt.

+++ 18:17 Polens Präsident verlängert Hilfe für ukrainische Flüchtlinge „zum letzten Mal“ +++

Polens Präsident Karol Nawrocki unterzeichnet ein Gesetz, das ukrainischen Flüchtlingen den rechtlichen Aufenthalt bis März 2026 sichert – nach eigenen Worten „zum letzten Mal“, berichtet Gazeta.pl. Polen ist nach Beginn des russischen Angriffskriegs Hauptziel für ukrainische Flüchtlinge. Stand Sommer 2025 lebten rund eine Million in Polen. Das Gesetz sieht unter anderem soziale Unterstützung, Zugang zu medizinischer Versorgung und rechtlichen Schutz vor. Nawrocki betonte, dass künftige Maßnahmen realistisch und fair für beide Seiten sein müssten, da die derzeitigen Regelungen „für Polen ungerecht“ seien. Ohne neue Lösungen drohe im März 2026 „Chaos“, wenn der Schutzstatus ausläuft.

+++ 17:28 Selenskyj kündigt Umbau im Energiesektor an +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigt vor dem Hintergrund eines Korruptionsskandals einen Umbau an der Führungsspitze der wichtigsten Energiekonzerne im Land an. „Parallel zur vollständigen Überprüfung der finanziellen Tätigkeit muss eine Erneuerung der Verwaltung dieser Unternehmen losgehen“, schreibt er bei Telegram. Er habe sich mit Regierungschefin Julia Swyrydenko über die nächsten Schritte dazu verständigt. So sollen innerhalb einer Woche die Voraussetzungen für einen neuen Aufsichtsrat bei Energoatom geschaffen werden, auch der Vorstand werde völlig erneuert. Neben Energoatom gibt es aber auch Veränderungen in der Führungsetage des staatlichen Wasserkraftbetreibers Ukrhidroenergo, beim Betreiber des Gaspipelinesystems in der Ukraine und beim staatlichen Energieriesen Naftogaz. Entsprechende Ausschreibungen seien angesetzt.

+++ 15:53 Zahl der Opfer nach Angriff auf Kiew steigt +++

Nach dem massiven russischen Luftangriff auf Kiew steigt die Zahl der Todesopfer auf mindestens sieben Rettungskräfte beendeten am Morgen die Such- und Rettungsarbeiten in einem neunstöckigen Wohnblock, wie der staatliche Rettungsdienst SES berichtet. Sechs Menschen wurden tot geborgen, eine weitere Frau starb später im Krankenhaus an ihren Verletzungen, 37 Menschen wurden verletzt. Insgesamt wurden 68 Bewohner aus dem Gebäude gerettet, darunter fünf Kinder. SES-Psychologen betreuten 252 Betroffene. Rettungskräfte entfernten während der Nacht 262 Tonnen Trümmer. Russland hatte in einer der größten nächtlichen Angriffe auf Kiew Drohnen und Raketen auf Wohngebäude in mehreren Bezirken abgefeuert. Fast 30 Wohnhäuser, sowie medizinische Einrichtungen, Geschäfte wurden beschädigt. Auch die Botschaft von Aserbaidschan wurde getroffen.

Ukrainer schildern Beschuss Angriff auf Kiew: „Gespürt, wie meine Haare brannten“

+++ 15:08 US-ukrainisches Drohnen-Joint-Venture geplant +++

Der US-amerikanische Drohnenhersteller AIRO Group und die ukrainische Nord Drone Group (NDG) wollen ein gemeinsames transatlantisches Rüstungsunternehmen namens AIRO Nord-Drone gründen. Laut „Businesswire“ soll die Partnerschaft Drohnen für die Ukraine, die USA und NATO-Staaten entwickeln und fertigen. NDG-Chef Jewhen Kotuch sprach von einer „starken Plattform“, um kampferprobte Technologien für westliche Armeen auszubauen. NDG produziert nach eigenen Angaben derzeit rund 4.000 Drohnen pro Monat und kann auf bis zu 25.000 Einheiten skalieren. AIRO soll Fertigung, Forschung und Beschaffung leiten, während NDG Technologien und Produktionskapazitäten einbringt.

+++ 13:52 Kretschmer will Rückkehr zu Energie aus Russland +++

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat erneut eine Rückkehr zu Energielieferungen aus Russland gefordert. „Wir müssen die Sanktionen gegen Russland auch aus dem eigenen ökonomischen Interesse betrachten“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Unser Interesse muss sein, nach einem Waffenstillstand wieder in Energielieferungen aus Russland einzutreten.“ Es sei richtig, dass Deutschland sich nun „verteidigungsfähig aufstellen“ müsse, aber das „gelingt nur, wenn wir wirtschaftlich stark sind“. Russland hatte bereits vor dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 seine Gaslieferungen nach Deutschland stark reduziert.

+++ 13:18 Lage um Pokrowsk verschärft sich weiter +++

Die Kämpfe um die Frontstadt Pokrowsk haben sich verschärft, nachdem Russland in der Nacht einen weiteren Angriff auf zivile Infrastruktur durchgeführt hat. Laut ukrainischen Behörden wurden in der Nacht drei Raketen und 135 Drohnen abgefeuert. Die Luftabwehr will alle bis auf eine Rakete und 41 Drohnen abgeschossen haben. Fast die Hälfte aller Gefechte sollen in der Region Pokrowsk stattgefunden haben, wo wichtige Versorgungslinien auf Straße und Schiene zusammenführen.

+++ 12:19 Russland will dieses Jahr 120.000 Gleitbomben bauen +++

Russland plant, in diesem Jahr bis zu 120.000 seiner billigen, aber sehr zerstörerischen Gleitbomben herzustellen. Darunter sollen laut Meldung der Agentur Reuters auch 500 einer neuen Version sein. Mit größerer Reichweite könnten diese weiter entfernt gelegene Städte und Ortschaften erreichen. Seit Beginn der Vollinvasion 2022 hat der Kreml seine Waffenproduktion massiv hochgefahren, wobei die Rüstungsbetriebe rund um die Uhr arbeiten. Details zur militärischen Produktion, die als geheim eingestuft ist, werden nicht bekannt gegeben.

+++ 11:55 Ukraine greift erneut russische Raffinerien an +++

Die ukrainische Armee hat Militärbloggern zufolge in den vergangenen 24 Stunden erneut eine wichtige russische Raffinerie angegriffen. Über zehnmal soll es in der Anlage Ryazan demnach zu Explosionen gekommen sein. Die Raffinerie hat nach ukrainischen Angaben den Betrieb vorerst eingestellt. Erst vor wenigen Tagen hatten die Ukrainer die russische Ölraffinerie in Saratow angegriffen, die daraufhin laut Meldung der Agentur Reuters die Primärverarbeitung einstellte. Angriffe auf die russische Energieinfrastruktur sind für die Ukraine derzeit eine der wenigen Chancen, die Angriffskraft der Kreml-Truppen nachhaltig zu schwächen.

+++ 11:03 Nach drei Tagen rettet Drohne verletzten Kameraden +++

Ohne unbemannte Fahrzeuge geht nichts mehr: Drei Tage lang lag ein ukrainischer Soldat mit Kopfverletzung auf dem Schlachtfeld. Ständige Attacken der russischen Truppen machten es unmöglich, den Kameraden zu evakuieren, Rettungstrupps hätten die Aktion nicht überlebt. Am dritten Tag konnte laut Bericht der Ukrainska Pravda eine fahrende Drohne losgeschickt werden, die Soldat Oleh bis zu einem relativ sicheren Ort transportierte. Von dort aus brachten Kameraden ihn per Pickup in ein Feldlazarett. Im von kleinen Aufklärungs- und Kamikaze-Drohnen völlig beherrschten Frontgürtel im Donbass sind die unbemannten Fahrzeuge zunehmend die einzige Chance, Verletzte in Sicherheit zu bringen.

WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN

Massive Internet-Einschränkung: „Der Protest findet jetzt in der Hosentasche statt“ – GMX, 15.11.2025

Die Internet-Freiheit in Russland wird immer weiter eingeschränkt. Netzabschaltungen häufen sich und bestraft werden inzwischen sogar Suchanfragen. Doch es gibt auch offenen Protest.Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Jakob Buhre sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen.

Sich im Internet frei zu bewegen, wird für russische Bürgerinnen und Bürger immer schwieriger. Seit dem Einmarsch in der Ukraine 2022 wurden in Russland zahlreiche Gesetze verabschiedet, die das Internet stark reglementieren und das Verhalten von Nutzern kriminalisieren.

Zahlreiche Websites, insbesondere von unabhängigen Medien, wurden blockiert, Menschen werden aufgrund kriegskritischer Internet-Postings verhaftet und der Konzern Meta, der Facebook, Instagram und Whatsapp betreibt, zur „extremistischen“ Organisation erklärt. Telefonate über Telegram und Whatsapp sind kaum mehr möglich – und immer häufiger kommen Internet-Abschaltungen hinzu.

Als der Kreml im Mai die Feierlichkeiten zum „Tag des Sieges“ beging, wurde im Raum Moskau an mehreren Tage das mobile Internet abgeschaltet. Und seit der „Operation Spinnennetz“ im Juni 2025, bei der die Ukraine mit Drohnen russische Militärflugplätze angriff, häufen sich Shutdowns in ganz Russland.

In einigen Regionen Russlands ist das mobile Internet dauerhaft außer Betrieb

In der Region Uljanowsk ist das mobile Internet seit Kurzem dauerhaft außer Betrieb. Offiziell begründet werden die Maßnahmen stets mit dem Schutz kritischer Infrastruktur, zugleich beeinträchtigen sie aber zunehmend den russischen Alltag. Weshalb viele russische Bürger sich wieder einen Internetzugang über das Festnetz besorgen und Politiker wie der Duma-Abgeordnete Wladimir Gutenew dazu raten, unterwegs mehr Bargeld dabei zu haben, für den Fall, dass elektronische Bezahlsysteme ausfallen.

Gleichzeitig bemüht sich die Regierung, bestimmte Anbieter von den Internetsperren auszunehmen. „Es gibt jetzt eine sogenannte ‚weiße Liste‘ von Diensten, die von der Abschaltung ausgenommen werden: Zum Beispiel das staatlich kontrollierte soziale Netzwerk VK, die Suchmaschine Yandex, der Versandhandel Ozon, russische Banken, Taxi-Apps oder die die Behörden-Plattform Gosuslugi,“ erklärt Sarkis Darbinyan.

Der Jurist und IT-Experte dokumentierte über viele Jahre mit der Organisation „Roskomsvoboda“ die wachsenden Einschränkungen im Netz. Das Prinzip der „weißen Liste“ hält er im Moment noch für eine vorübergehende Maßnahme. „Es besteht aber das große Risiko, dass dieses Modell in Zukunft dauerhaft eingesetzt wird, um das Internet zu regulieren.“

Staatlicher Messenger Max bleibt von Sperren unberührt

Dort, wo das mobile Internet abgeschaltet wird, funktionieren Whatsapp, Telegram oder Signal nicht mehr. Davon unberührt bleibt dagegen der neue Messenger Max. Die im staatlichen Auftrag vom Netzwerk VK entwickelte App dient nicht nur für Chat und Telefonate, der Nutzer kann mit ihr auch per digitaler ID mit den staatlichen Behörden kommunizieren. Bestrebungen, Max als nationalen Messenger durchzusetzen, sind nicht zu übersehen.

Um ihn zu bewerben, wurden bekannte Influencer genauso eingespannt wie ein Vertreter der orthodoxen Kirche. Seit 1. September muss Max zudem auf neuen Smartphones und Tablets vorinstalliert sein. Staatsbediensteten wird die Nutzung nahegelegt, Universitäten und Schulen werden verpflichtet, die Kommunikation mit Eltern und Schülern über Max abzuwickeln.

So stieg auch die Nutzerzahl in kurzer Zeit auf mehr als 50 Millionen, wie der Betreiber VK Ende Oktober mitteilte. IT-Experte Darbinyan beobachtet das mit Skepsis und befürchtet, dass Max zur Überwachung eingesetzt wird: „Im Moment verhält er sich wie viele andere populäre Messenger und schickt in etwa den gleichen Umfang an Daten an die Server. Das kann sich aber ändern und Max könnte zukünftig mehr Daten sammeln.“

„Die Daten sind bei Max nicht verschlüsselt und können von russischen Behörden ausgelesen werden.“ Er empfehle daher, den Messenger auf einem separaten Telefon zu installieren, welches man dann ausschließlich für die Kommunikation mit den staatlichen Stellen benutze.

Auch die Politikerin Jekaterina Dunzowa rät dazu, die App nur auf einem Zweithandy zu nutzen. „Bei Max gibt es ein großes Risiko, dass die Privatsphäre verletzt wird und der Messenger für Überwachung, Abhören beziehungsweise das Mitlesen von Nachrichten genutzt wird.“ Dunzowa gehört zu den wenigen im Land verbliebenen Oppositionellen. 2024 strebte sie eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl an, wurde jedoch nicht zugelassen und erhielt den Status „ausländischer Agent“, der ihre politische Betätigung in Russland stark einschränkt.

Aktuell hat sie den Vorsitz der von ihr gegründeten Partei „Rassvet“ (auf Deutsch: Morgendämmerung) inne. „Wir wollen die Menschen darauf aufmerksam machen, wie die Freiheit im Internet immer weiter eingeschränkt wird, und dass dies negative Folgen für sehr viele Lebensbereiche hat. Wenn man die neuen Restriktionen immer wieder stillschweigend akzeptiert, dann hat irgendwann niemand mehr Rechte im Internet und viele Standard-Anwendungen werden bald nicht mehr verfügbar sein.“

Tatsächlich konnte schon ein sehr kleiner Protest auf die Straße getragen werden. Ende August und Anfang September wurden in Woronesch, Omsk und Nowosibirsk Demonstrationen offiziell genehmigt, bei denen vor allem junge Menschen gegen die Interneteinschränkungen protestierten.

In Moskau oder St. Petersburg seien solche Demonstrationen jedoch unmöglich, erklärt Dunzowa: „Auch wenn dort regelmäßig Konzerte und große Menschenansammlungen stattfinden, antworten die Behörden, eine Demonstration sei unmöglich, aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen. Oder es wird auf die Durchführung der ’speziellen Militäroperation‘ verwiesen. In den Regionen wurden einige Demonstrationen genehmigt, allerdings mit einer Begrenzung auf 50 Teilnehmer.“

IT-Experte: „Der Protest findet jetzt in der Hosentasche statt“

IT-Experte Darbinyan glaubt nicht, dass die Interneteinschränkungen viele Menschen auf die Straße bringen werden, zu groß sei die Angst, verhaftet zu werden. „Der Protest findet jetzt in der Hosentasche statt, indem sich die Menschen auf ihrem Smartphone einen VPN installieren. Das ist nicht nur ein Instrument, um Zensur zu umgehen, sondern auch Ausdruck zivilen Ungehorsams. Die Nutzer zeigen damit, dass sie sich nicht an staatliche Vorgaben halten, dass sie Dienste und Informationsquellen nutzen wollen, die die Regierung offiziell blockiert.“

Nach seiner Einschätzung würden etwa ein Drittel der Russen VPN benutzen – eine Software, die den Standort des Nutzers verschleiert und so blockierte Webseiten zugänglich macht.

Allerdings hat auch hier die Regierung Gegenmaßnahmen ergriffen. Werbung für VPN wurde gesetzlich verboten, IP-Adressen diverser VPN-Dienste blockiert. „Viele internationale Anbieter haben sich mittlerweile vom russischen Markt zurückgezogen, weil es für sie zu aufwendig ist, sich ständig neue Wege auszudenken, wie man Website-Blockaden umgeht“, erklärt Darbinyan.

Verunsichert werden russische Internetnutzer auch von einem Gesetz, das am 1. September in Kraft getreten ist und die Internetsuche nach „extremistischen Materialien“ unter Strafe stellt. Eine entsprechende Liste mit mehr als 5.000 Einträgen hat das russische Justizministerium veröffentlicht.

„Das ist ein sehr beunruhigendes Signal“, sagt Serkis Darbinyan, „weil damit nicht mehr nur die Verbreitung, sondern auch der Konsum von Inhalten kriminalisiert wird. Es könnte bedeuten, dass in Zukunft Menschen schon für das Abonnieren eines Telegram-Kanals oder das Installieren einer ‚falschen‘ Nachrichten-App strafrechtlich belangt werden können.“

„Ich denke, dass dieses Gesetz in erster Linie dazu dient, Angst zu machen“, konstatiert Jekaterina Dunzowa. „Die Frage ist auch, wie die Behörden nachvollziehen wollen, dass jemand nach bestimmten Inhalten gesucht hat und ob er das mit der Absicht getan hat, gesetzeswidrig zu handeln.“

Tatsächlich gibt es erste Berichte über die Anwendung des Gesetzes: In der Stadt Kamensk-Uralski gab Anfang November ein Internet-Provider Daten eines Nutzers an den Geheimdienst weiter, weil dieser im Internet Informationen unter anderem über die ukrainische Asow-Brigade und über das russische „Freiwilligen-Korps“ abrief, welches an der Seite der ukrainischen Streitkräfte kämpft. Und in der Region Rostow verhängte ein Gericht Geldstrafen gegen zwei Frauen, weil sie den Telegram-Kanal des „Antikriegskomitee Russlands“ abonniert hatten.

