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FAZIT DES TAGES
COMMENT – FAZIT:
- Israel-Hamas-Hisbollah-Krieg: nichts wesentlich Neues. Hamas sieht keine Fortschritte bei den Waffenstillstandsverhandlungen und sieht die Schuld dafür bei Israel. Ultraorthodoxe protestieren gegen die auch für sie oder ihre Sphne eingeführte Wehrpflicht.
- Ukraine-Krieg: Kommentator Mark Reicher erklärt im 40-min-Video, warum die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen wird.
- Frankreich-Wahl verlief wie erwartet: Rassemblement National führt vor Linksbündnis und der abgeschlagenen liberalen Partei Macrons. Entscheidend ist der zweite Wahlgang am 7. Juli. Da ist die Wiese für Le Pen keinesfalls bereits gemäht.
- EU-Wahl mit Folgen: Orban, Kickl und Babiš gründen rechtspopulistische Fraktion: wer wird hinzukommen?
- Literatur: Eirich Rainer Remarque – kein Pazifist?
- Weitere COMMENTS vorhanden
Märkte – Report
Israel, Ukraine
Meldungen
Themenreigen – Umwelt: Unwetter und Norovirus; Universitäten: Mensa zu, Treffpunkt zu; Gesellschaft: Istanbuls Pride Parade; Literatur: Ohne Meinung zu Hitler – Erich Rainer Remarque.
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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
HELLMEYER-Report (gekürzt)
- Entspannungssignale von der Inflationsfront
- RN bei erster Runde der Frankreich-Wahl vorn
- EUR: Inflationserwartungen so niedrig wie im September 2021
- Japan: Massive BIP-Revision
- Kein Hellmeyer Report am 2. Juli 2024!
Märkte: Entspannungssignale von der Inflationsfront
An den Finanzmärkten kam es Im Wochenvergleich weitestgehend zu der erwarteten
Seitwärtsbewegung. Neue Trendbewegungen waren und sind zunächst nicht auszumachen.
An der Inflationsfront kam es zu Entspannungssignalen. Das gilt sowohl für die USA als auch für
die Eurozone. In den USA sank der von der US-Notenbank beachtete PCE-Preisindex im aktuellen
Berichtsmonat Juni von zuvor 2,7% auf 2,6% im Jahresvergleich. Die Kernrate fiel von 2,8% auf
2,6% (Leitzins 5,375% – prohibitiv hoher Realzins im Kontext der letzten 15 Jahre!). Auch die
Inflationserwartungen, die seitens der Universität Michigan im Rahmen der Ermittlung des
Verbrauchervertrauens erfasst werden, sanken sowohl in der Einjahres- als auch
Fünfjahresperiode. Auswirkungen bezüglich erwarteter Zinspolitik der Federal Reserve blieben
zunächst aus.
In der Eurozone sanken die Verbraucherpreise im Jahresvergleich in Spanien,
Frankreich als auch Portugal. In Italien bewegen sie sich weiter auf sehr niedrigem Niveau (0,8%).
Das britische BIP, als auch der finale Wert des US-Verbrauchervertrauens nach Lesart der Uni
Michigan und der Einkaufsmanagerindex aus Chicago setzten positive Akzente. Dagegen
enttäuschten die deutschen Arbeitsmarktdaten als auch die NBS PMIs aus China.
Die CNN-Debatte Trump/Biden hatte auf die Finanzmärkte kaum Einflüsse. Sie mag aber sehr
wohl dazu führen, dass Biden ausgetauscht wird. Für die USA, die für sich eine Vormachtstellung
auf der Welt in Anspruch nehmen, ist die Situation abträglich. Das Glaubwürdigkeitsproblem, dass
die USA aus Sicht dritter Länder etabliert haben, nimmt zu. Der Machtstatus der USA erodiert
langsam, aber stetig. Die Folgen für die Märkte werden diesbezüglich langfristiger Natur sein.
An den Aktienmärkten ergab sich ein uneinheitliches Bild. Der Late-DAX stieg um 0,08%, der
EuroStoxx 50 verlor 0,15%. Der S&P 500 gab um 0,4% nach. Der US Tech 100 fiel um 0,55%. In
Fernost ergibt sich Stand 06:55 folgendes Bild: Nikkei (Japan) +0,03%, CSI 300 (China) -0,19%,
Hangseng (Hongkong) +0,01%, Sensex (Indien) +0,25% und der Kospi (Südkorea) +0,18%.
10-jährige Bundesanliehen rentieren mit 2,49% und 10-jährige US-Staatsanleihen mit 4,39%.
Der EUR gewann gegenüber dem USD an Boden. Die edlen Metalle sind kaum verändert.
Nachrichten in Kurzform:
• Berlin: Laut Chefin der Bundesagentur für Arbeit (Frau Nahles) hält die Schwäche
am deutschen Arbeitsmarkt an (Quote stieg von 5,9% auf 6,0%).
• Berlin: Neue deutsche Spionagesatelliten, die in der Umlaufbahn platziert wurden,
sind laut Medienberichten nicht einsatzfähig.
• Basel: Die BIZ (Zentralbank der Zentralbanken) warnte vor Marktturbulenzen wegen
hoher Staatsverschuldungen (Rekordniveaus).
• Washington: Trotz des CNN-Auftrittsdebakels will Präsident Biden an seiner
zweiten Präsidentschaftskandidatur festhalten.
• Teheran: Die Iran-UN-Mission warnte Israel vor einer umfassenden militärischen
Aggression im Libanon und drohte mit Krieg als Reaktion.
• Panama: Alle 28 wegen Geldwäsche Angeklagten im Zusammenhang mit den
„Panama Papers“ wurden unerwartet mangels Beweisen freigesprochen.
• Peking: Aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ verschärft die Regierung in China
die Kontrolle über die Metallgruppe Seltener Erden (Abbau, Verarbeitung, Handel).
Eurozone: Inflationserwartungen so niedrig wie im September 2021
Verbraucher der Eurozone haben laut einer Umfrage der EZB ihre
Inflationserwartungen verringert. Im Mittel erwarteten die Konsumenten per Mai, dass
die Teuerungsrate innerhalb eines Jahres bei 2,8% liegen würde. Das wäre das
niedrigste Niveau seit September 2021. In der April-Erhebung hatten Verbraucher auf
Zwölfmonatssicht eine Rate von 2,9% erwartet. Auf Drei-Jahres-Sicht rechneten sie im
Mai mit einer Inflation von 2,3% (April 2,4%).
Kommentar: Das Thema Verankerung der Inflationserwartungen stellt damit faktisch keinen
Hinderungsgrund für einen weiteren Zinssenkungsschritt der EZB dar. Nachdem EZB-
Ratsmitglied Kazimir sich für einen weiteren Zinsschritt im Jahr 2024 stark machte, ist die
Grundlage für zwei Schritte per 2024 bezüglich des hohen Realzinses (Inflation 2,6% versus
Leitzins aktuell bei 4,25%) gegeben. Es ist eine Frage des Willens oder Wollens.
Japan: Außerplanmäßige BIP Revision mit markanten negativen Vorzeichen
Unerwartet wurden BIP-Daten Japans außerplanmäßig zum Teil markant nach unten revidiert. Demnach sank das BIP Japans im 1. Quartal 2024 nicht wie bisher um 1,8% (annualisierte Darstellung), sondern um 2,9%. Auch das Vorquartal (4. Quartal 2023) wurde negativ angepasst. Dort ergab sich laut aktueller Berechnung ein Wachstum in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung (annualisiert) in Höhe von 0,1%. Zuvor wurde ein Wachstum in Höhe von 0,4% ausgewiesen. Das reale BIP für das 3. Quartal 2023 wurde auf einen annualisierten Rückgang von 4,0% gegenüber dem vorherigen Rückgang von 3,7% korrigiert.
Kommentar: Eine derartige außerplanmäßige Anpassung signifikanter Art ist selten. Sie wirft
Schatten auf das Geschäftsmodell, das im Gegensatz zu Europa weiter von direkten Importen russischer Energiemoleküle via Sachalin mit Zustimmung der USA (jetzt bis Juni 2025) als auch von einer faktischen Nullzinspolitik und einem Regime der negativen Realzinsen profitiert (Verbraucherpreise 2,8%, Leitzins 0,1%, real negativer Zins -2,7%).
Deutlich wird, dass die westlich forcierte Geopolitik grundsätzlich auf den so genannten Sektor des Westens mit Ausnahme der USA zunehmend belastend wirkt.
Frankreich: RN bei erster Runde der Frankreich-Wahl vorn
Rassemblement National (RN) hat die 1. Runde der Wahl gewonnen. Sie kam auf rund
34% der Stimmen. Der linke Zusammenschluss kommt auf den 2. Platz mit circa 29%.
Die Gruppierung von Präsident Macron liegt bei 21%
Entscheidend wird der 2. Wahlgang am kommenden Sonntag, da direkte Mandate in der ersten Runde nur mit absoluter Mehrheit in den Wahlkreisen gewonnen werden können. Dies sind regelmäßig nur wenige der zu vergebenden 577 Sitze im Parlament. In der 2. Runde reicht eine einfache Mehrheit. Ob RN die Spitzenposition behaupten kann, hängt vom Verhalten der anderen Parteien und den Wählern ab. Bei der vergangenen Wahl hatten die Parteienblöcke Allianzen geschmiedet, um den Sieg von Kandidaten des RN zu verhindern. Das Linksbündnis als auch von die Gruppierung Macrons kündigten an, diese Vorgehensweise zu wiederholen.
Kommentar: Frankreich verändert sich und es ergeben sich auch für Europa Konsequenzen.
Die obwaltenden Eliten sind bemüht, den veränderten Volkswillen sowohl bei den
Europawahlen als jetzt auch in Frankreich zu ignorieren und die auf Widerstand stoßenden
Politikansätze fortzuschreiben. Das mag auf kurze Sicht klappen, ob es langfristig Nutzen
stiften wird, darf diskutiert werden, denn damit wird das Konstrukt des parlamentarischen
Ausdrucks des Volkswillens in einer Demokratie beschädigt. So gewinnt man vielleicht eine
„Schlacht“, aber nicht den „Krieg“. Das bedeutet, dass Politik besser auf die Bedürfnisse der
Menschen eingehen sollte. Politik sollte nicht Merkmale einer Erziehungsanstalt im Sinne
eines Top-Down Ansatzes haben. Das wäre doch undemokratisch, oder?
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden Teil 1
Eurozone: Verbraucherpreise per Juni entspannt
Deutschland: Die Importpreise waren per Mai im Monatsvergleich unverändert (Prognose 0,2%, Vormonat 0,7%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 0,4% (Prognose -0,3%, Vormonat -1,7%). Hintergrund der abnehmenden Rückgänge sind auslaufende Basiseffekte.
Deutschland: Die Zahl der Arbeitslosen stieg in der saisonal bereinigten Fassung um 19.000 (Prognose 15.000). Die Arbeitslosenquote legte von 5,9% auf 6,0% zu. Es ist die höchste Quote seit Mai 2021. Seit dem Monat Mai 2022 legte die Arbeitslosenquote mittlerweile von 5,0% auf 6,0% zu, während die Quote der Eurozone am Allzeittief oszilliert. Auch hier zeigt sich der Abstieg Deutschlands innerhalb Europas.
UK: BIP per 1. Quartal stärker als erwartet
Das BIP legte im 1. Quartal 2024 gemäß finaler Berechnung um 0,7% (Prognose und vorläufiger Wert 0,6%) zu. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 0,3% (Prognose und vorläufiger Wert 0,2%).
USA: Entspannende Signale von der Inflationsfront
Der PCE Preisindex (Personal Consumption Expenditure) war per Mai im Monatsvergleich unverändert (Prognose 0,0%, Vormonat 0,3%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 2,6% (Prognose 2,6%) nach zuvor 2,7% (Kernrate 2,6% nach 2,8%).
Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart der Universität Michigan legte laut finaler
Berechnung von vorläufig 65,6 auf 68,2 Punkte zu (Prognose 65,8).
Die in diesem Index abgefragten Inflationserwartungen sanken auf Sicht eines Jahres von 3,3% auf 3,0% und in der 5-Jahressicht von 3,1% auf 3,0%
Die persönlichen Einkommen nahmen per Mai im Monatsvergleich um 0,5% (Prognose 0,4%) nach zuvor 0,3% zu. Die persönlichen Ausgaben stiegen per Mai im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,3%) nach zuvor 0,1% (revidiert von 0,2%).
Der Einkaufsmanagerindex aus Chicago schoss per Juni nach dem Einbruch im Vormonat von 41,4 auf 35,4 Punkte auf 47,4 Zähler in die Höhe (Prognose 40,0).
China: Composite Index (Gesamtwirtschaft) schwächer
Japan: Tankan-Indices zumeist wie erwartet und ohne Überraschungen
Die Veränderungen gegenüber dem Vorquartal sind überschaubar. Der Dienstleistungssektor bleibt der Wachstumstreiber. Das Verarbeitende Gewerbe gewinnt zart an positiver Dynamik.
PMIs des Verarbeitenden Gewerbes diverser Länder per Juni
Interessant ist die Divergenz des vom staatlichen NBS ermittelten PMI Chinas bei aktuell 49,5 und dem Pendant von Caixin (privater Anbieter) bei 51,8 Punkten. Bei einem Wachstum der Industrieproduktion in Höhe von 5,6% im Jahresvergleich erscheint der PMI von Caixin
realistischer.
Australien, Malaysia und Japan weisen relative Schwäche aus. Indien bleibt das „Paradepferd“, Vietnam setzt neben Taiwan positive Ausrufungszeichen.
Hier den Hellmeyer Report lesen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)
SENTIX
Höchster Wert im US-Bias seit Oktober 2021 – Ergebnisse des sentix Global Investor Survey (26-2024)
Die Anleger beenden die abgelaufene Woche mit Zuversicht für Aktien. Insbesondere US-Aktien, aber auch Euroland-Aktien, werden mittelfristig positiver gesehen. Das Sentiment hingegen ist weitestgehend neutral. Es lässt sich feststellen, dass die anstehenden Wahlen den Anlegern bislang wenig Sorgen bereiten. Die Währungsschiene liefert da ein anderes Bild. Für Chinas Aktienmarkt nehmen die Fragezeichen zu, während die Edelmetalle ein solides Setup liefern.
Weitere Ergebnisse
- USD/JPY: Erneutes Overconfidence-Signal
- Goldminen Aktien: Solides Setup
- sentix Anlegerpositionierung in Aktien und Renten
MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
06:34 | EUREX/DAX-Future im frühen Handel höher | 358 | Dow Jones News | |
06:34 | EUREX/Bund-Future im Frühhandel niedriger | 281 | Dow Jones News |
Aktien Frankfurt Ausblick: Höherer Auftakt nach Frankreich-Wahl erwartet – 8:28
FRANKFURT (dpa-AFX) – Nach der ersten Runde der Frankreich-Wahl dürfte der Dax die neue Börsenwoche mit deutlichen Gewinnen eröffnen. Der X-Dax als außerbörslicher Indikator für den Leitindex gewann am Montagmorgen 1,2 Prozent auf 18 448 Punkte. Auch der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 wird rund 1,2 Prozent im Plus erwartet.
In Frankreich kämpfen Rechtsnationale und bürgerliche Parteien nach der ersten Runde der Parlamentswahl um die Macht im Land. Marine Le Pens Rassemblement National (RN) hofft nach ihrem erwartungsgemäßen Erstrundensieg, die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu holen und so an die Regierung zu kommen. Ihr Vorsprung ist aber weniger deutlich ausgefallen als befürchtet.
Präsident Emmanuel Macron und das linke Lager werden versuchen, ihren Sieg mit einer gemeinsamen Front bei den Stichwahlen am 7. Juli zu verhindern. Sowohl aus dem Linksbündnis als auch von Macrons Partei hieß es, man werde in den Wahlkreisen, in denen man auf dem dritten Platz gelandet sei, zugunsten der Kandidaten zurücktreten, die in der Lage sind, das Rassemblement National zu schlagen.
WOCHENAUSBLICK: Dax im Bann der Politik – Frankreich-Wahl sorgt für Bewegung
FRANKFURT (dpa-AFX) – Mit der kommenden Woche beginnt für den Dax nicht nur eine neue Handelswoche, sondern auch das zweite Halbjahr. Der Blick richtet sich daher nicht allein auf die nächsten Handelstage, sondern auch auf die mittelfristige Perspektive. Das gilt um so mehr, als gleich mehrere Termine anstehen, deren Bedeutung weit über das Tagesgeschäft hinausreicht. An erster Stelle stehen die Wahlen in Frankreich am Wochenende.
Das Sprichwort, dass politische Börsen kurze Beine haben, könnte sich dieses Mal als unzutreffend erweisen. Denn die Veränderung der politischen Landschaft, auf die erste Hochrechnungen am Sonntag nach Schließung der Wahllokale hindeuten, hat weit über Frankreich hinausreichende Bedeutung. In der ersten Runde liegt das rechtsnationale Rassemblement National (RN) unter Marine Le Pen vorne. Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron landete auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire.
Metzler-Chefvolkswirt Edgar Walk beschrieb die Lage noch vor den Wahlen mit Blick auf den RN sowie dem starken Linksbündnis wie folgt: „Beide Lager wollen Reformen zurückdrehen und mehr soziale Wohltaten verteilen, was das aktuelle Defizit von etwa 5,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf besorgniserregende 9,0 Prozent erhöhen könnte.“
Das würde nicht ohne Echo an den Finanzmärkten bleiben. Die Schwäche der französischen Börse und die Entwicklung am Anleihemarkt haben bereits einen Vorgeschmack geliefert. „Der Spread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen hat sich ausgeweitet, was das wachsende Misstrauen der Investoren widerspiegelt“, so Walk. „Diese sind – mit mehr als 50 Prozent gehaltener französischer Staatsanleihen – überwiegend ausländische Gläubiger, die bei schlechter Nachrichtenlage die Anleihen schneller abstoßen als inländische Gläubiger.“ Marktverwerfungen wären daher möglich.
Walk setzt zwar darauf, dass Ausgaben-Exzesse durch das Veto-Recht des französischen Präsidenten verhindert werden. Allzu viel gewonnen ist damit jedoch nicht. „Eine befürchtete Ausweitung des Defizits dürfte somit von den Wahlsiegern nicht umgesetzt werden können – aber ebenso wenig wäre es möglich, notwendige Sparmaßnahmen umzusetzen“, warnt der Volkswirt.
