Tagesblick – 4.6.2024 Dienstag

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FAZIT DES TAGES

Unsere Träume können wir erst dann verwirklichen, wenn wir uns entschließen, daraus zu erwachen.
Josephine Baker, 1906-1975, US-gebürtige Tänzerin, Schauspielerin, Sängerin, Banananröckchen-Tanz 1927 in Paris, 1937 Annahme der französischen Staatsbürgerschaft, Mitglied des französischen Widerstands.

COMMENT – FAZIT:

  • Israel-Hamas-Krieg: verhärtete Fronten? USA und G7 dringen auf Annahme des Deals und fordern Hamas dazu auf. Israel bleibt bei seinen Kriegszielen. Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung gegen weitere Angriffe auf Gazastreifen
  • Ukraine-Krieg: Hoffnungen auf westliche Waffen im gezielten Einsatz auf russischem Gebiet. Dreht sich die Lage zu Gunsten der Ukraine?
  • Gemischte Wirtschaftsnachrichten für USA, China und Europa mit positivem Beiklang. Leicht vermehrte Hoffnungen auf besseren Wirtschaftsgang – Stimmungsaufhellungen.
  • Österreich: verbrennt die Verbrennerfrage die ÖVP? Oder: Fischen im Teich des Nachbarn?

Märkte

Israel, Ukraine

Meldungen

Themenreigen – Umwelt: Festhalten am Verbrenner gefährdet Klimaziele u.a., Technologie: Atomstrom – nein danke 2.0, KI: gefährliche Algorithmen, Internet: Tiktok und seine User in den Krallen von Peking, Social Media: zum x. Male Gefährlichkeit für psychische Gesundheit für Jugendliche und Erwachsene in Studie erwiesen, Medie: rechtliche Fallstricke für öffentlich-rechtlichen Sender ORF u.a., Gesellschaft: Deutsche lehnen Maßnahmen gegen das Auto ab, Demographie: weiter alternde und schrumpfende Bevölkerung Europas, Menschen: Bundeskanzlerin a.D. Bierlein und Archäologin Ladstätter verstorben

Unternehmen: FTI Touristik insolvent

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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!

HELLMEYER-Report (gekürzt)

Wie angekündigt nicht eingelangt

MÄRKTE

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

07:28MÄRKTE ASIEN/Börsen überwiegend mit leichten Abgaben204Dow Jones News
06:19EUREX/Bund-Future im Frühhandel knapp behauptet199Dow Jones News
06:16EUREX/DAX-Future im frühen Handel knapp behauptet264Dow Jones News
MoNACHBÖRSE/XDAX -0,2% auf 18.575 Pkt – T-Aktie schwach541Dow Jones News
MoMÄRKTE USA/Etwas fester – Sinkende Zinsen helfen Aktien kaum480Dow Jones News
MoAktien New York Schluss: Keine klare Richtung zu Monatsbeginn471dpa-AFX
MoUS-Anleihen bauen Kursgewinne nach schwachen Konjunkturdaten aus514dpa-AFX
MoDevisen: Euro klettert nach schwachen US-Daten auf Hoch seit März372dpa-AFX
MoROUNDUP/Aktien Europa Schluss: EuroStoxx 50 im Plus – London verliert leicht427dpa-AFX
MoAktien Schweiz wenig verändert – Festerer Franken bremst325Dow Jones News
MoAktien Europa Schluss: Eurozonen-Leitindex im Plus – London verliert leicht331dpa-AFX
MoAktien Wien Schluss: Leitindex ATX gewinnt zum Monatsauftakt moderat314dpa-AFX
MoDax zum Wochenbeginn stärker – Anleger hoffen auf Erholungskurs293dts Nachrichtenagentur

ISRAEL

n-tv aktuell ISRAEL

04.06.2024 03:37

Zustimmung bei 33 Prozent Mehr als jeder Zweite kritisiert Israel-Vorgehen im Gazastreifen

Noch immer zieht sich der Krieg im Gazastreifen hin. Israels Kampf gegen die Hamas führt zu einer desaströsen Lage der Zivilisten vor Ort. Eine Umfrage zeigt nun, wie die deutsche Bevölkerung auf die komplexe Situation blickt.

03.06.2024 13:46

Reaktion auf Krieg in Gaza Malediven wollen Israelis Einreise verbieten

Die Malediven sind zwar klein, aber für viele Menschen ein Sehnsuchtsort, 2023 auch für rund 11.000 Israelis. Das könnte für sie jedoch der zunächst letzte Urlaub auf der Inselgruppe gewesen sein. Das Land will ihnen die Einreise verweigern. Grund ist Israels Vorgehen im Gazastreifen.

03.06.2024 13:45

In Geiselhaft der Hamas vermutet Israel meldet Fund von totem Sanitäter in Kibbuz

Am 7. Oktober will Dolev Jehud offenbar den Opfern des Großangriffs der Hamas helfen. Als der Sanitäter verschwindet, wird er in der Gefangenschaft der Hamas vermutet. Nun entdeckt das Militär seine Leiche, allerdings in Israel. Seine Schwester wird noch vermisst.

n-tv aktuell Nahost-Konflikt

NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL  

ROUNDUP: USA und G7 drängen auf Gaza-Abkommen – Nacht im Überblick

GAZA/TEL AVIV (dpa-AFX) – Nach dem von US-Präsident Joe Biden bekannt gemachten Plan für ein Abkommen zur Beendigung des Gaza-Krieges will sich Israels wichtigster Verbündeter die Rückendeckung des Weltsicherheitsrates sichern. Die USA brachten am Montag eigenen Angaben zufolge eine entsprechende Resolution ein. Der Rat müsse mit einer Annahme der Beschlussvorlage darauf bestehen, dass die islamistische Hamas das Abkommen inklusive der Freilassung der Geiseln akzeptiere. Die G7-Gruppe stellte sich demonstrativ hinter das von Biden vorgestellte Angebot für ein Abkommen, dem Israel bereits zugestimmt haben soll. Man unterstütze den Plan „voll und ganz“, da er zu einem dauerhaften Ende der Krise führe, hieß es in einer am Abend veröffentlichten Mitteilung der italienischen G7-Präsidentschaft.