Egal welches Internet-Gesetz erlassen wird, abgesegnet wird die immer weiter um sich greifende Zensur und Repression von den Abgeordneten der Duma. Warum diese nie protestieren, erklärt Jekaterina Dunzowa:

„Die Staatsduma handelt nicht selbstständig, sondern erfüllt lediglich Aufgaben, die man ihr gibt, nach dem Motto: ‚Wir müssen gegen unsere Feinde kämpfen, sowohl gegen äußere als auch gegen innere. Deswegen müssen wir das Internet kontrollieren, weil sonst feindliche Informationen verbreitet werden könnten.‘ Tatsächlich werden diese Gesetze aber gemacht, damit die Menschen keine verlässlichen Informationen erhalten, nicht mehrere Quellen vergleichen und ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen können. Informationen sollen sie nur über das Fernsehen bekommen, wo die Propaganda sprudelt. Die Regierung nutzt die aktuelle Situation, um die Rechte der Bürger einzuschränken, weil es sich so einfacher regieren lässt.“

„Putin und die Leute um ihn herum haben Angst, die Kontrolle zu verlieren, deshalb setzen sie diese starke Repression ein“, ergänzt Sarkis Darbinyan. „Der Kreml versucht einfach, zu überleben und seine Macht zu erhalten.“

Darbinyan, der sich in Russland als Anwalt für digitale Rechte einsetzte, ist zu Beginn des Angriffs auf die Ukraine ins Ausland geflohen. Die von ihm mitgegründete Organisation für Internetfreiheit „Roskomsvoboda“ hat im September ihre Auflösung bekannt gegeben. „Seit 2022 hat der Großteil des Teams das Land verlassen, es gab keine Möglichkeit, unsere Arbeit innerhalb Russlands fortzuführen. Im Dezember 2022 hat uns das Justizministerium auf die Liste ‚ausländischer Agenten‘ gesetzt, was mit vielen Einschränkungen verbunden ist.“

Im Exil hat Darbinyan die Initiative RKS Global ins Leben gerufen, mit der er nun digitale Instrumente gegen die Zensur entwickeln will, für die Menschen in seiner früheren Heimat.

Ein bisschen Zuversicht habe er noch, dass sich die Situation in Russland eines Tages wieder verbessert. „Aber meine Hoffnung wird jeden Tag ein bisschen kleiner.“

Verwendete Quellen

  • Interviews mit Jekaterina Dunzowa und Sarkis Darbinyan

MEINUNG – Putins Erzrivale warnt Europa: Bereitet euch auf einen zweiten Kalten Krieg vor, egal wie es in der Ukraine weitergeht – Politico, 7.11.2025

Der ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski erklärt gegenüber POLITICO, warum Russland Jahrzehnte brauchen wird, um sich von der „imperialistisch-militärischen Erzählung“ zu lösen, die Moskau propagiert.

BRÜSSEL – Der führende Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski warnte Europa, sich auf eine langfristige Konfrontation mit Russland vorzubereiten, unabhängig davon, wie sich Moskaus Krieg gegen die Ukraine entwickelt.

„Wir sollten davon ausgehen, dass eine Art Kalter Krieg mindestens zehn Jahre andauern wird”, prognostizierte der ehemalige Öl-Tycoon Chodorkowski diese Woche bei einer privaten Veranstaltung in Brüssel.

Laut dem im Exil lebenden Geschäftsmann wird die einzige Abschreckung gegen weitere russische Aggressionen gegen Europa in diesem Zeitraum die Überzeugung von Präsident Wladimir Putin sein, dass der Westen eine glaubwürdige militärische Bedrohung darstellt.

Während des fast ein halbes Jahrhundert andauernden Kalten Krieges arbeiteten die Sowjetunion und der Westen daran, sich gegenseitig zu untergraben, ohne einen offenen Konflikt in Europa und einen möglichen Atomkrieg zu riskieren. Hochrangige europäische und NATO-Vertreter argumentieren derzeit, dass Russland seine Politik der Zermürbung wiederbelebt und hybride Kriegstaktiken einsetzt, um den Westen zu destabilisieren und Zwietracht zu säen.

Chodorkowski, der zehn Jahre in Putins Gefängnissystem verbrachte und heute in London lebt, spielte die Wirksamkeit westlicher Sanktionen zur Beeinflussung des Kremls herunter und sagte, sie würden „gewissen Druck auf die russische Wirtschaft ausüben, aber nichts Dramatisches bewirken“.

Ähnlich skeptisch zeigte er sich, dass die seit langem andauernde Drohnenkampagne der Ukraine gegen russische Ölraffinerien die Kriegsmaschinerie des Kremls lahmlegen könnte.

„Selbst die leistungsstärkste Drohne, selbst eine Tomahawk-Rakete, kann höchstens etwa zwei Hektar treffen”, erklärte Chodorkowski, der ehemalige Eigentümer des Ölriesen Yukos und einst reichste Mann Russlands.

„Eine typische Anlage in Sibirien erstreckt sich in der Regel über 1.500 Hektar. Der angerichtete Schaden entspricht in etwa einem Tritt auf den Fuß“, sagte er.

In Wirklichkeit, so Chodorkowski, hätte Putins Macht nur in den ersten zwei Jahren nach Beginn seiner groß angelegten Invasion realistisch gebrochen werden können – wenn Russland eine entscheidende militärische Niederlage in der Ukraine erlitten hätte.

Dieses Zeitfenster sei nun geschlossen, sagte er.

Aber, fügte er ironisch hinzu, „wir haben [in Russland] die Tradition, dass unsere Diktatoren in der Regel im Alter zwischen 70 und 80 Jahren abtreten.“

Putin wurde im Oktober dieses Jahres 73 Jahre alt.

Druck von Putin

Im vergangenen Monat eröffneten die russischen Behörden ein neues Strafverfahren gegen Chodorkowski und beschuldigten ihn, eine „terroristische Organisation“ anzuführen und mit Hilfe ukrainischer Paramilitärs eine gewaltsame Machtübernahme zu planen.

In seiner Erklärung listete der Föderale Sicherheitsdienst (FSB) außerdem 22 weitere Personen auf, die mit Chodorkowskis Russischem Antikriegskomitee in Verbindung stehen, einer Gruppe oppositionell gesinnter Russen im Exil.

Einige der Genannten haben bereits Haftstrafen in Russland verbüßt oder waren wegen ihrer politischen Aktivitäten von Strafverfolgung bedroht. Auf der Liste stehen aber auch Wissenschaftler und Geschäftsleute.

Chodorkowski selbst verbrachte ein Jahrzehnt in einer sibirischen Strafkolonie, bevor er 2013 begnadigt wurde – ein wegweisender Fall, der weithin als Auftakt zu Putins Kampagne zur Unterdrückung abweichender Meinungen angesehen wird. Obwohl sich der Fall auf Steuerhinterziehung und andere Finanzdelikte konzentrierte und zur Enteignung von Yukos führte, wurde er in erster Linie als politische Warnung an Kritiker des Kremls angesehen.

Die neuen Anklagen gegen Chodorkowski und seine Verbündeten kamen nur zwei Wochen, nachdem die Parlamentarische Versammlung des Europarates erklärt hatte, sie werde eine „Plattform für den Dialog” mit den demokratischen Oppositionskräften Russlands schaffen.

In Brüssel sagte Chodorkowski, die heftige Reaktion des Kremls zeige, „wie sehr Putin die Vorstellung beunruhigt, dass russische demokratische Kräfte Legitimität erlangen könnten, sei es auch nur symbolisch”.

Obwohl die vom FSB genannten Personen bereits im Ausland leben und sich außerhalb der unmittelbaren rechtlichen Reichweite des Kremls befinden, berichten mehrere von ihnen, dass sie Probleme mit europäischen Banken haben und dass die Terrorismusvorwürfe ihre Reisen erschweren könnten, da sie eine Auslieferung an Russland befürchten.

Chodorkowski erklärte gegenüber POLITICO, er sei zuversichtlich, eines Tages in ein Russland nach Putin zurückkehren zu können, warnte jedoch, dass es noch Jahrzehnte dauern werde, bis sich das Land von der „imperialistisch-militärischen Erzählung“ befreien könne, die Russland als von Feinden umzingelt darstelle und die Invasion seiner Nachbarn rechtfertige.

„Meine Generation wird den Tag, an dem die russische Gesellschaft zu einem Zustand der Normalität zurückkehrt, nicht mehr erleben“, sagte er.

Auf die Frage, ob er diese Aussicht entmutigend finde, lächelte Chodorkowski.

„Wenn man in der Schwerindustrie arbeitet, gewöhnt man sich daran, Prozesse in Gang zu setzen, die einen selbst überdauern. Von der Erkundung eines Ölfeldes bis zur Förderung können 15 Jahre oder mehr vergehen”, antwortete er.

„Die Zukunft ist für mich genauso real wie die Gegenwart, und das motiviert mich.”

Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)

WEITERE MELDUNGEN AUS ALLER WELT

ORF MELDUNGBÜNDEL WELT

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Ukraine will Gefangenenaustausch wieder aufnehmen

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Ausland

Britische Regierung will Migrationskurs verschärfen

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Papst traf im Vatikan Vertreter der Filmbranche

Wirtschaft

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BAHA-NEWS

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INTERNATIONAL

COP30: Zehntausende bei Klimamarsch in Belem – ORF, 15.11.2025, 19:34

Zur Halbzeit der zweiwöchigen UNO-Klimakonferenz COP30 in Brasilien haben Zehntausende Menschen für mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung und den Schutz indigener Gemeinschaften demonstriert. Der „Marsch fürs Klima“ zog Samstagvormittag (Ortszeit) mit lauten Gesängen und Parolen durch das Zentrum der Amazonas-Metropole Belem.

„Geschützter Amazonas“ stand auf einer riesigen brasilianischen Flagge, die beim Protestzug durch Belem getragen wurde. Die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds komme einem „Massaker“ gleich, sagte der 50-jährige Benedito Huni Kuin vom indigenen Volk der Huni Kuin. Er sei aus seiner Heimat im Westen Brasiliens nach Belem im Nordosten gekommen, um bei der Klimakonferenz „unseren Stimmen aus dem Amazonas-Gebiet Gehör zu verschaffen und Ergebnisse zu fordern“. „Wir sind hier, um Druck auszuüben“, sagte auch die 28-jährige Txai Surui, die eine der bekanntesten indigenen Aktivistinnen in Brasilien ist. Die junge Frau ging mit traditionellem Federschmuck bei dem Protestzug mit und forderte die Delegierten der Klimakonferenz auf, zu bereits gemachten Zusagen zu stehen und „Rückschritte“ beim Klimaschutz unbedingt zu verhindern.

Die fossilen Energien Kohle, Öl und Gas wurden bei der Demonstration symbolisch zu Grabe getragen – schwarz gekleidete Demonstrantinnen gingen als trauernde Witwen neben den Särgen her.

Veranstalter: 50.000 Teilnehmende

Der 4,5 Kilometer lange Protestzug führte vom Stadtzentrum bis in die Nähe des Konferenzgeländes, das am Samstag mit Stacheldrahtabsperrungen abgeriegelt war und von Soldaten bewacht wurde. Kurz darauf ging die Demonstration friedlich zu Ende, nach Angaben der Organisatoren hatten insgesamt etwa 50.000 Menschen daran teilgenommen.

Mit auf der Straße waren auch einige Diplomaten und Minister aus Entwicklungsstaaten, die auf der COP30 verhandeln. Die brasilianische Umweltministerin Marina Silva begrüßte die breite Beteiligung der Bevölkerung. Brasilien, ein Land des Globalen Südens, habe eine hart erkämpfte und gefestigte Demokratie, daher seien auch Proteste willkommen.

Erst am Freitag hatten Dutzende Indigene und andere Klimaaktivisten morgens stundenlang den Haupteingang der Konferenz blockiert. Und am Dienstagabend stürmten Indigene und andere Aktivisten sogar die Eingangshalle der eigentlich stark gesicherten Zeltstadt. Sie brachen gewaltsam Türen auf und lieferten den Sicherheitskräften ein Gerangel.

Zum ersten Mal seit der COP26 im schottischen Glasgow 2021 sind bei der COP30 in Belem wieder größere Proteste möglich. Bei den drei vorherigen Klimakonferenzen in Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Aserbaidschan konnten Aktivisten wegen drohender Repressionen nur innerhalb des Konferenzgeländes demonstrieren, das von der UNO verwaltet und bewacht wird.

COP30 geht in zweite Woche

Auf der COP30 beraten noch bis Ende nächster Woche rund 200 Staaten darüber, wie die Erderwärmung schneller eingedämmt werden kann. Auch Klimaminister Norbert Totschnig (ÖVP) wird dann in Belem sein. Im Fokus steht unter anderem ein Fahrplan zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle – dagegen wehren sich unter anderem Golfstaaten, die mit Öl und Gas weiterhin Milliarden verdienen.

Daneben geht es um Forderungen der Entwicklungsstaaten nach mehr Hilfsgeldern, um sich besser an die fatalen Folgen der Klimakrise anpassen zu können. Die Industriestaaten pochen aber darauf, dass nicht mehr Geld auf den Tisch kommt, als vergangenes Jahr zugesagt wurde. In Baku hatte die UNO-Konferenz letztes Jahr als Kernziel beschlossen, dass die Industriestaaten bis 2035 jährlich mindestens 300 Milliarden US-Dollar (rund 258 Mrd. Euro) an Klimafinanzierung bereitstellen.

Gemischte Bilanz

Umweltschutzorganisationen ziehen nach der ersten Woche eine durchmischte Zwischenbilanz. Während die Zivilgesellschaft mit zahlreichen Protesten vor Ort eine grundlegende Kehrtwende im Klima- und Waldschutz einfordert, herrsche Stillstand bei den Verhandlungen, meinte Greenpeace am Samstag. Den neuen Tropenwald-Fonds begrüßte Greenpeace als wichtigen Schritt, kritisierte jedoch, dass die Einzahlungen freiwillig bleiben.

Um Entwaldung wirksam zu stoppen, brauche es klare und faire Verpflichtungen, hielt Greenpeace fest und forderte, dass die Verhandlungen in der zweiten Woche endlich Fahrt aufnehmen. Am Ende der Verhandlungen müsse ein 1,5-Grad-Aktionsplan stehen, der Klima-und Waldschutz ins Zentrum stellt.

„Konferenz der Wahrheit“

Zu Beginn der Weltklimakonferenz hatte Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva eine Kampfansage an Leugner der Erderwärmung gerichtet. Auf dieser „Konferenz der Wahrheit“ gehe es auch darum, sich der Desinformation zur Klimakrise entgegenzustellen, sagte der linke Politiker. Allen voran US-Präsident Donald Trump bezeichnet die menschengemachte Erderwärmung als „Schwindel“ und ist bereits am ersten Tag seiner Amtszeit aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen.

Am Mittwoch hatten rund ein Dutzend Staaten eine Erklärung dazu verabschiedet. Sie ruft Regierungen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Geldgeber auf, sich Desinformation, Leugnung und gezielten Angriffen auf Umweltjournalisten, Klimaschützer und Forscher entgegenzustellen. Sonst bestehe die Gefahr, dass der dringend notwendige Klimaschutz untergraben und die gesellschaftliche Stabilität bedroht werde.

red, ORF.at/Agenturen

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Stillstand bei COP30 in Belém – APA, 15.11.2025, 19:32

Nach der ersten Woche des UNO-Klimagipfels in Belém ziehen Umweltschutzorganisationen eine durchmischte Zwischenbilanz. Während die Zivilgesellschaft mit zahlreichen Protesten vor Ort eine grundlegende Kehrtwende im Klima- und Waldschutz einfordert, herrsche Stillstand bei den Verhandlungen, meinte Greenpeace am Samstag. Den neuen Tropenwald-Fonds begrüßte Greenpeace als wichtigen Schritt, kritisierte jedoch, dass die Einzahlungen freiwillig bleiben.

Um Entwaldung wirksam zu stoppen, brauche es klare und faire Verpflichtungen, hielt Greenpeace fest und forderte, dass die Verhandlungen in der zweiten Woche endlich Fahrt aufnehmen. Am Ende der Verhandlungen müsse ein 1,5-Grad-Aktionsplan stehen, der Klima- und Waldschutz ins Zentrum stellt.

Jasmin Duregger, Klimaexpertin bei Greenpeace Österreich und bei den Verhandlungen in Belém vor Ort, stellte klar: „Mit einem internationalen 1,5-Grad-Aktionsplan, der einen Weg zum Ausstieg aus fossilen Energien vorgibt und unsere Wälder vor der Zerstörung schützt, kann Belém zu einem historischen Wendepunkt werden. Dafür müssen die Verhandlungen aber dringend mehr Tempo aufnehmen.“

Die Verhandlungen in Belém sind von zahlreichen Protesten von Indigenen und zivilgesellschaftlichen Organisationen begleitet. Darunter auch eine „Flotilla“, ein Bootsprotest vor Belém, an dem über 200 Schiffe und Boote sowie das Greenpeace-Flaggschiff „Rainbow Warrior“ mitfuhren. Gemeinsam fordern sie mehr Tempo bei den Verhandlungen und umfassenden Wald- und Klimaschutz.

Zur Halbzeit der zweiwöchigen UN-Klimakonferenz demonstrierten Tausende Menschen für mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung und den Schutz indigener Gemeinschaften. Der „Marsch fürs Klima“ zog am Vormittag (Ortszeit) mit lauten Gesängen und Parolen durchs Zentrum der Millionenstadt Belém. Die Veranstalter sprachen laut dpa von 50.000 Teilnehmern.