Doch nicht nur die Wahlen im Nachbarland sind für Turbulenzen gut. Auch die US-Präsidentschaftswahlen werfen ihre Schatten voraus. Das gilt um so mehr, als nach dem jüngsten TV-Duell die Frage nicht mehr nur ‚Biden oder Trump‘ lautet. Denn nach dem Auftritt des amtierenden US-Präsidenten, der Fragen nach seinem gesundheitlichen Zustand kräftig angeheizt hat, halten Experten einen kurzfristigen Kandidatenwechsel bei den Demokraten für nicht mehr ausgeschlossen. Hiermit aber würde in den US-Wahlkampf zusätzliche Unsicherheit geraten und damit etwas, was den Börsen normalerweise nicht gut bekommt.
Anleger könnten die Unwägbarkeiten zum Anlass nehmen, bei den heiß gelaufenen US-Technologiewerten weiter Kasse zu machen. Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets wertet die Entwicklung beim US-Halbleiterhersteller Micron als Warnsignal. „Weiter dynamisch steigende Umsätze und Gewinne und laut Unternehmen ausverkaufte Speicherchips reichten den Investoren nicht, sie verkauften die Aktie“, so Molnar. „Wenn gute Nachrichten an der Börse nicht mehr ankommen, ist der Markt überkauft.“
Damit stehen die Vorzeichen für den Dax alles andere als gut. „Nach neun Prozent Plus im ersten Halbjahr und einer bislang nur leichten Korrektur könnte es für den Markt schwer werden, sich dem Sommerloch zu entziehen“, prognostizierte Molnar. „Erst recht, wenn auch an der Wall Street die Zeichen zur Abwechslung mal auf Verkauf stehen.“
Hinzu kommen Warnsignale der heimischen Wirtschaft. Die Volkswirte der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) werten den jüngsten Ifo-Geschäftsklimaindex keineswegs als einmaligen Ausrutscher, sondern als schlechtes Omen. „Schon im Mai war das Geschäftsklima marginal abgerutscht. Hinzu kommt, dass die Lagekomponente auf der Stelle tritt, und sich die Erwartungen erneut eingetrübt haben“, heißt es in einer aktuellen Einschätzung. Das dürfte sich auch in den kommenden Monaten bemerkbar machen. „Vermutlich ist die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal nahe der Stagnation und auch für das dritte Quartal fehlt ebenfalls die Fantasie für bessere Zeiten“, so die LBBW.
Im Chartbild hat all das Spuren hinterlassen. „Mit seinem doppelten Verkaufssignal ist der Dax jetzt erst ganz neu in eine Konsolidierungsphase und Konsolidierungsrange eingetreten“, stellte der technische Analyst Marcel Mussler fest. Anleger sollten sich daher bestenfalls auf ein richtungsloses Schwanken einstellen, wobei Mussler eine Handelsspanne zwischen 17 626 und 18 567 Punkten nennt. Entscheidend für die weitere Entwicklung seien dann Ausbrüche über oder unter eine dieser Marken, wobei der technische Analyst einen Anstieg nach oben für recht unwahrscheinlich hält.
Für Akzente in der kommenden Woche könnten zudem Inflationsdaten zu Wochenbeginn sorgen. „Grundsätzlich bleibt der Inflationstrend in Deutschland wie im Euroraum insgesamt abwärtsgerichtet, was der EZB im weiteren Jahresverlauf weiteren Leitzinssenkungsspielraum geben sollte“, merkte Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck, dazu an.
Auch aus den USA gibt es einige wichtige Impulsgeber. So stehen die ISM-Einkaufsmanagerindizes für Juni und das Protokoll der jüngsten Notenbanksitzung auf dem Programm. Sie dürften auf Hinweise für die künftige US-Geldpolitik abgeklopft werden, ebenso wie der wichtigste Hinweisgeber am Ende der Woche, der Arbeitsmarktbericht für Juni. Sollte er die erhoffte Abkühlung bringen, könnten Zinssenkungshoffnungen neu angefacht werden – und damit die eher trüben Aussichten für die Börsen wieder aufhellen./mf/tih/mis/nas
— Von Michael Fuchs, dpa-AFX —
FINANZVERANLAGUNG
Höhere Erträge: Wie Superreiche ihr Geld anlegen
Sparbücher fassen Vermögensverwalter für Superreiche nur mit spitzen Fingern an. Sie setzen lieber auf Firmenbeteiligungen, die von Künstlicher Intelligenz profitieren
Wie veranlagen wirklich reiche Menschen ihr Kapital? Investieren sie es tatsächlich klüger hinsichtlich der zu erwartenden Erträge als die breite Bevölkerung ihr Erspartes?
Bei Letzterer bildet nämlich das Sparbuch den Grundstock der Veranlagung, mehr als 300 Milliarden Euro werden auf diese Weise bei heimischen Banken gebunkert.
Allein, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) wegen der Inflation ihre Nullzinspolitik längst beendet hat, sind die Erträge dieser Sparformen auf lange Sicht eher bescheiden. Für reiche Personen jedenfalls zu bescheiden, bei ihnen spielen mit dem Sparbuch vergleichbare Anlagen nur eine untergeordnete Rolle.
Das zeigt eine Studie der Schweizer Großbank UBS, die 320 sogenannte Family Offices der Reichen bei der Veranlagung über die Schulter geschaut hat. Jedes davon verwaltet im Mittel ein Vermögen von 2,6 Milliarden Dollar für sehr reiche Familien. Wie reagieren sie auf die Zinsanstiege in den westlichen Industriestaaten, und welche Ängste plagen die Vermögensverwalter der Superreichen?
Größte Sorgen
Es zeigt sich, dass auf kurze Sicht die derzeitigen Kriege im Vordergrund stehen. Aber auch die Angst vor einer Staatsschuldenkrise treibt sie um, ebenso die Auswirkungen des Klimawandels.
„Die größte Sorge mit Blick auf die kommenden zwölf Monate ist die Eskalation eines geopolitischen Konflikts„, sagt der leitende UBS-Anlagestratege Maximilian Kunkel gegenüber dem Handelsblatt. Zudem gebe es Bedenken, wie sich der Klimawandel auf das Vermögen auswirke. „56 Prozent der europäischen Family Offices sehen dies als eines der Kernrisiken der nächsten fünf Jahre“, ergänzt Kunkel.
Wie reagieren die Vermögensmanager der Reichen darauf? Ein starker Trend ist die Umschichtung in Anleihen der Industriestaaten, seit die EZB und andere Notenbanken das Zinsniveau deutlich angehoben haben. Mit durchschnittlich 19 Prozent legen die Reichen fast ein Fünftel ihres Vermögens in Staats- und Unternehmensanleihen mit guter Bonität an.
Nur fünf Jahre
Dabei hat der überwiegende Anteil der Papiere eine Restlaufzeit von maximal fünf Jahren. Warum nicht länger? „Family Offices sehen hier tendenziell das Risiko-Rendite-Verhältnis als nicht so attraktiv an wegen der größeren Schwankungsanfälligkeit, aber auch längerfristigen Bedenken hinsichtlich der steigenden Verschuldung vieler Industriestaaten“, erklärt Kunkel. Mit bloß zehn Prozent Anteil erfreuen sich auch wenig verzinste Barreserven nur geringer Beliebtheit.
Anders als Aktien, die mit durchschnittlich 28 Prozent am höchsten gewichtet sind. Danach folgt mit 22 Prozent Anteil eine andere Form von Unternehmensbeteiligungen, nämlich Private Equity. Fonds aus diesem Bereich veranlagen das Kapital von größeren Investoren wie Family Offices in mittelständische Unternehmen oder Konzernteile, um sie nach Jahren der betriebswirtschaftlichen Optimierung mit Gewinn weiterzuverkaufen oder an die Börse zu bringen.
Künstliche Intelligenz
Insgesamt wird also neben Anleihen und Cash die Hälfte des Vermögens in Unternehmen investiert. Dabei setzen sie vor allem auf die Bereiche künstliche Intelligenz, Gesundheit sowie Automatisierung und Robotik.
Abgerundet wird das Portfolio von zehn Prozent Immobilien und kleineren Positionen in Hedgefonds, private Kreditfonds, Gold, Kunst und Infrastruktur.
„Family Offices neigen dazu, sehr schlank aufgestellt zu sein“, wird in der UBS-Studie ein ehemaliger Manager zitiert. Zwei Drittel dieser Vermögensverwalter für reiche Familien kommen mit bis zu zehn Mitarbeitern aus. Die jährlichen Kosten belaufen sich dabei auf durchschnittlich etwa 0,4 Prozent des verwalteten Vermögens pro Jahr. (Alexander Hahn, 30.6.2024)
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ISRAEL
n-tv aktuell ISRAEL
Gerichtsurteil schürt Spannungen Tausende Ultraorthodoxe protestieren gegen Militärdienst
Wegen strengreligiöser Parteien in seiner Regierung muss Israels Premier Netanjahu lange Rücksicht auf die Privilegien ultraorthodoxer Juden nehmen. Ein Urteil des obersten Gerichts hebt deren Verschonung vom Wehrdienst auf. Dagegen formiert sich nun massiver Widerstand.
Video-Ansprache von Noa Argamani Aus Gaza befreite Geisel wendet sich gegen Hass
Nach 246 Tagen in der Gewalt der Hamas meldet sich die befreite Noa Argamani mit einer Video-Botschaft. Die 26-Jährige setzt sich für die Heimkehr der anderen israelischen Geiseln ein und zeigt sich dabei frei von Wut, Hass und Vorwürfen.
n-tv aktuell Nahost-Konflikt
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NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL
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WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN
Hamas: Es gibt keine Fortschritte bei den Waffenstillstandsgesprächen mit Israel
Das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium gibt an, dass seit Beginn der israelischen Militäroperation im Oktober fast 38.000 Palästinenser getötet wurden, unterscheidet bei seiner Zählung jedoch nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
Ein hochrangiger Hamas-Beamter hat erklärt, dass bei den Waffenstillstandsgesprächen mit Israel über die Beendigung des Krieges im Gazastreifen keine Fortschritte erzielt wurden.
Auf einer Pressekonferenz in der libanesischen Hauptstadt Beirut sagte Osama Hamdan, die Gruppe sei bereit, jedem Waffenstillstandsvorschlag, der zu einer Beendigung der Kämpfe führe, „positiv gegenüberzustehen“.
Die Bemühungen der arabischen Vermittler, die von den Vereinigten Staaten unterstützt werden, sind gescheitert, eine endgültige Einstellung der Feindseligkeiten zu erreichen, wobei sich die Hamas und Israel gegenseitig die Schuld für den mangelnden Fortschritt geben.
Die Hamas fordert, dass jede Vereinbarung den vollständigen Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen beinhalten muss, doch Israel hat nur grundsätzlich einer vorübergehenden Unterbrechung der Kämpfe zugestimmt, bis die Hamas vollständig ausgelöscht ist.
Hamdan gab auch Washington einen Teil der Schuld und beschuldigte die dortigen Beamten, die Gruppe unter Druck zu setzen, damit sie Israels Bedingungen akzeptiert.
„Noch einmal: Die Hamas ist bereit, auf jeden Vorschlag einzugehen, der einen dauerhaften Waffenstillstand, einen umfassenden Rückzug aus dem Gazastreifen und ein ernsthaftes Tauschgeschäft sicherstellt“, sagte er.
COMMENT: Ein dauerhafter Waffenstillstand, auch ein zeitlich befristeter Waffenstillstand, erlaubte der Hamas, sich militärisch und organisatorisch neu zu ordnen, um weitere Angriffe auf Israel effektiv auszuführen. Der 7. Oktober und alle folgenden Übergriffe auf Israel zeigen das wahre Gesicht der Terroristen, die Schulen und zivile Einrichtungen als Deckung ihrer Kräfte nutzen.
Weitere Evakuierungen
Unterdessen waren weitere Palästinenser im südlichen Gazastreifen gezwungen, erneut umzuziehen, um einer laufenden israelischen Operation in dem Gebiet zu entgehen, das Rafah und Khan Younis trennt.
Es handelte sich um die jüngste Evakuierung aus einer Region, die seit Anfang Mai von einem israelischen Angriff heimgesucht wird, der fast alle Palästinenser, die in Rafah Zuflucht gefunden hatten, zum Verlassen der Region zwang.
Am Wochenende packten die Palästinenser ihre Habseligkeiten in Lastwagen, die von Eseln gezogen wurden, und machten sich auf den Weg in Richtung des zentralen Gazastreifens.
Sie sagten, sie hätten ihre Unterkünfte über Nacht unter israelischem Beschuss verlassen und kehrten zurück, um ihre Habseligkeiten zu holen, bevor sie die Stadt verließen.
„Wir sind in der Nacht unter Kugeln und Schüssen hinausgegangen. Unsere Kinder wurden verstreut. Wir wissen nicht, wo sie sind. Wohin sollen wir gehen?“, fragte Imad Asfour, ein vertriebener Palästinenser aus dem Osten von Khan Younis.
Ghada Qudeh, eine weitere vertriebene Palästinenserin, die nach ihrer Flucht aus der südlichen Stadt Khan Younis in Rafah Zuflucht gesucht hat, berichtete, dass die israelischen Streitkräfte ein Haus, in dem sie und ihre Familie am Donnerstag Zuflucht gefunden hatten, mit Raketen beschossen haben.
„Wir wissen nicht, wohin wir gehen können“, sagte sie. „Seit gestern haben wir weder Essen noch Trinken gefunden. Wir wollen nur eine Lösung.“
Nach Angaben des israelischen Militärs wurden am Samstag bei Kämpfen im nördlichen Gazastreifen zwei seiner Soldaten getötet, womit sich die Zahl der Toten auf 318 erhöhte.
Mehr als acht Monate nach Beginn der Militäroperation verüben Militante weiterhin Angriffe auf israelische Streitkräfte und operieren in Gebieten, die die israelische Armee nach eigenen Angaben bereits vor Monaten unter ihre Kontrolle gebracht hat.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden im letzten 24-Stunden-Berichtszeitraum 40 Palästinenser getötet und 224 verwundet.
Die anfängliche israelische Operation in Rafah, von der Beamte in Washington betonten, sie sei „begrenzt“, hat nach Schätzungen der UNO rund 1,3 Millionen Palästinenser in die Flucht getrieben.
Israel sagt, es müsse dort operieren, um die verbleibenden Bataillone der Hamas zu besiegen.
Israel begann seine Militäroperation im Gazastreifen als Reaktion auf einen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober, bei dem rund 1 200 Menschen getötet und mehr als 250 Geiseln genommen wurden.
Das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium gibt an, dass seit Beginn der israelischen Militäroperation im Oktober fast 38.000 Palästinenser getötet wurden, unterscheidet bei seiner Zählung jedoch nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
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Israel: 18 Soldaten bei Drohnenangriff aus Libanon verletzt
TEL AVIV/BEIRUT (dpa-AFX) – Bei einem Drohnenangriff auf die nördlichen Golanhöhen sind nach Angaben der israelischen Armee 18 ihrer Soldaten verletzt worden. Einer der Soldaten sei mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, teilte das Militär am Sonntagabend mit. Die Luftwaffe habe in Reaktion auf den Angriff Stellungen der proiranischen Hisbollah-Miliz im Südlibanon attackiert, hieß es weiter. Dabei sei auch eine Abschussrampe bombardiert worden, von der ein Projektil auf den Norden Israels abgefeuert worden sei. Zusätzlich habe die eigene Artillerie in mehreren Gebieten im Südlibanon „Bedrohungen beseitigt“, hieß es. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben nicht.
Israel und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs vor rund neun Monaten Schusswechsel, deren Intensität zuletzt deutlich zugenommen hat. Die Miliz erklärte wiederholt, Israel müsse den Krieg in Gaza gegen die mit ihr verbündete islamistische Hamas beenden, bevor sie mit dem Beschuss Israels aufhöre. Es gibt Sorgen, dass sich ein möglicher offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA und der Iran gezogen werden könnten./ln/DP/zb
Wütende Proteste ultraorthodoxer Israelis gegen Wehrpflicht
JERUSALEM (dpa-AFX) – In Israel haben Tausende ultraorthodoxe Männer gegen die gerichtlich verfügte Verpflichtung zum Wehrdienst in der israelischen Armee protestiert. Laut örtlichen Medienberichten kam es gestern Abend in Jerusalem zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei. Mit berittenen Beamten und einem Wasserwerfer versuchten die Einsatzkräfte demnach die in schwarzen Anzügen gekleideten Demonstranten auseinanderzutreiben. Polizisten seien angegriffen und mit Steinen beworfen worden. Fünf Randalierer seien festgenommen worden.
Auslöser der Proteste war ein kürzlich ergangenes Urteil des höchsten Gerichts des Landes, wonach fortan auch ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst verpflichtet werden müssen. Das Urteil gilt als Rückschlag für die rechtsreligiöse Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
Jahrzehntelang galten Ausnahmen für ultraorthodoxe Männer bei der Wehrpflicht in Israel. Diese liefen aber vor drei Monaten aus. Netanjahus Regierung gelang es nicht, ein Gesetz zu verabschieden, das die Erleichterungen zementieren sollte. Daraufhin verfügte das höchste Gericht eine Streichung der staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter, die in Religionsschulen studieren.
Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara entschied Ende März zudem, dass das Militär verpflichtet sei, auch die bisher weitgehend vom Dienst befreiten Religionsstudenten einzuziehen. Nach Angaben des Gerichts handelt es sich um 63.000 Männer. Die Armee warnte zuletzt angesichts des Gaza-Kriegs eindringlich vor einem drastischen Mangel an Kampfsoldaten. Zudem empfinden es viele Israelis als ungerecht, dass ultraorthodoxe Juden vom Dienst an der Waffe und gefährlichen Kampfeinsätzen ausgenommen sind./ln/DP/zb
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n-tv aktuell UKRAINE
+++ 08:14 ISW: Russland würde Waffenstillstand nutzen, um sich neu zu formieren +++
Putins Äußerungen zeigen nach Einschätzung des ISW, dass er derzeit nichts anderes als die vollständige Kapitulation der Ukraine akzeptieren würde. Der russische Präsident werde jedes ausgehandelte Waffenstillstandsabkommen als einen Mechanismus betrachten, mit dem Russland in Zukunft neue Offensivoperationen vorbereiten kann. Ein ausgehandelter Waffenstillstand würde Russland eine Atempause im Krieg verschaffen, um seine Streitkräfte neu zu formieren und zu erweitern, schreiben die Analysten. Allerdings habe Putin noch gar kein Interesse an einem Waffenstillstand, da er offenbar davon ausgehe, seine Ziele mit Gewalt erreichen zu können. Westliche Militärhilfe zur Befreiung bedeutender Teile des besetzten Landes sei der einzig wahrscheinliche Weg, Putins Entschlossenheit, die ukrainische Staatlichkeit und Identität zu zerstören, zu verringern.