Netanjahu: Keine Waffenruhe ohne Erfüllung unserer Bedingungen

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu weckte jedoch Zweifel, ob es zu einer Einigung mit der Hamas kommen wird. „Die Behauptung, dass wir einer Waffenruhe zugestimmt haben, ohne dass unsere Bedingungen erfüllt werden, ist nicht richtig“, sagte Netanjahu am Montag nach Angaben seines Büros zu Bidens Vorstoß. Ein ranghoher israelischer Beamter sagte dem Sender NBC News, Biden habe Israels Vorschlag „nicht akkurat“ wiedergegeben. Biden selbst sieht ihn jedoch als „bestmögliche Gelegenheit für eine Einigung“ in den festgefahrenen Verhandlungen. Der US-Präsident habe im Telefonat mit dem katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani die Bereitschaft Israels bekräftigt, sich auf die Bedingungen einzulassen, die der Hamas jetzt angeboten worden seien, teilte das Weiße Haus mit.

Israel: Vier Geiseln in Hamas-Gefangenschaft getötet

Netanjahu hatte allerdings am Samstag deutlich gemacht, dass sich Israels Bedingungen für ein Ende des Krieges nicht geändert hätten: die Zerstörung der Hamas und die Freilassung aller Geiseln. Vier von der Hamas entführte Geiseln sind nach israelischen Informationen in der Gefangenschaft getötet worden. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari teilte am Montag mit, die vier Männer seien vor mehreren Monaten in Chan Junis im Süden des Gazastreifens ums Leben gekommen. Die genauen Umstände waren zunächst unklar. Es wird befürchtet, dass ein Großteil der 124 Geiseln, die noch in Gaza festgehalten werden, tot ist.

Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. Am Freitag hatte Biden dann überraschend Details eines Entwurfs für einen Deal in drei Phasen präsentiert. Netanjahus rechtsreligiöse Koalitionspartner drohen seither mit dem Platzen der Koalition, sollte sich Israel auf den Deal einlassen. Netanjahu habe am Montag im Parlament hinter verschlossenen Türen gesagt, der Wortlaut des Vorschlags ermögliche es Israel, die Kämpfe wiederaufzunehmen, falls Gespräche über eine dauerhafte Waffenruhe in einer späteren Phase nicht vorankommen, zitierte das „Wall Street Journal“ einen Beamten.

USA: Israels Angebot Ergebnis intensiver Diplomatie

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, John Kirby, betonte am Montag, dass es sich bei dem auf dem Tisch liegenden Vorschlag um einen der israelischen Seite handele und er „das Ergebnis intensiver Diplomatie“ sei. Biden habe „ihn treffend beschrieben und jetzt liegt es an der Hamas, ihn anzunehmen“. Israelische Beamte befürchteten, dass Netanjahus jüngste Äußerungen die „konstruktive Zweideutigkeit“ in dem Vorschlag sabotieren könnten, schrieb das Nachrichtenportal „Axios“. Die Formulierung des Vorschlags ermögliche es beiden Seiten, in die erste Phase des Abkommens einzutreten, die die Freilassung einer Gruppe von Geiseln und eine 42-tägige Waffenruhe vorsieht. Die Frage, ob es dann tatsächlich zum Ende des Krieges kommen wird, werde auf später verschoben.

G7-Staaten: Hamas muss Abkommen zustimmen

Die G7-Staats- und Regierungschefs riefen die islamistische Hamas dazu auf, das Abkommen mit Israel zu akzeptieren. Länder mit Einfluss auf die Hamas sollen dazu beizutragen, dass sie dem Abkommen zustimmen, wie es in der gemeinsamen Mitteilung weiter hieß. Gleichzeitig bekräftigte die G7-Gruppe ihre Unterstützung für einen glaubwürdigen Weg zum Frieden, der letztlich zu einer Zweistaatenlösung führen soll. Zur G7 gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. US-Präsident Biden forderte Katar in seinem Gespräch mit dem Emir des Landes auf, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Annahme des Abkommens durch die Hamas sicherzustellen, wie das Weiße Haus mitteilte. Die Hamas sei jetzt das einzige Hindernis für einen vollständigen Waffenstillstand und die Befreiung der Menschen im Gazastreifen.

Kämpfe in Gaza gehen weiter

Unterdessen gehen die Kämpfe in dem abgeriegelten Küstenstreifen unvermindert weiter. Die israelische Armee stieß bei ihrem Vormarsch in Rafah im Süden Gazas auf weitere Tunnelschächte der Hamas und Waffenlager, wie das Militär am Montag bekanntgab. Bei den gezielten Einsätzen sei „terroristische Infrastruktur“ zerstört worden. Zudem sei eine Waffenproduktionsstätte der Hamas aus der Luft angegriffen worden, hieß es weiter. Laut einer Analyse des Satellitenbeobachtungsprogramms der Vereinten Nationen UNOSAT ist inzwischen mehr als die Hälfte aller Gebäude im Gazastreifen durch den seit rund acht Monaten andauernden Krieg beschädigt oder ganz zerstört, wie UNOSAT auf X mitteilte.

