Tagesblick – 23.2.2025 Sonntag

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FAZIT DES TAGES – oder: Nachrichten aus dem irrwitzigen Weltzirkus

  • Israel-Hamas-Hisbollah-Krieg: Wiederholte Verstöße der Hamas: Israel schiebt Freilassung palästinensischer Gefangener auf.
  • Ukraine-Krieg: Aus dem Empörungs-Hick-Hack wird langsam ein Forderungs-Hick-Hack: Europa und Ukraine mit Forderungen an Russland und an die Trump’sche USA – und umgekehrt.
    Ukrainische Nadelstiche und ein Landgewinn der Russen nahe Pokrowsk.
    Weitere COMMENTS vorhanden
    KOMMENTAR zum Ukraine-Krieg mit Blick auf die MSK 2007 und Putin dort.
    INTERVIEW: Droht Russland der wirtschaftliche Kollaps?
  • USA: Musk’s Frist für Beamte: Was haben sie in der letzte Woche positiv erledigt? Nennen sie fünf Dinge und beantworten sie das Mail, sonst gibt’s einen Rausschmiss!
    Muntere Bücherzensur: gegen Sommersprossen und Gender-Themen.
  • Türkei: KOMMENTAR zur gestärkten außenpolitischen Situation nach dem Fall Sadats in Syrien.
  • Vatikan: Ruhige Nacht für den Papst, auf Baha-News klingt es anders: asthomide Bronchitis und Dauerzufuhr von Sauerstoff am Vorabend.
  • Österreich: Zuckerlmannschaft im Anmarsch? Nein, noch nicht, die Tücher sind noch feucht, Wichtiges noch nicht eingewickelt. Aber bald ist es wohl soweit.
    Schallenberg: ohne mich, bitte.

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WOCHENZEITUNG – Wolodymyr u.a.m.

ZEITGESCHEHEN – Billy und die fünf Monster. Ostdeutschland träumt. Sarrazins „Machwerk“ von vor 15 Jahren: und nun?

WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK —

Themenreigen – SOCIAL MEDIA: Online-Radikalisierung: eine Anleitung. GESELLSCHAFT / GENDER: Tuntenball in Graz (Bilder)

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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!

Apropos Weltzirkus: Zirkus ist was für Kinder und Junggebliebene, Staunen und Lachen über die Clowns! Im Weltzirkus tummeln sich viele Zauberkünstler und Clowns. Lachen wir also, Lachen ist die beste Medizin gegen Depressionen. 

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ZEITGESCHEHEN

Bill Gates warnt vor fünf existentiellen Gefahren – GMX, Freitag, 21.2.2025 (1:12-min-Video)

Bill Gates warnt in einem Gespräch mit Stripe-CEO Patrick Collison eindringlich vor fünf existenziellen Gefahren, die unsere Zukunft massiv beeinflussen könnten. (Bildcredit: Jae C. Hong/AP/dpa)

ZUSAMMENFASSUNG: Bill Gates warnt vor:

            1) Atomkrieg (trotz moderner Waffentechnologien)

2) Bioterrorismus (Viren und Bakterien als Terrorismus-Waffe, worauf die Menschheit    
    schlecht vorbereitet ist)

3) Pandemien (nach Corona könnten noch gefährlichere Pandemien folgen)

4) Klimawandel (Hitze, Unwetter, Dürre; schnellstes Handeln nötig)

5) Künstliche Intelligenz (große Chancen, große Risiken)

Bill Gates bleibt optimistisch: die junge Generation kennt die Gefahren und wird sich darauf einstellen, um sie zu meistern.

Träumen die Menschen im Osten von autoritären Führern statt von Freiheit? «Auf Tiktok ist die DDR ein Paradies», antwortet die ehemalige ostdeutsche Athletin Ines Geipel -NZZ, Samstag, 22.2.2025

Der Osten war ein halbes Jahrhundert lang zwei Diktaturen ausgesetzt. ­Die doppelte Prägung durch NS-Regime und DDR-Herrschaft sei jedoch nie ­richtig aufgearbeitet worden, sagt Ines Geipel. Für Parteien wie die AfD ist das ein fruchtbarer Boden.

Ines Geipel, schaut man auf den Wahlkampf, sieht man blanke Nerven, härteste Angriffe auf politische Gegner, die Gefahr eines neuen Faschismus wird an die Wand gemalt. Was ist hier los?

Die Welt ist auch für die Deutschen härter und entzündlicher geworden. Ihnen fliegt grad die Geschichte um die Ohren. Nichts scheint geklärt. Deshalb die Wiederholungsschlaufen, die Rückkehr der Erfahrungen. Dazu kommt, dass das mit der Identität in Deutschland historisch bedingt lange im Eisschrank lag.

Wieso? Am 9. November 1989 schrieb Deutschland mit dem Mauerfall Weltgeschichte. Was ist nur aus dem Neuanfang geworden?

Wenn ich an diesen grossen Aufbruch denke, an die Freude, an das so unwahrscheinliche Glück, dann ist der Osten von diesem historischen Wunder in den Zorn hineingelaufen. Das betrifft nicht alle Ostdeutsche, aber mehr als die Hälfte setzt auf das grosse Nein gegenüber dem Westen, Europa und auf eine heftige Destruktivität. Nach 1989 haben Ost und West aus Angst vieles konserviert und über vieles nicht sprechen können. Es gibt keine verbindende deutsche Erinnerungserzählung. Ost und West leisten sich einen derben Spaltungstext. Nun könnte die Demokratie genau im Osten kippen.

Woher kommt der Zorn?

Psychologisch gesprochen: Die ostdeutsche Gesellschaft ist noch nicht bei ihrem Schmerz angekommen. Sie hängt im Trauma fest.

Das klingt dramatisch. Um welches Trauma geht es?

Es geht um 56 Jahre Geschichte, in der auf die eine Diktatur die zweite folgte, auf den Nationalsozialismus die DDR. Ein langes Kontinuum, ein politischer Doppelwahn. Das haben wir nicht verdaut. Nach 1989 dominierte die deutsche Glückserzählung. Die brauchten die Deutschen nach der langen Teilung sicherlich auch. Aber was da an Sprengstoff in den Tiefen der ostdeutschen Gesellschaft hockte, haben wir nicht zu lesen vermocht. Das Beschwiegene knallt nun auf wie dicke Eiterpickel.

Worüber wurde geschwiegen?

Über das, was im Zweiten Weltkrieg passiert war, über den Holocaust und auch über das, was später in der DDR passierte. In meiner Familie sah es so aus: beide Grossväter in der SS und der Vater mit einer heftigen Stasi-Geschichte. Vom Geheimdienst mit acht Identitäten ausgestattet, fuhr er als Spion für die Stasi zwölf Jahre lang in den Westen. Da gab es also gute Gründe zu schweigen. Natürlich haben nicht alle ostdeutschen Familien eine so massive Belastung, aber die Kappe der Diktatur hing über allen. Wir Babyboomer des Ostens, die wir auf das Schweigen konditioniert wurden, sind eine Generation mit verzögerter Identität, eine Stottergeneration.

Was macht denn eine Diktatur mit den Menschen?

Schauen Sie sich Russland heute an. Der Homo sovieticus. Die tiefe Prägung aus Angst, Formierung, Druck, Zwang, Verrat. Vor allem die Angst hat offenbar einen langen Atem.

Angst wovor?

Was die DDR angeht, sind es der frühe Stalin-Terror, die Erschiessungen in Moskau, die übervollen Gefängnisse, die tausendfachen willkürlichen Zugriffe, die Zurichtung einer ganzen Gesellschaft. Diese Angst formierte, prägte, hielt im Griff. Und sie ging ja über die gesamte DDR-Zeit nie weg. Man konnte für die falsche Frage, für die falsche Jeans, für die falschen langen Haare, für irgendein aberwitziges Detail im Zuchthaus landen und da kaputtgehen. Dazu die omnipräsente Staatssicherheit, der Verrat sogar in den Familien. Das ätzt noch unter der Haut. Das Gefühl von Ohnmacht und all die Gewalt heben sich ja nicht auf, nur weil eine Mauer fällt. Die alte Angst ist ein Trigger heute und für politische Interessen einfach zu gebrauchen.

Wessen politische Interessen sind das?

Wir sehen offenbar erst jetzt, wie gezielt der Osten wenigstens in den letzten zehn Jahren zum politischen Experimentierfeld gemacht worden ist. Einerseits von Rechten aus dem Westen, von den Höckes, Weidels, Gaulands. Andererseits vom Kreml, der sich mit seinem dichten Agentennetz im Osten festgesetzt hat. Putin hat zu DDR-Zeiten als KGB-Mann lange in Dresden gesessen. Er kennt das Operationsgebiet sehr genau. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat von Anfang an eins zu eins das Kreml-Narrativ geliefert. Es geht um Desinformation, Destabilisierung, Revanche.

Wie hängt der Wahlerfolg der AfD und des BSW mit Angst und Schmerz zusammen?

Alte Angst und alter Schmerz sind perfekte Sprengmeister. Man muss nur die Lunte zünden. Im Grunde kann man schauen, was eine Gesellschaft verleugnet. Was letztlich zu weh tut. Das ist die Wünschelrute zum Trauma. Vor ein paar Jahren hiess es im Osten: Wenn der Westen Aufarbeitung will, wählen wir die AfD. Natürlich geht es nicht nur um fehlende Aufarbeitung der Vergangenheit. Es gibt auch das Jetzt. Aber es erstaunt immer wieder, wie sehr die Geschichte doch von hinten schiebt.

Auf welche Weise wird das Trauma bewirtschaftet?

AfD und BSW sind geopolitisch stark eingebunden, gegen den Westen, Europa, die Nato. Der Bruch mit der Allianz, der Generalangriff auf den öffentlichen Raum, der globale Machtumbau. Das hat ein Skript. Eine Überrumpelung jagt die nächste. Gesellschaften, die sich ihrer Geschichte nicht bewusst sind, sind da anfällig. Es ist ihre Wunde. Ostdeutschland ist nicht der Nabel der Welt, aber eine Einflugschneise im Hinblick auf den machtpolitischen Umbau in Europa, in der Welt. Als politische Kippmasse wird der Osten jedenfalls interessant bleiben.

Heute ist die AfD aber nicht nur im Osten, sondern auch im Westen erfolgreich. Liegt das nicht auch daran, dass sie brennende Themen wie Migration anspricht, die für die andern Parteien tabu waren?

Wenn man ein System kippen will, geht man auf das, wofür es keine simple Lösung gibt. Ein Nein geht immer, ein mühsam gebautes Ja dauert. Es gibt genug brennende Themen, aber die AfD ist nicht gerade dafür bekannt, dass sie Probleme auch löst. Wo diese Partei im Osten regional mittlerweile mitregiert, gibt es dafür überzeugendes Anschauungsmaterial. Die kriegen es nicht gebacken.

Träumen die Menschen im Osten heute von autoritären Führern statt von Freiheit?

Sie träumen von Entlastung, von einem irgendwie sicheren, kontrollierbaren Leben. Dieser Wunsch geht einher mit dem Erfolg von Parteien, die auf alte Gefühle rekurrieren. Sowohl das BSW als auch die AfD betreiben wüste Heimatduselei. Es ist ständig von einem «Wieder» die Rede, im Sinne von: Wir stellen ein DDR-Gefühl von Ordnung wieder her. Das sieht man auch an der Renaissance, die die DDR in der jungen Generation erlebt. Auf Tiktok ist sie ein Paradies. Die alten DDR-Motorräder knattern, dazu blauer Himmel, hohe Weizenfelder. Die Diktatur wird zur Kitschlandschaft.

Hat sich der Graben zwischen Ost- und Westdeutschland jüngst noch vertieft?

Die Spaltungsrhetorik wird immer härter. Doch schaut man sich die Realität an, ist unwahrscheinlich viel gestemmt worden: Der Osten hat die deutlich bessere Infrastruktur, die höheren Investitionskosten, und die Renten in Ost und West sind seit letztem Jahr angeglichen. Nur traut sich niemand mehr, das öffentlich zum Thema zu machen. Eine Studie zeigt, dass in Thüringen 88 Prozent der Bevölkerung auf dem Land der Ansicht sind: Mir persönlich geht es gut, aber uns allen hier geht es schlecht. Es gibt ein zufriedenes Ich, aber ein unzufriedenes Wir.

Was lässt sich gegen die Unzufriedenheit und Polarisierung tun?

Wir haben es in Deutschland schon ordentlich vergeigt. Nun haben wir Wahlen. Der Wahlkampf war Migration, Wirtschaft, Brandmauer. Kaum ein Wort darüber, wer wir als Deutsche in dieser Welt sein wollen, welche Überzeugungen, Haltungen wir haben, wem wir beistehen. Aber das braucht es. Das offene Gespräch über das Ungeklärte, Schmerzende, wie auch über das mittlerweile Gemeinsame nach 35 Jahren Einheit. Warum nicht den fluiden Jungwählern – in Thüringen haben 38 Prozent bei den letzten Landtagswahlen die AfD gewählt – soliden historischen Boden geben? Seriöse Fakten, Schulkonzepte, politische Bildung. Die Linke war noch vor kurzem klinisch tot. Im derzeitigen Wahlkampf hat sie sich über Social Media die Jungen geholt. Es geht also.

Warum ist da eigentlich so viel Ungeklärtes? Die Geschichte der DDR wurde doch aufgearbeitet?

Es sind viele Mittel in die Forschung und die Aufarbeitung der DDR geflossen. Man wollte es besser machen als nach dem Nationalsozialismus. Aber die harten Fakten sind an der deutschen Gesellschaft abgeprallt wie an einer Teflonschicht, vor allem im Osten. Für ihn waren die Fakten zu nah, den Westen wiederum haben sie nicht sonderlich interessiert. Die Erzählung war von Beginn an: Na ja, die DDR war halt eine Pittiplatsch-Diktatur.

Eine Pittiplatsch-Diktatur?

Grau, nicht schön, aber auf keinen Fall zu vergleichen mit dem Nationalsozialismus. Heute erklären die Jungen, sie wollten wie die Schweizer sein. Heisst: Sie wollen keine Schuld haben, nicht die Doppelschuld nach zweimal Diktatur. Das erzählt ja was. Es muss einen echten Neustart in Sachen Aufarbeitung geben, wenn der Osten nicht völlig wegrutschen soll.

Was bringt die Aufarbeitung?

Sie ist natürlich immer defizitär und elend mühsam, aber ohne sie geht gar nichts. Letztlich ist sie doch das, was wir Fundament, Identität, Selbstverständnis nennen, eine Art Staatsgewissen.

Warum ist die historische Forschung nicht in einer breiteren Öffentlichkeit angekommen?

Das hat sicher diverse Gründe: gravierende Fehleinschätzungen über den Stand der Dinge, Wissenschaftsinteressen, Abwehr. Ein wichtiger Grund dürfte auch sein, dass die Geschichte noch raucht. Es gibt zu viele Betroffene, bei den Opfern, aber auch bei den Tätern. Eine hochexplosive Gemengelage.

Sie schreiben in Ihrem Buch, je mehr Zeit vergehe, desto diktaturfreundlicher falle die Erinnerung aus. Wie dehnbar ist unser Gedächtnis?

Offenbar so dehnbar, dass es möglich ist, vom Glück zum Hass zu gelangen. Die Erfahrungen mit der Diktatur scheinen vergessen. Erinnerungen werden versteckt, camoufliert, umgedeutet. Dabei könnten die Ostdeutschen mit ihrer grossartigen Revolution doch sagen: Wir sind da, nehmt uns ernst! Wir haben vielleicht ein paar andere Vorstellungen von Gesellschaft, aber lasst es uns zusammen machen. Ich vermisse das Helle, die Zuversicht, die Güte. Ich vermisse einen ernstzunehmenden, wohlmeinenden Vorschlag fürs Land aus dem Osten.

Gedächtnispolitik spielt auch im Wahlkampf eine Rolle, und Gedenkstätten wie das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald erleben heute mehr Angriffe und Holocaustleugnung, gerade durch AfD-Vertreter. Wird hier versucht, die Geschichte umzuschreiben?

Kultur und Gedächtnispolitik sind für die Extremen hart umkämpfte Zonen. Gaulands «Vogelschiss», Höckes «Denkmal der Schande», Weidels Aussage im aktuellen Wahlkampf, dass Hitler Kommunist gewesen sei. Das sind nicht einfach Sätze, sondern passgenaue Strategien, so wie die Attacken auf die Gedenkstätte Buchenwald, auf das Bauhaus, auf die Theater und die freie Szene. Der «patriotische Kulturkampf» der Rechten findet im Osten auch deshalb viel Gehör, weil in Sachen Nationalsozialismus noch immer der in der DDR propagierte Antifaschismus-Mythos wirkt: Die ostdeutschen Familien waren qua Erinnerungspolitik entschuldet, die Täter sassen alle im Westen.

Indem sich die Ostdeutschen nach 1945 als Antifaschisten verstanden, galten sie, was den Nationalsozialismus betrifft, automatisch als unschuldig?

Es ist so: Diese langen Entlastungserzählungen einer Diktatur ermöglichen heute die Umschreibungen von Geschichte, die Verleugnung, die Verstörung und Zersetzung von Kultur. Dabei geht es den Rechten auch um eine Revitalisierung nach innen: Sich durch das Leugnen im Kopf mit dem historischen Terror zu verbinden.

Kann ein Zusammenwachsen Deutschlands so überhaupt noch stattfinden?

Es wird stattfinden, wenn die Deutschen es schaffen zu sagen, es dürfe stattfinden. Sie sind wacher, fitter, weiter, als sie öffentlich erzählt werden und sie es sich selbst zutrauen. Die Spaltungsrhetorik hat Ost wie West im Grunde doch ganz gut in den Kram gepasst. Das Signal war nach aussen: Wir haben hier im Inneren schon genug Clinch, bitte nichts mehr, schon gar keine Verantwortung in Europa und in der Welt. Aber das ist vorbei. Das nimmt uns niemand mehr ab.

Gibt es etwas, was Sie aus der DDR geerbt haben und nicht losgeworden sind?

Die Ortlosigkeit, das Erschrecken, die Erfahrung, Verhältnissen ausgesetzt gewesen zu sein, in denen es nur noch die Ohnmacht gab. Ich gehe davon aus, dass mehr Ostdeutsche diese Kernerfahrung gemacht haben, als bislang bekannt ist. Wenn dieser Raum geöffnet werden könnte, wäre das schon was. Er könnte ein Stabilisator sein, vielleicht eine Art Fundament, vielleicht auch etwas Verbindendes. Die Welt ist voll von diesen Erfahrungen.

Sie selbst sind 1989 in den Westen geflohen, drei Monate später fiel die Berliner Mauer. «Hinter mir das alte, weggebrochene Land, vor mir die Leere», schreiben Sie in Ihrem Buch «Fabelland». Wie schafft man einen Neuanfang?

Keine Ahnung. Beharrlich bleiben? Aber es hat schon etwas Bedrohliches, dass Ostdeutschland derart dichtmacht. Dabei könnten seine Erfahrungen für Europa so wichtig sein. Vaclav Havel sagte, dass die osteuropäischen Erfahrungen in den Strom der Erfahrungen von Europa einfliessen sollten. Diese Tür zu öffnen, wird im Augenblick nicht leichter.

Ines Geipel

Ines Geipel gehörte als junge Läuferin zur DDR-Sportelite, bis sie ihre Karriere beenden musste. Danach studierte sie in Jena Germanistik und floh 1989 nach Westdeutschland, wo sie Philosophie und Soziologie studierte. Ines Geipel ist Schriftstellerin, Professorin für Verskunst an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch sowie Herausgeberin von Autorinnen und Autoren, die in der DDR nicht erscheinen durften. In ihren eigenen Büchern verbindet sie persönliche Erinnerung und Familiengeschichte mit historischer Forschung und politischer Analyse und eröffnet einen profunden Blick auf deutsche Geschichte. Ihr neuester Essayband, «Fabelland», erschien 2024 bei S. Fischer.

Thema des Tages: Sarrazin wurde Opfer einer Hexenjagd – Zur Neuauflage von „Deutschland schafft sich ab: Die Bilanz nach 15 Jahren“ – NZZ, Mittwoch, 19.2.2025 (nicht verlinkbar)

Die jüngsten Anschläge in den deutschen Städten Aschaffenburg (am 22. Januar) und München (am 13. Februar) machten die Migrationspolitik zum zentralen Thema dieses Bundestagswahlkampfes.

Alles Üble, was man in Deutschland, auch mit Blick auf die belastete Geschichte, über eine Person niedergehen lassen kann, das wurde über Thilo Sarrazin gesagt und geschrieben – und es macht einen noch heute fassungslos. Mit seinem Buch «Deutschland schafft sich ab – Wie wir unser Land aufs Spiel setzen» hatte der frühere SPD-Politiker, damals Vorstandsmitglied der Bundesbank, im Jahr 2010 die Probleme der Integration und der Migrationspolitik aufgezeigt. Er thematisierte unter anderem, dass muslimische Einwandererfamilien überproportional von Sozialleistungen lebten und, bildungsfern, kaum etwas zum Wohlstand beitrügen.

Sarrazin forderte hohe Hürden für die Zuwanderung und aktive Integration seitens der Migranten; er warnte vor der wachsenden Gefahr islamistischen Terrors. Das hätte er nicht tun dürfen. Sarrazin habe ein «antimuslimisches Dossier» verfasst, lautete ein noch vergleichsweise mildes Urteil der «FAZ».

Vertreter von Politik und Medien veranstalteten ein öffentliches Tribunal mit dem Ziel, den Autor auf allen Ebenen, beruflich, politisch, persönlich, zu vernichten. Man erklärte den Buchautor zum «Besessenen» («Berliner Zeitung»), der eine neue «Religionshygiene» begründe (Magazin der «Süddeutschen Zeitung»

Das ZDF raunte, Sarrazin wolle einen «neuen Staat», nicht mehr «offen und gastfreundlich», «sondern abweisend, respektlos und fremdenfeindlich», was der «freiheitlich-demokratischen Grundordnung» widerspreche. Und während der Deutschen liebster Küchenphilosoph, Richard David Precht, in Sarrazin einen erkannte, der «mit seinen Vorurteilen ins Braune» rede, diagnostizierte der SPD-Kollege Ralf Stegner «überpointierte Überfremdungsängste» und «Borderline-Rassismus».