Putins angebotene Waffenruhe Ukraine-Soldaten wollen nicht „mit der Bestie spielen“
+++ 07:45 Baerbock empfängt lettische Amtskollegin +++
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock empfängt heute ihre lettische Amtskollegin Baiba Braze in Berlin. Bei dem Gespräch wird es nach Angaben des Auswärtigen Amtes um aktuelle europa- und außenpolitische Themen gehen. Zusammen mit Estland, Litauen und Polen fordert Lettland Finanzhilfen der Europäischen Union zum Ausbau der Grenzanlagen gegen Russland.
+++ 07:14 Experten: Putin glaubt an Sieg durch Zermürbung +++
Die russische Militärführung zieht zurzeit dauerhafte Offensivoperationen mit schrittweisen taktischen Gewinnen großangelegten Offensiven mit bedeutsamen Gewinnen vor. Das erläutert die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) in ihrer aktuellen Analyse. Putin dürfte demnach davon ausgehen, seine territorialen Ziele umso eher zu erreichen, je länger der Krieg dauert. Seiner Siegestheorie zufolge ist Russland in der Lage, schleichende Vorstöße auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Ein langwieriger Krieg werde Putin wahrscheinlich dazu verleiten, sich neue territoriale Ziele zu setzen, solange er davon ausgehe, dass die ukrainischen Streitkräfte weder seine Vorstöße stoppen noch sinnvolle Gegenangriffe durchführen können, schreiben die Experten. Der Westen müsse sich beeilen, der Ukraine die nötige Unterstützung für Gegenoffensiven zukommen zu lassen.
+++ 06:41 Ukraine meldet Raketenangriff auf Stadt Dnipro +++
Laut einem Bericht des ukrainischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Stadt Dnpiro in der Nacht von Russlands Armee angegriffen worden. Beschädigt wurde demnach unter anderem ein Supermarkt.
Update um 7.57 Uhr: Sieben Menschen verletzt worden, darunter ein 15-Jähriger, teilt die Regionalregierung mit. Ein Opfer sei in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Außerdem seien zahlreiche Wohngebäude beschädigt worden.
+++ 06:11 Russische Grenzregionen melden Drohnenangriffe +++
Nach Angaben örtlicher Behörden haben mindestens 25 ukrainische Drohnen die Grenzregionen Kursk und Brjansk im Südwesten Russlands angegriffen. Russlands Luftabwehrsysteme hätten 18 Drohnen über der Region Brjansk abgeschossen, teilt Gouverneur Alexander Bogomaz auf Telegram mit. Die Angriffe seien in mehreren Wellen erfolgt. Alexej Smirnow, Gouverneur der Region Kursk, schreibt auf Telegram, sieben Drohnen seien über seiner Region zerstört worden. Beide Gouverneure erklären, es habe bei den Angriffen keine Verletzten oder größere Schäden gegeben.
Update um 7.45 Uhr: Auch Belgorod ist nach Angaben aus Moskau angegriffen worden. Insgesamt seien 36 Drohnen zerstört worden.
+++ 05:41 Drittes Jahr der Zeitenwende: Union sieht Bundeswehr schlechter aufgestellt +++
Die Union kritisiert den Zustand der Bundeswehr im dritten Jahr nach der militärischen Zeitenwende scharf. „Die Ampel wird die Bundeswehr in einem schlechteren Zustand übergeben, als sie sie übernommen hat“, sagt Unionsfraktionsvize Johann Wadephul in Berlin. Die gelte für die materielle wie personelle Ausstattung. Der CDU-Verteidigungspolitiker warnt: „Das ganz alte Schlagwort ‚Bedingt abwehrbereit‘ bekommt eine neue Aktualität.“
+++ 04:37 Kiews Generalstab: 33.700 Russen im Juni gefallen +++
Im Laufe des Monats Juni soll die russische Armee 3 Kampfflugzeuge, 350 Panzer und mehr als 58 Luftverteidigungssysteme verloren haben. Laut dem Generalstab der Streitkräfte der Ukraine sind binnen dreißig Tagen außerdem mehr als 33.700 Soldaten der Russischen Föderation gestorben. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine habe die Kreml-Armee insgesamt 360 Flugzeuge verloren.
+++ 03:37 Chef der Sicherheitskonferenz wirbt für Kiews NATO-Beitritt +++
Vor dem NATO-Gipfel in Washington in der kommenden Woche fordert der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, eine Beitrittsperspektive für die Ukraine. Er sei überzeugt, dass längerfristig „nur eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine eine langfristige Aussicht auf Frieden bietet“, sagte Heusgen der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“. Vereinbarungen mit Russland seien „nicht das Papier wert, auf das Putin seine Unterschrift setzt“, betonte Heusgen. Diese bittere Erfahrung hätte die Ukraine bereits machen müssen. Das Thema stehe nicht auf der Tagesordnung des vom 9. bis zum 11. Juli in Washington stattfindenden NATO-Gipfels, doch sei für die Ukraine eine NATO-Mitgliedschaft „die einzige Versicherung“.
+++ 02:27 Heusgen: Putin hat Angriff aufs Baltikum angekündigt +++
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fürchtet einen Angriff Russlands auf das Bündnisgebiet der NATO. Heusgen sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“ auf die Frage, ob er Wladimir Putin einen Angriff gegen das Baltikum zutraue: „Er hat das ja angekündigt! Er will die Sowjetunion wiederherstellen; dazu gehörte das Baltikum. Wenn wir ihn lassen, wird er weitermachen.“
„Wettlauf gegen die Zeit“ Bundeswehr-General fürchtet Angriff auf NATO-Gebiet
+++ 01:27 Russland: Totes Kind nach ukrainischem Drohnenangriff auf Belgorod +++
Bei einem ukrainischen Drohnenangriff auf Belgorod ist eine Vierjährige in einem Auto getötet worden. Dies teilt der Gouverneur der südrussischen Region, Wjatscheslaw Gladkow, auf Telegram mit. Das Mädchen sei in einem Auto unterwegs gewesen, das nahe der ukrainischen Grenze angegriffen worden sei. Die Eltern und Großeltern des Kindes seien teils schwer verletzt worden. Nach Angaben Gladkows nahmen ukrainische Streitkräfte zudem drei Orte in der Region unter Beschuss.
+++ 00:17 Bundeswehr-General fürchtet russischen Übergriff auf NATO-Gebiet +++
Vor dem anstehenden NATO-Gipfel in Washington warnt der deutsche Befehlshaber des Multinationalen Korps Nordost des Bündnisses, Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart, vor einem Übergriff Russlands. Moskau habe das Potenzial, einen weiteren Konfliktherd zu entfachen, unter anderem auch gegenüber der NATO, sagte von Sandrart der „Welt“. „Diese Bedrohung ist existent. Und sie wächst mit jedem Tag.“ Es seien „längst nicht alle Kräfte Russlands in der Ukraine gebunden“, gibt von Sandrart zu bedenken. „Russland klein zu hoffen und zu denken, das wäre ein existenzieller Fehler“, betont der Bundeswehr-General.
+++ 22:57 Selenskyj: Weißes Haus will uns nicht in NATO einladen +++
Immer wieder wird darüber geredet, dass die Ukraine in Zukunft ein NATO-Mitglied werden könnte, jedoch gibt es keine offizielle Einladung des transatlantischen Verteidigungsbündnisses an Kiew. Das Weiße Haus sei nicht bereit, diesen Schritt zu gehen, sagt Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit einem US-Medium. Dies entspreche jedoch „nicht der Politik des Staats- und Regierungschefs der Welt“, sagt Selenskyj. „Ich glaube, dass dies eine Politik von einem Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück ist.“ Falls die USA Angst hätten, Putin zu verärgern und deshalb eine NATO-Einladung ausbleibe, bräuchte die Ukraine zumindest die Waffen des Westens, um sich selbst zu verteidigen.
In Washington findet vom 9. bis 11. Juli der NATO-Gipfel statt. Hinter den Kulissen soll es Meinungsverschiedenheiten der Mitglieder darüber geben, was das offizielle Kommuniqué in Bezug auf die Ukraine enthalten soll.
+++ 22:16 Belarus‘ Militär droht mit Einsatz taktischer Atomwaffen +++
Der Generalstabschef von Belarus, Pawlo Murawejko, droht mit dem Einsatz taktischer Atomwaffen, sollte das Land seine „Souveränität“ und „Unabhängigkeit“ in Gefahr sehen. Dies berichtet die belarussische staatliche Agentur BelTA. „Wir haben gelernt, mit diesen Waffen umzugehen“, sagt er demnach. Zudem kündigte er an, dass Belarus in einigen Tagen Vollmitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit werde. Weitere Mitglieder der Organisation, die sich als Bündnis gegen Terrorismus, Separatismus und Extremismus beschreibt, sind Russland, China, Indien sowie sechs weitere in Eurasien.
+++ 21:33 Kiew meldet Raketenbeschuss aus dem Norden +++
Luftalarm ertönt in der Hauptstadt Kiew und weiteren nördlichen Oblasten. Grund sind Raketen aus nördlicher Richtung, doch die Luftabwehr verhindert laut den ukrainischen Streitkräften ihren Einschlag. Herabfallende Raketenteile treffen daraufhin ein 14-stöckiges Wohnhaus und lösen ein Feuer aus, teilt Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko mit. Mindestens zwei Anwohner wurden verletzt, zehn in Sicherheit gebracht.
+++ 20:42 Kiew: Mehr als 14.000 Zivilisten in russischer Gefangenschaft +++
Am Samstag sind zehn befreite Zivilisten in Kiew empfangen worden. Mehr als 14.000 Zivilisten werden weiterhin in russischer Gefangenschaft gehalten, sagt der Menschenrechtsbeauftragte der Ukraine, Dmytro Lubinets. Drei Kategorien von Ukrainern würden von Russen festgehalten: Kinder, Kriegsgefangene und Zivilisten. Die Rückkehr der Zivilisten ist Lubinets zufolge besonders kompliziert. Die Ukraine habe keine Möglichkeit, Austausche durchzuführen, und es gebe kein rechtliches Verfahren. Kiew arbeite weiterhin an der Rückkehr von 20.000 Kindern und Zehntausenden Ukrainern, die als vermisst gelten. In den Fällen der Kinder könne womöglich der Vatikan helfen.
+++ 20:01 Selenskyj: Indirekte Verhandlungen mit Moskau vorstellbar +++
Die Ukraine plant keine direkten Verhandlungen mit Russland, könnte aber das Modell eines trilateralen Abkommens ähnlich der Schwarzmeer-Getreideinitiative nutzen, sagt Präsident Wolodymyr Selenskyj. Im Jahr 2022 war das Abkommen von den Vereinten Nationen und der Türkei vermittelt worden. Es hatte entscheidenden Anteil bei der Eindämmung eines weltweiten Anstiegs der Lebensmittelpreise, der teilweise durch den Invasionsbeginn verursacht worden war. Die Ukraine unterzeichnete das Abkommen mit der Türkei und den Vereinten Nationen unterzeichnete, während Russland sein eigenes entsprechendes Abkommen mit denselben Vermittlern unterzeichnete.
+++ 19:21 Russische Lenkbombe trifft Post in Charkiw +++
Eine russische Lenkbombe explodiert an einem Postdepot in Charkiw, ein Zivilist kommt dabei ums Leben. Neun weitere werden verletzt, darunter ein 8 Monate altes Kind. Dies berichtet der Gouverneur der Oblast Charkiw. Helfer suchen demnach nach weiteren möglichen Opfern. Acht vor dem Depot geparkte Fahrzeuge seien zerstört worden. Das Gebäude gehört Nova Poshta, dem größten privaten Postdienst der Ukraine. „Alle Schichtarbeiter waren im Luftschutzbunker und wurden nicht verletzt“, teilt das Unternehmen mit. Zuvor hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, dass Russland allein in der vergangenen Woche über 800 gelenkte Fliegerbomben gegen die Ukraine eingesetzt habe.
+++ 18:43 Moskau: Zwei Orte in Donezk erobert +++
Russland erobert zwei weitere Dörfer im Osten der Ukraine. Dabei handele es sich um die Ortschaften Spirne und Nowoolexandriwka in der Region Donezk, meldet die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau.
+++ 18:20 Ukraine: Russisches Kampfflugzeug, Cruise-Raketen und Hunderte Drohnen zerstört +++
Der ukrainische Kommandeur der Bodentruppen, Oleksandr Pawliuk, veröffentlicht eine Bilanz der Luftabwehr im Juni. Die Verteidiger haben demnach im abgelaufenen Monat den Abschuss eines russischen Su-25-Kampfflugzeugs registriert, sowie von drei Cruise-Raketen. Zudem schossen sie insgesamt 296 Drohnen im abgelaufenen Monat ab. „Unter Umständen intensiver Feindseligkeiten“ hätten den Ukrainer eine „beträchtliche Anzahl“ taktischer Drohnen vom Himmel geholt, schreibt Pawliuk.
+++ 17:27 Selenskyj: Trumps möglicher Blitzfriedensplan „schlechte Idee“ +++
Donald Trump, designierter Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner, hat mehrfach behauptet, er werde den Ukraine-Krieg „in 24 Stunden“ beenden, sollte er die Wahl im November gewinnen.
Nun sagt Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj dazu, er wisse nicht, wie man den Konflikt in 24 Stunden beenden könne, aber wenn der Plan darin bestehe, territoriale Zugeständnisse an Russland zu machen, dann sei das eine „schlechte Idee“. „Wenn Trump ein solches Modell hat, nun, dann würde jeder den Krieg gerne beenden“, so Selenskyj in einem Interview mit dem „Philadelphia Inquirer“: „Vielleicht wäre es sogar in einer Stunde besser.“ Die Aufgabe eigener Gebiete zugunsten von Russland sei nicht neu. Das Problem mit Russlands Präsident Wladimir Putin werde sie nicht lösen. Der müsse vielmehr in seine Schranken gewiesen werden, da er auf „Pseudosiege“ angewiesen sei.
+++ 16:49 Männer greifen ukrainischen Grenzschützer mit Machete an +++
In der Ukraine verletzt ein Grenzschützer bei einem Angriff von zwei Männern mit einer Machete einen der Täter mit einem Schuss tödlich. Der zweite Mann sei verletzt worden, berichtet das Nachrichtenportal „Ukrajinska Prawda“ unter Berufung auf ukrainische Behörden. Der Vorfall ereignete sich demnach am Samstagabend an der Grenze zu Rumänien. Das Motiv ist nicht bekannt. Allerdings versuchen wegen des Kriegs immer wieder Männer im wehrpflichtigen Alter, das Land zu verlassen, um nicht eingezogen zu werden und an die Front zu müssen. Zuvor waren an der Grenze zu Ungarn 17 Männer in einem Kleinbus gefasst worden, die laut Behörden die Ukraine illegal verlassen wollten und ihren Helfern für eine erfolgreiche Ausreise zwischen 3000 und 12.000 US-Dollar zahlen sollten.
+++ 16:14 Weitere Verletzte sowie Zerstörung nach Raketenangriff auf Wilniansk +++
Nach dem tödlichen russischen Raketenangriff auf Zivilisten in Wilniansk melden 75 Personen beschädigtes oder zerstörtes Eigentum. Die Polizei in der Region Saporischschja dokumentiere „die Verbrechen der russischen Armee“, teilt die Behörde mit. Die Zahl der registrierten Verletzten durch den Angriff erhöht sich auf 38, darunter sind neun Kinder. Eine mobile Hilfsstation ist im Einsatz. Mindestens sieben Menschen kamen bei der Attacke am Samstag ums Leben, darunter eine Frau und drei Kinder.
+++ 15:51 Umstrittener Kanye West offenbar zu Besuch in Moskau +++
Der umstrittene US-Rapper Kanye West ist russischen Medien zufolge auf Privatbesuch in Moskau. „Das ist eine großartige Nachricht, er ist im Herzen der Hauptstadt“, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Tass die Produzentin Jana Rudkowskaja. Die ehemalige russische Präsidentschaftskandidatin Xenia Sobtschak veröffentlicht ein kurzes Video, das ihren Angaben zufolge zeigt, wie der US-Rapper vom Dach des berühmten Einkaufszentrums Gum aus den Roten Platz betrachtet. Laut Sobtschak befindet sich West in Moskau, um den 40. Geburtstag seines Freundes Goscha Rubtschinski zu feiern, eines angesagten russischen Modedesigners. West hat in der Vergangenheit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seine Bewunderung ausgesprochen. In den USA ist der Musiker aufgrund antisemitischer und Hitler verherrlichender Äußerungen inzwischen ein Außenseiter im Showgeschäft.
+++ 15:24 Russland stört GPS-Signale britischer Militärflüge +++
In diesem Jahr hat Russland das Navigationssystem GPS auf Hunderten britischer Militärflüge der Royal Air Force (RAF) über Osteuropa gestört. Mehr als jeder vierte Transport- und Überwachungsflug in den ersten vier Monaten des Jahres 2024 sei aktiven GPS-Störungen ausgesetzt, ergibt eine Datenanalyse Tausender Flüge, schreibt der britische „Telegraph“. Es verdeutliche das Ausmaß der russischen Eingriffe in die Luftfahrt. „Dies ist ein weiteres Beispiel für Russlands Rücksichtslosigkeit und ein weiterer Beweis dafür, dass es sich um einen außer Kontrolle geratenen feindlichen Staat handelt“, wird Großbritanniens Verteidigungsminister Grant Shapps zitiert. Zwischen Januar und April waren 142 von 504 Transport- und Überwachungsflügen der RAF über Osteuropa GPS-Störungen ausgesetzt.
+++ 14:41 Ukrainische Hacker sabotieren russische Systeme +++
Aktivisten führen in Zusammenarbeit mit Experten des ukrainischen Verteidigungsministeriums eine Reihe von Angriffen auf russische Unternehmen durch. Dem Ministerium zufolge zerstören Hacker in mehr als 100 Terabyte an Daten von OrbitSoft, einem Softwareentwickler, der mit der russischen Armee zusammenarbeitet. Sie löschen zudem Daten auf acht Servern von Orient Systems, einem Zulieferer von Navigationsgeräten für russische Militärhersteller, insbesondere für Hersteller von unbemannten Luftfahrzeugen. Sie löschen auch die Daten eines Internetproviders Nischni Nowgorod und schicken allen Abonnenten Nachrichten über eine „unvermeidliche Vergeltung“ für Russlands Krieg.