Zustimmung zum militärischen Vorgehen Israels im Gazastreifen in Deutschland stark geschrumpft

Angesichts der hohen Opferzahlen und der desaströsen Versorgungslage der Menschen im umkämpften Gazastreifen ist mittlerweile eine Mehrheit von 61 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gegen das militärische Vorgehen Israels in dem abgeriegelten Küstenstreifen. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage für den „Stern“ hervor. Nur noch 33 Prozent befürworten die Militärschläge des jüdischen Staates demnach. Die Daten wurden bei 1003 Befragten am 30. und 31. Mai telefonisch erhoben. Damit ist die Umfrage den Angaben zufolge repräsentativ. Im November noch waren bei einer Forsa-Umfrage für den „Stern“ 62 Prozent der Befragten für das militärische Vorgehen und 31 Prozent dagegen. Damit hat sich das Meinungsbild in den vergangenen Monaten nahezu umgekehrt./ln/DP/zb

WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN

Gaza: Mehrheit der Deutschen fehlt Verständnis für Vorgehen Israels

Berlin – Seit dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 geht Israel mit Luftangriffen und Bodentruppen gegen die Terrororganisation vor. Waren bei einer Forsa-Umfrage für den „Stern“ im November 2023 noch 62 Prozent der Befragten für das militärische Vorgehen und 31 Prozent dagegen, hat sich das Meinungsbild in den letzten Monaten nahezu umgekehrt.

Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage für das Magazin befürworten nur noch 33 Prozent die anhaltenden Militärschläge Israels, 61 Prozent sind inzwischen dagegen. Grund dafür dürften die hohen Opferzahlen und die schlechte Versorgungslage der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen sein.

Eine klare Mehrheit aller Altersgruppen und der Wählerschaft von SPD, den Grünen, CDU/CSU und der AfD lehnt Israels Kurs ab.

Die FDP-Anhänger sind in dieser Frage eher gespalten, die Wählerschaft des BSW zeigt mit 85 Prozent das geringste Verständnis.

Die Daten wurden von Forsa für den „Stern“ und RTL Deutschland am 30. und 31. Mai telefonisch erhoben. Datenbasis: 1.003 Befragte.

UKRAINE

Karte der Ukraine

n-tv aktuell UKRAINE

+++ 08:38 Ukraine schießt Raketen und Drohnen ab +++
Das ukrainische Militär schießt nach eigenen Angaben in der Nacht zwei Iskander-Raketen über dem Gebiet Dnipro ab. Russland habe die Raketen zuvor von der besetzten Krim aus gestartet. Außerdem habe Russland die Ukraine erneut mit Drohnen attackiert. Von vier Drohnen seien zwei bei Tschernihiw, im Norden des Landes, abgeschossen worden.

+++ 08:06 Russland zwingt Soldaten laut Berichten an Charkiw-Front +++
Russland soll Soldaten gegen ihren Willen an die Charkiw-Front schicken. Das meldet die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) und beruft sich unter anderem auf einen Bericht vom oppositionellen russischen Onlinemedium Verstka. Die russischen Behörden hätten Verfahren gegen Soldaten, die sich weigerten, in der Ukraine zu kämpfen, abgebrochen, heißt es demnach in dem Bericht. Mindestens 170 Soldaten seien in die Ukraine geschickt worden, ohne, dass Anwälte, Ermittler oder Staatsanwälte davon wussten. Einige Soldaten seien mit vorgehaltener Waffe oder durch andere Art von körperlicher Gewalt an die Front gezwungen worden, wo sie unter anderem in den Abschnitten Charkiw und Donezk eingesetzt würden. Laut der Denkfabrik ISW hatten die russischen Streitkräfte ihre Offensive auf das ukrainische Charkiw begonnen, als sie in dem Abschnitt unterbesetzt waren. Womöglich wolle Russland seine Truppen an der Charkiw-Front nun mit Soldaten verstärken, die auf ein Verfahren warten, erklärt auch die US-Denkfabrik.

+++ 07:35 Nikopol meldet Attacke mit Kamikaze-Drohnen +++
In der Oblast Dnipropetrowsk wird neben Dnipro auch die Stadt Nikopol angegriffen. Gouverneur Serhiy Lysak berichtet von einem russischen Angriff mit Kamikaze-Drohnen am Abend. Verletzt worden sei niemand, schreibt er bei Telegram.

+++ 07:04 Gouverneur: Russland feuert Raketen auf Dnipro, Baby unter Verletzten +++
Aus der ukrainischen Großstadt Dnipro werden mehrere Explosionen gemeldet. Sie hätten sich gegen 5 Uhr Ortszeit ereignet, meldet der öffentlich-rechtliche Sender Suspilne. Russland habe die Stadt angegriffen, schreibt der Gouverneur der Oblast Dnipropetrowsk, Serhiy Lysak, bei Telegram. Ihm zufolge schossen die ukrainischen Luftstreitkräfte zwei Raketen ab. Herabfallende Trümmer hätten einen Brand ausgelöst und zivile Infrastruktur beschädigt. Mindestens sieben Menschen seien dadurch verletzt worden, darunter ein Baby. Mehrere Gebäude und Autos seien beschädigt.

+++ 06:35 Bericht: Deutschland ordert Hunderttausende zusätzliche Granaten +++
Das Verteidigungsministerium will anscheinend deutlich mehr Artilleriemunition kaufen als bislang geplant. Der Rahmenvertrag mit der Rüstungsschmiede Rheinmetall über rund 880 Millionen Euro solle um mindestens 200.000 Granaten des Kalibers 155 Millimeter aufgestockt werden, berichtet der „Spiegel“ aus einem Schreiben des Ministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages. Die Granaten kommen vor allem bei der Panzerhaubitze 2000 zum Einsatz. Mit dem Auftrag sollen die weitgehend leeren Depots der Bundeswehr wieder aufgefüllt werden, heißt es weiter. Zudem wolle das Ministerium damit sicherstellen, dass Rheinmetall im niedersächsischen Unterlüß eine neue Produktionslinie für die weltweit knappe Artilleriemunition aufbauen kann. Dadurch werde Deutschland „unabhängiger von globalen Lieferketten“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Schreiben. Dem Bericht zufolge ist der Rahmenvertrag über insgesamt mehr als zwei Millionen Artilleriegranaten bis Ende des Jahrzehnts auch für die Ukraine-Unterstützung vorgesehen. Die Unterstützer der Ukraine hatten in den vergangenen Monaten weltweit händeringend nach Artilleriemunition gesucht. Mehr dazu lesen Sie hier.

