Tagesblick – 5.8.2025 Dienstag

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FAZIT DES TAGES – oder: Nachrichten aus dem irrwitzigen Weltzirkus

  • Israel-Hamas-Hisbollah-Krieg: Netanjahu nach Geisel-Videos: die „Würfel sind gefallen“, daher Gaza-Streifen ganz einnehmen. – KOMMENTAR
    Stimmenstarke Proteste von Journalisten und ehemaligen Sicherheitsmitarbeitern Israels warnen.
    Israel fängt Rakete aus dem Jemen ab.
    UN: Hilfslieferungen noch immer ungenügend.
    UN: Sicherheitsrat wird wegen Geiseln einberufen.
    Putin bietet Israel Hilfe bei der Lösung des Iran-Atomproblems an.
    Übergriffe israelischer Siedler auf Araber im Westjordanland – REPORTAGE
  • Ukraine-Krieg: Weiter eskalative Tendenzen, warnenden Kommentatoren dazu.
    Ziemlich viele kräftige ukrainische Nadelstiche.
    Indien kontert Trump im Öl-Kauf-Streit.
    Aufrüstung im Westen und im Osten (wann folgen die militärischen Aktionen?)
    Deutschland überstellt Kampfflugzeuge nach Polen (hier ist schon wieder eine Vorhut dieser militärischen Taten)
    Russland rüstet auf – ANALYSE
    Russlands verklausulierte Mahnungen an den Westen – KOMMENTAR
    Europa: ein Kriegsmacht gegenüber Russland? – KOMMENTAR
  • INTERNATIONAL: Wieder einmal; Konferenz zum Kampf gegen den Plastikmüll – droht ein Scheitern?
  • IRAN: Wer und was kommt nach Khameini? – ANALYSE
  • EUROPA: Cooking.com erpresst Hotels – INTERVIEW
    Flüchtlingskrise – und nichts daraus gelernt, meint die UNHCR.
    EU und die geldgierigen Mitgliedsländer – ein Problem. – KOMMENTAR
  • POLEN: wirtschaftlich stark, aber politisch fragil, auch in Bezug auf die EU. – KOMMENTAR
  • ÖSTERREICH: Die Läuse fressen die Erbsen auf.
  • Weitere COMMENTS vorhanden

MÄRKTE – Zinshoffnungen in den USA. Längerfristig kommt man als Anleger um Aktien und Gold nicht herum. Jens Ehrhard: Gold und Aktien glänzen künftig weiter dank Zentralbanken. US-Dollar wird langsam schwach – aber erst in rund dreißig Jahren.

SENTIX – Rückfall in miesere Konjunktur-Beurteilungen global, für die USA, Europa und Deutschland.

REPORT -Aufkeimende Zinssenkungsphantasien in den USA.

WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK – Schwächelnde US-Wirtschaft: weniger Aufträge wegen Flugzeugbau nach starkem Anstieg im Vormonat Deutschland: Rückgang der Aufträge im Maschinenbau.

THEMENREIGEN – GESUNDHEITSYSTEM: Ab mit den Daten in die Elektronische lebenslange Gesundheitsakte (ELGA). KI: Internetportale für Reisen vor KI-Revolution?

Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!

Apropos Weltzirkus: Zirkus ist was für Kinder und Junggebliebene, Staunen und Lachen über die Clowns! Im Weltzirkus tummeln sich viele Zauberkünstler und Clowns. Lachen wir also, Lachen ist die beste Medizin gegen Depressionen. 

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MÄRKTE

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

COMMENT: Nicht sehr ausgeprägter Rebound nach Freitags-Schwäche. DAX bleibt in Unterstützungszone hängen und kann sich nicht über 24.000Punkte erheben. Ein Schwächezeichen für die nächsten Tage?

06:21EUREX/DAX-Future im frühen Handel behauptet238Dow Jones News
06:21EUREX/Bund-Future im Frühhandel etwas niedriger166Dow Jones News
MoNACHBÖRSE/XDAX +0,2% auf 23.813 Pkt – Gerresheimer legen deutlich zu1.588Dow Jones News
MoMÄRKTE USA/Hoffnung auf Zinssenkung beflügelt Wall Street1.545Dow Jones News
MoROUNDUP/Aktien New York Schluss: Freitagsverlust abgehakt – Zinssenkungshoffnung899dpa-AFX
MoMÄRKTE EUROPA/Börsen auf Erholungskurs – Zürich kräftig erholt489Dow Jones News
MoXETRA-SCHLUSS/DAX kräftig erholt – Banken-Werte gesucht391Dow Jones News
MoROUNDUP/Aktien Europa Schluss: Auf Erholungskurs – SMI steckt Zollschock weg421dpa-AFX
MoAktien Schweiz mit leichtenm Minus nach verhängten US-Zöllen – Deutlich erholt352Dow Jones News
MoAktien Wien Schluss: ATX legt deutlich zu359dpa-AFX
MoAktien Europa Schluss: Erholung nach Rückschlag – SMI steckt Zollschock weg305dpa-AFX
MoDax zeigt sich stark – Bankentitel begehrt371dts Nachrichtenagentur
MoUS-Anleihen: Kaum verändert264dpa-AFX
MoAktien Frankfurt Schluss: Gewinne nach Kursrutsch am Freitag280dpa-AFX
MoDeutsche Anleihen: Kursgewinne – Spekulationen auf US-Zinssenkungen540dpa-AFX

INTERVIEW – Der Vermögensverwalter Jens Ehrhardt rät langfristig zu Aktien und Gold: «Die Notenbanken dürften weiter eine sehr expansive Geldpolitik betreiben» – Michael Ferber, NZZ, 19.07.2025

Die US-Zölle und der Ukraine-Krieg machen das Finanzmarkt-Urgestein Jens Ehrhardt an der Börse momentan vorsichtiger. Um das Vermögen zu sichern, brauche es aber Aktien und Edelmetalle. An einer längeren Dollar-Baisse zweifelt er.

Herr Ehrhardt, der amerikanische Präsident Donald Trump kündigt ständig neue Zölle an, und die geopolitische Lage ist mit den Kriegen im Nahen Osten und in der Ukraine weiterhin sehr schwierig. Gleichzeitig erklimmt die Börse aber ständig Rekordhöhen. Ist das nicht verwunderlich?

Ja, absolut. US-Aktien sind von ihren Bewertungen her auf einem Rekordhoch. Wenn es in den USA Null- oder Negativzinsen gäbe, liesse sich dies damit erklären – doch der Leitzins steht bei 4,25 bis 4,5 Prozent. Relativ gesehen sind die derzeitigen Börsenkurse dafür eher zu hoch.

Sie sind momentan also vorsichtig mit Aktienanlagen?

Ja, ich bin etwas vorsichtiger geworden. Ich glaube zwar nicht, dass es eine richtige Baisse am Aktienmarkt geben wird. Aber Stimmungsindikatoren wie der «Fear and Greed Index» weisen auf erhebliche Gier bei den Anlegern hin. Das heisst nicht, dass man sofort aus Aktien rausgehen sollte. Die Indikatoren zeigen aber an, dass die Kurse beim derzeitigen Stand wenig Potenzial nach oben haben.

Kommt die Fokussierung der Anleger auf Aktien auch daher, dass sie im derzeitigen Umfeld wenig Alternativen zu Aktien sehen?

Eine Alternative wären Anleihen, aber viele Anleger mögen sie nicht. Rechnet man die Inflation ein, erhalten sie mit ihnen derzeit einen realen Zins von praktisch null – zumindest in Europa. Viele Anleger schauen sich da lieber am Aktienmarkt um und suchen nach Wachstumswerten. Weder in den USA noch in Europa sind die Aktienmärkte günstig. Aber wenn die Gewinne von manchen Unternehmen um 20 Prozent pro Jahr steigen, könnten sie in zwei Jahren wieder vernünftig bewertet sein. Darauf setzen die Anleger.

Amerikanische Technologieaktien wie Nvidia, Microsoft, Meta, Apple oder Amazon sind trotz sehr hohen Bewertungen weiter gefragt und dominieren Welt-Aktienindizes wie den MSCI World. Wird dies auf absehbare Zeit so bleiben?

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es so weitergehen wird. Allerdings spricht für die Wachstumsaktien, dass sich bei diesen Unternehmen unter dem Stichwort künstliche Intelligenz die Investitionen konzentrieren. Bis jetzt gibt es hier auch keine Schwächezeichen. Aufgrund der hohen Investitionen haben Halbleiterhersteller wie Nvidia und die ganze Branche gute Umsätze. Trotzdem kaufe ich Aktien lieber in einer Phase, in der die Investitionen bereits getätigt wurden und sich auszahlen. Wenn man mitten in einer Investitionsphase kauft, besteht die Gefahr von hohen Abschreibungen, die dann den Gewinn belasten.

Sollten Anleger generell vorsichtig sein, oder gibt es momentan Branchen, die für Anleger attraktiv sind?

Ich habe mich immer für Aktien von Versorgern ausgesprochen. Das mag ein wenig langweilig sein, aber das Chance-Risiko-Verhältnis sieht hier in Europa weiterhin recht gut aus. Die Aktien des Netzversorgers E.On beispielsweise sind in diesem Jahr bereits um 39 Prozent gestiegen, das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist aber eher tief. Auch RWE sollte beim Gewinn ganz gut vorankommen. Versorger haben oftmals relativ gute Dividendenrenditen, und die Bewertungen liegen nicht zu hoch.

In den vergangenen Monaten ist viel Geld von den USA nach Europa geflossen. Wird dieser Trend anhalten?

Das ist ein Hype, der nicht ewig weitergehen kann. Ich wüsste nicht, was in Europa so viel besser sein sollte als in den USA und warum der Euro weiter gegenüber dem Dollar steigen sollte. Im vergangenen Herbst gab es bei der Bewertung europäischer Aktien deutliche Abschläge, mittlerweile sind diese aber nicht mehr massiv unterbewertet. Ein gewisser Abschlag gegenüber US-Titeln ist aufgrund des geringeren Wachstums berechtigt. Für Deutschland stellt sich auch die Frage, ob die hohe Neuverschuldung unter der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz nun so viel Wirtschaftswachstum bringt.

Sie sehen also nicht, dass die deutsche Wirtschaft sich erholt und dass das Land wieder zum Zugpferd in Europa wird?

Man muss sich schon sehr dumm anstellen, dass Billionen an Neuverschuldung nicht einen gewissen expansiven Effekt auf die Wirtschaft haben. Eine hohe Neuverschuldung ist aber auch keine Garantie dafür, dass das Wirtschaftswachstum richtig abhebt. Wenn Deutschland Waffen von den USA kauft, gibt es hier keinen Effekt auf die Konjunktur. Dasselbe ist der Fall, wenn man Strassen baut und dafür osteuropäische Firmen beauftragt. Ausserdem bremst es Deutschland, wenn Trump in grösserem Stil Zölle einführt.

Am Aktienmarkt sind die Sorgen über Trumps Zölle etwas geringer geworden. Die Anleger folgen der Taco-Wette – «Trump always chickens out» – und glauben, dass er bei den Zöllen nicht Ernst macht. Was erwarten Sie?

Aus meiner Sicht sind die Anleger da momentan zu optimistisch. Trump hat ein grosses Ego, und ich könnte mir vorstellen, dass er höhere Zölle gerade dann durchsetzt, wenn man ihn nicht ernst nimmt. Deutschland drohen hier erhebliche Belastungen, da es ein Exportland ist. Die deutsche Wirtschaft kann Zölle in Höhe von 30 Prozent nicht ohne weiteres wegstecken.

Das durchschnittliche internationale Zollniveau ist seit Anfang Jahr schon deutlich gestiegen . . .

Absolut, das könnte die Konjunktur viel stärker in den Keller drücken, als viele glauben. Auch der Ukraine-Krieg wird von den Finanzmärkten zu wenig ernst genommen. Wenn Trump gegenüber Russland Zölle von bis zu 100 Prozent erhebt und Länder, die dort das Öl kaufen, mit einem Zoll von 500 Prozent bestraft, dann könnte der Ölpreis stark steigen. Die Börse unterschätzt dies momentan. Es gibt die Gefahr, dass die Situation ausser Kontrolle gerät. Der Ukraine-Krieg könnte – abgesehen von den vielen menschlichen Opfern – auch erhebliche negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.

Zurück zur hohen Neuverschuldung in Europa. Ist diese unter Umständen auch ein Problem für den Euro? Droht möglicherweise sogar eine erneute Euro-Krise?

Wenn in Deutschland die Staatsverschuldung um 20 bis 30 Prozent vom Bruttoinlandprodukt hochgeht, wird das keine Euro-Krise auslösen. Dann nähert sich das Land der Staatsverschuldung von 100 Prozent, die andere Länder in Europa auch haben. Allerdings könnte das deutsche Zinsniveau seinen Discount gegenüber anderen Ländern verlieren. Wenn sich Deutschland so verschuldet wie andere Länder drum herum auch, verdient es auch nicht mehr die niedrigen Zinsen. Gegenüber Italien und Griechenland ist der Zinsunterschied nun schon wesentlich kleiner geworden. Eine Euro-Krise dürfte aber alleine schon deshalb verhindert werden, weil die EZB Staatsanleihen aufkaufen kann. Im Ernstfall wird sie dies auch wieder tun.

Sie rechnen also bald mit erneuten Anleihekäufen durch die EZB, im Finanz-Jargon bekannt als «quantitative easing»?

Ja, und das gilt auch für die US-Notenbank Federal Reserve. Aufgrund der riesigen Schuldenberge werden die Zentralbanken früher oder später nicht darum herumkommen, wie die Bank of Japan zu agieren. Diese steuert die Zinsstrukturkurve, um die Anleihekurse zu unterstützen.

In den USA steigt die Staatsverschuldung massiv, mit Trumps «Big Beautiful Bill» wird sie nochmals zunehmen. Wie lange kann das noch so weitergehen?

Es ist schwierig, das zu prognostizieren. In einem System mit ungedecktem Geld kann sich eine Notenbank unendlich hoch verschulden und damit die Lage in den Griff bekommen. Die Gefahr, dass das internationale Finanzsystem zusammenbricht, ist aus meiner Sicht gering. Allerdings gibt es solche Befürchtungen im Markt – das zeigt sich schon daran, dass Gold und auch Bitcoin bei den Anlegern so gefragt sind. Eigentlich hat Bitcoin ja keinen Ertrags- oder Substanzwert. Anleger nutzen Bitcoin aber als Währungsersatz, weil er sich nicht beliebig vervielfältigen lässt und somit ein knappes Gut ist.

Hinzu kommt, dass der amerikanische Präsident Trump Kryptowährungen unterstützt . . .

Durch ein neues Gesetz sollen jetzt ja Stablecoins etabliert werden. Das könnte dazu führen, dass der ganze Krypto-Bereich weiter aufgewertet wird. Die US-Regierung dürfte Stablecoins auch deshalb interessant finden, weil diese mit amerikanischen Schatzanweisungen unterlegt sind. Dies könnte dabei helfen, dass bei einer höheren Staatsneuverschuldung der USA die Zinsen nicht noch mehr steigen. Es ist aber noch nicht ganz klar, ob sich diese Stablecoins wirklich durchsetzen und vielleicht auch Kreditkarten ersetzen. Sie haben im Gegensatz zu Kreditkarten sehr niedrige Gebühren.

Auch bei den Grossinvestoren scheinen Kryptowährungen immer salonfähiger zu werden . . .

Ja, diesen Eindruck habe ich auch. Am Anfang habe ich mich streng dagegen geäussert. Ich sah Kryptowährungen als eine Art Kettenbrief ohne jegliche Substanz. Zudem ging ich davon aus, dass die Regierungen sie möglicherweise verbieten würden. Jetzt haben diese aber so an Bedeutung gewonnen, dass man sie kaum noch verbieten kann. Nach dem Amtsantritt der Trump-Regierung wurde ja bereits darüber diskutiert, ob man US-Reserven in Bitcoin anlegen könnte.

Sollten Privatanleger auf Kryptowährungen setzen?

Ich selber habe mich noch nicht dazu durchringen können, Kryptowährungen zu kaufen. Nach wie vor sehe ich nicht, wo ihr Wert ist. Auch halte ich Prognosen, wonach der ganze Anleihenmarkt aufgrund der hohen Staatsverschuldung zusammenbricht, für übertriebene Panikmache.

Das Vertrauen in die USA, die im Zentrum des Finanzsystems stehen, ist aber gesunken. Dies zeigt sich auch am Dollar, der in diesem Jahr sehr schwach ist. Wie erklären Sie sich dies?

Trump wollte ja einen schwächeren Dollar. Das funktionierte, weil Spekulationen über dieses angebliche Mar-a-Lago-Abkommen hochkamen. Diese beruhten auf der Studie eines Trump-Beraters, wonach man amerikanische Staatsanleihen durch Zero-Bonds mit ewiger Laufzeit ersetzen sollte. Würde dies tatsächlich umgesetzt, würden sich die Amerikaner aber keinen Gefallen tun. Sehr viele Anleger würden aus Dollar-Anleihen flüchten, und die Zinsen würden massiv steigen.

Der Dollar und US-Staatsanleihen waren lange auch sichere Häfen für Anleger. Sind sie das jetzt nicht mehr?

Diese Einschätzung hat einen deutlichen Knacks bekommen, sonst wären die US-Zinsen sicherlich tiefer und der Dollar höher. Wenn der Dollar gegenüber dem Euro seit Anfang Jahr um 12 Prozent verliert, hilft es europäischen Anlegern auch nicht, wenn der US-Aktienindex S&P 500 um 7 Prozent zulegt. Dabei verkündeten viele Finanzinstitute noch im letzten Herbst, die USA seien für Anleger das Alleinseligmachende und der Dollar werde sich gegenüber dem Euro immer weiter aufwerten.

Mit welcher weiteren Entwicklung rechnen Sie?

Die Negativ-Argumente, die damals für den Euro genannt wurden, bestehen heute immer noch. Deshalb bezweifle ich auch, dass der Dollar nun eine Dauer-Baisse hinlegt, sondern glaube, dass er vielleicht jetzt schon einen Boden gefunden hat. Ich halte es für ausgeschlossen, dass der Dollar eine permanente Schwachwährung wird. Der Dollar ist für Grossanleger ein Muss, schon alleine aufgrund der Grösse des amerikanischen Marktes.

Viele Privatanleger setzen ja auf den Welt-Aktienindex MSCI World. Dieser ist zu rund 70 Prozent in den USA investiert. Kann man das weiterhin machen, oder sollte man da vorsichtig sein?

70 Prozent USA sind natürlich sehr viel. Aber ich glaube schon, dass Amerika bei den Präferenzen der Anleger weiterhin ein hohes Gewicht behalten wird. Es ist auch richtig, internationale Aktienanlagen stark im Portefeuille zu haben. Ich gehe davon aus, dass die Notenbanken aus politischen Gründen weiterhin eine sehr expansive Geldpolitik betreiben werden. Das dürfte dann auch den Aktienmärkten in den nächsten Jahren immer wieder einen Schub geben. Zudem werden die Notenbanken immer darauf achten, dass die Börsen nicht zusammenbrechen. In den USA, aber auch in anderen Ländern wurde viel Vermögen durch Aktienanlage gebildet. Bei einem Börsen-Crash würde wahrscheinlich auch der Konsum stark nachgeben. Bei einer Dauer-Baisse würde die Konjunktur massiv belastet. Das will die Politik natürlich verhindern.

Können die Notenbanken hier dauerhaft die Kontrolle behalten?

Die Notenbanken sind eigentlich verdammt dazu, immer wieder Anleihenkäufe vorzunehmen und die Zinsstrukturkurve zu kontrollieren – wie in Japan. Wenn man versuchen würde, die expansive, um nicht zu sagen unseriöse Politik der Geldmengen- und Kreditexpansion zu stoppen, dann hätte man ein sehr grosses Konjunkturproblem und damit auch Probleme am Aktien- und am Anleihenmarkt. Wenn die Notenbanken also das bisherige Schema fortführen und nicht nach oben oder unten übertreiben bei der Geldversorgung, werden sie das Ganze wohl länger machen können, als viele glauben. Die Notenbanken müssen nur aufpassen, dass es bei der Inflation nicht argentinische Verhältnisse gibt. Dann wäre kaum mehr Stabilität wiederherzustellen. Der argentinische Präsident Javier Milei macht dies zwar nun, aber es wäre eine wirkliche Rosskur.

Wenn es so käme, was heisst das dann für Geldanlage und Vermögensaufbau? Sind Aktien dann weiterhin der beste Weg?

Ich denke schon. Mit Aktien setzt man auf Wachstum, und das ist auch eine liquide Anlage. Das ist auch der Vorteil gegenüber dem Immobilienmarkt. Anleihen hingegen haben eben den Nachteil, dass sie unter Inflation leiden. Dies könnte sie längerfristig uninteressant machen.

Es braucht also in einem solchen Umfeld dringend Sachwerte, um überhaupt das Vermögen zu erhalten?

Ja, neben Aktien zählt auch Gold dazu. Vielleicht entdecken die Anleger auch Platin wieder. Palladium und Silber wären ebenfalls Kandidaten. In der Vergangenheit war es oft so, dass der Goldpreis vorweg lief, und dann kamen die Preise der anderen Edelmetalle hinterher.

Noch eine Frage zur Schweiz: Die Schweizerische Nationalbank hat jetzt den Leitzins auf null Prozent gesenkt. Was heisst das für Anleger?

Obligationen sind in einem solchen Umfeld natürlich für viele unattraktiv, weil die Rendite fehlt. Der Schweizer Aktienmarkt war ja über Jahrzehnte hinweg eine sehr gute Anlage. Die geringe Inflation und die starke Währung sprechen für die Schweiz. Auch aus politischer Sicht ist das Land attraktiv. Ich habe meinen deutschen Kunden immer geraten, einen Teil ihres Vermögens in der Schweiz anzulegen. Und das hat sich als richtig erwiesen. Auch hat der Franken in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zu D-Mark und Euro zugelegt. Hier haben sich der Inflationsunterschied und die geringere Staatsverschuldung der Schweiz positiv ausgewirkt. Der Franken ist schon eine gute Währung.

Man könnte aber argumentieren, dass auch die SNB eine sehr expansive Geldpolitik verfolgt . . .

Die Nationalbank hat immer den schwierigen Job, den Franken nicht zu stark steigen zu lassen. Wäre sie noch solider, würde der Zustrom an Geldern in den Franken noch grösser, und die Schweizer Exportindustrie würde erwürgt. Es war ja auch clever, dass die SNB in der Vergangenheit Aktienanlagen getätigt und die amerikanischen Wachstumswerte gekauft hat. Das war eine vielleicht spekulative, aber doch erfolgreiche Anlagepolitik.

Jens Ehrhard

Jens Ehrhardt ist Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender des Vermögensverwalters DJE. Er hat das Unternehmen mit Sitz in Pullach bei München bereits im Jahr 1974 gegründet. Laut eigenen Angaben verwaltet DJE mehr als 16 Milliarden Euro für private und institutionelle Kunden.

Diese Gründe sprechen für einen Dollar-Crash: Experten halten einen Einbruch von 30 Prozent für möglich – Albert Steck, NZZ, 9.7.2025

Trotz der stärksten Talfahrt seit fünfzig Jahren: Der Dollar bleibt teuer. Vor allem die hohen Schulden der USA sprechen für eine weitere Korrektur.

Die Finanzminister der zehn grössten Länder trafen sich im November 1971 in Rom zur Krisensitzung. Das globale Währungssystem war am Kollabieren. An diesem Treffen sagte der US-Finanzminister John Connally einen Satz, der in die Geschichte eingehen sollte: «Der Dollar ist unsere Währung, aber er ist euer Problem.»

Ausgelöst wurde die Krise durch den Entscheid der USA, das Abkommen von Bretton Woods zu kündigen. Dieses hatte im internationalen Handel für fixe Wechselkurse zum Dollar gesorgt und den Wert des Dollars an eine Golddeckung gebunden. Insgesamt trug das zum grossen Boom nach dem Zweiten Weltkrieg bei. Die Kündigung des Abkommens und die Aufhebung der Golddeckung führten zum sogenannten Nixon-Schock, benannt nach dem damaligen US-Präsidenten: Der Dollar verlor dramatisch an Wert – in kurzer Zeit halbierte sich sein Wert. Dies war auch eine Reaktion auf die vorherige Überbewertung der amerikanischen Währung, welche den USA ein hohes Leistungsbilanzdefizit beschert hatte.

Die Parallelen zu heute sind offensichtlich: Auch jetzt wieder stöhnt das Land unter einem rekordhohen Leistungsbilanzdefizit. Und der Dollar verliert ebenfalls stark an Wert. Im ersten Halbjahr 2025 hat der Greenback den grössten Verlust seit über fünfzig Jahren eingefahren. Die Einbusse zum Franken sowie zum Euro beträgt mehr als 12 Prozent.

Die entscheidende Frage lautet nun: Gilt Connallys Glaubenssatz («unsere Währung – euer Problem») auch weiterhin? Oder wird der Dollar plötzlich zur Last für die USA selbst?

Fällt der Dollar auf 55 Rappen?

Die Antwort hängt davon ab, ob die derzeitige Talfahrt des Dollars bald endet oder ob das Gröbste erst noch folgt. Die Einschätzung renommierter Experten lässt befürchten, dass eher das zweite Szenario zutrifft. So kommt George Saravelos, der Leiter der Devisenanalyse bei der Deutschen Bank, in einer neuen Studie zum Schluss, dass der Dollar weitere 30 bis 35 Prozent an Wert verlieren könnte. Dies würde bedeuten, dass der Dollarkurs von heute 80 Rappen auf unter 55 Rappen fällt.

Auch der Harvard-Professor Kenneth Rogoff, der soeben ein neues Buch über den Dollar publiziert hat, beurteilt die Zukunft der amerikanischen Währung skeptisch. Bis in 25 Jahren werde der Dollar seine Vormachtstellung im globalen Währungssystem verloren haben. Vor allem China, aber auch andere Länder würden sich schrittweise aus ihrer Abhängigkeit von den USA lösen, sagt Rogoff.

Eine historische Analyse verdeutlicht zunächst: Der Greenback war noch nie eine besonders starke Währung – zumindest in Relation zum Schweizerfranken. Vor hundert Jahren kostete ein Dollar zwischen 5 und 6 Franken. Heute ist der Wert auf einen mageren Siebtel von damals geschrumpft (vgl. Grafik).

Der Vergleich zeigt zudem, dass die Abwertung stets schubweise und in Wellenbewegungen erfolgte. Auf den Absturz des Dollars in den 1970er Jahren folgte zunächst eine kräftige Gegenbewegung. Dies führte 1985 zum Plaza-Abkommen zwischen den fünf grössten Wirtschaftsnationen. Darauf sank der Dollar gegenüber D-Mark und Yen erneut um 50 Prozent.

Solche Sprünge wirken drastisch. Doch die Wechselkurse müssen sich auch deshalb anpassen, weil die Teuerungsraten in den verschiedenen Ländern höchst unterschiedlich ausfallen. So verzeichnete die Schweiz in den letzten hundert Jahren eine mittlere Jahresinflation von 1,9 Prozent, gegenüber 3,0 Prozent in den USA. Der Unterschied mag auf den ersten Blick gering wirken. Das exponentielle Wachstum führt allerdings dazu, dass sich die Preise in dieser Periode in der Schweiz lediglich versiebenfacht haben, während sie in den USA um das 19-Fache zulegten.

Zur Beurteilung, ob eine Währung billig oder teuer ist, eignet sich der nominale Wechselkurs daher kaum. Aussagekräftiger ist stattdessen der reale effektive Wechselkurs. Dieser misst die Wertentwicklung einer Währung gegenüber einem Währungskorb der wichtigsten Handelspartner und bereinigt diese um die unterschiedlichen Inflationsraten. Dieser Indikator gibt somit Aufschluss über die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eines Landes im Vergleich zu seinen Konkurrenten.

Die entsprechende Statistik der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zeigt, dass der Dollar gemäss diesem Massstab als hoch bewertet einzustufen ist, obwohl der Kurs in den letzten Monaten bereits sank. Um den historischen Mittelwert zu erreichen, müsste die amerikanische Währung um weitere 10 bis 15 Prozent fallen. Und gegenüber dem Niveau vor der Finanzkrise von 2008 beträgt der Korrekturbedarf gar 30 Prozent (vgl. Grafik).

Einen populären Gradmesser bildet im Weiteren der sogenannte Big-Mac-Index, den die Zeitschrift «The Economist» publiziert. Der Index vergleicht die lokalen Preise, die man zahlt, um einen Hamburger zu erwerben. In seiner jüngsten Auswertung bezeichnet der «Economist» den Dollar gegenüber den allermeisten Währungen als überbewertet – zu den wenigen Ausnahmen zählen der Franken und der Euro. Gegenüber dem chinesischen Yuan und dem japanischen Yen erreicht die Überbewertung 40 Prozent.

Was es allerdings schwierig macht, den fairen Wert des Dollars zu bestimmen, ist dessen Funktion als weltweite Ankerwährung. Zwar ist die Hegemonie nicht mehr ganz so extrem wie zu Beginn des Jahrhunderts. Der Anteil an den globalen Währungsreserven ist in dieser Zeit von 71 auf 58 Prozent gesunken. Bei anderen Kriterien jedoch bleibt die Dominanz erdrückend: Noch immer werden 88 Prozent aller Devisentransaktionen in Dollar abgewickelt.

Ob der Status als Leitwährung den USA mehr Vor- oder Nachteile einbringt, darüber wird seit langem heftig debattiert. So sprach der ehemalige französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing von einem «exorbitanten Privileg». Tatsächlich profitiert der amerikanische Staat davon, dass er zu tieferen Zinsen Kredite aufnehmen kann. Zudem können sich die USA in ihrer eigenen Währung verschulden. Eine Abwertung des Dollars fügt damit primär den ausländischen Gläubigern Verluste zu.

Gläubigerländer profitieren

In den USA mehren sich indes die kritischen Stimmen, welche überdies in der Regierung Trump prominent vertreten sind: Gemäss dieser Auffassung sind jene Nationen, die in grossem Umfang Dollarreserven halten, Trittbrettfahrer: Sie profitieren von der wirtschaftlichen Grösse der USA, ohne sich an den Kosten zu beteiligen. Umgekehrt bürden sie dem Land grosse Lasten auf, indem sie den Wert des Dollars nach oben treiben, was die Konkurrenzfähigkeit der amerikanischen Exportwirtschaft untergräbt und die einheimische Industrie zerstört.