+++ 14:06 Ukraine startet Serienproduktion von Kampfdrohnen +++
Die Ukraine hat mit der Serienproduktion von Kampfdrohnen mit einer Reichweite von über 1.000 Kilometern begonnen. Das sagt der Leiter des staatlichen Rüstungsunternehmens Ukroboronprom. In einem Interview mit ArmyInform sagt Herman Smetanin, dass Russlands „riesige Ressourcen und superstarke Industrie“ Kiew zu einem „flexibleren und erfinderischeren“ Ansatz bei der Herstellung von Waffen zwinge. Die Ukraine setzt Langstreckendrohnen ein, um militärische Infrastrukturen wie Flugplätze und Logistikeinrichtungen sowie Ölraffinerien und -depots tief in russisches Gebiet anzugreifen.
„Erbärmliche“ Produktion beenden Ein 31-Jähriger baut ab sofort Selenskyjs Raketen
+++ 13:36 Ukraine veröffentlicht Video von Befreiung der Schlangeninsel +++
Der ukrainische Sicherheitsdienst (SBU) hat in den sozialen Netzwerken neue Aufnahmen von der Befreiung der Schlangeninsel veröffentlicht. In dem Beitrag beschreibt SBU die „einzigartige und äußerst wichtige Operation“. Das Filmmaterial soll mit einer Luftaufnahme eines Luftangriffs auf die Insel beginnen, bevor ukrainische Truppen mit einem Hubschrauber landen und russische Truppen angreifen. „Sie bestand aus mehreren Etappen und war von strategischer Bedeutung, da seither die schrittweise Verdrängung des Feindes des Schwarzen Meer begann“, schreibt der SBU. Am 30. Juni 2022 hatten ukrainische Truppen den Rückzug der russischen Truppen aus dem strategischen Vorposten am Schwarzen Meer erkämpft.
+++ 13:14 Selenskyj: Russland feuert in einer Woche 800 Lenkbomben auf Ukraine ab +++
Allein in der vergangenen Woche habe Russland mehr als 800 Lenkbomben gegen die Ukraine eingesetzt. Das schreibt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Plattform X. „Die Ukraine braucht die notwendigen Mittel, um die Träger dieser Bomben, einschließlich der russischen Kampfflugzeuge, zu zerstören, wo immer sie sich befinden. Dieser Schritt ist unerlässlich“, schreibt er weiter.
+++ 12:48 Nach russischem Angriff auf Wilniansk steigt die Zahl der Verwundeten +++
Bei einem russischen Angriff auf die ukrainische Stadt Wilnjansk in der Region Saporischschja hat sich die Zahl der Verletzten weiter erhöht (siehe Einträge 00:32, 05:41 und 07:24). Nach offiziellen Angaben sind mindestens sieben Menschen, drei Männer, eine Frau und drei Kinder, ums Leben gekommen. Weitere 36 Menschen, darunter neun Kinder, seien bei dem Raketenangriff verletzt worden, teilt die Nationale Polizei über die sozialen Netzwerke mit. Zuvor waren 31 Verletzten bekannt.
+++ 12:18 Ukraine veröffentlicht Zahlen zu russischen Verlusten +++
Der ukrainische Generalstab veröffentlicht neue Verlustzahlen zu den russischen Truppen in der Ukraine. Demnach soll Russland seit dem 24. Februar 2022 rund 542.700 Soldaten in der Ukraine verloren haben. Allein innerhalb von 24 Stunden betrage die Zahl der Verluste 1140. Dem Bericht aus Kiew zufolge sollen unter anderem außerdem 24 Panzer, 60 Artilleriesysteme und ein Flugzeug zerstört worden sein. Insgesamt soll Russland laut der Ukraine seit Beginn des Großangriffs 8.080 Panzer, 15.524 Artilleriesysteme und 360 Flugzeuge, 326 Hubschrauber, 11.584 Drohnen, 28 Schiffe und ein U-Boot verloren haben. Westliche Schätzungen nennen geringere Verlustzahlen – wobei das auch nur Mindestwerte sind.
+++ 11:45 OSZE: Russland begeht in der Ukraine einen Völkermord +++
Die Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat eine Resolution verabschiedet, in der Russlands Vorgehen in der Ukraine als Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung anerkannt wird. Das teilt Pavlo Frolov, Mitglied der Kiewer Delegation, mit. In sozialen Medien schreibt Frolov, das Dokument definiere auch „die Entkolonialisierung der Russischen Föderation als notwendige Voraussetzung für die Schaffung eines dauerhaften Friedens“. Die OSZE hat 57 Mitglieder, darunter die Ukraine und Russland. Mit 57 Staaten aus Europa, Zentralasien und Nordamerika ist die OSZE die weltweit größte regionale Sicherheitsorganisation.
+++ 11:11 Weichert: Menschen in Odessa „versuchen, normales Leben zu leben“ +++
Während in der Nähe von Saporischschja mindestens sieben Menschen durch russische Angriffe sterben, sind die Strände des Küstenortes Odessa voll mit Badetouristen. Es ist eine dringend benötigte Auszeit für die vom Krieg geplagten Ukrainer, wie ntv-Reporter Jürgen Weichert beschreibt.
Sommerferien in Kriegszeiten Menschen in Odessa „versuchen, normales Leben zu leben“
+++ 10:44 Russland: Vier Feuerwehrleute in der Region Donezk verletzt +++
In der von Russland beanspruchten Region Donezk im Osten der Ukraine sind nach russischen Angaben vier Feuerwehrleute bei ukrainischen Angriffen verletzt worden. Sie hätten im Bezirk Petrowski ein nach einem ukrainischen Angriff entstandenes Feuer gelöscht und seien von neuem Beschuss getroffen worden, erklärt das russische Ministerium für Katastrophenschutz.
+++ 10:08 Russland: Ukrainische Streitkräfte vom linken Ufer in Cherson vertrieben +++
Die Kämpfe in der Region Cherson finden derzeit auf den Inseln statt, da die ukrainischen Truppen vom linken Ufer des Dnipro vertrieben wurden, sagt Gouverneur Wolodymyr Saldogegenüber der russischen Nachrichtenagentur TASS. „Die Kämpfe haben sich auf die Inseln verlagert, und die russische Armee hat ihre Aktivitäten verstärkt“, sagt er. Die Inseln und der Fluss Dnipro im Gebiet von Cherson bilden eine natürliche Grenze an der Front.
+++ 09:43 Ukraine: Ein Toter und zwei Verletzte nach russischem Angriff auf Cherson +++
Bei einem russischen Angriff auf die ukrainische Region Cherson soll ein Mensch getötet und zwei Menschen verletzt worden sein. Das teilt der Gouverneur der Region Cherson, Oleksandr Prokudin, auf Telegram mit. Ein 67-jähriger Mann in Odradokamyanka wurde demnach durch einen Drohnenangriff tödlich verletzt. Ein Artilleriebeschuss verletzte in Kozatske eine 76-jährige Frau, die mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Außerdem soll in Komysany eine 63-jährige Frau durch russische Truppen, die einen Bauernhof beschossen, verletzt worden sein. Bei einem FPV-Drohnenangriff auf ein Wohnhaus in Mykhailivka gab es keine Verletzten, der Schaden wird derzeit ermittelt.
+++ 09:08 Ex-NATO-Chef: „Putins Plan A ist gescheitert“ +++
Der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen geht davon aus, dass der russische Krieg gegen die Ukraine mindestens noch für den Rest des Jahres 2024 weitergeht. „Putins Plan A, die gesamte Ukraine in wenigen Tagen zu erobern, ist gescheitert“, sagt Rasmussen im Interview mit ntv.de. „Sein Plan B ist nun ein eingefrorener Konflikt und die russische Besetzung der Ostukraine, in der Hoffnung, dass der Westen schwächelt und nachgibt.“ Vor allem die Präsidentschaftswahlen in den USA am 5. November seien für Putin ein Hoffnungsträger für Veränderungen, die ihm helfen könnten.
Ex-NATO-Chef im Interview „Zögern macht Scholz zu einem Kanzler des ewigen Krieges“
NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE
ROUNDUP/Russische Luftangriffe: Ukraine fordert mehr Unterstützung – [Nacht im Überblick]
KIEW (dpa-AFX) – Freie Hand bei Gegenangriffen und mehr Flugabwehr – angesichts der zunehmenden russischen Luftangriffe der vergangenen Tage hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von den Verbündeten stärkere Unterstützung gefordert. „Je eher die Welt uns hilft, mit den russischen Kampfflugzeugen, die diese Bomben abwerfen, fertig zu werden, je eher wir die russische militärische Infrastruktur, die russischen Militärflugplätze angreifen können, desto näher sind wir dem Frieden“, sagte Selenskyj gestern in seiner abendlichen Videoansprache.
Das ukrainische Militär fordert vom Westen schon seit Längerem die Erlaubnis, russische Stellungen und Luftwaffenstützpunkte weit hinter der Front mit schweren Waffen angreifen zu dürfen. Bisher darf die Armee die von Verbündeten gelieferten Waffen und die Munition lediglich im frontnahen Bereich und im Grenzgebiet zu Russland einsetzen. Für Angriffe im russischen Hinterland sind die ukrainischen Streitkräfte bisher auf Drohnen aus eigener Produktion angewiesen, die bei Weitem nicht so wirksam sind wie Raketen oder Marschflugkörper.
„Insbesondere bei der Verteidigung der Region Charkiw gegen die russische Offensive haben wir bewiesen, dass die Entschlossenheit unserer Partner wirklich hilft“, sagte Selenskyj weiter. Die westlichen Partner hatten der Ukraine unter dem Druck einer russischen Offensive bei Charkiw den Einsatz schwerer Waffen über die Grenze zu Russland hinweg erlaubt. „Schläge an der russischen Grenze haben geholfen, Leben zu schützen“, sagte Selenskyj. Nunmehr seien „mutige Entscheidungen“ der Partner der Ukraine nötig. „Die Welt hat genügend Macht, um Russland zum Frieden zu zwingen.“
Selenskyj bittet um mehr Flugabwehr
Der Präsident bat angesichts des russischen Bombenterrors gegen ukrainische Städte erneut um mehr Hilfe bei der Luftverteidigung. Allein in der vergangenen Woche habe Russland 800 Gleitbomben über seinem Land abgeworfen, sagte Selenskyj gestern in Kiew. Dazu veröffentlichte er ein Video von zerstörerischen Schäden und Bränden unter anderem in den Regionen Cherson, Dnipro, Odessa und Saporischschja. Gestern wurde das Zentrum von Charkiw von einer weiteren Bombenexplosion erschüttert.
Besonders große Probleme bereiten den Verteidigern russische Gleitbomben – also Bomben, die von Flugzeugen in großer Entfernung vom Ziel abgeworfen und dann ferngesteuert ins Ziel gelenkt werden. Am Samstag wurden bei einem Angriff auf die Stadt Wilnjansk im Gebiet Saporischschja nach Behördenangaben sieben Menschen getötet und mehr als 40 verletzt. „Die Ukraine braucht mehr Flugabwehrsysteme. Wir brauchen starke Hilfe von unseren Partnern“, sagte Selenskyj. Die Armee sei auf Hilfe angewiesen, um die russischen Kampfbomber abschießen zu können.
Der Westen unterstützt die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg, den Kreml-Chef Wladimir Putin im Februar 2022 befohlen hatte. Für einen besseren Schutz der Städte vor russischen Luftangriffen verlangt die ukrainische Führung noch mehr Flugabwehrsysteme vom US-Typ Patriot.
Russischer Angriff trifft Charkiw in der Ostukraine
Bei einem russischen Gleitbomben-Angriff auf die ostukrainische Großstadt Charkiw gab es gestern mindestens ein Todesopfer. Hinzu kamen laut Bürgermeister Ihor Terechow zehn Verletzte, darunter ein acht Monate altes Baby. Die Bombe sei mitten im Stadtzentrum auf einem Firmengelände explodiert. Laut der Militärverwaltung von Charkiw wurde bei dem Angriff eine Dienststelle der Post getroffen.
Das russische Militär bestätigte den Angriff auf Charkiw, wie die Staatsagentur Tass berichtete. Nach Darstellung der russischen Militärführung soll das Postgebäude als Lager der ukrainischen Armee gedient haben. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Raketentrümmer prasseln auf Kiew nieder
Über der ukrainischen Hauptstadt Kiew wurde gestern Nachmittag eine russische Rakete von der Flugabwehr abgeschossen. Die Trümmer fielen nach Angaben der Agentur Unian auf ein Wohnhaus, fünf Menschen erlitten einen Schock. Seitens der Militärverwaltung der Stadt hieß es, das russische Militär habe die Millionenmetropole mit mehreren Marschflugkörpern beschossen. Sie seien von der Flugabwehr zerstört worden./cha/DP/zb
WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN
So dreht die UKRAINE den SPIESS jetzt um! – Mark Reicher (40-min-Video)
Als ich mein letztes Video veröffentlicht habe, war klar, dass das die Charkiw-Offensive für die Russen zu einem strategischen Desaster geworden ist, da sie die USA dazu bewogen hat, den Beschuss russischen Territoriums mit ihren HIMARS freizugeben. Allerdings zeigen sich nun bei Charkiw nach dem klaren strategischen Griff ins Klo immer mehr auch gravierende taktische Defizite der Russen, die ihre Offensive gleichermaßen in eine operative Katastrophe verwandeln. Aus diesem Grund möchte ich in diesem Video diese durchaus wegweisenden Defizite analysieren.
Was sie die Gründe für das taktische Scheitern der Russen an der Nordfront und was sagen sie uns über den weiteren Verlauf des Krieges? Was verraten uns die einzelnen Gefechtssituationen, die sich dort abspielen und wieso werden sie ausgerechnet jetzt wieder interessant und entscheidend?
ZENTRALBANKEN
BIZ mahnt Zentralbanken zu Realismus
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)– Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat die Zentralbanken gemahnt, in der Verfolgung ihrer Ziele realistisch zu bleiben und Fine Tuning zu vermeiden. In einem Rückblick auf die ersten 20 Jahre des 21. Jahrhunderts, den sie im Rahmen ihres Jahresberichts veröffentlichte, kommt die BIZ außerdem zu dem Urteil, dass die Zentralbanken ihre Geldpolitik nach dem Ende der Pandemiekrise zu spät gestrafft haben.
COMMENT: Schön, dass die Großkopferten der Bank aller Banken nun zu einer Erkenntnis gelangen, die hier im Tagesblick seit vielen, vielen Monaten Gegenstand deutlicher Kritik gewesen ist. Nun haben sie sich also aus der Deckung gewagt, die Damen und Herren dieser illustren Institution. Man darf getrost annehmen, dass seit ebenfalls vielen Monaten gegenständliche Meinung in den höheren BIZ-Etagen schon längst die Runde gemacht hat, bevor sie das Licht der Öffentlichkeit nun endlich erblickt hat. Es dauert halt lang, bis man unangenehme Einsichten auch in aller Öffentlichkeit auszusprechen wagt.
Zentralbanken sollten realistisch bleiben
Realismus in Bezug auf das Ziel der Preisstabilität bedeutet aus Sicht der BIZ zweierlei: „Erstens bedeutet es, nicht zu versuchen, die Inflation feinzujustieren, wenn bereits ein Regime niedriger Inflation besteht. Die Erfahrungen nach der globalen Finanzkrise haben gezeigt, wie schwierig dies ist“, schreibt sie. Ein realistischeres Ziel sei es, die Inflation „weitgehend“ in diesem Regime zu halten, in dem sie das Verhalten kaum beeinflusse und selbststabilisierende Eigenschaften zeige. „Dies wiederum wäre nicht mit einer Anhebung der derzeitigen Inflationsziele vereinbar“, merkt die BIZ an.
Zweitens bedeutet es laut BIZ, entschieden zu reagieren, wenn die Inflation stark über diesen Bereich hinaus ansteigt und es zu einer Verfestigung zu kommen droht – insbesondere angesichts der sich selbst verstärkenden Natur von Übergängen von Niedrig- zu Hochinflationsregimes. „Es ist eine Sache, ein Fine Tuning zu vermeiden und die selbststabilisierenden Eigenschaften des Niedriginflationsregimes zu nutzen. Es ist etwas ganz anderes, die selbstregulierenden Eigenschaften des Systems auf die Probe zu stellen“, schreibt die BIZ.
Zentralbanken reagierten zu langsam auf starken Inflationsanstieg
Die Zentralbanken haben nach dem Urteil der BIZ zu langsam auf den starken Anstieg der Inflation nach dem Ende der Corona-Pandemie reagiert, weil sie trotz steigender Preise in der Vorstellung verharrten, dass das Niedriginflationsumfeld Bestand haben würde. „Sie stellten sich eine Welt mit anhaltenden disinflationären Tendenzen vor, in der das Kernproblem immer noch darin bestehen würde, die Inflation wieder auf das Zielniveau zu bringen und einem Abwärtstrend der Inflationserwartungen vorzubeugen“, erläutert die BIZ.
Nach einer so langen Phase hartnäckiger Zielverfehlungen könnten Inflationsüberschreitungen in dieser Hinsicht sogar hilfreich sein, solange sie in Grenzen blieben. Zudem hätten die Zentralbanken wohl auch die expansive Wirkung von Geld- und Fiskalpolitik unterschätzt.
Marktwirkungen von QE und QT sind unterschiedlich
Zu den Lehren aus den vergangenen 20 Jahren gehört nach Aussage der BIZ auch die Erkenntnis, dass der massenhafte Ankauf von Wertpapiere durch Zentralbanken (QE – Quantitative Easing) anders auf die Finanzmärkte wirken kann als ihrer massenhafter Verkauf (QT – Quantitative Tightening). Das liegt nach ihrer Aussage vor allem daran, dass QE mit einem starken Ankündigungseffekt einhergeht. Dieser Effekt falle umso stärker aus, je größer der Stress an den Finanzmärkten zum gegebenen Zeitpunkt sei.
Bei der Ankündigung von QT hätten sich die Zentralbanken jedoch bemüht, die Sache berechenbar zu machen und herunterzuspielen. So hätten sie betont dass der Abbau von Wertpapiere nur „im Hintergrund“ verlaufe, während das geldpolitische Signal nun wieder vom Zins ausgehe. Gleichwohl beeinflusst QT die Märkte der BIZ zufolge durchaus stark, und zwar wie bei QE über Portfolioeffekte.
MELDUNGEN
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WEITERE MELDUNGEN
Weltweit drohende Gefahr – Drosten: Vogelgrippevirus in USA könnte nächste Pandemie auslösen
Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, hat angesichts der Ausbreitung von H5N1 in den USA das Vogelgrippevirus als möglichen Auslöser für eine kommende Pandemie bezeichnet. Der Erreger sei letzter Zeit in Milchviehbeständen in den USA aufgetreten und dort „sogar schon in Milchprodukten im Handel aufgetaucht“, sagte Drosten dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, solche extrem großen Ausbrüche bei Kühen – alle Fachleute sind besorgt.“
Mehr dazu siehe gestrigen Tagesblick.