Im deutschen Einwanderungsland

Es ist so, Deutschland stand sich aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit immer selbst im Weg, wenn es um das Thema Migration ging. Das belegen alle Debatten, angefangen bei der verspäteten und zögerlichen Anerkennung der Bundesrepublik als ein Einwanderungsland über die Frage nach einer Leitkultur bis hin zu jener, ob der Islam zu Deutschland gehöre. Auch der hysterische Umgang mit Sarrazin beleuchtete, dass kein Interesse bestand an einer differenzierten Diskussion über Migrationspolitik.

Angefangen bei der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die, seit fünf Jahren im Amt, ein Plädoyer für Zensur auf höchster Ebene abgab, indem sie das Werk als «nicht hilfreich» bezeichnete. Unvergessen ist bis heute ihr Eingeständnis, das Buch gar nicht gelesen zu haben, weil ihr für die Urteilsfindung die paar Vorabdrucke gereicht hätten. Man kann das als persönliche Borniertheit abtun. Oder man kann auf die Vorbildfunktion einer Regierungschefin hinweisen, die eine Meinung aburteilte, mit der sie sich zugegebenermassen nicht auseinandersetzen wollte. Damit war jede Hemmschwelle für den medialen Vernichtungsfeldzug abgeräumt: Der «Ruf des Rattenfängers» wurde quer durch Politik und Medien beschworen unter der expliziten Forderung «Ja, Sarrazin muss weg» («Frankfurter Rundschau»).

Es ist heute in Anbetracht des antisemitischen Mobs auf Berlins Strassen kaum vorstellbar, aber auch der Zentralrat der Juden intervenierte bei der Bundesbank gegen Sarrazin. Angesichts des öffentlichen Kesseltreibens trat Sarrazin denn auch rasch als Bundesbank-Vorstandsmitglied zurück, um Schaden von der Institution abzuwenden.

Mit der Nazi-Keule

Der von der damaligen SPD-Führung angestrebte, von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt scharf kritisierte Rauswurf aus der SPD, gegen den sich Sarrazin heftig wehrte, gelang allerdings erst im dritten Verfahren. Der Parteiausschluss von 2020 ist bis heute ein Schandfleck in der Geschichte der Sozialdemokraten. Deren damaliger Vorsitzender Sigmar Gabriel beschied dem jahrzehntelangen Parteimitglied Sarrazin ein «hoffnungsloses», mit der «Aufklärung» nicht vereinbares Menschenbild und sagte über dessen Buch, es seien genau solche Thesen gewesen, die Deutschland einst «nach Auschwitz» geführt hätten. Auschwitz!

Als Gabriel jüngst in der Talkshow von Markus Lanz im Hinblick auf Amerika die Frage in den Raum stellte, ob auch gerade in Deutschland die liberale Demokratie nicht eigentlich gefährdet sei, hätte man ihn gerne gefragt, ob ihm seine Tirade gegen Sarrazin heute leidtue.

Im Rückblick kann man sagen, dass im Fall Sarrazin ein unter Merkel erstarkendes links-grünes Milieu schon einmal ausprobierte, inwieweit sich Personen, die unliebsame Wahrheiten verbreiten, mit der Nazi-Keule mundtot machen lassen. Es war eine Lehrstunde, wie man den öffentlichen Diskurs beherrscht, indem man einem Kritiker der Verhältnisse die Etiketten von Hassrede oder Hetze anhängt. Dieser Stil mündete unter der Ampelregierung in der Aufforderung an Bürger, jene, die angeblich fehlbare Meinungen äussern, im Onlineverfahren bei Behörden («Meldestellen») zu verpetzen.

J. D. Vance liest den Deutschen in München die Leviten

Der neue Hang zur Gesinnungspolizei, mit der die deutsche Politik unter dem Vorwand, die Demokratie retten zu müssen, diese stückchenweise abschafft, hat sich weit herumgesprochen. Das machte der amerikanische Vizepräsident J. D. Vance in seiner Rede an der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich. Er wies – mit erstaunlicher Detailkenntnis – darauf hin, dass es die deutsche Nation im Innern gefährde, wenn missliebige Meinungen hinter Brandmauern versorgt würden.

Am lautesten empört über diese Einmischung in deutsche Verhältnisse haben sich mit Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzler Scholz bezeichnenderweise zwei SPD-Spitzenpolitiker. Sie untermalten, wie mittlerweile Selbstherrlichkeit sehr wohl, Toleranz aber eher weniger ihr Denken bestimmt. Dabei wären die demokratischen Parteien der Mitte derzeit besonders gefordert als ein Forum für divergierende Meinungen.

Oft wurde gesagt, dass Sarrazins Buch Auslöser für die drei Jahre später erfolgte Gründung der Alternative für Deutschland gewesen sei. Diese Lesart dient einer multikulturell ausgerichteten Schicht mittlerweile als willkommene Ausrede, weil ihr die Migrationsdebatte ein Greuel ist. Es ist die «spezifisch deutsche Spielart utopischer Politik», die laut Sarrazin das Wünschbare über das Notwendige stellt.

Dieses Klima – und dazu zählt auch der damalige öffentliche, grösstenteils hysterische Umgang mit Sarrazin und seinen Thesen – ebnete den Weg für sich laut formierende Gegenpositionen. Eine «monochrome Meinungslandschaft, die vor Entrüstung bebt» (Henryk M. Broder), verlangt nach Gegenrede: Sarrazins Analyse zum Beispiel wie auch die Gründung der AfD drei Jahre später.

Was die Betreiber der Hexenjagd gegen Sarrazin nicht bedacht hatten, war, dass sich dort, wo sie seinen Aufruf für toxisch erklärten, ein Vakuum in der Migrationsdebatte bildete. Dieses besetzte die neue Rechte. Hinzu kam Merkels Flüchtlingspolitik, welche die Wähler rechts der CDU heimatlos machte. Solchen Umständen verdankt die AfD ihren anhaltenden Aufstieg.

Wie sich der Kampf um die Meinungshoheit zuspitzte, illustriert ein Einwurf der Schriftstellerin Sibylle Berg, die 2016 im «Spiegel» vorschlug, man solle doch die «biodeutschen» Vertreter von «Nationalismus» und «Leitkultur» wie Sarrazin oder Erika Steinbach «behutsam umsiedeln» an einen entlegenen Ort und dann einfach eine Mauer drumherum bauen.

Aschaffenburg war ein Weckruf

Das derzeitige Festhalten an der Brandmauer erinnert an den krampfhaften Ausschluss von Sarrazin vor fünfzehn Jahren. Kein Problem wurde dadurch gelöst, viele Probleme wurden geschaffen. Wann wird Deutschland zum demokratischen Dialog zurückkehren?

Sarrazins Buch stand nach seinem Erscheinen mehr als fünf Monate auf den Bestsellerlisten und wurde über 1,5 Millionen Mal verkauft; es ist eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Sachbücher. Vergangene Woche erschien eine vom Autor ergänzte und kommentierte Neuauflage.

Was Sarrazin bereits 2010 schrieb: «Das westliche Abendland sieht sich durch die muslimische Immigration und den wachsenden Einfluss islamistischer Glaubensrichtungen mit autoritären, vormodernen, auch antidemokratischen Tendenzen konfrontiert, die nicht nur das eigene Selbstverständnis herausfordern, sondern auch eine direkte Bedrohung unseres Lebensstils darstellen.»

Heute gibt es keine aufgeregte Diskussion mehr über diese Problematisierung, die das Thema Zuwanderung zusammendenkt mit Begriffen wie Armut, Arbeit, Bildung oder islamistischer Bedrohung. Dass sich allerdings die Politik mit einer klaren Benennung der zentralen gesellschaftlichen Konfliktthemen weiterhin schwertut, zeigte dieser Wahlkampf. Es brauchte erst den zweifachen Weckruf der Anschläge in Aschaffenburg und München, bis das Thema in den Vordergrund gerückt ist.

Fragt man den mittlerweile achtzigjährigen Sarrazin, ob es ihn nach all den Anfeindungen mit Genugtuung erfülle, dass er in vielen Punkten recht gehabt habe, verneint er mit dem Hinweis, dass ihm die Situation in Deutschland grosse Sorge bereite. Wo er sich geirrt habe, hält Sarrazin heute nüchtern fest, da sei die Realität düsterer, als es seine Prognosen waren – nämlich in der Massenzuwanderung und im Abstieg des Bildungsstandorts Deutschland.

Gesellschaftspolitisches Versagen

Brisanter aber erscheint nun im Rückblick ohnehin die Rezeptionsgeschichte. Sarrazin widmet ihr in seiner «Bilanz» ein ganzes Kapitel, es zeugt von einem Tiefpunkt der politischen Kultur in der Bundesrepublik. Mag die Geschichte Sarrazins Thesen recht geben. Sein intellektueller Einwurf ist als ein Echoraum gesellschaftspolitischen Versagens ein Fanal.

Das islamistische Attentat 2016 auf den Berliner Weihnachtsmarkt läutete Jahre der Angst ein. Die Attentate nahmen zu, ohne dass in der Politik bis heute eine Kehrtwende zu verzeichnen war. Friedrich Merz (CDU) ist im Bundestag unterlegen mit seinem Versuch, dem Problem etwas entgegenzusetzen. Solange dieses Verdrängen im Geiste eines universalistisch-integrativen Multikulturalismus anhält, treibt man die Wähler der AfD in die Arme. Am Sonntag sind Bundestagswahlen. Thilo Sarrazin fällt diesmal aus als Sündenbock.

Die Neuauflage «Deutschland schafft sich ab. Die Bilanz nach 15 Jahren» ist erschienen im Langen-Müller-Verlag, München. 656 S., Fr. 39.90.

WOCHENZEITUNG

Ukraine, USA: Aufrüstung zur Entrüstung – Der Pragmaticus, Freitag, 22.2.2025

Wolodymyr Selenskyj bleibt unbeirrt. Mehr als die Hälfte der Bodenschätze (Öl, Gas, Seltene Erden, Lithium etc.) solle die Ukraine an die USA abtreten, außerdem den Amerikanern die Kontrolle über Häfen und Infrastruktur abtreten – im Austausch gegen im wesentlichen Nichts. Das war das Angebot der Amerikaner. Selenskyj lehnte ab. King Donald beschimpfte ihn daraufhin als Diktator. Tatsächlich hat Selenskyj sowohl Verfassung als auch Bevölkerung hinter sich. Eine kurze Geschichte des Politikers finden Sie unter anderem in diesem Beitrag.

Verschenkte Chancen

Wir haben uns in dieser Woche genauer angesehen, wie es den Vertriebenen aus der Ukraine geht. Mehr als sechs Millionen Ukrainer mussten seit 2022 fliehen, in Österreich leben 80.000. Die meisten haben tertiäre Bildungsabschlüsse, arbeiten aber in der Regel unter ihrer Qualifikation – die Anerkennung von Abschlüssen brauche zu lang, die Kinderbetreuung sei unzureichend und es gäbe insgesamt zu wenig Unterstützung für Alleinerziehende, so die Soziologin Sonja Dörfler-Bolt.

Österreich tut sich damit keinen Gefallen, meint sie: „Wir haben einen relativ hohen Anteil an Ärztinnen, Krankenschwestern etc. und aus dem Bildungsbereich. Im Endeffekt wären das Menschen, die unser Arbeitsmarkt dringend braucht.“ Zum Podcast bitte hier entlang.

Das liebe Geld

In unserem neuen Podcast Alles außer Politik mit Peter Filzmaier hat der erste Gast, der Ökonom Gabriel Felbermayr, gleich einen außergewöhnlichen Vorschlag zur Verbreiterung des wirtschaftlichen Wissens gemacht: Er könne sich vorstellen, dass jeder Österreicher einmalig 10.000 Euro zur Veranlagung erhält. Um den Gewinn, den sie behalten dürfen, zu vergrößern, müssten sich die derart Beschenkten zwangsläufig mit ökonomischen Themen auseinandersetzen. Eine gute Idee?

Politologe und Wahlkampf-Experte Peter Filzmaier war spontan nicht so ganz angetan: „Ich stelle Sie mir nämlich gerade als Politiker in einem Wahlkampf vor, wo Sie einerseits den Österreichern erklären ‚Wir nehmen dir jetzt 10.000 Euro Steuergeld weg‘, um dann jedem Österreicher wieder 10.000 Euro zum Spekulieren zu geben. Könnte man vielleicht noch überarbeiten das Modell.“ Was denken Sie? Zu Alles außer Politik bitte hier entlang.

Apropos Geld: Die Trumpsche Liebe zu Russland geht bereits auf die 1980er Jahre zurück. 1987 war Trump das erste Mal in Moskau. Seither haben ihm die Kontakte immer wieder genutzt. Unter anderem immer dann, wenn eines seiner Unternehmen pleite war, sprangen ihm russische Oligarchen zur Seite.

Zu guter Letzt

Aus dem Bild blickt Ihnen Maria Kunigunde von Sachsen (1740 bis 1826) entgegen. Als das Bild etwa 1770 entstand, hatte sie den entscheidenden Schritt zum Erfolg bereits getan: Sie gab Joseph II. einen Korb, blieb unverheiratet und konnte somit eine Karriere als Unternehmerin einschlagen. Tatsächlich hat sie die Industrialisierung des Ruhrgebiets vorangetrieben und war weitsichtig genug zu erkennen, welche Rolle dabei die Eisenverhüttung spielen würde. Die Autorin Monika Czernin hat ihre Geschichte aufgeschrieben. Zum 4. Damensalon bitte hier entlang.

AKTIENEMPFEHLUNGEN – BUY & SELL

Aktuell (—): Die Kaufempfehlungen überwiegen deutlich, unter den Empfehlungen gibt es eine Halten-Empfehlung: DEUTSCHE POST AG (Hold, -2%)
Aktien um 10 Euro je Stück sind FETT hervorgehoben.

Die erwarteten stolzen Kursgewinne sind dem Übermut der tollen Analystenzunft zu verdanken! Hirn selbst einschalten und kritisch bewerten. MERKE: Klappern gehört zum Geschäft. Es geht letztlich nicht so sehr um die Beratung der Anleger, sondern um die spekulativ selbst gehaltenen Aktien der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaften etc.), für die die Analysten tätig sind: wenn viele kaufen, steigen die Kurse, und 5% Plus sind zwar weniger als 15% oder 35%, aber besser als 5% Minus. Zudem lassen sich schnell noch eigentlich „schlechte“ Aktien im Portfolio des Hauses (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) verkaufen, für die der Analyst tätig ist, sofern die werten privaten Anleger den Kaufempfehlungen folgen. So schaut’s aus im Schneckenhaus! Nochmals: Hirn selbst einschalten. Die Finanzbranche lebt vom Trübe-Machen des Wassers!

NICHT ZULETZT: Verkaufsempfehlungen werden ungern gegeben, da sie auf das Portfolio der Häuser (Banken, Fonds, Anlagegesellschaft etc.) rückschließen lassen, zu denen die Analysten gehören. Verkaufsempfehlungen werden aus zwei Gründen gegeben: a) es ist tatsächlich Feuer am Dach des analysierten Unternehmens, b) das Haus möchte die Aktien des zum Verkauf empfohlenen Unternehmens billiger zurückkaufen, sofern den Verkaufsempfehlungen gefolgt wird. Letztlich agieren an der Börse die Optimisten, und die wollen positive Nachrichten hören, also werden sie von den Häusern und ihren Analysten entsprechend bedient.

UND ZU ALLERLETZT: die Analysten bespiegeln sich untereinander: wer hat was empfohlen oder nicht empfohlen, es kommt zu herdenpsychologischen Erscheinungen derart: der Leithammel hat empfohlen, also machen wir das auch. Die jeweiligen Analysen werden entsprechend (um)formuliert. Das zweite Moment: die Konkurrenz, die u.U. zu skurrilen Interpretationen des analysierten Unternehmens führt.

FAZIT: was die Analystenzunft von sich gibt, kann aufschlussreich sein, muss es aber nicht, vermittelt einen zusätzlichen Eindruck zu einzelnen Aktiengesellschaften. Wichtig ist der Blick auf zweierlei: a) entscheidend: auf die volkswirtschaftliche Situation des Landes, der Welt; b) sekundär (!) auf das Unternehmen und seine Branche: Charakter des Managements, klare, gut durchschaubare Produktpalette, Langlebigkeit des Unternehmens und seine Stetigkeit im Gebaren.

Allgemeine Empfehlungen: Es geht vornehmlich um die Zukunft der Energiegewinnung und die Energielieferanten. Renner bleiben Telekommunikations-Unternehmen, deren Dienstleistungen in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft unabkömmlich sind. Unter den Logistik-Aktien sind in der Regel die Post-Aktien interessant. Diese Branchen sind weniger konjunkturabhängig als z.B. Konsumaktien, darunter die Post-Aktien noch am ehesten.

Hinzu kommt, dass die klassischen erdölverarbeitenden Energielieferanten (Up- und Downstream) mehr oder weniger energisch in großem Stil auf Alternativenergien umstellen. Es bleibt ihnen angesichts des Klimawandels, der öffentlichen Meinung und der in absehbarer Zeit erschöpften Welt-Erdölreserven auch nichts anderes übrig. Über das Kapital für den weltlebensnotwendigen Umbau verfügen sie dank ihrer Aktionäre. Es geht aus Sicht der Unternehmen um zukunftsträchtige Geschäftsmodelle in einer überschaubaren Branche – Energie – und aus Sicht der Aktionäre um steigende Unternehmenswerte / Aktienkurse als Inflationsschutz und sichere, möglichst stabil wachsende Dividenden, ebenfalls hinsichtlich des Inflationsschutzes.

Anti-Nachhaltigkeits-Bewegung in den USA als 180-Grad-Wendung in der Veranlagungsgebarung

Der aktuelle politische Druck in den USA zwingt eine Reihe großer Vermögensverwalter, darunter die weltgrößten wie Blackwater und Vanguard (verwaltetes Vermögen: 20 Billionen US-Dollar), nachhaltige Unternehmen potentiellen Anlegern nicht mehr zu empfehlen. Sie selbst verkaufen solche Unternehmen aus ihren Portfolios. Es gibt sogar seitens republikanisch regierter Bundesstaaten wie insbesondere Texas Kaufverbote für staatliche Pensions- u.a. Fonds.

Ausgestiegen sind bereits US-amerikanische Großbanken wie JP Morgan, Goldman Sachs, Wells Fargo, Bank of America, Citigroup (verwaltetes Vermögen: 9 Billionen). Ähnliches betrifft die Kreditvergabe. Offen bleibt, wie private und Unternehmensanleger (nicht-staatliche Fonds) künftig disponieren werden.

Unter den angebotenen Finanzanlagen kursieren seit geraumer Zeit besondere Nachhaltigkeitsprodukte in Form sog. ESG-Fonds (mehr dazu hier), die hohe Renditen versprachen und daher recht starken Zulauf hatten; die Renditen wurde seit Erhöhung der Kreditzinsen gebremst, da dadurch kreditfinanzierte Nachhaltigkeitsprojekte (Windparks, Solaranlagen etc.) weniger rentabel wurden.

In der Europäischen Union will man sich weiter an entsprechende Nachhaltigkeitsauflagen festhalten. Bislang wurden in europäische ESG-Fonds 9 Billionen Euro investiert, was 61 Prozent des gesamten Fondmarktvolumens entspricht. Der Zufluss hat sich 2024 allerdings um die Hälfte auf 37 Milliarden Euro reduziert. Zudem wurden mehr ESG-Fonds geschlossen als eröffnet. Nicht nur die hohen Zinsen, die die ESG-Fonds-Renditen beeinträchtigten, führten dazu, sondern auch „grüne Schönfärberei“: es stellte sich da und dort heraus, dass die versprochene Nachhaltigkeit mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit bestand. (Quelle: Wirtschaft vor Acht, ARD, 10.1.2025 (KURZVIDEO, bis 17.1.2025 verfügbar))

FAZIT: Es bleibt abzuwarten, was das für den Klimaschutz in den USA und weltweit künftig bedeutet. Für Österreich stellt sich die Frage, wie eine künftige Regierung sich in Sachen Klimaschutz verhalten wird.

Aktienkauf – der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung – bedeutet Übernahme eines Risikos in Hinblick auf das künftige Unternehmensschicksal. Die Dividende stellt eine Risikoprämie dar.

NEU – Aktienanalytischer Blick auf Aktien im Euroraum und speziell Österreich (Stand: 3.2.2025):

Im Folgenden sind Aktien um 10 Euro je Stück und darunter FETT hervorgehoben.
Neu aufgenommene Aktien werden mit ### gekennzeichnet.

Ein Kaufsignal liefern weiterhin ENI, UNICREDIT und TOTAL ENERGIES, im Vergleich zum 13.1.2025 stabile Bewertung mit jeweils fünf Sternen bewertet.

Ein Kaufsignal liefern ENEL, PORR, SHELL, VERBUND, mit jeweils vier Sternen bewertet.

Ein niedriges KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zeichnet aus:
RWE, TOTAL ENERGIES, PORR, OMV, TELECOM AUSTRIA, EVN, WIENERBERGER, ENEL, PALFINGER.

Im Vergleich zum 13.1.2025 gehören nicht mehr dazu: UNICREDIT, VIENNA INSURANCE GROUP, STRABAG, UNIQA.

Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktie RWE ist die mit dem niedrigsten KGV = 4,9, PALFINGER die mit dem höchsten KGV = 8,7.

Ein niedriges dynamisches KGV (PEG, Price-Earning-to-Growth) weisen u.a. auf:

ENI, UNICREDIT, OMV, SHELL, PORR,VIENNA INSURANCE GROUP, WIENERBERGER, TELECOM AUSTRIA, PALFINGER.
Im Vergleich zum 13.1.2025 ist die Auswahl praktisch unverändert, nicht aber die Reihenfolge!
Aufsteigende Reihenfolge: die erste Aktien ENI = 0,5 ist die mit dem niedrigsten, PALFINGER die mit dem höchsten PEG = 1,3.

Als Aktien mit langfristigem Kurspotential werden u.a. gesehen:
TOTAL ENERGIES, ENI, , E.ON.SE, VERBUND, EVN, RWE.

Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene mit der größten Langfristchance.

Im Vergleich zum 13.1.2025 gehören nicht mehr dazu: TELEKOM AUSTRIA, UNICREDIT, WIENERBERGER.

Als Aktien mit hoher Sicherheit werden u.a. bewertet VIENNA INSURANCE GROUP, VERBUND; die Bewertungen bleiben unverändert zum 13.1.2025.
Aufsteigende Reihenfolge: am Anfang der Reihe steht jene mit der größten Sicherheit.