+++ 06:07 Lawrow trifft in Guinea ein +++
Der russische Außenminister Sergej Lawrow ist kürzlich im Rahmen seiner laufenden Besuche in Westafrika in Guinea eingetroffen. Diese Besuche finden vor dem Hintergrund von Putschen und wachsender Unzufriedenheit mit traditionellen Verbündeten wie Frankreich und den Vereinigten Staaten statt, was einige Länder offenbar dazu veranlasst, ihre Allianzen in Richtung Moskau zu verschieben. Lawrows mehrfache Besuche auf dem afrikanischen Kontinent in den letzten Jahren unterstreichen die Bemühungen Russlands um Unterstützung oder zumindest Neutralität in den 54 afrikanischen Ländern inmitten seiner groß angelegten Invasion in der Ukraine.

+++ 05:34 Militärverwaltung: Russland attackiert sieben Gemeinden in Sumy +++
Wie die Regionalverwaltung mitteilt, griffen russische Streitkräfte im Laufe des Tages sieben Gemeinden in der nordöstlichen ukrainischen Oblast Sumy an. In den vergangenen 24 Stunden wurden in der Oblast Sumy mindestens 61 Explosionen gemeldet. Im Laufe des Tages griff Russland die Grenzgemeinden mit Mörser-, Artillerie- und Drohnenangriffen an. In mehreren Gemeinden wurden Sprengstoffe und Minen abgeworfen. Insgesamt wurden die Gemeinden Yunakivka, Mykolaiv, Khotin, Bilopillia, Krasnopillia, Seredyna-Buda und Velyka Pysarivka angegriffen. Es wurden keine Opfer oder Schäden an der zivilen Infrastruktur gemeldet.

+++ 04:09 Habeck verteidigt Kurswechsel in Ukraine-Politik +++
Vizekanzler Robert Habeck bedauert, dass Kanzler Olaf Scholz seinen jüngsten Kurswechsel in der Ukraine-Politik nicht früher vollzogen hat. „Alles, was wir entschieden haben, hätten wir schneller entscheiden können“, sagt Habeck der „Augsburger Allgemeinen“. Zugleich verteidigte der Grünen-Politiker Scholz aber gegen den Vorwurf des Zauderns. „Zaudern ist das falsche Wort. Es sind extrem schwierige Entscheidungen zu fällen und deshalb ist es gut, wenn man genau abwägt“, sagt Habeck. „In diesem Fall ist richtig entschieden worden.“ Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte am Freitag über die Entscheidung des Kanzlers informiert, dass die von Russland angegriffene Ukraine von Deutschland gelieferte Waffen jetzt auch gegen militärische Ziele in Russland abfeuern darf.

+++ 02:14 Kiewer Stadtrat verweigert Genehmigung für Pride-Veranstaltung in der Metro +++
Der Kiewer Stadtrat hat die Genehmigung für den diesjährigen Kiewer Pride-Marsch verweigert, der „aus Sicherheitsgründen“ im U-Bahn-Netz der Hauptstadt stattfinden soll, teilt er mit. Die Organisatoren der Veranstaltung erklärten letzte Woche, dass die Anmeldung für einen „Gleichheitsmarsch“ offen sei und hofften, dass bis zu 500 Personen an der Veranstaltung am 16. Juni im U-Bahn-Netz teilnehmen würden.

Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 hat in Kiew keine LGBT+ Pride-Veranstaltung mehr stattgefunden. Die letztjährige Veranstaltung fand in Liverpool, England, statt.

„Um die Teilnehmer und Fahrgäste nicht zu gefährden und um mögliche Provokationen zu vermeiden, können die städtischen Behörden nicht zulassen, dass der Gleichstellungsmarsch in der Metro stattfindet“, erklärt das Kiewer Rathaus am 3. Juni in einer Erklärung. Es fügt hinzu, dass die Metro, die bei russischen Luftangriffen auch als Luftschutzbunker dient, eine „Einrichtung mit doppeltem Verwendungszweck und Teil der kritischen Infrastruktur der Stadt“ ist.

+++ 00:49 Russland: 20 ukrainische Drohnen bei Kursk abgefangen +++
Russland hat nach eigenen Angaben im Süden des Gebiets Kursk an der Grenze zur Ukraine 20 ukrainische Drohnen abgefangen. Die ukrainischen Streitkräfte hätten vier Dörfer in seiner Region mit Kampfdrohnen und Hubschraubern angegriffen, es habe aber keine Verletzten gegeben, teilt der Gouverneur der Region, Alexej Smironow, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Auch in der Region Belgorod hätten russische Luftabwehreinheiten „mehrere Flugziele“ abgeschossen, sagte der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow. Dabei seien die Dächer einiger Häuser beschädigt worden.

+++ 23:35 Italien liefert Ukraine zweites Flugabwehrsystem +++
Italien wird der Ukraine ein zweites Flugabwehrsystem vom Typ SAMP/T liefern. Damit reagiere Italien auf eine Bitte der Ukraine, sagt Außenminister Antonio Tajani im öffentlich-rechtlichen Sender RAI. Einen Zeitrahmen nennt er nicht. Ein erstes System wurde von Italien und Frankreich gemeinsam im Jahr 2023 ausgeliefert. In den vergangenen Monaten hat die Ukraine ihre Partner wiederholt dazu aufgerufen, mehr Hilfe bei der Flugabwehr zu leisten. Die russischen Streitkräfte greifen zunehmend ukrainische Städte und insbesondere die Energieinfrastruktur an. Das auch „Mamba“ genannte System ist eine französisch-italienische Batterie, die Dutzende Ziele verfolgen und zehn gleichzeitig abfangen kann. Es ist das einzige in Europa hergestellte System, das ballistische Raketen abfangen kann.