Große US-Banken erhöhen Ausschüttungen nach Stresstests
Die größten US-Banken haben nach dem Stresstest erklärt, dass sie die Auszahlungen an die Investoren erhöhen würden, was allgemein erwartet wurde, nachdem die Institute die Tests der Federal Reserve diese Woche bestanden hatten. Die Banken reagieren auf die Stresstests der Fed in der Regel nach einem bekannten Muster. Die Zentralbank teilte zunächst die Ergebnisse der jährlichen Tests mit, wobei die Banken erfuhren, wie sich diese auf das von ihnen zu haltende Kapital auswirken. Die Banken gleichen diese Nachricht dann mit neuen Plänen zur Ausschüttung von Geld an die Anleger durch Dividenden und Aktienrückkaufprogramme aus.
Goldman Sachs: Stresstest spiegelt nicht Entwicklung des Geschäfts wider
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat erklärt, dass die Federal Reserve dem Unternehmen einen Stresskapitalpuffer von 6,4 Prozent mitgeteilt hat, was zu einer Standardized Common Equity Tier 1 Ratio von 13,9 Prozent führt, die am 1. Oktober in Kraft tritt. „Diese Erhöhung scheint nicht die strategische Entwicklung unseres Geschäfts und die kontinuierlichen Fortschritte widerzuspiegeln, die wir gemacht haben, um unsere Stressverlustintensität zu reduzieren, was die Federal Reserve in den letzten drei Tests anerkannt hatte“, erklärte Chairman und Chief Executive Officer David Solomon in einem Statement.
Chinas Industrie schrumpft im Juni den zweiten Monat in Folge
Das verarbeitende Gewerbe in China ist im Juni den zweiten Monat in Folge geschrumpft und unterstrich damit die Schwierigkeiten, mit denen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den Bemühungen Pekings zur Wiederbelebung des Immobiliensektors zu kämpfen hat. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) des verarbeitenden Gewerbes blieb im Juni unverändert bei 49,5 Punkte, wie das Statistikamt mitteilte. Das Ergebnis lag unter der Prognose von 49,7 Punkten, die Ökonomen in einer Umfrage von Dow Jones Newswires abgegeben hatten.
Südkorea: Nordkorea feuert erneut ballistische Raketen ab
Nordkorea hat nach Angaben des südkoreanischen Militärs erneut Raketen abgefeuert. Der Start zweier Raketen im Westen des Nachbarlandes sei am frühen Morgen (Ortszeit) erfasst worden, teilte der Generalstab in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul mit. Es handelte sich demnach um ballistische Raketen, deren Erprobung Nordkorea durch UN-Beschlüsse untersagt ist. Solche Raketen können je nach Bauart mit einem Atomsprengkopf ausgerüstet werden.
Südkoreas oberste Kommandostelle warf dem abgeschotteten Nachbarland – wie üblich bei solchen Tests – eine „klare Provokation“ vor. Nordkorea unterliegt wegen seines Atomwaffenprogramms internationalen Sanktionen.
Eine Kurzstreckenrakete flog den Angaben zufolge etwa 600 Kilometer in nordöstlicher Richtung. Später sei eine weitere Rakete in gleicher Richtung etwa 120 Kilometer weit geflogen. Wo beide Raketen niedergingen, war zunächst unklar. Weitere Daten zu den Raketenstarts würden zusammen mit dem US-Militär noch überprüft, hieß es.
Nordkorea hatte erst vor wenigen Tagen einen Test einer Rakete mit Mehrfachsprengköpfen bekanntgegeben, der den Angaben zufolge erfolgreich verlief. Das südkoreanische Militär hatte zuvor erklärt, die Rakete sei in der Luft explodiert.
Die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea befinden sich derzeit auf einem Tiefpunkt. Nordkoreas Machthaber Kim hatte angekündigt, die Entwicklung von Waffen auszuweiten – auch die taktischer Atomwaffen. Als Reaktion darauf verstärkten Südkorea und die USA ihre Verteidigungszusammenarbeit. *** red, ORF.at/Agenturen
EUROPAWAHL 9.6.2024
Österreich-bezogene Informationen dazu auf WIKIPEDIA => Wahlwerbende Parteien
Wahlen in Frankreich: Wer sind die Gewinner und Verlierer?
Die Wahlbeteiligung bei der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
„Es ist kein Wunder geschehen“, das sagt ein Verreter der Regierungspartei von Emmanuel Macron an diesem Wahlabend.
Rechtsextreme stärkste politische Kraft
Wie in den Umfragen vorausgesagt, wird die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen in den Hochrechnungen mit etwa 33,2 Prozent die stärkste politische Kraft in Frankreich.
An zweiter Stelle liegt das Linksbündnis „Nouveau Front Populaire“ – zu dem Linke, Grüne, Sozialisten und Kommuniksten – gehören, mit etwa 28,1 Prozent der Stimmen. Die liberale Regierungspartei Renaissance von Emmanuel Macron kommt auf etwa 21 Prozent der Stimmen. Die Konservativen – die sich teilweise der Le-Pen-Partei angeschlossen haben – erreichen 10 Prozent.
Frankreichs Regierungschef Gabriel Attal und Präsident Emmanuel Macron riefen dazu auf, den extremen Rechten in der zweiten Runde keine Stimme zu geben.
Die starke Frau an der Spitze der französichen Rechtsextremen, Marine Le Pen, wurde in ihrem Wahlkreis mit mehr als 58 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang direkt ins Parlament gewählt.
Wie umgehen mit rechtsextremer Le-Pen-Partei?
Zwar sind sich die linke Volksfront und die Regierungspartei einig, dass sie eine absolute Mehrheit der Le-Pen-Partei verhindern wollen, doch gleichzeitig gibt es Stimmen aus der Regierungspartei und von den gemäßigten Konservativen, die sich nicht mit der Linken „La France Insoumise“ (LFI) von Jean-Luc Mélenchon zusammentun möchten. LFI ist Teil der linken Neuen Volksfront (Nouveau Front Populaire). Die Volksfront hat angekündigt, dass sich ihre Kandidaten und Kandidatinnen in den Wahlkreisen vor der zweiten Runde zugunsten anderer zurückziehen, um Siege der Rechtsextremen zu verhindern.
In vielen Wahlkreisen haben sich drei Kandidatinnen und Kandidaten für die zweite Runde qualifiziert. In den meisten vertreten diese die rechtsextreme Partei Rassemblement National, die linke Volksfront und die Regierungspartei.
In einer Debatte im französischen Fernsehen F2 erklärte Justizminister Dupont-Moretti, dass es gelte, die extreme Rechte RN wegen deren Antisemitsmus zu bekämpfen.
Hohe Wahlbeteiligung
Die französischen Wähler und Wählerinnen waren an diesem Sonntag an die Urnen gerufen, um die 577 Mitglieder des Parlaments, genauer gesagt: der Nationalversammlung, zu wählen.
Die Wahlbeteiligung lag mit 65,5 Prozent höher als bei den vergangenen Parlamentswahlen. In den Städten waren die Wahlbüros bis 20 Uhr geöffnet. Viele Wählerinnen und Wähler hatten das Gefühl, dass diese Wahl, die Präsident Emmanuel Macron nach der Niederlage seiner Partei bei den Europawahlen einberufen hatte – besonders wichtig ist.
Euronews informiert Sie in einem Liveblog über die vorgezogene Parlamentswahl in Frankreich.
Die Nationalversammlung wurde zuletzt im Jahr 2022 konstituiert, und die Amtszeit beträgt normalerweise fünf Jahre.
Präsident Emmanuel Macron hat immer weiter an Popularität verloren. Einige sprechen sogar vom Hass auf den Staatschef.
Entscheidend ist die zweite Runde am 7. Juli
Nur ein kleiner Teil der Abgeordneten wird bei der Abstimmung in der ersten Runde der Parlamentswahl endgültig gewählt. Denn im ersten Wahlgang braucht ein Kandidat oder eine Kandidatin in ihrem Wahlkreis mit mehr als 50 % der Stimmen die absolute Mehrheit. Dies ist aber nur sehr selten der Fall.
Und das Endergebnis kann dann sehr anders ausfallen. Im Jahr 2022 erhielt Macron im ersten Wahlgang nur etwas mehr als 25 % der abgegebenen Stimmen, kam aber auf 42 Prozent der Sitze und belegte damit den ersten Platz, obwohl er seine Mehrheit verlor.
Das Ergebnis an diesem Sonntag wird das Feld ausdünnen, da nur die erfolgreichsten Kandidaten und Kandidatinnen in jedem Wahlkreis in die nächste Woche stattfindende Endrunde einziehen. Dies können je nach Ergebnis zwei, drei oder sogar vier Bewerber und Bewerberinnen in einem Wahlkreis sein.
Und die erste Runde vermittelt ein Gefühl der öffentlichen Meinung und der Stimmung im Land – darauf aufbauend lässt sich spekulieren, welche Partei einen Premierminister ernennen und eine Regierung bilden könnte.
Frankreich-Wahl: Front gegen Sieg von Le Pen
In Frankreich kämpfen Rechtspopulisten einerseits und Linksparteien, Liberale und Konservative andererseits nach der ersten Runde der Parlamentswahl am Sonntag um die Macht im Land. Da ein Mehrheitswahlrecht gilt, fällt die Entscheidung für viele Abgeordnetensitze erst nächsten Sonntag in der zweiten Wahlrunde.
Marine Le Pens rechtspopulistischer Rassemblement National (RN) hofft nach dem herausragenden Abschneiden in der ersten Runde, in einer Woche die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu holen und so an die Regierung zu kommen. Präsident Emmanuel Macron und das linke Lager wollen versuchen, das mit einer gemeinsamen Front bei der Stichwahl am 7. Juli zu verhindern.
Wie erwartet landete der RN mit seinen Verbündeten in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl mit 33 Prozent vorne. Damit könnten die Rechtspopulisten laut Prognosen im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden. An der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen scheitern sie aber womöglich klar oder knapp.
Macrons Partei nur auf Platz drei
Das Mitte-Lager Macrons landete mit 20 Prozent auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front populaire mit 28 Prozent. Die Linken könnten auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken.
Rückzug aus taktischen Gründen
Sowohl aus dem Linksbündnis als auch von Macrons Partei hieß es noch Sonntagabend, man werde in den Wahlkreisen, in denen man auf dem dritten Platz gelandet sei, zugunsten der Kandidatinnen und Kandidaten zurücktreten, die in der Lage sind, den RN zu schlagen.
Premier Gabriel Attal, der um seinen Posten bangen muss, mahnte am Sonntag: „Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden.“ Es sei eine moralische Pflicht, alles zu tun, um das Schlimmste zu verhindern.
Le Pen versucht zu mobilisieren
Le Pen rief hingegen dazu auf, ihrer Partei bei den kommenden Stichwahlen zu einer absoluten Mehrheit zu verhelfen. „Nichts ist gewonnen, die zweite Runde ist entscheidend.“ RN-Parteichef Jordan Bardella kündigte an, mit einer absoluten Mehrheit im Parlament als Ministerpräsident die Regierung übernehmen zu wollen.
Macron vor Cohabitation
Frankreich steht vor einer Cohabitation – Präsident und Regierungschef oder -chefin kommen aus unterschiedlichen Parteien – und damit politischen instabilen Zeiten. Sollte der RN tatsächlich die absolute Mehrheit holen, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus den Reihen der Rechtsaußen-Partei zu ernennen. Denn das Unterhaus kann die Regierung stürzen.
Aber auch wenn das linke Lager künftig den Regierungschef bzw. die Regierungschefin stellt, ist Macrons Handlungsspielraum künftig deutlich eingeschränkt. Mit dem Ausrufen der vorzeitigen Parlamentswahl hatte sich Macron, der vor allem mit dem Versprechen, Le Pen von der Macht fernzuhalten, angetreten war, vertan.
Demos gegen extreme Rechte
Während die Anhänger des RN auf den Machtwechsel hoffen, fürchtet sich ein Großteil der Franzosen vor einer Machtübernahme der Rechtspopulisten. Am Sonntagabend demonstrierten Tausende Menschen in Paris und etlichen anderen Städten gegen die extreme Rechte.
Folgen für ganz Europa
Europa müsste sich in dem Fall darauf einstellen, dass das gespaltene Land keinen klaren Kurs mehr verfolgt und unzuverlässiger wird. Als Präsident hat zwar Macron in der Außenpolitik Vorrang. Sollte aber der 28-jährige RN-Spitzenkandidat Bardella Premier werden, dürfte Macron seine Linie schwerlich ungehindert fortsetzen können. Statt neuer Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung an der Tagesordnung.
Im Gegensatz zu Macron gibt der RN wenig auf die enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Die deutsch-französische Achse gilt seit jeher als Motor des europäischen Einigungsprozesses. Auch möchte die Partei den Einfluss der Europäischen Union in Frankreich eindämmen.
Frankreich droht Stillstand
Sollten sich die aktuellen Prognosen hingegen bewahrheiten und keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Koalitionsverhandlungen. Derzeit ist nicht absehbar, wie die grundverschiedenen politischen Akteure für eine Regierung zusammenkommen können.
Wird keine Lösung gefunden, könnte die aktuelle Regierung als eine Art Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich würde in einem solchen Szenario politischer Stillstand drohen. Neue Vorhaben könnte eine Regierung ohne Mehrheit nicht auf den Weg bringen.
Die Börsenkurse in Paris und der Euro kletterten nach dem Wahlabend nach oben. Der RN schnitt schlechter ab, als in manchen Umfragen vorhergesagt war, und bei Bildung eines Anti-rechts-Blocks ist die absolute Mehrheit der Partei von Le Pen nicht gesichert. Die Ankündigung der vorgezogenen Neuwahl hatte die Börsen absacken lassen. Aus Österreich kam am Montag eine Gratulation der FPÖ für den RN. *** red, ORF.at/Agenturen
Links:
- Französische Nationalversammlung
- Französisches Präsidialamt
- Ergebnisse France Info (nach Wahlblöcken)
- Ergebnisse (nach einzelnen Parteien, Innenministerium)
Frankreich: Bei Platz Drei in Stichwahl könnten Linke zurückziehen
PARIS (dpa-AFX) – Der Gründer der französischen Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, will einen Sieg der Rechtsnationalen bei den kommenden Stichwahlen unbedingt verhindern. Er rief deshalb die linken Kandidaten in bestimmten Fällen zu einem Rückzug auf. In den Wahlkreisen, in denen das Linksbündnis auf Platz drei und die Rechten auf Platz eins in die Stichwahlen gingen, sollten sich die linken Kandidaten zurückziehen, sagte Mélenchon nach dem starken Ergebnis der Rechtsnationalen in der ersten Runde der Parlamentswahlen am Sonntag.
„Unter allen Umständen ist unsere Anweisung klar: Keine einzige Stimme mehr für den RN“, so Mélenchon. In den meisten Fällen trete das Linksbündnis zwar im direkten Duell gegen das rechtsnationale Rassemblement National an. Dann sei es möglich, dem Linksbündnis in diesen Wahlkreisen eine absolute Mehrheit zu verschaffen. In bestimmten Fällen gebe es aber auch eine Stichwahl zwischen drei Kandidaten. Dann sollten sich die linken Kandidaten zurückziehen, damit sich die bürgerlichen Parteien keine Stimmen wegnehmen. „Nirgendwo werden wir dem RN einen Sieg ermöglichen“, sagte Mélenchon./rew/DP/zb
Neues Bündnis im EU-Parlament Orban und FPÖ-Chef Kickl schmieden Rechtsaußen-Fraktion
Im EU-Parlament kündigt sich eine neue Rechtsaußen-Koalition an. Die Partei von Ungarns Regierungschef Orban und die österreichische FPÖ bilden gemeinsam mit einer tschechischen Bewegung die Speerspitze. Doch noch reicht es nicht für eine Fraktion. Was macht die AfD?
Der ungarische Regierungschef Viktor Orban und der Chef der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich, Herbert Kickl, haben die Gründung einer neuen Rechtsaußen-Fraktion im Europaparlament angekündigt. Die Gruppierung „Patriots for Europe“ („Patrioten für Europa“) solle bald weitere Mitglieder bekommen und zur „größten Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas“ aufsteigen, erklärte der Fidesz-Chef in Wien. „Dann ist der Himmel unser Limit.“
„Heute ist ein historischer Tag, weil wir mit diesem Tag in eine neue Ära der europäischen Politik eintreten“, erklärte FPÖ-Chef Kickl bei dem kurzfristig anberaumten Termin. Die neue Allianz soll als „Trägerrakete“ andere europäische Parteien mit an Bord nehmen. Ebenfalls anwesend in Wien war der frühere, populistische tschechische Regierungschef Andrej Babis. Seine ANO schließt sich dem Bündnis ebenfalls an.
Orbans Fidesz-Partei ist im EU-Parlament derzeit fraktionslos. Die FPÖ gehört bislang der Fraktion Identität und Demokratie (ID) an, in dem auch die französischen Rechtspopulisten von Marine Le Pen beheimatet sind. Die AfD war kurz vor der Europawahl nach verharmlosenden Aussagen des Spitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS aus der ID-Fraktion ausgeschlossen worden. AfD-Chefin Alice Weidel hatte anschließend angekündigt, sich im Europaparlament um neue Bündnispartnern bemühen zu wollen.
Weitere Unterstützung notwendig
Um eine neue Fraktion im Europäischen Parlament zu gründen, braucht es mindestens 23 EU-Abgeordnete, die mindestens ein Viertel der 27 Mitgliedstaaten repräsentieren. Das neue Bündnis benötigt demzufolge die Unterstützung aus mindestens vier weiteren Ländern, um als Fraktion im EU-Parlament anerkannt zu werden. Andere Parteien aus dem Rechtsaußen-Lager wie die ultrarechte Fratelli d’Italia der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni sind im EU-Parlament in der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) zusammengeschlossen.
Bei der Europawahl Anfang Juni hatten rechtspopulistische Parteien in vielen Ländern starke Zugewinne errungen. Am Montag übernimmt Ungarn für ein halbes Jahr den EU-Ratsvorsitz. Orban vertritt einen einwanderungsfeindlichen Kurs und gilt als Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Europas milliardenschwere Militärhilfen für die Ukraine lehnt er entschieden ab. *** Quelle: ntv.de, chr/dpa/rts
„Patrioten für Europa“ – Orban gründet neues Parteienbündnis
An dem Bündnis sind die österreichische FPÖ, Orbans FIDESZ und die tschechische ANO beteiligt. Weitere Parteien sollen schon bald der Allianz beitreten, die die größte Fraktion des rechten Lagers im EU-Parlament werden will.