Aktien mit hoher Dividendenrendite sind:
OMV, ORANGE, TELEFONICA, UNIQA, ENI, ### ENEL.

Im Vergleich zum 13.1.2025 gehören nicht mehr dazu: UNICREDIT, sonst bleibt die Auswahl nahezu gleich.  

KAUFKRITERIEN neben den aktienanalytischen Kennzeichnungen sind der Reihe nach: WER? – Qualität und Charakter (Psychologie!) des Managements, Häufigkeit des Managementwechsels, Unternehmenskultur; WAS? – Produkteinfachheit: „einfach gestrickte“, leicht zu durchschauende/transparente Produkte oder Dienstleistungen, eher kleine Produktpalette bzw. enger umschriebenes Dienstleistungsangebot, Konstanz der Nachfrage; WIE? – Sicherheit, Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Wechselfällen, finanzielle Stabilität des Unternehmens, Konkurrenzsituation; WO? – geographische und „politische“ Lage möglichst fern von Krisengebieten inkl. solchen mit politischer Unruhe oder in Ländern mit totalitären Systemen oder deutlich defekten Demokratien (illiberale Demokratien); WANN? – Lebensdauer bzw. Überlebensdauer (Weltkriege etc.) des Unternehmens bisher, Stetigkeit der Dividendenzahlungen.

FAZIT: vor dem Kauf einer Unternehmensbeteiligung sich zur Aktiengesellschaft schlau machen: WER, WAS, WIE, WO, WANN.

ZWEI DINGE sind zusätzlich zu beachten:

# Langfristanlage durch Erwerb von Defensiv-Aktien (u.a. Energie, Telekom),

# Verbleib in einem Währungsraum, das ist der Euroraum. Daher werden die allseits seit Jahren gehypten US-Aktien hier mit Absicht außen vor gelassen, um das Währungsrisiko klein zu halten. Gleiches gilt für den Erwerb von Schweizer Aktien, wie die Vergangenheit mit Blick auf das sehr wechselhafte Wechselkursverhältnis Schweizer Franken / Euro gezeigt hat.  

Die Europäischen Union als Veranlagungsrisiko?

Das Staatssystem der Europäischen Union kommt einer defekten Demokratie gleich und erstreckt sich in den Währungsraum (Euroland), in dem gehandelt wird. Man spricht auch von einem Demokratie-Defizit der Europäischen Union. Risiken dieser defekten Demokratie, um einige zu nennen, sind: Regelungen „von oben herab“ auf nicht sehr transparente Weise und Steuervorgaben, die sich durch Negieren realer Alltagserfordernisse auszeichnen, Überwachungsbestrebungen, hoher Bürokratieaufwand für Unternehmen und Bürger. All dies markiert Abgehobenheit und Bürgerferne der EU-Politik.

Kennzeichnend für das Gebaren (Governance) der EU ist ein Ineinandergreifen von EU-Exekutive (Kommission mit ihren Kommissariaten) und einem nicht gut überschaubaren Geflecht zahlreicher, der EU nahestehenden und von ihr geförderten Institutionen, Organisationen und Einrichtungen, die auf vielen Ebenen EU-Kommissionsvorgaben umsetzen helfen. Sie helfen insbesondere dabei, die von EU-Rat- und EU-Kommission angedachten, aber für Bürger und Unternehmen noch nicht „akzeptablen“ Vorgaben „schmackhaft“ zu machen, um so zu einer ausreichend hohen Akzeptanz in der Bevölkerung zu führen, die eine politische Umsetzung ermöglicht.

Junker sagte 1999 dazu sehr verkürzt und sinngemäß: was wir heute als EU nicht durchsetzen, das werden wir dann schon später durchsetzen. Dem Lobbyismus Richtung EU-Exekutive (insbesondere seitens der Unternehmen) steht ein „Lobbyismus“ seitens der EU in Richtung auf die Einrichtungen der Mitgliedsländer sowie auf die Unternehmen und die Bevölkerung gegenüber, dessen Räderwerk für den Normalbürger praktisch nicht durchschaubar ist. Inwieweit kommt dies einem autokratischen Verhalten von der Maschek-Seite gleich?

Hauptziel der EU-Bestrebungen ist die Etablierung der Vereinigten Staaten von Europa, die den derzeit bestehenden Verbund der Mitgliedsstaaten ersetzen soll. Das deutet auch der Wechsel der Namensgebungen im Zeitverlauf an:

# Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, umgangssprachlich auch Montanunion, 1951)

# Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957 inklusive EURATOM)

# Europäische Gemeinschaften (EG, 1965 ff., Fusion von EWG, EURATOM und einzelnen EG-Organen, Fusions- und Folgeverträge)

# Europäische Gemeinschaft (EG, seit 1993 ff., Maastricht- und Folgeverträge)

# Europäische Union (EU, 2007, Lissabon- und Folgeverträge)

1948
1948
Brüsseler
Pakt
1951
1952
Paris
1954
1955
Pariser
Verträge
1957
1958
Rom
1965
1967
Fusions-
vertrag
1986
1987
Einheitliche
Europäische Akte
1992
1993
Maastricht
1997
1999
Amsterdam
2001
2003
Nizza
2007
2009
Lissabon
Europäische GemeinschaftenDrei Säulen der Europäischen Union
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom)
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)Vertrag 2002 ausgelaufenEuropäische Union (EU)
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)Europäische Gemeinschaft (EG)
Justiz und Inneres (JI)
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ)Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Westunion (WU)Westeuropäische Union (WEU)
aufgelöst zum 1. Juli 2011

Problematisch bleibt dabei: je größer die Zentralisation von Staatsmacht, umso größer die Machtfülle, die mit „eiserner Harke“ über berechtigte (!) Einzelinteressen der Mitgliedsstaaten und damit der Bürger drüberfährt. Das Prinzip der Subsidiarität bleibt dabei auf der Strecke, so wie dieses Prinzip z.B. Österreich 1994 anlässlich der Vorabstimmungskampagnen versprochen wurde. Wurde das Versprechen eingelöst?

Beispiele der Machtfülle durch Zentralisierung liefern alle großen Staaten, u.a. Russland und China, die geradezu Musterbeispiele dafür darstellen.

Ein Problem des Staates an sich ist das Machtmonopol, das bei ihm liegt und liegen muss, will er Gesellschaft – das Staatsvolk – und die Abläufe darin mit Erfolg, also: durchsetzungskräftig organisieren. Das Problem ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen unbeschränkter Freiheit des Individuums (Libertarismus) und unbeschränkter Freiheit des Staates (Totalitarismus).

Wie dieses Machtmonopol ausgestaltet wird, unterliegt in Demokratien dem Willen des Wahlvolkes, in nicht-demokratischen Staaten dem Willen des autoritären, totalitären oder autokratischen Machthabers. In defekten Demokratien ist die Mitbestimmung des Volkes eingeschränkt. Defekte Demokratien existieren in einer Grauzone, deren Konstituenten und ihre gegenseitige Einflussnahme nicht leicht zu bestimmen sind. Somit ist auch der Defektheitsgrad einer defekten Demokratie nicht leicht zu bestimmen und unterliegt, je nach politischer resp. ideologischer Perspektive, unterschiedlichen Wertungen.

Die idealtypische Dreiteilung der Regierungsformen existiert in der Wirklichkeit nicht: keine Demokratie der Welt entspricht der idealen Form, weist also im Ansatz Eigenschaften einer defekten Demokratie auf, kein totalitärer Staat schränkt die individuellen Freiheiten vollständig ein, es verbleibt den Bürgern dort ein mehr oder weniger großer Freiheitsraum.

Hinsichtlich des staatlichen Machtmonopols, das zudem bei anwachsender  Zentralisation der Staatsgewalt zur Zunahme neigt, ergibt sich die Erkenntnis: so wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig als einer Einrichtung, die mit einem mit Rechtsgewalt in das Leben seiner Bürger eingreifenden Machtmonopol versehen ist, das für das „Funktionieren“ einer Gesellschaft unaufgebbar ist.

Die dafür notwendigen rechtlichen Verregelungen des Alltagslebens durch Allgemeines Gesetzbuch, Strafgesetzbuch, Angestelltengesetz etc.etc. sind zahllos und gelten bei ausnahmslos jeder Handlung, werden aber – ebenso regelhaft – dem Bürger erst dann bewusst, wenn es zu schwerwiegenden Regelverstößen oder Regelbruch-Sanktionierungen kommt. 

Rechtliche Verregelungen sind Ausdruck der jeweiligen Ausprägungen eines Rechtsstaates; dieser wird in einer idealen Demokratie nicht durch Willküreinwirkungen korrumpiert: das ist ein wesentliches Kennzeichen demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Auf Rechtsstaatlichkeit pflegen sich auch autoritäre, totalitäre oder autokratische, kurz: diktatorische Systeme zu berufen, doch wird der Rechtsstaat dort durch Willküreingriffe korrumpiert: Rechtsbiegung als Kennzeichen von Autokratien etc. In einer defekten Demokratie wird die Rechtsstaatlichkeit (leicht) eingeschränkt, womit das Risiko entsteht, in eine Autokratie abzugleiten.

Nur in formalrechtlicher Hinsicht war zum Beispiel auch der NS-Staat ein Rechtsstaat, besaß er doch gemäß der NS-Grundsätze umgearbeitete Gesetze aus der Weimarer Republik und neue Gesetze im Sinne der NS-Ideologie, auf die er sich in der Rechtsprechung berief und von denen viele in einem „normalen“, d.h. hier NS-konformen Rechtssetzungsprozess entwickelt wurden. Daran ändert nichts die Gepflogenheit, den NS-Staat in inhaltlich-ethischer Hinsicht als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Ein krasses Beispiel für einen NS-Rechtserlass im autokratischen Sinn ist unter diesem Link einsehbar.

Kennzeichnend für die Biegsamkeit des Rechts je nach Staatsraison ist die Tatsache, dass Juristen nach einem Regimewechsel ihre Posten in der Regel nicht verloren, sondern im neuen Regime weiter im Dienst des Rechts ihre berufliche Tätigkeit frei oder im öffentlichen Dienst ausübten. So wurden Juristen und Richter nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes ohne weiteres in den öffentlichen Dienst der entstehenden Bundesrepublik Deutschland übernommen. Vergleichbares geschah nach dem Fall der UdSSR oder DDR.

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Demokratie das Herstellen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen einerseits den rechtsstaatlich gesicherten Freiheitsbedürfnissen des Individuums unter für ihn zureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten und andererseits den „Freiheitsbestrebungen“, somit Machtbestrebungen des Staates, mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Gemeinwohl resp. Sozialfrieden in Freiheit herzustellen. Als Garant dafür dient die Gewaltenteilung und ein entsprechend stark regulierter und damit gewaltgebändigter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie als vierte Gewalt die Sicherstellung einer freien Presse. MOTTO: Nimm Freiheitsbeschränkungen mit Blick auf das Gemeinwohl aus Überzeugung an, wir helfen dir dabei durch politische Aufklärung und sachliche Bildungsarbeit!

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit bedeutet in einer Autokratie, im Autoritarismus und vor allem im Totalitarismus Ausgesetztheit vor rechtsbeugenden willkürlichen Staatseingriffen auf die ohnehin reduzierten Freiheitsmöglichkeiten des Individuums unter nicht selten unzureichenden wirtschaftlichen Gegebenheiten zu Gunsten der Machtbestrebungen des Staates mit dem Ziel, ein Höchstmaß an „Gemeinwohl“ resp. „sozialem Frieden“ in Unfreiheit zu erzwingen. Als Garant dafür dient die Einschränkung, womöglich Aufhebung der Gewaltenteilung sowie ein entsprechend stark ausgeprägter und mit gering regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine allgegenwärtige Brachial-Propaganda unter Ausschaltung der Pressefreiheit. MOTTO: Kusch, sonst trifft dich der Polizeiknüppel und du landest im Gulag, folgst du nicht den Propaganda-vermittelten Staatszielen!

Das „Funktionieren“ einer Gesellschaft dank dafür sorgender Rechtsstaatlichkeit in einer defekten Demokratie gibt in (noch) geringem Ausmaß jene Prinzipien auf, die eine Demokratie hervorheben. Als Garant dafür dient eine Einschränkung der Gewaltenteilung und ein nicht allzu gestärkter und nicht allzu sehr mit herabgesetzter regulierter Gewalt ausgestatteter Polizei- und Geheimdienstapparat sowie eine verhältnismäßig subtil eingesetzte Propaganda und Beeinflussungsmaschinerie. MOTTO: Folge der politischen Verführung und glaube, es sei deine Entscheidung, sonst zwiebeln wir dich mit Exekutivmaßnahmen!

Eine solche Beeinflussungsmaschinerie hat die exekutiv im Grunde genommen schwach aufgestellte EU entwickelt, was zu eben der Ausbildung dieser „Schattenexekutive“ geführt hat. Sie trägt damit – nicht so ohne weiteres sichtbar für den Normalbürger – ein Kennzeichen einer defekten Demokratie. Damit steht die Gefahr im Raum, weiter an demokratischen Eigenschaften einzubüßen und zu einem politischen und wirtschaftlichen Risiko heranzureifen. In der Tat bemüht sich die EU um Stärkung ihrer Polizeigewalt (Frontex, 2004, weiterer Ausbau) und damit um Ausbildung eines weiteren Kennzeichens defekter Demokratien insofern der Vorwurf stimmte, dass Frontex auch innerhalb der EU eingesetzt werden könnte.

Was die Beeinflussungsmaschinerie der EU betrifft, hat 2011 der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (1929-2022) die Europäische Union als “sanftes Monster Brüssel“ bezeichnet und von der „Entmündigung Europas“ gesprochen. Er anerkennt segensreiche Folgen ihres Wirkens, macht aber zugleich auf die strukturellen Defizite dieser überstaatlichen Einrichtung aufmerksam, die durch massive Öffentlichkeitsarbeit, um nicht zu sagen: Propaganda – geschickt durch das vorbeschriebene Geflecht an Organisationen, Instituten, Einrichtungen etc. vermittelt –, übertüncht werden. Bezeichnend ist sein Ausspruch: „Je dünner die Legitimität [ihres politischen Handelns], umso dicker der Glibber der PR.“

Die geschilderte Gefahr liegt nicht darin, sich im Euro-Währungsraum zu bewegen. Sie liegt darin, dass infolge mangelnder demokratischer Kontrolle politisch einer Gesinnungsethik und nicht einer Verantwortungsethik gefolgt wird. Damit einher ginge eine Abgehobenheit von den Realitäten des täglichen Lebens der Bürger und Unternehmen. Das führte kurz über lang zu einer Schwächung des Euros im Währungskonzert. Ein Risiko erwüchse dann eher daraus, dass es nicht sicher ist, ob der Währungsraum „Euro“ eines Tages zerbricht, zum Beispiel dadurch, dass im Konzert mit anderen Währungen die derzeit ohnehin angekratzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union noch weiter geschwächt würde und der Euro fortgesetzt an Wert verlöre. Letzteres erleichterte das Auseinanderbrechen der Europäischen Union, die Eigeninteressen der Mitgliedsländer träten wieder stärker hervor.

Dieses Auseinanderbrechen der Europäischen Union ist derzeit unwahrscheinlich, aber denkmöglich als Folge von: fortgesetzter Wirtschaftsschwäche; weiter zunehmender Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Zunahme nationalkonservativer bis rechtsextremer Haltungen; fortgesetztem „Rütteln an den Ketten“ seitens ehemaliger UdSSR-Bruderstaaten; fortgesetzter Aufnahme neuer Mitgliedsländer speziell aus dem Balkan und dem ehemaligem UdSSR-Einflussbereich (Serbien, Ukraine); gravierenden, von den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten nicht mitgetragenen außen- und innenpolitischen Entscheidungen.  

Bräche die EU, so bräche spätestens dann auch der Euro; im Übrigen weist die Geschichte der Währungsunionen auf deren Brüchigkeit hin: sie halten in der Regel nicht lange. Den Anleger zwingt unter anderem auch dies beizeiten zu überlegen, in welcher Währung er außerhalb des Euroraumes investieren soll. Angesichts des unsicheren Status des US-Dollars als Weltwährung ist dies eine herausfordernde Frage. Sie stellt sich glücklicherweise derzeit nicht, sondern taucht nur schemenhaft als Denkmöglichkeit am Horizont einer eher ferneren Zukunft auf. Aber: sie taucht auf und kann blitzesschnell elefantengroß im Raum stehen.   

FAZIT: die Europäische Union birgt für den Anleger derzeit nur am Zukunftshorizont sich abzeichnende Risiken. Sie entspringen u.a. daraus, dass die EU weniger aus der Position der Stärke als eher aus der der Schwäche handelt. Im Vergleich zur Situation des Kalten Krieges und damit zur Gründerzeit der EU-Vorläufereinrichtungen, in der es nur einen wirtschaftsmächtigen geopolitischen Spieler und gleichzeitigen Verbündeten – die USA – gab, steht die Europäische Union heute zwischen zwei Wirtschaftsblöcken: dem des USA-geführten Westens und dem des sog. globalen Südens. Das erzeugt Druck, allzumal Zeitdruck, treibt die EU an und lässt sie, will sie nicht aufgerieben werden, nach Machtvergrößerung durch Zentralisierung streben – ein Demokratierisiko ersten Ranges, damit in der weiteren Folge ein Wirtschafts- und letztlich Veranlagungsrisiko.  

Grundsätzliches zur Währungsspekulation

Währungs-Spekulation ist ein äußerst schwieriges, glitschiges, hochriskantes Geschäft, bedarf langjähriger Erfahrung, tagtäglicher Marktbeobachtung und eines guten Magens: Schocks und erratische Marktbewegungen müssen ausgehalten werden – psychisch und finanziell. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Währungsspekulanten im deutschsprachigen Raum ist Folker Hellmeyer (Hellmeyer-Website, Hellmeyer-Kurzportrait (Goldseiten), Hellmeyer auf Netfonds usf.).

Zweck der Währungsspekulation?

Wie bei den Warenoptionsmärkten dient auch der Währungsoptionsmarkt dazu, sehr starke Schwankungen im Wert einer Währung (Devise) zu verhindern: sehr starken Verteuerungen oder Verbilligungen einer Währung im Devisenmarkt (Währungs- oder FOREX-Markt) wird so gegengesteuert. Dafür sorgen die vielen Marktteilnehmer, von denen ein Teil den künftigen Wert einer Währung (Devise) höher, der andere diesen Wert tiefer einschätzt. Dies führt dazu, dass sich eine Art mittlerer Wert für diese Währung einstellt. Währungsoptionsmärkte sind rund um den Globus nahezu 24/7, also nahezu täglich rund um die Uhr, offen (Warenoptionsmarkt, Optionen im Freihandel).

Anders ausgedrückt: Die Spekulanten sichern sich mit ihrem Engagement gegen das Risiko eines Währungsverfalls oder eines Währungsanstiegs ab. Währungsanstiege sind ein Risiko für Käufer auf Warenmärkten, Währungsabwertungen sind ein Risiko für Verkäufer auf Warenmärkten. Gleiches gilt selbstverständlich auch für Dienstleistungen im internationalen Dienstleistungsaustausch. Die gegenläufigen Interessen auf dem Währungsoptionsmarkt „mitteln“ sich aus.

Allgemein gesprochen handelt es sich bei den Geschäften auf Optionsmärkten um Absicherungsgeschäfte oder Hedging.

Nochmals anders ausgedrückt: Auf aggregiertem Niveau (Makroebene) sorgt der Währungsoptionsmarkt für die Stabilität einer bestimmten Währung im Konzert der anderen Währungen im Devisen- resp. Währungsmarkt (Kassa- oder Spot-Markt, das Pendant zum Optionsmarkt).

Eine stabile Währung ist für die Volkswirtschaft, in deren Bereich diese Währung als Zahlungsmittel dient, eine Lebensnotwendigkeit für das optimale Funktionieren der volkswirtschaftlichen Grundvorgänge Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Erratische Schwankungen im Währungs- oder Devisenmarkt erschweren auf der Ebene der Unternehmen (Mikroebene) innerhalb und außerhalb einer Volkswirtschaft erheblich Kalkulationen mit Sicht auf künftig geplante Käufe und Verkäufe. Erratische Schwankungen einer Währung schwächen die Wirtschaftsleistung der zugehörigen Volkswirtschaft, eine stabile Währung fördert sie. Dies gilt auch für Volkswirtschaften außerhalb des entsprechenden Währungsraumes, sofern sie mit dieser Volkswirtschaft handelnd in Verbindung stehen.

FAZIT: Währungsoptionsmärkte sind für das Wirtschaftsgeschehen im Konzert der verschiedenen Volkswirtschaften überlebenswichtig.

Die heilige Trias

Diese Zusammenhänge bleiben in der Regel für Otto Normalverbraucher genauso verborgen wie die Bedeutung der nicht-demokratisch agierenden Zentralbanken, die mit ihren Zinsentscheidungen tief in das Wirtschaftsleben und somit in das Alltagsgeschehen der Menschen eingreifen. Warenmärkte, Währungsmärkte und Zentralbanken sind in einem fortlaufenden Marktgeschehen untrennbar und maßgeblich untereinander verbunden. Dabei modulieren und moderieren die Zentralbanken über den Zinssatz die Abläufe in Waren- und Währungsmärkten und den zugehörigen Optionsmärkten.

Für Otto Normalverbraucher sind Spekulanten auf diesen Märkten in aller Regel ganz, ganz böse Subjekte, die sich mit ihren Spekulationsgewinnen die Taschen vollstopfen.

Wer sind diese Subjekte auf Währungsoptionsmärkten?

Auf Währungs- und Währungsoptionsmärkten agieren in großer Zahl Staatsstellen, staatliche und private Pensionsfonds, multinationale und andere Unternehmen, Finanzinstitute (Banken u.a.), Hedgefonds u.a.

Otto Normalverbraucher verkennt in aller Regel den Sinn dieser Märkte und die Rolle der Spekulanten dort; denn:

Die Währungsoptionsmärkte zeichnen für das Wohl und Wehe im höchstpersönlichen Alltagsleben des kleinen Mannes auf der Straße verantwortlich, indem sie für relative Währungsstabilität sorgen. Doch Märkte sind keine Subjekte. Somit sind präzise gesprochen nicht „die Märkte“, sondern die Teilnehmer an Währungsoptionsmärkten – also die risikoübernehmenden Spekulanten – für das Wohl und Wehe von Otto Normalverbrauchers alltäglichem Leben verantwortlich.