Der Protestzug wurde angeführt von Indigenen, die in Brasilien ihre angestammten Gebiete – unter anderem im Regenwald – gegen Agrarkonzerne, Holzfäller und illegale Goldschürfern verteidigen müssen. Mit auf der Straße waren auch einige Diplomaten und Minister aus Entwicklungsstaaten, die auf der COP30 verhandeln. Die brasilianische Umweltministerin Marina Silva begrüßte die breite Beteiligung der Bevölkerung.

Anders als bei den vorangegangenen Klimakonferenzen in autoritären Staaten wie Aserbaidschan gibt auch im Stadtgebiet sichtbare Proteste der Zivilgesellschaft. So tagt parallel zur UN-Klimakonferenz auf dem Gelände der Universität der „Gipfel des Volkes“ („People’s Summit“) mit Hunderten Organisationen, Bewegungen und Netzwerke aus Brasilien und dem Ausland.

Erst am Freitag hatten Dutzende Indigene und andere Klimaaktivisten morgens stundenlang den Haupteingang der Konferenz blockiert. Und am Dienstagabend stürmten indigene Aktivisten sogar die Eingangshalle der eigentlich stark gesicherten Zeltstadt. Sie brachen gewaltsam Türen auf und lieferten sich ein Gerangel mit Sicherheitskräften.

Auf der COP30 beraten noch bis Ende nächster Woche rund 200 Staaten darüber, wie die Erderwärmung schneller eingedämmt werden kann. Im Fokus steht unter anderem ein Fahrplan zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle. Daneben geht es um Forderungen der Entwicklungsstaaten nach Hilfsgeldern, um sich besser an die fatalen Folgen wie häufigere und heftigere Niederschläge und Dürren, Hitzewellen, Waldbrände und Stürme anzupassen.

In der zweiten Verhandlungswoche wird auch Österreichs Klimaminister Norbert Totschnig in Belém sein. Greenpeace kritisierte am Samstag in einer Presseaussendung, unter seiner Verantwortung würden die internationale Klimafinanzierung gekürzt und keine Zusagen zum neuen Tropenwald-Fonds gemacht. Dieses Verhalten untergrabe die Glaubwürdigkeit Österreichs und schwäche die laufenden Verhandlungen.

Greenpeace appellierte weiters an Totschnig, seine Blockade bei der EU-Entwaldungsverordnung aufzugeben. „Klima- und Umweltminister Totschnig wird seinem Titel bisher nicht gerecht. Er kürzt Klimafinanzierungen und torpediert Waldschutz. Bei seiner Premiere in Belém wird sich zeigen, ob er die größte Bedrohung unserer Zeit ernst nimmt und endlich Politik zum Schutz der Menschen vorantreiben wird“, bemerkte die österreichische Klima-Expertin Duregger.

USA

Fall Epstein: Politisches Dauerfeuer für Trump – ORF, 15.11.2025

US-Präsident Donald Trump wird die Affäre um Sexualstraftäter Jeffrey Epstein nicht los. Zuletzt hatten die Demokraten im Repräsentantenhaus weitere Trump belastende E-Mails veröffentlicht. Am Freitag ging dieser in die Offensive und wies das Justizministerium an zu ermitteln, vorerst aber nur gegen Demokraten. Brisant dürfte es aber kommende Woche werden: Da stimmt das Repräsentantenhaus über eine Freigabe aller Akten im Fall Epstein ab.

Unter Druck durch neue Enthüllungen in der Epstein-Affäre, hat Trump eine Untersuchung der Verbindungen Epsteins zum früheren demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton und zur Bank JPMorgan gefordert. Das Justizministerium teilte am Freitag mit, es werde dem Wunsch nachkommen.

Der Schritt erfolgte zwei Tage, nachdem der Kongressausschuss Oversight Committee Dokumente veröffentlicht hatte, die neue Fragen zu Trumps Verbindung zu Epstein aufwarfen. In einer der von den Demokraten im Repräsentantenhaus veröffentlichten E-Mails hatte Epstein geschrieben, Trump habe von den minderjährigen Mädchen gewusst. „Natürlich wusste er von den Mädchen“, hieß es da.

Trump habe zudem „Stunden“ mit einem der Missbrauchsopfer verbracht. Auf die Frage, was Epstein in der Mail mit „Natürlich wusste er von den Mädchen“ meinte, sagte Trump zu Journalistinnen und Journalisten an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One: „Ich weiß nichts darüber.“ Epstein und er hätten viele Jahre lang ein „sehr schlechtes Verhältnis“ gehabt.

„E-Mails beweisen absolut nichts“

Auch das Weiße Haus wies den Inhalt der E-Mails zurück. „Diese E-Mails beweisen absolut nichts außer der Tatsache, dass Präsident Trump nichts Falsches getan hat“, sagte Sprecherin Karoline Leavitt. Die Republikaner veröffentlichten ihrerseits 20.000 Dokumente und warfen den Demokraten vor, zur Verbreitung einer falschen Darstellung nur einzelne Nachrichten herausgepickt zu haben.

Trump ging zudem nun in die Offensive und versucht, die Aufmerksamkeit auf den Demokraten Clinton und weitere Persönlichkeiten zu lenken. Namentlich nannte er unter anderem Ex-Finanzminister Larry Summers und den Investor und Unternehmer Reid Hoffman. Justizministerin Pam Bondi beauftragte daraufhin den leitenden Staatsanwalt in Manhattan, Jay Clayton, mit den Ermittlungen, wie sie im Onlinedienst X schrieb.

Epstein: Clinton-Geschichte „total erfunden“

„Aufzeichnungen zeigen, dass diese Männer und viele andere große Teile ihres Lebens mit Epstein und auf seiner ‚Insel‘ verbracht haben“, schrieb Trump unter anderem über Clinton in seinem Onlinedienst Truth Social unter Anspielung auf Epsteins Privatinsel Little Saint James in der Karibik. Dort sollen zahlreiche Opfer missbraucht worden sein.

Epstein selbst hatte allerdings geschrieben, Ex-Präsident Clinton (1993 bis 2001) sei „niemals“ auf seiner Insel gewesen. Das geht aus Mails des Sexualstraftäters hervor, die Abgeordnete der Demokraten diese Woche veröffentlichten und die der Nachrichtenagentur AFP vorliegen. In einer Epstein-Mail vom Jänner 2015 heißt es etwa, die Clinton-Geschichte sei „total erfunden, er war niemals dort“.

Clintons Sprecher Angel Urena erklärte, die Mails würden beweisen, „dass Bill Clinton nichts getan hat und nichts wusste“.

Repräsentantenhaus stimmt über Aktenfreigabe ab

Der Druck auf den Präsidenten dürfte kommende Woche weiter steigen: Das Repräsentantenhaus will einen parteiübergreifenden Antrag verabschieden, um die Regierung zur Veröffentlichung der restlichen Epstein-Akten zu bringen.

Der Beschluss erfordert 218 Stimmen in der Kongresskammer, diese sind mit der Vereidigung einer nachgewählten Demokraten-Abgeordneten diese Woche nun zusammen. Konkrete Folgen hätte das Votum aber voraussichtlich nicht. Dem Antrag müsste danach noch der Senat zustimmen, in dem Trumps Republikaner die Mehrheit haben. Anschließend wäre noch Trumps Unterschrift erforderlich.

Der Präsident lehnte den Vorstoß des Repräsentantenhauses erneut ab. „Epstein war ein Demokrat und er ist das Problem der Demokraten, nicht das der Republikaner“, schrieb er. „Verschwendet eure Zeit nicht mit Trump. Ich muss ein Land regieren.“

Trump bricht mit rechter Hardlinerin

Republikaner, die für die Veröffentlichung der Epstein-Akten sind, schmähte Trump als „weich und dumm“. Zu ihnen gehört die ultrarechte republikanische Abgeordnete und langjährige Anhängerin Trumps Marjorie Taylor Greene. Trump entzog ihr nun die Unterstützung, nachdem sie dessen Umgang mit der Causa Epstein kritisiert hatte.

In einem Posting in seinem sozialen Netzwerk Truth Social bezeichnete Trump die Kongressabgeordnete als „durchgeknallt“, sie lasse „trotz meiner rekordartigen Erfolge für unser Land“ immer nur mit Beschwerden von sich hören. „Ich kann nicht jeden Tag die Anrufe einer pöbelnden Wahnsinnigen entgegennehmen“, so Trump.

Auch andere Konservative hätten inzwischen „die Nase voll von ihr und ihren Eskapaden“. Sollte sich ein geeigneter Kandidat finden, der Greene bei den Vorwahlen im Bundesstaat Georgia schlagen könne, werde er denjenigen mit aller Kraft unterstützen.

Greene: Trumps Verhalten „schwere Fehleinschätzung“

In einem Interview bezeichnete Greene am Freitag die Weigerung Trumps, sein Wahlkampfversprechen einzulösen und sämtliche Epstein-Akten zu veröffentlichen, als „schwere Fehleinschätzung“. Sie könne sein Verhalten nicht nachvollziehen, sagte sie dem Sender CBS.

Greene betonte, die Opfer und ihre Anwälte hätten ihr „mehrfach versichert, dass Präsident Trump nicht darin verwickelt ist“. In Trumps MAGA-Lager (Make America Great Again, dt.: Macht Amerika wieder großartig) stößt es deshalb auf Unverständnis, warum sich der Präsident so nachdrücklich gegen eine Veröffentlichung der Akten sperrt. Noch im Wahlkampf hatte er Transparenz versprochen.

red, ORF.at/Agenturen

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Epsteins explosive Zeilen über Trump: „Kann ihn stürzen“ – n-tv, 14.11.2025 (KURZVIDEO)

Neue Enthüllungen um Jeffrey Epstein setzen US-Präsident Donald Trump zunehmend unter Druck. Laut veröffentlichten E-Mails soll Epstein intime Details über den damaligen Unternehmer gesammelt haben – und war überzeugt, ihn damit zu Fall bringen zu können. Wenig später war er tot.

Epstein-Mails veröffentlicht: Trump „wusste von den Mädchen“ – ORF, 12.11.2025

Im Gezerre um Veröffentlichungen zur Affäre rund um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein wurden am Mittwoch Pflöcke eingeschlagen. Demokratische Kongressabgeordnete veröffentlichten mutmaßliche Mails von Epstein, in denen dieser anzugeben scheint, Trump sei über den Missbrauch minderjähriger Frauen im Bilde gewesen. Trump „wusste von den Mädchen“, heißt es da.

Die Epstein-E-Mails waren den demokratischen Abgeordneten zufolge an dessen Komplizin Ghislaine Maxwell gerichtet, die wegen Sexhandels mit Minderjährigen und weiterer Vergehen eine 20-jährige Haftstrafe absitzt.

Weitere Mails habe Epstein an den Enthüllungsjournalisten Michael Wolff gerichtet, der über Trumps Verwicklung in den Fall berichtet hat, hieß es von den Demokraten im einflussreichen Kongressausschuss Oversight Committee.

„Stunden in meinem Haus verbracht“

Trump „wusste von den Mädchen“, zitierten sie am Mittwoch Epstein aus einer der Nachrichten aus dem Jahr 2019. Zudem habe Trump „Stunden in meinem Haus verbracht“. Den Demokraten zufolge war während eines solchen Aufenthalts eines von Epsteins Missbrauchsopfern anwesend, der Name wurde jedoch nicht veröffentlicht.

Dem Weißen Haus zufolge handelt es sich bei der jungen Frau um Virginia Giuffre, die sich im April im Alter von 41 Jahren das Leben genommen hatte. Im Oktober erschienen postum die Memoiren der US-Australierin. Sie klagte darin den britischen Prinzen Andrew an, sie als Minderjährige missbraucht zu haben.

Epsteins Nachlass wird derzeit von einem Kongressausschuss überprüft. Die veröffentlichten E-Mail-Auszüge sollen aus den Jahren 2011, 2015 und 2019 stammen.

Der verurteilte Sexualstraftäter Epstein war 2019 erhängt in seiner Gefängniszelle in New York aufgefunden worden. Ihm wurde vorgeworfen, zahlreiche Mädchen und junge Frauen missbraucht und Prominenten zugeführt zu haben.

Vieles im Dunklen

Der heutige Präsident war in dem Fall im eigenen Lager unter Druck geraten, weil seine Regierung nicht wie versprochen Licht in den Skandal gebracht hat. Im Gegenteil: Seit Monaten versucht die Trump-Regierung nun, Veröffentlichungen rund um die Causa zu verhindern.

Trump selbst hatte stets bestritten, mit Epstein näher befreundet gewesen zu sein, und gab an, er habe sich mit diesem zerstritten, weil Epstein Mitarbeiterinnen abgeworben habe. Epstein habe Frauen „gestohlen“, die in seinem Mar-a-Lago-Resort arbeiteten, so Trump.

Die Sprecherin der US-Regierung, Karoline Leavitt, sagte in einem Statement, die neuen Veröffentlichungen seien böswillige Versuche, von den Erfolgen Trumps abzulenken. Jeder US-Amerikaner mit gesundem Menschenverstand durchschaue den Schwindel.

Leavitt betonte auch, Giuffre habe dagegen „wiederholt gesagt, dass Präsident Trump in keinerlei Fehlverhalten verwickelt war“ und sich immer freundlich ihr gegenüber verhalten habe. Ein Fehlverhalten in der Affäre konnte Trump bisher tatsächlich nie nachgewiesen werden.

Neue Abgeordnete als Zünglein an der Waage

Der Druck auf den US-Präsidenten könnte in Kürze aber noch weiter steigen: Am Mittwoch wurde in Washington die Demokratin Adelita Grijalva als neue Abgeordnete im Repräsentantenhaus vereidigt.

Mit ihrer Stimme könnten Republikaner und Demokraten eine parteiübergreifende Petition beschließen, alle Epstein-Akten zu veröffentlichen. Dafür sind im Repräsentantenhaus 218 Stimmen nötig, bisher fehlte eine Stimme zur Verabschiedung.

red, ORF.at/Agenturen

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SÜDAMERIKA

Kommunistin und Rechtsaußen: Wahlen zwischen Extremen in Chile – ORF, 16.11.2025

In Chile werden am Sonntag Präsidentschafts- und Kongresswahlen abgehalten. Die beiden vielversprechendsten Kandidaten für die Präsidentschaft sind laut Umfragen Jeannette Jara von der Kommunistischen Partei und der rechtsextreme Kandidat Jose Antonio Kast von der Republikanischen Partei. Den Wahlkampf dominierten Themen wie Kriminalität und Einwanderung, obwohl Chile nach wie vor eines der sichersten Länder Lateinamerikas und der Karibik (LAC) ist.

Zuletzt nahm aber auch der ebenfalls rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Johannes Kaiser mit seiner radikalen und aggressiven Rhetorik Fahrt auf. Laut Fachleuten könnte er zur Überraschung der Wahlen werden.

Sowohl Kaiser als auch Kast befürworten das neoliberale Modell und die Verkleinerung des Staates, plädieren für ein hartes Vorgehen gegen irreguläre Migration und Kriminalität sowie den Schutz traditioneller Familienwerte.

Keine klare Mehrheit in Kongress

Seit dem „Estallido social“, dem sozialen Aufstand von 2019/2020, der den linken Amtsinhaber Gabriel Boric 2022 ins Präsidentenamt brachte, ist in der chilenischen Politik eine Tendenz zur Polarisierung zu beobachten.

Die Wahlen von 2021 führten zu einem stark fragmentierten und vielfältigen Kongress, in dem keine Koalition eine klare Mehrheit der Sitze erringen konnte. Aus Sicht der EU wird Chile insbesondere aufgrund seiner reichen natürlichen Ressourcen und kritischen Rohstoffe in den kommenden Jahren von strategischer Bedeutung sein.

Ehemalige Ministerin tritt für Regierung an

Die Kandidatin der Regierung, Jara, engagierte sich als Jugendliche in der Kommunistischen Partei. Bis heute ist sie Mitglied, rechnet sich jedoch dem sozialdemokratischen Flügel zu und distanziert sich von den orthodoxen Positionen der Kommunisten.

Jara gewann denn auch die Vorwahlen der regierenden Mitte-links-Koalition. Sie war Arbeits- und Sozialministerin. In diesem Amt setzte sie die Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 45 auf 40 Stunden durch und brachte eine Reform des privaten Pensionssystems auf den Weg. Auch Jara will das Vorgehen gegen illegale Einwanderung verschärfen und die wachsende Kriminalität bekämpfen.

Kast bewundert Pinochet

Der Rechtsextreme Kast kandidiert bereits zum dritten Mal für die Präsidentschaft. Er will alle Einwanderer und Einwanderinnen ohne Papiere aus dem Land werfen. Kast will auch der Polizei den Gebrauch von Schusswaffen erleichtern.

Der Jurist Kast stammt aus einer deutschen Familie. Sein Vater war Wehrmachtssoldat und setzte sich nach Kriegsende nach Chile ab.
Einer seiner Brüder war Minister unter der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973–1990). Kast bewundert offen den Diktator.

Kaiser stellt Wahlrecht für Frauen infrage

Auch Kaiser hat deutsche Wurzeln. Er gilt als noch radikaler als Kast. Auf seinem YouTube-Kanal stellte er das Wahlrecht für Frauen infrage und verhöhnte Vergewaltigungsopfer. Kaiser ist Vorsitzender der rechtspopulistischen Nationallibertären Partei, die für Sicherheit eintritt und wirtschaftlichen Ultraliberalismus propagiert.