Die bei der Europawahl siegreichen Rechtsparteien aus Österreich, Ungarn und Tschechien wollen gemeinsam eine Fraktion im Europaparlament gründen.
In Wien stellten der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der frühere tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš und FPÖ-Chef Herbert Kickl eine neue rechtsgerichtete Allianz vor.
Die „Patrioten für Europa“ sollen nach den Worten von FPÖ-Chef Kickl eine „Trägerrakete“ sein und andere Parteien an Bord nehmen und „Europa eine gute Zukunft geben“.
Nach Aussage des ungarischen Ministerpräsidenten werden die „Patrioten für Europa“ schon in wenigen Tagen die größte Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas sein. „Danach ist der Himmel unser Limit“, sagte Orbán.
Orbán erklärte, man wolle gegen das Brüsseler Establishment kämpfen, das die Wünsche der Wähler immer noch nicht verstanden habe und trotz des Ausgangs der Europawahl am Status Quo festhalten wolle. Man werde die Europäer vertreten, die gegen Krieg, Migration, Inflation und den Green Deal seien.
„Die Europäer wollen drei Dinge: Frieden, Ordnung und Entwicklung. Und was sie von der jetzigen Brüsseler Elite bekommen, das sind Krieg, Migration und Stagnation“, sagte Orbán.
Orbán betonte, dass die drei Gründungsparteien FIDESZ, FPÖ und ANO in ihren Heimatländern jeweils die stärkste politische Kraft seien.
ANO-Chef Babiš sagte, die Allianz habe drei Hauptprioritäten: „Verteidigung der Souveränität, Kampf gegen die illegale Migration und die Revision des Green Deal“.
Man strebe eine Europäische Union an, die sich auf starke und unabhängige Nationalstaaten gründe und nicht eine Föderation, die durch Brüssel beherrscht wird.
Babiš erklärte man wolle das Verbot des Verbrennermotors und die Emmissionszertifikate aufheben. Dieser Punkt habe zum Austritt der ANO aus der liberalen Fraktion geführt.
Um eine Fraktion im Europaparlament zu bilden sind 23 Abgeordnete aus 7 Staaten erforderlich. Die notwendigen Mandatare besitzt die Allianz bereits.
Mit anderen Parteien habe man in der vergangenen Woche bereits Gespräche geführt und werde in Brüssel oder Straßburg schon bald das vollständige Bündnis mit allen Mitgliedern vorstellen, hieß es. Es würde sich bereits jetzt abzeichnen, „dass es mehr sein werden, als manche vermuten“. Ab dem heutigen Tag seien „alle politischen Kräfte, die das wünschen und sich einfügen wollen, herzlich willkommen“, sagte Kickl.
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EU-Parlament: Kickl, Orban und Babis kündigen Fraktion an
Die bei der EU-Wahl siegreichen rechten Parteien aus Österreich, Ungarn und Tschechien wollen gemeinsam eine EU-Fraktion gründen. Das gab FPÖ-Chef Herbert Kickl am Sonntag bei einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem ungarischen Premier Viktor Orban und dem tschechischen Ex-Premier Andrej Babis in Wien bekannt. Diese „patriotische“ Allianz solle bald weitere Mitglieder bekommen, hieß es.
Die FPÖ, Orbans rechtsnationale FIDESZ und Babis’ liberalpopulistische Partei ANO haben die Europawahl vor drei Wochen in ihren Ländern gewonnen. Kickl bezeichnete die am Sonntag vorgestellte Allianz als eine „Trägerrakete“. Andere Parteien auf europäischer Ebene würden an Bord genommen.
Orban kündigte ebenfalls an, dass die Fraktion „raketenmäßig“ sein werde und bald „die stärkste rechtsgerichtete Vereinigung“ der europäischen Politik. Der ungarische Premier schien damit auf die größere Rechtsfraktion EKR (Europäische Konservative und Reformer) anzuspielen, die mit 83 Abgeordneten drittstärkste Kraft im EU-Parlament hinter der konservativen EVP und den Sozialdemokraten ist.
„Patriotisches Manifest“ unterzeichnet
Die drei Spitzenpolitiker unterzeichneten ein „patriotisches Manifest“, das Basis der Zusammenarbeit sein soll. Babis erklärte die Ziele der Allianz „Patrioten für Europa“ („Patriots for Europe“): die Verteidigung der Souveränität der Länder, der Kampf gegen illegale Migration und die Revision des „Green Deal“.
Die europäische Klimaschutzpolitik habe die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Wirtschaft bedroht, sagte Babis. Und Orban ergänzte: „Was jetzt in Brüssel läuft, ist keine grüne Politik, sondern eine giftgrüne Politik. Damit werden wir nicht geheilt, sondern vergiftet.“
Frist bis 3. Juli
Gemäß EU-Wahlergebnis verfügt die FPÖ über sechs Sitze, ANO über sieben Sitze und die Liste FIDESZ-KDNP über elf Sitze im neuen EU-Parlament. Die erforderlichen 23 Mandate für die Gründung einer Fraktion bringen die drei Gruppierungen alleine zusammen. Sie brauchen allerdings noch Mitstreiter aus mindestens vier weiteren EU-Staaten. Die Frist zur Anmeldung läuft bis zum 3. Juli. Allerdings konstituiert sich das Parlament formal erst am 16. Juli.
Die FPÖ gehörte bisher der kleineren europaskeptischen Fraktion Identität und Demokratie (ID) an. ANO war nach der EU-Wahl aus der liberalen Fraktion ausgetreten. FIDESZ war in der vergangenen Legislaturperiode nach jahrelangem Streit über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn aus der Europäischen Volkspartei (EVP) ausgestiegen und ist seither fraktionslos.
Frage nach Reaktion von RN, Lega und Co.
Unklar ist, wie sich die bisherigen Fraktionspartner der FPÖ zu der geplanten neuen Allianz positionieren werden. Schwergewicht in der ID-Fraktion mit 30 Abgeordneten ist die Partei Rassemblement National (RN) der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen. Weiters gehören der ID die italienische Lega von Vizepremier Matteo Salvini und die Freiheitspartei (PVV) des niederländischen Wahlsiegers Geert Wilders an.
Parteien von Fico und Jansa mögliche Interessenten
Welche Parteien der Allianz konkret beitreten wollen, wurde am Sonntag in Wien nicht gesagt. Ungarische Medien nannten zuletzt etwa die Partei Smer-SSD des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, die Slowenische Demokratische Partei (SDS) des ehemaligen Ministerpräsidenten Janez Jansa und die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) als mögliche Mitglieder.
In einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ bezifferte der ehemalige polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (PiS) am Freitag die Chancen, dass seine Partei einer neuen Fraktion beitritt, mit 50 Prozent, meldete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Morawieckis Partei zählt mit 20 Abgeordneten zu den führenden Kräften der EKR.
AfD hält sich Option offen – und verkündet ID-Austritt
Die AfD könnte sich laut Parteichefin Alice Weidel dem neuen Bündnis der rechten Parteien im Europaparlament zu einem späteren Zeitpunkt anschließen. „Kurzfristig werden wir nicht dazustoßen, aber wer weiß, was wir mittel- und langfristig machen“, hielt sich die gerade wiedergewählte Koparteichefin im ARD-Interview die Option am Sonntag offen. Am Sonntagnachmittag gab der Bundesvorstand jedoch bekannt, dass die AfD aus dem europäischen Parteienverbund Identität und Demokratie (ID) austreten werde.
Lega-Chef Salvini begrüßte die neue Allianz. Seine Partei arbeite schon „seit Jahren“ daran, ein möglichst starkes, patriotisches und kohärentes Bündnis zu schmieden. „Wir begrüßen die heutigen Äußerungen anderer Parteichefs, dass sie bereit (zur Zusammenarbeit, Anm.) sind“, sagte Salvini.
Sobotka ortet „Parteitaktik“
In Österreich reagierten ÖVP, Grüne, SPÖ und NEOS. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte in der ORF-„Pressestunde“: „Die Rechtsrechten formieren sich immer wieder anders. Das ist der Parteitaktik geschuldet.“
Kogler: „Kickl will Österreich zu Orbanistan machen“
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte in einer Stellungnahme, der gemeinsame Auftritt des FPÖ-Chefs mit Babis, „dem regelmäßig unter Korruptionsverdacht stehenden ehemaligen tschechischen Premierminister, und dem ungarischen Ministerpräsidenten und Putin-Verbündeten Viktor Orban zeigt ganz offen, was Kickl will: Er will Österreich zu Orbanistan machen.“ Gemeint sei ein „Weg aus einem gemeinsamen Europa, direkt in die Arme Putins und damit in die Zerstörung von Rechtsstaat und Demokratie“, so Kogler.
SPÖ: Kickl will „illiberale Demokratie a la Orban“
Auch SPÖ-Chef Andreas Babler betonte, das vorgestellte Bündnis zeige, was Österreich drohe, sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen. „Kickl eifert Orban nach und strebt die Einführung einer illiberalen Demokratie a la Orban an“, warnte Babler in einer Aussendung. „Orbans Politik steht für ein Europa der Mauern und Abschottung, in dem das Asylrecht boykottiert wird.“ Babler bekräftigte seine Ankündigung, Ungarn wegen seiner restriktiven Asylpolitik zu klagen, sobald die SPÖ in der Regierung sei.
NEOS: „Koalition der Zukunft- und Europazerstörer“
NEOS-Klubobfrau und Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger sprach von einer „Koalition der Zukunft- und Europazerstörer“. Dass Orban nicht davor zurückscheue, die Pressefreiheit und demokratische Strukturen offen anzugreifen und sein Land in einen Korruptionssumpf zu stürzen, hätten die vergangenen Jahre bereits klar gezeigt. Dass aber ausgerechnet die FPÖ mit jemandem koalieren wolle, der wie Orban nicht zuletzt auch österreichische Unternehmen in Ungarn drangsaliere, sei „ein neuer Höhepunkt der Falschheit“. *** red, ORF.at/Agenturen
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Ungarns EU-Ratsvorsitz: Furcht vor Dauerblockade
Unter dem Motto „Make Europe Great Again“ übernimmt Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orban am Montag turnusmäßig den EU-Ratsvorsitz. Eine klare Anlehnung an den Slogan „Make America Great Again“ von Ex-US-Präsident Donald Trump, mit dem sich Orban politisch durchaus verbunden sieht. Befürchtet wird eine Fortsetzung der langjährigen Blockadehaltung und das Durchschlagen politischer Präferenzen Orbans.
Alle sechs Monate hat ein anderes der 27 Mitgliedsländer den Vorsitz der Ministerräte inne. In der Praxis bedeutet das: eigene Interessen möglichst zurückstellen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten vermitteln. In den Augen der meisten EU-Partner ist das nicht gerade eine Kernkompetenz der rechtsnationalen Orban-Regierung. Zuletzt hatte Belgien diese Aufgabe.
„Die Präsidentschaft bedeutet nicht, dass man der Chef von Europa ist. Die Präsidentschaft bedeutet, dass Sie derjenige sind, der den Kompromiss machen muss“, gab der scheidende belgische Ministerpräsident Alexander De Croo Orban zuletzt mit auf den Weg. In einer Position zu sein, in der man einen Kompromiss eingehen müsse, sei eine interessante Situation. „Ich kann es Herrn Orban auf jeden Fall empfehlen.“
„Ganz normale Präsidentschaft“
Ungeachtet ungläubiger bis verstörter Reaktionen bei Bekanntwerden des Mottos der EU-Ratspräsidentschaft sprach der ungarische EU-Botschafter Balint Odor von einer „ganz normalen Präsidentschaft“. Den Vorwurf einer gezielten, kalkulierten Provokation wies er zurück, vielmehr wolle man ein „ehrlicher Makler“ sein und mit allen Staaten und Institutionen loyal zusammenarbeiten.
Die Präsidentschaft hat jedenfalls sieben Schwerpunkte festgelegt, wobei sie laut Fachleuten am ehesten beim Festzurren einer Vereinbarung zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit im Herbst erfolgreich sein dürfte. Bei der Umsetzung des EU-Asyl- und -Migrationspakts oder der Fortführung der gerade erst gestarteten EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine dürfte Ungarn hingegen eher auf der Bremse stehen. „Orban will mit jedem erweitern, außer mit der Ukraine“, sagte der ungarische Europajournalist Laszlo Arato – langjähriger Brüssel-Korrespondent mehrerer ungarischer Medien – gegenüber der APA.
Militärhilfen für Ukraine blockiert
Ungarn blockiert zudem die Auszahlung von weiteren Geldern an die Ukraine aus der Europäischen Friedensfazilität. Orban wirbt in diesem Zusammenhang im Inland damit – zuletzt auch im EU-Wahlkampf –, „gegen den Krieg“ und „für den Frieden“ zu sein, was in seinem Fall vor allem heißt, der Ukraine keinerlei militärische Hilfe – auch keine finanzielle – zukommen zu lassen.
Derzeit liegen europäische Militärhilfen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro für Kiew auf Eis. Kritiker und Kritikerinnen vermuten, Orban wolle damit milliardenschwere Fördergelder für sein Land freipressen, welche die EU im Rechtsstaatsstreit auf Eis gelegt hat. Im Dezember war ihm ein solches Manöver bereits gelungen.
Fokus auf Russland und China
Der ungarische Premier präferiert schon seit Langem den Westbalkan, vor allem Serbien, mit dessen Präsidenten Aleksandar Vucic er die enge Bindung an Russland und China teilt. In der EU machen die guten Kontakte nach Moskau und Peking und auch die Abhängigkeiten, in die Orban sich mit Verweis auf die wirtschaftlichen Interessen Ungarns begibt, allerdings keinen guten Eindruck.
Vor allem seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 gelten bis weit in das europäische Rechtsaußen-Spektrum hinein freundschaftliche Kontakte zu Russlands Präsident Wladimir Putin als Problem. Orban ließ die Sanktionspakete der EU gegen Russland bisher zwar in der Regel passieren, blockierte oder verzögerte allerdings immer wieder einzelne Elemente dieser Pakete.
„Unter Ungarns Ratsvorsitz wird es kein neues Sanktionspaket geben“, ist ein Diplomat überzeugt. Das bisher letzte wurde gerade noch rechtzeitig unter belgischem Vorsitz im Juni verabschiedet. Mit Ungarn drohe der EU „ein halbes Jahr Stillstand, Erpressung oder Blockade“, sagt der deutsche Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund – „vor allem bei den Themen Migration, Schutz des Rechtsstaats und der Unterstützung der Ukraine“.
Laufendes Rechtsstaatsverfahren
Doch hat Budapest auch seinerseits mit blockierten Geldern zu kämpfen, insbesondere wegen Anfragen aufgrund der Rechtsstaatlichkeit und des Korruptionsverdachts. Im April 2022 leitete die EU-Kommission den Rechtsstaatsmechanismus (Artikel-7-Verfahren) gegen Ungarn und das damals ebenfalls rechtsnational regierte Polen ein, der auch finanzielle Sanktionen beinhaltet.
Das Verfahren gegen Polen wurde im Mai nach dem Regierungswechsel und einer darauffolgenden Änderung der beanstandeten Rechtsnormen eingestellt. Die EU-Kommission blockiert bei Ungarn nach wie vor mehrere Milliarden, auch wenn sie im Dezember 2023 einen Teilbetrag von rund zehn Mrd. Euro nach einigen Änderungen im nationalen Recht freigab. Eine baldige Beendigung des Rechtsstaatsverfahrens ist nicht in Sicht.
Orban will Teil neuer rechter EU-Fraktion sein
Einen Tag vor Übernahme der Ratspräsidentschaft hielt sich Orban in Wien auf, um gemeinsam mit FPÖ-Chef Herbert Kickl und dem tschechischen Ex-Premier Andrej Babis die Gründung einer neuen rechten Fraktion im Europäischen Parlament anzukündigen. Die Gruppierung „Patriots for Europe“ („Patrioten für Europa“) zwischen FIDESZ, der FPÖ und der tschechischen ANO von Babis solle bald weitere Mitglieder bekommen, so der Tenor.
Im Zuge dessen wollen man zur „größten Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas“ aufsteigen, so Orban. Für die Bildung einer Fraktion wären Abgeordnete aus mindestens vier weiteren EU-Staaten nötig. Die neue Kooperation wirft die Frage auf, wie sich etwa der Rassemblement National (RN) der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen oder die kürzlich aus der rechten europäischen ID-Fraktion ausgeschlossene AfD jetzt gegenüber diesem Zusammenschluss verhalten.
red, ORF.at/Agenturen
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DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
Umfrage: BSW auf Rekordhoch – Linke verliert weiter
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) klettert in der Wählergunst auf einen Rekordwert. Im Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut INSA wöchentlich für die Bild am Sonntag ermittelt, kommt die Partei auf 9 Prozent (1 Prozentpunkt mehr als in der Vorwoche) – den bislang höchsten gemessenen INSA-Wert für das BSW. Stärkste Partei bleibt die CDU/CSU (30 Prozent), es folgen AfD (17 Prozent), SPD (15 Prozent) und Grüne (12 Prozent) mit unveränderten Werten zur Vorwoche. Die FDP liegt bei 6 Prozent (plus 1 Prozentpunkt), die Linke verliert weiter und kommt nur noch auf 2 Prozent (minus 1 Prozentpunkt) – der niedrigste gemessene INSA-Wert für die Partei.
Ökonomen warnen vor neuem außenpolitischen Kurs der AfD
Führende Wirtschaftswissenschaftler haben vor Bestrebungen einflussreicher AfD-Politiker gewarnt, sich von der EU und den USA abzukehren und sich stärker nach Russland und China zu orientieren.
„Eine Abkehr von USA und EU, um stärker mit China zu kooperieren, dürfte zu erheblicher politischer und ökonomischer Verunsicherung beitragen und auch langfristig mit großen Risiken einhergehen“, sagte Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, dem Handelsblatt.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sagte der Zeitung, sich stärker nach Russland und China zu orientieren, wäre der „größte Fehler“, den Deutschland politisch und wirtschaftlich machen könne. „Dies würde Deutschlands Abhängigkeit von China weiter erhöhen, autokratische Regime stärken und die Demokratie in Europa schwächen.“ Die Behauptung, Deutschland gewinne an Souveränität, indem es Europa schwäche und wichtige Kompetenzen auf nationale Ebene verlagert, sei „naiv und grundfalsch“.