+++ 22:20 Scholz: Kurswechsel bei Angriffen auf russisches Territorium trägt nicht zur Eskalation bei +++
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in seinem jüngsten Kurswechsel in der Ukraine-Politik keine Gefahr. „In der Sache sind wir sicher, dass es nicht zu einer Eskalation beiträgt, weil – wie der amerikanische Präsident ja auch geschildert hat – es nur darum geht, dass zum Beispiel eine Großstadt wie Charkiw verteidigt werden kann“, sagt der SPD-Politiker in einem Interview von Antenne Bayern. „Und das, glaube ich, leuchtet jedem ein, dass das möglich sein muss.“ Die Entscheidung sei „sorgfältig mit unseren Freunden und Verbündeten getroffen“ worden. Der Kanzler betont, dass Besonnenheit gefragt sei. „Und darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verlassen. Ich werde mich von keinem Druck dazu bewegen lassen, eine Entscheidung zu treffen, die nicht richtig ist und die nicht an der Zeit ist.“ Das, was politisch zu machen sei, richte sich „nicht nach dem nächsten Talkshow-Auftrittstermin, sondern danach, was vernünftigerweise zu tun ist“. Dem Bundeskanzler wird immer wieder vorgeworfen, bei der Ukraine-Unterstützung zu ängstlich und zögerlich zu agieren und sich von russischen Drohungen einschüchtern zu lassen.

Mit West-Waffen gegen Russland Sechs Gründe, warum die Entscheidung richtig ist

+++ 21:36 „Entscheidender Vorteil“ – US-Bradley macht laut Ukrainern kurzen Prozess mit russischen Panzern +++
Die 47. Mechanisierte Brigade gehört zu den berühmtesten Einheiten der Ukraine, da sie oft an Frontabschnitten eingesetzt wird, an denen es besonders brennt. Die Brigade ist unter anderem mit Bradley-Schützenpanzern aus den USA ausgestattet. „Moderne Technik und der geschickte Einsatz amerikanischer Ausrüstung stellen einen entscheidenden Vorteil auf dem Schlachtfeld dar“, heißt es von der Einheit zu einem Video, das die Eliminierung von zwei russischen BTR-82A-Schützenpanzern und diversen russischen Soldaten durch einen Bradley zeigen soll. „Nachdem sie auf günstige Bedingungen gewartet hatten, nämlich den Moment, als der Feind auf offenes Gelände fuhr, stoppte die ‚Bushmaster‘-Kanone die Ausrüstung und eliminierte die russischen Terroristen“, schreibt die 47. Brigade zu dem Clip.

+++ 20:59 Große Hoffnung für die Ukraine: Italien wird wohl wichtiges SAMP/T-System liefern +++
Italien wird wahrscheinlich ein zweites SAMP/T-Flugabwehrsystem in die Ukraine schicken, sagt eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle. Bei dem System, das auch als MAMBA bekannt ist, handelt es sich um eine französisch-italienische Batterie, die Dutzende von Zielen verfolgen und zehn auf einmal abfangen kann. Es ist das einzige in Europa hergestellte System, das ballistische Raketen abfangen kann. Die Quelle, die nicht namentlich genannt werden will, bestätigt Zeitungsberichte, wonach Italien die Entsendung eines SAMP/T-Systems vorbereitet, das in Kuwait im Einsatz ist, aber bald nach Italien zurückkehren soll. Einen Zeitrahmen für die mögliche Lieferung wird jedoch nicht genannt.

+++ 20:25 Video soll Folter an ukrainischen Kriegsgefangenen zeigen +++
Seit über zwei Jahren tobt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine bereits. Seit Beginn der Kämpfe gibt es Foltervorwürfe gegen die Invasoren. Ein Video soll nun zeigen, wie russische Soldaten Kriegsgefangenen die Augen verbinden, sie treten und vortäuschen, einen der Männer zu erschießen.

Tritte und angedrohter Kopfschuss Video soll Folter an Russlands Kriegsgefangenen zeigen

+++ 19:57 Festnahmen nach Attacke von Russischsprachigen auf Ukraine-Freiwillige in Tschechien +++
Nach einem Vorfall in der tschechischen Hauptstadt Prag, wo russischsprachige Ausländer Freiwillige angegriffen haben, die Spenden für die Ukraine sammelten, gibt es Festnahmen. Das berichtet die Polizei. „Im Zusammenhang mit dem Vorfall vom Samstag haben Polizeibeamte vier Ausländer am Prager Flughafen festgenommen. Die Kriminalpolizei hat in dem Fall ein Strafverfahren wegen des Verdachts mehrerer Straftaten eingeleitet“, heißt es in einer Mitteilung. In einem Video von dem Vorfall sind ein Mann und eine Frau zu sehen, die Russisch sprechen und versuchen, die Freiwilligen anzugreifen. Zudem sieht man auf der Aufnahme, wie der Mann im Vorfeld der Auseinandersetzung auf Deutsch mit russischem Akzent sagt: „Ich bin Deutscher“.

+++ 19:22 ISW: Qualität ukrainischer Streitkräfte „kurz- bis mittelfristig“ wohl höher als bei den Russen +++
Dass ukrainische Feldkommandeure neues Personal an der Front ausbilden (Eintrag von 07:56 Uhr), deutet laut Institut für Kriegsstudien darauf hin, „dass die Gesamtqualität der ukrainischen Streitkräfte kurz- bis mittelfristig wahrscheinlich höher sein wird als die der russischen Streitkräfte“. Die Kreml-Truppen hätten immer wieder neu mobilisiertes Personal, Strafgefangene sowie frische Vertrags- und Freiwilligensoldaten ohne ausreichende Ausbildung eingesetzt, um Massenangriffe durchzuführen und marginale Geländegewinne unter hohen Verlusten zu erzielen, schreibt das ISW in einer Analyse. Russische Militärblogger hätten sich seit der Teilmobilisierung im September 2022 immer wieder über die ineffiziente russische Ausbildung beschwert und ein ehemaliger russischer Sturm-Z-Ausbilder kürzlich behauptet, dass die russischen strategischen Reserven aufgrund von Ausbildungsengpässen, die auf eine unzureichende Zahl von Ausbildern zurückzuführen seien, „monatelang nichts tun“.