Er kündigte ebenfalls an, alle Einwanderer und Einwanderinnen ohne Aufenthaltserlaubnis auszuweisen. Einwanderer und Einwanderinnen mit Vorstrafen will er in eines der berüchtigten Riesengefängnisse in El Salvador abschieben.

Falls niemand von den Kandidierenden in der ersten Runde die absolute Mehrheit erreicht, ist eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten am 14. Dezember geplant.

red, ORF.at/Agenturen

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FERNER OSTEN

Taiwan-Frage: Spannungen zwischen China und Japan – ORF, 15.11.2025

Der Streit zwischen China und Japan wegen Äußerungen von Japans Regierungschefin Sanae Takaichi zu Taiwan verschärft sich weiter. China sprach Freitagabend (Ortszeit) eine Reisewarnung für Japan aus, Grund seien „offen provokative Bemerkungen“. Japan reagiert entsprechend verstimmt.

In einer vom Außenministerium in Peking und der chinesischen Botschaft in Tokio veröffentlichten Stellungnahme hieß es, japanische Politiker hätten mit „provokativen Aussagen zu Taiwan“ die Atmosphäre für den gegenseitigen Austausch „schwer belastet“. Es bestehe ein „erhebliches Risiko für die persönliche Sicherheit und die Leben chinesischer Bürger in Japan“.

In einer ersten Reaktion sagte Japans Kabinettschef Minoru Kihara, diese Warnung trage nicht zur „Förderung einer strategischen und beiderseitig vorteilhaften Beziehung“ bei, wie die Nachrichtenagentur Jiji Press berichtete. Die japanische Regierung habe Peking aufgefordert, „entsprechende Maßnahmen“ zu ergreifen.

Chinesen wichtig für Japans Tourismus

Kihara sagte laut der Nachrichtenagentur Kyodo weiter, dass Japan und China beim Thema Taiwan unterschiedliche Ansichten hätten, es sei aber wichtig, die Kommunikation aufrechtzuerhalten. China zählt Taiwan zu seinem Territorium, obwohl die Inselrepublik seit Jahrzehnten eine von Peking unabhängige und demokratisch gewählte Regierung hat. China drohte bereits mit dem Einsatz von Militär. Taiwan wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs von Japan beherrscht, es gibt nur wenige Staaten, die derzeit mit Taiwan diplomatische Beziehungen haben.

Mehrere chinesische Fluglinien, darunter Air China, kündigten an, den vollen Flugpreis rückzuerstatten, sollten Reisende ihren Flug nach Japan stornieren. Das Angebot gelte bis einschließlich 31. Dezember. Laut aktuellen Daten der japanischen Tourismusbehörde stellen chinesische Staatsbürger und -bürgerinnen im laufenden Jahr die größte Gruppe ausländischer Touristen dar.

„Existenzbedrohende Situation“

Die neue japanische Premierministerin Takaichi hatte vergangenen Woche im japanischen Parlament gesagt, dass ein chinesischer Angriff auf Taiwan eine „existenzbedrohende Situation“ darstelle, die dazu führen könnte, dass Japan sein Recht auf Selbstverteidigung ausübe. Für den Fall eines solchen „Worst-Case-Szenarios“ schloss die 64-Jährige den Einsatz japanischer Soldaten nicht aus.

Daraufhin hatte der chinesische Generalkonsul im japanischen Osaka, Xue Jian, in einem Onlinebeitrag gedroht, er würde Takaichi wegen ihrer Äußerungen zu Taiwan, „ohne zu zögern, den dreckigen Hals abschneiden“. Die Regierung in Tokio bezeichnete das als „äußerst unangemessen“ und beschwerte sich in Peking. Takaichi erklärte daraufhin, sie werde solche Äußerungen künftig unterlassen. Der Beitrag wurde später gelöscht.

Botschafter beider Länder einbestellt

Am Freitag bestellten die Außenministerien in Peking und Tokio die Botschafter des jeweils anderen Landes ein. „Sollte es irgendjemand wagen, sich in irgendeiner Form in Chinas Einigungsprozess einzumischen, wird China mit Sicherheit hart zurückschlagen“, hieß es auf der Website des chinesischen Außenministeriums. Taiwan sei ein Teil Chinas, das sei eine eine „unantastbare rote Linie“, hieß es.

Bei der Einbestellung von Botschafter Kenji Kanasugi habe China verlangt, dass die als chinakritisch geltende Takaichi ihre Aussagen zurücknehme, berichtete Kyodo. Japan legte bei der Unterredung mit Chinas Botschafter „starken Protest gegen die extrem unangemessenen Äußerungen“ des chinesischen Generalkonsuls ein.

Ärger auch über USA

Auch die USA verärgerten China in Sachen Taiwan diese Woche. Wie aus einer Mitteilung des Pentagons hervorging, gab Washington grünes Licht für einen möglichen Verkauf von Ersatzteilen an Taiwan. Dabei handle es sich um Ersatzteile für Kampfflugzeuge im Wert von 330 Millionen Dollar, wie das US-Verteidigungsministerium am Donnerstag (Ortszeit) mitteilte.

Der Verkauf diene dazu, die Einsatzbereitschaft der taiwanischen Flotte von F-16- und C-130-Flugzeugen zu erhalten. Er solle die Fähigkeit des Landes verbessern, auf aktuelle und künftige Bedrohungen zu reagieren. Die Regierung in Taipeh bedankte sich. Die Verkäufe sollten innerhalb eines Monats „wirksam werden“, erklärte das taiwanische Verteidigungsministerium.

Die chinesische Regierung in Peking reagierte verärgert auf das Waffengeschäft. „Die Taiwan-Frage ist der Kern der Kerninteressen Chinas und die erste rote Linie, die in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen nicht überschritten werden darf“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Lin Jian, am Freitag in Peking.

red, ORF.at/Agenturen

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NAHER OSTEN – MENA WATCH (Mena-Watch auf Wikipedia)

DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN

COMMENT: Im Verlauf relative Stabilität der Partei-Zustimmungen. Die AfD profitiert nicht von den schlechten Umfragewerten für die Regierung und für Merz

ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGENAPA-WAHLTREND

COMMENT: Seit Mai langsam geringe Zunahme der Zustimmung zur FPÖ und zur KPÖ, trotz geringem Auf und Ab bleiben ÖVP und NEOS stabil, die SPÖ verliert.

SOS-Kinderdorf Österreich: Eingesperrt, gequält, misshandelt: Der Missbrauchsskandal bei SOS-Kinderdorf reißt nicht ab – GMX, 15.11.2025

SOS-Kinderdorf sieht sich seit Mitte September schweren Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt. In wenigen Tagen soll ein neuer Aufsichtsrat vorgestellt werden. Kann man das Ruder noch rumreißen?

Es gibt Berichte, die schlagen ein wie ein Blitz. Mit lautem, langanhaltendem Donner. Beim Artikel der Wiener Wochenzeitung „Falter“, der am 16. September veröffentlicht wurde und sich auf eine anonym zugespielte Studie von 2021 bezieht, scheint der Donner gar nicht enden zu wollen.

Angefangen hat es mit schweren Missbrauchsvorwürfen gegen Mitarbeitende im österreichischen SOS-Kinderdorf in Moosburg: Kinder sollen im Zeitraum von 2008 bis 2020 eingesperrt, gequält und misshandelt worden sein. Von Essens- und Wasserentzug ist die Rede, aber auch von Nacktbildern.

Kurze Zeit später wird bekannt, dass es auch am Standort in Imst zwischen 2017 und 2020 zu Übergriffen gekommen sein soll, wieder geht es um eine anonym zugespielte Studie an den „Falter“, dieses Mal aus dem Jahr 2022 – und es mehren sich Vorwürfe aus Seekirchen, Stübing, Altmünster, Wien und Nussdorf-Debant. Die Liste wird immer länger. Bis Mitte Oktober waren 67 neue Fälle über die sogenannten Whistleblowerkanäle eingegangen.

Mittlerweile ermitteln die Staatsanwaltschaften Klagenfurt, Innsbruck und Salzburg, auch gegen Behörden, die offenbar jahrelang untätig geblieben sind. Außerdem ist eine Reformkommission eingesetzt worden.

In Personalfragen ist ebenfalls einiges geschehen: Aufsichtsratsvorsitzender und Ex-Bankmanager Willibald Cernko legte Anfang Oktober sein Mandat nieder, einige Tage später wurde einer der drei Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf, Christian Moser, suspendiert; er soll vieles gewusst haben. Am 20. November nun ist eine Mitgliederversammlung geplant, in der ein neuer Aufsichtsrat gewählt wird. Ist SOS-Kinderdorf noch zu retten?

Geschäftsführerin Annemarie Schlack, seit 2024 im Amt, verspricht jedenfalls absolute Aufklärung: „Die Unkultur des Schweigens, die sich hier durch die Vergangenheit zieht, bis in die jüngste Vergangenheit, die hat jetzt ein Ende“, sagte sie im ZiB 2.

Missbrauchsvorwürfe gegen SOS-Kinderdorf-Gründer Gmeiner wiegen schwer

Doch was die Organisation inmitten dieser nicht enden wollenden Aufzählung von Vorwürfen bis in ihre Grundfesten erschüttert hat, sind zwei weitere Enthüllungen, die das Gebilde SOS-Kinderdorf kaum noch auffangen kann: Ausgerechnet Hermann Gmeiner, der Gründer der Institution, in Österreich bis vor Kurzem noch wie ein Nationalheld verehrt, steht im Verdacht, bis zu seinem Tod 1986 an mindestens acht Jungen sexuelle Gewalt verübt zu haben.

Zudem soll ein Großspender aus Österreich jahrelang seine kriminell-pädophile Neigung in einem SOS-Kinderdorf in Nepal ausgelebt haben – unter den Augen des damaligen Geschäftsführers und Gmeiner-Nachfolgers Helmut Kutin, für den die Spenden offenbar wichtiger waren als der Schutz der Kinder. Beide Männer starben in den vergangenen Jahren (Kutin 2024, der Großspender 2022), noch bevor sie angeklagt werden konnten – viele sehen darin eine besonders perfide Form einer Verzögerungstaktik.

Vorwürfe der Vertuschung und Untätigkeit gegen SOS-Kinderdorf

Gegen diese Kritik wehrt sich SOS-Kinderdorf Österreich eindringlich. Seit Aufkommen der ersten Gewalt- und Missbrauchsvorwürfe Mitte September durch die beiden Autoren Jürgen Klatzer und Matthias Winterer vom „Falter“ wird in Stellungnahmen hochgehalten, dass die Organisation sofort nach der Kenntnis der Vorwürfe aus Moosburg reagiert habe. Das sei im Jahr 2020 gewesen.

Man sei „zutiefst betroffen“, habe damals sofort Führungskräfte entlassen, die Strukturen umgebaut und die Opfer entschädigt. Und eben die Studie beim Institut für Männer- und Geschlechterforschung in Graz in Auftrag gegeben, die 2021 fertiggestellt wurde. Ein Jahr später 2022 folgte eine weitere Studie zu Imst. Doch beide an die Öffentlichkeit durchgestoßen, das habe man nicht. Es galt, die Opfer vor einer Re-Traumatisierung zu schützen. Oder finanziell zu beruhigen?

Doch mit dieser Vorgehensweise der Geheimhaltung und Abschottung sollte wohl eher die Organisation geschützt werden, sind sich die beiden „Falter“-Autoren sicher. Mögliche zukünftige Opfer konnten auf diese Art nicht verhindert werden. Denn dass es großen Bedarf an einer Überprüfung der Organisation gab, muss spätestens seit 2012 klar gewesen sein, als SOS-Kinderdorf den Innsbrucker Historiker Horst Schreiber beauftragte, die Gewalt in den Dörfern von 1950 bis 1990 zu untersuchen.

Schreiber kam zu dem Schluss, dass die patriarchale Dorfstruktur – mit bis zu sechs Kindern pro Kinderdorf-Mutter, die mit anderen Müttern das SOS-Kinderdorf bildet und die allesamt einem einzigen Kinderdorf-Leiter unterstellt sind – psychische, physische und sexualisierte Gewalt begünstigte. Dabei war SOS-Kinderdorf stets um Geheimhaltung bemüht, so Schreiber, die Anzeichen für Missbrauch wurden systematisch ignoriert.

Seine Ergebnisse veröffentlichte er 2014 unter dem Titel „Dem Schweigen verpflichtet“. Doch warum hat man nichts daraus gelernt?

Historiker Horst Schreiber spricht von „Machtkampf in der Organisation“

Der Wirbel, den die neuen Missbrauchsvorwürfe gegen SOS-Kinderdorf verursacht haben, kommt für Schreiber nicht überraschend. Zwar hatten die Verantwortlichen nach seiner Studie eine Reihe von Verbesserungen vorgenommen – unter anderem wurde bereits 2012 ein Opferschutzverfahren eingeführt, das eingegangene Missbrauchsvorwürfe überprüft und gegebenenfalls Opferentschädigungen zuerkennt – aber es herrsche noch immer „dieser Machtkampf in der Organisation, zwischen den beharrenden Kräften“, sagte er in einem Interview mit dem „Falter“, „und den Reformern, die etwas ändern wollen.“

Dass die beiden neuen Studien geheim gehalten wurden, ist für ihn allerdings unverständlich. Das Argument, das Risiko einer Re-Traumatisierung bei den Opfern zu vermeiden, grenzt für ihn an „Heuchelei“.

Denn das Gegenteil passiere, wenn man Gewalt an die Öffentlichkeit bringt: „Es ermutigt Betroffene, sich zu melden. Hätte die Organisation ihre Studien öffentlich transparent gemacht, hätten sich potenzielle Opfer viel früher gemeldet.“ Deswegen hätte SOS-Kinderdorf von Anfang an auf die Kinder zugehen sollen, um zu fragen, ob und was geschehen ist.

Gewalt und sexueller Missbrauch bei SOS-Kinderdorf

Allein die beiden Studien aus den Jahren 2021 und 2022 aus Moosburg und Imst zeigen, dass weitere Übergriffe – wenigstens in den vergangenen Jahren – hätten verhindert werden können, hätten die Verantwortlichen sofort gehandelt. Dabei spannt sich der Bogen der Vorwürfe von verbaler Gewalt bis hin zu schwerem Missbrauch.

In Moosburg war es eine Kinderdorf-Mutter, die ab den frühen 2000er-Jahren dort lebte. Sie soll die Kinder in ihren Zimmern eingesperrt haben, die karge Einrichtung wird begründet, „dass die Kinder offensichtlich alles kaputt machen“, zitiert der „Falter“ aus internen Dokumenten.

Bestraft wurden die Schutzbefohlenen mit Essens- und Wasserentzug – dafür wurde der Wasserhahn nach Benutzung wieder abmontiert. Beim Duschen wurden die Kinder beobachtet, „um heimliches Saufen zu verhindern“. Der Dorfleiter wusste davon Bescheid. Doch statt zu helfen, deckte er seine Mitarbeiterin. Ihre Vergehen hielt er für ein probates Mittel.

Erst durch Druck von Außen – Kindergarten und Schule hatten sich an ihn gewendet – beendete er nach langem Zögern im Jahr 2008 das Dienstverhältnis. Und er schrieb der Dorfmutter ein einwandfreies Zeugnis aus, sodass sie schnell in einem staatlichen Kindergarten neue Arbeit fand. Angezeigt hat er sie nie.

Freiheitsentzug, sadistische Strafen – auch eine Verletzung der Intimsphäre wurde dokumentiert: Ein Pädagoge hatte im Jahr 2016 Nacktbilder von seinen Schützlingen in Caldonazzo hergestellt, ein italienisches Ferienlager für Kinder und Jugendliche aus SOS-Kinderdörfern in ganz Europa. Die Aufnahmen zeigten unbekleidete Jungen in Badewannen, er hatte sie als Hintergrund auf seinem Desktop.

Nachdem eine Kollegin die Bilder gemeldet hatte, spielte der Mann die Aufzeichnungen herunter: „Wegen ein paar Fotos wollen sie mir jetzt einen Strick drehen“, soll er zu einer Mitarbeiterin gesagt haben. Auch die Verantwortlichen – die damalige Geschäftsleitung der Region Süd – verharmlosten den Fall und sahen „keinen pornografischen Hintergrund“. Er konnte weitermachen, bis man sich 2016 im Einvernehmen von ihm trennte, wieder bekam er ein einwandfreies Führungszeugnis.

Die Vorwürfe in Imst wiederum beziehen sich auf fünf Vorfälle, die zwischen 2017 und 2020 passiert sein sollen und die sich gegen zwei Führungskräfte richten. Sie sollen unter anderem einen zehnjährigen Jungen auf den Boden gedrückt und fixiert haben, nachdem er aggressives Verhalten gezeigt hatte. Wieder war es der Kindergarten, der wegen der Vorfälle Alarm schlug. Doch dieses Mal nahm die Dorfleitung die Kinder einfach aus dem Kindergarten heraus. Wegen der KiGa-Pflicht konnten sie aber wieder zurückgeholt werden. Als eine Mitarbeiterin aus dem Kinderdorf Einwände vorbrachte, wurde ihr eine Kündigung nahegelegt.

Ausgerechnet Imst: Hier gründete Hermann Gmeiner 1951 das erste SOS-Kinderdorf als Einrichtung für Kriegswaisen – ein Modell, das später in mehr als 500 Dörfern weltweit kopiert wurde.