Auch für den Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, führen die Vorschläge der AfD „so oder so wirtschaftlich in die Irre“. Die EU sei bei aller Unterschiedlichkeit der Mitglieder „ein Hort der Stabilität, der Demokratie und des Friedens“, sagte er dem Handelsblatt. „Das sind wichtige Bedingungen des ökonomischen Erfolgs.“
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN
WIFO: Inflation erst Mitte 2026 bei zwei Prozent
Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) rechnet damit, dass die Inflation in Österreich erst Mitte 2026 auf den Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent sinken wird.
Gegenüber 7,8 Prozent 2023 werde sich die Teuerung heuer auf 3,4 Prozent und 2025 auf 2,5 Prozent deutlich abschwächen, so die aktuelle Inflationsprognose.
Trotz des Rückgangs dürfte Österreich in der Gruppe der Länder mit den höchsten Inflationsraten im Euro-Raum bleiben, erwartet WIFO-Ökonom Josef Baumgartner. Unter anderem die Lohnentwicklung sei mitverantwortlich für die in Österreich seit 2023 höhere Inflation als im Euro-Raum, wo die Tariflohnsteigerungen deutlich verhaltener ausgefallen seien.
2024/2025 wird der WIFO-Prognose zufolge die Überwälzung von Lohnerhöhungen auf die Dienstleistungspreise der wichtigste Inflationstreiber sein. Daneben treiben Preisindexierungen bei Mieten, Mobilfunktarifen und Bankgebühren die Teuerung im Bereich der Dienstleistungen an.
Für die Jahre 2025 bis 2028 erwartet das WIFO eine Verlangsamung des Reallohnzuwachses, da sich der Abstand zwischen der rollierenden Inflation als Grundlage der Lohnforderungen und der erwarteten Inflation im Folgejahr verkleinern wird. *** red, ORF.at/Agenturen
Kalte Progression: Einigung bei „variablem Drittel“ erwartet
Die Koalitionsparteien dürften sich demnächst auf die Verteilung des bei der Abschaffung der kalten Progression entstandenen „variablen Drittels“ der Steuereinnahmen einigen.
Eine Lösung für 2025 werde noch vor der Sommerpause angestrebt, hieß es aus Verhandlerkreisen. Das Thema soll noch vor dem Wahlkampf gelöst werden. Herauskommen dürfte eine stärkere Anhebung der meisten Tarifstufen, eine Entlastung von Kleinunternehmen sowie höhere Absetzbeträge.
Die kalte Progression als schleichende Steuererhöhung wurde im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer 2023 abgeschafft. Seitdem werden die Steuerstufen jedes Jahr an die jeweilige Teuerung angepasst, damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Zuge der jährlichen Lohnerhöhungen nicht mehr in höhere Steuerstufen rutschen.
Die Anpassung der Tarifstufen erfolgt aber nur zu zwei Drittel automatisch. Auf die Verteilung der übrigen Mehreinnahmen muss sich die Regierung einigen. Im Vorjahr kam das variable Drittel vor allem niedrigen und mittleren Einkommen zugute. *** red, ORF.at/Agenturen
Radarkontrollen in „fremden“ Gemeinden möglich
Die Gemeinden können seit 1. Juli auf ihren Straßen leichter Geschwindigkeitskontrollen machen. Mit der Gesetzesnovelle können Sicherheitswachen einer Gemeinde auch in anderen Gemeinden Radarmessungen durchführen. Die Gemeinde Hard hat bereits Anfragen.
Mit 1. Juli tritt die Novelle der Straßenverkehrsordnung in Kraft. Damit ist es nun möglich, dass Sicherheitswachen auch in anderen Gemeinden zum Einsatz kommen können. In der Bodensee-Gemeinde Hard hat die Sicherheitswache seit zwei Jahren ein mobiles Radargerät im Einsatz. Das könne nun ausgeliehen werden, so Bürgermeister Martin Staudinger.
Mehr Sicherheit soll kommen
Die Gemeinde Hard, die eine Sicherheitswache hat, kann aufgrund der Gesetzesnovelle anderen Gemeinden, die keinen eigenen Wachkörper haben, anbieten, dort ihr Radargerät aufzustellen. Er hat bereits Anfragen aus anderen Gemeinden.
Staudinger geht davon aus, dass die Bevölkerung die Geschwindigkeitskontrollen akzeptieren werde. Schließlich würde sie etwa für mehr Sicherheit vor Kindergärten und Schulen führen. *** red, vorarlberg.ORF.at
LH-Vorsitz: „Einigkeit“ trotz Renaturierungsstreit
Mit 30. Juni endet Niederösterreichs Vorsitz im Bundesrat und in der Landeshauptleute-Konferenz. Dominierendes Thema war der Streit über das EU-Renaturierungsgesetz. Mikl-Leitner spricht in ihrer Bilanz dennoch von „Einigkeit“, die Österreich weitergebracht habe.
Niederösterreich übergibt am Mittwoch offiziell das politische Staffelholz in der Landeshauptleute-Konferenz an Oberösterreich. Das halbe Jahr des niederösterreichischen Vorsitzes war geprägt von den turbulenten Diskussionen rund um das umstrittene EU-Renaturierungsgesetz.
Nachdem Wien und Kärnten aus einem einstimmigen Beschluss der Länder ausgeschert waren, stimmte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) im EU-Ministerrat für das EU-Gesetz, und zwar gegen den Willen des Koalitionspartners ÖVP – mehr dazu in ÖVP droht Gewessler mit Konsequenzen (news.ORF.at; 16.6.2024).
Ehrenamt für Mikl-Leitner zentrales Thema
Die eigentlichen Themen des niederösterreichischen Vorsitzes rückten angesichts der Krise in der Regierungskoalition zuletzt in den Hintergrund. Mikl-Leitner hatte sich zu Beginn des Halbjahres vor allem für das Ehrenamt stark gemacht. Über die Stärkung des „Miteinanders“ wollte Mikl-Leitner u.a. „Migranten aus der Parallelgesellschaft“ holen – mehr dazu in NÖ übernimmt Vorsitz der LH-Konferenz (noe.ORF.at; 31.12.2023).
Verabschiedet wurde bei der Landeshauptleutekonferenz im April in St. Pölten schließlich eine Forderung für einen bundesweiten Versicherungsschutz für das informelle Freiwilligenwesen.
Mikl-Leitner: „Einigkeit hat Österreich weitergebracht“
Außerdem sprachen sich die Landeshauptleute in St. Pölten unter anderem für Lockerungen bei der Kreditvergabe, einen stärkeren Kampf gegen Antisemitismus und eine Abschwächung des Schutzstatus des Wolfes aus – mehr dazu in LH-Konferenz: Beschlüsse zu Wohnen und gegen Antisemitismus (noe.ORF.at; 3.4.2024).
Trotz der Uneinigkeit der Länder beim EU-Renaturierungsgesetz spricht Mikl-Leitner in ihrer Vorsitz-Bilanz von Einigkeit. „Die Einigkeit der Bundesländer über Parteigrenzen hinweg und zum Wohle unserer Landsleute ist ein unschätzbarer Wert, der Österreich auch in diesem Halbjahr weitergebracht hat“, so Mikl-Leitner gegenüber noe.ORF.at: „Diese Einigkeit ist aber keine Selbstverständlichkeit. Deswegen wird es für die Zukunft so wichtig sein, sie zu festigen und auszubauen.“
Bundesratspräsidentin mahnt mehr Respekt
Auch Bundesratspräsidentin Margit Göll (ÖVP) gibt ihren Vorsitz mit Ende des Monats an Oberösterreich ab. Göll hatte anlässlich der EU-Wahl ihre Präsidentschaft unter das Motto „Gemeinsam über Grenzen. Europa verbindet“ gestellt. Göll initiierte dafür eine Bundesratskonferenz für Jugendliche aus Österreich, der Slowakei und Tschechien im Parlament, bei der die Vorteile der EU für junge Menschen vermittelt werden sollten.
„Damit Jugendliche diese Vorteile und Möglichkeiten der EU voll ausschöpfen können, müssen sie auch gut informiert sein“, sagte Göll, die auch Bürgermeisterin der Gemeinde Moorbad-Harbach (Bezirk Gmünd) an der tschechischen Grenze ist.
Göll hielt ihre Abschiedsrede im Bundesrat bereits am Donnerstag. In Richtung Nationalratswahl appellierte die scheidende Präsidentin für eine gemäßigte Sprache und einen respektvollen Umgang miteinander über Parteigrenzen hinweg. „Wir müssen uns bewusst sein, dass unsere Äußerungen und unser Verhalten nicht nur unsere politischen Konkurrenten, sondern auch die Menschen in unserem Land beeinflussen“, so Göll. *** Tobias Mayr, noe.ORF.at
UMWELT
Tote bei Unwettern in der Schweiz und in Italien – und es regnet weiter
Mindestens vier Tote nach Unwettern in der Schweiz und Norditalien. Und ein Ende des Regens ist nicht in Sicht.
Bei Unwettern in der Schweiz und in Norditalien sind mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. Schwere Stürme und Starkregen hatten zu Überschwemmungen und Erdrutschen geführt.
Die Leichen von drei Menschen wurden nach einem Erdrutsch im italienischsprachigen Schweizer Kanton Tessin auf der Südseite der Alpen geborgen.
Nach heftigen Regenfällen, die das ganze Wochenende über Teile des Landes heimsuchten, wurden Menschen evakuiert, Brücken stürzten ein.
Weiter nördlich ist die Rhône in mehreren Gebieten des Wallis über die Ufer getreten und hat eine Autobahn und eine Bahnlinie überflutet.
Überschwemmungen, Unwetter und Erdrutsche trafen auch Regionen in Italien. Die Feuerwehren rückten zu zahlreichen Rettungseinsätzen aus. Dutzende Menschen mussten in der nördlichen Region Piemont evakuiert werden.
In der Nähe von Montanaro wurden zwei Erwachsene und ein drei Monate altes Mädchen gerettet, nachdem sie in den steigenden Fluten in ihrem Auto festsaßen. Mehrere Dörfer im Aostatal waren aufgrund von überlaufenden Bächen, Stürmen und Erdrutschen von der Außenwelt abgeschnitten.
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Unwetter: Erst Hagel, dann Starkregen in Waldkirchen
Nach dem verheerenden Hagelunwetter von Sonntag ist in der Nacht auf Montag erneut ein Gewitterschauer mit Starkregen über Waldkirchen (Bezirk Waidhofen/Thaya) gezogen. Auch eine Ortschaft der Nachbargemeinde wurde unterdessen zum Katastrophengebiet erklärt.
Neben den Katastralgemeinden Waldkirchen, Gilgenberg und Rappolz (Gemeinde Waldkirchen an der Thaya) wurde in der Nacht auf Montag auch Lexnitz (Gemeinde Dobersberg) zum Katastrophengebiet erklärt. Das Hagelunwetter von Sonntagnachmittag hat in den Ortschaften zum Teil nahezu jedes Haus beschädigt.
Feuerwehr und Hilfskräfte versuchten bis in die Nacht hinein die Gebäude mit Planen abzudecken. Von insgesamt 145 betroffenen Objekten konnten bis zum späten Sonntagabend 55 gesichert werden, so Feuerwehrsprecher Stefan Mayer gegenüber noe.ORF.at am Montag.
Erneut Gewitter mit Starkregen
Für zusätzliche Schwierigkeiten sorgte ein weiterer Gewitterschauer am späten Sonntagabend. „Das war zum Glück nur Starkregen, kein Hagel mehr“, sagt Mayer. Ein paar Minuten lang hätte es stark geschüttet, die Arbeiten wurden dennoch fortgesetzt. Das Wasser sei in vielen Häusern ungeschützt in die Wohnräume eingedrungen und habe erheblichen Schaden angerichtet, hieß es.
Die Katastralgemeinden Lexnitz und Rappolz wurden am heftigsten vom Hagelunwetter getroffen, in beiden Ortschaften gelten 100 Prozent der Gebäude als beschädigt. In Rappolz konnten von 50 Gebäuden zehn gesichert werden, 40 waren Montagfrüh noch nicht abgedeckt.
In Lexnitz wurden 32 Gebäude beschädigt, alle konnten noch am Sonntag provisorisch abgedichtet werden. In Gilgenberg konnte von insgesamt 16 beschädigten Häusern die Hälfte gesichert werden. In Waldkirchen wurden zwölf Gebäude abgedichtet, 40 weitere waren Montagfrüh noch offen.
Priorität auf Wohnhäuser
Bis Sonntagabend wurden insgesamt knapp 70.000 Quadratmeter Plane in die beiden betroffenen Gemeinden geliefert, davon stammen rund 45.000 Quadratmeter aus dem Katastrophenhilfslager des Bezirks Waidhofen an der Thaya, 20.000 Quadratmeter aus dem Feuerwehr- und Sicherheitszentrum in Tulln und weitere Flächen von Nachbarbezirken sowie Privatfirmen. „Damit ist insgesamt das Notwendigste abgedeckt“, so Mayer.
Die Abdeckung der betroffenen Gebäude wurde Montagfrüh wieder aufgenommen. Die Priorität liege auf den Wohnhäusern, so Mayer. Bei den landwirtschaftlichen Dachflächen konzentriere man sich pro Hof auf ein Gebäude, in dem Maschinen und Ernte vorübergehend untergebracht werden können.
Land kündigt Hilfe aus Katastrophenfonds an
Vonseiten des Landes wurde Hilfe aus dem Katastrophenfonds zugesagt. „Das Wichtigste ist, dass bei diesen schweren Unwettern keine Menschen verletzt wurden“, betonte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Bereits am Dienstag werde sich die Landesregierung mit Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Gemeinden befassen, kündigte sie laut Landespressedienst an.
„Danke auch an die vielen Firmen und Privaten, die kurzfristig Planen und Material zur Soforthilfe zur Verfügung gestellt haben“, wurden Mikl-Leitner und ihr Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) zitiert.
Eine genaue Schadensbilanz lag bis Sonntagabend noch nicht vor. Die Schadenskommission der beiden Gemeinden nehmen am Montag ihre Arbeit auf. Neben dem Bezirk Waidhofen an der Thaya waren auch die Bezirke Horn und Gmünd von dem Hagelunwetter betroffen. Die Hagelversicherung rechnete am Sonntag mit einem Schaden von rund 1,6 Millionen Euro. Betroffen seien Getreide, Mais, Raps und Grünland. *** red, noe.ORF.at
Ausbruch durch Trinkwasser? Norovirus plagt Hunderte Dorfbewohner am Gardasee
In den letzten Tagen müssen zahlreiche Menschen in einer Ortschaft am Gardasee wegen Magen-Darm-Beschwerden ins Krankenhaus. Inzwischen ist klar: Im Dorf grassiert das Norovirus. Dass sich der Erreger so schnell verbreiten kann, liegt möglicherweise am Trinkwasser.
Malerisch am Gardasee gelegen bietet die kleine Ortschaft Torri del Benaco eigentlich alles für einen unbeschwerten Italien-Urlaub. Aktuell werden die Menschen im Dorf allerdings reihenweise mit Magen-Darm-Beschwerden ins Krankenhaus eingeliefert. Der Grund ist das in der Bevölkerung grassierende Norovirus, wie unter anderem die Zeitung „La Republica“ berichtet.
Hunderte litten dem Bericht zufolge in den vergangenen Tagen an Symptomen wie Erbrechen, Übelkeit, Bauchkrämpfen und Fieber. Viele von ihnen wurden in die Klinik von Peschiera del Garda eingeliefert. Die Zeitung „Il Giornale“ spricht von bis zu 300 Menschen, die sich ärztlich behandeln ließen. Das wäre etwa jeder zehnte Einwohner des Dorfes.
Die Häufung der Fälle rief die Behörden auf den Plan, die Stuhlproben der Betroffenen entnahm. Schnell wurde klar, dass sie alle sich mit dem hochansteckenden Norovirus infiziert hatten. Der Erreger verursacht einen plötzlich auftretenden Brechdurchfall. Nach bis zu zwei Tagen klingen die Symptome wieder ab. Auch in Deutschland hatte es zuletzt Fälle von Norovirus-Ausbrüchen gegeben, etwa auf Frühlingsfesten in Stuttgart und München.
Ort führt Hygienemaßnahmen ein
Wie sich so viele Einwohner von Torri del Benaco anstecken konnten, ist noch nicht abschließend geklärt. Da sich das Virus über kontaminierte Lebensmittel und Wasser verbreiten kann, wird der Ursprung des Ausbruchs in der Wasserversorgung vermutet. Per Verordnung hat Bürgermeister Stefano Nicotra am Freitag darum die Trinkwasser-Nutzung verboten.
„Nicht für den persönlichen oder alimentären Gebrauch verwenden, bis eine weitere Mitteilung erfolgt“, schreibt Nicotra auf Facebook. Die Bewohner sollen nur abgefülltes Wasser verwenden und Hygienemaßnahmen einhalten. Darunter fällt gründliches Händewaschen und das Desinfizieren von Gegenständen. Auch die Wasserleitungen im Ort wurden mit Chlor desinfiziert.
Laut „La Republica“ könnte der Anstieg des Gardasees etwas mit der vermuteten Kontaminierung zu tun haben. Nach heftigen Regenfällen liegt der Pegel deutlich über dem gewöhnlichen Stand zu dieser Jahreszeit. Möglicherweise ist das Abwassersystem überlastet. Erst diese Woche musste ein Strand am Gardasee wegen einer Verunreinigung mit Bakterien gesperrt werden. *** Quelle: ntv.de, mdi
BILDUNG – UNIVERSITÄTEN
Aus für Mensen trifft Uni Innsbruck schwer
Alle vier Mensastandorte an der Universität Innsbruck stehen derzeit vor der Schließung. Bei der Uni und der ÖH sorgt das für viel Kritik, unter anderem wegen der kurzfristigen Bekanntgabe. Grund für das Aus ist die wirtschaftliche Lage, wie die Betreiberfirma mitteilte. Teilweise sei aber schon eine Lösung in Aussicht.
Für manche Studierende oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Innsbruck sorgte die Mitteilung für große Verwunderung: Das Café UBI-Chat am Campus Innrain schloss mit vergangenem Freitag, 28. Juni, seine Pforten. Auf einem kleinen Zettel an der versperrten Tür war die knappe Information der Betreiberfirma zu lesen. Die Österreichische Mensen Betriebsgesellschaft m.b.H. habe aus wirtschaftlichen Gründen beschlossen, ihre Standorte an der Uni Innsbruck nicht länger fortzuführen.