Reisners Blick auf die Front „Russen greifen entlang der gesamten Front intensiv an“

+++ 18:54 Ukraine noch zu eingeschränkt: „Generelle Freigabe der West-Waffen wäre Gamechanger“ +++
Der Westen lockert bei den Waffenlieferungen für die Ukraine die Handbremse. Welche Auswirkungen das für den Krieg gegen die russischen Invasoren hat und warum der Westen seine Unterstützung immer nur graduell anpasst, erklärt Militärexperte und Politikwissenschaftler Walter Feichtinger:

Ukraine noch zu eingeschränkt „Generelle Freigabe der West-Waffen wäre Gamechanger“

+++ 18:17 Hochkarätige Zusagen aus den USA für den Ukraine-Friedensgipfel in der Schweiz +++
US-Vizepräsidentin Kamala Harris wird am Ukraine-Friedensgipfel teilnehmen, der am 15. und 16. Juni in der Schweiz stattfinden soll. Harris werde das Engagement der US-Regierung unterstreichen, „die Ukraine in ihren Bemühungen um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu unterstützen“, teilt das Weiße Haus mit. „Die Vizepräsidentin wird ihre Unterstützung für das ukrainische Volk bei seiner Verteidigung gegen die anhaltende russische Aggression bekräftigen.“ Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, werde Harris auf der Reise begleiten. Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj haben mehr als 100 Staaten und Organisationen ihre Teilnahme an dem Gipfel bestätigt. Das Treffen in Bürgenstock bei Luzern, zu dem Russland nicht eingeladen ist, soll mehr internationale Unterstützung für die angegriffene Ukraine mobilisieren. Zuvor hatte Selenskyj in einem emotionalen Appell um die persönliche Teilnahme Bidens bei dem Gipfel geworben.

„Entspricht Anforderungen nicht“ China hadert mit Ukraine-Friedensgipfel – Teilnahme „schwierig“

+++ 17:41 Mutige Aktion von russischen Frauen vor dem Verteidigungsministerium in Moskau +++
Ehefrauen und Mütter russischer Soldaten demonstrieren in Moskau für die Rückkehr der Männer aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine. In sozialen Netzwerken werden Fotos und Videos veröffentlicht, die knapp zwei Dutzend Frauen teils mit kleinen Kindern auf dem Bürgersteig vor dem russischen Verteidigungsministerium zeigen. Mehrere Demonstrantinnen haben Plakate mitgebracht mit Aufschriften wie „Es ist Zeit für die Mobilisierten, nach Hause zurückzukehren“ und „Bringt Papa bitte nach Hause!“. Außerdem fordern sie ein Treffen mit dem neuen russischen Verteidigungsminister Andrej Beloussow. Berichten zufolge bezieht die Polizei direkt mit einem Gefangenentransporter Stellung und droht mit Festnahmen. Öffentliche Anti-Kriegs-Aktionen sind in Russland angesichts massiver staatlicher Repressionen sehr selten. Offen kremlkritische Demonstranten werden in der Regel sofort festgenommen.

+++ 17:01 Ukrainische Raketen zerstören besetzte Fabrik von deutschem Unternehmen +++
Ursprünglich steht im ostukrainischen Soledar eine Fabrik der Firma Knauf. Doch kurz nach Kriegsbeginn gibt der Konzern sie auf. Nun arbeiten in dem besetzten Landesteil russische Soldaten. Das ukrainische Heer greift die Gipsplattenfabrik mit Raketen an, sie wird teilweise zerstört:

Gehört deutschem Unternehmen Besetzte Fabrik in Soledar zerstört – HIMARS-Angriff?

+++ 16:34 Russland greift erneut Zivilisten an – Kind stirbt +++
Bei nächtlichen russischen Angriffen im Osten der Ukraine sind drei Menschen getötet worden, darunter ein zwölfjähriger Junge. Bei Angriffen auf das Dorf Mychayliwka in der Region Donezk seien zwei Menschen getötet und ein weiterer verletzt worden, erklärt Gouverneur Wadim Filaschkin in Onlinediensten. Bei russischen Angriffen auf das Dorf Sloboschanske in der Region Charkiw seien ein Mann getötet und zwei weitere Menschen verletzt worden, teilt Gouverneur Oleh Synehubow im Onlinedienst Telegram mit. Filaschkin erläutert, es habe im Abstand einer halben Stunde zwei Luftangriffe gegeben, bei denen viele Häuser beschädigt worden seien. „Ein zwölfjähriger Junge ist unter den Toten“, teilt er mit.

+++ 16:07 „Können das Schlimme kurz vergessen“: Ukraine flieht vor Kriegsalltag in EM-Euphorie +++
Derzeit bereiten sich 24 Teams auf die Fußball-EM in Deutschland vor. Für die Ukraine ist das Turnier wahrscheinlich noch einmal besonderer, als für die anderen teilnehmenden Nationen. Im Schatten des seit Jahren tobenden Krieges bietet der Fußball einen Moment der Freude.

„Können das Schlimme kurz vergessen“ Ukraine flieht vor Kriegsalltag in EM-Euphorie

+++ 15:29 Jagd auf russische Flugabwehr: Spezialeinheiten der Ukraine melden nächsten Erfolg +++
Die ukrainischen Streitkräfte machen seit Wochen verstärkt Jagd auf russische Systeme der Flugabwehr an der gesamten Front. Es gibt zahlreiche Berichte von erfolgreichen Angriffen, die jedoch nicht unabhängig überprüft werden können (siehe auch Eintrag von 13:43 Uhr). Den Spezialeinheiten der Streitkräfte will jetzt ein weiterer Treffer gelungen sein. Sie berichten von Schäden an einem mobilen Kasta-2E-Radar. „Ein Kasta-Radar wurde erstmals 2021 auf ukrainischem Gebiet in der besetzten Region Luhansk gesichtet“, heißt es in einer Mitteilung. Das getroffene Radar sei mit einer der „neuesten Entwicklungen“ attackiert worden, welche die Spezialkräfte erhalten hätten. Um was genau es sich dabei handelt, wird nicht mitgeteilt. Vermutlich ist eine neuartige Kamikaze-Drohne gemeint.