Was zweifellos zutrifft: Die Globalisierung hat die amerikanische Wirtschaft in eine Schieflage gebracht. Das äussert sich neben dem riesigen Handelsbilanzdefizit auch in der dramatischen Lücke beim Nettoauslandvermögen. Die Statistik zeigt nämlich, dass die USA immer stärker in ausländischen Besitz geraten. Noch vor der Finanzkrise von 2008 besassen die Amerikaner ähnlich hohe Vermögenswerte im Ausland wie die übrige Welt in den USA.

Doch inzwischen sind die Schulden gegenüber dem Ausland förmlich explodiert: Sie belaufen sich zurzeit auf 62 000 Milliarden Dollar. Das kontrastiert mit Vermögenswerten von lediglich 36 000 Milliarden, welche die USA ausserhalb ihres Landes besitzen. Dieser Schuldenüberschuss von 26 000 Milliarden entspricht beinahe der Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres (vgl. Grafik).

Es greift indes zu kurz, wenn die Trump-Administration die Schuld für dieses Ungleichgewicht den Handelspartnern zuschiebt – und als Gegenmittel höhere Zölle propagiert. Denn die Amerikaner könnten diese Lücken ebenso schliessen, indem sie mehr sparten und weniger konsumierten. Vor allem der Staat, der sich ein riesiges Haushaltsdefizit von jährlich 7 Prozent leistet, braucht mehr Budgetdisziplin.

Die Ökonomen sind sich zudem einig, dass die USA ihren gigantischen Kapitalhunger über kurz oder lang mässigen müssen. Auf dieses Szenario stützt sich auch die neue Studie der Deutschen Bank. Darin geht der Leiter der Devisenanalyse, George Saravelos, davon aus, dass sich der negative Saldo beim Auslandvermögen wieder bei einem Wert von 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts einpendeln wird – was historisch immer noch viel wäre.

In den USA droht eine hohe Inflation

Dazu aber müsste sich der Dollar um weitere 30 bis 35 Prozent abwerten, so rechnet Saravelos vor. Gleichzeitig würde eine solche Abschwächung helfen, das Leistungsbilanzdefizit, welches im letzten Jahr über 1000 Milliarden Dollar erreicht habe, wieder auf ein nachhaltiges Niveau zu reduzieren, erklärt der Devisenexperte.

Eine solche Korrektur wäre heftig – auch wenn sie über eine längere Zeit erfolgen würde. Geschädigt würden dadurch einerseits die ausländischen Gläubiger, deren Vermögen empfindlich an Wert verlören. Die womöglich grössere Gefahr allerdings lauert in den USA selber: Denn der schwache Dollar könnte die Teuerung bei den Konsumentenpreisen beträchtlich anheizen. Schon jetzt geht der Marktkonsens von einer Beschleunigung der Inflation aus, nicht zuletzt wegen der Zölle. Manche Experten sagen für Ende Jahr eine Teuerungsrate von 4 Prozent voraus.

Der Dollar bleibt somit eine Art Fiebermesser, welcher den Stress im globalen Finanzsystem anzeigt. Fest steht: Zwischen den USA und der übrigen Welt haben sich enorme Ungleichgewichte aufgestaut. Eine Korrektur ist im Gange, doch wer den höchsten Preis dafür zu bezahlen hat, muss sich erst noch weisen.

GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN

findet sich am Ende des Tagesblicks

HELLMEYER (Märkte u.a.m.)

  • Märkte: Erholung am Aktienmarkt nach dem Einbruch
  • USA: Zeit für Zinssenkungen in den USA rückt näher
  • Deutschland: Stimmung in Autoindustrie verbessert, aber weiter mau!

Nachrichten in Kurzform

• Washington: Die Präsidentin der Fed San Francisco Daly sieht den Zeitpunkt für

eine Zinssenkung näher rücken. Sie verwies auf zunehmende Anzeichen einer

Abschwächung des US-Arbeitsmarktes und ein Ausbleiben zollbedingter Inflation.

Es wird auch Zeit!

• Bern: Die Schweiz will mit Nachgiebigkeit einen besseren US-Zoll-Deal (aktuell

39%) erreichen. Gegenmaßnahmen sind nicht auf der Agenda.

Neutralitätsaufgabe der Preis?

• Gaza-Konflikt: Netanjahu erwägt die Einnahme des gesamten Gazastreifens.

Kein Kommentar

Gespräche Washington/Moskau am Mittwoch

Am Mittwoch wird der US-Sondergesandte Witkoff laut Medienberichten nach Moskau

reisen. Hintergrund ist das am Freitag auslaufende US-Ultimatum und die

Sekundärzölle, die die USA gegen Länder erheben wollen, die sich nicht an US-

Handelssanktionen halten.

Die Unwilligkeit Chinas, Indiens und Brasiliens, den US-Vorgaben

zu folgen, stellt ein erhebliches Risiko für die USA und den Westen dar!

Deutschland: Konsumlaune trübt sich erstmals seit Monaten ein

Die Konsumlaune hat sich einer Umfrage des Handelsverbands HDE zufolge im August

erstmals seit einem halben Jahr eingetrübt. Das Barometer für das Konsumklima sank

leicht um 0,1 Punkte auf 97,6 Punkte.

Negativ

Deutschland: Stimmung in Autoindustrie verbessert, aber weiter mau!

Der IFO-Geschäftsklimaindex der Autoindustrie stieg per Berichtsmonat Juli von -31,6

Punkten auf -23,8 Zähler. Der Index blieb weiterhin im negativen Bereich.

Zunächst positiv

EU setzt Gegenmaßnahmen auf US-Zölle für sechs Monate aus

Die EU setzt die beiden Pakete mit Gegenmaßnahmen auf US-Zölle für 6 Monate aus.

Dies geschehe im Zuge der Einigung mit Trump. Die Maßnahmen der EU hätten am 7.

August in Kraft treten sollen. Trump hatte einen allgemeinen Zoll von 15% angekündigt.

Die Vereinbarung lässt viele Fragen offen.

Positive Interpretation: Hoffnung auf Nachverhandlungen. Negative Interpretation: Aufgabe

interessenorientierter Politik für Standort EU. Schauen wir mal!

Märkte: Erholung am Aktienmarkt nach dem Einbruch – USA: Zeit für Zinssenkungen in den USA rückt näher – Deutschland: Stimmung in Autoindustrie verbessert, aber weiter mau!

EUR/USD eröffnet bei 1,1559 (05:52 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,1550 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 147,14. In der Folge notiert EUR-JPY bei 170,10. EUR-CHF oszilliert bei 0,9353.

Märkte: Erholung am Aktienmarkt nach dem Einbruch

An den Aktienmärkten kam es in den letzten 24 Handelsstunden zu einer Erholung nach dem vorangegangenen Einbruch. Die Rentenmärkte waren freundlich und lieferten Renditerückgänge.

Gold und Silber setzten ihre Erholung (nicht korrelierte Anlageklasse) fort, während Bitcoin unter mildem Verkaufsdruck stand.

Ein entscheidender Katalysator waren verstärkte US-Zinssenkungshoffnungen (siehe unten).

Das Datenpotpourri lieferte in der westlichen Hemisphäre keinen Flankenschutz, anders in

Fernost!. Allen voran enttäuschte der Sentix-index der Eurozone (siehe unten).

Am Mittwoch wird der US-Sondergesandte Witkoff laut Medienberichten nach Moskau reisen.

Hintergrund ist das am Freitag auslaufende US-Ultimatum und die Sekundärzölle, die die USA gegen Länder erheben wollen, die sich nicht an US-Handelssanktionen gegen Russland halten.

Kommentar: Dieser Besuch verbindet sich mit Hoffnungswerten auf Entspannung und wird an den Märkten zumindest im Vorwege positiv bewertet. Die Folgen einer Eskalation mit

Sekundärsanktionen wären unabsehbar. Derzeit kursieren Meldungen, dass es seitens Londons (Mastermind) zu Provokationen bezüglich der russischen Schattenflotte (Angriffe, vermeintliche Unfälle) zwecks Isolierung Russlands und Eskalation des Konflikts kommen soll. Das wäre für Frieden, für die globale Wirtschaft und die Finanzmärkte im höchsten Maße kontraproduktiv.

Aktienmärkte: Late Dax +1,56%, EuroStoxx 50 +1,35%, S&P 500 +1,47%, Dow Jones +1,34%, NASDAQ 100 +1,87%.

Aktienmärkte in Fernost Stand 06:03 Uhr: Nikkei (Japan) +0,76%, CSI 300 (China) +0,34%, Hangseng (Hongkong) +0,27%, Sensex (Indien) -0,29% und Kospi (Südkorea) +1,25%.

Rentenmärkte: Die 10-jährige Bundesanleihe rentiert heute früh mit 2,63% (Vortag 2,68%), während die 10-jährige US-Staatsanleihe eine Rendite in Höhe von 4,20% (Vortag 4,24%) abwirft.

Devisenmärkte: Der EUR (-0,0020) verlor leicht im Tagesvergleich gegenüber dem USD.

Gold (+12,50 USD) und Silber (+0,31 USD) legten gegenüber dem USD weiter zu.

Der Bitcoin notiert bei 114.225 USD (06:05 Uhr). Gegenüber der Eröffnung am Vortag ergibt sich ein Rückgang um 375 USD.

USA: Zeit für Zinssenkungen in den USA rückt näher

Die Präsidentin der Fed San Francisco Daly sieht den Zeitpunkt für eine Zinssenkung in den USA näher rücken. Sie verwies auf zunehmende Anzeichen einer Abschwächung des US-

Arbeitsmarktes und ein Ausbleiben von Hinweisen auf eine zollbedingte Inflation. Sie sei bereit gewesen, einen weiteren Zyklus abzuwarten, sagte Daly mit Blick auf die Entscheidung der Fed in der vergangenen Woche, die Leitzinsen unverändert zu belassen (4,375%), aber man könne nicht ewig warten.

Kommentar: Der Markt wird auf den Zinssenkungszyklus vorbereitet. Der prohibitiv hohe Realzins von rund +1,70% (Eurozone 0,00%, Japan -2,80%) zwingt nahezu zu dieser viel zu späten Wendung in der US-Zinspolitik.

COMMENT: Es könnte auch eine Stagflation drohen dank der Trump’schenZollorgien, wenn sie kommen.

Deutschland: Stimmung in Autoindustrie verbessert, aber weiter mau!

Der IFO-Geschäftsklimaindex der Autoindustrie stieg per Juli von -31,6 auf -23,8 Punkte. Der

Index blieb weiterhin im negativen Bereich.

O-Ton IFO: Noch sei unklar, ob das der Beginn einer Erholung ist oder nur ein kurzes Aufatmen. Auch nach der Einigung im Zollstreit bleibe die Lage im Welthandel angespannt.

Kommentar: Die Reduktion der US-Zollhohe von 25% auf 15% ist der maßgebliche Katalysator. Das wirkt zunächst entlastend und stellt bezüglich der Profitabilität eine Entspannung gegenüber dem 2. Quartal dar (Einbruch der Gewinne der Automobilbauer). In wie weit sich damit eine Trendwende nachhaltiger Natur ergeben kann, ist offen. Fakt ist, dass der deutsche Industriestandort international derzeit nicht konkurrenzfähig ist. Berlins Maßnahmen sind ob dieses Problems eher kosmetisch als strukturell.

COMMENT: Die Umfrage lag zeitlich vor dem jüngsten US-EU-Zoll-Deal, was die positiven Ergebnisse relativiert. Hier irrt Hellmeyer.

Die Unternehmen der deutschen Autoindustrie bewerteten ihre aktuelle Lage im Juli als merklich besser. Der Indikator ist von -35,9 auf -28,1 Punkte gestiegen. Sie blicken etwas weniger pessimistisch in die Zukunft: Die Geschäftserwartungen stiegen von -27,3 Punkten auf -19,3 Punkte im Juli. Die Unternehmen bewerteten auch ihre Auslandsgeschäfte weniger negativ: Die Exporterwartungen stiegen von -13,6 Punkten auf -5,3 Punkte. Im Wettbewerb gegenüber dem Ausland sehen sich die Firmen besser aufgestellt als noch im vorherigen Quartal. Das gilt besonders für das EU-Ausland: Hier geben sogar etwas mehr als 30% an, dass sich ihre Position verbessert hat.

Kommentar: Ob sich diese zuletzt positive Tendenz durchsetzen wird und kann, hängt elementar davon ab, in wie weit die US-Handelsdeals eine belastbare Grundlage für die Weltwirtschaft liefern werden (Wankelmut Trumps) und ob es wegen des Ukraine-Konflikts zu Sekundärsanktionen seitens der USA kommen wird. Das Bild ist zunächst weiter als fragil zu klassifizieren.

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden

Eurozone: Sentix-Index unerwartet schwächer!

Der Sentix-Index der Eurozone brach per Berichtsmonat August von zuvor +4,5 Punkte auf -3,7 Zähler (Prognose +8,0) ein. Hintergrund sind die Zollverwerfungen.

Schweiz: Verbraucherpreise (J) bei 0,2%, PMI unerwartet schwächer

Die Verbraucherpreise verzeichneten per Berichtsmonat Juli im Monatsvergleich keine

Veränderung (Prognose -0,2%, Vormonat +0,2%). Im Jahresvergleich stellte sich ein Anstieg

um 0,2% (Prognose 0,1%) nach zuvor 0,1% ein.

Der Einkaufsmanagerindex des Verarbeitenden Gewerbes verzeichnete per Berichtsmonat Juli einen Rückgang von zuvor 49,6 auf 48,8 Punkte (Prognose 49,7).

USA: Auftragseingang in Taktung der Aufträge im Transportsektor

Der Auftragseingang der US-Industrie sank per Berichtsmonat Juni im Monatsvergleich um 4,8% (Prognose -4,8%) nach zuvor +8,3% (revidiert von 8,2%). Die Volatilität ist bestimmt durch Großaufträge insbesondere im Sektor Flugzeuge. Ohne den Transportsektor ergab sich für den Monat Juni ein Anstieg um 0,4% nach +0,3% für den Monat Mai.

Der Index „Employment Trends“ stellte sich per Berichtsmonat Juli auf 107,55 Punkte nach zuvor 108,19 Zählern (revidiert von 107,83).

Türkei: Geringster Verbraucherpreisanstieg seit 11/2021

Die Verbraucherpreise legten per Berichtsmonat Juli im Jahresvergleich um 33,52% (Prognose 34,05%) nach zuvor 35,05% zu. Es ist der geringste Anstieg im Jahresvergleich seit November

2021.

Einkaufsmanagerindices Dienstleistungen und Gesamtwirtschaft (Composite Index)

Indonesien: Starkes BIP!

Das BIP Indonesiens verzeichnete per 2. Quartal 2025 eine Zunahme im Jahresvergleich um 5,12% (Prognose 4,80%) nach zuvor 4,87%. Indonesien ist das Land mit der viertgrößten Bevölkerung auf der Welt (circa 283 Millionen Menschen)

Hier den Hellmeyer Report lesen!

SENTIX

sentix Konjunkturindex: Ein Deal als Stimmungskiller – 4.8.2025

  • Mit den neuesten Daten des „first mover“ liegt die erste Bewertung des EU-US-Zolldeals durch die Anleger vor. Und das Ergebnis ist für die Eurozone niederschmetternd. Der sentix Konjunkturindex fällt deutlich auf -3,7 Punkte. Lage- und Erwartungen sinken gleichermaßen. Die Sorgenfalten in der Wirtschaft vertiefen sich wieder.
  • Auch Bundeskanzler Friedrich Merz, der noch jüngst von einer Stimmungswende in der Wirtschaft schwärmte, wird eines Besseren belehrt: der Deutschland-Index kollabiert um mehr als 12 Punkte auf -12,8 Punkte.
  • In den Gegenwartswerten stehen Donald Trump und die USA als Sieger dar. Vor allem Vorzieheffekte pumpen die Lagewerte auf. Doch auch in den USA sinken die Erwartungen auf -7,8 Zähler. Besonders harsch gehen die Anleger mit der Schweizer Wirtschaft ins Gericht. Um ganze 21,2 Punkte bricht hier der sentix-Konjunkturindex ein.

ISRAEL-IRAN-HAMAS-HISBOLLAH-KRIEG

31.07.2025 20:31

Angeblich Waffenruhe verletzt Israel greift erneut Ziele der Hisbollah an

Zwischen Israel und dem Libanon herrscht seit Monaten eine Waffenruhe. Doch die Regierung in Tel Aviv schreckt nicht zurück, zu attackieren, wenn sie sich bedroht fühlt. Jetzt gibt es den nächsten Schlag gegen die Hisbollah. Minister Katz spricht von einer „Politik der maximalen Repression“.

31.07.2025 20:01

Unterstützung von „Terrorismus“? Washington sanktioniert Palästinenser-Vertreter

Während inzwischen mehrere G7-Staaten laut über die Anerkennung eines Palästinenserstaates nachdenken, verhängen die USA eine de facto Einreisesperre für Mitglieder der Autonomiebehörde im Westjordanland und der PLO. Washington macht Ramallah schwere Vorwürfe.

31.07.2025 16:44

Bauarbeiten dauern einige Wochen Emirate helfen Menschen in Gaza mit neuer Wasserleitung

Schon bevor der gegenwärtige Krieg im Gazastreifen ausgebrochen ist, musste die ansässige Bevölkerung mit einer schlechten Wasserversorgung klarkommen. Doch seit einigen Monaten hat sich das Problem dramatisch verschärft. Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen Abhilfe schaffen.

31.07.2025 09:40

„Dringliche Bitte“ an Merz Mehr als 150 Künstler fordern Waffenstopp für Israel

Mit einem offenen Brief richten sich mehr als 150 deutsche Kulturschaffende an Bundeskanzler Merz. Angesichts der katastrophalen Lage im Gazastreifen haben sie drei konkrete Forderungen.

31.07.2025 02:10

„Anhaltendes Versagen“ Israels Kanada will Palästina als Staat anerkennen

Nach Frankreich beabsichtigt mit Kanada ein weiterer G7-Staat die Anerkennung Palästinas als Staat. Regierungschef Carney prangert in seiner Erklärung das „unerträgliche Leid“ im Gazastreifen an. Doch endgültig ist die Entscheidung offenbar noch nicht.

NAHOST-KONLFIKT im n-tv Liveticker

04.08.2025 12:22

Täter-Opfer-Umkehr CDU-Politiker Kiesewetter: Bundesregierung unterwirft sich der Hamas

Mit Flugzeugen wirft die Bundeswehr Hilfsgüter über dem Gazastreifen ab. CDU-Politiker Kiesewetter hält die Maßnahme für falsch. Er fordert eine internationale Initiative unter Führung Berlins zur Entwaffnung der Hamas.

ISRAEL-IRAN-KRIEG im n-tv Liveticker

ISRAEL – NAHOST-KONFLIKT im FAZ-Liveblog

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll sich laut Medienberichten entschieden haben, den Gazastreifen vollständig einzunehmen.

Dafür wolle er sich in den nächsten Tagen Rückendeckung des Kabinetts und der Militärführung holen, soll er zu Ministern seines Kabinetts gesagt haben. Das Nachrichtenportal „ynetnews.com“ zitierte einen Offiziellen, der ihm nahe steht, mit den Worten: „Die Würfel sind gefallen – wir beabsichtigen, den Gazastreifen vollständig zu besetzen.“ Darüber hinaus berichteten auch die „Jerusalem Post“ sowie der TV-Sender „Channel 12“ über die Ausweitung der Offensive. Sie berufen sich dabei auf eine Quelle aus dem Büro des Ministerpräsidenten.

Netanjahu selbst hatte bisher lediglich angekündigt, dass er in dieser Woche das Sicherheitskabinett einberufen werde, um über das weitere Vorgehen in dem abgeriegelten und großflächig zerstörten Küstenstreifen am Mittelmeer zu entscheiden. In einer Videobotschaft am Sonntag hatte er dargelegt, dass die islamistische Hamas aus seiner Sicht zu keiner Verhandlungslösung bereit sei.

Die israelischen Streitkräfte kontrollieren derzeit rund 75 Prozent der Fläche des Küstengebiets. Die Geiseln werden in jenen Teilen vermutet, in die das israelische Militär bislang nicht vorgedrungen ist und die weiterhin von der Hamas kontrolliert werden.

Nach israelischer Einschätzung befinden sich derzeit noch 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen noch 20 am Leben sein sollen. Monatelange indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, um eine Waffenruhe herbeizuführen und die letzten Geiseln freizubekommen, brachten kein Ergebnis.

Das israelische Militär hat sich in der Vergangenheit gegen eine Komplett-Besatzung des Gazastreifens ausgesprochen. Die Beseitigung sämtlicher Hamas-Tunnel und -Bunker könne Jahre dauern, beschrieb die „Times of Israel“ die Bedenken der Armeeführung. Auch könnten demnach Geiseln in Gefahr geraten und getötet werden, sollten israelische Truppen den Orten ihrer Gefangenschaft zu nahe kommen.

Den Medienberichten zufolge würde aber Netanjahu nunmehr dieses Risiko eingehen. „Es wird Militäreinsätze auch in Gebieten geben, in denen Geiseln festgehalten werden“, zitierte „ynetnews“ den Offiziellen weiter. „Wenn der Generalstabschef (Ejal Zamir) damit nicht einverstanden ist, dann soll er zurücktreten.“

Bisher hatten vor allem die Minister aus den rechtsextremen und ultrareligiösen Parteien der Regierungskoalition die vollständige Einnahme des Gazastreifens gefordert. Sie verlangen außerdem die Abschiebung der palästinensischen Bevölkerung in andere Länder und die Errichtung jüdischer Siedlungen im Küstenstreifen.

Medienberichten zufolge soll sich Zamir bei vergangenen Sitzungen des Sicherheitskabinetts heftige Diskussionen mit den ultrarechten Ministern geliefert haben. Netanjahu soll sich dabei kommentarlos zurückgehalten haben.

Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge ein aus dem Jemen abgefeuertes Projektil abgefangen,

nachdem zuvor in mehreren Teilen des Landes Luftalarm ausgelöst worden war. „Nach den Sirenen, die kürzlich in mehreren Gebieten Israels ertönten, wurde eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete von der israelischen Luftwaffe abgefangen“, teilte die Armee am Dienstag im Onlinedienst X mit.

Seit dem Beginn des Kriegs im Gazastreifen am 7. Oktober 2023 unternimmt die vom Iran unterstützte und mit der Hamas verbündete Huthi-Miliz regelmäßig Raketenangriffe auf israelisches Gebiet. Die meisten Raketen werden von Israels Armee abgefangen. Die Huthis kontrollieren große Teile des Jemen, darunter die Hauptstadt Sanaa.

Die Miliz greift zudem Handelsschiffe im Roten Meer und im Golf von Aden an, denen sie eine Verbindung zu Israel vorwirft – eigenen Angaben zufolge aus Solidarität mit den Palästinensern im Gaza-Krieg

Bei einem israelischen Angriff im Südlibanon ist nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums erneut ein Mensch getötet worden. Vier weitere Personen seien verletzt worden. Laut libanesischen Sicherheitskreisen soll es sich um ein Mitglied der Hizbullah gehandelt haben. Das israelische Militär bestätigte später, dass es einen „Hizbullah-Terroristen“ in Südlibanon angegriffen und getötet habe.

In Libanon wächst die Sorge vor einem weiteren Krieg mit Israel.

Für Dienstag ist eine Kabinettssitzung angesetzt. Dabei soll es um die Kontrolle aller Waffen durch den libanesischen Staat und die damit einhergehenden Entwaffnung der Hizbullah gehen. Die Hizbullah weigert sich bisher, einer verbindlichen Entwaffnung mit konkretem Zeitplan zuzustimmen.

Seit Ende November besteht zwischen Israel und der Hizbullah eine Waffenruhe. Dennoch greift das israelische Militär weiterhin nahezu täglich im Nachbarland an und tötet dabei regelmäßig Menschen. Solange die Angriffe fortgesetzt werden, will die Hizbullah keiner Entwaffnung zustimmen. Israelische Soldaten sind weiterhin an fünf Posten in Südlibanon stationiert.

Auch eine Woche nach den von Israel verkündeten taktischen Kampfpausen für Hilfslieferungen ist die humanitäre Situation laut den Vereinten Nationen im Ganzen unverändert.

Was an Hilfe in die Enklave gelange, sei „bei weitem unzureichend für die hungernde Bevölkerung“. Konvois würden weiterhin bei der Auslieferung behindert, erklärte UN-Sprecher Farhan Haq am Montag in New York.

Manche Einsätze innerhalb des Gazastreifens dauerten mehr als 18 Stunden, sagte Haq. Die Teams seien gezwungen, mehr als zehn Stunden am Stück auf Straßen zu warten, die oft gefährlich, verstopft oder unpassierbar seien.

Am Sonntag seien von elf mit Israel koordinierten Einsätzen sieben durchgeführt worden, sagte der Sprecher. Bei zweien habe es Behinderungen gegeben; einen Transport medizinischer Güter habe man nur zum Teil umgesetzt, einen weiteren hätten die Organisatoren abgesagt.

Als positiv vermerkte Haq, dass Israel höhere Treibstofflieferungen in den Gazastreifen gebilligt habe. Allein für den Notbetrieb der Wasserversorgung und des Abwassersystems würden täglich 70.000 Liter Diesel benötigt; Sonntag seien nur 29.000 Liter in Empfang genommen worden.

Unterdessen halte im besetzten Westjordanland die Gewalt der israelischen Streitkräfte und der Siedler gegen Palästinenser unvermindert an. Die Zahl gewalttätiger Übergriffe durch israelische Siedler nehme zu, sagte der UN-Sprecher unter Verweis auf das Koordinierungsbüro der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe (OCHA).

In der vergangenen Woche habe es mindestens 24 Angriffe von Siedlern gegeben, bei denen Menschen zu Schaden gekommen oder Sachen beschädigt worden seien. OCHA verlange erneut Schutz für Zivilisten im Westjordanland einschließlich Ostjerusalem.

Russischs Hilfsangebot: Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach Angaben seines Sprechers am Montag mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefoniert.

Zum Inhalt des Telefonats teilte der Kreml nichts mit. Die beiden Politiker hatten bereits am 28. Juli miteinander gesprochen. Damals ging es nach offiziellen russischen Angaben um die „gespannte Lage im Nahen Osten“. Putin habe dabei Russlands Bereitschaft betont, zu einer Lösung des Konflikts um das iranische Atomprogramm beizutragen.

Die OCHA-Sprecherin Olga Cherevko sagte der F.A.Z., die Menge dessen, was seit der Lockerung der israelischen Versorgungsblockade in den Gazastreifen gelangt, „ist nach wie vor nur ein Bruchteil dessen, was benötigt wird“.

Die Nothilfebüro der Vereinten Nationen (OCHA) hat Äußerungen von Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) zu Hilfslieferungen im Gazastreifen widersprochen.

Die OCHA-Sprecherin Olga Cherevko sagte der F.A.Z., die Menge dessen, was seit der Lockerung der israelischen Versorgungsblockade in den Gazastreifen gelangt, „ist nach wie vor nur ein Bruchteil dessen, was benötigt wird“. Frei hatte am Montag im Sender ntv geäußert, inzwischen gelangten jeden Tag weit mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen, als zur Verhinderung einer Hungersnot notwendig wären.Die OCHA-Sprecherin, die sich selbst im Gazastreifen befindet, wandte sich auch gegen die Angabe des CDU-Politikers, „bis zu 90 und mehr Prozent“ der Hilfslieferungen würden von der Hamas, von Terroristen und von Banden gekapert. Die meisten UN-Konvois sähen sich „Zehntausenden hungernden und verzweifelten Menschen“ gegenüber, sagte Cherevko der F.A.Z. Diese versammelten sich entlang der Routen und nähmen sich Lebensmittel von den Lastwagen, weil sie keine andere Möglichkeit sähen, ihre Familien zu ernähren. 

Cherevko sagte weiter, die anhaltende Behinderung und Beschränkung der Hilfslieferungen sei für diese Situation verantwortlich. Das ist eine Kritik an den israelischen Behörden, die immer wieder von Hilfsorganisationen zu hören ist. Laut den neuesten Angaben von OCHA konnten zwischen dem 23. und dem 29. Juli nur 47 Prozent der Hilfstransporte durchgeführt werden. Die restlichen Transporte wurden von der israelischen Armee untersagt oder mussten aufgrund der Bedingungen vor Ort abgesagt werden.

Mehr als 100 internationale Medienschaffende fordern einen sofortigen Zugang zum Gazastreifen.

In einer Petition, die unter anderem die CNN-Reporterlegende Christiane Amanpour, die britische Kriegsberichterstatterin Lindsey Hilsum und Kriegsfotograf Don McCullin unterzeichnet haben, kritisieren die Journalistinnen und Journalisten, die israelische Regierung habe „noch nie dagewesene Restriktionen gegen ausländische Medien verhängt und internationale Journalisten daran gehindert, aus dem Gazastreifen unabhängig und frei zu berichten“. Sie riefen Israel und die Terrororganisation Hamas am Montag auf, ausländischen Journalisten eine freie Berichterstattung zu ermöglichen.

Sollten die Konfliktparteien den Appell der Journalistenorganisation „Freedom to Report“ ignorieren, würden die Reporter ohne Erlaubnis in den Gaza-Streifen reisen. Es sei für Journalisten ethisch geboten, aus Konfliktgebieten auch ohne Zustimmung von offizieller Seite zu berichten, wenn die Notwendigkeit, Zeugnis über die Geschehnisse abzulegen, schwerer wiege als das von Politik oder Militär verhängte Schweigen.

Mit ihrer Forderung beziehen sich die Journalisten unter anderem auf das Zusatzprotokoll 1 der Genfer Konvention, das einen besonderen Schutz von Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten vorsieht. Sie appellierten zugleich an andere Staaten, Journalistenorganisationen und Medien, sie dabei zu unterstützen, die Pressefreiheit im Gazastreifen zu verteidigen

Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) sieht für die mangelnde Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen vor allem die radikalislamische Hamas verantwortlich.

„Inzwischen kommen jeden Tag weit mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen als zur Verhinderung einer Hungersnot notwendig wären“, sagte er am Montag den Sendern RTL und ntv. Das Problem sei, „dass über 50 bis zu 90 und mehr Prozent der Hilfslieferungen von Terroristen, von der Hamas, von organisierter Kriminalität gekapert werden“.

Die Hilfe komme deshalb nicht dort an, wo sie ankommen müsste. Frei fügte hinzu: „Gerade in den letzten Tagen ist deutlich geworden, dass nicht Israel das Problem ist, sondern die Hamas.“ Diese setze zudem sehr häufig Bilder aus dem Gazastreifen ein, die ausschließlich zu Propagandazwecken dienten. „Also man muss wirklich aufpassen, dass man den Terroristen nicht auf den Leim geht“, betonte der CDU-Politiker.