Für viele galt das UBI-Chat am Campus Innrain genauso wie andere Mensa-Standorte seit vielen Jahren als zentraler Treffpunkt – sei es für einen schnellen Kaffee, ein Mittagessen oder einen kurzen Austausch. Damit ist jetzt bis auf weiteres Schluss. Nachdem die Mensa im Centrum für Chemie und Biomedizin (CCB) bereits Ende Mai zugesperrt hatte, sind nun das UBI-Chat sowie die Mensa auf der Technik an der Reihe. Ende Juli folgt schließlich die Kantine in der SOWI. Nur der Standort an der Pädagogischen Hochschule Tirol (PHT) wird weiterhin betrieben.
Wirtschaftliche Flaute ausschlaggebend
„Das veränderte Kundenverhalten und die in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Kosten lassen einen kostendeckenden Betrieb der betroffenen Standorte nicht mehr zu“, teilte Andreas Kabela auf Anfrage gegenüber dem ORF Tirol mit. Der Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft (ÖMBG) meinte, dass die Standorte nachhaltig negative Ergebnisse erzielten.
Laut Kabela sind viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mensen saisonal beschäftigt. Zehn Personen mussten gekündigt werden. Mit den Betroffenen werde individuell an einer Lösung gearbeitet. Für das Vorgehen sei man in Abstimmung mit dem AMS und dem Betriebsrat der ÖMBG. Die Mensa-Gesellschaft ist eine 100-prozentige Tochterfirma des Wissenschaftsministeriums.
Für ÖH-Vorsitzende „besorgniserregend“
Über mehrere Jahrzehnte nahm die Österreichische Mensen Betriebsgesellschaft die Versorgung an der Universität Innsbruck wahr. Nicht nur die rund 30.000 Studierenden und die über 5.000 Beschäftigten der Uni, sondern auch externe Gäste profitierten vom verhältnismäßig günstigen Angebot.
Dass sich die Betreiberfirma nun zurückzieht, kam für die Universität Innsbruck und die Studierendenvertretung ÖH sehr überraschend. „Uns hat die Mensa nicht in ihre Pläne eingeweiht“, ärgerte sich Sophia Neßler, Vorsitzende der ÖH Innsbruck. „Wir haben es von der Uni erfahren, was ich durchaus als problematisch ansehe.“ Immerhin hat die Hochschulvertretung mit dem „Mensabon“, das heißt einer Ermäßigung für Studierende, einen Vertrag mit der ÖMBG.
„Wir finden es auch besorgniserregend, dass sie diesen Schritt gegangen sind und sie Studierende in Innsbruck so zurücklassen“, so Neßler. In der Landeshauptstadt seien die Lebenskosten extrem hoch. Deshalb brauche es Angebote wie die Mensa, die für leistbares Essen steht. Jetzt stehe man vor einer schwierigen und ungewissen Zeit. Die ÖH sei aber bemüht, Lösungen zu finden und befinde sich in engem Austausch mit der Universität.
Ersatz teilweise erst in mehreren Monaten
Auch die Verantwortlichen der Universität wurden mit der Information der Schließung am falschen Fuß erwischt. Die Uni sei sehr kurzfristig in Kenntnis gesetzt worden, erzählte Sprecher Uwe Steger. „Generell trifft uns das sehr, jetzt müssen wir schauen, wie man das löst und neue Partner findet.“ Angesichts des allgemeinen Personalmangels werde es aber schwierig sein, einen Ersatz aufzustellen.
Zu dieser Kritik entgegnete Mensen-Geschäftsführer Kabela, dass die Schließung der Standorte mit der Universität akkordiert worden sei. Außerdem konnte man in zwei der vier Fälle schon eine Lösung finden und konkrete Termine für eine Neueröffnung fixieren. Nach Sanierungs- und Umbauarbeiten werde das UBI-Chat am 1. Dezember wiedereröffnet. Ab dann würde die Universität Innsbruck Gastronomiebetriebe GmbH den Betrieb leiten. Dasselbe gilt für die Mensa an der SOWI. Die Wiedereröffnung durch die Tochterfirma der Uni sei nach aktuellem Stand für Anfang Februar 2025 geplant.
„An Lösungen wird mit Hochdruck gearbeitet“
Für die Kantine an der Technik erfolge erst die Ausschreibung für einen neuen Betreiber. Und für das CCB werde derzeit nach einem Nachfolger gesucht. „An den Lösungen für diese beiden Standorte wird mit Hochdruck gearbeitet“, versicherte Kabela.
Aufgrund der vorlesungsfreien Zeit dürfte es an der Uni Innsbruck über den Sommer ohnehin ruhiger zugehen. Spätestens ab Oktober wird die Nachfrage nach einem breiten gastronomischen Angebot wohl wieder deutlich nach oben gehen. Denn dann starten zahlreiche Studierende und Beschäftigte in ein neues Semester. *** Benedikt Kapferer, tirol.ORF.at
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GESELLSCHAFT
Hunderte trotz Verbots bei Pride-Parade in Istanbul
Im türkischen Istanbul sind gestern trotz eines Verbots Hunderte Menschen bei einer Pride-Parade für die Rechte von LGBTQ-Menschen auf die Straße gegangen. Der diesjährige Marsch ging ohne Zusammenstöße oder Polizeigewalt vonstatten, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP von dort berichteten. Allerdings gab es zahlreiche Festnahmen.
Die Protestierenden mieden den von der Polizei abgesperrten zentralen Taksim-Platz und marschierten mit Regenbogenflaggen rund zehn Minuten über eine Straße, bevor sie sich zerstreuten. „Eure Tausenden Polizisten, Hubschrauber und Verbote werden uns nicht aufhalten. Jede Straße in dieser Stadt gehört uns“, erklärten die Organisatoren des Marschs.
Nach einer aufsehenerregenden Pride-Parade in Istanbul im Jahr 2014 mit mehr als 100.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen hatten die türkischen Behörden die Veranstaltung in den vergangenen Jahren immer verboten, offiziell aus Sicherheitsgründen. Auch wenn Homosexualität in der mehrheitlich muslimischen Türkei nicht strafbar ist, wettert Präsident Recep Tayyip Erdogan immer wieder gegen Schwule, Lesben und Trans-Menschen. *** red, ORF.at/Agenturen
KULTUR – LITERATUR
«Zu Hitler habe ich keine Meinung», sagt Erich Maria Remarque 1930 und geht dann doch ins Exil nach Ascona
Mit dem Roman «Im Westen nichts Neues» hat Remarque ohne Absicht die Bibel der Pazifisten geschrieben. Das Buch machte ihn bei den Nazis verhasst. Heute ist es ein Weltbestseller.
Dies ist die Geschichte eines Zeitungsredaktors, der 1929 über Nacht zu märchenhaftem Ruhm und Reichtum gelangte. Der nebenher ein persönliches Buch zu schreiben glaubte und damit Millionen von Lesern bewegte. Es ist die Geschichte eines Mannes, der mit Politik nichts zu tun haben wollte, der dennoch wie nur wenige andere mit seinen Büchern Politik gemacht hat. Und es ist die Geschichte eines Emigranten der Luxusklasse, der sich lieber als «Weltbürger – par force majeure und beinahe wider Willen» bezeichnete.
Wäre es nach den Nationalsozialisten gegangen, Erich Maria Remarque hätte entweder auf ihrer Seite stehen – oder dann tot sein sollen. Noch zwei Jahre nachdem seine Bücher verboten und am 10. Mai 1933 in Berlin verbrannt worden waren, suchte ihn ein Abgesandter von Reichsminister Hermann Göring im Tessin auf, wohin er ins Exil gegangen war. Man wollte ihn zur Rückkehr nach Deutschland bewegen. Ob es eine Falle war, um seiner habhaft zu werden, oder ob man ihn ernsthaft für das Regime rekrutieren wollte, ist unbekannt. Remarque widerstand.
Vermutlich wäre ihm in Berlin sofort der Prozess gemacht worden. Wie gross der Hass der Nationalsozialisten auf Remarque war, zeigte sich 1943, als dessen Schwester Elfriede nach einer Anklage wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Der Präsident des Volksgerichtshofs liess während des Prozesses keinen Zweifel daran, dass man an ihr Rache zu nehmen gedachte: «Ihr Bruder ist uns leider entwischt, Sie aber werden uns nicht entwischen.»
Verwundet an der Westfront
Der etwas spleenige Zeitungsredaktor Erich Maria Remarque, geboren 1898, wird selber am meisten erstaunt gewesen sein darüber, dass er in kürzester Zeit und ohne Absicht zum bedeutenden Staatsfeind wurde. Als er im Herbst 1927 seinen vierten Roman zu schreiben begann, hatte der damals 29-Jährige jedenfalls wenig bis nichts vorzuweisen, was ihm zu solchem Ruhm hätte verhelfen können.
Bis dahin waren seine Schriften durch unappetitliche völkische Schwärmerei aufgefallen, und er selbst gockelte als Exzentriker durch Berlins Strassen: Melone und Monokel gehörten zu Remarques Requisiten der Selbstdarstellung, ausserdem hatte er sich einen Adelstitel gekauft, und seinen bürgerlichen Namen Remark schmückte er mit einer französischen Girlande. Doch seine Ambition war bis dahin stets grösser gewesen als sein literarisches Talent.
Zehn Jahre zuvor war er blutjung an der Westfront verwundet worden. Granatsplitter hatten ihn an Bein und Arm verletzt, weiter hatte er einen Halsdurchschuss erlitten, insgesamt nichts Gravierendes, und doch dauerte der Aufenthalt im Lazarett lange genug, so dass der Krieg danach vorbei und er gerettet war. Das Schreckensbild im Rücken des Kriegsgeschehens war ihm eine Seh- und Lebensschule: «Erst das Lazarett zeigt, was Krieg ist.» Dieser lapidare und gerade darum bestürzend genaue Satz gelingt ihm nun, da er an seinem neuen Roman schreibt.
Ein halbes Jahr braucht er für die Niederschrift. Dann fällt am Ende des Buches die Hauptfigur tödlich verwundet ins Grab. Und wiederum hält der Roman das Ereignis in einem lakonischen Satz fest, mit dem zugleich der emblematische Buchtitel in die Welt kommt: «Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.»
Schon im Frühjahr 1928 schickt Remarque das fertige Manuskript an den Verlag S. Fischer, wo auch die Bücher von Thomas Mann und Hermann Hesse erscheinen. Halb wird er geahnt haben, dass ihm etwas Besonderes gelungen ist, halb wird ihn der Geltungsdrang veranlasst haben, den Roman einem der renommiertesten Verlage Deutschlands anzubieten. Samuel Fischers Absage kommt fast postwendend. Es ist vermutlich die teuerste Fehlentscheidung in der Geschichte der deutschen Verlage.
Über einen Bekannten geht das Manuskript danach an die Verlagsgruppe Ullstein. Dann geht es schnell. Ende August erhält Remarque den unterzeichneten Vertrag. Ullstein ist überzeugt von dem Manuskript und überlässt darum nichts dem Zufall. Eine beispiellose Werbekampagne begleitet die Veröffentlichung von «Im Westen nichts Neues».
Von November bis Dezember veröffentlicht die «Vossische Zeitung», die zum Ullstein-Konzern gehört, den Roman in Fortsetzungen. Während Wochen ist die Zeitung jeden Tag ausverkauft. Ab Jahresbeginn 1929 kündigt der Verlag die bevorstehende Auslieferung des Buchs mit einem Countdown an: Jeweils während einer Woche hängen an der immergleichen Stelle Plakate an den Litfasssäulen. In der ersten Woche heisst es bloss: «Er kommt!» In der Woche darauf: «Der grosse Kriegsroman.» Dann: «Im Westen nichts Neues». Schliesslich, in der letzten Januarwoche: «Von Erich Maria Remarque.»
Dann ist das Buch am 29. Januar 1929 draussen. Zeitweilig werden 15 000 Exemplare täglich verkauft. Der logistische Aufwand ist enorm. Bis zu sieben Druckereien und Bindereien sind gleichzeitig für den Verlag tätig, gelegentlich drohen Papier und Leinen auszugehen. Als die Marke einer halben Million verkaufter Exemplare erreicht ist, schenkt Ullstein seinem Autor einen Lancia. Im Juni 1930 überschreitet die verkaufte Auflage die Millionengrenze. …
Es folgen eine Reihe Beschreibungen und Eindrücke zu Remarque, sein Leben wird nachgezeichnet bis zu seinem Tod.
Mehr dazu unter Erich Maria Remarque (1898-1970) auf WIKIPEDIA
COMMENT: Der sehr lange, hier teilweise wiedergegebene Artikel der Neuen Zürcher Zeitung zeichnet sich durch Verzerrungen aus und versucht, Remarque als Opportunisten, puren Lebemann und unkritischen Zeitgeist darzustellen, dem Pazifismus so gut wie ein Fremdwort war. Ob das zu Recht geschieht?
Ausgeblendet wird die französische Herkunft des Geburtsnamens Remark: aus Remacle im Französischen wurde Remarque, der Nachname seines Urgroßvaters. Den hat sich Remarque, will man dem Autor glauben, aus purer Eitelkeit oder gierigem Geschäftssinn zugelegt. Vielleicht. Aber den Hintergrund zu verschweigen ist auch nicht die feine englische Art.
Die meisten der Romane Remarques befassen sich mit den schaurigen Seiten des Krieges und seiner unglückseligen Folgen.
„Der schwarze Obelisk“ thematisiert die Hochinflationszeit um 1923 und das Alltagsleben.
„Der Funke Leben“ schildet den erschreckenden Alltag in einem deutschen KZ – mit offenbar sorgfältig recherchierten Details und zu einer Zeit – 1952 –, da man in Deutschland nichts von KZs und Kriegsverbrechen wissen wollte, Mittäterschaften im Dritten Reich eilig zu vergessen versuchte.
„Drei Kameraden“ schildert das Schicksal heimgekehrter Erster-Weltkriegs-Soldaten, die sich in der Nachkriegswelt nicht mehr zurechtfinden – ein Thema aller Kriege. Auch hier ist der Romanausgang in düsteren Farben gemalt, die Verhältnisse ebenfalls gut recherchiert.
Ein Pazifist und Kriegsgegner hat diese Bücher nicht geschrieben, sondern der Lebemann und Meister der Promiskuität Remarque, nicht wahr?
Trivialliteratur? Ja, mag sein. Remarque griff sehr wohl sehr kritisch Themen der Zeit auf und verarbeitete sie schriftstellerisch: in klaren Sätzen eingängig, leicht fasslich die Geschichten. Ganz ähnlich und doch ganz anders als es der Wiener Johannes Mario Simmel (1924-2009) tat, der als ehemaliger Regiebuchschreiber und Sternreporter brennende Zeitthemen zum Sujet seiner Romane machte.
Immerhin: ein Symposion gar befasste sich mit der Frage, ob Simmel Autor von Trivialliteratur sei und gelangte zu unterschiedlichen Erkenntnissen. Trivialliteratur! Pfui gack aber auch.
Trivialliteratur: eine Literatur, die im Gegensatz zur Hochliteratur Verhältnisse einfach, gut verständlich und leicht zu erfassen darstellt, ist diese nur deshalb minderwertig? Sind Remarques Romane Trivialliteratur, die vereinfacht und schematisch-schwarzweißmalend große Themen verkitscht zu gutem Ende führen, wenn sie schriftstellerisch gekonnt Tod, Elend, Ungerechtigkeit zum Inhalt haben und keineswegs immer gut enden?
Von alle dem ist im NZZ-Artikel nichts zu lesen. Hauptsache, man kann eine Ikone vom Sockel stoßen, das scheint den Autor zum Schreiben motiviert zu haben.
Wie auch immer: der Artikel zeigt Gegebenheiten zu Remarque auf, die ihn in kritischem, vielleicht zu kritischem Licht erscheinen lassen. „Zu Hitler habe ich keine Meinung“, wird er zitiert. Was wäre gewesen, hätte er eine Meinung gehabt, was?
Zudem: der durch den Bestseller „Im Westen nichts Neues“ zu Reichtum gelangte Autor war nicht nur Lebemann, promisker Liebhaber aus Passion und getriebener Vielreisender, wie uns der NZZ-Artikel erzählt, er schrieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg einige Romane, sechs an der Zahl. Während des Weltkriegs verfasste er einen Roman. Da nehmen sich die vier Romane in der Zwischenkriegszeit geradezu mickrig aus. Über diese Produktionsleistung ist im Artikel nicht viel zu lesen.
Und wie war das doch gleich mit dem Streit um das Schicksal deutscher Literaten in der NS-Zeit, der auf die Exilliteratur – die armen Vertriebenen! – und die in die innere Emigration Gegangenen, in Deutschland Gebliebenen – die bösen, im Stillen verharrenden Opportunisten! – zielte?
Aus heutiger Sicht lässt sich so einiges verurteilen. Sicher! In vor politischer Verfolgung sicheren Zeiten lässt es sich gemütlich im warmen Lehnstuhl Kritiken schreiben.
Wie sahen ihn andere gemäß Wikipedia:
Marcel Reich-Ranicki schrieb über Remarque, dass dessen Prosa zwar nicht durch künstlerische Originalität, aber durch handwerkliches Können geprägt sei und genau den Nerv der Zeit getroffen habe. Obwohl Remarque Stoffe gewählt habe, die als unpopulär galten, habe er mit jedem seiner Bücher hohe Auflagen erzielt. Er habe immer nur geschrieben, was und wie es ihm gefiel, und eben das wollte das Publikum haben.
Für Wilhelm von Sternburg war Remarque ein „ungemein genauer Beobachter seiner Zeit […], ein radikaler Deuter der Politik, ein Menschenfreund, der auf Distanz blieb“.
Romane (ohne nachgelassene Werke)
- Die Traumbude. Ein Künstlerroman. Verlag der Schönheit, Dresden 1920 (noch als Erich Remark).
- Im Westen nichts Neues. Propyläen (Ullstein), Berlin 1929.
- Der Weg zurück. Propyläen (Ullstein), Berlin 1931.
- Drei Kameraden. Querido, Amsterdam 1938.
- Liebe deinen Nächsten. Querido/Bermann-Fischer, Amsterdam/Stockholm 1941.
- Arc de Triomphe. Micha, Zürich 1946.
- Der Funke Leben. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1952.
- Zeit zu leben und Zeit zu sterben. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1954.
- Im selben Jahr auf Englisch unter dem Titel A Time to Love and a Time to Die im Verlag Harcourt Brace in New York veröffentlicht.
- Der schwarze Obelisk. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1956.
- Der Himmel kennt keine Günstlinge. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1961.
- Die Nacht von Lissabon. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1962.
UNTERNEHMEN
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