Nach Moosburg und Imst: Weitere mutmaßliche Übergriffe

  • Seekirchen: Ein Mitarbeiter soll 2020 im SOS-Kinderdorf Seekirchen zwei unter-14-jährige Mädchen missbraucht haben, der Staatsanwalt ermittelt, wie verschiedene Medien berichteten. Zu dem Zeitpunkt war der Leitung noch nicht bekannt, dass sich der Mann bereits zwischen 2011 und 2013 an einem unmündigen Mädchen vergriffen hatte. Dafür wurde er 2021 zu acht Monaten Haft verurteilt.
  • Stübing: Beim „Standard“ meldet sich ein Betroffener, der von seinen Gewalterfahrungen in den 1980er-Jahren im SOS-Kinderdorf Stübing erzählt. Er und seine acht Heimgeschwister wurden in eine kleine Kammer unter der Kellertreppe eingesperrt und mussten zur Strafe ihr Erbrochenes aufessen. Immer wieder habe er seine Geschichte erzählt, damals seinem Lehrer, dem Psychologen, doch eine Reaktion blieb aus. Seit 2010 ist er arbeitsunfähig gemeldet.
  • Altmünster: Ein Mann wendet sich an den „ORF“ und macht seine Misshandlungen aus den 1980er- und 1990er-Jahren öffentlich. Er spricht von ständigen Prügeln und „Schlägen aus heiterem Himmel“. Auch sexuellen Missbrauch habe es an dem Standort gegeben, der beschuldigte Mitarbeiter zeigte sich Mitte der 1990er-Jahre selbst an.
  • Wien: Ein ehemaliger Betreuer aus einem SOS-Kinderdorf in Wien wurde laut der „Krone“ wegen sexuellen Missbrauchs zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er hatte sich in den Jahren 2021 und 2022 an einem Jungen vergangen.

Hermann Gmeiner – ein Nationalheld stürzt ins Bodenlose

Die Missbrauchsvorwürfe gegen Hermann Gmeiner, dem berühmten Gründer von SOS-Kinderdorf, sind seit 2013 bekannt. Aus diesem Jahr stammt eine erste Missbrauchsmeldung aus einem Opferschutzverfahren, die letzte wurde 2023 bearbeitet. Insgesamt soll Gmeiner in den 1950er- bis 1980er-Jahren sexuelle Übergriffe auf acht Jungen verübt haben. Alle Betroffenen erhielten eine Entschädigungssumme von bis zu 25.000 Euro, zudem wurden Therapieeinheiten bezahlt.

SOS-Kinderdorf hatte sich mit diesen Enthüllungen selbst an die Medien gewandt. Kritiker sahen darin einen ersten Hinweis darauf, dass die Reformkommission unter der ehemaligen Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Irmgard Griss Früchte getragen hatte: Die Organisation zeigt sich offenbar aufklärungsbereit. Die bisherigen Schäden sind aber auf jeden Fall immens: Skulpturen von Gmeiner werden abmontiert, Büsten verhüllt, Parkanlagen umbenannt. Und der internationale SOS-Kinderdorfverband schloss die österreichische Teilorganisation aus seinen Reihen aus.

Kutin und Moser wussten vom Missbrauch durch den Großspender

Aber es kommt noch schlimmer: Nur wenige Tage nach den Enthüllungen um Gmeiner wird Ende Oktober bekannt, dass ein Großspender aus Österreich in den Jahren 2010 bis 2014 mutmaßlich Jungen im SOS-Kinderdorf Nepal missbraucht hat – und namhafte Verantwortliche wie der Gmeiner-Vertraute Helmut Kutin, eins der ersten SOS-Kinderdorfkinder und langjähriger Präsident der Organisation, sowie Geschäftsführer Christian Moser (im Amt seit 2008) sollen davon gewusst, aber nichts unternommen haben.

Sogar als das Kinderdorf Nepal 2015 ein Besuchsverbot gegen den Großspender aussprach, durfte er 2017 ein Trainingslager in Nepal besuchen, in dem sich Kinderdorf-Kinder aufhielten. Das geht aus Dokumenten hervor, die dem „Falter“ erneut zugespielt worden sind.

Welche Auswirkungen hat der Skandal auf die Spenden?

Seitdem die Missbrauchsvorwürfe die Organisation ins Wanken gebracht haben, ist nicht nur der Ruf demoliert. Es geht auch um ein mögliches finanzielles Desaster: Rund 25 Prozent machen laut „Tiroler Tageszeitung“ die Einnahmen aus Spenden aus, 2024 waren es etwa 46 Millionen Euro.

Aus öffentlichen Mitteln, Tagsätzen und Refundierungen erhielt SOS-Kinderdorf rund 126 Millionen Euro. „Kurzfristig müssen wir mit Rückgängen bei Spenden rechnen“, heißt es dazu in einer Stellungnahme. Die Versorgung der Kinder und Jugendlichen sei jedoch gewährleistet.

SOS-Kinderdorf betreut derzeit um die 4.200 Kinder und Jugendliche – davon etwa 1.800 stationär. Die meisten werden von den rund 2.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in unterschiedlichen Wohngruppen versorgt. Nur 171 Kinder lebten 2024 noch in Kinderdorf-Familien.

Insgesamt hat SOS-Kinderdorf bisher 2,8 Millionen Euro an Entschädigungszahlungen ausgezahlt. Seit 2012 wurden in Österreich 187 Opferschutzverfahren bearbeitet, 176 Antragstellern und Antragstellerinnen wurde eine Entschädigungszahlung zugesprochen.

Die Politik fordert Aufklärung

Die Landespolitik in Kärnten und Tirol will die Vorfälle „lückenlos aufklären“. Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP) soll zeitnah einen Runden Tisch mit Experten einberufen und Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) wurde ersucht, die lückenlose Aufklärung der Vorfälle bestmöglich zu unterstützen.

Die Tiroler Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) hat in den vergangenen Wochen bereits zu den Missbrauchs- und Gewaltvorwürfen in den Tiroler Unterkünften mehrmals auf Aufklärung gedrängt. Die Auskünfte erfolgten bisher mit angezogener Handbremse, was für Unmut sorgt.

Schock auch in Deutschland

SOS-Kinderdorf Deutschland zeigte sich von den Missbrauchsvorwürfen bei SOS-Kinderdorf Österreich erschüttert und unterstützt dessen Ausschluss. „Nach dem intransparenten Umgang mit den Fällen in den letzten Wochen hat diese Meldung über Hermann Gmeiner das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagte Georg Falterbaum, ein Vorstand von SOS-Kinderdorf e.V. in Deutschland mit Sitz in München.

Auch in deutschen Kinderdörfern sei es in der Vergangenheit zu Übergriffen und Unrecht gekommen, doch die Vorfälle seien in den vergangenen Jahren umfassend aufgearbeitet worden, betonte Falterbaum.

So hat es laut dem Bericht einer unabhängigen Kommission zwischen 1976 und Mitte 2023 knapp 190 Meldungen zu Grenzüberschreitungen gegeben, teilweise verübten auch andere betreute Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene außerhalb der Organisation Übergriffe.

Aufarbeitung sei eine Dauer-Aufgabe, betont Falterbaum. „Es ist kein Thema, das wir abhaken, sondern es wird weitergehen.“ Bei Einrichtungen von SOS-Kinderdorf Deutschland sei auch der Kinderschutz durch personelle Maßnahmen gestärkt worden, und ein Frühwarnsystem sei im Aufbau. Außerdem ist er der Meinung: „Die Idee von SOS-Kinderdorf ist unverändert richtig. Und Hermann Gmeiner definiert als unser Gründer eben nicht mehr die Arbeit von heute“, sagt er.

Verwendete Quellen

WIRTSCHAFTS-NACHRICHTEN für Österreich

ÖSTERREICHISCHES PARLAMENT

ORF-MELDUNGSBÜNDEL ÖSTERREICH

Inland

Mitgliederversammlung: NEOS pocht auf Reformen

Wirtschaftskammer Salzburg will Umlage reduzieren

Umwelt & Klima

Aulandschaft entsteht in Klagenfurt

Licht ins Dunkel

3,15 Millionen Euro Spenden bei „Gala für Licht ins Dunkel“

Wirtschaft

Neues Stromgesetz: Warten auf komplexen Riesen

ORF – Meldungen für die slowenische Volksgruppe (deutsch)

ORF – Meldungen für die slowenische Volksgruppe (slowenisch)

ORF – Meldungen für Volksgruppen in Österreich

MEDIZIN

Laut US-Behörde: Vogelgrippe: Erster H5N5-Fall bei einem Menschen nachgewiesen – GMX, 15.11.2025

Ein Mann aus dem US-Bundesstaat Washington hat sich mit einem bisher nur bei Tieren bekannten Vogelgrippe-Stamm infiziert. Das Friedrich-Loeffler-Institut ordnet die Entwicklung ein und erklärt, wo das Virus bereits nachgewiesen wurde.

COMMENT: H5N1-Infektionen bei Tieren und selten bei Menschen sind bekannt, nicht aber solche mit dem H5N5-Virus.

In den USA hat sich ein Mensch Behördenangaben zufolge mit dem Vogelgrippe-Subtyp H5N5 infiziert. Bei dem Mann aus der Region Grays Harbour im Bundesstaat Washington wurde das Virus durch Tests festgestellt, nachdem er Anfang des Monats mit Grippesymptomen ins Krankenhaus gekommen war, wie das Gesundheitsministerium in dem Bundesstaat mitteilte. Es sei der erste Nachweis dieses Stammes beim Menschen, hieß es von dem Ministerium. Zuvor sei er nur in Tieren nachgewiesen worden.

Auch dem deutschen Friedrich-Loeffler-Institut – dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit – waren bisher keine Berichte von humanen Infektionen bekannt, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Dies sei „aber auch nicht verwunderlich“, da dieser Subtyp im Vergleich zu H5N1 unterrepräsentiert sei.

Risiko bleibt dennoch „weiterhin gering“

H5N5 komme aber „seit vielen Monaten in einigen Regionen der Welt vor“, besonders in Nordamerika und Nordeuropa, etwa in Norwegen, heißt es vom Friedrich-Loeffler-Institut. Auch in Deutschland gab es demnach schon Nachweise von H5N5 bei Wildvögeln.

„Unter dem Vorbehalt, dass es ein 2.3.4.4b H5N5 Stamm ist, ist es also zunächst keine wirklich drastische Änderung der Situation“, teilte die Institutssprecherin zur möglichen ersten Übertragung auf einen Menschen mit.

Auch die US-Behörde und die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) stufen das Risiko für die Öffentlichkeit „weiterhin gering“ ein. Die Behörde CDC dokumentiert Fälle aus den USA, bei denen sich Menschen mit der Vogelgrippe infiziert haben.

Betroffener wird im Krankenhaus behandelt

Der ältere Mann habe Vorerkrankungen und werde weiterhin im Krankenhaus behandelt, hieß es vom Ministerium. Er halte Hausgeflügel, das Kontakt zu Wildvögeln gehabt habe.

US-Medienberichten nach ist es der erste Vogelgrippe-Fall beim Menschen seit neun Monaten. Laut Angaben auf der CDC-Website gab es bislang in den USA 71 Fälle und einen Todesfall – wobei nicht klar ist, um welche Subtypen es sich dabei handelt.

Verschiedene Subtypen der Vogelgrippe

Die Geflügelpest, auch Vogelgrippe genannt, ist eine bei vielen Vogel- und Geflügelarten häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Seit 2022 grassiert die größte je dokumentierte Vogelgrippewelle, die sich über mehrere Erdteile erstreckt. Dabei geht es allerdings um das hochpathogene – also besonders krankheitserregende – H5N1-Virus. Es befällt vor allem Vögel, wurde aber auch bei mehreren Säugetieren gefunden.  

Dieser Subtyp H5N1 ist bei hoher Infektionsdosis prinzipiell auch auf den Menschen übertragbar. In Deutschland ist dem Robert Koch-Institut zufolge noch kein H5N1-Fall bei einem Menschen bekanntgeworden. (dpa/bearbeitet von ali)

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KRIMINALITÄT

Reale Fake-Bestellungen: Das ist Brushing – GMX, 5.11.2025 (KURZVIDEO)

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UNTERNEHMEN

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*** zuletzt aktualisiert am 1.10.2025***

Tickende Zeitbombe am Anleihenmarkt: In den USA und in Europa wird die Staatsverschuldung zum Problem – Catherine Bosley, NZZ, 30.9.2025

Die Risikoprämien für langfristige Obligationen sind trotz geldpolitischer Lockerung in Grossbritannien, Frankreich und den USA gestiegen. Washington genoss bislang ein «exorbitantes Privileg». Dieses ist nicht in Stein gemeisselt.

Die Reaktion der Anleiheninvestoren auf die jüngste Zinssenkung der amerikanischen Notenbank Federal Reserve erscheint zunächst widersprüchlich. Obwohl das Gremium um Jerome Powell den Leitzins um 25 Basispunkte herabsetzte, legten die Renditen zehn- und dreissigjähriger amerikanischer Staatsanleihen zu.

Doch es gibt eine plausible Erklärung – und sie ist für die USA ein schlechtes Omen. Ein schwindelerregender Schuldenberg und Handelszölle, die die Inflation anheizen, lassen erwarten, dass die Finanzierungskosten der weltgrössten Volkswirtschaft langfristig steigen werden. Hinzu kommt der Druck aus dem Weissen Haus, das die Unabhängigkeit der Notenbank infrage stellt. Das könnte die Inflationserwartungen befeuern.

Doch das Phänomen ausufernder Staatsdefizite, welche die Kapitalmärkte in Unruhe versetzen, beschränkt sich keineswegs auf die USA. Obwohl die Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks die Leitzinsen gesenkt haben, ist die von Anlegern geforderte Risikoprämie für das Halten lang laufender Anleihen von staatlichen Emittenten wie Frankreich, Deutschland oder Grossbritannien im vergangenen Jahr gestiegen. Dies ist ein Indiz dafür, dass Investoren zunehmend an der Tragfähigkeit der Staatsverschuldung zweifeln.

Zum Beispiel muss Frankreich für neue Kredite noch tiefer in die Tasche greifen als das hoch verschuldete Italien oder Griechenland. Und der Zins auf Staatsschulden war zeitweise höher als der auf den Wertpapieren grosser französischer Unternehmen. Der klägliche Zustand des gallischen Staatshaushalts trug auch massgeblich zum Zusammenbruch der Regierung unter François Bayrou im September bei.

Währenddessen prognostiziert in den USA das Yale Budget Lab, dass aufgrund der höheren Staatsverschuldung durch Donald Trumps Big Beautiful Bill die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe – zurzeit bei etwa 4,15 Prozent – bis 2030 um etwa einen halben Prozentpunkt steigen werde.

«Nicht nachhaltig» sei die Entwicklung der amerikanischen Staatsverschuldung, hatte Powell im Mai erklärt, noch bevor Trumps Gesetz angenommen wurde. Dieses stockt die Mittel für das Militär und den Grenzschutz auf und senkt gleichzeitig die Steuern.

Bislang profitieren die USA von der Rolle des Dollars

Über Jahrzehnte profitierten die USA vom Status des Dollars als internationale Leitwährung. Unter anderem bedeutete dies, dass die hohe ausländische Nachfrage nach sicheren, liquiden amerikanischen Obligationen die Finanzierungskosten Washingtons in Schach hielt. Diesen Sonderstatus bezeichnete der französische Schatzmeister Valéry Giscard d’Estaing einst als «exorbitantes Privileg».

Im Zuge der immer höheren Zölle aus Washington dieses Jahr kamen seitens der Investoren allerdings Zweifel über die Vorreiterrolle des Dollars und die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Wirtschaftspolitik auf. Der Greenback sackte im April bis zu 7 Prozent gegenüber dem Euro und sogar fast 9 Prozent gegenüber dem Franken ab, während die Renditen auf US-Treasuries stiegen. Im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern tritt Trump nicht für eine starke Währung ein.

Das Fed senkte am 17. September den Leitzins mit Verweis auf den Arbeitsmarkt, wo es eine beginnende Schwäche erkannte. Dabei entschieden sich die Geldhüter dafür, über die aus ihrer Sicht etwas erhöhte Teuerung hinwegzuschauen.

Noch sind die Auswirkungen der Zölle auf die amerikanische Wirtschaft nicht vollständig zu spüren. Die höheren Einfuhrabgaben beginnen laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) erst jetzt, die Konsumentenpreise zu beeinflussen. Es gibt so gut wie keine Anzeichen dafür, dass die Importeure die Zölle absorbieren, anstatt sie an die Kunden weiterzureichen. Die OECD hat vor diesem Hintergrund ihre Inflationsprognose für die USA für das Jahr 2026 auf 3 Prozent angehoben.

Auch nach Meinung der Deutschen Bank deuten Finanzmarktindikatoren darauf hin, dass die Teuerung in den USA in den kommenden Jahren über dem Zwei-Prozent-Zielband des Fed bleiben wird. Tatsächlich verharrt die in fünf Jahren erwartete Inflationsrate – die im Fachjargon Break-even-Rate genannt wird und aus dem Vergleich der Renditen von inflationsindexierten und nominalen Wertpapieren berechnet wird – seit Anfang dieses Jahres bei rund 2,5 Prozent.

Noch sind Treasuries bei Investoren begehrt

Experten erwarten, dass das Finanzministerium unter Scott Bessent die Politik seiner Vorgängerin Janet Yellen weiterführt und für die Neuverschuldung überwiegend auf Schuldtitel mit Laufzeiten von unter einem Jahr – sogenannte Bills – setzt. So kann das Treasury von den geringeren Finanzierungskosten auf kurzfristigen Obligationen profitieren.