Der Kanzleramtsminister erachtet eine schnelle Freilassung der israelischen Geiseln als „Grundvoraussetzung für einen Waffenstillstand“. Dies sei zudem die Grundvoraussetzung für sowohl eine Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen als auch für Verhandlungen über einen Waffenstillstand.

„Wir sehen ja immer wieder Fotos, die dokumentieren, dass diese Geiseln unglaublich schlecht, furchtbar behandelt werden, dass sie zu Propagandazwecken missbraucht werden“, sagte Frei weiter. Das müsse ein sofortiges Ende finden.

Mehr als 600 ehemalige ranghohe Sicherheitsbeamte aus Israel haben US-Präsident Donald Trump dazu aufgefordert, Israels Regierung im Gazakrieg zu einem Waffenstillstand zu zwingen.

Die Organisation „Commanders for Israel’s Security“ (CIS) schrieb in einem Brief an Trump, der am Sonntagabend öffentlich wurde: „Beenden Sie den Krieg in Gaza! Im Namen von CIS, Israels größter Gruppe ehemaliger Generäle der IDF und Entsprechungen des Mossad, Shin Bet, der Polizei und des diplomatischen Corps, fordern wir Sie dringend auf, den Krieg in Gaza zu beenden.“

Weiter hieß es über die israelische Armee: „Die IDF hat die beiden Ziele, die mit Gewalt erreicht werden konnten, längst erreicht: die Zerschlagung der militärischen Strukturen und der Regierungsgewalt der Hamas. Das dritte und wichtigste Ziel kann nur durch eine Vereinbarung erreicht werden: die Rückkehr aller Geiseln nach Hause.“ Den Einschätzungen der CIS-Gruppe nach stellt die Terrororganisation Hamas „keine strategische Bedrohung mehr für Israel dar“. Israel verfüge über alle notwendigen Mittel, um mit den verbleibenden Terrorfähigkeiten der Hamas fertigzuwerden. „Die Verfolgung der verbleibenden hochrangigen Hamas-Funktionäre kann später erfolgen. Unsere Geiseln können nicht warten.

Auch ehemalige Direktoren des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad sowie des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet und ehemalige Generalstabschefs der israelischen Armee sind Teil der Gruppe der Sicherheitsbeamten.

Der UN-Sicherheitsrat wird nach israelischen Angaben eine Dringlichkeitssitzung zu den im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln abhalten.

Der Sicherheitsrat werde „am kommenden Dienstag“ zu einer Sondersitzung „über die schlimme Lage der Geiseln in Gaza zusammenkommen“, erklärte der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Danny Danon. Die Ankündigung erfolgte, nachdem die islamistische Hamas und die mit ihr verbündete Gruppe Islamischer Dschihad drei Propagandavideos von seit Oktober 2023 gefangen gehaltenen Geiseln verbreitet hatten. Die Aufnahmen der ausgehungerten Geiseln lösten großes Entsetzen aus.

WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN

07:18Berichte: Netanjahu will Militäreinsatz in Gaza ausweiten16dts Nachrichtenagentur
06:35ROUNDUP: Netanjahu will angeblich Einnahme des ganzen Gazastreifens264dpa-AFX
00:06Bundesregierung setzt auf Dialog statt Sanktionen gegen Israel1.110dts Nachrichtenagentur
MoEhemalige israelische Sicherheitschefs fordern Kriegsende250dpa-AFX
MoROUNDUP: Netanjahu beschwört Sieg – ‚Hamas will keinen Deal‘48dpa-AFX

„Würfel gefallen“: Israel soll ganz Gaza einnehmen wollen – ORF, 5.8.2025

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll sich laut einem Medienbericht entschieden haben, den Gazastreifen vollständig einzunehmen. Zuvor hatten am Montag Hunderte israelische Ex-Sicherheitsbeamte, darunter ehemalige Geheimdienstchefs, US-Präsident Donald Trump aufgerufen, den Druck auf Israels Regierung zur Beendigung des Krieges zu erhöhen.

Das israelische Nachrichtenportal Ynet zitierte am Montag einen Beamten, der Netanjahu nahe steht, mit den Worten: „Die Würfel sind gefallen – wir beabsichtigen, den Gazastreifen vollständig zu besetzen.“ Dafür wolle sich der Premier in den nächsten Tagen Rückendeckung des Kabinetts und der Militärführung holen, soll er zu Ministern seines Kabinetts gesagt haben.

In dem Bericht wird jedoch darüber spekuliert, dass dies auch Teil einer Verhandlungstaktik sein könnte, um die islamistische Terrororganisation Hamas angesichts der festgefahrenen Gespräche über eine Waffenruhe und Freilassung der Geiseln unter Druck zu setzen.

Netanjahu selbst hatte zuvor nur so viel gesagt, dass er in dieser Woche das Sicherheitskabinett einberufen werde, um über das weitere Vorgehen in dem großflächig zerstörten Küstenstreifen zu entscheiden. In einer Videobotschaft am Sonntag hatte er dargelegt, dass die Terrororganisation Hamas aus seiner Sicht zu keiner Verhandlungslösung bereit sei.

Scharfe Kritik an Netanjahu

Die israelischen Streitkräfte kontrollieren derzeit rund 75 Prozent der Fläche des Küstengebiets. Die Geiseln werden in jenen Teilen vermutet, in die das israelische Militär bisher nicht vorgedrungen ist und die weiterhin von der Hamas kontrolliert werden.

Nach israelischer Einschätzung befinden sich derzeit noch 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen noch 20 am Leben sein sollen. Die Hamas hatte zuvor mit neuen Videos von zwei Geiseln für Schrecken und Empörung gesorgt. Die beiden Propagandavideos, in denen abgemagerte Männer in Geiselhaft zu sehen waren, sollten den Druck auf Netanjahu erhöhen.

Das Forum der Geiselfamilien übte auch einmal mehr deutliche Kritik an Netanjahu. „Seit 22 Monaten wird der Öffentlichkeit die Illusion verkauft, dass militärischer Druck und intensive Kämpfe die Geiseln zurückbringen werden“, zitierte die Zeitung eine Erklärung der Gruppe.

„Die Ausweitung des Krieges gefährdet das Leben der Geiseln, die in unmittelbarer Todesgefahr schweben. Wir haben die erschreckenden Bilder der Geiseln in den Tunneln gesehen, sie werden weitere lange Tage des Grauens nicht überleben“, so die Erklärung des Forums, das die Mehrheit der Familien der Geiseln vertritt.

Ex-Sicherheitschefs fordern Kriegsende

Auch Hunderte israelische Ex-Sicherheitsbeamte, darunter ehemalige Geheimdienstchefs, meldeten sich am Montag zu Wort. Sie riefen US-Präsident Donald Trump auf, den Druck auf Israels Regierung zur Beendigung des Krieges zu erhöhen. Die Terrororganisation Hamas stelle „keine strategische Gefahr mehr für Israel“ dar, hieß es in dem in der Nacht auf Montag veröffentlichten Brief. Der Krieg sei nicht mehr gerecht.

Zu den 550 Unterzeichnern gehören unter anderem drei ehemalige Chefs des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, fünf ehemalige Leiter des Inlandsgeheimdiensts Schin Bet und der ehemalige Regierungschef Ehud Barak. Auch ehemalige hochrangige Mitglieder der Armee und Diplomaten unterschrieben die Erklärung.

„Wir stehen vor einer Niederlage“, warnte der ehemalige Mossad-Chef Tamir Pardo. Mehrere der Repräsentanten sagten, Israel werde von einer fundamentalistischen, extremistischen Regierung angeführt, die nicht mehr den Rückhalt der Mehrheit habe.

Armeeführung sieht komplette Besatzung kritisch

Das israelische Militär hat sich in der Vergangenheit gegen eine vollständige Besatzung des Gazastreifens ausgesprochen. Die Beseitigung sämtlicher Hamas-Tunnel und -Bunker könne Jahre dauern, beschrieb die „Times of Israel“ die Bedenken der Armeeführung. Auch könnten demnach Geiseln in Gefahr geraten und getötet werden, sollten israelische Truppen den Orten ihrer Gefangenschaft zu nahe kommen.

Den Medienberichten zufolge würde aber Netanjahu nunmehr dieses Risiko eingehen. „Es wird Militäreinsätze auch in Gebieten geben, in denen Geiseln festgehalten werden“, zitierte Ynet den Beamten weiter. „Wenn der Generalstabschef damit nicht einverstanden ist, dann soll er zurücktreten.“

„Dies ist politisches Überleben“

Zu den Berichten, wonach Netanjahu nun entschieden habe, ganz Gaza einnehmen zu lassen, schrieb Israels früherer Armeesprecher Peter Lerner auf der Plattform X: „Dies ist politisches Überleben, maskiert als nationale Sicherheit. Netanjahu stürmt blindlings voran und zieht unsere Söhne und Töchter in einen endlosen Sumpf.“

Der US-Sender CNN berichtete, es sei unklar, ob der Ansatz Netanjahus mit der Linie des US-Sondergesandten Steve Witkoff übereinstimmt.

Witkoff soll am Wochenende laut Medienberichten bei einem Treffen mit Angehörigen der Geiseln in Tel Aviv gesagt haben, dass der Plan nicht darin bestehe, den Krieg auszuweiten, sondern ihn zu beenden.

Statt wie bisher zunächst nur über eine Waffenruhe und die stufenweise Freilassung der Geiseln zu verhandeln, strebe US-Präsident Donald Trump jetzt einen umfassenden Deal an, der den Krieg beende und alle verbleibenden Geiseln auf einmal zurückbringe, hieß es.

Internationaler Druck auf Israel wächst

Die „Times of Israel“ schrieb, es sei unklar, was eine vollständige Besetzung des weitgehend zerstörten Küstengebiets für die rund zwei Millionen palästinensischen Bewohner sowie die dort tägigen Hilfsorganisationen bedeuten würde.

Israel geriet zuletzt angesichts der humanitären Lage im Gazastreifen international zunehmend in die Kritik. Seit gut einer Woche lässt Israel zwar wieder mehr Hilfslieferungen in den weitgehend zerstörten Küstenstreifen. Doch viele der Hilfsgüter kommen nicht bei denen an, die sie am meisten benötigen. Eine Waffenruhe und die Befreiung der Geiseln waren nach dem Abbruch der jüngsten Verhandlungsrunde indes weiter in die Ferne gerückt.

Die Hamas strebt eine Beendigung des Krieges zu ihren Bedingungen an. Sie würde nach eigenen Aussagen die Geiseln freilassen, wenn sich Israels Armee aus dem abgeriegelten Gazastreifen zurückzieht und alle Kampfhandlungen gegen die Hamas einstellt. Israel fordert wiederum eine Entwaffnung der Islamisten und den Gang ihrer Kader ins Exil, was die Hamas strikt ablehnt.

red, ORF.at/Agenturen

Links:

Israel steht am Scheideweg: Netanyahu deutet eine Ausweitung der Kämpfe im Gazastreifen an – und erntet Kritik von ehemaligen Sicherheitschefs  Rewert Hoffer (Tel Aviv), NZZ, 4.8.2025

Die früheren israelischen Generalstabschefs und Geheimdienstdirektoren sind der Ansicht, Israel habe seine militärischen Ziele in Gaza bereits erreicht. Trotzdem erwägen Teile der israelischen Regierung sogar eine Wiederbesetzung des Gazastreifens.

Benjamin Netanyahu scheint sich festgelegt zu haben. Einen Tag nachdem die Hamas eine Aufnahme der ausgehungerten israelischen Geisel Eviatar David veröffentlicht hatte, meldete sich Israels Ministerpräsident am Sonntagabend in einer Videobotschaft zu Wort: «Wenn ich diese Aufnahme sehe, verstehe ich genau, was die Hamas will: Sie will kein Abkommen.» Das Horrorvideo des ausgemergelten, verschleppten Israeli habe den israelischen Regierungschef in seiner Überzeugung bestärkt, die Hamas zu vernichten und sicherzustellen, dass aus dem Gazastreifen nie wieder eine Gefahr für Israel ausgehe.

Was das konkret bedeutet, lässt Netanyahu noch offen. Am Montag berichteten israelische Medien jedoch übereinstimmend mit Berufung auf Regierungsquellen, dass Israel eine Ausweitung der Kämpfe in Gaza in Erwägung ziehe. Die Hamas habe weder einer Entwaffnung noch einer Militärpräsenz Israels in einer Pufferzone um den Gazastreifen zugestimmt. Laut den Berichten will Israel Bodentruppen auch in Gebiete schicken, in denen israelische Soldaten bisher noch nicht gekämpft hatten. Gleichzeitig sollen weiterhin humanitäre Hilfsgüter die palästinensische Bevölkerung ausserhalb der Kampfzonen erreichen.

In Israel stösst der Plan auf viel Ablehnung – unter anderem von den Familien der Geiseln. Sie fürchten, dass die Verschleppten durch die intensiveren Kämpfe gefährdet werden könnten. Im vergangenen Jahr exekutierte die Hamas sechs Geiseln, als sich israelische Soldaten dem Ort näherten, wo die Terroristen sie festgehalten hatten. Gleichzeitig warnten am Sonntagabend neunzehn ehemalige israelische Sicherheitschefs des jüdischen Staates vor einer Ausweitung des Krieges. In einem Brief und einer Videobotschaft appellierten sie für ein Geiselabkommen und ein Ende der Kämpfe.

Aufstand von Israels früheren Sicherheitschefs

Unter anderem zwei ehemalige Generalstabschefs der israelischen Streitkräfte sowie die früheren Direktoren des Auslandgeheimdiensts Mossad, des Inlandnachrichtendiensts Shin Bet und des Militärgeheimdiensts Aman warnten vor einer Ausweitung der Kämpfe. In einem Video sind die älteren Herren um einen grossen Konferenztisch versammelt. «Beendet den Krieg», sagen die ehemaligen Sicherheitschefs an Ministerpräsident Netanyahu und seine Regierungsmannschaft gerichtet.

Die Pensionäre verfügten gemeinsam über mehr als 1000 Jahre sicherheitspolitischer Erfahrung, teilten sie mit. Viele der Männer in dem Video hatten bereits in der Vergangenheit Israels Regierung und die militärische Strategie im Gazastreifen scharf kritisiert. So wies der ehemalige Shin-Bet-Chef Ami Ayalon schon vor Monaten darauf hin, dass Israel keine weiteren militärischen Ziele in Gaza mehr erreichen könne und die Regierung die Geiseln im Stich lasse. Im Video sagte Ayalon, der Gaza-Krieg sei kein gerechter Krieg mehr.

Israels rechtsextreme Minister fordern allerdings eine komplette Wiederbesetzung und Annexion des Gazastreifens. Andere Mitglieder von Netanyahus Kabinett sowie die Militärführung sträuben sich angesichts der Gefahren für israelische Soldaten und für die verbliebenen 50 Geiseln gegen dieses radikale Vorgehen. Zudem dürfte eine permanente Besetzung des Gazastreifens Israel finanziell teuer zu stehen kommen und die ohnehin schon erschöpfte Gesellschaft weiter auslaugen. Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage sind 62 Prozent der Israeli für ein Geiselabkommen, das den Krieg beendet. Nur 28 Prozent fordern eine Wiederbesetzung Gazas.

Am Dienstag will Netanyahu das Sicherheitskabinett zusammenrufen, um über das weitere Vorgehen im Gazastreifen zu beraten. Einmal mehr steht Israel an einem Scheideweg – nach fast 22 Monaten Gaza-Krieg.

KOMMENTARE – ANALYSEN – HINTERGRÜNDE

REPORTAGE – Plötzlich waren 1500 Schafe weg – wie radikale Siedler im Jordantal palästinensische Hirten verdrängen – Daniel Böhm (Text), Victorine Alisse (Bilder), Ras Ain al-Auja, NZZ, 4.7.2025

Im Grenzgebiet zu Jordanien sind Beduinen den Angriffen israelischer Siedler fast schutzlos ausgesetzt. Seit dem Hamas-Massaker wird die Lage für die palästinensischen Schafzüchter immer schlimmer.

Sleiman Dahud Zayed sitzt auf einem weissen Plastikstuhl unter dem Vordach des Containers, in dem er wohnt, seine Söhne servieren Tee und Kaffee. Er habe 13 Kinder mit zwei Frauen, sagt der 50-jährige Palästinenser stolz. Aber jetzt sei Schluss, neuer Nachwuchs sei vorerst nicht geplant. «Wie soll ich noch zusätzliche Kinder finanzieren? Ich habe keine Schafe mehr.»

Tatsächlich sind die Ställe auf Zayeds Hof im Weiler Ras Ain al-Auja im von Israel besetzten Jordantal beinahe leer. Nur ein Mutterschaf und ein paar Lämmer stehen verloren zwischen den Gattern. Einst lebten hier Hunderte Tiere. «Sie haben uns unsere Lebensgrundlage weggenommen», klagt der Bauer. Seine Söhne würden sich nun als Landarbeiter auf israelischen Bauernhöfen im Jordantal verdingen für einen Tagessatz von umgerechnet 50 Dollar.

Der Weiler Ras Ain al-Auja im besetzten Westjordanland: Der kleine Ort wird hauptsächlich von palästinensischen Schafzüchtern bewohnt.

Der palästinensische Bauer Sleiman Dahud Zayed sitzt in seinem Haus in Ras Ain al-Auja.

Ein zerstörtes Gebäude im Westjordanland: In der Gegend kommt es immer wieder zu Spannungen und Überfällen auf palästinensische Schafzüchter.

Der Tag, an dem Zayeds Existenz ruiniert wurde, war der 7. März. An jenem Tag hätten israelische Siedler Ras Ain al-Auja überfallen. «Sie kamen von zwei Seiten», erinnert sich der Bauer. «Eine Gruppe attackierte unsere Häuser und lenkte uns ab. Die anderen raubten unser Vieh.» 1500 Schafe seien an diesem Tag im Dorf gestohlen worden. Die von einem Mann namens Zohar Sabah angeführten Siedler seien jedoch nicht allein gewesen. Die israelische Polizei habe sie unterstützt, behauptet Zayed. «Einige der Polizisten haben sogar in die Luft geschossen.» Seine Angaben lassen sich nicht überprüfen. Israels Polizeisprecher reagiert nicht auf eine Anfrage.

«Das ist eine regelrechte Landnahme»

Was am 7. März in Zayeds Dorf geschah, ist jedoch kein Einzelfall. Immer wieder gehen radikale Siedler mit Gewalt gegen die Viehzüchter im Jordantal vor. Mal rauben sie ihre Schafe, mal donnern sie in der Nacht mit Motorfahrzeugen durch die Beduinendörfer und spielen laute Musik. Weiter nördlich haben Siedler gar einen kilometerlangen Graben ausgehoben, um die palästinensischen Bauern von ihrer Wasserstelle abzuschneiden.

Rund 78 000 Hektaren Land hätten sich die Siedler im Westjordanland seit 2022 so unter den Nagel gerissen, heisst es in einem Bericht der linken israelischen Nichtregierungsorganisation Kerem Navot, die sich gegen die Besetzung des Gebiets einsetzt. Seit dem Hamas-Massaker in Südisrael am 7. Oktober 2023 sei die Situation ausser Kontrolle geraten. Immer wieder entstünden neue Aussenposten und Schaf-Farmen. «Das ist eine regelrechte Landnahme», sagt der Aktivist Amir Panski, der mit ein paar Mitstreitern in einem Zelt etwas oberhalb von Ras Ain al-Auja sitzt.

Jeden Tag bewachen mindestens zwei israelische Freiwillige das Dorf, um es vor Angriffen zu schützen. «Wir können aber nicht viel ausrichten», sagt Panski, der in den achtziger Jahren als Soldat im Westjordanland diente. Wenn er bei der Polizei Anzeige gegen Siedler erstatte, werde die entsprechende Akte nach kurzer Zeit wieder geschlossen. «Wenn sich die palästinensischen Bauern wehren, werden sie hingegen sofort verhaftet. Armee und Polizei arbeiten hier längst mit den Siedlern zusammen.»

Junge Palästinenser in Ras Ain al-Auja. Viele von ihnen müssen sich inzwischen als Landarbeiter in israelischen Siedlungen verdingen.

Der Israeli Amir Panski beschützt gemeinsam mit weiteren Aktivisten das Palästinenserdorf Ras Ain al-Auja vor Angriffen.

Eine neu errichtete Siedlung im Jordantal. Immer wieder entstehen hier sogenannte Aussenposten.

Für die Aktivisten ist deshalb klar, dass im Jordantal eine organisierte Vertreibung stattfindet. Die Siedler würden die palästinensischen Hirten bewusst verdrängen und würden dabei von offiziellen Stellen unterstützt. Laut Kerem Navot erhalten die radikalen Israeli staatliche Förderung – etwa durch Unternehmerdarlehen oder Zuwendungen für die Sicherheit ihrer Siedlungen.

Ein Graben, der auch Israel entzweit

Das ebenso karge wie weite Jordantal mit seinen kahlen Berghängen und blassgrünen Weidegründen war für Israel schon immer sicherheitspolitisch bedeutsam – hier verläuft die Grenze zu Jordanien. Nach der Eroberung des Westjordanlandes 1967 errichteten die Israeli dort mehrere Wehrsiedlungen und Farmen. Mit den damaligen Siedlern habe es keine Probleme gegeben, erinnert sich Zayed, der Bauer. «Wir konnten unsere Schafe gleich neben ihren Feldern weiden lassen, es kam nie zu Konflikten.»

Doch seit ein paar Jahren ist alles anders. Jüngere, radikalere Siedler kommen her und errichten eigene Schaffarmen. Manchmal geschieht das auf staatseigenem Land, oft jedoch auch auf palästinensischem Privatbesitz oder in Gegenden, die als Naturschutzgebiete oder militärische Sperrzonen deklariert sind. Das Jordantal ist deshalb zu einer Art Frontlinie geworden. Der Konflikt wird allerdings nicht nur zwischen vorrückenden Siedlern und zurückweichenden Palästinensern ausgefochten – er findet auch in der israelischen Gesellschaft statt.

Leere Ställe: Von Hunderten Schafen sind auf Sleiman Dahud Zayeds Hof nur noch ein paar wenige Tiere übrig.

Israelische Soldaten bemannen einen Checkpoint im Westjordanland: Die Palästinenser beschuldigen die Sicherheitskräfte, nichts gegen die gewalttätigen Siedler zu unternehmen.

Eine jüdische Familie besucht eine Wasserstelle im Jordantal: Die Siedler sehen sich im Recht – und als Wegbereiter für die Ankunft des Messias.

Aktivisten wie Panski sehen die radikalen Siedler als Produkt eines Staates, der immer nationalistischer und religiöser wird – und der von einer extremistischen Minderheit gekapert wurde. «Das ist nicht mehr Israel. Das ist auch nicht mehr jüdisch», sagt einer der Männer in dem Aktivistenzelt oberhalb von Ras Ain al-Auja. Panski, dessen Vater ein Holocaust-Überlebender war, sieht das ähnlich: «Ich bin nicht nur hier, weil ich gegen die Besetzung kämpfe. Sondern auch, weil das meine menschliche Pflicht ist.»

Die Siedler hingegen sehen sich im Recht. Das Land sei Staatsland, sagen sie, denn es gehöre zur sogenannten C-Zone. Nach den Osloer Abkommen in den neunziger Jahren verblieben diese unter israelischer Oberhoheit, während die Verwaltung der palästinensischen Bevölkerungszentren im Westjordanland der Palästinensischen Autonomiebehörde obliegt. «Israel hat ein Recht, auf dem Land innerhalb der C-Zone Siedlungen zu bauen, solange dies nicht gegen das Gesetz geschieht», sagt Naomi Linder Kahn von der Siedler-Organisation Regavim.

«Wo sollen wir denn hin?»

Regavim wurde 2006 unter anderem vom derzeitigen rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich gegründet. Die Gruppe wirbt für eine Besiedlung des Westjordanlandes. Gerade das Jordantal sei für Israels Sicherheit überlebenswichtig, sagt Linder Kahn. Viele Palästinenser dort würden in illegal errichteten Dörfern leben. «Die meisten von ihnen kommen auch gar nicht aus der Gegend, sondern sind erst kürzlich hierhergezogen», behauptet sie. Es sei vielmehr die Palästinenserbehörde in Ramallah, die das Territorium besetzen wolle. Der Bauer Zayed hingegen sagt, er lebe auf palästinensischem Privatland. Seine Familie sei seit 1948 immer wieder vertrieben worden. «Wo sollen wir denn hin?»

In Ras Ain al-Auja demonstrieren die Siedler derweil ihren Anspruch auf das Land an der Wasserstelle neben dem Dorf. Sie ist zu einem Ausflugsziel für die Bewohner der umliegenden Aussenposten geworden. An Feiertagen stauen sich dort Autos mit israelischen Kennzeichen. Kinder benutzen einen Wasserkanal als Rutsche, Familien picknicken im Schatten der Akazien.

Ein gepanzertes Polizeifahrzeug sorgt für Sicherheit. Den palästinensischen Bauern, denen die Wasserstelle einst als Tränke für ihre Tiere diente, sei das Betreten des Gebiets inzwischen verboten, sagen die Aktivsten von Kerem Navot. Als sie mit ihren leuchtenden T-Shirts zwischen den parkierten Autos herumlaufen, werden sie von einem Siedlerkind gefilmt.

Die Wasserstelle liegt in der Nähe von Ras Ain al-Auja. Die meisten Bauern aus dem Ort trauen sich nicht mehr her.

Israelische Jugendliche benutzen den Kanal als Wasserrutsche. Früher nutzten palästinensische Hirten den Ort als Tränke.

Die Wasserstelle in der Nähe von Ras Ain al-Auja ist ein beliebtes Ausflugsziel für Israeli aus den umliegenden Siedlungen.

Immer wieder trifft man Jugendliche oder sogar Kinder, die die Schafherden der Siedler hüten. Kiva ist einer von ihnen. Der 17-Jährige, der auf einem Esel reitet, arbeitet auf der Farm von Zohar Sabah – jenem Mann, der angeblich Sleiman Zayeds Schafe raubte. Er stamme aus Haifa, sagt er. Auf die Frage, was er hier mache, zuckt er mit den Schultern: «Ich liebe nun mal die Natur.» Der Aktivist Amir Panski sagt, dass Siedlerorganisationen nicht selten Jugendliche aus Problemfamilien anheuern und auf die Farmen im Jordantal schicken würden.

An seinem Gürtel hängt eine Pistole

Sabahs Aussenposten liegt nur ein paar hundert Meter entfernt. Eine unbefestigte Strasse führt zu dem Hof, der in einem schroffen Felsental liegt. Sabah war einer von mehreren radikalen Siedlern, die 2024 von der Biden-Regierung mit Sanktionen belegt worden waren. Die Palästinenser fürchten ihn als Tyrannen, der ihnen das Leben zur Hölle macht. Er selbst sieht sich hingegen als Opfer und beschuldigt wiederum die Palästinenser, seine Hirten anzugreifen und seine Schafe zu stehlen.

«Wir wissen nicht genau, wer wen angegriffen hat», sagt Naomi Linder Kahn von Regavim über die Vorwürfe von Sleiman Zayed. «Wir sind gegen Gewalt. Aber diese geht nur selten von den Israeli aus. Das Thema wird aufgebauscht.»

Sabah selbst hingegen will nicht reden. Auf seiner Farm findet gerade ein Fest statt, Dutzende Männer und Frauen sitzen an Holztischen. «Ihr sollt sofort verschwinden», ruft er den Journalisten zu, ohne eine Frage abzuwarten. An seinem Gürtel hängt eine Pistole. Er kommt bedrohlich näher und hebt einen Stein auf, um ihn auf das wegfahrende Auto zu schleudern. Konsequenzen muss er offenbar nicht befürchten.

Ein junger Siedler auf einem Esel im Jordantal. Er arbeitet für den Schafzüchter Zohar Sabah, dem die Palästinenser vorwerfen, Schafe geraubt zu haben.

URAINE-KRIEG im n-tv Liveticker

Detaillierte Meldungsübersicht. Daraus eine Auswahl:

+++ 07:29 Putin-Ideologe Dugin: „Trump ist total verrückt“ +++
In Russland scheint man derzeit nicht besonders zufrieden zu sein mit der verschärften Rhetorik der USA in Bezug auf den Angriffskrieg Moskaus gegen die Ukraine. „Ich komme zu einem sehr traurigen Schluss: Donald Trump ist total verrückt“, schreibt der ultranationalistische Putin-Ideologe Alexander Dugin auf X. „Es ist eine Schande. Wir haben ihn geliebt.“ Auch mit US-Vizepräsident JD Vance ist man offenbar nicht zufrieden in Moskau: „Wie dumm JD Vance jetzt aussieht. Einen Moment lang war er ein Nationalheld. Jetzt ist er es nicht mehr.“

+++ 07:01 Russische Raffinerie nach Drohnenangriff massiv eingeschränkt +++
Die Ryazan Raffinerie des russischen Staatskonzerns Rosneft ist nach ukrainischen Angriffen derzeit nur eingeschränkt funktionstüchtig. Diese arbeite derzeit nur bei 48 Prozent ihrer normalen Kapazität, berichtet Reuters unter Berufung auf Industriequellen. Die Ukraine hatte die Anlage am Samstag mit Drohnen attackiert. Dem Bericht zufolge wurden zwei Bereiche, die gemeinsam rund 20.000 Tonnen verarbeiten können, vorerst geschlossen.

+++ 06:28 Niederlande schnüren Waffenpaket mit Patriot-Systemen +++
Die Niederlande haben ein neues Waffenpaket im Wert von rund 500 Millionen Euro für die Ukraine angekündigt. Dieses soll neben weiteren US-Waffen auch Munition für die Patriot-Flugabwehrsysteme beinhalten. Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt die Entscheidung und erklärt, die Ukraine und Europa würden dadurch „besser vor russischem Terror geschützt“.

+++ 05:53 Ukraine attackiert russischen Zugknotenpunkt +++
Die Ukraine hat offenbar in der vergangenen Nacht den Zugknotenpunkt Tatsinskaja in der russischen Region Rostow mit Drohnen angegriffen. Das berichtet Kyiv Independent unter Berufung auf lokale Medien. In der Region sei es zu mindestens zehn Explosionen gekommen. Der betroffene Bahnhof dient als wichtige Transportinfrastruktur für ölfördernde Konzerne in der Region.