Daher lässt sich interpretieren: In der Erhaltung der Währungsstabilität liegt der soziale Sinn der Spekulation. Dabei dient der Spekulationsgewinn als Entgelt für die risikobehaftete Sorge um eine stabile Währung.

Es kommt zu einem „paradoxen“ Effekt: die Befriedung der Einzelinteressen der Subjekte, den Spekulanten, trägt vermittels des Marktgeschehens zur Optimierung des Gemeinwohls bei.

Die Umsätze in Devisen- und Währungsoptionsmärkten sind die größten weltweit und erreichen täglich Milliarden bis Billionen von Währungseinheiten. Im Jahr 2022 wurden allein im Devisenmarkt täglich durchschnittliche Umsätze in Höhe von 7,5 Billionen US-Dollar gehandelt. Zu beachten ist, dass dabei immer Währungspaare gehandelt werden und zudem die Umsätze „doppelt“ anfallen: als Verkaufs- und als Kaufpreis in Summe. Das plustert das tägliche Handelsvolumen ordentlich auf.

Was für die Währungsoptionsmärkte gilt, gilt ebenso für die Warenoptionsmärkte: es geht um die Stabilisierung von in großen Mengen gehandelten Waren wie Weizen, Schweinehälften Orangensaft, Kaffee und vieles andere mehr. Die aufgezählten Waren stehen für solche, die für die Bevölkerungen hohe Bedeutung haben.

Wozu Optionsmärkte gut sind

Aber es gibt doch nach wie vor Preissprünge auf den Warenmärkten, von erratischen Ausschlägen an den Devisenmärkten war auch schon die Rede: wie passt das ins Bild?

Ohne die Terminbörsen wären die Ausschläge um einiges stärker, die Preise höher.

Drei Beispiele dazu:

#1 Hitler verbot die große Bremer Kaffeebörse. Daraufhin sicherte sich der Großhandel gegen Preisanstiege bei Kaffee ab, indem er von Haus aus deutlich höhere Preise für den Handel, die Geschäfte, einforderte. Resultat war der berühmt-berüchtigte Blümchenkaffee: die Konsumenten sparten am Kaffee, indem sie möglichst wenig davon zum Aufbrühen verwandten, also sah man durch den dünnen Kaffee das Blümchen am Grund der Kaffeetasse.

# 2 Waren, die nicht abgesichert werden können, weisen größere Preissprünge und höhere Preise auf; bremsend auf den Warenpreis (Aktienpreis, Devisenkurs) wirkt allein die Konkurrenz oder eine schwache Nachfrage oder ein überreichliches Angebot.

# 3 Die erste Warenoptionsbörse wurde 1848 in Chicago. Hintergrund war der bereits gewachsene Welthandel mit Waren, die großteils noch mit Segelschiffen über die Weltmeere transportiert wurden. Zwar befuhren die ersten Dampfschiffe Ende der 1830er Jahre den Atlantik, doch die eigentliche Verdrängung des Segelschiffs als Transportmittel setzte erst ab den 1870er Jahren ein.

Die Notwendigkeit, sich gegen den Verlust der Waren infolge Schiffuntergangs zu schützen oder sich überhaupt vor unerwarteten Preisveränderungen während der langen Schiffsfuhren abzusichern, führte zur Einrichtung der Chicagoer Warenbörse (Chicago Board of Trade), 1848 zunächst als Kassen- oder Spotmarkt, 1864 dann als Warenterminmarkt. Fortan konnten Käufer und Verkäufer Warenpreise vereinbaren für Warenlieferungen in ein, zwei, drei, sechs Monaten, was die Sicherheit der unternehmerischen Kalkulation erheblich erhöhte, da nun die Preisrisiken nicht von den Warenverkäufern und -käufern selbst, sondern von den Spekulanten übernommen wurden. Es entstand eine hochspezialisierte Zunft von Spekulanten, darunter viele Versicherungen.

Die Spekulanten hatten die Zeit und die Informationsmittel, sich über Warenpreisänderungen am Warenursprungsort und über Transportverzögerungen oder Schiffsunfälle zu informieren. Schlechte Kaffee- oder Kakao-Ernten, transportverzögernde Windflauten oder Schiffsunglücke blieben für sie kein Geheimnis, entsprechend diesen Informationen disponierten sie am Warenterminmarkt ihre Preisvorstellungen, doch in der Vergangenheit geschlossene Warenpreise für eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Termin blieben davon unberührt.  

HELLMEYER (Märkte u.a.m.)

ISRAEL-HAMAS-HISBOLLAH-KRIEG

22.02.2025 12:48

Verdächtiger nennt sein Motiv Angreifer am Holocaust-Mahnmal wollte „Juden töten“

Polizei und Staatsanwaltschaft haben augenscheinlich das Motiv für den Angriff am Holocaust-Mahnmal in Berlin geklärt. Die Attacke des 19-jährigen Syrers soll einen antisemitischen Hintergrund haben. Ein spanischer Tourist wurde bei dem Angriff schwer verletzt.

WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN

Israel verschiebt Freilassung palästinensischer Häftlinge – APA, Sonntag, 23.2.225

Israel verschiebt nach der Freilassung sechs weiterer israelischer Geiseln durch die islamistische Hamas im Gazastreifen die Entlassung palästinensischer Häftlinge. Das teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in der Nacht auf Sonntag mit. Grund seien die „wiederholten Verstöße der Hamas, einschließlich der Zeremonien zur Demütigung unserer Geiseln und der zynischen Ausnutzung unserer Geiseln für Propagandazwecke“, hieß es.

Deshalb habe Israel entschlossen, „die für Samstag geplante Freilassung der Terroristen zu verschieben, bis die Freilassung der nächsten Geiseln sichergestellt ist, und zwar ohne die demütigenden Zeremonien“. Die Hamas hatte am Samstag im Gazastreifen sechs weitere Geiseln an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben. Die Freilassung der Israelis erfolgte im Rahmen eines Abkommens mit Israel, in dem auch die Waffenruhe vereinbart wurde.

Im Gegenzug sollte Israel nach palästinensischen Angaben im Rahmen der Waffenruhe-Vereinbarung rund 600 inhaftierte Palästinenser freilassen. Darunter sind 50 mit lebenslangen Haftstrafen. Die Vorbereitungen zur Freilassung der Häftlinge wurden am Abend laut Augenzeugen abgebrochen.

Vermummte und bewaffnete Hamas-Kämpfer in Uniformen hatten die Übergaben der sechs israelischen Geiseln in Rafah und Nuseirat im Gazastreifen am Samstag erneut mit Schaulustigen, lauter Musik und palästinensischen Fahnen inszeniert. Die Entführten wurden auf Bühnen vorgeführt. Sie erhielten von ihren bewaffneten Bewachern sichtbar Anweisungen, zu lächeln und der wartenden Menschenmenge zuzuwinken.

Israelische Medien verbreiteten am Abend ein Propaganda-Video, das zeigte, wie zwei israelische Geiseln von der Hamas gezwungen werden, von einem Fahrzeug aus die Freilassung ihrer Landsleute in Nuseirat aus nächster Nähe mitanzusehen, während sie selbst weiter in der Gewalt der Terrororganisation sind. „Dieser kalkulierte Akt der psychologischen Folter ist ein eklatantes Beispiel von Grausamkeit“, heißt es in einer Stellungnahme des Forums der Geisel-Angehörigen.

Armee: Freigelassene Geiseln zurück in Israel – Samstag, 22.2.2025

TEL AVIV (dpa-AFX) – Zwei von der islamistischen Hamas im Gazastreifen freigelassene Israelis sind nach Angaben der Armee zurück in Israel. Die Langzeitgeisel Avera Mengistu und der im Oktober 2023 verschleppte Tal Schoham seien in einer Erstaufnahmestelle im Süden Israels angekommen, teilte das Militär mit. Dort würden sie zunächst medizinisch untersucht. Anschließend werden die beiden Männer ihre Angehörigen wiedersehen. Im Laufe des Tages sollten noch vier weitere israelische Geiseln freigelassen werden. Im Gegenzug muss Israel nach palästinensischen Angaben insgesamt 602 Palästinenser aus Gefängnissen entlassen./le/DP/zb

© 2025 dpa-AFX

URAINE-KRIEG im n-tv Liveticker

Detaillierte Meldungsübersicht. Daraus eine Auswahl:

+++ 10:10 Russland attackiert Ukraine mit Rekord-Welle +++

Russland hat die Ukraine in der Nacht mit 267 Drohnen angegriffen, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilt. Laut Außenminister Andrij Sybiha handelt es sich dabei um einen neuen Höchstwert. Davon seien 138 abgeschossen worden und 119 nach dem Einsatz von elektronischer Kriegsführung vom Radar verschwunden. Russland habe auch drei ballistische Raketen abgefeuert, so die Luftwaffe. Berichte über Schäden gibt es aus fünf ukrainischen Regionen. Russland startet seit Monaten praktische jede Nacht massenhafte Drohnenangriffe auf die Ukraine.

+++ 09:39 Putin verspricht seinen Soldaten moderne Waffen +++
Kremlchef Wladimir Putin stellt den russischen Streitkräften nach drei Jahren Angriffskrieg gegen die Ukraine moderne Waffen und Technik in Aussicht. Ausgehend von den Erfahrungen und Erfordernissen auf dem Schlachtfeld habe die Ausstattung der Soldaten mit neuen Waffen Priorität, sagte Putin in einer Videobotschaft zum Tag des Vaterlandsverteidigers. „Ich danke allen Teilnehmern der militärischen Spezialoperation für ihren Kampfgeist und die Entschlossenheit zu siegen“, sagt Putin vor dem dritten Jahrestag des Kriegsbeginns an diesem Montag.

+++ 08:59 Estland plant große Lieferung von Artillerie-Munition an Ukraine +++
Estland wird der Ukraine weitere Militärhilfe für ihren Abwehrkampf gegen Russland leisten. „Wir haben mit der Regierung eine Entscheidung getroffen, 10.000 Artilleriegeschosse zu kaufen und so schnell wie möglich an die Ukraine zu schicken. Die Streitkräfte werden dazu noch 750.000 Lebensmittelpakete aus ihren eigenen Reserven liefern“, verkündet Regierungschef Kristen Michal in einer Rede im Estnischen Nationalmuseum in Tartu. Weiter soll das von Russland angegriffene Land auch mit Gütern der estnischen Rüstungsindustrie im Wert von 100 Millionen Euro beliefert werden. Nach Angaben von Verteidigungsminister Hanno Pevkur soll es sich bei der Munition um Artilleriegeschosse vom Kaliber 155 mm handeln.

+++ 08:13 Weißes Haus: Trump will „diese Woche“ Ukraine-Deal abschließen +++
Die neue US-Regierung ist eigenen Angaben zufolge zuversichtlich, „diese Woche“ ein Abkommen zur Beendigung des Ukraine-Krieges zu schließen. „Der Präsident (Donald Trump) und sein Team konzentrieren sich sehr darauf, die Verhandlungen mit beiden Seiten dieses Krieges fortzusetzen, um den Konflikt zu beenden. Und der Präsident ist sehr zuversichtlich, dass wir es noch diese Woche schaffen können“, sagt die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, am Samstag (Ortszeit) vor Reportern. Weiter erklärt sie, dass der Nationale Sicherheitsberater Matt Waltz an diesem Wochenende „rund um die Uhr“ an einem Abkommen arbeite und dass Finanzminister Scott Bessent an den Gesprächen über ein vorgeschlagenes Abkommen mit den Ukrainern zur Nutzung von Rohmineralien beteiligt gewesen sei. Weitere Details könne sie noch nicht sagen.

+++ 07:42 Russland wehrt zahlreiche ukrainische Drohnen ab +++
Russland hat nach eigenen Angaben in der Nacht 20 ukrainische Drohnen abgeschossen. Die Flugkörper seien über sechs Regionen des Landes von der Luftabwehr abgefangen und zerstört worden, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

+++ 06:58 Untersuchung verifiziert Namen von fast 95.000 getöteten Russen +++
Ein Rechercheprojekt mehrerer Medien hat die Namen von fast 95.000 Russen verifiziert, die im Angriffskrieg in der Ukraine gestorben sind. Seit Februar 2022 sammeln die russische Vertretung der BBC und das unabhängigen Medienunternehmen Mediazona die Namen in einer Liste, in diesem Februar kamen noch einmal 2500 dazu. Die tatsächliche Zahl russischer Todesopfer dürfte jedoch weit höher liegen. Von den Forschenden befragte Militäranalysten schätzten, dass die Liste wahrscheinlich nur 45 bis 65 Prozent der russischen Gesamtopferzahl ausmacht.

+++ 06:20 Sechs Stunden Luftalarm: Russland überzieht Ukraine mit Drohnen +++
Russland hat die Ukraine in der Nacht mit mehreren Raketen- und Drohnenangriffen überzogen. In der Hauptstadt Kiew beschädigten die Angriffe, die in mehreren Wellen erfolgten, Wohnhäuser und Autos, wie Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram erklärt. Verletzte habe es dort nach ersten Erkenntnissen nicht gegeben. Bei einem Drohnenangriff auf die Region Odessa im Süden des Landes an der Schwarzmeerküste seien drei Menschen verletzt worden, als ein Privathaus in Brand gerät, teilt der Gouverneur der Region, Oleh Kiper, auf Telegram mit. Der ukrainischen Luftwaffe zufolge galt in Kiew sowie in Zentral- und Ostukraine rund sechs Stunden lang Luftalarm. Schon zuvor starb ein Zivilist in Krywyj Rih (siehe Eintrag 00.54 Uhr).

+++ 05:48 Briten fordern von USA „solide Sicherheitsgarantien“ für Ukraine +++
Der britische Premierminister Keir Starmer fordert die USA auf, die von Russland angegriffene Ukraine mit „soliden Sicherheitsgarantien“ zu unterstützen. „Es liegt im Interesse Großbritanniens und der USA, der Ukraine mit Sicherheitsgarantien zur Seite zu stehen“, schreibt Starmer in einem Gastbeitrag für die Zeitung „The Sun on Sunday“. Die Ukraine müsse an Friedensverhandlungen beteiligt werden und brauche von Washington „solide Sicherheitsgarantien“. Starmer äußert zudem Verständnis für den Vorstoß von US-Präsident Donald Trump zu Gesprächen über ein Ende des Ukraine-Krieges. „Auch Präsident Trump hat Recht, wenn er die Initiative ergreift und schaut, ob ein gutes Friedensabkommen auf dem Tisch liegt“, schreibt der britische Regierungschef. Er sei „jedes Mal“, wenn er mit Trump gesprochen habe, „von seinem Engagement für den Frieden beeindruckt“ gewesen, fügt er hinzu. Starmer zeigt Trump Verständnis Briten fordern Sicherheitsgarantien von den USA

+++ 04:32 Ukraine: Russland zieht Tausende Rekruten in besetzten Gebieten ein +++
Russland hat sein Ziel, Tausende von Männern in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine zu mobilisieren, laut einem Bericht des „Kyiv Independent“ erreicht. Im Bemühen, eine unpopuläre Massenmobilisierung im eigenen Land zu vermeiden, habe Russland Tausende von Einwohnern der besetzten Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sowie der besetzten Krim zwangsrekrutiert, so der Leiter der Koordinationszentrale für die Behandlung von Kriegsgefangenen, Bohdan Okhrimenko. Um wie viele Menschen es sich genau handelte, sagt er nicht. Der russische Plan sei aber mit 104 Prozent sogar übererfüllt worden.

+++ 02:42 Großbritannien kündigt weitere Sanktionen gegen Russland an +++
Großbritannien will seine Sanktionen gegen Russland verschärfen. Zum dritten Jahrestag des Kriegsbeginns am Montag werde er „das umfangreichste Sanktionspaket gegen Russland seit den ersten Kriegstagen ankündigen“, erklärt der britische Außenminister David Lammy. Londons Entscheidung erfolgt zu einem Zeitpunkt, den Lammy als „kritischen Moment in der Geschichte der Ukraine, Großbritanniens und ganz Europas“ bezeichnet. Jetzt sei es an der Zeit, „dass Europa seine Unterstützung für die Ukraine verdoppelt“, so Lammy mit Blick auf die von US-Präsident Trump angestrebte Kehrtwende in der US-Ukraine-Politik.

+++ 00:54 Ein Toter bei Raketenangriff auf Krywyj Rih +++
Bei einem Raketenangriff auf die Großstadt Krywyj Rih ist am späten Abend ein Mann getötet worden. Mehrere weitere Menschen seien verletzt worden, teilt die Militärverwaltung der Oblast Dnipropetrowsk auf Telegram mit. Eine 30-jährige Frau soll in ernstem Zustand sein. Die Raketen hätten unter anderem eine Infrastrukturanlage und zwölf Wohnhäuser getroffen.

+++ 23:59 Trump bekräftigt enge Allianz mit Polen +++
Das Weiße Haus teilt nach einem Treffen von US-Präsident Trump und dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Washington mit, Trump habe die enge Allianz zwischen beiden Ländern bekräftigt und Polens Verpflichtung zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben gelobt. Er habe Trump gesagt, dass die US-Präsenz in Polen und Mitteleuropa verstärkt werden sollte, so Duda auf einer Pressekonferenz. Trump habe erwidert, dass Polen als einer der glaubwürdigsten Verbündeten nicht besorgt sein sollte. „Präsident Trump sagte, er würde eher eine Verstärkung der US-Präsenz in Bezug auf Polen erwarten.“ Duda sagt zudem, er habe den Eindruck, dass Trump daran interessiert sei, die Ukraine zu stärken, „auch durch wirtschaftliche Beziehungen“.

+++ 23:04 Putin: Stärkung der Streitkräfte ist wichtigste strategische Aufgabe +++
Laut Russlands Präsident Putin sei es die wichtigste strategische Priorität seines Landes, die Streitkräfte zu stärken. „Heute, vor dem Hintergrund der raschen Veränderungen in der Welt, bleibt unser strategischer Kurs zur Stärkung und Entwicklung der Streitkräfte unverändert“, erklärt Putin in einem Video auf dem Kreml-Kanal von Telegram angesichts eines russischen Gedenktags, an dem die Streitkräfte gefeiert werden.

+++ 22:06 Trump: Nehmen von Ukraine „alles, was wir bekommen können“ +++
US-Präsident Donald Trump sagt, man stehe kurz vor einer Einigung mit der Ukraine über die Aufteilung von Einnahmen aus ukrainischen Bodenschätzen als Teil der Bemühungen zur Beendigung des Krieges. „Ich denke, wir stehen kurz vor einer Einigung“, sagte Trump bei einer Veranstaltung von Konservativen am Rande von Washington. Die USA wollten die Milliarden Dollar an Militärhilfe zurückerhalten, die sie der Ukraine im Kampf gegen die russischen Eindringlinge gewährt hätten. Die Vereinigten Staaten würden dabei nach Seltenen Erden und Öl fragen oder „alles, was wir bekommen können“.

+++ 21:36 Meloni setzt sich bei rechter US-Konferenz für die Ukraine ein +++
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat bei einer rechtskonservativen Konferenz in der Nähe der US-Hauptstadt Washington für den Zusammenhalt des Westens, die US-Partnerschaft mit Europa und die Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine geworben. „Europa ist noch lange nicht verloren, und es wird auch nie verloren sein“, sagte Meloni, die bei der jährlich stattfindenden sogenannten CPAC per Video zugeschaltet war. Bei dem Treffen kommen traditionell Trump-Fans, Rechtsnationale und die religiöse Rechte zusammen.

In Hinsicht auf die Ukraine sagte Meloni: „Glück hängt von Freiheit ab, und Freiheit hängt von Mut ab.“ Gemeinsam habe man dies in den vergangenen drei Jahren in der Ukraine bewiesen, „wo ein stolzes Volk für seine Freiheit gegen die brutale Aggression“ kämpfe. Nun müsse man weiter zusammenarbeiten, um einen „gerechten und dauerhaften Frieden“ zu schaffen. Dieser könne nur mit dem Beitrag aller geschaffen werden. Es brauche vor allem eine starke Führung. Dafür stehe US-Präsident Trump. Dieser hatte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zuletzt als „Diktator“ bezeichnet und Kremlchef Wladimir Putin nach dem Mund geredet.

+++ 21:05 Elon Musk dementiert Gerüchte um Starlink-Abschaltung für Ukraine +++
Elon Musk hat einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters dementiert, wonach die USA in ihrem Drängen auf ein Rohstoff-Abkommen mit der Ukraine eine Abschaltung des Satelliten-Internetsystems Starlink ins Gespräch gebracht haben. „Reuters lügt“, schrieb Musk auf seiner Plattfrom X. „Sie sind nach AP (Associated Propaganda) die zweitgrößten Lügner unter den traditionellen Nachrichtenagenturen.“

Trump will Seltene Erden Musk dementiert Gerüchte um Starlink-Abschaltung für Ukraine

+++ 20:22 Selenskyj will am Sonntag Bilanz zu drei Jahren Krieg ziehen +++
Kurz vor dem dritten Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag auf einer großen Pressekonferenz Bilanz ziehen. Der Auftritt findet vor dem Hintergrund scharfer Kritik des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump an Selenskyj statt. Trump hatte Selenskyj zuletzt sogar wegen der kriegsbedingt ausgefallenen Wahlen als „Diktator“ bezeichnet.

+++ 19:42 Griechenland sichert Selenskyj Mitsprache bei Friedensabkommen zu +++
Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis versichert dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, es werde kein Friedensplan ohne die Ukraine beschlossen werden können. Dies teilt sein Büro mit. In einem Telefonat mit Selenskyj erklärt Mitsotakis demnach, es liege an der Ukraine zu entscheiden, was für sie akzeptabel sei.

+++ 18:42 Scholz: Es wird trotz Trump keinen Paradigmenwechsel geben +++
Kurz vor den Treffen mehrerer europäischer Staats- und Regierungschefs mit US-Präsident Donald Trump hat Kanzler Olaf Scholz bekräftigt, dass es keinen Politikwechsel Deutschlands und der Europäer mit Blick auf die Ukraine gebe. „Das ist erstmal wichtig und zentral, dass die Ukraine sich darauf verlassen kann“, sagte der SPD-Politiker am Rande eines Bürgerdialogs in Potsdam. Er habe am Freitag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gesprochen. Er tausche sich zudem die ganze Zeit mit vielen anderen Europäern aus. Hintergrund ist, dass Scholz auch nach der Bundestagswahl am Sonntag selbst im Fall einer Wahlniederlage noch wochenlang geschäftsführender Kanzler bleiben würde und sich etliche europäische Staats- und Regierungschefs auf den Weg nach Washington machen, um Gespräche mit Trump zu führen. Am Montag soll es auch eine G7-Schalte auf Staats- und Regierungschefebene geben.