+++14:54 Ukraine darf auch F-16-Kampfjets aus den Niederlanden gegen Ziele in Russland einsetzen +++
Nach Dänemark erlauben auch die Niederlande der Ukraine den Einsatz ihrer F-16-Kampfjets für Angriffe auf Ziele in Russland. Dies sagt Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren im Gespräch mit Politico. Konkret teilt sie mit, keine Beschränkungen – wie es in Belgien der Fall ist – aufzuerlegen. Kiew wird mindestens 24 F-16-Kampfjets aus den Niederlanden erhalten. Präsident Selenskyj sprach in der Vergangenheit sogar von 48. Dänemark hat der Ukraine 19 F-16 zugesagt, die ebenfalls Ziele auf russischem Territorium angreifen dürfen. Die erste Lieferung von sechs Maschinen soll in diesem Sommer eintreffen. Aus Belgien werden bis 2028 insgesamt 30 Flugzeuge geliefert:

Erste konkrete Zahl aus Brüssel Belgien sagt der Ukraine 30 F-16-Kampfjets zu

+++ 14:21 Britischer Militärchef glaubt an Sieg der Ukraine im Krieg +++
Der britische Militärchef, Admiral Antony Radakin, ist „sehr zuversichtlich“, dass die Ukraine trotz der jüngsten taktischen Fortschritte Russlands den Krieg in vollem Umfang gewinnen wird, sagt er in einem Interview mit Sky News. Moskau startete Anfang Mai eine neue Offensive im Norden der Region Charkiw. Ende des Monats erklärte Kiew, dass der russische Vormarsch in diesem Sektor gestoppt worden sei und die ukrainischen Truppen Gegenangriffe durchführten. Radakin betont, dass Russland trotz der laufenden Offensive im Gebiet Charkiw und der Probleme der ukrainischen Streitkräfte mit Personal- und Munitionsmangel „versagt“ habe. „Russland macht taktische Fortschritte an Land“, sagt Radakin. „Aber man muss dann auch ein wenig zurückgehen. Wenn man bis März 2022 zurückgeht, hatte Russland etwa 17 Prozent des ukrainischen Territoriums eingenommen. Heute sind es noch elf Prozent. Russland ist also immer noch im Defizit.“

+++ 13:43 Ukraine zerstört wohl Flugabwehr in Russland mit HIMARS-Attacke +++
Videos in sozialen Medien zeigen offenbar das Ergebnis eines mutmaßlichen ukrainischen Angriffs auf Flugabwehrsysteme vom Typ S300/400 in der russischen Region Belgorod. Diese grenzt direkt an die Ukraine. Die Angriffe sollen mit Mehrfachraketenwerfern vom Typ HIMARS durchgeführt worden sein. Erst kürzlich hatten mehrere westliche Staaten der Ukraine eingeräumt, die von ihnen gelieferten Waffen auch gegen Stellungen des Putin-Regimes auf russischem Boden einzusetzen.

+++ 13:16 Philippinen unterstützen Ukraine bei Friedensgipfel +++
Bei einem Kurzbesuch auf den Philippinen hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj für die Unterstützung und Teilnahme des asiatischen Landes beim geplanten Ukraine-Friedensgipfel bedankt. „Ich freue mich, heute zu hören, dass Sie an unseren Friedensschritten teilnehmen werden“, sagt er seinem philippinischen Amtskollegen Ferdinand Marcos Jr. in Manila. „Wir werden weiter alles tun, was wir können, um Frieden zu fördern und das Kämpfen zu beenden und zu einer politischen Lösung zu gelangen“, erklärt Marcos Jr. dazu. „Jeder versteht vollkommen, dass das einfacher gesagt als getan ist und ein schwieriger Weg wird zurück in eine Situation, die moralisch akzeptabel ist, nicht nur für die Ukraine, sondern auch für den Rest der Welt. Insgesamt werden, nach ukrainischen Angaben, mindestens 107 Staaten an dem Gipfel teilnehmen.

+++ 12:47 Moskau droht USA mit Konsequenzen wegen Schäden an Raketenfrühwarnsystem +++
Moskau droht den USA mit Konsequenzen wegen der mutmaßlich durch ukrainische Angriffe verursachten Beeinträchtigungen am russischen Raketenfrühwarnsystem. „Die Antworten können asymmetrisch sein“, sagt Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. „Das Kiewer Regime hat nicht zum ersten Mal versucht, das normale Funktionieren wichtiger Kettenglieder unserer Militärorganisation zu zerstören, auch solcher aus dem strategischen Bereich“, wurde Rjabkow von der staatlichen Nachrichtenagentur TASS zitiert. Der für Fragen der nuklearen Rüstung zuständige Vizeminister warf den USA vor, sich „maximal unverantwortlich“ zu verhalten, weil sie solche ukrainischen Angriffe nicht unterbinden.

+++ 12:18 Selenskyj wird am G7-Gipfel teilnehmen +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird entweder online oder persönlich am anstehenden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G7-Länder in Italien teilnehmen. Es gebe „keinen Zweifel, dass er dort sein wird“, sagt Selenskyjs Sprecher Serhij Nikiforow im ukrainischen Fernsehen. Leider könne er aber „weder bestätigen noch dementieren“, dass der Präsident „körperlich“ anwesend sein werde, fügt Nikiforow hinzu. Ein wichtiger Tagesordnungspunkt bei dem Treffen vom 13. bis zum 15. Juni in Süditalien wird sein, wie die Zinsgewinne aus eingefrorenem russischen Vermögen für weitere Militärhilfen für die Ukraine eingesetzt werden können.