+++ 03:59 Indien weist Kritik der USA und EU an russischen Öl-Importen zurück +++
Indien weist die Kritik der USA und der EU an seinen Öl-Importen aus Russland als „ungerechtfertigt und unvernünftig“ zurück. Wie jede große Volkswirtschaft werde Indien alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um seine nationalen Interessen und seine wirtschaftliche Sicherheit zu schützen, sagt ein Sprecher des Außenministeriums. US-Präsident Donald Trump hat wegen der Käufe zuletzt „erheblich“ höhere Zölle gegen Indien angekündigt. Vergangene Woche hatte er bereits von 25 Prozent gesprochen.

Moskaus Energiepartner im Visier Trump will Zölle gegen Indien kräftig erhöhen

+++ 02:12 Bericht: Russische Atom-U-Boot-Basis offenbar nach Erdbeben beschädigt +++
In Russlands Fernost-Region Kamtschatka ist einem „New York Times“-Bericht zufolge nach dem starken Erdbeben in der vergangenen Woche offenbar ein Atom-U-Boot-Stützpunkt beschädigt worden. Auf von der Satellitenbildfirma Planet Labs aufgenommenen Fotos sei eine Beschädigung an einem schwimmenden Pier des Stützpunktes Rybachiy auf der Halbinsel Kamtschatka zu erkennen gewesen, heißt es in dem Bericht. Ein Teil des Piers habe sich offenbar von seinem Ankerpunkt gelöst. Abgesehen davon seien auf den Satellitenbildern aber keine weiteren größeren Zerstörungen zu erkennen gewesen, so die NYT. Am Mittwoch hatte ein sehr starkes Erdbeben der Stärke 8,8 die russische Pazifikküste vor Kamtschatka erschüttert. Der Atom-U-Boot-Stützpunkt Rybachiy ist ein strategischer Knotenpunkt der russischen Pazifikflotte. Er dient der Wartung und dem Einsatz der nuklear angetriebenen U-Boote des Landes in der Pazifikregion.

Nach Beben in Kamtschatka Russische Atom-U-Boot-Basis soll beschädigt sein

+++ 01:07 General der Litauen-Brigade: Mit NATO „ist nicht zu spaßen“ +++
Der Brigadegeneral der 45. Panzerbrigade der Bundeswehr in Litauen, Christoph Huber, bekräftigt das Ziel, die in Litauen stationierten Truppen binnen zwei Jahren zu einer einsatzbereiten Brigade zu formen. „Wir haben das große Ziel, bis Ende 2027 eine kriegstüchtige und einsatzbereite Brigade zu sein, um unseren Beitrag zur Verhinderung eines Krieges leisten zu können“, sagt Huber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Huber sagt, man wolle ein Zeichen setzen: „Bis hierhin und nicht weiter. Hier ist Schluss. Hier steht die NATO, das stärkste Verteidigungsbündnis der Geschichte. Und damit ist nicht zu spaßen. Ich glaube, das ist die wichtige Botschaft, die wir senden müssen.“

Litauen-Brigade 2027 kampfbereit General Huber: Bereiten uns auf den „Krieg der Zukunft“ vor

+++ 21:30 Zwei Tote im Gebiet Charkiw – Selenskyj besucht Front +++
Bei einem russischen Drohnenangriff sind in der Nähe von Wowtschansk im ostukrainischen Gebiet Charkiw zwei Menschen getötet worden. Der Mann und die Frau seien auf einem Moped unterwegs gewesen, als sie von der Drohne getroffen wurden, teilt die Polizei des Gebiets bei Telegram mit. Zugleich berichtete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ebenfalls bei Telegram von seinem Frontbesuch in dem Gebiet und in der Stadt Charkiw.

+++ 21:00 Moskau will nicht mehr auf landgestützte atomare Waffen verzichten +++
Nach dem Ausstieg der USA aus dem Vertrag über den Verzicht auf landgestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen hält sich nun auch Russland offiziell nicht mehr an die Abrüstungsvereinbarung. Das Außenministerium in Moskau erklärt ein Moratorium für beendet, mit dem sich Russland nach eigenen Angaben auch nach dem US-Ausstieg seit 2019 weiter an das Abkommen hielt. Die Lage entwickele sich so, dass landgestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen aus US-Produktion in Europa stationiert würden, heißt es zur Begründung. Zuvor hatte Kremlchef Wladimir Putin schon angedroht, dass Russland auf die für 2026 geplante Stationierung von US-Raketen in Deutschland „spiegelgerecht“ reagieren werde. Die Waffen dafür seien kurz vor der Fertigstellung, hieß es bereits vor einem Jahr aus dem Kreml. Die Bundeswehr sah daraufhin auch deutsche Städte in Gefahr.

+++ 20:02 Deutschland verlegt fünf Kampfflugzeuge nach Polen +++
Die deutsche Luftwaffe verlegt für mehrere Wochen fünf Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter nach Polen. Ab Dienstag sind die Jets vom Typ Eurofighter auf dem Militärflugplatz Minsk Mazowiecki stationiert und starten auch von dort, sagte ein Sprecher der Luftwaffe. Nach Angaben der Luftwaffe soll der Einsatz auf dem Flugplatz östlich von Warschau knapp einen Monat dauern. Rund 150 Bundeswehrsoldaten sind vor Ort. Bereits seit April unterstützt die deutsche Luftwaffe die polnischen Streitkräfte dabei, den Luftraum Polens zu überwachen. Bislang starteten die Kampfjets dazu aber von Rostock aus. Mit der Verlegung reagiere Deutschland auf eine polnische Anfrage, heißt es.

+++ 19:30 Abschussquote steigt: Video zeigt ukrainisches Ramm-Manöver +++
Immer häufiger setzt die Ukraine kleine Drohnen ein, um russische Fluggeräte gezielt vom Himmel zu holen. Neue Videos zeigen spektakuläre Ramm-Manöver im Luftkampf. Die Abschussquote steigt – im Juli erreicht sie mit über 75 Prozent einen neuen Jahreshöchstwert.

Videos zeigen Luftabwehr-Taktik Ukrainische Abschussquote zieht überraschend an

+++ 18:22 Öl-Geschäfte mit Moskau: Trump droht Indien mit Konsequenzen +++
US-Präsident Donald Trump droht Indien wegen dessen Käufen von russischem Öl mit „erheblich“ höheren Zöllen. Indien kaufe nicht nur riesige Mengen des Öls, sondern verkaufe dieses mit großem Gewinn auf dem freien Markt weiter, schreibt Trump auf Truth Social. Es sei Indien egal, wie viele Menschen in der Ukraine „durch die russische Kriegsmaschinerie getötet werden“. Deshalb werde er die von Indien an die USA zu zahlenden Zölle „erheblich anheben“. Er schreibt jedoch nichts über eine konkrete Höhe. Eine Stellungnahme der indischen Regierung liegt noch nicht vor. Am Wochenende erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus indischen Regierungskreisen, man werde trotz der Drohungen weiterhin Öl aus Russland kaufen.

+++ 16:45 Selenskyj: Söldner aus China und Afrika kämpfen in Charkiw +++
An der Front in der nordöstlichen Region Charkiw kämpfen nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch Söldner aus China, Pakistan und afrikanischen Ländern für Russland. Dies hätten ihm seine Soldaten bei einem Besuch dort berichtet, schreibt Selenskyj auf X. „Wir werden darauf reagieren.“ Er habe mit den Kommandeuren die Lage an der Front und die Verteidigung der Stadt Wowtschansk besprochen.

+++ 16:15 ISW: Russland baut Flughafen in Donezk um – für massive Drohnenangriffe +++
Russland saniert offenbar die Landebahn des seit 2015 besetzten Flughafens von Donezk, um den Einsatz von Angriffsdrohnen deutlich auszuweiten. Dies schreibt das Institute for the Study of War (ISW) unter Berufung auf die OSINT-Gruppe „Cyberboroshno“. Demnach zeigen Satellitenbilder aus dem Juli 2025 deutliche Veränderungen an dem Flughafen: In der Nähe des zerstörten Terminals werden dem Bericht zufolge geschlossene Lagerräume für die Drohnen gebaut, zusammen mit manuellen Kontrollstationen, Entladungszonen für Kampfausrüstung, Scheinpositionen, Luftbeobachtungsposten. Auch die Landebahn werde derzeit wiederaufgebaut, heißt es. Die russischen Behörden haben außerdem Teile der Befestigungsanlagen auf der Landebahn entfernt und mit dem Bau angrenzender Parkflächen begonnen, möglicherweise um dort Treibstofftanks zu installieren, so das ISW.

+++ 15:36 Ukraine: Haben S-300-Flugabwehrsystem in Saporischschja zerstört +++
Die ukrainischen Streitkräfte geben an, ein russisches Flugabwehrraketensystem vom Typ S-300 im besetzten Teil von Saporischschja zerstört zu haben. Dies teilt der Generalstab der Ukraine auf Telegram mit. „Die Ausschaltung dieses Ziels schwächt die Fernkampfkapazitäten des Feindes erheblich und verringert seine Fähigkeit, Stellungen der ukrainischen Verteidigungskräfte zu beschießen und zivile Infrastruktur in der Region anzugreifen“, heißt es weiterhin. Das S-300 ist ein Langstrecken-Flugabwehrraketensystem, das Flugzeuge, Marschflugkörper und ballistische Raketen abfängt. Es ist ein wichtiger Bestandteil der russischen Luftverteidigung.

+++ 14:40 Ukraine bestätigt Angriff auf Treibstofflager in Sotschi +++
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben am Sonntag ein Treibstofflager des Flughafens von Sotschi im Süden Russlands angegriffen. Dabei seien Drohnen zum Einsatz gekommen, teilt der ukrainische Generalstab mit. Auf dem Flugplatz hätten sich Militärmaschinen befunden. Die russischen Behörden hatten bereits am Sonntag die Ukraine für den Angriff verantwortlich gemacht, bei dem zwei Treibstofftanks in Brand geraten seien.

+++ 13:08 Geheimdienst: Russische Kampfjets auf der Krim attackiert +++
Der ukrainische Geheimdienst SBU hat einen russischen Luftwaffenstützpunkt auf der Krim angegriffen. Bei der Attacke mit Drohnen sei ein Flugzeug des Typs Su-30SM komplett zerstört worden, teilt der SBU mit. Eine weiteres Su-30 sei beschädigt sowie drei weitere Bomber vom Typ SU-24 zumindest getroffen worden. Ferner habe man auch ein Waffenlager auf dem Flugplatz angegriffen, so der Geheimdienst.

+++ 12:35 Kreml mahnt Trump: Bei Atom-Rhetorik vorsichtig sein +++
Der Kreml mahnt US-Präsident Donald Trump zur verbalen Zurückhaltung, nachdem dieser die Verlegung von zwei amerikanischen Atom-U-Booten angekündigt hat. Bei der Verwendung von Nuklear-Rhetorik sollte jedermann sehr vorsichtig sein, erklärt der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Gleichzeitig spielt er die Bedeutung von Trumps Äußerungen herunter. Es sei ohnehin klar, dass sich US-U-Boote bereits im Kampfeinsatz befänden. Moskau habe kein Interesse an einem polemischen Austausch mit Trump in dieser Frage. Trump hatte am Freitag erklärt, er habe die Verlegung von zwei Atom-U-Booten in „geeignete Regionen“ angeordnet. Vorausgegangen war ein von gegenseitigen Drohungen geprägter Online-Schlagabtausch zwischen Trump und dem früheren russischen Präsidenten Dmitri Medwedew.

+++ 12:04 Moskau attackiert mit Kinschal-Rakete ukrainischen Flugplatz +++
Das russische Militär hat mit Hyperschallraketen des Typs Kinschal (Dolch) Ziele in der Ukraine angegriffen. Mutmaßliches Ziel ist einer Mitteilung der ukrainischen Luftwaffe zufolge der Militärflugplatz Starokostjantyniw in der Westukraine. Konkret bestätigt wurde das zunächst nicht. Nach vorläufigen Angaben habe es keine Toten oder Verletzten gegeben, schreibt der Gouverneur des Gebiets Chmelnyzkyj, Serhij Tjurin, bei Telegram. In der Hauptstadt Kiew war der Schall der vorbeifliegenden Hyperschallraketen zu hören. Dreimal wurde am Vormittag landesweit Luftalarm ausgerufen, weil in Russland Kampfjets Mig-31K-Jets starteten, die Kinschals in die Luft bringen. In der kurz vor Mittag veröffentlichten Statistik der ukrainischen Luftwaffe war vorerst von einer Kinschal-Rakete die Rede. Zudem habe das russische Militär 162 Drohnen im Verlaufe der Nacht eingesetzt. Alle bis auf eine seien entweder abgeschossen oder mittels elektronischer Abwehrmaßnahmen zu Boden gebracht worden. An neun Orten im Gebiet Odessa und im Kiewer Umland seien aufgrund von herabgestürzten Trümmern Brände ausgebrochen. Örtlichen Behörden zufolge seien die Brände schnell gelöscht worden. Schäden habe es an mehr als einem Dutzend Gebäuden gegeben.

+++ 11:37 China entzieht westlichen Rüstungsbetrieben Zugang zu wichtigen Rohstoffen +++
China schränkt Lieferungen wichtiger Mineralien an westliche Rüstungshersteller ein, die für die Herstellung verschiedener Güter von Geschossen bis zu Düsenjägern benötigt werden. Hersteller sehen sich gezwungen, weltweit nach Beständen solcher Mineralien zu suchen, um die Produktion fortsetzen zu können. Nachdem die Trump-Regierung im Juni im bilateralen Handel eine Reihe von Zugeständnissen gemacht hatte, erlaubt Peking zwar die Ausfuhr von sogenannten Seltenen Erden, hielt aber die für Rüstungszwecke wichtigen Mineralien weiterhin unter Verschluss. China liefert rund 90 Prozent der weltweit benötigten Seltenen Erden und dominiert die Produktion vieler wichtiger anderer Mineralien. Ein Hersteller von Drohnenbauteilen, der das US-Militär beliefert, musste Aufträge um bis zu zwei Monate verschieben, während er nach einer Quelle außerhalb von China für Magnete suchte, die aus seltenen Erden zusammengesetzt werden.

+++ 10:31 Jäger: Russlands Signal an die USA „ist überdeutlich“ +++
Später als ursprünglich angekündigt reist der US-Sonderbeauftragte Witkoff nach Russland. Das „große Rätsel“ ist in den Augen von Politologe Thomas Jäger die Frage, was hinter dem Verzug steckt. Russlands Signale machen indes klar: „Diplomatisch ist das Ganze ans Ende gekommen“, erklärt der Experte.

„Trump hat nicht viel in der Hand“ Jäger: Russlands Signal an die USA „ist überdeutlich“

+++ 08:50 Ukraine: Pokrowsk-Region schwer umkämpft +++
In den vergangenen 24 Stunden verzeichnen die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben 183 Zusammenstöße mit Russland. Am intensivsten war die Situation demnach in der Region Pokrowsk, wo das ukrainische Militär 49 Angriffe der russischen Armee abwehrte. In den Gebieten Nord-Sloboschansk und Kursk wehrten die ukrainischen Verteidiger 19 russische Angriffe ab.

WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN

MoKlingbeil gegen Komplettabschaffung des Bürgergelds für Ukrainer305dts Nachrichtenagentur
MoROUNDUP 3/Milliarden fürs Bürgergeld: Soll man bei Ukrainern sparen?199dpa-AFX

KOMMENTARE – ANALYSE – HINTERGRÜNDE

KOMMENTAR – Deutliches Zeichen an den Westen: Die Marinen Chinas und Russlands üben gemeinsam im Japanischen Meer – Patrick Zoll (Taipeh), NZZ, 4.8.2025

Die Armeen Chinas und Russlands arbeiten immer enger zusammen. Während China lange in der Rolle des Lernenden stand, übernimmt es nun zunehmend die Führungsrolle.

Russland und China haben am Wochenende ein gemeinsames Manöver im Japanischen Meer begonnen. Während dreier Tage üben Schiffe, U-Boote und Flugzeuge der Marinen beider Länder gemeinsam in Gewässern vor der russischen Hafenstadt Wladiwostok, wo Russlands Pazifikflotte stationiert ist. Zu den Übungsanlagen gehörten gemeinsame Such- und Rettungsaktionen, die Bekämpfung von U-Booten und die Flugabwehr, teilte das russische Kommando laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass mit. Auch Schiessübungen mit scharfer Munition würden durchgeführt.

Das Manöver gehört zu einer Serie von gemeinsamen Übungen, die seit 2012 praktisch jährlich stattfinden. Bei der gegenwärtigen Ausgabe sind beide Länder mit je drei Schiffen und einem U-Boot beteiligt. Laut «USNI News», der Publikation des US Naval Institute, ist es das erste Mal, dass ein chinesisches U-Boot für eine Übung nach Russland verlegt wurde.

Der Kampf gegen U-Boote ist ein Fokus

Das russisch-chinesische Manöver kommt, zwei Tage nachdem der amerikanische Präsident Donald Trump angekündigt hatte, zwei Atom-U-Boote in «angemessene Regionen» zu verlegen. Er reagierte damit auf Drohungen von Dimitri Medwedew, dem Vizevorsitzenden des russischen Rats für nationale Sicherheit. Das Manöver ist allerdings keine direkte Reaktion auf Trumps Aussage, denn es war schon früher angekündigt worden.

Dass die gemeinsame U-Boot-Jagd ein Fokus der Übung ist, hat einen anderen Grund. Experten sagen, dass U-Boote in einem Krieg um Taiwan eine Schlüsselrolle spielten. Vor allem in einer frühen Phase des Konflikts dürfte es für amerikanische und alliierte Schiffe und Flugzeuge fast unmöglich sein, in die Nähe der Insel zu gelangen, ohne von chinesischen Raketen angegriffen zu werden. Die 53 Jagd-U-Boote der US Navy sind schnell, kaum zu orten und schwer bewaffnet. Für China – und allenfalls seinen Partner Russland – ist es daher eminent wichtig, diese U-Boote erfolgreich bekämpfen zu können.

Laut chinesischen Angaben ist das Manöver rein defensiver Natur und richtet sich nicht gegen Dritte. Das sind allerdings Standardfloskeln bei chinesischen Militärmanövern. Peking versucht seine militärischen Aktivitäten grundsätzlich als friedfertig darzustellen, auch wenn das andere Länder häufig anders wahrnehmen.

Japan sieht sich von Russland und China bedroht

So zum Beispiel Japan. In der neusten Ausgabe seines jährlich erscheinenden Lageberichts, die im Juli erschien, beschreibt Tokio sein Nachbarland als seine grösste strategische Herausforderung. Pekings wiederholte, mit Moskau gemeinsame militärische Aktivitäten dienten eindeutig der Machtdemonstration gegenüber Tokio und seien äusserst besorgniserregend, heisst es da.

Japan ist über die russisch-chinesische Zusammenarbeit auch deswegen besorgt, weil es mit beiden Ländern territoriale Konflikte hat. In den zwölf Monaten bis Ende März 2025 fingen japanische Kampfjets 464 chinesische Flugzeuge ab, die sich seinem Luftraum annäherten. Russland löste 237 solcher Einsätze aus.

Die Zahl der chinesisch-russischen Manöver nimmt zu

Gemeinsame Manöver seien seit einigen Jahren ein treibender Faktor für die Stärkung der chinesisch-russischen Beziehungen, schreiben die Experten des China Power Project, das von der amerikanischen Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) geführt wird.

Das erste russisch-chinesische Manöver fand 2003 statt. Seither haben die beiden Länder laut einer Zusammenstellung des CSIS 113 gemeinsame Militärübungen und Patrouillen durchgeführt, zum Teil unter Mitwirkung weiterer Teilnehmer. Auffallend ist, dass mehr als die Hälfte dieser Übungen ab 2019 stattgefunden haben.

Russlands Grossangriff auf die Ukraine im Frühling 2022 hat dem Trend zu mehr gemeinsamen Übungen kein Ende gesetzt. Im Gegenteil. Dies ist ein deutliches Zeichen an den Westen, dass Peking hinter Moskaus brutalem Vorgehen in der Ukraine steht.

Zunehmend fänden die gemeinsamen Übungen in strategisch sensiblen Regionen statt, die für China wichtig seien, wie zum Beispiel im Gelben Meer, im Ostchinesischen Meer, im Südchinesischen Meer und um Alaska, schreibt die deutsche Denkfabrik Merics, die sich auf China fokussiert. Das sei ein starkes Zeichen an regionale Rivalen.

Das Kräfteverhältnis verschiebt sich

Vor allem im maritimen Bereich hat China von der Kooperation mit Russland profitiert. Die chinesische Marine ist in den letzten Jahren gewachsen, und ihr Einsatzgebiet hat sich ausgedehnt. Doch sie hat vergleichsweise wenig Erfahrung mit Operationen in weit entfernten Einsatzgebieten. Die russische Flotte, die aus der sowjetischen entstand, ist da viel weiter. Bei gemeinsamen Übungen wird auch die Interoperabilität geübt, die Fähigkeit, gemeinsam agieren und im Krisenfall kämpfen zu können.

Allerdings beginnt sich das militärische Kräfteverhältnis zu verschieben. Chinas Kampfkraft nimmt zu, Russlands Fähigkeiten werden nicht zuletzt durch den dreijährigen Krieg gegen die Ukraine geschwächt. Das CSIS meint aufgrund seiner Beobachtungen, dass Chinas Militär in gemeinsamen Übungen immer häufiger die Führungsrolle übernehme, während diese früher meist bei den Russen gelegen sei. Im militärtechnologischen Bereich ist Russland zunehmend von China abhängig – jahrelang war das genau umgekehrt. Und die chinesische Rüstungsindustrie läuft bei Exporten in Drittländer der russischen immer mehr den Rang ab.

Das laufende Manöver im japanischen Meer soll noch bis Dienstag dauern. Danach wird ein Teil der Schiffe zu einer gemeinsamen Patrouille im Westpazifik aufbrechen. Details über die Route sind bis jetzt nicht bekannt. Letztes Jahr gab es zwei solcher gemeinsamen Patrouillen. Beide Male durchfuhren die chinesischen und russischen Schiffe Meerengen in der japanischen Inselkette. Dabei operierten die Flottenverbände östlich von Japan, Taiwan und den Philippinen. In genau den Gewässern also, welche die US Navy im Krisenfall durchfahren müsste.

ANALYSE – An der Grenze zur Nato: Satellitenbilder zeigen neue russische Militärkomplexe – Adina Renner, NZZ, 11.07.2025 (inkl. VIDEO-Link)

Russland errichtet in der Nähe der finnischen Grenze eine neue Garnison. Welche Strategie verfolgt das Militär damit?

In der russischen Arktis, nahe der Grenze zu Finnland, wird fleissig gebaut. Stolz berichtet der Gouverneur der Region auf der Nachrichten-App Telegram fast täglich über neue Schulen und Sportanlagen, geflickte Strassen und Wohnhäuser, die instand gesetzt werden. Doch nicht nur die zivile Infrastruktur wird saniert. Auch Militäranlagen – oft nur knappe 100 Kilometer von der finnischen Grenze entfernt – werden erneuert und erweitert.

Russland baut diese Anlagen mit Blick auf den Krieg in der Ukraine aus. In frisch errichteten Zeltlagern trainieren Soldaten für den Einsatz an der Front. Ausserdem entstehen neue Lagerhallen für Waffen. Doch Russland visiert längst auch eine Zeit nach dem Krieg an. Westliche Experten gehen davon aus, dass Putin sich bereits heute auf eine mögliche Konfrontation mit der Nato vorbereitet. Dafür benötigt er auch Truppen an der Grenze zu Finnland, das seit 2023 Teil der Nato-Aussengrenze bilden.

Neue Satellitenbilder zeugen von diesen Entwicklungen. Sie zeigen, dass in der Militärstadt Luptsche-Savino Infrastruktur für eine permanente Stationierung von Truppen gebaut wird, wie der finnische Sender YLE zuerst berichtet hatte. In dem heruntergekommenen Ort in Murmansk, der nordwestlichsten Region Russlands, wurden 2024 zwei alte Gebäude abgerissen – offenbar, um Platz für neue zu machen. Über den Winter wurde eine Waldfläche gerodet. Und als Ende Mai der Schnee schmolz, wurden auch neue Gebäude auf den Satellitenbildern erkennbar.

Quelle: Vertical52

Laut der Regionalverwaltung von Murmansk entstehen in Luptsche-Savino eine Kantine, ein medizinisches Zentrum, zwei Baracken und drei Schlafsäle. Die Rede ist vom Aufbau einer Militärgarnison, also einer Anlage, in der Soldaten und Ausrüstung ständig untergebracht werden können.

Von der Regierung veröffentlichte Bilder und Videos zeigen den Gouverneur von Murmansk, Andrei Tschibis, beim Besuch der Baustelle im Februar 2025. Sie zeigen auch eine Karte der geplanten Neubauten. Auf dem aktuellen Satellitenbild ist bereits das Fundament von neun dieser Gebäude deutlich zu erkennen.

Oben: Der Gouverneur der Region Murmansk besuchte im Februar die Militärstadt, um sich die Baufortschritte anzusehen. Unten: Auf den Gebäudefundamenten entstehen erste Mauern.
Quelle: Regierung der Region Murmansk

Comeback der russischen Militärstädte

Der Ausbau von Luptsche-Savino ist Teil eines Programms zur Wiederbelebung von Militärstädten und Garnisonen in der Region Murmansk.

Bereits zwischen 2019 und 2024 wurden erste Sanierungsarbeiten in den sogenannten «Zatos» durchgeführt – geschlossene Militärstädte, die nur mit einer Sondergenehmigung betreten werden können. 2024 bewilligte Putin einen Plan über 42 Milliarden Rubel, etwa 430 Millionen Franken, um weitere geschlossene Städte und Militärgarnisonen zu erneuern. Zum Vergleich: Das ist umgerechnet knapp ein Zehntel dessen, was die Schweiz pro Jahr für ihre Armee ausgibt. Das russische Bauprogramm wurde erst kürzlich bis ins Jahr 2030 verlängert.

Neben dem Ausbau der militärischen Anlagen wird auch die zivile Infrastruktur saniert und erweitert. So wurden in Luptsche-Savino laut der Regionalregierung in Murmansk bereits zwei Wohnhäuser renoviert und sieben Wohnungen vermietet, unter anderem «an die Familien von Teilnehmern der militärischen Spezialoperation». Gemeint sind Angehörige der russischen Soldaten, die in der Ukraine kämpfen.

In Petschenga, einer Militärstadt, die im äusserten Norden Russlands direkt an der norwegischen Grenze liegt, wurde auch ein neues Schulgebäude für die Primarstufe eröffnet. Die Aufmachung des offiziellen Regierungsvideos, mit Waffenschulungen für Kinder und Fahnenappellen, erinnert an die Geschichte der Militärstädte in der Sowjetunion.

Regierungsvideo, das zur Eröffnung einer Primarschule vom Gouverneur Andrei Tschibis publiziert wurde.  (VIDEO)

Eine langfristige Militärstrategie

In der neuen Garnison in Luptsche-Savino soll künftig die 104. Artilleriebrigade untergebracht werden. Ukrainische Militärbeobachter gehen davon aus, dass die Brigade bereits 2023 kurz dort war und dann nach Bachmut verlegt wurde, einer damals heftig umkämpften Stadt in der Ukraine. Ausserdem soll in Luptsche-Savino die 37. selbständige Geniebrigade stationiert werden. Die Brigade befindet sich noch im Aufbau. Der finnische Militärexperte Emil Kastehelmi schätzt, dass der Standort insgesamt über 2000 Soldaten beherbergen könnte.

Kastehelmi sieht in den Satellitenbildern von Luptsche-Savino einen Beweis für die Umsetzung von Russlands langfristiger Militärstrategie: eine starke Armee an der Nato-Aussengrenze zu positionieren. «Die neuen Brigaden und das Bauprojekt zeugen davon, das Russland in seiner Militärstrategie den Nordwesten priorisiert», sagt er. Finnische und estnische Politiker gehen davon aus, dass die Gefahr eines direkten Angriffes nach wie vor gering ist. Doch sie beobachten genau, was auf der russischen Seite der Grenze geschieht.

In der Zwischenzeit postet der Gouverneur von Murmansk weiterhin seine Telegram-Updates. Vor einer Woche schrieb er über das Bauprogramm: «Es geht nicht nur um Bau und Reparaturen – es geht um Komfort für diejenigen, die unser Land verteidigen.»

Mitarbeit: Nicolas Staub

KOMMENTAR – Kann Europa die Russen abschrecken? Mitnichten, sagen neue Daten – Peter A. Fischer, NZZ, 23.06.2025

Russland rüstet stark auf. Die USA fordern von den europäischen Nato-Mitgliedern, Moskau bald aus eigener Kraft abschrecken zu können. Mit dem jetzigen Tempo der Aufrüstung würde das aber noch Jahrzehnte dauern. Und mehr Geld allein genügt nicht.

Wird der diese Woche anstehende Nato-Gipfel zu einer Demonstration der Einigkeit, oder kommt es zu einem Eklat zwischen den USA und Europa?

An der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dieses Jahres hatte der amerikanische Vizepräsident J. D. Vance die Europäer brüskiert, indem er sie als unfähig bezeichnete. Am Shangri-La-Dialog in Singapur hatte dann aber Ende Mai der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth ein überraschendes Lob für Europa parat: Die europäischen Nato-Länder hätten den Ernst der Situation begriffen und seien dabei, ihre Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) zu erhöhen – «sogar Deutschland», sagte Hegseth mit hörbarem Erstaunen.

Geopolitische Einordnung im Überblick

Kurzgefasst: Die wichtigsten europäischen Militärmächte haben ihre Rüstungsanstrengungen erhöht. Doch das reicht nicht, um die seit dem Fall des Eisernen Vorhangs vernachlässigte militärische Abschreckung auf Vordermann zu bringen.

Geopolitische Einschätzung: Es gibt in Europa grosse Unterschiede. Würden alle Länder 5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufwenden, müssten sie insgesamt mehr als 700 Milliarden Dollar mehr ausgeben.

Blick voraus: Es geht nicht nur ums Geld. Die europäischen Armeen und ihre Rüstungsindustrie müssen innovativer und leistungsfähiger werden. Dazu braucht es einen europäischen Ansatz und dank mehr Wettbewerb günstigere Preise.

Vielleicht ist tatsächlich ein Ruck durch Europa gegangen. Bis anhin allerdings geben die Fakten Donald Trump noch mehr als genug Grund zur Behauptung, Europa ziehe die USA über den Tisch. Zwar stimmt es, dass die europäischen Nato-Mitglieder in den vergangenen zehn Jahren und verstärkt seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ihre Ausgaben für die Verteidigung erhöht haben. Doch das ist noch viel zu wenig, um Russland eigenständig verlässlich abschrecken zu können. Nun fordern die USA, das Verteidigungsziel auf 5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen.