Stephen Miran, jüngst von Trump in den Vorstand des Fed berufen, hatte 2024 mit dem New Yorker Ökonomen Nouriel Roubini die Ausrichtung auf kurzfristige Anleihen untersucht. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Strategie – ähnlich wie die quantitative Lockerung einer Notenbank – die Renditen am Markt senkt und auch in Zukunft Anwendung finden dürfte.

Die Taktik funktioniert natürlich nur unter dem Vorbehalt, dass es stets genug Käufer für amerikanische Wertpapiere gibt.

Noch erfreuen sich amerikanische Staatsanleihen reger Beliebtheit. Deswegen sind die amerikanischen Anleihenmärkte wahrscheinlich trotz Zollhammer von Turbulenzen wie an den Kapitalmärkten Frankreichs und Grossbritanniens dieses Jahr verschont geblieben. Nach der vom «Liberation Day» ausgelösten Volatilität im April stieg der von ausländischen Investoren gehaltene Bestand im Juli auf ein Rekordniveau von 9,16 Billionen Dollar. Wer liquide Wertpapiere mit einer attraktiven Rendite kaufen möchte, kommt derzeit kaum am weltgrössten Markt vorbei.

Doch Verkaufswellen wegen Washingtons Handelspolitik, Trumps Druck auf die Notenbank oder die anhaltend hohe Teuerung könnten die Lage umkehren. Sollten Anleger längerfristig an der Glaubwürdigkeit des amerikanischen Fiskus zweifeln, würden die Wertpapiere ihren Status als sicheren Hafen verlieren.

«Wir sind zunehmend der Ansicht, dass die USA auf einige altbewährte Taktiken hoch verschuldeter Staaten zurückgreifen werden», wie zum Beispiel Interventionen am Anleihenmarkt, um die Kosten der laschen Haushaltpolitik zu verschleiern, schrieb Atul Bhatia, ein Stratege von RBC Wealth Management. Das Setzen auf kurzfristige Schuldverschreibungen «birgt grössere Risiken für die amerikanischen Staatsfinanzen, da die Finanzierungskosten dann nicht so berechenbar sind».

Wirtschaftswachstum ist das beste Mittel

Das Phänomen der ausufernden Staatsverschuldung betrifft sowohl die USA als auch die grossen Industrieländer Europas und Asiens. Um die gigantischen Summen in den Griff zu bekommen, gibt es zwei unterschiedliche Pfade: Entweder wird das Wachstum beschleunigt oder aber die Schuldenlast wird auf Kosten der Gläubiger verringert.

Ein beleben der Konjunktur lässt das Ausmass der Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung eines Staates schrumpfen. Dies erfordert jedoch einen Produktivitätsschub – etwa durch künstliche Intelligenz – oder schmerzhafte Strukturreformen.

Wie jüngst in Frankreich, als der Premierminister aufgrund seines vorgeschlagenen Sparprogramms den Hut nehmen musste, stossen staatliche Ausgabenkürzungen bei Wählern oft auf Ablehnung.

Die andere Möglichkeit ist finanzielle Repression, also wenn der Staat die Anleger faktisch zum Halten von unattraktiven Staatsschulden zwingt. Ein beabsichtigtes Anheizen der Teuerung kann den realen Wert dieser Schulden weginflationieren, solange diese nicht teuerungsgeschützt sind. Oder aber es kommt sogar zu eigentlichen Schuldensanierungen mit kostspieligen Schuldenschnitten wie derjenige von Griechenland 2012.

Die Unsummen der Verbindlichkeiten sind auf beiden Seiten des Atlantiks eine tickende Zeitbombe. Ob und in welcher Form diese losgeht, bleibt abzuwarten.

Schulden wie nach dem Weltkrieg Warum der Welt der Finanzkollaps droht – n-tv, Daniel Schütte, 27.9.2025

Frankreichs Haushalt ist nur noch ein Torso. Die Staatsverschuldung der USA hat astronomische Dimensionen erreicht – die Europäer folgen dem Trend. Inzwischen sagen selbst seriöse Ökonomen und Investoren einen Crash und Panik an den Finanzmärkten voraus. Sie haben recht: Die Schuldenbombe tickt.

Der Schuldenberg der westlichen Staaten ist heute wieder ungefähr so hoch wie in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Gerade noch neun Länder erhalten von allen drei großen Ratingagenturen die höchste Bonitätsstufe, das dreifache A. Selbst starke Wirtschaftsnationen wie Frankreich verlieren die Kontrolle über ihre Haushaltsdefizite. Müsste Frankreich auf die Rettungsmechanismen zurückgreifen, die im Zuge der Eurokrise aufgebaut worden sind, dann hätte das dramatische Folgen auch für die Bundesrepublik. Dreistellige Milliardenbeträge stünden auf dem Spiel.

Regierungen und Wähler haben sich im Laufe der Jahre an solche Summen gewöhnt. Weil am Ende – zumindest für Deutschland – immer alles gut gegangen ist, erscheinen Warnungen nur abstrakt und hypothetisch. Doch die bisherige Verschuldungspolitik wird so nicht weitergehen können. Der aufgebaute Sprengstoff ist hochexplosiv, die Schuldenbombe tickt.

Die USA, der größte Staatsschuldner der Welt, sind nach Ansicht der meisten Ökonomen und Investoren auf fiskalischem Crashkurs. Drastische Warnungen häufen sich. Jamie Dimon etwa, der Chef der weltgrößten privaten Bank J.P. Morgan und Doyen der Wall Street, sprach schon vor der Wahl 2024 von einer drohenden „Rebellion“ der Finanzmärkte, weil die Haushaltsfinanzierung auf ein „Kliff“ zusteuerten. Im Mai prognostizierte er ein Fiasko, weil es zu einem „Riss“ am Bondmarkt kommen werde: „Das wird passieren.“ Seinen Bankenaufsehern sage er: „Ihr werdet in Panik geraten.“

Kernschmelze des Finanzsystems könnte von den USA ausgehen

Die US-Staatsschuldenquote wächst seit Jahren ungebremst, laut Internationalem Währungsfonds (IWF) liegt sie derzeit bei 123 Prozent. Tendenz: immer weiter steigend. Diese Schuldenlawine betrifft die gesamte Welt, denn die USA sind mit Abstand der führende Finanzplatz und der von ihnen geschöpfte Dollar ist die Welt-Reservewährung. Probleme des Schuldners USA könnten deshalb bis zu einer Kernschmelze des Weltfinanzsystems führen. China und andere Herausforderer der USA arbeiten ohnehin daran, die Dominanz des Dollarsystems zu brechen.

Zur hohen Schuldenlast Amerikas, das sein Triple-A längst verloren hat, kommt inzwischen noch die unberechenbare Politik des Präsidenten: Donald Trumps Zölle schaden dem Wirtschaftswachstum, seine Steuersenkungen haben neue Haushaltslöcher gerissen. Obendrein untergräbt Trump mit brachialen Mitteln die Unabhängigkeit der US-Zentralbank Fed, die der Garant eines stabilen Dollar und der Finanzmarktstabilität sein müsste.

Trump will die Notenbankerin Lisa Cook wegen angeblicher privater Verfehlungen feuern. Um mehr Einfluss zu gewinnen, beförderte er auch seinen Chefökonomen Stephen Miran in die Zentralbank, der sofort eine neue Angriffsfront eröffnet hat. Nach dem Gesetz soll die Fed bisher einerseits für stabile Preise, andererseits für möglichst hohe Beschäftigung sorgen. Miran grub eine Passage in den Statuten aus, nach der die Fed zusätzlich auch für moderate Langfristzinsen sorgen müsse.

Mit diesem neuen Rechtsverständnis könnte die Notenbank künftig die Aufgabe übernehmen, dem Präsidenten und seiner Regierung den Rücken finanziell freizuhalten. Denn deren Schuldenpolitik lässt sich nur fortsetzen, wenn die Zinsen im Zaum gehalten werden. Wo der billige Kredit zum permanenten Ziel der Geldpolitik wird, wächst allerdings das Inflationsrisiko erheblich.

Nicht nur die Stabilität des Dollar ist dadurch bedroht. In fast allen Industrieländern gefährdet die wachsende Last der Schulden am Ende das Geldsystem. Die Europäer stehen nur auf den ersten Blick etwas besser da. Die Staatsschuldenquote der Eurozone liegt zwar zusammengerechnet deutlich unter 100 Prozent. Die Währungsunion besteht aber aus zwei fiskalisch sehr verschiedenen Blöcken: Die sechs am höchsten verschuldeten Länder Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland, Belgien und Portugal haben – in Relation zum Wirtschaftswachstum – zusammen einen fast genauso hohen Schuldenstand wie die USA.

Abrupte Schuldenwende in Deutschland

Das Gegengewicht bildet im Wesentlichen Deutschland, das seine Schuldenquote in den 2010er Jahren wieder in die Nähe von 60 Prozent gesenkt hatte, und das als der Stabilitätsanker des Euro gilt. Mit der abrupten Schuldenwende im Frühjahr haben die Deutschen ihren Kurs nun grundlegend verändert: Der im Vergleich noch große Kreditspielraum soll zügig genutzt werden. Zugleich verschlechtert sich die Lage beim wichtigsten Partner Frankreich drastisch: Das Land ist tief gespalten, immer neue Regierungen scheiterten zuletzt daran, die ständig steigende Verschuldung zu bremsen. Am Kapitalmarkt ist der Zins der französischen Staatsanleihen deshalb auf das Niveau des notorischen Schuldenpatienten Italien gesprungen. In der Währungsunion zahlen heute die beiden nach Deutschland größten Volkswirtschaften die höchsten Risikoaufschläge gegenüber den Bundesanleihen.

Eine Finanzpolitik, die ihre Schulden nicht mehr im Griff hat, wird zum Sprengstoff für die Finanzmärkte. Denn die Staatsschulden müssen zwar nie restlos zurückgezahlt, aber doch immer wieder neu finanziert werden. Nach einer langen Phase von Mini- und teils sogar Negativzinsen sind die Kreditkosten zuletzt wieder spürbar gestiegen. Verlieren die Investoren einmal abrupt das Vertrauen in die vermeintlich völlig sicheren Papiere, dann drohen massive Erschütterungen: Crashende Bondkurse bringen Banken und Versicherungen ins Wanken, hochschießende Zinsen verschärfen die Haushaltsnot noch weiter. Als letzter Retter in der Krise bleibt dann nur noch die Notenbank, die unbegrenzt Geld schöpfen kann – „whatever it takes“.

Zuletzt hat Großbritannien 2022 einen solchen Schock erlebt. Damals stürzte die neue Premierministerin Liz Truss schon nach wenigen Wochen, weil der Bondmarkt angesichts ihrer Schuldenpläne crashte. Erst ihr Rücktritt und die Interventionen der Bank of England beruhigten die Lage. Der „Truss-Moment“ ist seither der Albtraum vieler Regierungen weltweit.

Schon vor Monaten forderte die vor kurzem ausgeschiedene IWF-Vizechefin Gita Gopinath einen „strategischen Schwenk“. Sie nannte die fiskalische Lage der Welt „schlimmer, als Sie denken“. Höheres Wachstum wäre der Königsweg aus der Schuldenfalle. Die Zügelung von Ausgaben ist vor allem dort unvermeidlich, wo die Steuerlast schon sehr hoch ist. Aktuell zeigt sich aber vor allem, dass der Druck auf die Notenbanken wächst. Die Politik hat sich an das leichte Geld gewöhnt, das die Währungshüter in den großen Krisen der vergangenen anderthalb Jahrzehnte zur Verfügung gestellt haben. Das Risiko einer etwas höheren Inflation erscheint vielen vertretbar – zumal die schleichende Entwertung des Geldes auch die reale Last der Staatsschulden aushöhlen kann.

Der jüngste Vorstoß des Trump-Loyalisten Miran mag Europäern bizarr erscheinen. Die Europäische Zentralbank hat formal ein viel engeres Mandat als die amerikanische Fed. Der klare Auftrag heißt hier: stabile Preise. Faktisch stabilisiert aber auch die EZB schon seit Jahren die Zinsen für Krisenkandidaten wie Italien. Im Fall Frankreich wird sie nicht anders handeln können.

Quelle: ntv.de

Reset wie 1948: Droht die große Enteignung – rtl+, 14.8.2025

Zwangshypotheken, entwertete Konten, 90 Prozent Verlust beim Geldvermögen – die Währungsreform von 1948 zeigt, wie radikal ein Reset ablaufen kann. Und er könnte wiederkommen.

Raimund und Etienne sprechen in dieser Podcast-Folge darüber, wie solche Eingriffe in der Vergangenheit aussahen und warum die Reset-Gefahr auch in der Gegenwart nicht gebannt ist. Könnten sogar die USA im Zentrum eines neuen Resets stehen? Was passiert dann mit Geld, Schulden, Immobilien und Aktien? Und wie schützen Sie Ihr Vermögen am besten? Fragen und Anregungen bitte an brichtaundbell@ntv.de

Währungsreform von 1948 Das sind die wichtigsten Fragen zum „Reset-Szenario“ – n-tv, ab 31.7.2025

Zwangshypotheken, entwertete Konten, 90 Prozent Verlust beim Geldvermögen – die Währungsreform von 1948 zeigt, wie radikal ein Reset ablaufen kann. Dieses Szenario haben Raimund Brichta und Etienne Bell in der vorherigen Folge „Brichta und Bell – Wirtschaft einfach und schnell“ vorgestellt und selten so viel Feedback erhalten. In dieser Woche klären sie weitere wichtige Fragen: von den Auswirkungen auf Gold über Kryptos hin zu KI.

AKTIENEMPFEHLUNGEN – BUY & SELL

Aktuell (—): 
Aktien um 10 Euro je Stück sind FETT hervorgehoben.

Die erwarteten stolzen Kursgewinne sind dem Übermut der tollen Analystenzunft zu verdanken! Hirn selbst einschalten und kritisch bewerten. MERKE: Klappern gehört zum Geschäft. Es geht letztlich nicht so sehr um die Beratung der Anleger, sondern um die spekulativ selbst gehaltenen Aktien der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaften etc.), für die die Analysten tätig sind: wenn viele kaufen, steigen die Kurse, und 5% Plus sind zwar weniger als 15% oder 35%, aber besser als 5% Minus. Zudem lassen sich schnell noch eigentlich „schlechte“ Aktien im Portfolio des Hauses (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) verkaufen, für die der Analyst tätig ist, sofern die werten privaten Anleger den Kaufempfehlungen folgen. So schaut’s aus im Schneckenhaus! Nochmals: Hirn selbst einschalten. Die Finanzbranche lebt vom Trübe-Machen des Wassers!

NICHT ZULETZT: Verkaufsempfehlungen werden ungern gegeben, da sie auf das Portfolio der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) rückschließen lassen, zu denen die Analysten gehören. Verkaufsempfehlungen werden aus zwei Gründen gegeben: a) es ist tatsächlich Feuer am Dach des analysierten Unternehmens, b) das Haus möchte die Aktien des zum Verkauf empfohlenen Unternehmens billiger zurückkaufen, sofern den Verkaufsempfehlungen gefolgt wird. Letztlich agieren an der Börse die Optimisten, und die wollen positive Nachrichten hören, also werden sie von den Häusern und ihren Analysten entsprechend bedient.

UND ZU ALLERLETZT: die Analysten bespiegeln sich untereinander: wer hat was empfohlen oder nicht empfohlen, es kommt zu herdenpsychologischen Erscheinungen derart: der Leithammel hat empfohlen, also machen wir das auch. Die jeweiligen Analysen werden entsprechend (um)formuliert. Das zweite Moment: die Konkurrenz, die u.U. zu skurrilen Interpretationen des analysierten Unternehmens führt.

FAZIT: was die Analystenzunft von sich gibt, kann aufschlussreich sein, muss es aber nicht, vermittelt einen zusätzlichen Eindruck zu einzelnen Aktiengesellschaften. Wichtig ist der Blick auf zweierlei: a) entscheidend: auf die volkswirtschaftliche Situation des Landes, der Welt; b) sekundär (!) auf das Unternehmen und seine Branche: Charakter des Managements, klare, gut durchschaubare Produktpalette, Langlebigkeit des Unternehmens und seine Stetigkeit im Gebaren.

Renten- und Aktienmärkte

Man halte sich vor Augen: Aktienmärkte sind die Pfützen in der Welt der Veranlagungsmöglichkeiten. Anleihenmärkte (Rentenmärkte, Kapitalmärkte) sind die großen Ozeane ebendort. Daher sind Aktienmärkte volatil und reagieren auf den leisesten Windhauch mit u.U. kräftigen Ausschlägen. Die Seelen der Anleger sind sehr verletzlich: Angst und Gier bestimmen hier jegliches Handeln, die vernünftige Veranlagungsentscheidung steht an zweiter Stelle. Das verursacht in den kleinen Geldpfützen der Aktienmärkte hohe Wellen. Aber dort stehen nach erster Erschütterung später die rationalen Kaufs- und Verkaufsentscheidungen felsenfest – bis zur nächsten Seelenerschütterung.

Anleiheanleger sind cooler und gezügelter im Gemüt. Hier geht es eher um Langfristperspektiven. Alles dreht sich um den Zins und wie er sich weiterentwickelt. Wer an der Zinsschraube dreht, dreht am Schicksal ganzer Volkswirtschaften. Da ist das aufgeregte Gegackere an den Aktienmärkten geradezu uninteressant.