+++ 18:15 Spekulationen über „rätselhafte Narbe“ auf Putins Stirn +++
Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Sache mit dem früheren US-Präsident Joe Biden gemeinsam: Es wird genauestens beobachtet, wie er in der Öffentlichkeit auftritt. Während bei Biden oftmals ein stolpernder Gang zu Spekulationen über Altersschwäche führte, wird bei Putin seit Jahren auf Anzeichen möglicher Operationen geachtet – und es werden Thesen schwerer Erkrankungen aufgestellt. Jüngste Fotografien, die den russischen Präsidenten mit einer Hautveränderung auf der Stirn zeigen, könnten die Spekulationen nun wieder befeuern. Die britische „Daily Mail“ etwa berichtet von der „rätselhaften Narbe“ (engl.: mystery scar), die beim Besuch Putins auf dem „Future Technologies Forum“ in Moskau zu sehen war. Möglicherweise seien die Zuschauer durch den auffälligen Schorf auf der Glatze des Diktators abgelenkt gewesen, schreibt das Medium.

Auch das „Nexta“ berichtet von den Hautveränderungen, die auf Aufnahmen vom 19., 20. und 21. Februar zu sehen gewesen seien. Weitere Informationen zur Ursache haben die beiden Medien nicht. Dass Ferndiagnosen nur schwer zu stellen sind, hatte eine Expertin bereits vor zweieinhalb Jahren eingeordnet. „Vom bloßen Anblick her lassen sich nur wenige Diagnosen dingfest machen“, sagte Christiane Bayerl von der Dermatologischen Gesellschaft damals.

+++ 16:42 USA schlagen UN-Resolution zur Ukraine vor – ohne Kritik an Moskau +++
US-Außenminister Marco Rubio hat bei den UN-Mitgliedsstaaten für die Unterstützung eines von den USA vorgelegten Resolutionstextes zum Ukraine-Krieg geworben, in dem Diplomaten zufolge aber die Forderung nach einer territorialen Integrität der Ukraine fehlt. Die USA schlagen eine „einfache, historische Resolution“ vor, die alle UN-Mitgliedsstaaten unterstützen sollten, „um einen Weg zum Frieden zu ebnen“, erklärte Rubio. Die Ukraine und europäische Unterstützerstaaten wollen bei der kommenden UN-Generalversammlung am dritten Jahrestag des russischen Überfalls am Montag einen eigenen Resolutionstext vorlegen. Laut „Washington Post“ übt die Trump-Regierung nun Druck auf die Ukraine aus, die eigene Resolution zurückzuziehen.

Rubio nannte keine Einzelheiten zu den Inhalten des US-Vorschlags. In dem Text, den die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte, wird ein „schnelles Ende des Konflikts“ gefordert – allerdings ohne die territoriale Integrität der Ukraine zu erwähnen. Anders als bei früheren von Washington vorgeschlagenen und unterstützten Resolutionen enthielt der aktuelle, mit nur 65 Wörtern recht kurze Entwurf auch keine Kritik an Moskau, obwohl Russland die Ukraine vor drei Jahren angegriffen hatte und seither ununterbrochen bombardiert.

+++ 16:42 USA schlagen UN-Resolution zur Ukraine vor – ohne Kritik an Moskau +++
US-Außenminister Marco Rubio hat bei den UN-Mitgliedsstaaten für die Unterstützung eines von den USA vorgelegten Resolutionstextes zum Ukraine-Krieg geworben, in dem Diplomaten zufolge aber die Forderung nach einer territorialen Integrität der Ukraine fehlt. Die USA schlagen eine „einfache, historische Resolution“ vor, die alle UN-Mitgliedsstaaten unterstützen sollten, „um einen Weg zum Frieden zu ebnen“, erklärte Rubio. Die Ukraine und europäische Unterstützerstaaten wollen bei der kommenden UN-Generalversammlung am dritten Jahrestag des russischen Überfalls am Montag einen eigenen Resolutionstext vorlegen. Laut „Washington Post“ übt die Trump-Regierung nun Druck auf die Ukraine aus, die eigene Resolution zurückzuziehen.

Rubio nannte keine Einzelheiten zu den Inhalten des US-Vorschlags. In dem Text, den die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte, wird ein „schnelles Ende des Konflikts“ gefordert – allerdings ohne die territoriale Integrität der Ukraine zu erwähnen. Anders als bei früheren von Washington vorgeschlagenen und unterstützten Resolutionen enthielt der aktuelle, mit nur 65 Wörtern recht kurze Entwurf auch keine Kritik an Moskau, obwohl Russland die Ukraine vor drei Jahren angegriffen hatte und seither ununterbrochen bombardiert.

Vor drittem Jahrestag der Invasion Ukrainer erzählen, was der Krieg ihnen geraubt hat

+++ 15:12 Masala: „Für die Befreiung von Warschau würden die USA nicht die Vernichtung von New York riskieren“ +++
Der Militärexperte Carlo Masala hat neue europäische Atomwaffen ins Gespräch gebracht. „Momentan hören wir aus den Vereinigten Staaten, dass der nukleare Schutz für uns bestehen bleibt. Aber wenn die Amerikaner in Europa konventionell kaum noch vertreten sind, wird die Diskussion kommen, wie glaubwürdig dieser Schutz ist“, sagte der Politikwissenschaftler den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Für die Befreiung von Warschau würden die USA nicht die Vernichtung von New York riskieren.“

Um sicher zu sein, brauche man ein strategisches und ein taktisches Arsenal, führte Masala aus. „Franzosen und Briten verfügen nur über strategische Atomwaffen.“ Wenn es in den USA so weitergehe, sagte er mit Blick auf die Wende im transatlantischen Verhältnis, „werden wir die Diskussion über neue Nuklearwaffen mit aller Macht bekommen“.

+++ 14:35 Menschen in der Ukraine weisen Trumps Kriegsschuld-Vorwurf zurück +++
US-Präsident Trump wirft der Ukraine eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg vor. Kiew hätte den Konflikt von vornherein verhindern können, Selenskyj bezeichnet er als „Diktator“. Davon wollen die Menschen im Land allerdings nichts wissen. Und auch die Kriegsbilder sprechen für sich.

Bilder sprechen eigene Sprache Ukrainer weisen Trumps Kriegsschuld-Vorwurf zurück

+++ 13:58 Russischer Luftangriff auf Stadt im Donezk tötet zwei Menschen +++
Bei mehreren Luftangriffen auf die Stadt Kostiantynivka im Oblast Donezk sind mindestens zwei Zivilisten getötet und vier verletzt worden, berichtet der dortige Gouverneur. Die Zahl der Opfer könnte noch steigen, da noch Menschen unter den Trümmern begraben sein könnten, heißt es auf Telegram. Die Rettungsarbeiten dauern an. Bei dem Angriff sollen unter anderem zehn Wohnhäuser, 21 Privathäuser, drei Industrieanlagen, ein Geschäft, zwei Stromleitungen und zwei Gasleitungen beschädigt worden.

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico unterstützt das Narrativ von US-Präsident Donald Trump, der Krieg zwischen der Ukraine und Russland „hätte kurz nach seinem Beginn beendet werden können. Auf der Conservative Political Action Conference (CPAC) rechtfertigte Fico die russische Invasion, man habe „ernsthafte Sicherheitsgründe“ dafür gehabt. Fico unterstützte auch die jüngste Behauptung Trumps mit Blick auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dass dieser „diesen Krieg tatsächlich braucht“, um an der Macht zu bleiben. Gestern hatte Trumps ehemaliger Berater Steve Bannon auf der CPAC-Konferenz den Hitlergruß gezeigt.

+++ 13:14 Reisner: „Trump gibt Putin einen Platz an den globalen Hebeln der Macht“ +++
Im zuende gehenden dritten Jahr des Ukrainekriegs hat der Russland etwa 4500 Quadratkilometer ukrainisches Terrain erobert. Demgegenüber nahmen die Ukrainer nur 500 Quadratkilometer von den Russen in Besitz, so lautet die Bilanz des österreichischen Oberst und Historikers Markus Reisner in einem Video zu drei Jahren Krieg. Die vergangenen Tage sieht Reisner vor allem in der Geopolitik als wichtige Wende, da US-Präsident Donald Trump den Kremlchef Wladimir Putin durch seinen Umgang wieder auf die internationale Bühne geholt habe. Trump nannte Russland einen Konkurrenten, aber auch eine Welt-Führungsmacht. Damit hole der US-Präsident Putin zurück „an die globalen Hebel der Macht“.

+++ 12:58 Ukrainer reklamieren Angriff auf russisches Umspannwerk für sich +++
Den Drohneneinschlag an einem russischen Umspannwerk für die Ölpumpstation Novovelychkovskaya in der russischen Region Krasnodar, der am Donnerstag die Stromversorgung unterbrach, reklamiert der ukrainische Sicherheitsdienst (SBU) für sich. Laut einer Quelle aus Sicherheitskreisen ist die Station eine der „Schlüsseleinrichtungen für den Öltransport in der Region Kuban, die die Ölraffinerien Afipsky und Ilysky versorgt“. Die russischen Behörden würden derzeit den Schaden bewerten, so die Quelle. Am Donnerstag berichteten mehrere lokale russische Medien und Telegram-Kanäle über Explosionen in der Region Krasnodar und behaupteten, die russische Luftverteidigung habe den Angriff der Drohne abgewehrt. Dem widersprechen die Ukrainer.

+++ 12:06 Melnyk: Ohne USA braucht Europa einen Plan B +++
In seiner Zeit als Botschafter der Ukraine in Deutschland eckt Andrej Melnyk immer wieder an. Insbesondere mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen um Donald Trump wirkt er im Interview nun nachdenklich. Es brauche dringend einen Weg, mit den USA zu verhandeln, Europa müsse sich aber auch einen Plan B überlegen.

Ex-Ukraine-Botschafter Melnyk Europa ohne USA? – „Vielleicht ist Plan B notwendig“

+++ 11:53 EU und USA geben für Militärhilfe an Ukraine weniger als 0,1 Prozent des BIP +++
Die Ukrainehilfe der EU ist mit Blick auf Militär, Haushalt und humanitäre Hilfe insgesamt 30 Prozent größer als die Unterstützung der Vereinigten Staaten. Das sagt der EU Verteidigungskommissar Andrius Kubilius dem Kyiv Independent. 134 Milliarden Euro aus der EU sei Beginn der Vollinvasion stehen demnach 100 Milliarden aus den USA gegenüber. Nimmt man militärische Unterstützung als Einzelposten, liegen die USA klar vorn. Die Amerikaner haben laut Kubilius rund 60 Milliarden US-Dollar bereitgestellt, die Europäer 50 Milliarden, also deutlich weniger. Sowohl die EU als auch die USA erreichen mit ihrer jährlichen Unterstützung für die ukrainische Verteidigung nicht 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). „Wir müssen uns überlegen, wie wir die Unterstützung für die Ukraine erhöhen können, denn wir wollen diese Formel erreichen: Frieden durch Stärke.“

+++ 11:29 Ukrainische Zivilgesellschaft plädiert gegen Wahlen vor Kriegsende +++
Über 130 führende Organisationen der ukrainischen Zivilgesellschaft haben internationale Partner dazu aufgerufen, sich auf die Sicherheitsunterstützung für die Ukraine zu konzentrieren, anstatt auf Wahlen unter Kriegsbedingungen zu drängen. In einer Erklärung betonen sie, die Demokratie in Kriegszeiten benötige noch stärkeren Schutz, da die Kosten von Fehlern extrem hoch seien. Wahlen in der Ukraine sollten einem demokratischen Ablauf folgen:

  • Erzielung eines dauerhaften Waffenstillstands unter internationalen Sicherheitsgarantien;
  • Ordnungsgemäße Wiederherstellung der Wahlinfrastruktur;
  • Aufhebung des Kriegsrechts und Erzielung einer internationalen Einigung.

Nach Darstellung der NGOs besteht Konsens darüber, dass Wahlen frühestens sechs Monate nach dem Ende des Kriegsrechts stattfinden sollten. Regierung, Opposition und Gesellschaft würden das unterstützen.

+++ 10:47 Kreml: Weiteres Dorf in Luhansk eingenommen +++
Der Vormarsch Russlands im Osten der Ukraine schreitet nach Angaben aus Moskau weiter voran. Das Verteidigungsministerium meldet laut der staatlichen Nachrichtenagentur RIA, in der Region Luhansk sei das Dorf Nowoljubiwka eingenommen worden. Zudem seien bei Angriffen ukrainische Militärflugplätze, Drohnen- und Munitionsarsenale sowie Treibstoffsdepots getroffen worden.

+++ 10:31 Russische Drohne nahe Kiew fordert Menschenleben +++
Bei einem neuen russischen Drohnenangriff ist nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach Behördengaben ein 60 Jahre alter Wärter eines Bahnübergangs getötet worden. Der Mann sei vor Eintreffen der Ärzte seinen Verletzungen erlegen, schreibt die Kiewer Gebietsverwaltung bei Telegram. Es sei zudem ein Brand in einem Lager ausgebrochen. Die ukrainische Flugabwehr zählte nach eigenen Angaben 162 russische Drohnenangriffe. 82 der unbemannten Flugkörper seien abgeschossen worden.

+++ 10:22 Ukraine meldet 90 Gefechte an der Front +++
Für die vergangenen 24 Stunden bilanziert die ukrainische Armee 90 Gefechte zwischen den ukrainischen Verteidigungskräften und den russischen Invasoren. 29 feindliche Angriffe im Sektor Pokrowsk wurden abgewehrt. Neben einem Raketenangriff führten sie 72 Luftangriffe durch und warfen 92 Lenkbomben ab. Außerdem führte der Feind über 5.000 Beschussangriffe durch und setzte 3.050 Kamikaze-Drohnen für Angriffe ein.

+++ 09:56 Moskau: Schon bald weiteres Treffen mit US-Vertretern +++
Der Regierung in Moskau zufolge ist schon bald ein weiteres Treffen zwischen Vertretern Russlands und den USA geplant. Die Begegnung werde in einem noch festzulegenden Drittland stattfinden, sagt der russischen Vize-Außenminister Sergej Rjabkow der staatlichen Nachrichtenagentur RIA zufolge. Vorbereitungen der jeweiligen Ministerien könnten binnen zwei Wochen stattfinden. Wer an der Begegnung teilnehmen soll, lässt Rjabkow offen. US-Präsident Donald Trump hat sich mit Blick darauf zuletzt selbst widersprochen. Zunächst sagte er, eine Teilnahme Kiews sei nicht wichtig, am Freitagabend hielt er vor Journalisten ein Treffen zwischen Präsident Selenskyj und Kremlchef Putin für „unausweichlich“. Beim russisch-amerikanischen Treffen in Saudi-Arabien am Dienstag war die Ukraine nicht miteinbezogen.

US-Unterhändler zu unerfahren? Fischer: „Sergej Lawrow hat noch jeden kaltgestellt“

+++ 09:22 Breuer besucht Kiew: „Ukraine kämpft für unsere Freiheit.“ +++
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hat der angegriffenen Ukraine bei einem Besuch in Kiew weiterhin Unterstützung zugesichert. „Die Ukraine kämpft, sie kämpft für unsere Freiheit“, sagte Breuer in einem vom ukrainischen Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj bei Telegram veröffentlichten Video. Die Generäle umarmten sich. Breuer hat sich demnach über die Lage an der Front, in den Streitkräften und über den weiteren Bedarf an Waffen, Munition, Ausbildung sowie an militärischer und Spezialausrüstung informiert. Bei den Gesprächen sei es zudem um Fragen der Wartung und Reparatur deutscher Militärtechnik gegangen.

KOMMENTARE & INTERVIEWS ZUM UKRAINE-KRIEG

KOMMENTAR – Europa ohne die USA: Alle wissen es. Keiner sagt es – Christoph Schwennicke, t3n, Mittwoch, 19.2.2025

Die USA haben Europa den gesicherten Beistand aufgekündigt. Eine epochale Zäsur, deren Folgen alle bisherigen Dimensionen sprengen. Und die aktuellen Wahlkampfversprechen noch hohler macht, als sie eh schon waren.

Der Bayerische Hof in München scheint ein vorbestimmter Ort zu sein, an dem die Welt vor aller Augen zerbricht. Und mit ihr die Hoffnung. Am 10. Februar 2007 hat Wladimir Putin dort bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine Rede gehalten. Sie hat das Ende einer Weltordnung eingeläutet. 18 Jahre ist das her. Seither ist die Welt zerbrochen, die wir kannten und in der es sich gut und friedfertig leben ließ. Der russische Präsident, auf dem nach Boris Jelzin neue Hoffnungen der Annäherung im Geiste Gorbatschows ruhten, hatte frei von diplomatischem Zierrat gesprochen.

Bis hierher und nicht weiter, hatte er dem Westen zugerufen, der den Kalten Krieg wiederum genau 18 Jahre zuvor gewonnen hatte und diesen Sieg mit einer Ausdehnung nach Osten auslebte. Es reicht jetzt, hatte Putin gesagt. Danach sind alle ans Buffet. Niemand ging darauf ein, alle zur Tagesordnung über. Wird er schon nicht so meinen. Aber Putin hat jedes Wort ernst gemeint und vom nächsten Tag an Ernst gemacht. Wie die Welt inzwischen weiß und vor allem die Ukraine blutig und leidvoll erfährt.

Am 14. Februar 2025 ist die Welt im Bayerischen Hof zu München 18 Jahre später fast auf den Tag genau ein zweites Mal zerbrochen. Der US-amerikanische Vizepräsident J. D. Vance verkündete in seiner Rede bei der MSC das Ende des Protektorats Europas durch die USA. Ihr müsst jetzt für euch selbst sorgen, sorry. None of our business anymore. Nicht mehr unsere Sache. Und Demokratie könnt ihr auch nicht, behauptete ausgerechnet der Stellvertreter des Mannes, der nach einer Wahlniederlage den Pöbel auf das amerikanische Parlament hetzte.

Diesmal ging niemand zur Tagesordnung über. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius wies die Vorwürfe, die mit dem Ende der Elternschaft der USA gegenüber Europa einhergingen, in einer denkwürdigen Einlassung zurück. Der französische Präsident lud geistesgegenwärtig zu einem Gipfel der wichtigsten Staaten der EU inklusive Großbritanniens nach Paris. (Es wird perspektivisch um nukleare Teilhabe gehen müssen.) Und anderntags stellte der deutsche Bundeskanzler mit sichtlich schwindenden Kräften fest, so wie Vance das gemacht habe, gehe das nicht. Fand, nebenbei bemerkt, seinerzeit vor 18 Jahren Putin auch. Ein einseitiges Handeln, sagte er mit Blick auf die USA, habe noch nie Probleme gelöst.

Die zynische Folge der Entwicklungen der vergangenen fast 20 Jahre und vor allem der vergangenen Monate und Wochen: Die USA und Russland machen wieder gemeinsame Sache. Aber über die Köpfe und die Interessen Europas und der geschundenen Ukraine hinweg. Auf der einen Seite: ein russischer Despot, der sich mit allen Mitteln, auch mit Krieg, ein Reich wieder zusammenbauen will, das unwiederbringlich untergegangen ist. Auf der anderen Seite: ein Business-Mogul in der Rolle des amerikanischen Präsidenten, der auch glaubt, ein früheres Amerika wieder aufleben lassen zu können und entschlossen ist, die ganze Welt als eine einzige Immobilien- und Rohstoffbörse misszuverstehen.

Nichts als Hilflosigkeit und Verzweiflung

Die Einlassung von Olaf Scholz („Das gehört sich nicht!“) greift in ihrer moralisierenden Hilflosigkeit viel zu kurz. Tut so, als sei das lediglich eine Verfehlung von Tischmanieren gewesen. Eine Ungezogenheit. Es ist viel, viel mehr. Und dieses Mehr muss realpolitisch und nicht moralisierend begriffen werden. Die Erkenntnis lautet: Hinter diese Ansage wird keine amerikanische Regierung je wieder zurückgehen. Diese Disruption werden sich auch die Demokraten zunutze machen, wenn sie dereinst wieder einen Präsidenten stellen. Donald Trump hat nur das brutal vollstreckt, was auch bei Barack Obama schon zu sehen war: eine Abkehr von Europa. Daher keine Illusionen bitte: Da kommt nichts mehr zurück.

Die neue Weltordnung wird in ihren Strukturen ohne das Bruchstück Europa gebaut – wenn die Europäer jetzt nicht sofort handeln. Das ist mehr eine Frage des Willens als der realen Möglichkeiten. Die EU ist ein ungeheuer potenter Wirtschaftsraum. Deutschland immer noch die drittgrößte Volkswirtschaft weltweit.

Nur: Mit dem einlullenden Gesäusel kann es keinen Tag mehr weitergehen. Es werde sich schon nichts ändern, sedierte der deutsche Bundeskanzler wahrheitswidrig seine Bevölkerung, als ihm das Bundesverfassungsgericht seine Schattenhaushalte der Zeitenwende aus der Hand geschlagen hatte. Das war schon unverfroren, und die Folgen des Urteils in Wahrheit immens. Und doch ein Klacks gegen das, was jetzt kommt. You will never walk alone? Oh doch!

„Mehr für dich“?

„Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fordern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abverlangen müssen.“ Mit diesem Satz wie einem Gong begründete der letzte mutige Kanzler dieses Landes seine Agenda 2010. Der nächste Kanzler muss von Tag eins seiner Amtszeit an diesen Geist und diesen Worten anknüpfen. Der Einzige, der sich das bisher getraut hat, ist Boris Pistorius. Der beste deutsche Verteidigungsminister seit Volker Rühe sagte: „Wir müssen kriegstüchtig werden.“ Ich hatte ihn damals dafür kritisiert, weil ich das Wort „verteidigungsfähig“ für ausreichend erachtet hatte. Aber er hat recht. Man muss dieses wohlstandsverwöhnte Land wachrütteln. Sagen, was Sache ist. Dazu gehört, dass zum Beispiel ganz schnell über eine erkleckliche Verteidigungsausgabe gesprochen werden muss. Und über eine echte Wehrpflicht. Nicht diese ungewollt komische Wehrfreiwilligkeit, weil es bisher für mehr nicht gereicht hat. Die Schuldenbremse muss natürlich gelöst werden. Der Sozialstaat nach natürlich vorhandenen Einsparpotenzialen durchforstet und die Blähbürokratie zusammengestutzt werden.