Tatsächlich geben alle europäischen Nato-Mitglieder zusammen immer noch weniger als halb so viel für ihre Verteidigung aus wie die USA. Einige zeigen zudem wenig Begeisterung, nur schon das 2-Prozent-Ziel zu erreichen. In Europa verschlingt der Sozialstaat immer mehr Geld. Das hält vor allem in den Ländern, die etwas weiter weg von Russland gelegen sind, davon ab, tatsächlich nachzurüsten. Die Schweiz und Österreich, die beide nicht Mitglied der Nato sind, sind dafür besonders unrühmliche Beispiele.

Noch erreichen viele Länder das Zwei-Prozent-Ziel (blau) nicht, das Fünf-Prozent-Ziel (grau) erfordert von den meisten eine Vervielfachung

Laut den Daten des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts Sipri haben 2024 die osteuropäischen Staaten, die Skandinavier sowie Frankreich und Grossbritannien das 2-Prozent-Ziel erreicht. Deutschland verfehlte es mit 1,9 Prozent knapp, Italien (1,6) und Spanien (1,4) schon deutlich. Österreich wandte 1,0 Prozent, die reiche Schweiz 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung fürs Militär auf.

Es fehlen mehr als 700 Milliarden Dollar

Nur Polen und die baltischen Staaten kommen in Europa dem 5-Prozent-Ziel bereits nahe. Das war auch schon anders. Im Kalten Krieg gaben sowohl die USA wie Grossbritannien mehr aus, und auch Frankreich und Deutschland wandten 3 Prozent auf.

Nimmt man das 5-Prozent-Ziel zum Massstab, ist die Rüstungslücke in Europa heute gewaltig. 2024 gaben alle europäischen Staaten zusammen 537 Milliarden Dollar für ihre Verteidigung aus (in den USA waren es 997). Um das 5-Prozent-Ziel zu erreichen, müssten sie ganze 703 Milliarden Dollar mehr ausgeben. Wobei die führenden vier Länder Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Polen jeweils etwa die Hälfte ausmachen.

Russland rüstet schnell auf

Dass es dabei nicht bloss um nackte Zahlen, sondern um gefährliche Verletzlichkeiten geht, zeigt eine vergangene Woche von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zusammen mit dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) veröffentlichte Studie mit dem Titel «Fit for war by 2030. European rearmament efforts vis-a-vis Russia». Die Autoren haben darin auf über hundert Seiten Daten zu den Rüstungsbeständen und militärischen Beschaffungsvorhaben der wichtigsten vier europäischen Militärmächte analysiert und mit denjenigen Russlands verglichen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Putins Rüstungsindustrie kaufkraftbereinigt gegenwärtig leistungsstärker ist als diejenige von Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Polen zusammen. Die Autoren weisen warnend darauf hin, dass Europa bei dem gegenwärtigen Tempo seiner Aufrüstung mehrere Jahrzehnte brauche, um eigenständig wehrfähig zu werden. Seit ihrer letzten Untersuchung vor einem Jahr habe sich daran kaum etwas geändert.

Das unter Putin zunehmend aggressiv auftretende Russland hingegen hat offenbar seine Rüstungsproduktion in kurzer Zeit vervielfacht (wobei es teilweise altes Gerät modernisiert). Russlands Rüstungsindustrie produziert nun bis zu 150 neue Kampfpanzer pro Monat. Zudem rollen jeden Monat rund 550 andere gepanzerte Fahrzeuge vom Fliessband. Den Streitkräften ausgeliefert werden laut der Analyse von Bruegel und dem IfW jeden Monat 56 neue Panzerhaubitzen. Die erhöhte Rüstungsproduktion und der erweiterte Mobilisierungseffort Russlands gehen laut der Analyse über das hinaus, was der Kreml für den Konflikt in der Ukraine braucht. Sie stellen eine echte Bedrohung für den Rest Europas dar.

Europa reagiert zu langsam

Dem stehen drastisch gesunkene Bestände an klassischem Armeematerial in Europa gegenüber. So ist die Zahl der Kampfpanzer in den vier wichtigsten europäischen Armeen laut der Analyse aus Brüssel und Kiel von 12 841 im Jahr 1992 auf bloss noch 1388 im Jahr 2024 gesunken. Die Europäer brauchten aber etwa doppelt so viele, um Russland von einem traditionellen Angriff mit Bodentruppen auf das Baltikum aus eigener Kraft glaubhaft abschrecken zu können. Bis anhin sind bloss 482 bestellt, wobei selbst deren Auslieferung Jahre benötigen dürfte.

Die klassischen Rüstungsbestände sind stark zurückgegangen

Die Kampfpanzer sind nur ein Beispiel unter vielen; auch die Zahl der verfügbaren Panzerhaubitzen ist von 6945 auf 843 gesunken. Auch hier brauchte es doppelt so viele; bestellt sind erst 553. Insgesamt veranschlagt die Studie den Bedarf an klassischer militärischer Abschreckung auf 25 bis 50 zusätzliche europäische Nato-Brigaden, die modern ausgerüstet werden müssten.

Der Kieler Military procurement tracker zeigt zwar, dass sich die Rüstungsbeschaffung Deutschlands, Grossbritanniens und Polens seit 2021 nahezu verdreifacht hat (für Frankreich liegen zu wenig öffentlich zugängliche Daten vor). Das hat die Unterstützung der Ukraine ermöglicht. Doch für die erforderliche umfassende Modernisierung der europäischen Abschreckung reicht dies bei weitem nicht.

Es braucht einen europäischen Ansatz

Der Krieg in der Ukraine und die Kriege im Nahen Osten zeigen zweierlei: Russland demonstriert erstens, dass der von den USA propagierte «klinische Krieg», in dem eine Auseinandersetzung mit sehr präzisen Lenkwaffen und modernster Technik von weit weg und mit geringen zivilen Kollateralschäden ausgetragen werden kann, mittelfristig meist eine Illusion bleibt. Es braucht weiterhin Bodentruppen, allerdings ergänzt durch neue Technik wie Drohnen, von denen Russland und die Ukraine nun mehr als 3 Millionen Stück pro Jahr produzieren. Zweitens zeigen die militärischen Erfolge Israels und der USA aber auch, dass technologische Überlegenheit und die Kombination von klassischen militärischen Mitteln mit geheimdienstlichen Aktionen entscheidend sind.

Für Europas Fähigkeit, Russland möglichst bis 2030 eigenständig abschrecken zu können, bedeutet dies:

  • Technologieführerschaft: Klassische Rüstungsgüter kann Europa zunehmend selbst herstellen. Doch bei den modernsten Mitteln der Kriegsführung sind die Länder stark auf die USA angewiesen. Um aufzuholen, sollten sie gemeinsam mehr in Forschung investieren. 2023 investierten die USA 145 Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung, China im vergangenen Jahr 21 Milliarden Euro, Europa hingegen bloss 13 Milliarden Euro. So bleibe Europa technologisch hinter den USA und China zurück, mahnt Guntram Wolff, Professor an der Solvay Brussels School und einer der Autoren der Studie von Bruegel und dem IfW. Diese schlägt die Schaffung einer europäischen Innovationsagentur nach dem Vorbild der amerikanischen Darpa (Defense Advanced Research Projects Agency) vor. Ziel müsse es sein, Rüstungs-Startups einen genauso guten Zugang zu Bestellungen zu geben wie etablierten Unternehmen.
  • Gemeinsame Anstrengungen: In Europa sind die militärischen Systeme und Rüstungsanstrengungen noch zu stark national geprägt und zu wenig koordiniert. Dies führt zu grossen Effizienzverlusten und Koordinationsschwierigkeiten. Während einige Länder sich ganz auf die eigene Industrie ausrichten, kaufen andere primär in den USA ein. Eine europäische Konsolidierung könnte dies ändern.
  • Mehr Wert fürs Geld: Die staatlichen nationalen Beschaffungswesen sind zu schwerfällig aufgestellt. Sie kaufen zu sehr unterschiedlichen Preisen oft sehr teuer ein. Im Interesse der knappen staatlichen Mittel könnten mehr Wettbewerb und mehr Effizienz in der europäischen Rüstungsindustrie deutlich mehr Wert fürs gleiche Geld schaffen.

So gesehen zielt die soeben beschlossene neue Schweizer rüstungspolitische Strategie in die richtige Richtung. Sie will Beschaffungen künftig primär in internationalen Rüstungskooperationen mit den europäischen Nachbarländern tätigen. Am Nato-Gipfel muss sich jedoch zeigen, dass der europäische Wille, Russland abzuschrecken, über die Formulierung von Strategien hinausgeht. Der Kreml hat angekündigt, auch diesen Herbst wieder in Weissrussland an der Grenze zu Litauen ein grosses Manöver mit dem Namen Sapad (Westen) durchzuführen. Abschreckend wirkt nur die Nato. Allein wehrbereit sind die Europäer vorläufig mitnichten.

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Datenfirma Palantir steigert Umsatz um 48 Prozent

Schweiz sucht Ausweg aus drohendem Zollfiasko

INTERNATIONAL

Staaten gespalten: UNO startet neue Verhandlungen über Plastik – ORF, 4.8.2025

Nachdem bei der fünften Verhandlungsrunde für ein UNO-Plastikabkommen in Südkorea Ende 2024 keine Einigung auf ein solches erzielt werden konnte, startet am Dienstag in der Schweizer Stadt Genf ein neuer Versuch. Der Druck ist groß: Die Länder sind in zwei Gruppen gespalten, und neben den Staaten, die sich für ein umfassendes Abkommen einsetzen, fordern auch NGOs ein befriedigendes Ergebnis.

Bis 14. August sollten sich die Vertreter und Vertreterinnen aus über 170 Staaten vor allem auf eine Obergrenze für die Plastikproduktion einigen. Laut NGOs wächst die Verschmutzung etwa der Ozeane zusehends. Auch finde sich Mikroplastik bereits im menschlichen Körper und richte dort gesundheitlichen Schaden an, so die Warnungen.

Derzeit werden nach Angaben des UNO-Umweltprogramms UNEP, das die Genfer Verhandlungen organisiert, weltweit etwa 460 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr hergestellt – aber nur die Hälfte davon wird recycelt. Ohne Gegenmaßnahmen könnte sich die weltweite Plastikproduktion laut OECD bis 2060 verdreifachen.

Reuters/Eloisa Lopez Eine mit Plastik gefüllte Müllhalde in Rodriguez auf den Philippinen auf einem Drohnenbild

Ölstaaten legten sich wegen Plastikproduktion quer

Geplant war eigentlich, dass die Länder bis Ende 2024 einen gemeinsamen Beschluss zur Eindämmung von Plastik fassen. Darauf hatten sich rund 200 UNO-Staaten im März 2022 geeinigt, fast zehn Jahre dauerten die Vorbereitungen dafür insgesamt. Die fünfte Verhandlungsrunde im südkoreanischen Busan war ursprünglich als finale Verhandlungsrunde angedacht gewesen.

Eine Koalition aus über 100 gleichgesinnten Staaten – darunter etwa die Europäische Union, Mexiko, Panama und Ruanda – hatten eine Obergrenze für die Plastikproduktion gefordert.

Ölstaaten wie Saudi-Arabien und Russland hingegen hatten sich vehement gegen Produktionsgrenzen ausgesprochen – und stattdessen gefordert, dass sich das Abkommen auf eine effiziente Abfallwirtschaft fokussieren solle. Erdöl und Erdgas sind die bei Weitem wichtigsten Rohstoffe für die Kunststofferzeugung.

Auch USA gegen Produktionsbeschränkung

Auch die US-Delegation setzt auf einen Fokus auf die Abfallentsorgung statt auf Produktionsbeschränkungen. Das US-Außenministerium teilte mit, man unterstütze zwar ein Abkommen. Dieses dürfe Herstellern aber keine belastenden Beschränkungen auferlegen, die US-Unternehmen behindern könnten. Einem mit den Gesprächen vertrauten Insider zufolge wollen die USA den Vertrag auf nachgelagerte Themen wie Abfallentsorgung, Recycling und Produktdesign beschränken.

WWF: Bis zu 150 Mio. Tonnen Plastik in Ozeanen

Vor der Neuauflage forderte der WWF nun ein weltweites Verbot der schädlichsten Kunststoffe sowie von krebserregenden und hormonell wirksamen Chemikalien, die derzeit noch vielfach im Einsatz seien, wie es in der Aussendung heißt. „Plastikmüll ist nicht nur eine tödliche Bedrohung für Tiere. Er gelangt auch in Form von Mikroplastik in den menschlichen Körper – mit weitreichenden Folgen“, so WWF-Meeresexperte Axel Hein. Er verwies auf einen neuen WWF-Report, der die gesundheitlichen Gefahren der Plastikverschmutzung für Menschen in den Fokus rückt.

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APA/AFP/Johan Ordonez Müll am Rio Las Vacas in Guatemala

Der Handlungsdruck ist laut WWF jedenfalls enorm, wie unter anderem das Ausmaß der Verschmutzung in den Weltmeeren zeige. Aktuell würden schätzungsweise 80 bis 150 Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen schwimmen. Das entspreche fast der Hälfte des Gewichts der gesamten Weltbevölkerung. Für 60 bis 95 Prozent der weltweiten Plastikverschmutzung der Meere ist demnach Einwegplastik verantwortlich.

Greenpeace forderte ein starkes Abkommen, „das die Ursachen an der Wurzel bekämpft, anstatt Scheinlösungen zu fördern“, wie es am Montag in einer Aussendung hieß. Dazu müsse bis 2040 die Plastikproduktion um 75 Prozent sinken, Einwegplastik verboten und hohe Mehrwegquoten eingeführt werden.

Mikroplastik so gut wie überall

Neben der Verschmutzung durch Plastikabfall an Land und im Meer ist laut Studien auch Mikroplastik bereits so gut wie überall. Die winzigen Kunststoffpartikel werden bereits auf Meeresböden und Berggipfeln gefunden. Und über die Atemluft und das Essen gelangen sie auch in den menschlichen Körper – inzwischen wurde Mikroplastik etwa neben Herz, Lunge, Leber und den Nieren in Blut und im Gehirn nachgewiesen.

APA/AFP/Christophe Simon Ein Forscher untersucht Mikroplastikstücke, die aus der Rhone im südfranzösischen Arles entnommen wurden

Die potenziellen Auswirkungen der winzigen Plastikpartikel im menschlichen Körper auf die Gesundheit sind bisher noch ungeklärt, es handelt sich um ein neues Forschungsfeld. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mahnen jedoch, dass schon jetzt Maßnahmen gegen mögliche Gesundheitsrisiken ergriffen werden müssten.

Fachleute sehen „globale Krise“

Der Müll sei eine „ernsthafte, wachsende und unterschätzte Gefahr“ für die Gesundheit, so Medizinexperten und -expertinnen in einem am Montag im Fachmagazin „Lancet“ erschienenen Bericht. Plastik verursache Krankheiten und könne bei Säuglingen ebenso wie im hohen Alter zum Tod führen.

Die Forscher und Forscherinnen riefen die an den Verhandlungen teilnehmenden Staaten auf, dem UNO-Abkommen zuzustimmen. Der Arzt und Forscher Philip Landrigan appellierte an die Delegierten, die Gelegenheit zum Finden einer „gemeinsamen Basis“ zu nutzen, um auf die „globale Krise“ zu reagieren.

Institut: Politische Entscheidungen können nicht warten

Das Institut für Globale Gesundheit im spanischen Barcelona sagte, dass „politische Entscheidungen nicht auf vollständige Daten“ zu den Gesundheitsrisiken von Mikroplastik warten könnten.

Die meisten bisherigen Studien zu den möglichen Folgen von Mikroplastik für die menschliche Gesundheit sind rein „beschreibend“, können also keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Plastikpartikeln und Erkrankungen herstellen.

Methoden zur Risikobewertung gefordert

Im vergangenen Jahr erschien eine solche „beschreibende Studie“ im US-Fachmagazin „New England Journal of Medicine“. Sie ergab, dass die Ansammlung von Mikroplastik in Blutgefäßen mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkten und Schlaganfällen in Verbindung steht. Eine ähnliche Studie für Mikroplastik im Gehirn gibt es nicht.

APA/AFP/Fabrice Coffrini Der Künstler Benjamin Von Wong hat eine thematisch passende Skulptur in Genf aufgestellt

Das Institut für Globale Gesundheit betonte jedoch, es sei auch ohne komplette Daten wichtig, jetzt zu handeln und etwa „Methoden zur Risikobewertung“ von Mikroplastik zu verbessern, „bevor es zu einer umfassenden Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit“ komme.

Kunstwerk will Aufmerksamkeit stärken

Auch mit Kunst soll auf das Problem aufmerksam gemacht werden. In Anlehnung an die berühmte Skulptur des Denkers von Auguste Rodin, Mutter Erde und die DNA sowie jede Menge Plastikmüll macht der kanadische Künstler Benjamin Von Wong in Genf auf die verheerende Umweltverschmutzung aufmerksam. Seine Installation vor dem Sitz der Vereinten Nationen heißt „The Thinker’s Burden“ (Die Bürde des Denkers).

red, ORF.at/Agenturen

Links:

USA

NAHER OSTEN – MENA WATCH (Mena-Watch auf Wikipedia)

KOMMENTARE – ANALYSEN – HINTERGRÜNDE

ANALYSE – Irans Zukunft ohne Khamenei: Kann das politische System seinen Tod überdauern? – Anne Allmeling, NZZ, 28.07.2025

In Iran hat meist der Revolutionsführer das letzte Wort. Doch was geschieht, wenn Ali Khamenei stirbt? Viele Menschen im Land wünschen sich ein anderes politisches System. Dass es dazu kommt, ist aber längst nicht ausgemacht.

Seit 36 Jahren steht Ali Khamenei an der Spitze der Islamischen Republik. Als Revolutionsführer ist er das Oberhaupt von 90 Millionen Iranern und für viele eine feste Instanz: Die Mehrheit der Einwohner des Landes hat nie ein anderes Staatsoberhaupt erlebt. In fast allen Belangen hat der Revolutionsführer das letzte Wort. Wenn es nach Khamenei geht, soll das auch nach seinem Tod so bleiben: Das wichtigste Ziel des 86-Jährigen ist, dass das politische System der Islamischen Republik mit dem Revolutionsführer an der Spitze nach seinem eigenen Ableben bestehen bleibt.

Doch kann das iranische System den Tod des Revolutionsführers überdauern? Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zeigte sich während des Zwölf-Tage-Kriegs gegen Iran im Juni davon überzeugt, dass der Tod Khameneis zu einem Regimewechsel führen würde. Experten für die Region bezweifeln jedoch, dass das Ableben des Revolutionsführers automatisch ein anderes politisches System zur Folge hätte.

«Wir wissen nicht, was nach Khamenei passiert», sagt Walter Posch, Nahostexperte an der Landesverteidigungsakademie in Wien. Zwar hat Khamenei laut einem Bericht der «New York Times» für den Fall seines Todes drei Kandidaten für seine Nachfolge vorgeschlagen. Doch wer die drei Kandidaten sind, ist offenbar nur dem Expertenrat bekannt. Dieses Gremium besteht ausschliesslich aus Geistlichen und ist für die Wahl des Revolutionsführers zuständig. Vollkommen unklar ist, ob ein Machtwechsel geordnet ablaufen wird und ob Khameneis Nachfolger dieselbe Machtfülle haben wird wie er.

Als Khamenei nach dem Tod von Ayatollah Khomeiny, dem Gründer der Islamischen Republik, im Juni 1989 zu dessen Nachfolger gewählt wurde, galt er als vergleichsweise schwacher Kompromisskandidat, der weder das persönliche Charisma noch die religiöse Autorität seines Vorgängers hatte. Doch nachdem Khamenei zentrale Posten in der Islamischen Republik mit Vertrauten besetzt hatte, gelang es ihm, seine Macht zu festigen. «Das Staatsoberhaupt regiert fast so wie im wilhelminischen Deutschland», erklärt der Nahost-Experte Posch. «Es gibt zwar eine Verfassung und ein Parlament, aber der Revolutionsführer kann auch vieles allein entscheiden. Das fällt vor dem Hintergrund dieser Institutionen aber nicht so auf.»

Schiiten in Pakistan halten bei einer Ashura-Prozession ein Porträt des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei in die Höhe.

Ali Raza / AP

Als Revolutionsführer gibt Khamenei die allgemeinen Richtlinien der Politik vor, kontrolliert die Justiz, die reguläre Armee und die Revolutionswächter, die Polizei und die Geheimdienste, staatliche Medien sowie Organisationen und religiöse Stiftungen, die einen Teil der nationalen Wirtschaft verwalten. Trotzdem ist Khamenei nicht allmächtig: Er muss Rücksicht auf die Positionen und Interessen der anderen Machtzentren nehmen. Ohne die Unterstützung der mächtigen Revolutionswächter beispielsweise hätte er sich über all die Jahre kaum an der Macht halten können.

Die Revolutionswächter waren nach der Revolution 1979 als eine Art Schattenarmee gegründet worden, um die regulären Streitkräfte in Schach zu halten und die Gefahr eines Putsches zu minimieren. Obwohl die Truppe mit etwa 150 000 Mitgliedern zahlenmässig lediglich ein gutes Drittel der regulären Streitkräfte ausmacht, ist sie finanziell deutlich besser ausgestattet als ihre Konkurrenz. Auch ihre Waffen sind moderner als die der Armee.

Iran unterstützt verbündete Milizen im Ausland

Nach dem verlustreichen Krieg gegen den Irak von 1980 bis 1988 verfolgte Khamenei die Doktrin, jeden weiteren Krieg von iranischem Boden fernzuhalten. Dafür bauten die Revolutionswächter ein Imperium von verbündeten Milizen im Ausland auf: die so genannte Achse des Widerstands, zu der unter anderen die Hamas im Gazastreifen und der Hizbullah in Libanon gehören.

Um die Loyalität der Revolutionswächter zu sichern, wurden ihnen unter der Herrschaft Khameneis immer mehr Privilegien gewährt. Dazu gehören die Erlaubnis von sonst illegalem Handel und lukrative Staatsaufträge, aber auch die Befreiung von Steuern und Zollgebühren. Das ermöglichte ihnen, sich auf Kosten des Staates zu bereichern und ein weit verzweigtes Wirtschaftsimperium aufzubauen. Längst befinden sich Banken, Restaurantketten, Hotels und Telekommunikationsunternehmen unter der Kontrolle der Revolutionswächter.

Eine Plane verdeckt ein Wohnhaus in Teheran, das während des Zwölf-Tage-Krieges gegen Israel zerstört wurde.

Morteza Nikoubazl / Imago

Als jedoch die israelischen Streitkräfte Iran im Juni aus der Luft angriffen, konnten weder die Revolutionswächter noch die reguläre Armee den Bombardements etwas entgegensetzen: Während zwölf Tagen zielte Israel auf militärische Anlagen und Nuklearwissenschafter, ohne dass die iranischen Streitkräfte den Erzfeind daran hindern konnten. Dass es Israel gelungen ist, den iranischen Machtapparat zu infiltrieren, könnte auch mit der veränderten Rolle der Revolutionswächter zu tun haben: Sie orientieren sich mittlerweile offenbar vor allem an ihren eigenen finanziellen Interessen und weniger an der islamischen Ideologie. Experten vermuten, dass sich einige von ihnen von Israel kaufen liessen.

Dass Khamenei einen Generalmajor der regulären Armee, Abdulrahim Musawi, nun zum neuen Stabschef der Streitkräfte ernannt hat, könnte auf eine Machtverschiebung zugunsten der regulären Streitkräfte hindeuten. Denn Musawi befiehlt in dieser Funktion nicht nur die Armee, sondern auch die Revolutionswächter. Sein Vorgänger, ein Revolutionswächter, war zuvor durch israelische Luftangriffe getötet worden.

Das Volk kann nur sehr begrenzt mitbestimmen

Fast fünf Jahrzehnte nach ihrer Gründung entwickelt sich die Islamische Republik immer stärker zu einer Militärdiktatur. Ihre religiöse Legitimation spielt dagegen eine immer geringere Rolle. Und auch der Wille des Volkes wird weitgehend ignoriert. Zwar ist das iranische Parlament laut dem Nahost-Experten Posch nicht völlig bedeutungslos. So können die Abgeordneten zum Beispiel die Interessen ihrer Wähler in der jeweiligen Region vertreten oder Minister befragen, die ihr Regierungsprogramm durch das Parlament bringen müssen. Aber selbst die gewählten Institutionen in Iran repräsentieren nur einen Teil des Volkes.

Die Wahlbeteiligung sei ein Barometer für das Vertrauen ins System, erklärt Posch: Wer das System nicht akzeptiert, beteiligt sich nicht an der Abstimmung. Bei der letzten Parlamentswahl im März 2024 lag die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben bei rund 41 Prozent und damit so niedrig wie nie zuvor. Nach den gescheiterten Reformversuchen der vergangenen Jahrzehnte blieben viele Iraner der Wahl fern – offenbar aus Protest gegen die herrschende Klasse.

Auch zur Präsidentenwahl einige Monate später kamen nur vergleichsweise wenige Menschen. An der ersten Runde im Juni 2024 beteiligten sich gerade einmal 40 Prozent der Wahlberechtigten. An der Stichwahl eine Woche später nahmen immerhin 50 Prozent von ihnen teil – und stimmten mehrheitlich für den moderaten Kandidaten Masud Pezeshkian. Der hatte im Wahlkampf durchblicken lassen, offen zu sein für gesellschaftliche Reformen wie die Abschaffung der Kopftuchpflicht. Doch der Einfluss des Präsidenten hat klare Grenzen: Zur Wahl zugelassen werden nur Kandidaten, die loyal zum System sind.

Die Streitkräfte haben ihre Macht ausgebaut

Viele Menschen in Iran wünschen sich ein anderes politisches System. Das zeigten die zahlreichen Demonstrationen gegen strenge Kleidervorschriften, die desolate Wirtschaftslage und Polizeigewalt – etwa nach dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini im September 2022. Unter dem Motto «Frau, Leben, Freiheit» sorgten vor allem die Iranerinnen weltweit für Aufmerksamkeit.

Doch solange die Armee und die Revolutionswächter von den etablierten Machtstrukturen profitieren, ist es unwahrscheinlich, dass sie freiwillig auf ihren Einfluss und ihre Privilegien verzichten. Als Staat mit islamischer Legitimation und Führung steuert das iranische System möglicherweise auf sein Ende zu. Doch unter Khamenei haben Armee und Revolutionswächter so viel Macht gewonnen, dass sie den Staat über Khameneis Tod hinaus kontrollieren könnten. Es ist damit zu rechnen, dass gerade diese beiden Machtzentren ihren Einfluss bei einer Nachbesetzung des Revolutionsführers geltend machen – und ausbauen.

EUROPA

INTERVIEW – Erpressung bei Preisen? Hotels haben Angst vor den Praktiken von Booking.com – n-tv, 4.8.2025

Mit einer Sammelklage fordern Tausende deutsche und andere europäische Hotels Schadenersatz von der Buchungsplattform Booking.com. Der Chef des Hotelverbands Deutschland, Markus Luthe, erklärt im Interview mit ntv.de die Vorwürfe, ob damit nun Schluss ist, und was das für die Übernachtungspreise bedeutet.

ntv.de: Warum verklagen Tausende Hotels Booking.com auf Schadenersatz, was werfen Sie dem Marktführer unter den Buchungsportalen vor?

Markus Luthe: Booking hat seit seinem Markteintritt vor knapp 20 Jahren sogenannte Bestpreisklauseln verwendet: Jedes Hotel musste unterschreiben, dass es weder auf der eigenen Homepage noch auf anderen Buchungsplattformen einen günstigeren Preis anbietet. Später verbot Booking den Hotels nur noch, auf der eigenen Homepage einen niedrigeren Preis anzubieten. Selbst als Kartellamt und BGH diese Praxis untersagt haben, machte Booking weiter Druck: Durch komplizierte Klauseln in den Verträgen mit den Hotels, die dreifache Verneinungen enthielten, hat Booking die Hotels so verunsichert, dass sie sich trotzdem weiter an die „Bestpreisklausel“ hielten. Erst aufgrund einer EU-Regelung – dem „Digital Markets Act“ – strich Booking die Klauseln Ende 2024 endlich aus den Verträgen.

Warum haben Hotels das jahrelang mitgemacht, obwohl sie gar nicht mussten?

Die Hoteliers hatten Angst, andernfalls über den Ranking-Algorithmus abgestraft zu werden, also in der Trefferliste bei Suchanfragen weit unten zu landen. Booking hat außerdem durch subtile Methoden Druck aufgebaut. Wenn ein Hotel seine Zimmer bei Booking zum Beispiel für 100 Euro und auf der eigenen Homepage für 90 Euro anbot, hat Booking auf einen Teil der Vermittlungsgebühr von 15 Prozent, die das Portal von den Hotels verlangt, verzichtet. Booking bot das Zimmer dann für weniger als 90 Euro an, beispielsweise für 88 Euro. Das unterminiert die Glaubwürdigkeit des Hotels, wenn dieses angibt, auf der eigenen Homepage stets den besten Preis zu bieten. Die Hotels wollen auf der eigenen Internetseite den günstigsten Preis anbieten, weil sie dann nicht 15 Prozent Vermittlungsgebühr an ein Buchungsportal zahlen müssen.

Wie viel Geld ist den Hotels durch das Vorgehen von Booking entgangen?

Wir gehen davon aus, dass die Hotels etwa 30 Prozent zu viel Vermittlungsgebühr bezahlt haben, weil Booking durch seine Klauseln den Wettbewerb ausgeschaltet hat. Andernfalls hätten sich am Markt niedrigere Vermittlungsgebühren gebildet. Andere Portale hatten dadurch, dass alle immer den gleichen Preis erhalten, ja keinen Anreiz, niedrigere Vermittlungsgebühren zu verlangen. Fast alle Portale verlangen übrigens dieselbe Vermittlungsgebühr. Dadurch wurde außerdem verhindert, dass neue Wettbewerber in den Markt eintreten. In der Schweiz hat die Preisüberwachungsbehörde vor Kurzem entschieden, dass Booking seine Vermittlungsgebühren senken muss, weil sie missbräuchlich hoch sind. Der EuGH kam vergangenen Herbst zu dem Ergebnis, dass die „Bestpreisklauseln“ den Wettbewerb behindern.

Wie hoch ist der Schaden konkret?