Aber kommen Anleihemärkte einmal ins Rutschen – nach oben oder nach unten – dann ist Feuer am Dach. Schon 0,5 oder gar 1 Prozent Veränderung in einem Anleihenindex sind eine „Weltbewegung“ im Milliarden- oder Billionengeldmeere der Anleiheozeane.

Dazu kommt: Die Anleiherenditen konkurrenzieren mit den Aktienrenditen. Eine hohe Anleiherendite jenseits der 3 Prozent wirkt umso „giftiger“ auf die Aktienkursentwicklungen, je höher sie ist. Liegt sie unter 3 Prozent, begünstigt sie die Aktienkäufe, Je deutlicher sie unter 3 Prozent liegt, umso eher. Das ist die Regel. Die Ausnahme – so, wie wir sie gerade sehen – bestätigt diese Regel. Früher oder später wird sie ihre dominante Stellung als Regel wieder einnehmen.

Diese Verhältnisse sind es, die im Tagesblick in der Regel die Berichte zu den Anleihemärkten wiedergeben lassen, dass aufgeregte Geflattere und Gegackere an den Aktienmärkten im Detail interessiert in der Regel nicht die Bohne.

Zur Renditebestimmung bei Anleihen: notiert die Anleihe zu 100 Prozent, dann stimmen Anleihezinssatz (der Couponzins) und Anleiherendite überein. Sinkt der Anleihekurs unter 100 Prozent, steigt die Rendite, umgekehrt gilt: steigt der Anleihekurs, so sinkt die Rendite. So einfach ist das. Und so weltbewegend in der Tat.

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Allgemeine Empfehlungen: Es geht vornehmlich um die Zukunft der Energiegewinnung und die Energielieferanten. Renner bleiben Telekommunikations-Unternehmen, deren Dienstleistungen in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft unabkömmlich sind. Unter den Logistik-Aktien sind in der Regel die Post-Aktien interessant. Diese Branchen sind weniger konjunkturabhängig als z.B. Konsumaktien, darunter die Post-Aktien noch am ehesten.

Hinzu kommt, dass die klassischen erdölverarbeitenden Energielieferanten (Up- und Downstream) mehr oder weniger energisch in großem Stil auf Alternativenergien umstellen. Es bleibt ihnen angesichts des Klimawandels, der öffentlichen Meinung und der in absehbarer Zeit erschöpften Welt-Erdölreserven auch nichts anderes übrig. Über das Kapital für den weltlebensnotwendigen Umbau verfügen sie dank ihrer Aktionäre. Es geht aus Sicht der Unternehmen um zukunftsträchtige Geschäftsmodelle in einer überschaubaren Branche – Energie – und aus Sicht der Aktionäre um steigende Unternehmenswerte / Aktienkurse als Inflationsschutz und sichere, möglichst stabil wachsende Dividenden, ebenfalls hinsichtlich des Inflationsschutzes.

Anti-Nachhaltigkeits-Bewegung in den USA als 180-Grad-Wendung in der Veranlagungsgebarung

Der aktuelle politische Druck in den USA zwingt eine Reihe großer Vermögensverwalter, darunter die weltgrößten wie Blackwater und Vanguard (verwaltetes Vermögen: 20 Billionen US-Dollar), nachhaltige Unternehmen potentiellen Anlegern nicht mehr zu empfehlen. Sie selbst verkaufen solche Unternehmen aus ihren Portfolios. Es gibt sogar seitens republikanisch regierter Bundesstaaten wie insbesondere Texas Kaufverbote für staatliche Pensions- u.a. Fonds.

Ausgestiegen sind bereits US-amerikanische Großbanken wie JP Morgan, Goldman Sachs, Wells Fargo, Bank of America, Citigroup (verwaltetes Vermögen: 9 Billionen). Ähnliches betrifft die Kreditvergabe. Offen bleibt, wie private und Unternehmensanleger (nicht-staatliche Fonds) künftig disponieren werden.

Unter den angebotenen Finanzanlagen kursieren seit geraumer Zeit besondere Nachhaltigkeitsprodukte in Form sog. ESG-Fonds (mehr dazu hier), die hohe Renditen versprachen und daher recht starken Zulauf hatten; die Renditen wurde seit Erhöhung der Kreditzinsen gebremst, da dadurch kreditfinanzierte Nachhaltigkeitsprojekte (Windparks, Solaranlagen etc.) weniger rentabel wurden.

In der Europäischen Union will man sich weiter an entsprechende Nachhaltigkeitsauflagen festhalten. Bislang wurden in europäische ESG-Fonds 9 Billionen Euro investiert, was 61 Prozent des gesamten Fondmarktvolumens entspricht. Der Zufluss hat sich 2024 allerdings um die Hälfte auf 37 Milliarden Euro reduziert. Zudem wurden mehr ESG-Fonds geschlossen als eröffnet. Nicht nur die hohen Zinsen, die die ESG-Fonds-Renditen beeinträchtigten, führten dazu, sondern auch „grüne Schönfärberei“: es stellte sich da und dort heraus, dass die versprochene Nachhaltigkeit mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit bestand. (Quelle: Wirtschaft vor Acht, ARD, 10.1.2025 (KURZVIDEO, bis 17.1.2025 verfügbar))

FAZIT: Es bleibt abzuwarten, was das für den Klimaschutz in den USA und weltweit künftig bedeutet. Für Österreich stellt sich die Frage, wie eine künftige Regierung sich in Sachen Klimaschutz verhalten wird.

Aktienkauf – der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung – bedeutet Übernahme eines Risikos in Hinblick auf das künftige Unternehmensschicksal. Die Dividende stellt eine Risikoprämie dar.

Aktienanalytischer Blick auf Aktien im Euroraum und speziell Österreich (Stand: 24.2.2025):

ACHTUNG – STEUERVERÄNDERUNGEN ANTE PORTAS:
Ins Gerede kommen in absehbarer Zeit auf EU-Ebene und auf Österreich-Ebene vermutlich Aktienbesteuerung (Verkaufsgewinne, Dividenden) ebenso wie Vermögens- und Erbschaftssteuer. Diese Steuern sind in Veranlagungsüberlegungen mit einzubeziehen.

Im Folgenden sind Aktien um 10 Euro je Stück und darunter FETT hervorgehoben.
Neu aufgenommene Aktien werden mit ### gekennzeichnet.

Beobachtenswert ist der Umweltschutz- und Wasserwirtschaftswert Veolia

Ein Kaufsignal liefern weiterhin ENI, UNICREDIT und TOTAL ENERGIES, im Vergleich zum 3.2.2025 stabile Bewertung mit jeweils fünf Sternen bewertet.

Ein Kaufsignal liefern ENEL, PORR, SHELL, VERBUND, ### VIENNA INSURANCE GROUP mit jeweils vier Sternen bewertet.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung mit jeweils vier Sternen bewertet.

Ein niedriges KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zeichnet aus:
RWE, TOTAL ENERGIES, ### UNICREDIT SPA, PORR, OMV, ### UNIQA, EVN, ENEL, TELECOM AUSTRIA, ### STRABAG, WIENERBERGER, SHELL, PALFINGER.

Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktie RWE ist die mit dem niedrigsten KGV = 4,8, PALFINGER die mit dem höchsten KGV = 9,3.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung.

Ein niedriges dynamisches KGV (PEG, Price-Earning-to-Growth) weisen u.a. auf:

ENI, UNICREDIT, ### KONTRON AG, OMV, SHELL, PORR, WIENERBERGER, PALFINGER,

Nicht mehr dazu gehören: VIENNA INSURANCE GROUP, TELECOM AUSTRIA.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktien ENI = 0,5 ist die mit dem niedrigsten, PALFINGER die mit dem höchsten PEG = 1,4.
Im Vergleich zum 3.2. 2025 ist die Auswahl verändert, einzelne Aktien kamen dazu, andere fehlen nun!

Als Aktien mit langfristigem Kurspotential werden u.a. gesehen:
TOTAL ENERGIES, ENI, VERBUND, E.ON.SE, EVN, RWE.

Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene mit der größten Langfristchance.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl stabil, die Reihenfolge hat sich geändert.

Als Aktien mit hoher Sicherheit werden u.a. bewertet VIENNA INSURANCE GROUP, VERBUND; die Bewertungen bleiben unverändert zum 3.2.2025.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene Aktie mit der größten Sicherheit.

Aktien mit hoher Dividendenrendite sind:
OMV, ORANGE, TELEFONICA, ENI, UNIQA, ENEL.


Aktien mit der größten Dividendenrendite stehen am Anfang der Reihe: OMV 12,6%, am Ende die mit der niedrigsten: Enel 6,7%, jeweils vor Steuer.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl gleich, die Reihenfolge hat sich geändert.

KAUFKRITERIEN neben den aktienanalytischen Kennzeichnungen sind der Reihe nach: WER? – Qualität und Charakter (Psychologie!) des Managements, Häufigkeit des Managementwechsels, Unternehmenskultur; WAS? – Produkteinfachheit: „einfach gestrickte“, leicht zu durchschauende/transparente Produkte oder Dienstleistungen, eher kleine Produktpalette bzw. enger umschriebenes Dienstleistungsangebot, Konstanz der Nachfrage; WIE? – Sicherheit, Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Wechselfällen, finanzielle Stabilität des Unternehmens, Konkurrenzsituation; WO? – geographische und „politische“ Lage möglichst fern von Krisengebieten inkl. solchen mit politischer Unruhe oder in Ländern mit totalitären Systemen oder deutlich defekten Demokratien (illiberale Demokratien); WANN? – Lebensdauer bzw. Überlebensdauer (Weltkriege etc.) des Unternehmens bisher, Stetigkeit der Dividendenzahlungen.

FAZIT: vor dem Kauf einer Unternehmensbeteiligung sich zur Aktiengesellschaft schlau machen: WER, WAS, WIE, WO, WANN.

ZWEI DINGE sind zusätzlich zu beachten:

# Langfristanlage durch Erwerb von Defensiv-Aktien (u.a. Energie, Telekom),

# Verbleib in einem Währungsraum, das ist der Euroraum. Daher werden die allseits seit Jahren gehypten US-Aktien hier mit Absicht außen vor gelassen, um das Währungsrisiko klein zu halten. Gleiches gilt für den Erwerb von Schweizer Aktien, wie die Vergangenheit mit Blick auf das sehr wechselhafte Wechselkursverhältnis Schweizer Franken / Euro gezeigt hat. 

Die Europäischen Union als Veranlagungsrisiko?

Das Staatssystem der Europäischen Union kommt einer defekten Demokratie gleich und erstreckt sich in den Währungsraum (Euroland), in dem gehandelt wird. Man spricht auch von einem Demokratie-Defizit der Europäischen Union. Risiken dieser defekten Demokratie, um einige zu nennen, sind: Regelungen „von oben herab“ auf nicht sehr transparente Weise und Steuervorgaben, die sich durch Negieren realer Alltagserfordernisse auszeichnen, Überwachungsbestrebungen, hoher Bürokratieaufwand für Unternehmen und Bürger. All dies markiert Abgehobenheit und Bürgerferne der EU-Politik.

Kennzeichnend für das Gebaren (Governance) der EU ist ein Ineinandergreifen von EU-Exekutive (Kommission mit ihren Kommissariaten) und einem nicht gut überschaubaren Geflecht zahlreicher, der EU nahestehenden und von ihr geförderten Institutionen, Organisationen und Einrichtungen, die auf vielen Ebenen EU-Kommissionsvorgaben umsetzen helfen. Sie helfen insbesondere dabei, die von EU-Rat- und EU-Kommission angedachten, aber für Bürger und Unternehmen noch nicht „akzeptablen“ Vorgaben „schmackhaft“ zu machen, um so zu einer ausreichend hohen Akzeptanz in der Bevölkerung zu führen, die eine politische Umsetzung ermöglicht.

Junker sagte 1999 dazu sehr verkürzt und sinngemäß: was wir heute als EU nicht durchsetzen, das werden wir dann schon später durchsetzen. Dem Lobbyismus Richtung EU-Exekutive (insbesondere seitens der Unternehmen) steht ein „Lobbyismus“ seitens der EU in Richtung auf die Einrichtungen der Mitgliedsländer sowie auf die Unternehmen und die Bevölkerung gegenüber, dessen Räderwerk für den Normalbürger praktisch nicht durchschaubar ist. Inwieweit kommt dies einem autokratischen Verhalten von der Maschek-Seite gleich?

Hauptziel der EU-Bestrebungen ist die Etablierung der Vereinigten Staaten von Europa, die den derzeit bestehenden Verbund der Mitgliedsstaaten ersetzen soll. Das deutet auch der Wechsel der Namensgebungen im Zeitverlauf an:

# Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, umgangssprachlich auch Montanunion, 1951)

# Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957 inklusive EURATOM)

# Europäische Gemeinschaften (EG, 1965 ff., Fusion von EWG, EURATOM und einzelnen EG-Organen, Fusions- und Folgeverträge)

# Europäische Gemeinschaft (EG, seit 1993 ff., Maastricht- und Folgeverträge)

# Europäische Union (EU, 2007, Lissabon- und Folgeverträge)

1948
1948
Brüsseler
Pakt
1951
1952
Paris
1954
1955
Pariser
Verträge
1957
1958
Rom
1965
1967
Fusions-
vertrag
1986
1987
Einheitliche
Europäische Akte
1992
1993
Maastricht
1997
1999
Amsterdam
2001
2003
Nizza
2007
2009
Lissabon
Europäische GemeinschaftenDrei Säulen der Europäischen Union
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom)
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)Vertrag 2002 ausgelaufenEuropäische Union (EU)
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)Europäische Gemeinschaft (EG)
Justiz und Inneres (JI)
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ)Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Westunion (WU)Westeuropäische Union (WEU)
aufgelöst zum 1. Juli 2011

Problematisch bleibt dabei: je größer die Zentralisation von Staatsmacht, umso größer die Machtfülle, die mit „eiserner Harke“ über berechtigte (!) Einzelinteressen der Mitgliedsstaaten und damit der Bürger drüberfährt. Das Prinzip der Subsidiarität bleibt dabei auf der Strecke, so wie dieses Prinzip z.B. Österreich 1994 anlässlich der Vorabstimmungskampagnen versprochen wurde. Wurde das Versprechen eingelöst?

Beispiele der Machtfülle durch Zentralisierung liefern alle großen Staaten, u.a. Russland und China, die geradezu Musterbeispiele dafür darstellen.

Ein Problem des Staates an sich ist das Machtmonopol, das bei ihm liegt und liegen muss, will er Gesellschaft – das Staatsvolk – und die Abläufe darin mit Erfolg, also: durchsetzungskräftig organisieren. Das Problem ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen unbeschränkter Freiheit des Individuums (Libertarismus) und unbeschränkter Freiheit des Staates (Totalitarismus).

Wie dieses Machtmonopol ausgestaltet wird, unterliegt in Demokratien dem Willen des Wahlvolkes, in nicht-demokratischen Staaten dem Willen des autoritären, totalitären oder autokratischen Machthabers. In defekten Demokratien ist die Mitbestimmung des Volkes eingeschränkt. Defekte Demokratien existieren in einer Grauzone, deren Konstituenten und ihre gegenseitige Einflussnahme nicht leicht zu bestimmen sind. Somit ist auch der Defektheitsgrad einer defekten Demokratie nicht leicht zu bestimmen und unterliegt, je nach politischer resp. ideologischer Perspektive, unterschiedlichen Wertungen.

Die idealtypische Dreiteilung der Regierungsformen existiert in der Wirklichkeit nicht: keine Demokratie der Welt entspricht der idealen Form, weist also im Ansatz Eigenschaften einer defekten Demokratie auf, kein totalitärer Staat schränkt die individuellen Freiheiten vollständig ein, es verbleibt den Bürgern dort ein mehr oder weniger großer Freiheitsraum.

Hinsichtlich des staatlichen Machtmonopols, das zudem bei anwachsender  Zentralisation der Staatsgewalt zur Zunahme neigt, ergibt sich die Erkenntnis: so wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig als einer Einrichtung, die mit einem mit Rechtsgewalt in das Leben seiner Bürger eingreifenden Machtmonopol versehen ist, das für das „Funktionieren“ einer Gesellschaft unaufgebbar ist.

Die dafür notwendigen rechtlichen Verregelungen des Alltagslebens durch Allgemeines Gesetzbuch, Strafgesetzbuch, Angestelltengesetz etc.etc. sind zahllos und gelten bei ausnahmslos jeder Handlung, werden aber – ebenso regelhaft – dem Bürger erst dann bewusst, wenn es zu schwerwiegenden Regelverstößen oder Regelbruch-Sanktionierungen kommt. 

Rechtliche Verregelungen sind Ausdruck der jeweiligen Ausprägungen eines Rechtsstaates; dieser wird in einer idealen Demokratie nicht durch Willküreinwirkungen korrumpiert: das ist ein wesentliches Kennzeichen demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Auf Rechtsstaatlichkeit pflegen sich auch autoritäre, totalitäre oder autokratische, kurz: diktatorische Systeme zu berufen, doch wird der Rechtsstaat dort durch Willküreingriffe korrumpiert: Rechtsbiegung als Kennzeichen von Autokratien etc. In einer defekten Demokratie wird die Rechtsstaatlichkeit (leicht) eingeschränkt, womit das Risiko entsteht, in eine Autokratie abzugleiten.