Und der Wahlkampf? Bleibt ein Zug aus Kamellenwagen

Und was passiert stattdessen in diesem Wahlkampf? Wohltaten, wohin man schaut. Steuersenkungen bei der Union, „MEHR FÜR DICH“ verspricht die SPD in Versalien über einer Nahaufnahme von Olaf Scholz. Das ist nicht von dieser Welt. „Mehr von Dir!“ wäre die ehrliche und zeitgemäße Zeile.

Der nächste Kanzler muss seine Antrittsrede im Stile von Churchill und Schröder halten. Bis vor Kurzem hätte ich gesagt: Eine Schweiß-und-Tränen-Rede. Spätestens nach München sage ich ausdrücklich: Blut gehört jetzt auch dazu.

QUELLEN: Eigene Überlegungen, eigenes Erleben (2007 Putin in München)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die „Süddeutsche Zeitung“, den „Spiegel“ und das Politmagazin „Cicero“, dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war. Bei t-online schreibt er jeden Donnerstag seine Kolumne „Einspruch!“

Siehe dazu:

·       Rede Wladimir Putins auf der 43. Münchner Sicherheitskonferenz 2007 (Wikipedia)

Die Rede von Wladimir Putins folgte auf die Eröffnungsrede am 10. Februar 2007. Sie war eine scharfe Kritik an der westlichen Dominanz in der internationalen Politik und eine Forderung nach einem multipolaren Weltordnungssystem. Putin kritisierte die USA für deren unilaterale Außenpolitik, die er als destabilisierend für die internationale Sicherheit bezeichnete. Er argumentierte, dass die NATO-Erweiterung die Sicherheitslage in Europa verschlechtere und Russland bedrohe, und er warnte vor einem neuen Wettrüsten durch die Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Europa. Putin verurteilte auch die Ausweitung westlicher Einflussbereiche und stellte die Legitimität von Militäreinsätzen ohne UN-Mandat infrage. Er betonte, dass Russland bereit sei, eine größere Rolle in der internationalen Politik zu spielen, jedoch auf der Grundlage von Partnerschaft und Respekt vor seiner Souveränität.

·       43. Münchner Sicherheitskonferenz (Wikipedia)

·       NATO-Gipfel in Bukarest 2008

Während des Gipfels lieferten sich der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Polens Außenminister Radosław Sikorski einen Schlagabtausch und Deutschland und Frankreich wandten sich mit Unterstützung Großbritanniens gegen eine Mitgliedschaft für die Ukraine und Georgien. Bundeskanzlerin Angela Merkel legte kurz vor der Eröffnung der Plenarsitzung einen Kompromissvorschlag vor, dass die Ukraine und Georgien zwar keinen MAP erhalten würden, dafür sollte in die Gipfelerklärung ein Satz aufgenommen werden, dass beide Länder NATO-Mitglieder werden würden. Die entsprechende Passage in der Erklärung lautete: „Die NATO begrüßt die euro-atlantischen Bestrebungen der Ukraine und Georgiens, die dem Bündnis beitreten wollen. Wir kamen heute überein, dass diese Länder NATO-Mitglieder werden.“[3][6][7]

Am nächsten Tag traf Wladimir Putin in Bukarest zu einem Treffen des NATO-Russland-Rates ein. Damit nahm zum ersten Mal ein russischer Präsident an einem NATO-Gipfel teil.[6] In einer Rede vor den versammelten Regierungschefs bezeichnete er die Ukraine als „sehr komplizierten Staat“ der aus polnischem, tschechoslowakischem, rumänischem und insbesondere russischem Territorium zusammengefügt sei. Putin erkannte an, dass Russland kein Vetorecht in Sachen NATO-Mitgliedschaft habe, drohte zugleich jedoch, eine Mitgliedschaft der Ukraine könne die Existenz des [russischen] Staates infrage stellen.[8] In einem privaten Gespräch mit George W. Bush sagte er: „George, Sie müssen verstehen, dass die Ukraine noch nicht einmal ein Land ist. Ein Teil ihres Territoriums liegt in Osteuropa, und der größte Teil gehört zu uns.“[6] Putin erklärte zudem, das „Auftauchen eines mächtigen Militärblocks“ an seinen Grenzen sei „eine direkte Bedrohung“ für seine Sicherheit. Die Behauptung, dieser Prozess richte sich nicht gegen Russland, reiche nicht aus. Alexander Torschin, stellvertretender Vorsitzender des Föderationsrats, erklärte hingegen [Das Wort „hingegen“ im Wikipedia-Text ergibt keinen Sinn, da Torschin die russische Position zumindest teilweise bekräftigt], die NATO habe eine vernünftige Entscheidung getroffen, Georgien und der Ukraine keinen MAP [MAP = membership action plan = Aktionsplan für die Mitgliedschaft bei der NATO]zu gewähren. Die Duma, das Unterhaus des russischen Parlaments, verabschiedete kurz darauf eine Erklärung, in der mit der Aufhebung des Vertrags zwischen Russland und der Ukraine[gemeint ist der Freundschaftsvertrag] von 1997 gedroht wurde, in dem die territoriale Integrität der Ukraine bekräftigt wurde, falls die Ukraine einen MAP erhalten würde.[3][9]

·       NATO-Russland-Grundakte 27.5.1997 (Wikipedia)

·       Russisch-Ukrainischer Freundschaftsvertrag 31.5.1997 (Wikipedia)

Durch diesen zweiten Freundschaftsvertrag wurde ebenfalls ein Beitritt eines Vertragspartners in ein ‚gegen den Vertragspartner gerichtetes Bündnis‘ ausgeschlossen.

·       Russisch-ukrainischer Freundschaftsvertrag 19.11.1990

Durch den Vertrag wurde ein Beitritt eines Vertragspartners in ein ‚gegen den Vertragspartner gerichtetes Bündnis‘ ausgeschlossen. Zu dieser Zeit existierte die UdSSR noch. Sie wurde erst nach den Belowerschen Vereinbarungen vom 8.12.1991, verkündet am 21.12.1991, am 26.12.1991 durch Gorbatschow aufgelöst.

·       Unabhängigkeitseerklärung der SSR Ukraine 16.7.1990 / 24.8.1991

Im Artikel IX. dieser Unabhängigkeitserklärung heißt es in der Übertragung aus dem Russischen „wörtlich“ u.a.: Die Ukrainische SSR erklärt feierlich ihre Absicht, in Zukunft ein dauerhaft neutraler Staat zu werden, der sich nicht an Militärblöcken beteiligt und sich an die drei nichtnuklearen Grundsätze hält: keine Atomwaffen anzunehmen, herzustellen oder zu erwerben.
Siehe dazu die ERKLÄRUNG ÜBER DIE STAATLICHE SOUVERÄNITÄT DER UKRAINE (Vidomosti Verkhovnoi Rady Ukrayiny (VVR), 1990, N 31, S.429,
russische Version).

Diese Erklärung der Unabhängigkeit wurde am 24.8.1991 unter dem Eindruck des Staatsstreichs in der UdSSR als „Akte der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine“ durch Genehmigung des ukrainischen Parlaments „im Moment seiner Genehmigung“ in Gesetzeskraft gesetzt.

Mit der Erklärung vom 5.2.2025 von Selenskyj über eine angedachte Beendigung der Atomwaffenfreiheit der Ukraine wurde ein weiterer Punkt der ursprünglichen Unabhängigkeitserklärung der Ukraine in Diskussion gebracht. Zuvor war die Neutralitätserklärung durch eine Verfassungsänderung vom Februar 2019 bereits durch die Ukraine korrumpiert worden. Die Verfassungsänderung thematisierte den EU- und NATO-Beitritt als „strategische Orientierung“.

·       Verfassung der Ukraine – Versionen seit 1995 (Wikipedia)

Am 7. Februar 2019 verankerte das Parlament mit einer Mehrheit von 334 der 450 Abgeordneten in der Verfassung eine „strategische Orientierung der Ukraine zum vollständigen Beitritt zur EU und der NATO“.[5]

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 ist diese Bestimmung seit dem 10. März 2022 Gegenstand von Friedensverhandlungen. Russland fordert von der Ukraine zusätzlich zu einer Anerkennung der Krim und der „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk auch eine Aufgabe der strategischen Orientierung der Ukraine nach Westen.[6] Dazu hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 8. März 2022 Kompromissbereitschaft signalisiert.[7]

INTERVIEW – «Ein Kollaps der russischen Wirtschaft ist möglich»: Nach drei Jahren Krieg zeigen sich Risse an der Heimatfront – NZZ, Samstag, 22.2.2025

Ein Gespräch mit dem Ökonomen Andrei Jakowlew über wachsende Spannungen in Russland, die schwindende Finanzkraft des Kremls – und darüber, wie Putin reagiert.

Als Russland die Ukraine überfiel, rechneten Beobachter mit einem schnellen Zusammenbruch der russischen Wirtschaft. Bis jetzt ist sie jedoch erstaunlich stabil. Trotzdem sei ein Kollaps möglich, meint der Ökonom Andrei Jakowlew. Im Interview spricht er über Spannungen in Russland sowie die schwindende Finanzkraft des Kremls und erklärt, wie Präsident Putin reagiert.

Herr Jakowlew, am 24. Februar 2022 ist Russland in die Ukraine einmarschiert. Trotz drei Jahren Krieg hält sich die russische Wirtschaft erstaunlich stabil. Wird sie an einem gewissen Punkt zusammenbrechen?

Besonders zu Beginn des Krieges prognostizierten viele Beobachter wegen der internationalen Sanktionen einen schnellen Kollaps der Wirtschaft. Auch russische Experten, selbst in der Regierung, erwarteten schlimme Konsequenzen. Das ist nicht passiert, die russische Wirtschaft hat sich viel besser geschlagen. Dies vor allem, weil sich Länder wie China, Indien und die Türkei nicht an den Sanktionen beteiligten.

Könnte es noch zu einem Kollaps kommen?

Ja, ein Kollaps der russischen Wirtschaft ist möglich. Schon jetzt geht es ihr nicht gut. Sie mag gut aussehen, wenn man offizielle Zahlen zum Wirtschaftswachstum oder zu den Realeinkommen anschaut. Aber angesichts der hohen Leitzinsen, der wachsenden Inflation und des ansteigenden Haushaltsdefizits lässt sich nicht von Stabilität reden. Selbst das Wirtschaftswachstum ist sehr ungleich verteilt, weil es sich auf die Rüstungsbranche und verwandte Sektoren konzentriert.

Wann würde ein Zusammenbruch erfolgen?

Das hängt von den finanziellen Möglichkeiten des Staates ab. Ein Grund für die lange Zeit anhaltende Stabilität waren die hohen zusätzlichen Einnahmen durch den Erdölexport. Der Ölpreis ist im Jahr 2022 stark gestiegen, und das Embargo auf russische Öllieferungen nach Europa wurde erst im Dezember 2022 verhängt. Aber es hängt auch davon ab, wie gut die Regierung und die Zentralbank die Lage bewältigen. Dank den Reserven, die über zwei Jahrzehnte angehäuft wurden, konnte der Kreml lange Zeit nicht nur den Krieg finanzieren, sondern auch alle Sozialverpflichtungen bezahlen. Das ist seit Herbst 2024 vorbei.

Dem Kreml geht das Geld aus?

Er muss Prioritäten setzen. Zum ersten Mal während Wladimir Putins Herrschaft sinken im Jahr 2025 die Sozialausgaben. Gleichzeitig werden die Militärausgaben weiter erhöht. 2025 sind es im Haushalt 25 Prozent mehr, nach einem Plus von 70 Prozent im Jahr 2024. Die wahren Ausgaben sind noch höher. Die Finanzierung der Rüstung entwickelt sich zunehmend zu einem schwarzen Loch, das der Wirtschaftsblock der Regierung nicht kontrollieren kann.

Die Sanktionen gegen Russland waren die härtesten Strafen, die der Westen je gegen eine Volkswirtschaft dieser Grösse erlassen hat. Waren sie wirkungslos?

Die Sanktionen gegen den Export westlicher Technologien sind wichtig. Aber Europa und die USA haben die Fähigkeit Chinas unterschätzt, als Lieferant in die Bresche zu springen. Jedes russische Unternehmen befürchtete nach Kriegsbeginn Versorgungsprobleme bei Komponenten. Aber schon im Sommer 2022 hatte sich das Problem oftmals gelöst. Ausserdem lieferten viele westliche Firmen weiter, nur indirekt über Mittelsmänner wie in der Türkei. Erst sekundäre Sanktionen der USA, die 2024 gegen Firmen und Banken in der Türkei, China und Asien verhängt wurden, haben etwas Wirkung gezeigt. Sie haben den Import viel teurer gemacht.

In Ihrer Forschung argumentieren Sie, die russische Volkswirtschaft habe gut auf die Kriegsprobleme reagieren können, weil sie eine Marktwirtschaft sei.

Trotz der Rivalität zwischen den Magnaten und der obersten Verwaltung gab es nach der Jahrhundertwende eine kluge, marktorientierte Wirtschaftspolitik. Sie erlaubte das Entstehen Tausender kleiner und mittlerer Unternehmen in vielen Branchen und Landesteilen. Später haben die Magnaten ihre Macht an die «Silowiki» verloren, die Vertreter des Sicherheitsapparats rund um Putin. Aber die Firmen und ihr Wissen waren noch da. Verglichen mit dem Ende der Sowjetunion war die Wirtschaft viel stabiler und vor allem flexibler.

Sie sprechen von einer «speziellen psychologischen Einstellung» russischer Unternehmer.

Russische Firmen haben grosse Erfahrung im Umgang mit Krisen. Nicht nur durch die Finanzkrise von 2008 und die Covid-Pandemie, sondern auch durch die Krise nach der Annexion der Krim und der Militärintervention im Donbass im Jahr 2014. Sie waren besser vorbereitet, zum Beispiel, indem sie aus Vorsicht grössere Lagerbestände hielten, als westliche Firmen es tun würden. Das war weniger effizient, aber es gab ihnen nach Kriegsbeginn mehr Spielraum.

Nach Kriegsbeginn brauchte die Rüstungsindustrie mehr Arbeiter und erhöhte die Löhne. Zivile Betriebe zogen nach, um ihre Angestellten nicht zu verlieren. Geht es dem durchschnittlichen Russen heute besser als vor dem Krieg?

Die Durchschnittszahlen sind besser, auch inflationsbereinigt. Aber das ist wie die Durchschnittstemperatur der Patienten in einem Spital, nämlich nicht sehr aussagekräftig. Die Realeinkommen stiegen 2023 um 5,4 Prozent und um 7,3 Prozent im Jahr 2024. In manchen wirtschaftsschwachen Regionen, wo der Rüstungssektor stark vertreten ist, waren es 25 oder 30 Prozent. Und Familien, in denen die Männer bei der Armee sind, haben vier- oder fünfmal höhere Einkommen als vor dem Krieg. Aber ihre Nachbarn, die in Schulen, Krankenhäusern oder bei der Polizei arbeiten oder Rentner sind, bekamen nicht mehr Geld.

Wegen der Inflation haben sie sogar weniger Geld?

Im besten Fall sind die staatlichen Gehälter und Pensionen indexiert und werden an die offizielle Inflation des Vorjahres angepasst. Aber es gibt eine grosse Debatte darüber, wie akkurat diese Zahl ist. Offiziell betrug die Teuerung 2024 nur 9,5 Prozent. Aber wenn gewöhnliche Russen über die Teuerung sprechen, geht es um 20 oder 30 Prozent.

Seit 2014 ist es ein erklärtes Ziel des Kremls, Importe durch heimische Produktion zu ersetzen. Hat das nun funktioniert?

Nein. Zum Beispiel beschloss das Parlament im Herbst 2024 die Verlängerung des Betriebs von 140 000 Aufzügen in Apartmenthäusern. Eigentlich hätten diese Lifte wegen ihres Alters ausgemustert werden müssen. Aber russische Unternehmen können die Fahrstühle nicht liefern. Ich habe meinen Abschluss an der Moskauer Lomonossow-Universität gemacht. Kollegen erzählen mir, dass im Hauptgebäude, einem der Hochhäuser aus der Stalin-Ära, nur einer der acht Aufzüge funktioniert.

Konnten russische Firmen nicht vom Rückzug westlicher Firmen profitieren?

Doch, in einigen Nischen, zum Beispiel in der elektrotechnischen Industrie. Dort haben europäische Firmen nicht nur die Anlagen geliefert, sie wurden auch von westlichen Unternehmen installiert und gewartet. Das kriegen russische Firmen jetzt selbst hin. Aber das ist keine vollwertige Importsubstitution. Immer noch kann Russland viele Maschinen und Technologien nicht selbst herstellen. Es ist jetzt sehr abhängig von China.

Sie haben auch festgestellt, dass viele russische Firmen ihr Geld lieber investieren, als es auf der Bank zu lassen. Warum?

Eigentumsrechte sind in Russland traditionell unsicher. Vor dem Krieg haben die Unternehmen überschüssige Gewinne auf Offshore-Konten verlagert. Dort war das Geld sicher, und man machte sich nicht so leicht zum Ziel von illegalen Übernahmen, bei denen Konkurrenten und korrupte Beamte zusammenspannen. Unter anderem wegen der Sanktionen ist es jetzt viel schwieriger, das Geld ausser Landes zu bringen. Also wird es reinvestiert. Verstaatlichungen sind allerdings inzwischen ein grösseres Risiko als diese «corporate raiders».

Sind Verstaatlichungen ein neuer Trend?

Ja. Zuerst traf es nur ausländische Unternehmen, zum Beispiel die Brauerei Baltika, die dem Carlsberg-Konzern gehörte. Aber später wurden immer mehr Firmen russischer Eigentümer verstaatlicht. Putin versicherte zwar, dass es nicht darum gehe, die Privatisierungen der 1990er Jahre rückgängig zu machen. Aber später fügte er hinzu, dass Firmen verstaatlicht werden können, wenn ihre Eigentümer gegen die angeblichen Interessen oder die Sicherheit Russlands handeln. Anschliessend werden die Firmen in den allermeisten Fällen wieder privatisiert.

Wer erhält die Unternehmen?

Personen, die stark vom Kreml abhängen. So war es bei der Firma Rolf, einem der grössten Autohändler in Russland. Der Unternehmer Sergei Petrow hatte Rolf ab 1991 aufgebaut. Er ist recht prominent und unterstützte die Opposition in den 2000er Jahren und der ersten Hälfte der 2010er Jahre. Er war eine Bedrohung. Rolf wurde 2023 verstaatlicht und später an Umar Kremlew verkauft, einen Sportfunktionär und engen Freund des Chefs von Putins Sicherheitsgarde.

Der Kreml will also die Kontrolle. Was bedeutet das für das Potenzial der Wirtschaft?

Es sind schlechte Nachrichten. Zwischen 2012 und 2021 verzeichnete die Wirtschaft fast kein Wachstum. Aber es gab eben die privaten Unternehmen, die etwas von ihren Märkten verstanden und flexibel waren. Sie waren entscheidend für die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaft. Das steht jetzt auf dem Spiel. Ein Wechsel der bisherigen Eigentümer zu Personen, die dem Kreml gegenüber völlig loyal und von ihm abhängig sind, wird der Wirtschaft schaden.

Warum?

Es geht um Anreize: Unternehmer kämpfen für ihre Firmen. Wenn diese auf Leute übertragen werden, welche das Unternehmen nicht selbst gründeten und es für die Hälfte des Preises bekommen haben, werden sie es schlecht führen. Für Putin ist dies jedoch eine politisch rationale Entscheidung. Bei einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage wird die Präsenz von Unternehmen, die sich nicht mit dem Regime identifizieren, eine Bedrohung für ihn darstellen.

Wird eine schlechtere Wirtschaftslage die Russinnen und Russen veranlassen, Druck auf Putin auszuüben?

Die Möglichkeit besteht. Aber oft hat sich die Lage nicht gravierend verschlechtert. Ja, die Leute beschweren sich über höhere Preise. Aber immerhin sind die Pensionen an die Teuerung angepasst, wenn auch mit Verzögerung. Und es geht um mehr als den Lebensstandard: Die politische Situation hat sich stark verändert. Selbst gegenüber 2020, als in Chabarowsk viele Menschen gegen die Verhaftung eines oppositionellen Gouverneurs protestierten. Heute ist der Staat viel repressiver. Es gibt keine freien Medien, Verhaftungen sind an der Tagesordnung.

Proteste sind also unwahrscheinlich?

Wenn es Proteste gibt, werden sie wahrscheinlich viel stärker ausfallen, als wir es bisher kannten – und nicht friedlich sein. Dafür gibt es schon Beispiele, etwa das Pogrom am Flughafen von Machatschkala im November 2023, in einer Region mit sehr hoher Polizeipräsenz. Wir wissen, wie es Präsident Asad in Syrien ergangen ist. Seine Lage sah stabil aus, dann ist sie innerhalb von zwei Wochen kollabiert. So kann es Russland, so kann es Putin auch ergehen.

Andrei Jakowlew

Der Ökonom Andrei Jakowlew (59) forschte von 1993 bis 2023 an der Higher School of Economics (HSE) in Moskau, davon fast zwanzig Jahre als Vizerektor. Im März 2022 wanderte Jakowlew aus Russland aus. Zunächst war er am Davis Center für russische und eurasische Studien der Harvard-Universität tätig. Seit November 2024 ist Jakowlew Gastwissenschafter am Exzellenzcluster Contestations of the Liberal Script (Scripts) der Freien Universität Berlin.

WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN

Generalinspekteur Breuer in der Ukraine – Kiew dankt – Samstag, 22.2.2025

KIEW (dpa-AFX) – Kurz vor dem dritten Jahrestag des Beginns des russischen Krieges gegen die Ukraine hat der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, dem angegriffenen Land bei einem Besuch in Kiew Unterstützung zugesichert. „Die Ukraine kämpft, sie kämpft für unsere Freiheit“, sagte Breuer in einem vom ukrainischen Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj bei Telegram veröffentlichten Video. Die Generäle umarmten sich. Syrskyj dankte Deutschland für die militärische Unterstützung im Kampf gegen die russischen Angriffe.