Als Faustregel gilt, dass Hotels fünf Prozent pro Übernachtung zu viel an Vermittlungsgebühr zahlen mussten. Außerdem wurde der Direktvertrieb über die eigene Homepage eingeschränkt: Hotels hatten wegen der durch Bookings „Bestpreisklausel“ überhöhten Preise weniger Kunden. Mit Gutachten wird nun versucht zu beziffern, wie hoch hier der Schaden ist.

Haben dadurch auch die Kunden zu viel bezahlt?

Wenn Sie auch auf den eigenen Kanälen immer den Preis verlangen müssen, der eine Vermittlungsgebühr von 15 Prozent beinhaltet, führt das natürlich zu überhöhten Preisen oder entsprechendem Kostendruck. Den wenigsten Hotels dürfte es gelungen sein, die Aufschläge einfach an die Kunden weiterzureichen. Deutschland hat bei Hotelzimmern mit das niedrigste Preisniveau in ganz Europa. Im Vergleich der europäischen Hauptstädte kostet ein Doppelzimmer im Schnitt nur noch in Warschau weniger als in Berlin. Das spricht dafür, dass die Hotels den Schaden selbst geschluckt haben, also insgesamt niedrigere Preise verlangt haben, als sie eigentlich benötigt hätten.

Für Kunden halten die Buchungsportale den Preis also niedrig?

Auch das Kartellamt hat anerkannt, dass es einen preisdämpfenden Effekt gibt, ja. Trotzdem hat es sich zum Einschreiten entschlossen, weil die Klauseln von Booking auf der anderen Seite den Wettbewerb eindeutig behindern.

Ist denn mit der Wettbewerbsverzerrung nun Schluss, seit die EU die „Bestpreisklausel“ verbannt hat?

Schwer zu sagen. Booking betont, dass gleiche Preise auf unterschiedlichen Internetseiten gut für die Verbraucher sind, weil sie das Preisniveau insgesamt senken. Aus unserer Sicht versucht Booking, das Verbot der „Bestpreisklausel“ weiterhin zu umgehen. Zum einen werden weiterhin günstigere Preise als von den Hotels selbst verlangt, wenn diese auf der eigenen Homepage niedrigere Preise anbieten. Wir glauben auch, dass in dem Fall Hotels in der Trefferliste schlechter abschneiden. Außerdem haben Buchungsportale untereinander Verträge, dass wenn ein anderes Portal einen günstigeren Preis anbietet, dieser dann auch bei Booking gebucht werden kann – was natürlich den Wettbewerb wieder konterkariert.

Andererseits helfen die Buchungsportale den Hotels auch, überhaupt gefunden zu werden. Gleicht das daraus folgende Zusatzgeschäft die Einbußen durch die Praktiken der Plattformen nicht aus?

Es ist eine Hassliebe: Sie können nicht miteinander, aber auch nicht ohneeinander. Natürlich hat ein mittelständisches Hotel keine andere Möglichkeit, als ein solches Portal zu nutzen, um sein Haus effektiv auf Mandarin im chinesischen Markt anzubieten. Das heißt aber nicht, dass für jede Wiederholungsbuchung eines deutschen Gastes in einem deutschen Hotel 15 Prozent Kommission angemessen sind. Schafft es das Portal wirklich, mehr Nachfrage zu generieren? Wenn dort alle Hotels vertreten sind – und das sind sie zweifellos bei Booking -, dient diese Werbeinvestition dann noch dem einzelnen Hotel – oder dient sie nur dem Portal, auf dem dann immer ein Hotel zu finden ist?

Welchen Anteil am Umsatz von Hotels machen Buchungen über solche Portale aus?

Rund 30 Prozent.

Das ist ein hoher Anteil, aber bei Weitem nicht die Mehrheit.

Ja, aber es ist der stark wachsende, zukunftsträchtige Anteil. Der Trend geht eindeutig zu digitalen Buchungen. Und von diesen 30 Prozent beherrscht Booking über 70 Prozent.

Wie wird der Rest gebucht, direkt und über Reiseveranstalter und -büros?

Ja, außerdem werden Veranstaltungen, Tagungen, Familienfeiern etc. klassischerweise nicht über Portale gebucht.

Wie werden Reisende denn in Zukunft buchen, vor allem mithilfe künstlicher Intelligenz?

Das ist derzeit das große Thema, aber wir erwarten keinen fundamentalen Gamechanger. Die Buchungsportale haben so einen großen Vorteil an strukturierten Daten, dass auch die KI darauf zugreifen wird – statt Abertausende von Hotel-Websites regelmäßig zu durchsuchen. Die genauen Auswirkungen sind allerdings noch unklar.

Wie bereiten sich die Hotels aufs Buchen mit künstlicher Intelligenz vor?

Sie müssen ihre Websites anpassen, um für Sichtbarkeit zu sorgen – ähnlich, wie wir es schon bei der Suchmaschinenoptimierung gemacht haben.

Was empfehlen Sie Kunden?

Wir empfehlen immer, auch direkt auf der Hotel-Homepage nachzuschauen.

Wie geht es Ihrer Branche inzwischen insgesamt, haben die Hotels die Corona-Krise verdaut?

Der deutsche Hotelmarkt ist nicht nur wegen der niedrigen Preise ein besonderer: Geschäftsreisen machen 50 Prozent aus – deutlich mehr als in anderen europäischen Ländern. Deshalb spüren wir die seit Jahren anhaltende Konjunkturflaute deutlich. Wir sind ein Seismograf für wirtschaftliche Entwicklung – und noch nicht zurück auf Vorkrisenniveau.

Wie viele Häuser mussten wegen der Pandemie schließen?

Das lässt sich schwer sagen, die amtliche Statistik hinkt hinterher. Insgesamt kommen immer mehr Hotelzimmer dazu, aber die Anzahl der Häuser sinkt. Kleinere, mittelständische Häuser werden von größeren, oft Hotelketten verdrängt. Wir sehen einen tiefen Umbruch im Markt.

Wie läuft das aktuelle Sommergeschäft, wird es vom Regen versaut?

So kurzfristig wird in Deutschland nicht gebucht. Nach einer ersten Zurückhaltung wegen der Hitzewelle ist zwar im Moment das Wetter nicht förderlich für den spontanen Kurztrip. Wir glauben aber, dass diese Effekte mittelfristig nicht überwiegen und gehen von einer stabilen Saison aus.

Mit Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbands, sprach Christina Lohne

UNHCR-Europachef: Aus Flüchtlingskrise „nicht genug gelernt“ – ORF, 5.8.2025

Hunderttausende Flüchtlinge sowie Migrantinnen und Migranten sind vor zehn Jahren in Europa angekommen. Das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Niederösterreich war rasch überfüllt, mit 5. August 2015 nahm es keine Menschen mehr auf. Die Bilder von damals bewegen die EU und Österreich bis heute. „Europa hat nicht genug aus der Situation gelernt“, sagte der Europachef des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Philippe Leclerc, im ORF.at-Interview.

Leclerc war in den vergangenen zehn Jahren unter anderem als UNHCR-Vertreter in Griechenland (2015–2021) und der Türkei (2021–2023) im Einsatz. Seit Herbst 2023 leitet er das Europabüro des Flüchtlingshilfswerks. „Das Jahr 2015 war in der Tat ein Versagen sowohl der europäischen als auch der allgemeinen internationalen Reaktion“, sagte er.

Das „Versäumnis, Flüchtlinge in der Nähe jener Staaten, aus denen sie geflohen waren – speziell Syrien –, zu unterstützen“, führte dazu, dass sich eine Million Menschen in Richtung Europa aufmachten, so Leclerc. In Syrien wütete damals seit Jahren ein Bürgerkrieg, in Eritrea nahmen Repressalien gegen die Bevölkerung zu. Parallel verschlechterte sich die Versorgungslage von Flüchtlingen in Ländern wie dem Libanon, Jordanien und dem Irak. Hilfsprogramme waren unterfinanziert. Perspektiven gab es kaum. Das UNHCR schlug Alarm – vergeblich.

„Festung Europa“ statt offener Grenzen

Die EU war auf die Menschenmassen im Frühling und Sommer 2015 kaum bis gar nicht vorbereitet. Griechenland und Italien, wo viele erstmals europäischen Boden berührten, ließen unzählige Menschen unregistriert in andere EU-Staaten weiterziehen. Das Dublin-System, das die Zuständigkeit zur Durchführung von Asylverfahren in der EU regelt, scheiterte. Im Mittelmeer ertranken Hunderte Menschen.

APA/Einsatzdoku.at Das überfüllte Erstaufnahmezentrum Traiskirchen gilt als Sinnbild für das Scheitern der europäischen Asylpolitik im Sommer 2015

Von Athen bis Brüssel wurde in der Folge über Versäumnisse debattiert. Während Mitgliedsstaaten wie Deutschland und Österreich wieder Grenzkontrollen im Schengen-Raum einführten, brachte die EU über die Jahre eine Reihe von Reformen auf den Weg: Sie schloss Abkommen mit Drittstaaten wie der Türkei, baute die Grenzschutzagentur Frontex aus und rang sich zum Asyl- und Migrationspakt durch.

Die Reform, die 2024 beschlossen wurde und Mitte 2026 umgesetzt werden soll, sieht Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen sowie die Einführung eines Solidaritätsmechanismus zur Umverteilung von Schutzsuchenden aus besonders belasteten Ankunftsländern vor. Bei „korrekter Umsetzung“ könne sie dazu beitragen, „eine höhere Zahl von Ankünften zu bewältigen“, so Leclerc. „Dennoch bleibt es ein Kompromiss zwischen Staaten, die oft unterschiedliche Ansichten zu Asyl und Migration haben.“ Von der Aufnahme geflüchteter Menschen können sich Staaten etwa freikaufen.

Einzigartiger Umgang mit Vertriebenen aus Ukraine

Als „sehr erfolgreiche, schnelle und einstimmige Reaktion auf einen Massenzustrom“ erwies sich seinen Worten zufolge der Umgang der EU mit Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern, die angesichts des russischen Angriffskrieges ab Februar 2022 das Land verlassen hatten. Ihnen wurden binnen weniger Tage temporärer Schutz und damit Zugang zu Sozialhilfe und eine Arbeitserlaubnis gewährt.

Die EU aktivierte dazu erstmals eine über zwei Jahrzehnte alte Richtlinie. „Das hat sich als ein wirksames Mittel erwiesen, nicht nur in den ersten Tagen und Monaten, sondern auch jetzt, mehr als drei Jahre nach Ausbruch des Krieges“, sagte Leclerc. Eine dauerhafte Lösung gibt es bisher nicht, die große Solidarität innerhalb der Europäischen Union gilt jedoch als einzigartig.

„Keine Wundermittel“

Mit Ausnahme der Ukraine setzt die EU nämlich zunehmend auf Abschottung und Auslagerung von Asyl- und Migrationsagenden. Der österreichische EU-Migrationskommissar Magnus Brunner hatte sich heuer etwa schnelleren Abschiebungen und der Umsetzung von Rückkehrzentren außerhalb der EU verschrieben.

Damit derartige Rückkehrzentren funktionieren können, müssten nicht nur Abkommen mit Drittstaaten geschlossen werden, sondern auch die Einhaltung von Grundrechten garantiert werden, unterstrich Leclerc. Wundermittel im Umgang mit irregulärer Migration gebe es jedenfalls nicht, sagte der UNHCR-Europa-Chef. „Man muss die Ursachen der Migrationsbewegungen umfassend angehen“, zeigte er sich überzeugt.

links – 2013 — rechts 2024

Kritik an Stopp des Familiennachzugs in Österreich

Ausgehend von dem Wunsch, ausländische Straftäter leichter ausweisen zu können, war im Frühling außerdem eine Debatte über die Neuauslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hochgekocht. Österreich hatte sich gemeinsam mit acht anderen Staaten dafür starkgemacht. Leclerc sieht das kritisch. Die EMRK sei „ein Symbol für die europäischen Werte“.

In einer Demokratie sei es zudem „immer äußerst besorgniserregend, wenn Drohungen hinsichtlich der Auslegung von Rechtsakten durch Richter laut werden“, sagte der Direktor des UNHCR-Europabüros.

Das Flüchtlingshilfswerk kontrolliert und beobachtet auch Praxis und Gesetze betreffend Flüchtlinge und Asylsuchende in Österreich. Über den vorübergehenden Stopp des Familiennachzugs von Flüchtlingen, der Anfang Juli im Nationalrat abgesegnet worden war, äußerte Leclerc Bedauern. Der Familiennachzug stelle ein grundlegendes Recht für Asylberechtigte dar, betonte er.

UNHCR: Weniger Hilfe hat weitreichende Folgen

Die Zahl der Asylanträge war in Österreich und der EU zuletzt rückläufig, auch die Zahl irregulärer Grenzübertritte ging zurück. Das UNHCR unterstreicht in dem Zusammenhang die Bedeutung von Entwicklungshilfe. In Erinnerung an die Flüchtlingskrise vor zehn Jahren warnte Leclerc eindringlich vor drastischen Kürzungen.

Das „Einfrieren der US-Unterstützung für Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe und die Entscheidung europäischer Staaten, der Verteidigung Priorität einzuräumen“, führe dazu, dass Vertriebene noch größere Anstrengungen unternehmen müssten, um an Hilfe zu kommen, sagte Leclerc.

„Sudan ist nicht so weit von Europa entfernt“

„Wenn wir uns die größte Krise der Welt, den Krieg im Sudan, ansehen, erkennen wir ähnliche Muster der unzureichenden Unterstützung der Nachbarländer“, so der UNHCR-Vertreter. Millionen Menschen waren in den vergangenen zwei Jahren aus dem Bürgerkriegsland geflohen. Zuflucht suchen viele Sudanesen und Sudanesinnen in den Nachbarländern Tschad und Ägypten.

IMAGO/Wang Guansen UNHCR warnt vor mangelnder Hilfe für sudanesische Flüchtlinge in Nachbarländern wie dem Tschad und Ägypten

„Der Sudan ist nicht so weit von Europa entfernt“, sagte Leclerc. Wird in der Region keine Hilfe geleistet, dann ist damit zu rechnen, dass sich Menschen aus Verzweiflung in die Hände von Schleppern begeben und sich auf die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer machen.

Erst kürzlich meldete das UNHCR, dass in Libyen in diesem Jahr schon mehr Menschen aus dem Sudan als in Vorjahren zu diesem Zeitpunkt angekommen seien. Unter den Ankömmlingen in Europa machten sie nur fünf Prozent aus, sagte eine UNHCR-Sprecherin. Ihre Zahl sei im Vergleich zum Vorjahr aber um 170 Prozent gestiegen.

Katja Lehner (Text, Interview), Roland Winkler (Bild), Sandra Schober (Daten), alle ORF.at

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KOMMENTARE – ANALYSEN – HINTERGRÜNDE

KOMMENTAR – Polen hat es nicht geschafft, sich in der EU als starke Kraft zu positionieren. Die Ratspräsidentschaft ist eine verpasste Chance – Paul Flückiger (Warschau), NZZ, 29.06.2025

Polens EU-Rats-Präsidentschaft wurde vom innenpolitischen Kampf um das Präsidentenamt überschattet. Nun steht der Ministerpräsident Tusk vor einem Scherbenhaufen. Eine Bilanz.

COMMENT: Wirtschaftlich ist Polen erstarkt dank Globalisierung, aber politisch sieht der Kommentator eine nicht so rosige Situation für Polen speziell mit dem Blick auf seine Stellung in der EU.

Die Regierungschefs der 28 EU-Staaten haben sich in Brüssel zum letzten Gipfel unter polnischer EU-Rats-Präsidentschaft versammelt. Auf dem zweitägigen Programm stehen die Lage in der Ukraine und in Nahost sowie neue Sanktionen gegen Russland. Doch der EU-Rats-Vorsitzende, Polens Ministerpräsident Donald Tusk, hat andere Sorgen: Zu Hause in Warschau ist ein wüster Streit über die Gültigkeit der polnischen Präsidentschaftswahlen entbrannt.

Vor dem Obersten Gerichtshof wird am Freitag demonstriert. Es kommt zu Handgemengen, die Polizei muss einschreiten. Der Gerichtshof muss bis Dienstag das Wahlresultat endgültig bestätigen. Gefördert wird der Streit um das Resultat von Tusks liberaler Regierungspartei Bürgerplattform (PO). Diese hat die Wahlen, die für die demokratischen Reformvorhaben der Mitte-links-Regierung wichtig sind, Anfang Juni überraschend und dazu knapp verloren.

In den vier Wochen seit der Stichwahl hat sich gezeigt, dass in bis zu 1500 von über 30 000 Wahllokalen die Stimmen der beiden Kandidaten falsch ausgezählt wurden. 13 wiederholte Probezählungen haben ergeben, dass oft einfach der Sieger als Verlierer deklariert wurde. Zumeist ging dies zulasten des liberalen Regierungskandidaten, des Warschauer Bürgermeisters Rafal Trzaskowski.

Neuer Präsident könnte Tusk ausbremsen

Trzaskowski verlor in der Wahlnacht die offizielle Auszählung mit 49,11 gegen 50,89 Prozent der Stimmen. Der Unterschied beläuft sich auf nur rund 370 000 Stimmen. Gewonnen hat der konservative Oppositionskandidat Karol Nawrocki, der von Jaroslaw Kaczynskis PiS-Partei unterstützt wird. Der 42-Jährige soll das in Polen wichtige höchste Staatsamt am 7. August übernehmen – und er hat bereits angekündigt, Schritte gegen die Regierung Tusk zu unternehmen, sobald er im Amt vereidigt sei.

Tusk wiegelte kurz vor dem letzten EU-Gipfel seiner Ratspräsidentschaft ab: «Die wiederholte Auszählung dort, wo es zu Problemen kam, ist die einzige sinnvolle Lösung.» Optimisten unter den Tusk-Anhängern in der extrem polarisierten Politlandschaft Polens rechnen damit, dass bei einer Neuauszählung bis zu 450 000 Stimmen zusätzlich an Trzaskowski gingen. Dies würde ihn im Nachhinein doch noch zum Wahlsieger machen.

Tusk könnte damit bis 2027 ungestört durchregieren. Er könnte endlich die Justiz reformieren und Polen wieder auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zurückführen, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mehrfach angezweifelt hatte.

Über das Wahlergebnis selbst will das Oberste Gericht Polens am 1. Juli entscheiden. Doch das Problem ist, dass der EuGH die Rechtmässigkeit ausgerechnet jener Kammer angezweifelt hat, die dafür zuständig ist. Die dort einsitzenden «Richter» seien keine Richter im Sinn der EU, sondern PiS-Parteifunktionäre. Das hiess es sinngemäss in dem EU-Urteil.

Die erwartete Bestätigung des Wahlsiegs von Karol Nawrocki steht damit auf tönernen Füssen. Tusks Liberale werden dies auszunutzen wissen. Die damit entstehende Unruhe ist allerdings Gift für die Einheit Europas gegenüber der Bedrohung, die von Russland ausgeht. Denn genau dies will der Kreml: innenpolitisch zerstrittene EU-Mitglieder, besonders an der Nato-Ostflanke von Finnland über Polen bis nach Rumänien.

Innenpolitischer Streit überschattet Präsidentschaft

Ein EU-Rats-Präsident, der sich um die erneute Auszählung von Wahllokalen kümmert, anstatt EU-Politik zu machen, kommt in Brüssel jedoch nicht gut an. Die Episode um den Wahlausgang in Polen steht symbolisch für die ganze polnische EU-Rats-Präsidentschaft. Die zweite Amtszeit nach 2011 – damals bereits unter Regierungschef Donald Tusk und seinem Aussenminister Radoslaw Sikorski – war von Anfang an vom innenpolitischen Kampf um das wichtige Präsidentenamt überschattet. So gelang es Polen nicht, eine eigene Handschrift in die polnische EU-Rats-Präsidentschaft zu bringen – trotz der Gefahr, die vom russischen Imperialismus ausgeht.

«Sicherheit, Europa!», hiess das Motto der EU-Rats-Präsidentschaft. Und über Sicherheit und Aufrüstung wurde in der EU im ersten Halbjahr 2025 tatsächlich viel und ernsthaft gesprochen. Doch Polen konnte selbst als Nachbarland der Ukraine wenig brillieren.

In Brüssel gaben und geben weiterhin Berlin und Paris den Ton an. Warschaus Träume von einer gewichtigen dritten Stimme wurden vom inneren Bruderzwist des einstigen Dissidentenlagers der Solidarnosc aufgefressen. Dass dies nicht so sein muss, demonstrierte zur selben Zeit Deutschland, welches im Februar wichtige Bundestagswahlen und die wochenlangen Koalitionsverhandlungen meisterte – und dennoch in Brüssel voll präsent war.

Polens konservative Opposition hingegen höhnt schon seit März über die «farb- und folgenlose» EU-Rats-Präsidentschaft Warschaus unter Tusk. Kaczynskis Europaminister Szymon Szynkowski vel Sek (PiS) fasste die Ratspräsidentschaft diese Woche so zusammen: «Das Motto lautete zwar ‹Sicherheit, Europa!›, aber kein wichtiges Treffen fand dazu in Polen statt. Die Führung in der Ukraine-Frage übernahmen Frankreich und Grossbritannien.» Auf einen eigenen Gipfel in Polen habe Tusk ebenfalls verzichtet, nur damit sich Staatspräsident Andrzej Duda, der ihm spinnefeind ist, dort nicht zeigen könne, höhnte Szynkowski vel Sek.

Polen hat eine historische Chance verpasst

Tusks Aussenminister Sikorski widersprach dieser Sicht am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels. Gegenüber der Nachrichtenagentur PAP erklärte er, der EU-Rat habe Polens Sicht, dass es sich bei Russland um eine langfristige Bedrohung handle, endlich akzeptiert. «Die EU hat (während der polnischen Ratspräsidentschaft) Instrumente dafür geschaffen, die Widerstandskraft und die Sicherheit in der EU zu stärken», betonte Sikorski.

Er erinnerte an das informelle Finanzministertreffen Ende April in Warschau, das die Türen für Anleihen von 150 Milliarden Euro für Verteidigungsausgaben öffnete, die nicht den eher rigiden EU-Regeln zur Verschuldung unterworfen sind. «Es gelang uns, vieles zu erreichen», fasste Sikorski zusammen.

Das mag sein, allerdings ist wenig davon wirklich Polens Verdienst, sondern eher jenes von Frankreich und Deutschland. Vor allem hat Donald Tusk die historische Chance verpasst, das EU-Tandem Paris-Berlin in ein Dreieck Paris-Warschau-Berlin zu verwandeln. Die Partner im Westen wären dafür offen gewesen, das zeigten viele informelle Diplomatengespräche in Warschau. Doch Donald Tusk erwies sich in den letzten sechs Monaten nicht als der Europäer mit einer Vision, als den ihn viele so gerne sehen, sondern vor allem als innenpolitisch orientierter Machtpolitiker.

Dies untergräbt Polens Position nicht. Gerade als EU-Wachstumsmotor hat Warschau in Brüssel noch unausgeschöpftes Potenzial anzubieten. Was indes fehlt, sind polnische Politiker, die wirklich über den eignen Tellerrand blicken können, selbst wenn es im Inneren des eigenen Landes kriselt.

KOMMENTAR – Kampf um das knappe Geld: Die EU darf für die Mitgliedsländer kein Bancomat sein – Daniel Imwinkelried, NZZ, 4.8.2025

Viele Mitgliedsländer haben zu hohe Schulden. Sie versuchen daher, Aufgaben auf die EU abzuwälzen. Das ist finanziell verantwortungslos und gefährdet die Union als Institution.

Manchmal sind die EU-Mitgliedsländer ein unglaublich zerstrittener Haufen. Fast immer ist das der Fall, wenn es ums Geld geht. Es fehlt zunehmend an allen Ecken und Enden – auch in der EU, die momentan das wenig seriöse Finanzgebaren ihrer Mitgliedsländer zu spüren bekommt.

Als die EU-Kommission vor kurzem ihren Vorschlag für den Finanzrahmen 2028 bis 2034 der EU publizierte, protestierten die Regierungschefs der Mitgliedsländer lauthals: Den einen war das angepeilte Budget von rund 2000 Milliarden Euro für sieben Jahre zu umfangreich, andere fanden, es setze falsche Prioritäten, und wieder andere monierten, dass die Bauern zu schlecht wegkämen. Die Kommission hat es niemandem recht machen können.

Wenn die Regierungschefs allerdings ehrlich wären, müssten sie sich eingestehen: Das Problem sind nicht die EU-Technokraten in Brüssel, die den Finanzrahmen erstellt und es dabei geschafft haben, gewisse Schwächen des laufenden Budgets zu eliminieren. Das wahre Problem sind sie selbst.

Damit die Kommission seriös ein Budget für die Union erstellen könnte, müsste sie wissen, was die Mitgliedsländer vom EU-Haushalt grundsätzlich wollen. Diese Frage ist und bleibt ungeklärt. Ständig kommen den Regierungschefs zwar Dinge in den Sinn, welche die EU auch noch finanzieren könnte, eine gesicherte finanzielle Basis gibt es dafür aber nicht.

Von den Mitgliedsländern nun zu fordern, sie sollten eine Vision für die EU entwickeln, wäre sicher zu viel verlangt; aber sie sollten gegenüber der Institution eine gewisse Verantwortung aufbringen. Diese ist ihnen jedoch teilweise abhandengekommen. Stattdessen hat angesichts leerer Kassen und der Angst vor rechtsnationalistischen Parteien der nationale Egoismus vollends überhandgenommen.

Die nun anlaufende Budgetdiskussion zeigt deutlich, wie sehr das Verhalten der EU-Staaten fast nur noch von der Innenpolitik in ihren Ländern und den jeweiligen Finanznöten bestimmt wird.

Die polnische Regierung beispielsweise jubelte, als die EU-Kommission den Vorschlag publizierte. Der Finanzminister Andrzej Domanski meinte, Polen sei der grösste Nutzniesser des umfangreichsten EU-Budgets aller Zeiten.

Dafür gratulierte er dem für die EU-Finanzen zuständigen Kommissar Piotr Serafin – einem Polen. Die Freudenkundgebung war auch ein Signal an die Oppositionspartei PiS: Ihr und letztlich den Wählern signalisierte die Regierung, dass sie fähig ist zu liefern, sprich: in Brüssel etwas herauszuholen oder mindestens den Besitzstand zu wahren.

Bloss den Bauern nichts wegnehmen

Die Regierungschefs vieler Länder werden sich jedoch ins Zeug legen, damit die Zuwendungen an die Bauern keinesfalls geringer ausfallen als bisher. Landwirte sind treue Wähler, und bei den Parteien der politischen Mitte geht die Angst um, dass sie zu rechten Gruppierungen abwandern könnten. Die Landwirte knapper zu halten, kommt daher nicht infrage.

Diese Sorge trieb auch andere Regierungen um. Besonders besorgt waren sie wegen der Bauern – als ob Europas Wohlstand von der Landwirtschaft abhinge. Rund ein Drittel des laufenden Finanzrahmens ist für den Agrarsektor reserviert. Manche Regierung befürchtet, dass dieser Anteil sinken könnte. Noch ist nicht klar, ob das ab 2028 der Fall sein wird.

Für die EU stellt das ein Problem dar. Ein Drittel des Budgets ist damit nämlich fix vergeben, weitere 30 Prozent fliessen in die Regionalförderung. Für neue Aufgaben, etwa die Grenzsicherung oder die Krisenbewältigung, hat die EU kaum Geld. Das soll sich mit dem neuen Finanzrahmen zwar ändern, doch woher das Geld dafür kommen soll, ist eine heiss umstrittene Frage.

Beim Haushalt ist die EU nicht wie ein Staat aufgestellt. Eigentliche Steuereinkünfte hat sie fast keine. Die grösste Einnahmequelle sind die Beiträge der Mitgliedsländer, die sich nach deren Bruttonationalprodukt bemessen. Sie decken 65 Prozent des EU-Budgets.

COMMENT: Die EU – pardon: wir Steuerzahler, pardon: die Unternehmen finanzieren inzwischen die Ukraine mit via Steuerzahlungen. Geht sich das alles auf Dauer finanziell aus?

Nein, wir machen Schulden.

Wer zahlt die Fremdkapitalzinsen?

Von Rückzahlung der Schulden ist sowieso keine Rede. Dank Geldentwertung sind die in etlichen Jahren vernachlässigenswert, aber nicht die jährlich zu zahlenden Zinsen.

Wer zahlt also?

Und kommt die Schuldenreduktion dank Inflation bzw. Geldentwertung?

Wenn die Zinsen locker bleiben, dann wird die Schuldenlast eine erdrückende. Inflation ist das große Geschäft für öffentliche Hände – und Politiker.

Zum Thema Inflationsentwicklung, Aktienentwicklung und Goldpreisentwicklung empfiehlt sich der weiter oben stehende Artikel über Jens Ehrhard.

Selbstverständlich hätte die EU gerne mehr Eigenmittel, und wenig überraschend wünschen die Mitgliedsländer, dass die EU an ihrer Stelle mehr kostspielige Aufgaben übernimmt. Bei den Finanzen klemmen die Staaten aber.

Teilweise ist das verständlich, haben doch manche von ihnen ernsthafte Budgetprobleme. Aber der Widerspruch bleibt, und die EU-Mitgliedsländer haben ihn bereits einmal auf zweifelhafte Weise gelöst.

Die EU als Bancomat

Als die Corona-Pandemie 2020 auch in Europa ausbrach, herrschte in Brüssel die Furcht, dass sich vor allem südeuropäische Länder am Kapitalmarkt nicht mehr zu günstigen Konditionen finanzieren können. Dieses Risiko wandte die Kommission mit dem EU-Aufbaufonds (Next Generation EU) ab.

Dafür nahm die EU zum ersten Mal in grossem Umfang Geld am Kapitalmarkt auf. Die Obergrenze beträgt 750 Milliarden Euro. Dieses Geld verteilt sie teilweise als nichtrückzahlbare Beihilfen (Grants) an die Mitgliedsländer.

Diese zeigen sich allerdings als schlechte Partner. Ab 2028 muss die EU das Kapital über 30 Jahre zurückbezahlen, fällig werden zudem Zinsen. Pro Jahr werden das 25 Milliarden Euro sein. Um diese Zahlungen zu leisten, war vorgesehen, dass die EU von den Mitgliedsländern neue Einnahmen zugestanden bekommt. Aber die Mitgliedsländer machen keine Anstalten, Geld an die EU zu leiten. Damit haben sie die EU während der Pandemie als Bancomaten missbraucht, und die Organisation steht nun mit nicht budgetierten Schulden da.