Nur in formalrechtlicher Hinsicht war zum Beispiel auch der NS-Staat ein Rechtsstaat, besaß er doch gemäß der NS-Grundsätze umgearbeitete Gesetze aus der Weimarer Republik und neue Gesetze im Sinne der NS-Ideologie, auf die er sich in der Rechtsprechung berief und von denen viele in einem „normalen“, d.h. hier NS-konformen Rechtssetzungsprozess entwickelt wurden. Daran ändert nichts die Gepflogenheit, den NS-Staat in inhaltlich-ethischer Hinsicht als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Ein krasses Beispiel für einen NS-Rechtserlass im autokratischen Sinn ist unter diesem Link einsehbar.

Kennzeichnend für die Biegsamkeit des Rechts je nach Staatsraison ist die Tatsache, dass Juristen nach einem Regimewechsel ihre Posten in der Regel nicht verloren, sondern im neuen Regime weiter im Dienst des Rechts ihre berufliche Tätigkeit frei oder im öffentlichen Dienst ausübten. So wurden Juristen und Richter nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes ohne weiteres in den öffentlichen Dienst der entstehenden Bundesrepublik Deutschland übernommen. Vergleichbares geschah nach dem Fall der UdSSR oder DDR.

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Demokratie das Herstellen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einerseits den rechtsstaatlich gesicherten Freiheitsbedürfnissen des Individuums unter für ihn zureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten und andererseits den „Freiheitsbestrebungen“, somit Machtbestrebungen des Staates, mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Gemeinwohl resp. Sozialfrieden in Freiheit herzustellen. Als Garant dafür dient die Gewaltenteilung und ein entsprechend stark regulierter und damit gewaltgebändigter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie als vierte Gewalt die Sicherstellung einer freien Presse. MOTTO: Nimm Freiheitsbeschränkungen mit Blick auf das Gemeinwohl aus Überzeugung an, wir helfen dir dabei durch politische Aufklärung und sachliche Bildungsarbeit!

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Autokratie, im Autoritarismus und vor allem im Totalitarismus Ausgesetztheit vor rechtsbeugenden willkürlichen Staatseingriffen auf die ohnehin reduzierten Freiheitsmöglichkeiten des Individuums unter nicht selten unzureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten zu Gunsten der Machtbestrebungen des Staates mit dem Ziel, ein Höchstmaß an „Gemeinwohl“ resp. „sozialem Frieden“ in Unfreiheit zu erzwingen. Als Garant dafür dient die Einschränkung, womöglich Aufhebung der Gewaltenteilung sowie ein entsprechend stark ausgeprägter und mit gering regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine allgegenwärtige Brachial-Propaganda unter Ausschaltung der Pressefreiheit. MOTTO: Kusch, sonst trifft dich der Polizeiknüppel und du landest im Gulag, folgst du nicht den Propaganda-vermittelten Staatszielen!

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit in einer defekten Demokratie gibt in (noch) geringem Ausmaß jene Prinzipien auf, die eine Demokratie hervorheben. Als Garant dafür dient eine Einschränkung der Gewaltenteilung und ein nicht allzu gestärkter und nicht allzu sehr mit herabgesetzter regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine verhältnismäßig subtil eingesetzte Propaganda und Beeinflussungsmaschinerie. MOTTO: Folge der politischen Verführung und glaube, es sei deine Entscheidung, sonst zwiebeln wir dich mit Exekutivmaßnahmen!

Eine solche Beeinflussungsmaschinerie hat die exekutiv im Grunde genommen schwach aufgestellte EU entwickelt, was zu eben der Ausbildung dieser „Schattenexekutive“ geführt hat. Sie trägt damit – nicht so ohne weiteres sichtbar für den Normalbürger – ein Kennzeichen einer defekten Demokratie. Damit steht die Gefahr im Raum, weiter an demokratischen Eigenschaften einzubüßen und zu einem politischen und wirtschaftlichen Risiko heranzureifen. In der Tat bemüht sich die EU um Stärkung ihrer Polizeigewalt (Frontex, 2004, weiterer Ausbau) und damit um Ausbildung eines weiteren Kennzeichens defekter Demokratien insofern der Vorwurf stimmte, dass Frontex auch innerhalb der EU eingesetzt werden könnte.

Was die Beeinflussungsmaschinerie der EU betrifft, hat 2011 der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (1929-2022) die Europäische Union als “sanftes Monster Brüssel“ bezeichnet und von der „Entmündigung Europas“ gesprochen. Er anerkennt segensreiche Folgen ihres Wirkens, macht aber zugleich auf die strukturellen Defizite dieser überstaatlichen Einrichtung aufmerksam, die durch massive Öffentlichkeitsarbeit, um nicht zu sagen: Propaganda – geschickt durch das vorbeschriebene Geflecht an Organisationen, Instituten, Einrichtungen etc. vermittelt –, übertüncht werden. Bezeichnend ist sein Ausspruch: „Je dünner die Legitimität [ihres politischen Handelns], umso dicker der Glibber der PR.“

Die geschilderte Gefahr liegt nicht darin, sich im Euro-Währungsraum zu bewegen. Sie liegt darin, dass infolge mangelnder demokratischer Kontrolle politisch einer Gesinnungsethik und nicht einer Verantwortungsethik gefolgt wird. Damit einher ginge eine Abgehobenheit von den Realitäten des täglichen Lebens der Bürger und Unternehmen. Das führte kurz über lang zu einer Schwächung des Euros im Währungskonzert. Ein Risiko erwüchse dann eher daraus, dass es nicht sicher ist, ob der Währungsraum „Euro“ eines Tages zerbricht, zum Beispiel dadurch, dass im Konzert mit anderen Währungen die derzeit ohnehin angekratzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union noch weiter geschwächt würde und der Euro fortgesetzt an Wert verlöre. Letzteres erleichterte das Auseinanderbrechen der Europäischen Union, die Eigeninteressen der Mitgliedsländer träten wieder stärker hervor.

Dieses Auseinanderbrechen der Europäischen Union ist derzeit unwahrscheinlich, aber denkmöglich als Folge von: fortgesetzter Wirtschaftsschwäche; weiter zunehmender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Zunahme nationalkonservativer bis rechtsextremer Haltungen; fortgesetztem „Rütteln an den Ketten“ seitens ehemaliger UdSSR-Bruderstaaten; fortgesetzter Aufnahme neuer Mitgliedsländer speziell aus dem Balkan und dem ehemaligem UdSSR-Einflussbereich (Serbien, Ukraine); gravierenden, von den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten nicht mitgetragenen außen- und innenpolitischen Entscheidungen. 

Bräche die EU, so bräche spätestens dann auch der Euro; im Übrigen weist die Geschichte der Währungsunionen auf deren Brüchigkeit hin: sie halten in der Regel nicht lange. Den Anleger zwingt unter anderem auch dies beizeiten zu überlegen, in welcher Währung er außerhalb des Euroraumes investieren soll. Angesichts des unsicheren Status des US-Dollars als Weltwährung ist dies eine herausfordernde Frage. Sie stellt sich glücklicherweise derzeit nicht, sondern taucht nur schemenhaft als Denkmöglichkeit am Horizont einer eher ferneren Zukunft auf. Aber: sie taucht auf und kann blitzesschnell elefantengroß im Raum stehen.  

FAZIT: die Europäische Union birgt für den Anleger derzeit nur am Zukunftshorizont sich abzeichnende Risiken. Sie entspringen u.a. daraus, dass die EU weniger aus der Position der Stärke als eher aus der der Schwäche handelt. Im Vergleich zur Situation des Kalten Krieges und damit zur Gründerzeit der EU-Vorläufereinrichtungen, in der es nur einen wirtschaftsmächtigen geopolitischen Spieler und gleichzeitigen Verbündeten – die USA – gab, steht die Europäische Union heute zwischen zwei Wirtschaftsblöcken: dem des USA-geführten Westens und dem des sog. globalen Südens. Das erzeugt Druck, allzumal Zeitdruck, treibt die EU an und lässt sie, will sie nicht aufgerieben werden, nach Machtvergrößerung durch Zentralisierung streben – ein Demokratierisiko ersten Ranges, damit in der weiteren Folge ein Wirtschafts- und letztlich Veranlagungsrisiko. 

Grundsätzliches zur Währungsspekulation

Währungs-Spekulation ist ein äußerst schwieriges, glitschiges, hochriskantes Geschäft, bedarf langjähriger Erfahrung, tagtäglicher Marktbeobachtung und eines guten Magens: Schocks und erratische Marktbewegungen müssen ausgehalten werden – psychisch und finanziell. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Währungsspekulanten im deutschsprachigen Raum ist Folker Hellmeyer (Hellmeyer-Website, Hellmeyer-Kurzportrait (Goldseiten), Hellmeyer auf Netfonds usf.).

Zweck der Währungsspekulation?

Wie bei den Warenoptionsmärkten dient auch der Währungsoptionsmarkt dazu, sehr starke Schwankungen im Wert einer Währung (Devise) zu verhindern: sehr starken Verteuerungen oder Verbilligungen einer Währung im Devisenmarkt (Währungs- oder FOREX-Markt) wird so gegengesteuert. Dafür sorgen die vielen Marktteilnehmer, von denen ein Teil den künftigen Wert einer Währung (Devise) höher, der andere diesen Wert tiefer einschätzt. Dies führt dazu, dass sich eine Art mittlerer Wert für diese Währung einstellt. Währungsoptionsmärkte sind rund um den Globus nahezu 24/7, also nahezu täglich rund um die Uhr, offen (Warenoptionsmarkt, Optionen im Freihandel).

Anders ausgedrückt: Die Spekulanten sichern sich mit ihrem Engagement gegen das Risiko eines Währungsverfalls oder eines Währungsanstiegs ab. Währungsanstiege sind ein Risiko für Käufer auf Warenmärkten, Währungsabwertungen sind ein Risiko für Verkäufer auf Warenmärkten. Gleiches gilt selbstverständlich auch für Dienstleistungen im internationalen Dienstleistungsaustausch. Die gegenläufigen Interessen auf dem Währungsoptionsmarkt „mitteln“ sich aus.

Allgemein gesprochen handelt es sich bei den Geschäften auf Optionsmärkten um Absicherungsgeschäfte oder Hedging.

Nochmals anders ausgedrückt: Auf aggregiertem Niveau (Makroebene) sorgt der Währungsoptionsmarkt für die Stabilität einer bestimmten Währung im Konzert der anderen Währungen im Devisen- resp. Währungsmarkt (Kassa- oder Spot-Markt, das Pendant zum Optionsmarkt).

Eine stabile Währung ist für die Volkswirtschaft, in deren Bereich diese Währung als Zahlungsmittel dient, eine Lebensnotwendigkeit für das optimale Funktionieren der volkswirtschaftlichen Grundvorgänge Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Erratische Schwankungen im Währungs- oder Devisenmarkt erschweren auf der Ebene der Unternehmen (Mikroebene) innerhalb und außerhalb einer Volkswirtschaft erheblich Kalkulationen mit Sicht auf künftig geplante Käufe und Verkäufe. Erratische Schwankungen einer Währung schwächen die Wirtschaftsleistung der zugehörigen Volkswirtschaft, eine stabile Währung fördert sie. Dies gilt auch für Volkswirtschaften außerhalb des entsprechenden Währungsraumes, sofern sie mit dieser Volkswirtschaft handelnd in Verbindung stehen.

FAZIT: Währungsoptionsmärkte sind für das Wirtschaftsgeschehen im Konzert der verschiedenen Volkswirtschaften überlebenswichtig.

Die heilige Trias

Diese Zusammenhänge bleiben in der Regel für Otto Normalverbraucher genauso verborgen wie die Bedeutung der nicht-demokratisch agierenden Zentralbanken, die mit ihren Zinsentscheidungen tief in das Wirtschaftsleben und somit in das Alltagsgeschehen der Menschen eingreifen. Warenmärkte, Währungsmärkte und Zentralbanken sind in einem fortlaufenden Marktgeschehen untrennbar und maßgeblich untereinander verbunden. Dabei modulieren und moderieren die Zentralbanken über den Zinssatz die Abläufe in Waren- und Währungsmärkten und den zugehörigen Optionsmärkten.

Für Otto Normalverbraucher sind Spekulanten auf diesen Märkten in aller Regel ganz, ganz böse Subjekte, die sich mit ihren Spekulationsgewinnen die Taschen vollstopfen.

Wer sind diese Subjekte auf Währungsoptionsmärkten?

Auf Währungs- und Währungsoptionsmärkten agieren in großer Zahl Staatsstellen, staatliche und private Pensionsfonds, multinationale und andere Unternehmen, Finanzinstitute (Banken u.a.), Hedgefonds u.a.

Otto Normalverbraucher verkennt in aller Regel den Sinn dieser Märkte und die Rolle der Spekulanten dort; denn:

Die Währungsoptionsmärkte zeichnen für das Wohl und Wehe im höchstpersönlichen Alltagsleben des kleinen Mannes auf der Straße verantwortlich, indem sie für relative Währungsstabilität sorgen. Doch Märkte sind keine Subjekte. Somit sind präzise gesprochen nicht „die Märkte“, sondern die Teilnehmer an Währungsoptionsmärkten – also die risikoübernehmenden Spekulanten – für das Wohl und Wehe von Otto Normalverbrauchers alltäglichem Leben verantwortlich.

Daher lässt sich interpretieren: In der Erhaltung der Währungsstabilität liegt der soziale Sinn der Spekulation. Dabei dient der Spekulationsgewinn als Entgelt für die risikobehaftete Sorge um eine stabile Währung.

Es kommt zu einem „paradoxen“ Effekt: die Befriedung der Einzelinteressen der Subjekte, den Spekulanten, trägt vermittels des Marktgeschehens zur Optimierung des Gemeinwohls bei.

Die Umsätze in Devisen- und Währungsoptionsmärkten sind die größten weltweit und erreichen täglich Milliarden bis Billionen von Währungseinheiten. Im Jahr 2022 wurden allein im Devisenmarkt täglich durchschnittliche Umsätze in Höhe von 7,5 Billionen US-Dollar gehandelt. Zu beachten ist, dass dabei immer Währungspaare gehandelt werden und zudem die Umsätze „doppelt“ anfallen: als Verkaufs- und als Kaufpreis in Summe. Das plustert das tägliche Handelsvolumen ordentlich auf.

Was für die Währungsoptionsmärkte gilt, gilt ebenso für die Warenoptionsmärkte: es geht um die Stabilisierung von in großen Mengen gehandelten Waren wie Weizen, Schweinehälften Orangensaft, Kaffee und vieles andere mehr. Die aufgezählten Waren stehen für solche, die für die Bevölkerungen hohe Bedeutung haben.

Wozu Optionsmärkte gut sind

Aber es gibt doch nach wie vor Preissprünge auf den Warenmärkten, von erratischen Ausschlägen an den Devisenmärkten war auch schon die Rede: wie passt das ins Bild?

Ohne die Terminbörsen wären die Ausschläge um einiges stärker, die Preise höher.

Drei Beispiele dazu:

#1 Hitler verbot die große Bremer Kaffeebörse. Daraufhin sicherte sich der Großhandel gegen Preisanstiege bei Kaffee ab, indem er von Haus aus deutlich höhere Preise für den Handel, die Geschäfte, einforderte. Resultat war der berühmt-berüchtigte Blümchenkaffee: die Konsumenten sparten am Kaffee, indem sie möglichst wenig davon zum Aufbrühen verwandten, also sah man durch den dünnen Kaffee das Blümchen am Grund der Kaffeetasse.

# 2 Waren, die nicht abgesichert werden können, weisen größere Preissprünge und höhere Preise auf; bremsend auf den Warenpreis (Aktienpreis, Devisenkurs) wirkt allein die Konkurrenz oder eine schwache Nachfrage oder ein überreichliches Angebot.

# 3 Die erste Warenoptionsbörse wurde 1848 in Chicago gegründet. Hintergrund war der bereits gewachsene Welthandel mit Waren, die großteils noch mit Segelschiffen über die Weltmeere transportiert wurden. Zwar befuhren die ersten Dampfschiffe Ende der 1830er Jahre den Atlantik, doch die eigentliche Verdrängung des Segelschiffs als Transportmittel setzte erst ab den 1870er Jahren ein.

Die Notwendigkeit, sich gegen den Verlust der Waren infolge Schiffuntergangs zu schützen oder sich überhaupt vor unerwarteten Preisveränderungen während der langen Schiffsfuhren abzusichern, führte zur Einrichtung der Chicagoer Warenbörse (Chicago Board of Trade), 1848 zunächst als Kassen- oder Spotmarkt, 1864 dann als Warenterminmarkt. Fortan konnten Käufer und Verkäufer Warenpreise vereinbaren für Warenlieferungen in ein, zwei, drei, sechs Monaten, was die Sicherheit der unternehmerischen Kalkulation erheblich erhöhte, da nun die Preisrisiken nicht von den Warenverkäufern und -käufern selbst, sondern von den Spekulanten übernommen wurden. Es entstand eine hochspezialisierte Zunft von Spekulanten, darunter viele Versicherungen.

Die Spekulanten hatten die Zeit und die Informationsmittel, sich über Warenpreisänderungen am Warenursprungsort und über Transportverzögerungen oder Schiffsunfälle zu informieren. Schlechte Kaffee- oder Kakao-Ernten, transportverzögernde Windflauten oder Schiffsunglücke blieben für sie kein Geheimnis, entsprechend diesen Informationen disponierten sie am Warenterminmarkt ihre Preisvorstellungen, doch in der Vergangenheit geschlossene Warenpreise für eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Termin blieben davon unberührt.