Breuer sei über die Lage an der Front, in den Streitkräften und über den weiteren Bedarf an Waffen, Munition, Ausbildung sowie an militärischer und Spezialausrüstung informiert worden, teilte Syrskyj mit. Bei den Gesprächen sei es zudem um Fragen der Wartung und Reparatur deutscher Militärtechnik gegangen. Syrskyj wies nach eigenen Angaben auf die Notwendigkeit hin, diese Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Deutschland fortzusetzen.

Der Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine jährt sich an diesem Montag zum dritten Mal./mau/DP/zb

© 2025 dpa-AFX

Außenpolitiker fürchten weiteres „Afghanistan“ in der Ukraine – Samstag, 22.2.2025

Sara Nanni, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen und Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, erinnerte an die Verhandlungen mit den Taliban 2020: Damals habe Präsident Donald Trump zuerst „genau wie heute nur mit dem Aggressor verhandelt“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Im Jahr 2021 habe Präsident Joe Biden dann ohne Absprache die US-Truppen abgezogen. „Die Regierung in Kabul fiel, und wir als Verbündete standen bedröppelt da“, sagte Nanni. So etwas dürfe in der Ukraine nicht noch einmal passieren.

Jürgen Hardt (CDU), der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, warnte, man müsse damit rechnen, dass Trump „erratisch“ bleibe. „Wir müssen die Möglichkeit mit ins Kalkül nehmen, dass es Trump möglicherweise egal sein könnte, wie es mit der Ukraine und den europäischen Verbündeten weitergeht“, sagte Hardt der Zeitung.

Der Obmann der SPD im Auswärtigen Ausschuss, Nils Schmid, warnte, in der Ukraine könne „passieren, was in Afghanistan passiert ist“. Wenn die USA „mit Russland so leichtfertige Vereinbarungen trifft wie mit den Taliban während Trumps erster Amtszeit, können wir nicht dabei sein.“

Bei Union, SPD, Grünen und FDP hieß es deshalb, Europa dürfe der Forderung nicht nachgeben, auch ohne US-Unterstützung Friedenstruppen in die Ukraine zu schicken.

Der FDP-Abgeordnete Michael Link, zu Zeiten der Ampelkoalition Koordinator für transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, sagte der FAS, man könne nicht zu allem, was die USA vorlegt und fordert, „einfach nur ja und Amen sagen“. Man dürfe den USA keinen „Blankoscheck“ geben, sagte er der FAS.

Auch bei der EU in Brüssel herrscht Misstrauen gegenüber den USA. Gesprächspartner sagten der Zeitung, man müsse sich jetzt „darauf einstellen, dass die USA als neuer Schurkenstaat agieren“. Bisher habe man die Ukraine unterstützt, damit sie sich gegen Russland verteidigen könne. Jetzt aber müsse man sie so stark machen, dass sie einem Diktatfrieden widerstehen könne.

© 2025 dts Nachrichtenagentur

ZENTRALBANKEN

WIRTSCHAFTSMELDUNGEN IM ÜBERBLICK

WEITERE MELDUNGEN

ORF MELDUNGBÜNDEL WELT

Musk setzt US-Beamten Frist und droht mit Entlassung

USA wollen laut Trump Hilfsgelder zurück

Sudan: Milizen unterzeichnen Charta für Parallel-Regierung

Vor Nasrallah-Trauerfeier: Israel greift Ziele im Libanon an

Kiew meldet russischen Großangriff mit 267 Drohnen

Vatikan: Papst hatte ruhige Nacht in Klinik

Bericht: EU will Lieferkettenrichtlinie abschwächen

Euro-Gegner griffen EU-Vertretung in Sofia an

Terrorverdacht nach Angriff im Elsass: Ein Toter

U-Haft für Mann nach Angriff bei Berliner Mahnmal

Deutschland wählt: Wirtschaft hofft auf deutliche Impulse

USA

Bücherzensur in den USA: Donald Trump fürchtet sich vor Sommersprossen – NZZ, Freitag, 20.2.2025

Das amerikanische Verteidigungsministerium hat potenziell gefährliche Bücher aus seinen Schulbibliotheken entfernt. Darunter auch ein Bilderbuch der Oscarpreisträgerin Julianne Moore. Es handelt von einer Erstklässlerin, die ihre Sommersprossen lieben lernt.

Während der amerikanische Vizepräsident J. D. Vance den Verlust der Meinungsfreiheit in Europa anprangert, sperrt seine Administration für eine Woche den Zugang zu 160 Schulbibliotheken.

Diese Zeit benötigte das Verteidigungsministerium, um zu überprüfen, ob in den vom Pentagon betriebenen Schulen Kinderbücher stehen, die «potenziell mit der Gender-Ideologie oder diskriminierenden Themen der Gleichstellungsideologie in Verbindung stehen». So formulierte es das Verteidigungsministerium bereits am 10. Februar in einem Schreiben an die Eltern. Nun sind die Bibliotheken wieder offen – aber in den Regalen gibt es Lücken.

Julianne Moores verbotenes Buch

Dutzende Bücher seien zur weiteren Überprüfung oder endgültigen Verbannung entfernt worden, schreiben diverse amerikanische Medien. Zu diesen laut der Trump-Administration gefährlichen Werken gehört auch ein Bilderbuch über ein siebenjähriges Mädchen mit Sommersprossen, verfasst von Julianne Moore. Die Schauspielerin und Oscarpreisträgerin schreibt auf Instagram: «Ich hätte nie gedacht, so etwas in einem Land zu erleben, in dem die Rede- und Meinungsfreiheit ein Verfassungsrecht ist.»

Zensiert wurden die Bibliotheksbestände aller vom Pentagon betriebenen Schulen in sieben amerikanischen Gliedstaaten und elf Ländern. Betroffen sind rund 67 000 Kinder und Jugendliche aller Stufen, vom Kindergarten bis zur 12. Klasse (K-12).

«Das ist verrückt»

Moores Buch «Freckleface Strawberry», in der deutschen Übersetzung «Sommersprossenfeuerkopf», erzählt die autobiografisch angehauchte Geschichte eines rothaarigen Mädchens, das sich für seine vielen Sommersprossen schämt. Denn weil es anders aussieht als die meisten, wird es von manchen Klassenkameraden gehänselt. Schliesslich erkennt das Kind aber, dass Anderssein in Ordnung ist. Weil es doch genau ihre Verschiedenartigkeit ist, die die Menschen ausmacht.

Moore schreibt, es beschäftige sie besonders, dass es die Kinder von Militärangehörigen treffe, weil sie selbst die Tochter eines Veteranen sei und eine der Pentagon-Schulen besucht habe.

«Das ist beängstigend! Es tut mir so leid, dass das passiert!», schreibt die Schauspielerin Halle Berry unter Moores Post. «O wow, das ist verrückt», tippt die Schauspielerin Bella Thorne. Eine weitere Schauspielerin, Alexandra Billings, kommentiert süffisant: «Du scheinst etwas richtig zu machen, meine Freundin.» Und Michelle Pfeiffer äussert, was viele denken – jetzt sollte die Geschichte erst recht gelesen werden: «Wo bekommen wir dieses Buch?»

Bücherbann? Welcher Bücherbann?

Zu den Büchern, die aus den Pentagon-Schulbibliotheken verschwunden sind, gehören neben Moores Buch über Sommersprossen auch Kathleen Krulls «No Truth Without Ruth» über Ruth Bader Ginsburg, die zweite Frau am Obersten Gericht. Oder «Becoming Nicole» von Amy Ellis Nutt, die wahre Geschichte eines Transgender-Mädchens und seiner Familie.

Zu diesen potenziell gefährlichen und darum entfernten Werken haben nur noch ausgewiesene Experten Zugang. Sie entscheiden, welche Bücher zurück in die Regale dürfen – und welche ganz entfernt werden. PEN America schreibt dazu: «Die Streichung dieser Titel ist ein weiterer Indikator für die leichtfertige und selbstherrliche Herangehensweise der neuen Regierung an die K-12-Bildung.»

Kurz bevor die Bücher aus den Pentagon-Schulen entfernt wurden, hatte die Trump-Regierung verkündet, die in den vergangenen Jahren besonders in Florida immer wieder heftig kritisierten «Book-Banns», also Bücher-Verbannungen, habe es nie gegeben. Das sei bloss eine Verunglimpfungsstrategie der Biden-Regierung gegenüber den Republikanern gewesen.

Eines der Bücher, das auf vielen – laut Trump inexistenten – Verbotslisten steht, ist Margaret Atwoods «Der Report der Magd». Die Geschichte spielt in einer dystopischen Theokratie, bestehend aus einigen US-Gliedstaaten, in denen Bücher nicht nur aus dem Alltag verbannt wurden, sondern die breite Bevölkerung gar nicht mehr lesen und schreiben lernen darf. Damit will die herrschende Elite sich vor Rebellion schützen und ihre Macht sichern.

Mehr dazu:

«Manche Bücher sind gefährlicher als Bomben» – auch im demokratischen Westen nehmen Zensurversuche wieder zu

In den USA stieg die Anzahl beanstandeter Literatur im Jahr 2023 um 92 Prozent. Der Rest der Welt nimmt Notiz. Dabei können gerade Bücher etwas leisten, was die Gegenwart so dringend braucht.

Immer mehr Bücherverbote an amerikanischen Schulen: Nun platzt den Verlegern der Kragen

Grossverlage wie Penguin Random House klagen gegen den Gliedstaat Florida. Dort müssen Schulbehörden ein Werk aus der Bibliothek entfernen, wenn es von einer einzigen Person beanstandet wird. Die Verlage erachten das Gesetz als verfassungswidrig.

Manche fürchten jeden neuen Roman von Margaret Atwood – weil die Realität immer wieder ihre düsteren Zukunftsvisionen zu imitieren scheint

«The Handmaid’s Tale» hat sie weltweit berühmt gemacht – eine Schreckensvision, die sich Stück für Stück zu bewahrheiten scheint. Nun hat die Kanadierin ein neues Buch geschrieben. Porträt eines Orakels.

NAHER OSTEN – MENA WATCH (Mena-Watch auf Wikipedia)

TÜRKEI

KOMMENTAR – Make Türkiye great again: Erdogan verspürt geopolitischen Rückenwind – NZZ, Freitag, 21.2.2025

Die Umwälzungen in Syrien spielen der Türkei in die Hände. Das kam auch für Präsident Erdogan überraschend. Ankaras Zugewinn an geopolitischem Gewicht ist dennoch kein Zufall.

Was für eine Ironie! Seinen grössten aussenpolitischen Erfolg hat der türkische Präsident errungen, als er selbst nicht mehr daran glaubte. Recep Tayyip Erdogan hatte die Unterstützung der syrischen Rebellen zwar nie eingestellt. Doch waren die Weichen schon lange auf eine Wiederannäherung an Präsident Bashar al-Asad gestellt.

Die Normalisierung der Beziehungen mit dem Nachbarn im Süden wäre der letzte Meilenstein auf dem langen Weg einer Kurskorrektur gewesen. Erdogan hatte vor mehr als einem Jahrzehnt im sogenannten Arabischen Frühling aus ideologischen Gründen auf die Kräfte des politischen Islam gesetzt.

Als diese scheiterten, stand die Türkei in der Nachbarschaft weitgehend isoliert da. Der Ausweg führte über die Aussöhnung mit einstigen Erzfeinden. Als Letztes gelang das im vergangenen Herbst mit dem ägyptischen Machthaber Abdelfatah al-Sisi. Es fehlte nur noch der Diktator in Damaskus. Die Zustimmung zur Offensive der Rebellen gab Erdogan, um Asad an den Verhandlungstisch zu drängen – nicht, um ihn zu stürzen.

«Emotionale Geografie» und «neoosmanische Politik»

Doch dann kam alles anders. Mit dem Durchmarsch der Truppen des Rebellenführers Abu Muhammad al-Julani aka Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa Anfang Dezember ist in Syrien eingetreten, was sich Erdogan einst für die ganze Region erhofft hatte: die Machtübernahme durch islamistische Kräfte, hinter denen als natürliche Verbündete und Fürsprecherin die Türkei steht.

Das entspricht Erdogans langfristiger Vision für sein Land: Dank historischen Verbindungen, kultureller Nähe und realpolitischer Stärke soll die Türkei zu einem Machtpol werden, der weit in die Nachbarschaft ausstrahlt – wie einst zu osmanischer Zeit.

Diese Idee steckt hinter dem oft bemühten, aber meist missverstandenen Begriff der neoosmanischen Politik. Und das war auch gemeint, als Erdogan kürzlich sagte, die Türkei sei grösser als die Türkei. Sein Kommunikationschef hat für diese Einflusszone bereits vor einiger Zeit den eigentümlichen Begriff der «emotionalen Geografie» geschaffen.

Noch ist Syrien nicht gewonnen

Zu Recht weisen Beobachter darauf hin, dass in Syrien noch viele Fallstricke lauern, gerade auch für die Türkei. Jedes Wiederaufflackern der Gewalt würde neue Flüchtlingsströme an die türkische Grenze schicken, ein Horrorszenario für die Regierung in Ankara.

Auch ist offen, ob sich die Türkei mit ihren Forderungen zur Zukunft der syrischen Kurden wird durchsetzen können. Ankara strebt die Zerschlagung des Autonomiegebiets im Nordosten und die Auflösung der militärischen Verbände an, die es als Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans betrachtet. In Damaskus scheint man sich auch andere Lösungen vorstellen zu können, von den USA ganz zu schweigen.

Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie privilegiert die türkischen Beziehungen zu den neuen Machthabern in Damaskus auf lange Sicht bleiben. In ihrer Enklave in Idlib waren die isolierten Rebellen auf Ankara als Fenster zur Welt angewiesen. Als Herrscher über ganz Syrien haben sie viele Optionen.

Migration, Energie, Rüstung

Trotzdem ist Ankaras Einfluss im neuen Syrien unbestritten. Als der Geheimdienstchef Ibrahim Kalin nur wenige Tage nach Asads Sturz nach Damaskus kam, fuhr ihn Sharaa persönlich vom Flughafen ins Stadtzentrum. Das ist mehr als Symbolik.

Beim Wiederaufbau des kriegsversehrten Landes werden sich türkische Baufirmen einen grossen Teil vom Kuchen sichern. Auch schickt sich Ankara an, zu Syriens sicherheitspolitischem Partner der Wahl zu werden. Bereits gibt es Abkommen über die Etablierung weiterer türkischer Militärbasen oder die Ausbildung der syrischen Armee. All das stärkt das geopolitische Gewicht der Türkei.

Erdogan verspürt aber nicht nur wegen Syrien Rückenwind. In der Migrationsdebatte, die noch immer die innenpolitische Agenda vieler westlicher Staaten bestimmt, bleibt die Türkei ein Schlüsselstaat.

Erdogans Ambition, aus seinem Land einen Knotenpunkt für die europäische Energieversorgung zu machen, ist ebenfalls nicht aus der Luft gegriffen. Seit dem Ende des Transits russischen Erdgases durch die Ukraine verlaufen die wichtigsten Transportrouten quer durch Kleinasien, sowohl für Gas aus Russland als auch für die Alternativen aus Aserbaidschan und Zentralasien. Kürzlich hat Ankara erstmals einen Liefervertrag mit Turkmenistan abgeschlossen.

Und nicht zuletzt ist die boomende Rüstungsindustrie ein Ass im Ärmel der Türken. Um die eigene Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, wird Europa auf diese Kapazitäten nicht verzichten können. An der Dringlichkeit besteht nach den jüngsten Ankündigungen aus Washington kein Zweifel.

Bereits heute setzen ost- und südeuropäische Nato-Staaten bei Rüstungsvorhaben auch auf türkische Technik. In Italien hat der türkische Drohnenhersteller Baykar unlängst sogar das Traditionsunternehmen Piaggio übernommen. Griechenland hat dagegen zwar Protest eingelegt. Umstimmen wird man damit in Rom aber niemanden.

Machtverschiebung gegenüber Russland

Der Erfolg in Syrien hat Erdogan selbst überrascht. Ein Zufall ist der türkische Zugewinn an geopolitischem Gewicht aber nicht. Bei allen Selbstüberschätzungen und opportunistischen Kehrtwenden in seiner langen Regierungszeit hat der türkische Präsident das Fernziel seiner Aussenpolitik nie aus den Augen verloren: die Türkei zu einem eigenständigen Machtpol zu machen, der auf die Interessen Dritter möglichst wenig Rücksicht zu nehmen braucht.

Am deutlichsten verschoben hat sich das Kräfteverhältnis gegenüber Moskau. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland sind durch die Gleichzeitigkeit von Kooperation und Konflikten geprägt. Mittlerweile hält Ankara die meisten Trümpfe in der Hand. Die Türkei verweigert russischen Kriegsschiffen seit drei Jahren die Durchfahrt ins Schwarze Meer. Im Kaukasus sitzt Ankara als Verbündete des vor Kraft strotzenden Aserbaidschan am längeren Hebel.

Nun ist Russland auch für den Fortbestand seiner Militärbasen in Syrien und somit seine Grossmachtambitionen im Mittelmeerraum auf türkisches Wohlwollen angewiesen. Es liegt in der Natur des Verhältnisses zwischen Ankara und Moskau, dass sich dies auf alle Schauplätze auswirkt, wo die beiden Staaten als Konkurrenten auftreten. Dazu gehört neben Libyen auch der Sahel, aus dem sich Frankreich als Ordnungsmacht verabschiedet. Und natürlich die Ukraine. Im geopolitischen Ringen mit Moskau ist der Nato-Staat Türkei ein Trumpf des Westens.

An anderen Schauplätzen gilt das nicht. Im israelisch-palästinensischen Konflikt tritt Erdogan als Fürsprecher der muslimischen Empörung auf und schreckt auch vor plumper antiwestlicher Rhetorik nicht zurück. Auch in der syrischen Kurdenfrage oder im Dauerstreit mit Athen ist Erdogan eher Gegenspieler als Verbündeter des Westens.

Die «emotionale Geografie» der Türkei, die beanspruchte Einflusszone, schliesst auch Teile Griechenlands und natürlich Zypern ein. Die Gleichzeitigkeit von Partnerschaft und Konflikten gibt es auch im türkisch-europäischen Verhältnis.

Partner und Konkurrent

Für Europa bedeutet das zweierlei. Die Türkei ist ein selbstbewusster geopolitischer Akteur, der bei der Verfolgung seiner Ziele wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner Verbündeten nimmt. Sie ist aber auch ein unerlässlicher Partner – wenn man die Spielregeln und Grenzen der Zusammenarbeit versteht.

Erdogan ist ein Dealmaker, der in seinem transaktionalen Politikverständnis Donald Trump nicht unähnlich ist. Wo er sich Vorteile erhofft, ist der türkische Präsident zur Kooperation bereit. Das gilt etwa in der Wirtschaftspolitik oder bei Rüstungsvorhaben.

Andernfalls fordert Erdogan unverblümt Gegenleistungen ein. Besonders offensichtlich war das beim Erpressungsmanöver um den schwedischen Nato-Beitritt. Erst als Washington Entgegenkommen beim türkischen Beschaffungsprojekt für neue Kampfflugzeuge signalisierte, gab Erdogan sein Veto auf.

Allein aus Solidarität oder einem wie auch immer gearteten Zugehörigkeitsgefühl zum Westen handelt der türkische Präsident nicht, Nato-Mitgliedschaft hin, EU-Kandidatenstatus her. Von der Wertegemeinschaft ist sowieso nicht viel übrig. Obwohl – oder gerade weil – es aussenpolitisch gut läuft für Erdogan, hat er die Schraube gegenüber seinen politischen Gegnern in den vergangenen Wochen deutlich angezogen.

Erdogan wird für Europa ein ebenso wichtiger wie unbequemer Partner bleiben. Wenn er geopolitischen Rückenwind verspürt, gilt das erst recht.

DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN

ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN  

ÖVP, SPÖ und NEOS wollen gemeinsam regieren – APA, Samstag, 22.2.2025

ÖVP, SPÖ und NEOS wollen gemeinsam eine Regierung bilden. Das haben die Vorsitzenden der drei Parteien Bundespräsident Alexander Van der Bellen Samstagmittag mitgeteilt, wie das Staatsoberhaupt im Anschluss in einem Statement mitteilte. ÖVP-Obmann Christian Stocker zeigte sich „sehr zuversichtlich“, die Finalisierung des Regierungsprogramms zu schaffen. „Möglichst rasch“ stabile Verhältnisse zu erzielen, ist das Ziel von SPÖ-Chef Andreas Babler.

Van der Bellen betonte nach dem Treffen, er habe den Eindruck gewonnen: „Jetzt ist wirklich etwas weiter gegangen.“ Er sehe nicht nur Kompromissbereitschaft, sondern auch ein Fokussieren auf das gemeinsame Ziel, das Land weiter zu bringen. Das sei auch notwendig, weil es um viel gehe.

Es gehe nicht nur darum, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, sondern auch darum, „die Stimmung im Land zu sanieren, neue Zuversicht zu schaffen“, betonte Van der Bellen. Die kommenden Jahre würden schwierig, „machen wir uns nichts vor“, auch aufgrund der geopolitischen Situation. Europa müsse aktiv werden und Österreich werde seine Rolle dabei spielen, zudem sei auch in der inneren Sicherheit „ein entschlossenes Vorgehen“ notwendig, nahm Van der Bellen wohl etwa auf den Terroranschlag in Villach Bezug. Eine Entwicklung zum Besseren müsse man jetzt „zügig und nachhaltig angehen“. Er wünsche sich von einer neuen Regierung das Bemühen, Österreich wieder an die Spitze zu bringen.

Fragen von Journalisten waren nach den Stellungnahmen nicht erlaubt.

Ob er nun davon ausgehe, Kanzler zu werden, beantwortete Stocker beim Verlassen des Saales nicht. In seinem Statement versprühte er jedenfalls Zuversicht: Es habe sich in den Gesprächen gezeigt, dass eine gemeinsame Basis vorhanden sei, um Kompromisse auch zu neuen Lösungen für Österreich zu finden, erklärte der geschäftsführende ÖVP-Chef. Man werde daher alles daran setzen, „zeitnah“ diese Regierung zu bilden.

Seit FPÖ-Chef Herbert Kickl – mit dem Stocker über Blau-Schwarz verhandelt hatte – seinen Regierungsbildungsauftrag zurückgelegt habe, habe man „intensive Gespräche“ geführt, um auf Basis dessen, was man im Herbst bei den Dreier-Verhandlungen erarbeitet habe, eine gemeinsame Bundesregierung aufbauen zu können. Inhaltlich nannte Stocker den Sicherheitsbereich, das Leben leistbar zu machen, Bildung in den Vordergrund zu rücken und Reformen für einen schlankeren Staat zu setzen.