Es war daher auch eine Art Hilferuf, als die EU bei der Präsentation des Budgets neue Einnahmequellen vorschlug. Dazu gehören eine Steuer für in der EU tätige Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro sowie eine Tabakabgabe.

Mit beiden Vorschlägen ist die Kommission bei den Ländern aufgelaufen. Es sei ausgeschlossen, dass die EU Firmen besteuere, sagte der deutsche Kanzler Friedrich Merz. Diese Haltung kann man nachvollziehen, aber wenigstens müssten die Länder dann Alternativen präsentieren.

Zumal weiteres finanzielles Ungemach droht: der Ausfall der Ukraine-Kredite. Der EU und den Mitgliedsländern muss man zwar hoch anrechnen, wie ausdauernd sie die Ukraine finanziell mit Darlehen unterstützen. Die Kredite an den kriegsgeplagten Staat laufen allerdings nicht über das reguläre EU-Budget, sondern nebenher.

Kein EU-Land ist bereit, das als heikel anzusehen, stattdessen verschiebt man auch dieses Problem in die Zukunft. Die Länder hoffen einfach, dass die Ukraine eines Tages schon in der Lage sein werde, die Kredite zurückzubezahlen.

Das ist jedoch fraglich. Erstens weiss niemand, wie lange die Kriegshandlungen noch dauern und damit die Schulden der Ukraine steigen werden. Und falls, zweitens, in der Ukraine einmal Frieden herrschen wird, benötigt das Land riesige Summen für den Wiederaufbau.

Eine hohe Schuldenlast wird einen solchen Neubeginn verunmöglichen. Die EU und ihre Mitglieder sollten sich daher bereits jetzt Gedanken darüber machen, wie sie mit den Verbindlichkeiten der Ukraine umgehen wollen. Aber auch dieses Problem verdrängt man lieber.

Die EU droht in die Schuldenspirale zu geraten

Solange die EU-Länder das Budget ihrer Organisation nicht einer Reform unterziehen, wird sie sich auch nicht weiterentwickeln können. So ist die EU, wie sie sich derzeit präsentiert, nicht in der Lage, neue Mitglieder aufzunehmen. Der Kleinstaat Montenegro wird in ihr noch wie geplant Unterschlupf finden; die grossen Beitrittskandidaten wie die Ukraine und Länder vom Balkan wird die EU aber in ihrer jetzigen Gestalt nicht verdauen können.

Diese Staaten sind so arm und wirtschaftlich derart schwach, dass sie Nettoempfänger von EU-Finanzmitteln sein werden. Wenn aber bereits jetzt ein Gezerre um die gemeinsame Kasse herrscht, wie gross wird der Verteilkampf erst sein, wenn sich die EU weiter in Richtung Osten ausbreitet?

Polen wird dann möglicherweise kein Nettoempfänger von EU-Mitteln mehr sein, sondern netto in das Budget einzahlen müssen. Keine Regierung wird es wagen, den Stimmbürgern eine so unangenehme Nachricht zu überbringen.

Die EU steht vor grossen, gleichsam strategischen Herausforderungen, während ihre Finanzierung ungelöst ist. Wenn die Länder nicht bereit sind, gewisse Mittel innerhalb des Budgets umzuverteilen oder Geld nach Brüssel abzutreten, wird die EU die Themen nicht angehen können.

Die Gefahr ist gross, dass die Mitgliedsländer stattdessen die für sie kurzfristig einfachste Lösung wählen: die mit einem Top-Bonitätsrating ausgestattete EU als Bancomaten missbrauchen, wie das während der Corona-Pandemie geschehen ist. So schwebt einigen Ländern vor, dass die EU Verteidigungsanleihen ausgeben soll.

Ungewollt geriete die EU so in die gleiche Schuldenspirale, in der einige Mitgliedsländer bereits stecken. Wenn diesen die EU lieb ist, müssen sie rasch eine Lösung für deren Finanzprobleme finden. Einen «free lunch», also das Gratismittagessen, wird es für die Mitgliedsländer nicht geben.

Leserstimmen (Auswahl):

Mein Polnischer Schwager war vor 14 Jahren noch Pächter einiger Äcker und wohnte in einem Container am Waldrand. Er ist Agraringenieur und kennt sich mit EU-Förderprogrammen aus. Seitdem hat er mit seinem Landlord, einem Zahnarzt und der EU dessen Herrenhaus von Grund auf neu errichtet, eine online-Börse für das Gemüse etc. gekauft und verkauft, einen Helikopter gekauft und verkauft, jedes Jahr ein paar neue Autos gekauft und verkauft, ein Appartementhaus an der Ostsee gebaut und verkauft, sie nehmen angeblich jährlich Millionen ein, Zloty oder €, egal, es funktioniert. Allerdings hat sein Onkel immernoch den gleichen Hof wie vor 20 Jahren und Hände so groß wie andere Füsse. Der kennt sich mit EU nicht so gut aus, ist aber eine treue Seele.

.,.,.,.,.,.,.,

Bin gerade in Kroatien in Urlaub , die Autobahn von Zagreb in Richtung Dubrovnik ist , gerade im Vergleich zu Deutschland, ein Traum. Kaum Baustellen , erstklassiger Fahrbahnbelag und gepflegte Raststätten. Wer das wohl bezahlt hat ? Wir sollten unbedingt die restlichen Balkanstaaten auch sofort in die EU aufnehmen, Geld scheint ja zum Glück kein Thema zu sein. Da stört es dann auch nur wenig wenn bei uns die Brücken einstürzen.

DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN

UMFRAGEN

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ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGENAPA-WAHLTREND

Equal Pension Day heuer am 7. August – APA, 4.8.2025

39,7 Prozent beträgt der Unterschied zwischen der durchschnittlichen monatlichen Bruttopension von Frauen und Männern. Auf die hohe, aber erstmals unter 40 Prozent gefallene Lücke weist der Equal Pension Day hin, der heuer auf Donnerstag, den 7. August, fällt. Männer haben dann im Schnitt so viel Pension erhalten, wie Frauen erst am Ende des Jahres – 147 Tage später. Im Vorjahr war der Unterschied mit 40,1 Prozent noch geringfügig größer, Equal Pension Day war der 6. August.

Die Durchschnittspension von Frauen liegt laut einer Aufstellung der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik (MA 23) und des Frauenservice (MA 57) der Stadt Wien für den Städtebund bei 1.527 Euro brutto, jene von Männern bei 2.535 Euro brutto. Die Rechnung basiert auf der Pensionsversicherungs-Jahresstatistik.

Betrachtet man allerdings die Pensions-Neuzugänge, so ist der Gap laut Pensionsversicherung mit 33,9 Prozent 2024 deutlich kleiner. Frauen erhalten 1.826 Euro, Männer 2.762 Euro.

COMMENT: Eine Art Jammern auf hohem Niveau angesichts der Tatsache, dass die Versicherungszeiten der Frauen im Allgemeinen deutlich unter jenem der Männer liegt, sieht man zum Vergleich zu den deutschen Nachbarn:

Rentnerinnen und Rentner [in Deutschland], die mindestens 35 Versicherungsjahre vorweisen können, erhalten durchschnittlich 1.550 Euro brutto monatlich. Der durchschnittliche Nettobetrag nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung liegt bei 1.543 Euro. Wer eine monatliche Rente von 1.800 Euro erhält, gehört somit zu den besser gestellten Rentnern, während die Höchstrente rechnerisch bei etwa 3.400 Euro liegt.

Wie lange das für das österreichische Pensionssystem zu bezahlen ist, bleibe dahingestellt.

Fakt ist, dass die Anwartschaften aus Pensionsbeitragszahlungen für Männer höher sind als für Frauen. Männer haben somit ein größeres „Vermögen“, auf das sie allerdings nicht zugreifen können und das mit dem jeweiligen Tod des Pensionsberechtigten verfällt, das heißt, die Erben können darauf nicht zugreifen, Witwen und Waisen dank entsprechender Pensionen nur zum Teil. Ob Anwartschaften zum Vermögen dazugezählt werden sollen oder nicht, ist seit längerem ein Streitpunkt. Außeracht lassen sollte man sie aber bei Vermögensdiskussionen nicht.

Geht man wieder vom Gesamt-Schnitt aus, so bedeutet das laut dem gewerkschaftsnahen Momentum Institut für Frauen in ihrem gesamten Pensionsleben einen Verlust von 204.000 Euro an kumulierter Bruttopension. Mit der Lücke geht denn auch eine größere Gefahr von Altersarmut einher, betonte die Organisation – jede fünfte Pensionistin sei armutsgefährdet. Die durchschnittliche Netto-Frauenpension liege mit 1.674 Euro im Monat schließlich nur 13 Euro über der Armutsgefährdungsschwelle von 1.661 Euro. Jene von Männern liege mit 1.953 Euro etwa 300 Euro darüber.

Im EU-Vergleich hat Österreich laut Eurostat bei den Über-65-Jährigen mit 35,6 Prozent die drittgrößte Pensionslücke. Nur in den Niederlanden und in Malta ist diese noch größer. Der EU-Durchschnitt liegt bei 24,7 Prozent.

Auch innerhalb Österreichs existieren regionale Unterschiede. Am besten schneidet laut Städtebund Wien ab, wo der Equal Pension Day erst am 19. September stattfindet, darauf folgen mit Abstand Kärnten (10. August) und Niederösterreich (6. August). Im Burgenland fällt der Tag auf den 5., in Salzburg auf den 4. und in der Steiermark auf den 1. August. Im Juli liegt der Equal Pension Day in Tirol (24.), in Oberösterreich (19.) und im Schlusslicht Vorarlberg (13.).

Vorab fielen erste Forderungen: „Durch eine hohe Teilzeitquote und geringere Gehaltseinstufungen rutschen Frauen leichter in Altersarmut und Abhängigkeiten. Dies zu ändern ist ein langer Weg, aber wir müssen ihn gehen!“, stellte die Wiener Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál (SPÖ), gleichzeitig Vorsitzende des Frauenausschusses des Städtebundes, fest. Generalsekretär Thomas Weninger plädierte für Lohntransparenz, die Einbeziehung von Männern in die unbezahlte Care-Arbeit und einen Ausbau von Kindergärten. Nur wenn es gute Kinderbetreuung gebe, könnten Frauen schließlich Vollzeit arbeiten und damit einen fairen Lohn und eine gerechte Pension erhalten.

Das Momentum Institut plädierte für eine Aufwertung von Niedriglohnbranchen und systemrelevanter Arbeit, die überwiegend von Frauen geleistet werde. Auch brauche es eine bessere Anrechnung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten für die Pension, eine verpflichtende Väterkarenz und eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich.

Die Freiheitlichen kritisierten das Reformtempo in Sachen „Gender-Pension-Gap“. Bleibe es dabei, würde dieser erst in Jahrzehnten geschlossen, erklärte deren Frauensprecherin Rosa Ecker, die neuerlich eine Berücksichtigung der Care-Arbeit für das Pensionssystem forderte. „Obwohl viele Frauen Kinder erziehen, Teilzeit arbeiten oder Angehörige pflegen, wird dies im Pensionssystem kaum berücksichtigt.“ Statt eines fairen Ausgleichs würden Frauen oft nur mit Almosen abgespeist. Neben der anrechenbaren Pensionszeit für Mütter und einer Unterstützung für Teilzeitmütter müssten auch die Löhne in Niedriglohnbereichen steigen.

Aus grüner Sicht ist die Pensionslücke „das Ergebnis struktureller Benachteiligung und jahrzehntelanger Versäumnisse – politisch verantwortet von ÖVP wie SPÖ“, wie deren Frauensprecherin Meri Disoski findet. Die Grünen fordern unter anderem daher Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, Lohntransparenz und faire Verteilung unbezahlter Arbeit.

Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) ortete „noch viel Luft nach oben“ in Sachen Gleichstellung. Es gehe darum, „lange bestehende Ungleichheiten auch wirklich endlich in die Geschichtsbücher“ zu verbannen. Dafür sei einiges im Regierungsprogramm vorgesehen, sagte Holzleitner im Ö1-„Mittagsjournal“. Abermals verwies sie etwa auf die geplante „fristgerechte“ Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz bis Mitte 2026: „Wir arbeiten mit Hochdruck daran“, so Holzleitner. Anhand internationaler Beispiele könne man sehen, dass die Transparenz bei Gehältern durchaus etwas bringe und damit die Lohnschere geschlossen werden könne.

Eine rasche Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen wünscht sich auch der pinke Koalitionspartner. Als „ersten wichtigen Schritt“, um die Pensionslücke in Zukunft zu verringern, hob NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter den Nachhaltigkeitsmechanismus bei den Pensionen hervor. „Jetzt geht es vor allem darum, strukturelle Maßnahmen zu setzen, um die viel zu hohe Teilzeitquote bei Frauen zu verringern, die für diese Kluft hauptverantwortlich ist.“ Viele Frauen hätten wegen fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten „keine andere Wahl“, „als sich für längere Zeit dem Arbeitsmarkt zu entziehen“.

COMMENT: Von KKK – Küche, Kirche, Kinder“ zum Malochen ohne Ende. Wir haben ja so viele Arbeitsplätze für Frauen zu besetzen, die sind nämlich alle Facharbeiterinnen und drängen alle überhaupt nicht in unterbezahlte Stellen für Nicht-Facharbeiter wie Putzfrauen und ungelerntes Gastro-Personal.

Nachtigall, ik hör dir trapsen:ist doch gut für den Tourismus, wenn das zarte Geschlecht für Null-Lohn im Gastgewerbe sich ausblutet. Prima! Weit hamas bracht.

Was in den geschmähten 1950er Jahren noch möglich war – Breadwinner-Modell – geht heute nicht mehr. Heute malochen beide Partner, damit am Monatsende halbwegs die Kasse stimmt. Aber die Politik wünscht sich: Null-Lohn für Mitarbeiter, aber zugleich einen Konsumaufwand wie Millionäre. Bitte konsumieren, liebe Leute, was das Zeug hält.

STATISTIK AUSTRIA Schlagzeilen, 1.8.2025

Statistik Austria          PM: Inflation im Juli 2025 laut Schnellschätzung bei 3,5 %

Statistik Austria          PM: Erneut weniger offene Stellen im 2. Quartal 2025

Läuse dezimieren Erbsenanbau in Österreich – APA, 4.8.2025

Landwirte kämpfen nicht nur mit den Folgen des Klimawandels. Immer wieder richten auch Insekten wie die Blattlaus als Krankheitsüberträger große Schäden an. Verheerend sind diese mitunter bei Körnererbsen und ähnlichen Kulturen: Aufgrund des Befalls der Pflanzen mit von Blattläusen übertragenen Nanoviren kommt es regelmäßig zu gewichtigen Ausfällen. Laut Landwirtschaftskammer (LKÖ) hat sich die Körnererbsen-Anbaufläche aus diesem Grund seit 2000 massiv reduziert.

Bauten die heimischen Bäuerinnen und Bauern Körnererbsen um die Jahrtausendwende noch auf gut 40.000 Hektar an, schrumpfte die Fläche mittlerweile auf 6.000 bis 7.000 Hektar im Jahr zusammen. Wegen Trockenstress, aber hauptsächlich aufgrund der Schädlinge und des durch sie übertragenen „Pea necrotic yellow dwarf virus (PNYDV)“ und anderer Viren rechne sich der Anbau schlicht für viele Betriebe nicht mehr, erklärt LKÖ-Generalsekretär Ferdinand Lembacher.

Umgestiegen sind die meisten Bauern, die den Körnererbsenanbau aufgeben mussten, auf Soja. Die Sojabohne dient dem Virus nicht als Wirt, außerdem wurden Sorten entwickelt, die bestens an veränderte Bedingungen – darunter steigende Hitze – angepasst sind. Bei den Erbsen ist die Situation schwieriger: So existieren etwa noch keine resistenten Sorten gegen Nanoviren, deren Entwicklung „aufwendig“ sei und Jahre dauere, so Fachexpertin Sabine Grausgruber-Gröger von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Aus Sicht der Pflanzenzucht gibt es also noch Potenzial.

Körnererbsen kommen sowohl in der menschlichen Ernährung, beispielsweise in Fleischalternativen oder in proteinhaltigen Drinks, als auch in Futtermitteln zum Einsatz. Als sogenannte Leguminosen binden die Pflanzen Stickstoff im Boden und müssen so nicht gedüngt werden, was die Entwicklung von qualitativ hochwertigem Eiweiß begünstigt. Gegenüber Soja haben Körnererbsen darüber hinaus den Vorteil, dass sie nicht allergen sind.

Werden die Pflanzen vom PNYDV befallen, verkümmern sie in der Regel und bleiben kleinwüchsig. Sie bilden dann kaum bis gar keine Erbsen mehr aus. Betroffen sind von dem Virus nicht nur Körnererbsen, sondern beispielsweise auch Ackerbohnen, Linsen oder Grünerbsen, die in der österreichischen Küche in Suppen, Salaten oder als Beilage beliebt sind. Bei Grünerbsen kommt es wie bei Körnererbsen wegen des Virus regelmäßig zu Ernteeinbußen.

Wie hoch der wirtschaftliche Schaden durch die Schädlinge, darunter die Grüne Erbsenblattlaus und die Schwarze Bohnenlaus, jährlich ist, lässt sich nach Angaben der Kammer nur schwer beziffern. Faktum sei, dass Betriebe immer wieder Totalausfälle zu beklagen hätten.

Zum Erhalt des heimischen Erbsenanbaus sieht die Landwirtschaftskammer vor allem Pflanzenschutzmöglichkeiten gefragt. „Da das Virus weder mechanisch noch über das Saatgut übertragen wird, sondern nur über Blattläuse, ist die einzige Abhilfemöglichkeit indirekt und besteht in der vorbeugenden Bekämpfung dieser saugenden Insekten. Ist der Schädlingsdruck bereits sehr hoch und wurden Viren nachgewiesen, dann bleibt der punktgenaue Einsatz selektiver Insektizide als einzige Maßnahme, um die Blattläuse in ihrer Entwicklung zu bremsen und die Pflanzen zu schützen“, weiß LKÖ-Pflanzenbauexperte Andreas Pfaller. Ohne Schutz und bei einem weiteren Rückgang des Anbaus würde nur Importen aus Ländern, in denen Wirkstoffe verwendet werden, die hier verboten sind, Tür und Tor geöffnet, argumentiert Lembacher.

ÖSTERREICHISCHES PARLAMENT

ORF-MELDUNGSBÜNDEL ÖSTERREICH

Inland

Schumann zu Pensionslücke: „Braucht einen langen Atem“

Marterbauer denkt Preiseingriffe bei Lebensmitteln an

Ukraine-Flüchtlinge: Job wichtiger als Sozialhilfe

Neue Regel für Flüchtlinge in Privatquartieren in NÖ

Wirtschaft

Benko stellt neuerlich Enthaftungsantrag

Meinl V. haftet persönlich für Schäden eines Anlegers

Konsumentenschützer: Nicht jede Wertsicherungsklausel gültig

GESUNDHEITSSYSTEM

ELGA wird im Juli Pflicht: Ab sofort müssen Befunde digital sein – ELGA ist bei ganyMED seit langem voll integriert – Ganymed / Pressetext, 23.7.2025

ganyMED und Kutschera-Datentechnik bieten Österreichs Arztpraxen ELGA-Implementierung – ganz easy.

Graz (pts012/23.07.2025/09:45) – Laut Schätzungen der österreichischen Ärztekammer ist noch immer ein Großteil der Arztpraxen nicht auf ELGA umgestellt. Die nächste Ausbaustufe der ELGA startet diesen Monat. Ab Juli 2025 sind alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, Labor- und Röntgenbefunde elektronisch in die Gesundheitsakte einzuspielen. Was für Patientinnen und Patienten mehr Transparenz bringt, bedeutet für viele Ordinationen eine neue technische Herausforderung. „Wir wissen, es gibt noch viele Arztpraxen in ganz Österreich, die vor ELGA zurückschrecken. Dabei ist ein Wechsel mit unserer 100 % österreichischen ganyMED-Praxissoftware denkbar einfach und 100 % problemlos“, betont Horst Kögler, Leiter der für Ärzteberatung bei Kutschera-Datentechnik in Graz.

Umstieg auf ELGA 100 % einfach und mit 100 % österreichischem Support

Kutschera-Datentechnik sorgt für eine reibungslose digitale Kommunikation zwischen Arztpraxen, Laboren und Krankenhäusern. Die intelligente Vernetzung ermöglicht eine schnellere Datenübertragung und verbessert die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen.

Die Praxissoftware ganyMED ist bereits vollständig ELGA-kompatibel – inklusive sicherer Übertragung, automatischer Dokumentation und zertifizierter Anbindung. Die Integration erfolgt nahtlos und ohne Zusatzkosten oder aufwändige Nachrüstungen. „Wie einfach das geht, davon können sich Ärztinnen und Ärzte bei einer kostenlosen Präsentation in der eigenen Praxis überzeugen“, so Mag. Julian Strausz, Geschäftsführer von Kutschera-Datentechnik.

Ohne ELGA wird es ab sofort kompliziert in der Praxis

„Wer heute noch auf eine Software ohne vollständige ELGA-Anbindung setzt, wird jetzt unter Zeitdruck geraten“, warnt das Expertenteam von Kutschera. Aktuell verzeichnet das Unternehmen zahlreiche Anfragen für einen möglichst schnellen Umstieg in letzter Minute – nicht zuletzt, weil ganyMED mit durchdachten Abläufen und österreichischer Benutzerführung überzeugt. „Wir sprechen Österreichisch und sind auch jederzeit lokal vor Ort in der Praxis verfügbar“, so Kögler.

Kontakt:
Kutschera-Datentechnik
Tel.: 0316 33 90 33
E-Mail: office@kutschera.co.at
Web: https://www.kutschera.co.at oder https://www.ganyMED.at

(Ende)

Aussender:Kutschera-Datentechnik GmbH
Ansprechpartner:Erich Strausz
Tel.:+43 316 33 90 33
E-Mail:office@kutschera.co.at
Website:www.kutschera.co.at

IT – KI – ROBOTIK – INTERNET

Reiseplanung per KI: Haben Buchungsportale bald ausgedient? – n-tv, v.8. (KURZVIDEO)

In Deutschland laufen rund 31 Prozent der weltweiten Buchungen über Internetvermittler wie Booking.com oder Expedia. Aber die Konkurrenz wächst – vor allem durch Chatbots und künstliche Intelligenz, die die Reiseplanung übernehmen wollen.

UNTERNEHMEN

GESELLSCHAFTSSEISMOGRAPH BÖRSEN

*** nicht aktualisiert ***

AKTIENEMPFEHLUNGEN – BUY & SELL

Aktuell (—): 
Aktien um 10 Euro je Stück sind FETT hervorgehoben.

Die erwarteten stolzen Kursgewinne sind dem Übermut der tollen Analystenzunft zu verdanken! Hirn selbst einschalten und kritisch bewerten. MERKE: Klappern gehört zum Geschäft. Es geht letztlich nicht so sehr um die Beratung der Anleger, sondern um die spekulativ selbst gehaltenen Aktien der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaften etc.), für die die Analysten tätig sind: wenn viele kaufen, steigen die Kurse, und 5% Plus sind zwar weniger als 15% oder 35%, aber besser als 5% Minus. Zudem lassen sich schnell noch eigentlich „schlechte“ Aktien im Portfolio des Hauses (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) verkaufen, für die der Analyst tätig ist, sofern die werten privaten Anleger den Kaufempfehlungen folgen. So schaut’s aus im Schneckenhaus! Nochmals: Hirn selbst einschalten. Die Finanzbranche lebt vom Trübe-Machen des Wassers!

NICHT ZULETZT: Verkaufsempfehlungen werden ungern gegeben, da sie auf das Portfolio der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) rückschließen lassen, zu denen die Analysten gehören. Verkaufsempfehlungen werden aus zwei Gründen gegeben: a) es ist tatsächlich Feuer am Dach des analysierten Unternehmens, b) das Haus möchte die Aktien des zum Verkauf empfohlenen Unternehmens billiger zurückkaufen, sofern den Verkaufsempfehlungen gefolgt wird. Letztlich agieren an der Börse die Optimisten, und die wollen positive Nachrichten hören, also werden sie von den Häusern und ihren Analysten entsprechend bedient.

UND ZU ALLERLETZT: die Analysten bespiegeln sich untereinander: wer hat was empfohlen oder nicht empfohlen, es kommt zu herdenpsychologischen Erscheinungen derart: der Leithammel hat empfohlen, also machen wir das auch. Die jeweiligen Analysen werden entsprechend (um)formuliert. Das zweite Moment: die Konkurrenz, die u.U. zu skurrilen Interpretationen des analysierten Unternehmens führt.

FAZIT: was die Analystenzunft von sich gibt, kann aufschlussreich sein, muss es aber nicht, vermittelt einen zusätzlichen Eindruck zu einzelnen Aktiengesellschaften. Wichtig ist der Blick auf zweierlei: a) entscheidend: auf die volkswirtschaftliche Situation des Landes, der Welt; b) sekundär (!) auf das Unternehmen und seine Branche: Charakter des Managements, klare, gut durchschaubare Produktpalette, Langlebigkeit des Unternehmens und seine Stetigkeit im Gebaren.

Renten- und Aktienmärkte

Man halte sich vor Augen: Aktienmärkte sind die Pfützen in der Welt der Veranlagungsmöglichkeiten. Anleihenmärkte (Rentenmärkte, Kapitalmärkte) sind die großen Ozeane ebendort. Daher sind Aktienmärkte volatil und reagieren auf den leisesten Windhauch mit u.U. kräftigen Ausschlägen. Die Seelen der Anleger sind sehr verletzlich: Angst und Gier bestimmen hier jegliches Handeln, die vernünftige Veranlagungsentscheidung steht an zweiter Stelle. Das verursacht in den kleinen Geldpfützen der Aktienmärkte hohe Wellen. Aber dort stehen nach erster Erschütterung später die rationalen Kaufs- und Verkaufsentscheidungen felsenfest – bis zur nächsten Seelenerschütterung.

Anleiheanleger sind cooler und gezügelter im Gemüt. Hier geht es eher um Langfristperspektiven. Alles dreht sich um den Zins und wie er sich weiterentwickelt. Wer an der Zinsschraube dreht, dreht am Schicksal ganzer Volkswirtschaften. Da ist das aufgeregte Gegackere an den Aktienmärkten geradezu uninteressant.

Aber kommen Anleihemärkte einmal ins Rutschen – nach oben oder nach unten – dann ist Feuer am Dach. Schon 0,5 oder gar 1 Prozent Veränderung in einem Anleihenindex sind eine „Weltbewegung“ im Milliarden- oder Billionengeldmeere der Anleiheozeane.

Dazu kommt: Die Anleiherenditen konkurrenzieren mit den Aktienrenditen. Eine hohe Anleiherendite jenseits der 3 Prozent wirkt umso „giftiger“ auf die Aktienkursentwicklungen, je höher sie ist. Liegt sie unter 3 Prozent, begünstigt sie die Aktienkäufe, Je deutlicher sie unter 3 Prozent liegt, umso eher. Das ist die Regel. Die Ausnahme – so, wie wir sie gerade sehen – bestätigt diese Regel. Früher oder später wird sie ihre dominante Stellung als Regel wieder einnehmen.

Diese Verhältnisse sind es, die im Tagesblick in der Regel die Berichte zu den Anleihemärkten wiedergeben lassen, dass aufgeregte Geflattere und Gegackere an den Aktienmärkten im Detail interessiert in der Regel nicht die Bohne.

Zur Renditebestimmung bei Anleihen: notiert die Anleihe zu 100 Prozent, dann stimmen Anleihezinssatz (der Couponzins) und Anleiherendite überein. Sinkt der Anleihekurs unter 100 Prozent, steigt die Rendite, umgekehrt gilt: steigt der Anleihekurs, so sinkt die Rendite. So einfach ist das. Und so weltbewegend in der Tat.

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Allgemeine Empfehlungen: Es geht vornehmlich um die Zukunft der Energiegewinnung und die Energielieferanten. Renner bleiben Telekommunikations-Unternehmen, deren Dienstleistungen in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft unabkömmlich sind. Unter den Logistik-Aktien sind in der Regel die Post-Aktien interessant. Diese Branchen sind weniger konjunkturabhängig als z.B. Konsumaktien, darunter die Post-Aktien noch am ehesten.

Hinzu kommt, dass die klassischen erdölverarbeitenden Energielieferanten (Up- und Downstream) mehr oder weniger energisch in großem Stil auf Alternativenergien umstellen. Es bleibt ihnen angesichts des Klimawandels, der öffentlichen Meinung und der in absehbarer Zeit erschöpften Welt-Erdölreserven auch nichts anderes übrig. Über das Kapital für den weltlebensnotwendigen Umbau verfügen sie dank ihrer Aktionäre. Es geht aus Sicht der Unternehmen um zukunftsträchtige Geschäftsmodelle in einer überschaubaren Branche – Energie – und aus Sicht der Aktionäre um steigende Unternehmenswerte / Aktienkurse als Inflationsschutz und sichere, möglichst stabil wachsende Dividenden, ebenfalls hinsichtlich des Inflationsschutzes.

Anti-Nachhaltigkeits-Bewegung in den USA als 180-Grad-Wendung in der Veranlagungsgebarung

Der aktuelle politische Druck in den USA zwingt eine Reihe großer Vermögensverwalter, darunter die weltgrößten wie Blackwater und Vanguard (verwaltetes Vermögen: 20 Billionen US-Dollar), nachhaltige Unternehmen potentiellen Anlegern nicht mehr zu empfehlen. Sie selbst verkaufen solche Unternehmen aus ihren Portfolios. Es gibt sogar seitens republikanisch regierter Bundesstaaten wie insbesondere Texas Kaufverbote für staatliche Pensions- u.a. Fonds.

Ausgestiegen sind bereits US-amerikanische Großbanken wie JP Morgan, Goldman Sachs, Wells Fargo, Bank of America, Citigroup (verwaltetes Vermögen: 9 Billionen). Ähnliches betrifft die Kreditvergabe. Offen bleibt, wie private und Unternehmensanleger (nicht-staatliche Fonds) künftig disponieren werden.

Unter den angebotenen Finanzanlagen kursieren seit geraumer Zeit besondere Nachhaltigkeitsprodukte in Form sog. ESG-Fonds (mehr dazu hier), die hohe Renditen versprachen und daher recht starken Zulauf hatten; die Renditen wurde seit Erhöhung der Kreditzinsen gebremst, da dadurch kreditfinanzierte Nachhaltigkeitsprojekte (Windparks, Solaranlagen etc.) weniger rentabel wurden.