Babler betonte, dass man Staats- vor Parteiinteresse gestellt habe. Er stimme dem mahnenden Appell des Bundespräsidenten von vor einigen Tagen zu, dass mehr Kompromissbereitschaft notwendig sei, ein „Aufeinanderzugehen“ und Kommunikation „auf Augenhöhe“. „Hinter uns liegen sehr intensive Tage und Nächte“, man starte nun in einen „Finalisierungsprozess“. Er wisse, dass die Zeit nun schon lange sei. Sein Anspruch sei, dass die Menschen sich nicht um Politik zu sorgen hätten, sondern umgekehrt, dass die Politik dafür sorgen müsse, dass ihr Leben wieder leichter werde.

„Es ist keine leichte Situation“, meinte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, es sei ihr bewusst, dass „die letzten Tage, Wochen, Monate durchaus eine Geduldsprobe“ für die Bevölkerung gewesen seien. „Wir sind in der Zielgeraden, wir sind noch nicht ganz am Ziel“, sagte die NEOS-Chefin. „Es ist noch nicht alles gelöst, es sind noch Fragen offen“, erklärte sie, aber man sehe Wege, die „Blockaden“ aus dem ersten Versuch zu lösen.

Meinl-Reisinger betonte, dass seit Jänner vieles anders geworden seiFPÖ und ÖVP hätten es nicht geschafft, eine Regierung zu bilden, und auch die geopolitische Situation habe sich verändert, versuchte sie zu rechtfertigen, warum die NEOS die Verhandlungen zunächst platzen ließen und diese nun wieder aufgenommen haben.

Meinl-Reisinger absolvierte am Nachmittag dann noch einen spontanen – und bejubelten – Auftritt bei der Mitgliederversammlung der Wiener NEOS, für die sie eigentlich abgesagt hatte. Dort hielt sie ebenfalls fest: „Nein, wir sind nicht fertig. Es ist nicht alles in trockenen Tüchern.“ Es seien durchaus noch Fragen offen. Jedoch übte sie sich auch in Zuversicht: „Ich glaube, es ist möglich.“

„Wir sitzen heute und morgen intensiv, in rotierender Besetzung“, verriet sie. Morgen werde etwa die Bildung ein entscheidendes Thema sein. Man arbeite hart und gebe alles, hier viel rauszuholen. Sie skizzierte auch den weiteren Zeitplan: Voraussichtlich nächstes Wochenende werden, falls es zu einer Einigung kommt, die Parteigremien tagen. Geplant ist laut Meinl-Reisinger eine Mitgliederabstimmung am Sonntag (2. März).

Dass sich die drei Parteien nun offenbar zusammenfinden, ist tatsächlich einigermaßen überraschend.

Der erste Versuch war mit dem Ausstieg der NEOS am 3. Jänner krachend gescheitert, danach richtete man sich gegenseitig auch allerlei Unfreundlichkeiten aus. An sich hätten ÖVP und SPÖ auch zu zweit eine Mehrheit, die aber nur mit einem Mandat abgesichert wäre. Daher entschied man sich schließlich, die NEOS noch einmal als fixen Partner in eine Koalition zu bitten. „Schön, Sie wieder hier zu sehen in der Hofburg, danke für Ihr Interesse“, begrüßte Van der Bellen die Journalistinnen und Journalisten am Samstag, zieht sich die Regierungsbildung seit der Wahl Ende September doch schon historisch lange hin.

Auch wenn die Zeichen derzeit auf Dreierkoalition stehen, ist diese noch nicht in trockenen Tüchern. Eine Voraussetzung ist auch, dass sich bei einer NEOS-Mitgliederversammlung eine Mehrheit für den Koalitionspakt ausspricht. Das entsprechende Treffen dürfte Ende kommender Woche stattfinden. Dass nicht alle Spitzenvertreter der Partei von einer Koalition begeistert sind, zeigte sich am Samstag, als der Tiroler Landeschef Dominik Oberhofer diese in der „Kronen Zeitung“ ablehnte.

„Wir haben ein Angebot mit zwei Ministerien und ein Staatssekretariat, aber die Reformen vermisse ich. Die NEOS stehen für Reformen, nicht für Jobs“, meinte der Nationalratsabgeordnete.

Laut „Heute“ hatten im erweiterten Vorstand der NEOS vier Personen gegen die Koalitionsverhandlungen gestimmt. Der Wiener Parteiobmann Christoph Wiederkehr hielt in seiner Rede bei der NEOS-Landesmitgliederversammlung zu den Gesprächen im Bund fest, dass das Finden von gemeinsamen Lösungen und von Kompromissen nötig sei. Dies sei die Verantwortung der Zentrumsparteien. „Wir brauchen ein Aufeinanderzugehen und den Willen etwas zu bewegen.“

Mit Kritik reagierte die FPÖ auf die neuerlichen Dreierverhandlungen. Generalsekretär Michael Schnedlitz sprach erneut vom „größten Wählerbetrug der jüngeren Politikgeschichte“ und warf der ÖVP vor, die Verhandlungen mit SPÖ und NEOS bereits vor der Wahl begonnen zu haben, um den Kanzler weiter stellen zu können. Babler und Meinl-Reisinger seien „politische Steigbügelhalter“ und die Regierung werde niemals handlungsfähig sein. Auch einen notwendigen Aufbruch im Land und Hoffnung für die Menschen werde „diese Regierung der Wahlverlierer“ keinesfalls bewirken können, so Schnedlitz in einer Aussendung.

Ganz anders der Grüne Parteichef Werner Kogler. Er wünschte einer möglichen neuen Dreierkoalition einen guten Start. „Die Gefahr eines rechtsextremen FPÖ-Bundeskanzlers ist damit vorerst gebannt und eine proeuropäische Regierung in Sicht. Das ist eine gute Nachricht“, meinte Kogler und kündigte bei gleichzeitig geäußerter Kritik an den Budgetplänen erneut eine konstruktive Oppositionsrolle seiner Partei an.

Arriach: Explosion durch Akku-Beschädigung ausgelöst – ORF, Sonntag, 23.2.2025

Die Explosion eines Akkus am Freitagnachmittag in einem Wohnhaus in Arriach ist durch Beschädigung bzw. Manipulation ausgelöst worden. Ein 34-jähriger Mann sah, dass der Akku, den er ins Wohnzimmer gestellt hatte, zu rauchen begann und wollte ihn ins Freie bringen. Dabei kam es zur Explosion, der Mann wurde schwer verletzt.

Der 34-Jährige ist ein Bastler und hatte Tesla-Akkus im Internet bestellt, die er für seine Photovoltaikanlage umrüsten wollte. Die einzelnen Zellen sind in einer Platte zusammengefasst, etwa in der Größe von 30 mal 50 Zentimeter. Die Akkus waren aber defekt und blieben zwischenzeitlich im Wohnzimmer liegen, bis sie entsorgt werden sollten.

Am Freitagnachmittag begannen sie dann nach einem Knall zu rauchen. Der Mann hob sie hoch, um sie hinauszutragen, woraufhin es zur Explosion kam. Die Wucht der Detonation war derart stark, dass die Terrassentüre aus der Verankerung gerissen und in den Garten geschleudert wurde.

Nachbar hörte Explosion und Hilferufe

Durch die Explosion und die Hilferufe des schwer verletzten Mannes wurde sein Nachbar Markus Müller aufmerksam, der gleichzeitig Kommandant der örtlichen Feuerwehr ist. Er lief zum Wohnhaus und setzte umgehend die Rettungskette in Gang, begann auch mit den Löscharbeiten. Zwei weitere Nachbarn eilten hinzu, auch sie sind Feuerwehrmänner und kümmerten sich um den Verletzten. Der 34-Jährige hatte schwere Brandverletzungen erlitten und wurde nach der Erstversorgung mit dem Rettungshubschrauber ins Landeskrankenhaus Graz geflogen. Er sei stabil und liege auf der Intensivstation. Noch in der Nacht wurde er operiert, nicht zum letzten Mal, heißt es von den behandelnden Ärzten. Er hatte Verbrennungen dritten Grades erlitten.

Schwerverletzter rettete seine Schlangen

Die Freiwillige Feuerwehr Arriach war mit 20 Kräften im Einsatz. Kommandant Müller sagte, Flammen seien aus dem Haus geschlagen, die Terrassentür sei samt dem Türstock hinausgeschleudert worden. Der 34-Jährige habe auch Schlangen gehalten, die habe er selbst noch aus dem Terrarium gerettet und habe sie ihm in die Hand gedrückt, trotz seiner Verletzungen, so Müller. Die Akkus seien von der Feuerwehr in einem Wasserbad gekühlt worden. Ein Atemschutztrupp führte die Löscharbeiten im Inneren durch. Am Wohnhaus entstand erheblicher Sachschaden.

Explosionsursache Manipulation am Akku

Das Landeskriminalamt Kärnten hatte die Ursachenermittlung in Zusammenarbeit mit der BVS Kärnten und Kollegen der örtlich zuständigen Polizei Afritz übernommen. Als Ursache für die Explosion konnte eine mechanische Beschädigung bzw. Manipulation an dem Autoakku ermittelt werden. Wer diese mechanische Beschädigung/Manipulation verursacht hatte, wird noch kriminalpolizeilich ermittelt.

Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen wurden vom Landeskriminalamt Kärnten, Brand- und Explosionsursachermittlung, übernommen worden.

red, kaernten.ORF.at

ÖSTERREICHISCHES PARLAMENT

ORF-MELDUNGSBÜNDEL ÖSTERREICH

Schallenberg will nächster Regierung nicht angehören

NÖ: Hälfte der Gefängnisse überbelegt

Hauswirth nach Insolvenz weiter auf Investorensuche

Tourismusbetriebe schwer zu verkaufen

SOCIAL MEDIA

Social Media: Wie Onlineradikalisierung abläuft – Samstag, 22.2.2025

Wie kann es sein, dass sich innerhalb kurzer Zeit junge Personen in sozialen Netzwerken radikalisieren, und was kann dagegen getan werden? Diese Fragen stellen sich nach dem Terroranschlag in Villach vermehrt wieder. Ein Einfallstor in die Welt radikaler Onlineprediger sei die Suche nach Antworten zu oft auch harmlosen Themen, sagt Extremismusforscher Erik Hacker, der im ORF-Topos-Gespräch den Verlauf eines Radikalisierungsprozesses nachzeichnet.

Der 23-jährige Syrer, der am 15. Februar in Villach in Kärnten einen 14-jährigen Schüler tötete und fünf Personen mit einem Messer zum Teil schwer verletzte, soll Anhänger eines radikalislamischen Influencers gewesen sein und sich binnen weniger Wochen im Internet radikalisiert haben. Auch ein 14-Jähriger, der offenbar einen Anschlag auf den Wiener Westbahnhof geplant hatte, soll sich über Prediger auf TikTok radikalisiert haben.

Wie schnell Radikalisierungsprozesse verlaufen, sei unterschiedlich, so Extremismusforscher Hacker vom Wiener Forschungsinstitut Scenor, das zu Extremismus, Terrorismus, Radikalisierung und Verschwörungstheorien forscht. Die Dauer reiche von einigen Wochen bis hin zu Jahren. Grundsätzlich könne der Prozess aber in drei Phasen unterteilt werden.

Der erste Kontakt entstehe durch Inhalte von radikalen Influencern bzw. Predigern auf TikTok. Durch ihre Popularität und Reichweite dauert es nicht lange, bis der Algorithmus entsprechende Beiträge empfiehlt. Oft werden sie auch unter Jugendlichen geteilt, der Bekanntheitskreis dieser Influencer sei unter Schülerinnen und Schülern groß, so Hacker.

Direkter Frage-Antwort-Austausch

Ein weiterer Einstieg funktioniere über Fragen zum Islam, die oft sehr banal sein können: „Darf ich laut Islam eine Katze haben oder eine Shisha rauchen?“ Da islamistische Influencer zu islambezogenen Themen im deutschsprachigen Raum mittlerweile fast ein Monopol hätten, stoße man bei entsprechendem Interesse schnell auf ihre Inhalte, so Hacker.

Zudem sei über die Kommentarfunktion ein direkter Austausch mit den Predigern möglich, die auf junge Menschen authentisch, cool und witzig wirken können und die Jugendsprache verwenden. „Statt langen Lektüren, die Jugendliche etwa in der Moschee hören, bekommen sie auf TikTok innerhalb von Sekunden konkrete Antworten auf ihre Fragen.“ Im Laufe der Zeit könne sich so ein konservatives Weltbild entwickeln. Von Plänen zu Anschlägen sei man in dieser Phase aber noch sehr weit entfernt, sagt Hacker: „Ein Großteil von diesen Personen radikalisiert sich nicht.“

Verena Fabris, Leiterin der Beratungsstelle Extremismus, sieht hier die Notwendigkeit, mit anderen Inhalten auf Social Media präsent zu sein, um ein Gegengewicht zu extremistischen Inhalten anzubieten. Man dürfe das Feld nicht den Hetzern überlassen. „Das hat auch mit Medienkompetenz und Zivilcourage im Netz zu tun.“

Wechsel zu radikaleren Inhalten

Durch den Austausch mit den Predigern sowie den Algorithmus bekommen Userinnen und User extremistischere Inhalte von anonymen Aktivistinnen und Aktivisten vorgeschlagen. Diese fordern in einem nächsten Schritt zum Wechsel auf – oft private bzw. geschlossene – Profile auf anderen Plattformen wie Instagram und Telegram auf, so Hacker. Die Anonymität sei meistens auch ein Zeichen dafür, dass der Ton auf diesen Accounts anders ist und auch juristische Konsequenzen haben kann.

„Die Inhalte der TikTok-Influencer sind diesen Leuten oft zu gemäßigt. Durch den Wechsel der Plattformen rutscht man langsam und immer tiefer in radikalere Inhalte ab“, so der Extremismusforscher über die zweite Phase des Radikalisierungsprozesses. „Dabei geht es verstärkt um die Botschaft, der ‚Westen‘ unterdrücke Musliminnen und Muslime. Dieses Leitnarrativ wird seit Langem von Islamisten verwendet.“

Mobilisierung zu Gewalt

Um explizite Gewalt gehe es in etwa 20 Prozent der Kanäle. In diesen Gruppen setzt die dritte Phase des Radikalisierungsprozesses an, die Mobilisierung. „Was dort passiert, ist viel persönlicher und mit einer direkten Ansprache verbunden“, sagt der Experte. Die Personen haben bereits ein starkes Freund-Feind-Weltbild verinnerlicht, nun werden sie dazu aufgerufen, „etwas gegen die Unterdrückung zu tun“. Auch Anleitungen zu Attentaten werden in diesen Gruppen geteilt, zudem kann es zu realen Treffen mit Mitgliedern aus dem Netzwerk kommen.

Gewaltfantasien seien auch sehr von der Person abhängig, so Fabris von der Beratungsstelle Extremismus. Manche seien bereits gewaltaffin und sehen in der radikalen Gruppierung ein Ventil oder eine Rechtfertigung für die eigene Gewaltbereitschaft. Bei anderen wiederum steigere sich diese langsam, bis Gewalt letztlich als legitimes Mittel in Kombination mit dem Weltbild „Wir gegen die Anderen“ angesehen wird. Extremistische Akteure nutzen bewusst Wut, Angst oder Verunsicherung für diesen Zweck, was auch dem TikTok-Algorithmus entspricht, der starke Emotionen begünstigt.

Prävention: Mehrere Ebenen gefordert

Hier sieht Fabris die gesetzliche Ebene gefordert, Plattformen wie TikTok stärker in die Pflicht zu nehmen, Inhalte schneller und transparenter zu löschen. Zum anderen brauche es mehr Medienkompetenz für Jugendliche und Räume, wo sie sich über Inhalte austauschen können, die ihnen auf Social Media begegnen. Zudem müsse man die Onlinelebenswelten von Jugendlichen aktiv aufsuchen, wie es etwa digitale Jugendsozialarbeiter machen.

Die meisten Radikalisierungsprozesse laufen nicht ohne Hinweise ab, die vom Umfeld der Person bemerkt werden können. „Es ist wichtig, dass man hinschaut, mit den Betroffenen redet und sie ernst nimmt“, so Fabris. In solchen Fällen kann man sich auch an die Beratungsstelle Extremismus wenden. Ein Gegenüber, das mit der Person in Beziehung tritt, kann hier eine zentrale Rolle spielen und Zweifel an den radikalen Botschaften entstehen lassen.

Die Beratungsstelle Extremismus des bundesweiten Netzwerks „Offene Jugendarbeit“ ist eine österreichweite Anlaufstelle für Fragen zu allen Arten von Extremismus (u. a. islamistischer Extremismus, Rechtsextremismus, Staatsverweigerer, Verschwörungsideologien). Die Beratung ist vertraulich, anonym und kostenlos und kann unter der Telefonnummer 0800 2020 44 in Anspruch genommen werden.

Umfeld einbinden

Auch der Extremismusforscher sieht in der Einbindung der Gesellschaft eine zentrale Präventionsmaßnahme. Hier könne man etwa durch Bewusstseinsbildung, was Indikatoren von Radikalisierung sein können, ansetzen. „Es braucht sowohl eine gesamtgesellschaftliche Prävention als auch staatliche Eingriffe und die entsprechenden Befugnisse für Nachrichtendienste. Nur das eine oder das andere wird uns nicht helfen“, so Hacker. Denn viele Inhalte von Onlinepredigern seien weder illegal noch verstoßen sie gegen die Plattformrichtlinien. Borderline-Content nennt die Wissenschaft solche grenzwertigen, aber legalen Inhalte.

Fabris kennt auch Fälle aus der Beratungsstelle, bei denen Jugendliche radikale Inhalte für einige Zeit spannend finden, dann aber das Interesse verlieren. „Das sind Prozesse, die auch wieder umkehrbar sind und keine Spirale, aus der man nicht mehr rauskommt, wenn man einmal in dieser Welt drinnen ist.“

Lena Hager (Text), Zita Klimek (Bildredaktion), beide ORF Topos, Harald Lenzer (Lektorat), ORF.at

Links:

Beratungsstelle Extremismus
Forschungsinstitut Scenor

GESELLSCHAFT / GENDER

Lifestyle: Vielfalt und viel nackte Haut: Das war der Tuntenball – ORF, Sonntag, 23.2.2025 (Zahlreiche Bilder, Bilderstrecken)

Die Vielfalt feiern: Seit mehr als drei Jahrzehnten ist das der Leitsatz auf dem Grazer Tuntenball. Das Motto „Born naked“ war am Samstag im Grazer Congress Programm – hier finden Sie die Bilder zur Ballnacht.

Der 34. Tuntenball fand diesmal unter dem Motto „Born naked“ statt. Dabei feierten die über 2.000 Ballgäste wieder bunt die Vielfalt in der Gesellschaft – und bei diesem Motto war natürlich ganz viel nackte Haut zu sehen.

Auf dem roten Teppich des Tuntenballs wurde wieder jeder Gast als Star willkommen geheißen – in kreativen Outfits, bei denen absolut alles erlaubt ist, solange sich der Mensch darin wohlfühlt: Aufzufallen, seine modischen Grenzen auszutesten, ist dabei ausdrücklich erwünscht.

Kreativität in Sachen Outfit war heuer besonders gefragt, lautet das Motto doch „Born naked“. Letztendlich sind alle Menschen auf dieselbe Art und Weise geboren: Nackt und gleich an Würde und Recht, erklärte das Tuntenballteam im Vorfeld das heurige Motto.

Ein Abend für die queere Community

Jeder Mensch sei ein Kunstwerk, das durch die Freiheit der eigenen Entfaltung erst vollständig wird, fügt der Vorsitzende der RosaLila PantherInnen und Tuntenball-Organisator Joe Niedermayer hinzu: „Mit dem Motto ‚Born Naked‘ wollten wir aus gesellschaftlichen Normen ausbrechen, die wir tagtäglich vorgelebt bekommen. Es braucht Mut, sich als schwul, lesbisch, trans oder anders zu outen oder sich in Drag zu zeigen – und genau diesen Mut wollten wir mit diesem Motto nach außen tragen.“

Jeder Gast ein Star

Zahlreiche Acts – wie etwa der Cirque Rouge zur Eröffnung –, KünstlerInnen und DJs sorgten auf mehreren Bühnen für ein unvergessliches Erlebnis. Der Tuntenball ist aber nicht nur ein glamouröses Spektakel, sondern auch eine bedeutende Charity-Veranstaltung für die LGBTIQ-Community – die Organisatoren sprechen gar vom größten Charity-Event Europas.

„Der Tuntenball ist sehr wichtig, es strahlt immer nach außen, die Party und das Fest. Aber jeder Euro, der hereinkommt, wird gut verwendet für die Zukunft und für Beratung“, so „Kleinkunstprinzessin“ Grazia Patrizia, die wieder durch den Abend führte, „wir müssen sichtbar bleiben, um der Gesellschaft zu zeigen, wir sind da, wir kämpfen, und es wird uns immer geben“.

Eine umjubelte Zeitreise gab es um Mitternacht: Die italienische Spice-Girls-Coverband „Spice 4 Ever“ sorgte im Stefaniensaal für viel Stimmung.

Finanziert ganzjährige ehrenamtliche Arbeit

Am 17. Februar 1990 wurde der erste Tuntenball in der Grazer Uni Mensa gefeiert – mittlerweile ist das Charity-Event zum Kultball avanciert. Der komplette Reinerlös finanziert die ganzjährige ehrenamtliche Arbeit des Grazer LGBTIQ*-Vereins RosaLila Pantherinnen und ermöglicht zahlreiche Projekte.

So finden über das Vereinslokal „feel free“ in der Grazer Annenstraße regelmäßig kostenlose psychologische und Peer-Beratungen zu Coming-out, Rechtsinformation, schwul-lesbischer Szene und Familienleben statt, ebenso wie Gruppentreffen. Dazu passend ging der heurige Courage-Award an das Wiener Jugendzentrum „Q:WIR“.

„Der Tuntenball finanziert kostenlose psychosoziale Beratungen, Gruppenprojekte, Gesellschaftsarbeit und politische Arbeit. Das hat die letzten 30 Jahre über gut funktioniert. Die letzten 30 Jahre werden in die Geschichte eingehen als sehr kurze Zeit, in der für eine große Gruppe viel passiert ist! Vom Totalverbot zu absoluter Gleichstellung fast“, so Joe Niedermayer.

red, steiermark.ORF.at

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