In der Europäischen Union will man sich weiter an entsprechende Nachhaltigkeitsauflagen festhalten. Bislang wurden in europäische ESG-Fonds 9 Billionen Euro investiert, was 61 Prozent des gesamten Fondmarktvolumens entspricht. Der Zufluss hat sich 2024 allerdings um die Hälfte auf 37 Milliarden Euro reduziert. Zudem wurden mehr ESG-Fonds geschlossen als eröffnet. Nicht nur die hohen Zinsen, die die ESG-Fonds-Renditen beeinträchtigten, führten dazu, sondern auch „grüne Schönfärberei“: es stellte sich da und dort heraus, dass die versprochene Nachhaltigkeit mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit bestand. (Quelle: Wirtschaft vor Acht, ARD, 10.1.2025 (KURZVIDEO, bis 17.1.2025 verfügbar))

FAZIT: Es bleibt abzuwarten, was das für den Klimaschutz in den USA und weltweit künftig bedeutet. Für Österreich stellt sich die Frage, wie eine künftige Regierung sich in Sachen Klimaschutz verhalten wird.

Aktienkauf – der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung – bedeutet Übernahme eines Risikos in Hinblick auf das künftige Unternehmensschicksal. Die Dividende stellt eine Risikoprämie dar.

Aktienanalytischer Blick auf Aktien im Euroraum und speziell Österreich (Stand: 24.2.2025):

ACHTUNG – STEUERVERÄNDERUNGEN ANTE PORTAS:
Ins Gerede kommen in absehbarer Zeit auf EU-Ebene und auf Österreich-Ebene vermutlich Aktienbesteuerung (Verkaufsgewinne, Dividenden) ebenso wie Vermögens- und Erbschaftssteuer. Diese Steuern sind in Veranlagungsüberlegungen mit einzubeziehen.

Im Folgenden sind Aktien um 10 Euro je Stück und darunter FETT hervorgehoben.
Neu aufgenommene Aktien werden mit ### gekennzeichnet.

Beobachtenswert ist der Umweltschutz- und Wasserwirtschaftswert Veolia

Ein Kaufsignal liefern weiterhin ENI, UNICREDIT und TOTAL ENERGIES, im Vergleich zum 3.2.2025 stabile Bewertung mit jeweils fünf Sternen bewertet.

Ein Kaufsignal liefern ENEL, PORR, SHELL, VERBUND, ### VIENNA INSURANCE GROUP mit jeweils vier Sternen bewertet.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung mit jeweils vier Sternen bewertet.

Ein niedriges KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zeichnet aus:
RWE, TOTAL ENERGIES, ### UNICREDIT SPA, PORR, OMV, ### UNIQA, EVN, ENEL, TELECOM AUSTRIA, ### STRABAG, WIENERBERGER, SHELL, PALFINGER.

Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktie RWE ist die mit dem niedrigsten KGV = 4,8, PALFINGER die mit dem höchsten KGV = 9,3.
Im Vergleich zum 3.2.2025 erweiterte stabile Bewertung.

Ein niedriges dynamisches KGV (PEG, Price-Earning-to-Growth) weisen u.a. auf:

ENI, UNICREDIT, ### KONTRON AG, OMV, SHELL, PORR, WIENERBERGER, PALFINGER,

Nicht mehr dazu gehören: VIENNA INSURANCE GROUP, TELECOM AUSTRIA.
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktien ENI = 0,5 ist die mit dem niedrigsten, PALFINGER die mit dem höchsten PEG = 1,4.
Im Vergleich zum 3.2. 2025 ist die Auswahl verändert, einzelne Aktien kamen dazu, andere fehlen nun!

Als Aktien mit langfristigem Kurspotential werden u.a. gesehen:
TOTAL ENERGIES, ENI, VERBUND, E.ON.SE, EVN, RWE.

Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene mit der größten Langfristchance.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl stabil, die Reihenfolge hat sich geändert.

Als Aktien mit hoher Sicherheit werden u.a. bewertet VIENNA INSURANCE GROUP, VERBUND; die Bewertungen bleiben unverändert zum 3.2.2025.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene Aktie mit der größten Sicherheit.

Aktien mit hoher Dividendenrendite sind:
OMV, ORANGE, TELEFONICA, ENI, UNIQA, ENEL.


Aktien mit der größten Dividendenrendite stehen am Anfang der Reihe: OMV 12,6%, am Ende die mit der niedrigsten: Enel 6,7%, jeweils vor Steuer.
Im Vergleich zum 3.2.2025 bleibt die Auswahl gleich, die Reihenfolge hat sich geändert.

KAUFKRITERIEN neben den aktienanalytischen Kennzeichnungen sind der Reihe nach: WER? – Qualität und Charakter (Psychologie!) des Managements, Häufigkeit des Managementwechsels, Unternehmenskultur; WAS? – Produkteinfachheit: „einfach gestrickte“, leicht zu durchschauende/transparente Produkte oder Dienstleistungen, eher kleine Produktpalette bzw. enger umschriebenes Dienstleistungsangebot, Konstanz der Nachfrage; WIE? – Sicherheit, Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Wechselfällen, finanzielle Stabilität des Unternehmens, Konkurrenzsituation; WO? – geographische und „politische“ Lage möglichst fern von Krisengebieten inkl. solchen mit politischer Unruhe oder in Ländern mit totalitären Systemen oder deutlich defekten Demokratien (illiberale Demokratien); WANN? – Lebensdauer bzw. Überlebensdauer (Weltkriege etc.) des Unternehmens bisher, Stetigkeit der Dividendenzahlungen.

FAZIT: vor dem Kauf einer Unternehmensbeteiligung sich zur Aktiengesellschaft schlau machen: WER, WAS, WIE, WO, WANN.

ZWEI DINGE sind zusätzlich zu beachten:

# Langfristanlage durch Erwerb von Defensiv-Aktien (u.a. Energie, Telekom),

# Verbleib in einem Währungsraum, das ist der Euroraum. Daher werden die allseits seit Jahren gehypten US-Aktien hier mit Absicht außen vor gelassen, um das Währungsrisiko klein zu halten. Gleiches gilt für den Erwerb von Schweizer Aktien, wie die Vergangenheit mit Blick auf das sehr wechselhafte Wechselkursverhältnis Schweizer Franken / Euro gezeigt hat. 

Die Europäischen Union als Veranlagungsrisiko?

Das Staatssystem der Europäischen Union kommt einer defekten Demokratie gleich und erstreckt sich in den Währungsraum (Euroland), in dem gehandelt wird. Man spricht auch von einem Demokratie-Defizit der Europäischen Union. Risiken dieser defekten Demokratie, um einige zu nennen, sind: Regelungen „von oben herab“ auf nicht sehr transparente Weise und Steuervorgaben, die sich durch Negieren realer Alltagserfordernisse auszeichnen, Überwachungsbestrebungen, hoher Bürokratieaufwand für Unternehmen und Bürger. All dies markiert Abgehobenheit und Bürgerferne der EU-Politik.

Kennzeichnend für das Gebaren (Governance) der EU ist ein Ineinandergreifen von EU-Exekutive (Kommission mit ihren Kommissariaten) und einem nicht gut überschaubaren Geflecht zahlreicher, der EU nahestehenden und von ihr geförderten Institutionen, Organisationen und Einrichtungen, die auf vielen Ebenen EU-Kommissionsvorgaben umsetzen helfen. Sie helfen insbesondere dabei, die von EU-Rat- und EU-Kommission angedachten, aber für Bürger und Unternehmen noch nicht „akzeptablen“ Vorgaben „schmackhaft“ zu machen, um so zu einer ausreichend hohen Akzeptanz in der Bevölkerung zu führen, die eine politische Umsetzung ermöglicht.

Junker sagte 1999 dazu sehr verkürzt und sinngemäß: was wir heute als EU nicht durchsetzen, das werden wir dann schon später durchsetzen. Dem Lobbyismus Richtung EU-Exekutive (insbesondere seitens der Unternehmen) steht ein „Lobbyismus“ seitens der EU in Richtung auf die Einrichtungen der Mitgliedsländer sowie auf die Unternehmen und die Bevölkerung gegenüber, dessen Räderwerk für den Normalbürger praktisch nicht durchschaubar ist. Inwieweit kommt dies einem autokratischen Verhalten von der Maschek-Seite gleich?

Hauptziel der EU-Bestrebungen ist die Etablierung der Vereinigten Staaten von Europa, die den derzeit bestehenden Verbund der Mitgliedsstaaten ersetzen soll. Das deutet auch der Wechsel der Namensgebungen im Zeitverlauf an:

# Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, umgangssprachlich auch Montanunion, 1951)

# Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957 inklusive EURATOM)

# Europäische Gemeinschaften (EG, 1965 ff., Fusion von EWG, EURATOM und einzelnen EG-Organen, Fusions- und Folgeverträge)

# Europäische Gemeinschaft (EG, seit 1993 ff., Maastricht- und Folgeverträge)

# Europäische Union (EU, 2007, Lissabon- und Folgeverträge)

1948
1948
Brüsseler
Pakt
1951
1952
Paris
1954
1955
Pariser
Verträge
1957
1958
Rom
1965
1967
Fusions-
vertrag
1986
1987
Einheitliche
Europäische Akte
1992
1993
Maastricht
1997
1999
Amsterdam
2001
2003
Nizza
2007
2009
Lissabon
Europäische GemeinschaftenDrei Säulen der Europäischen Union
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom)
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)Vertrag 2002 ausgelaufenEuropäische Union (EU)
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)Europäische Gemeinschaft (EG)
Justiz und Inneres (JI)
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ)Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Westunion (WU)Westeuropäische Union (WEU)
aufgelöst zum 1. Juli 2011

Problematisch bleibt dabei: je größer die Zentralisation von Staatsmacht, umso größer die Machtfülle, die mit „eiserner Harke“ über berechtigte (!) Einzelinteressen der Mitgliedsstaaten und damit der Bürger drüberfährt. Das Prinzip der Subsidiarität bleibt dabei auf der Strecke, so wie dieses Prinzip z.B. Österreich 1994 anlässlich der Vorabstimmungskampagnen versprochen wurde. Wurde das Versprechen eingelöst?

Beispiele der Machtfülle durch Zentralisierung liefern alle großen Staaten, u.a. Russland und China, die geradezu Musterbeispiele dafür darstellen.

Ein Problem des Staates an sich ist das Machtmonopol, das bei ihm liegt und liegen muss, will er Gesellschaft – das Staatsvolk – und die Abläufe darin mit Erfolg, also: durchsetzungskräftig organisieren. Das Problem ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen unbeschränkter Freiheit des Individuums (Libertarismus) und unbeschränkter Freiheit des Staates (Totalitarismus).

Wie dieses Machtmonopol ausgestaltet wird, unterliegt in Demokratien dem Willen des Wahlvolkes, in nicht-demokratischen Staaten dem Willen des autoritären, totalitären oder autokratischen Machthabers. In defekten Demokratien ist die Mitbestimmung des Volkes eingeschränkt. Defekte Demokratien existieren in einer Grauzone, deren Konstituenten und ihre gegenseitige Einflussnahme nicht leicht zu bestimmen sind. Somit ist auch der Defektheitsgrad einer defekten Demokratie nicht leicht zu bestimmen und unterliegt, je nach politischer resp. ideologischer Perspektive, unterschiedlichen Wertungen.

Die idealtypische Dreiteilung der Regierungsformen existiert in der Wirklichkeit nicht: keine Demokratie der Welt entspricht der idealen Form, weist also im Ansatz Eigenschaften einer defekten Demokratie auf, kein totalitärer Staat schränkt die individuellen Freiheiten vollständig ein, es verbleibt den Bürgern dort ein mehr oder weniger großer Freiheitsraum.

Hinsichtlich des staatlichen Machtmonopols, das zudem bei anwachsender  Zentralisation der Staatsgewalt zur Zunahme neigt, ergibt sich die Erkenntnis: so wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig als einer Einrichtung, die mit einem mit Rechtsgewalt in das Leben seiner Bürger eingreifenden Machtmonopol versehen ist, das für das „Funktionieren“ einer Gesellschaft unaufgebbar ist.

Die dafür notwendigen rechtlichen Verregelungen des Alltagslebens durch Allgemeines Gesetzbuch, Strafgesetzbuch, Angestelltengesetz etc.etc. sind zahllos und gelten bei ausnahmslos jeder Handlung, werden aber – ebenso regelhaft – dem Bürger erst dann bewusst, wenn es zu schwerwiegenden Regelverstößen oder Regelbruch-Sanktionierungen kommt. 

Rechtliche Verregelungen sind Ausdruck der jeweiligen Ausprägungen eines Rechtsstaates; dieser wird in einer idealen Demokratie nicht durch Willküreinwirkungen korrumpiert: das ist ein wesentliches Kennzeichen demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Auf Rechtsstaatlichkeit pflegen sich auch autoritäre, totalitäre oder autokratische, kurz: diktatorische Systeme zu berufen, doch wird der Rechtsstaat dort durch Willküreingriffe korrumpiert: Rechtsbiegung als Kennzeichen von Autokratien etc. In einer defekten Demokratie wird die Rechtsstaatlichkeit (leicht) eingeschränkt, womit das Risiko entsteht, in eine Autokratie abzugleiten.

Nur in formalrechtlicher Hinsicht war zum Beispiel auch der NS-Staat ein Rechtsstaat, besaß er doch gemäß der NS-Grundsätze umgearbeitete Gesetze aus der Weimarer Republik und neue Gesetze im Sinne der NS-Ideologie, auf die er sich in der Rechtsprechung berief und von denen viele in einem „normalen“, d.h. hier NS-konformen Rechtssetzungsprozess entwickelt wurden. Daran ändert nichts die Gepflogenheit, den NS-Staat in inhaltlich-ethischer Hinsicht als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Ein krasses Beispiel für einen NS-Rechtserlass im autokratischen Sinn ist unter diesem Link einsehbar.

Kennzeichnend für die Biegsamkeit des Rechts je nach Staatsraison ist die Tatsache, dass Juristen nach einem Regimewechsel ihre Posten in der Regel nicht verloren, sondern im neuen Regime weiter im Dienst des Rechts ihre berufliche Tätigkeit frei oder im öffentlichen Dienst ausübten. So wurden Juristen und Richter nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes ohne weiteres in den öffentlichen Dienst der entstehenden Bundesrepublik Deutschland übernommen. Vergleichbares geschah nach dem Fall der UdSSR oder DDR.

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Demokratie das Herstellen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einerseits den rechtsstaatlich gesicherten Freiheitsbedürfnissen des Individuums unter für ihn zureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten und andererseits den „Freiheitsbestrebungen“, somit Machtbestrebungen des Staates, mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Gemeinwohl resp. Sozialfrieden in Freiheit herzustellen. Als Garant dafür dient die Gewaltenteilung und ein entsprechend stark regulierter und damit gewaltgebändigter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie als vierte Gewalt die Sicherstellung einer freien Presse. MOTTO: Nimm Freiheitsbeschränkungen mit Blick auf das Gemeinwohl aus Überzeugung an, wir helfen dir dabei durch politische Aufklärung und sachliche Bildungsarbeit!

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Autokratie, im Autoritarismus und vor allem im Totalitarismus Ausgesetztheit vor rechtsbeugenden willkürlichen Staatseingriffen auf die ohnehin reduzierten Freiheitsmöglichkeiten des Individuums unter nicht selten unzureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten zu Gunsten der Machtbestrebungen des Staates mit dem Ziel, ein Höchstmaß an „Gemeinwohl“ resp. „sozialem Frieden“ in Unfreiheit zu erzwingen. Als Garant dafür dient die Einschränkung, womöglich Aufhebung der Gewaltenteilung sowie ein entsprechend stark ausgeprägter und mit gering regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine allgegenwärtige Brachial-Propaganda unter Ausschaltung der Pressefreiheit. MOTTO: Kusch, sonst trifft dich der Polizeiknüppel und du landest im Gulag, folgst du nicht den Propaganda-vermittelten Staatszielen!

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit in einer defekten Demokratie gibt in (noch) geringem Ausmaß jene Prinzipien auf, die eine Demokratie hervorheben. Als Garant dafür dient eine Einschränkung der Gewaltenteilung und ein nicht allzu gestärkter und nicht allzu sehr mit herabgesetzter regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine verhältnismäßig subtil eingesetzte Propaganda und Beeinflussungsmaschinerie. MOTTO: Folge der politischen Verführung und glaube, es sei deine Entscheidung, sonst zwiebeln wir dich mit Exekutivmaßnahmen!

Eine solche Beeinflussungsmaschinerie hat die exekutiv im Grunde genommen schwach aufgestellte EU entwickelt, was zu eben der Ausbildung dieser „Schattenexekutive“ geführt hat. Sie trägt damit – nicht so ohne weiteres sichtbar für den Normalbürger – ein Kennzeichen einer defekten Demokratie. Damit steht die Gefahr im Raum, weiter an demokratischen Eigenschaften einzubüßen und zu einem politischen und wirtschaftlichen Risiko heranzureifen. In der Tat bemüht sich die EU um Stärkung ihrer Polizeigewalt (Frontex, 2004, weiterer Ausbau) und damit um Ausbildung eines weiteren Kennzeichens defekter Demokratien insofern der Vorwurf stimmte, dass Frontex auch innerhalb der EU eingesetzt werden könnte.

Was die Beeinflussungsmaschinerie der EU betrifft, hat 2011 der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (1929-2022) die Europäische Union als “sanftes Monster Brüssel“ bezeichnet und von der „Entmündigung Europas“ gesprochen. Er anerkennt segensreiche Folgen ihres Wirkens, macht aber zugleich auf die strukturellen Defizite dieser überstaatlichen Einrichtung aufmerksam, die durch massive Öffentlichkeitsarbeit, um nicht zu sagen: Propaganda – geschickt durch das vorbeschriebene Geflecht an Organisationen, Instituten, Einrichtungen etc. vermittelt –, übertüncht werden. Bezeichnend ist sein Ausspruch: „Je dünner die Legitimität [ihres politischen Handelns], umso dicker der Glibber der PR.“

Die geschilderte Gefahr liegt nicht darin, sich im Euro-Währungsraum zu bewegen. Sie liegt darin, dass infolge mangelnder demokratischer Kontrolle politisch einer Gesinnungsethik und nicht einer Verantwortungsethik gefolgt wird. Damit einher ginge eine Abgehobenheit von den Realitäten des täglichen Lebens der Bürger und Unternehmen. Das führte kurz über lang zu einer Schwächung des Euros im Währungskonzert. Ein Risiko erwüchse dann eher daraus, dass es nicht sicher ist, ob der Währungsraum „Euro“ eines Tages zerbricht, zum Beispiel dadurch, dass im Konzert mit anderen Währungen die derzeit ohnehin angekratzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union noch weiter geschwächt würde und der Euro fortgesetzt an Wert verlöre. Letzteres erleichterte das Auseinanderbrechen der Europäischen Union, die Eigeninteressen der Mitgliedsländer träten wieder stärker hervor.

Dieses Auseinanderbrechen der Europäischen Union ist derzeit unwahrscheinlich, aber denkmöglich als Folge von: fortgesetzter Wirtschaftsschwäche; weiter zunehmender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Zunahme nationalkonservativer bis rechtsextremer Haltungen; fortgesetztem „Rütteln an den Ketten“ seitens ehemaliger UdSSR-Bruderstaaten; fortgesetzter Aufnahme neuer Mitgliedsländer speziell aus dem Balkan und dem ehemaligem UdSSR-Einflussbereich (Serbien, Ukraine); gravierenden, von den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten nicht mitgetragenen außen- und innenpolitischen Entscheidungen. 

Bräche die EU, so bräche spätestens dann auch der Euro; im Übrigen weist die Geschichte der Währungsunionen auf deren Brüchigkeit hin: sie halten in der Regel nicht lange. Den Anleger zwingt unter anderem auch dies beizeiten zu überlegen, in welcher Währung er außerhalb des Euroraumes investieren soll. Angesichts des unsicheren Status des US-Dollars als Weltwährung ist dies eine herausfordernde Frage. Sie stellt sich glücklicherweise derzeit nicht, sondern taucht nur schemenhaft als Denkmöglichkeit am Horizont einer eher ferneren Zukunft auf. Aber: sie taucht auf und kann blitzesschnell elefantengroß im Raum stehen.  

FAZIT: die Europäische Union birgt für den Anleger derzeit nur am Zukunftshorizont sich abzeichnende Risiken. Sie entspringen u.a. daraus, dass die EU weniger aus der Position der Stärke als eher aus der der Schwäche handelt. Im Vergleich zur Situation des Kalten Krieges und damit zur Gründerzeit der EU-Vorläufereinrichtungen, in der es nur einen wirtschaftsmächtigen geopolitischen Spieler und gleichzeitigen Verbündeten – die USA – gab, steht die Europäische Union heute zwischen zwei Wirtschaftsblöcken: dem des USA-geführten Westens und dem des sog. globalen Südens. Das erzeugt Druck, allzumal Zeitdruck, treibt die EU an und lässt sie, will sie nicht aufgerieben werden, nach Machtvergrößerung durch Zentralisierung streben – ein Demokratierisiko ersten Ranges, damit in der weiteren Folge ein Wirtschafts- und letztlich Veranlagungsrisiko. 

Grundsätzliches zur Währungsspekulation

Währungs-Spekulation ist ein äußerst schwieriges, glitschiges, hochriskantes Geschäft, bedarf langjähriger Erfahrung, tagtäglicher Marktbeobachtung und eines guten Magens: Schocks und erratische Marktbewegungen müssen ausgehalten werden – psychisch und finanziell. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Währungsspekulanten im deutschsprachigen Raum ist Folker Hellmeyer (Hellmeyer-Website, Hellmeyer-Kurzportrait (Goldseiten), Hellmeyer auf Netfonds usf.).

Zweck der Währungsspekulation?

Wie bei den Warenoptionsmärkten dient auch der Währungsoptionsmarkt dazu, sehr starke Schwankungen im Wert einer Währung (Devise) zu verhindern: sehr starken Verteuerungen oder Verbilligungen einer Währung im Devisenmarkt (Währungs- oder FOREX-Markt) wird so gegengesteuert. Dafür sorgen die vielen Marktteilnehmer, von denen ein Teil den künftigen Wert einer Währung (Devise) höher, der andere diesen Wert tiefer einschätzt. Dies führt dazu, dass sich eine Art mittlerer Wert für diese Währung einstellt. Währungsoptionsmärkte sind rund um den Globus nahezu 24/7, also nahezu täglich rund um die Uhr, offen (Warenoptionsmarkt, Optionen im Freihandel).

Anders ausgedrückt: Die Spekulanten sichern sich mit ihrem Engagement gegen das Risiko eines Währungsverfalls oder eines Währungsanstiegs ab. Währungsanstiege sind ein Risiko für Käufer auf Warenmärkten, Währungsabwertungen sind ein Risiko für Verkäufer auf Warenmärkten. Gleiches gilt selbstverständlich auch für Dienstleistungen im internationalen Dienstleistungsaustausch. Die gegenläufigen Interessen auf dem Währungsoptionsmarkt „mitteln“ sich aus.

Allgemein gesprochen handelt es sich bei den Geschäften auf Optionsmärkten um Absicherungsgeschäfte oder Hedging.

Nochmals anders ausgedrückt: Auf aggregiertem Niveau (Makroebene) sorgt der Währungsoptionsmarkt für die Stabilität einer bestimmten Währung im Konzert der anderen Währungen im Devisen- resp. Währungsmarkt (Kassa- oder Spot-Markt, das Pendant zum Optionsmarkt).

Eine stabile Währung ist für die Volkswirtschaft, in deren Bereich diese Währung als Zahlungsmittel dient, eine Lebensnotwendigkeit für das optimale Funktionieren der volkswirtschaftlichen Grundvorgänge Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Erratische Schwankungen im Währungs- oder Devisenmarkt erschweren auf der Ebene der Unternehmen (Mikroebene) innerhalb und außerhalb einer Volkswirtschaft erheblich Kalkulationen mit Sicht auf künftig geplante Käufe und Verkäufe. Erratische Schwankungen einer Währung schwächen die Wirtschaftsleistung der zugehörigen Volkswirtschaft, eine stabile Währung fördert sie. Dies gilt auch für Volkswirtschaften außerhalb des entsprechenden Währungsraumes, sofern sie mit dieser Volkswirtschaft handelnd in Verbindung stehen.

FAZIT: Währungsoptionsmärkte sind für das Wirtschaftsgeschehen im Konzert der verschiedenen Volkswirtschaften überlebenswichtig.

Die heilige Trias

Diese Zusammenhänge bleiben in der Regel für Otto Normalverbraucher genauso verborgen wie die Bedeutung der nicht-demokratisch agierenden Zentralbanken, die mit ihren Zinsentscheidungen tief in das Wirtschaftsleben und somit in das Alltagsgeschehen der Menschen eingreifen. Warenmärkte, Währungsmärkte und Zentralbanken sind in einem fortlaufenden Marktgeschehen untrennbar und maßgeblich untereinander verbunden. Dabei modulieren und moderieren die Zentralbanken über den Zinssatz die Abläufe in Waren- und Währungsmärkten und den zugehörigen Optionsmärkten.

Für Otto Normalverbraucher sind Spekulanten auf diesen Märkten in aller Regel ganz, ganz böse Subjekte, die sich mit ihren Spekulationsgewinnen die Taschen vollstopfen.

Wer sind diese Subjekte auf Währungsoptionsmärkten?

Auf Währungs- und Währungsoptionsmärkten agieren in großer Zahl Staatsstellen, staatliche und private Pensionsfonds, multinationale und andere Unternehmen, Finanzinstitute (Banken u.a.), Hedgefonds u.a.

Otto Normalverbraucher verkennt in aller Regel den Sinn dieser Märkte und die Rolle der Spekulanten dort; denn:

Die Währungsoptionsmärkte zeichnen für das Wohl und Wehe im höchstpersönlichen Alltagsleben des kleinen Mannes auf der Straße verantwortlich, indem sie für relative Währungsstabilität sorgen. Doch Märkte sind keine Subjekte. Somit sind präzise gesprochen nicht „die Märkte“, sondern die Teilnehmer an Währungsoptionsmärkten – also die risikoübernehmenden Spekulanten – für das Wohl und Wehe von Otto Normalverbrauchers alltäglichem Leben verantwortlich.

Daher lässt sich interpretieren: In der Erhaltung der Währungsstabilität liegt der soziale Sinn der Spekulation. Dabei dient der Spekulationsgewinn als Entgelt für die risikobehaftete Sorge um eine stabile Währung.

Es kommt zu einem „paradoxen“ Effekt: die Befriedung der Einzelinteressen der Subjekte, den Spekulanten, trägt vermittels des Marktgeschehens zur Optimierung des Gemeinwohls bei.

Die Umsätze in Devisen- und Währungsoptionsmärkten sind die größten weltweit und erreichen täglich Milliarden bis Billionen von Währungseinheiten. Im Jahr 2022 wurden allein im Devisenmarkt täglich durchschnittliche Umsätze in Höhe von 7,5 Billionen US-Dollar gehandelt. Zu beachten ist, dass dabei immer Währungspaare gehandelt werden und zudem die Umsätze „doppelt“ anfallen: als Verkaufs- und als Kaufpreis in Summe. Das plustert das tägliche Handelsvolumen ordentlich auf.

Was für die Währungsoptionsmärkte gilt, gilt ebenso für die Warenoptionsmärkte: es geht um die Stabilisierung von in großen Mengen gehandelten Waren wie Weizen, Schweinehälften Orangensaft, Kaffee und vieles andere mehr. Die aufgezählten Waren stehen für solche, die für die Bevölkerungen hohe Bedeutung haben.

Wozu Optionsmärkte gut sind

Aber es gibt doch nach wie vor Preissprünge auf den Warenmärkten, von erratischen Ausschlägen an den Devisenmärkten war auch schon die Rede: wie passt das ins Bild?

Ohne die Terminbörsen wären die Ausschläge um einiges stärker, die Preise höher.

Drei Beispiele dazu:

#1 Hitler verbot die große Bremer Kaffeebörse. Daraufhin sicherte sich der Großhandel gegen Preisanstiege bei Kaffee ab, indem er von Haus aus deutlich höhere Preise für den Handel, die Geschäfte, einforderte. Resultat war der berühmt-berüchtigte Blümchenkaffee: die Konsumenten sparten am Kaffee, indem sie möglichst wenig davon zum Aufbrühen verwandten, also sah man durch den dünnen Kaffee das Blümchen am Grund der Kaffeetasse.

# 2 Waren, die nicht abgesichert werden können, weisen größere Preissprünge und höhere Preise auf; bremsend auf den Warenpreis (Aktienpreis, Devisenkurs) wirkt allein die Konkurrenz oder eine schwache Nachfrage oder ein überreichliches Angebot.

# 3 Die erste Warenoptionsbörse wurde 1848 in Chicago gegründet. Hintergrund war der bereits gewachsene Welthandel mit Waren, die großteils noch mit Segelschiffen über die Weltmeere transportiert wurden. Zwar befuhren die ersten Dampfschiffe Ende der 1830er Jahre den Atlantik, doch die eigentliche Verdrängung des Segelschiffs als Transportmittel setzte erst ab den 1870er Jahren ein.

Die Notwendigkeit, sich gegen den Verlust der Waren infolge Schiffuntergangs zu schützen oder sich überhaupt vor unerwarteten Preisveränderungen während der langen Schiffsfuhren abzusichern, führte zur Einrichtung der Chicagoer Warenbörse (Chicago Board of Trade), 1848 zunächst als Kassen- oder Spotmarkt, 1864 dann als Warenterminmarkt. Fortan konnten Käufer und Verkäufer Warenpreise vereinbaren für Warenlieferungen in ein, zwei, drei, sechs Monaten, was die Sicherheit der unternehmerischen Kalkulation erheblich erhöhte, da nun die Preisrisiken nicht von den Warenverkäufern und -käufern selbst, sondern von den Spekulanten übernommen wurden. Es entstand eine hochspezialisierte Zunft von Spekulanten, darunter viele Versicherungen.

Die Spekulanten hatten die Zeit und die Informationsmittel, sich über Warenpreisänderungen am Warenursprungsort und über Transportverzögerungen oder Schiffsunfälle zu informieren. Schlechte Kaffee- oder Kakao-Ernten, transportverzögernde Windflauten oder Schiffsunglücke blieben für sie kein Geheimnis, entsprechend diesen Informationen disponierten sie am Warenterminmarkt ihre Preisvorstellungen, doch in der Vergangenheit geschlossene Warenpreise für eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Termin blieben davon unberührt.