+++ 11:45 Ukraine mit Rekord-Stromimporten nach russischen Angriffen +++
Nach einem neuen Großangriff Russlands auf die Energie-Infrastruktur der Ukraine muss das Land so viel Elektrizität importieren wie nie zuvor. Es werde damit gerechnet, dass sich die Zukäufe aus fünf europäischen Ländern auf 27.178 Megawattstunden belaufen, teilt das Energieministerium mit. Der Stromnetzbetreiber Ukrenergo warnt die Verbraucher zudem, dass wegen der Angriffe auf Energieanlagen die Stromversorgung in allen Landesteilen eingeschränkt werden müsse. Bei den russischen Angriffen am Wochenende habe es erhebliche Schäden an Anlagen im Osten, Westen und der Mitte der Ukraine gegeben. Seit März war es bereits die sechste große Angriffswelle auf die Energie-Infrastruktur.

+++ 11:16 Lawrow besucht mehrere afrikanische Staaten +++
Der russische Außenminister Sergej Lawrow weilt zu einem Besuch in Guinea. Das russische Außenministerium verbreitet im Onlinedienst Telegram ein Foto, das Lawrows Ankunft am Flughafen der Hauptstadt Conakry zeigt. Berichten zufolge soll er auch in den Tschad und nach Burkina Faso reisen. Seit Beginn des großangelegten russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Jahr 2022 versucht Russland verstärkt seine wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu Afrika auszubauen.

+++ 10:45 Russland nimmt Mann wegen angeblicher Zusammenarbeit mit ukrainischem Geheimdienst fest +++
Der russische Geheimdienst FSB nimmt einen 35-Jährigen in der an China angrenzenden russischen Region Chabarowsk fest. Dieser soll mit dem ukrainischen Geheimdienst zusammengearbeitet haben, berichtet die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS. Der Verdächtige habe sich „gegen die politische Entscheidung der Führung des Landes zur Durchführung einer speziellen Militäroperation“ ausgesprochen und „auf die Seite des Feindes übergehen wollen“, heißt es von der zuständigen FSB-Direktion.

+++ 10:11 Sharma: Russen können sich Angriffs-Front aussuchen +++
Die Energie-Infrastruktur der Ukraine ist ein ständiges Ziel russischer Luftangriffe. Nach jüngstem Beschuss wird fast im gesamten Land der Strom abgestellt. Auch ntv-Reporterin Kavita Sharma ist betroffen und muss mit Generatoren arbeiten. Derweil nutzen die Russen den Personalmangel der ukrainischen Armee aus.

„Dramatische Lage“ in Charkiw Sharma: Russen können sich Angriffs-Front aussuchen

+++ 09:38 Russland soll 46 Kinder aus Waisenhaus in Cherson entführt haben +++
Russland soll im Jahr 2022 46 Kinder aus einem ukrainischen Waisenhaus im besetzten Cherson entführt haben. Das berichtet die „New York Times„. Die Kinder seien dann auf die besetzte Krim verschleppt worden, wo für sie russische Geburtsurkunden, Sozialversicherungsnummern ausgestellt und ihre Namen ans Russische angepasst wurden. Insgesamt sind, nach Angaben von „Kyiv Independent“, seit Kriegsbeginn 19.500 Kinder durch die russischen Besatzer entführt worden.

+++ 09:06 Ungarn zweifelt Sinnhaftigkeit von Friedensgipfel in der Schweiz an +++
Ungarn hat bisher nicht entschieden, ob es am globalen Friedensgipfel in der Ukraine teilnehmen wird, da „nicht alle Seiten des Krieges“ bei der Veranstaltung anwesend sein werden, sagt der ungarische Außenminister Peter Szijjarto in einem Interview mit dem staatlichen belarussischen Fernsehsender ONT. „Wenn nicht beide Seiten des Krieges vertreten sind, ist es meiner Meinung nach eine berechtigte Frage, ob der gesamte Gipfel im Hinblick auf das letztendliche Ziel, nämlich die Suche nach Frieden, Sinn macht“, sagt Szijjarto.“Wir (Ungarn) glauben, dass der Friedensgipfel eine echte Bedeutung hat und die größte Hoffnung auf Frieden gibt, wenn beide Seiten am Tisch sitzen.“

+++ 08:29 Ein Toter und elf Verletzte nach russischen Angriffen +++
Bei russischen Angriffen auf die Ukraine werden seit Sonntagmorgen mindestens ein Zivilist getötet und mindestens 11 verletzt, wie die örtlichen Behörden mitteilen. In der Region Charkiw sei kurz nach Mitternacht ein Freizeitzentrum in der Gemeinde Slobozhanske von einer russischen Rakete getroffen worden, wobei ein Mann getötet und zwei Personen verletzt wurden, erklärt Gouverneur Oleh Syniehubov auf Telegram. Zwei weitere Personen wurden am Sonntag im Dorf Borivska Andriivka und ebenfalls zwei am selben Tag in der Siedlung Staryi Saltiv verletzt, so der Gouverneur. Im Gebiet Donezk wurden fünf Menschen verletzt: zwei in Bilozerske, zwei in Zalizne und einer in Vovche, berichtet Gouverneur Vadym Filashkin.

NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE

ROUNDUP: Scholz begründet Waffen-Entscheidung für Ukraine – Nacht im Überblick

BERLIN/KIEW (dpa-AFX) – Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in seinem jüngsten Kurswechsel in der Ukraine-Politik keine Gefahr. „In der Sache sind wir sicher, dass es nicht zu einer Eskalation beiträgt, weil – wie der amerikanische Präsident ja auch geschildert hat – es nur darum geht, dass zum Beispiel eine Großstadt wie Charkiw verteidigt werden kann“, sagte der SPD-Politiker in einem Interview von Antenne Bayern am Montag. „Und das, glaube ich, leuchtet jedem ein, dass das möglich sein muss.“ Vizekanzler Robert Habeck bedauerte dagegen, dass Scholz seinen Kurswechsel nicht früher vollzogen hat. Zugleich aber verteidigte er die Entscheidung.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte am Freitag über die Entscheidung des Kanzlers informiert, dass die von Russland angegriffene Ukraine von Deutschland gelieferte Waffen jetzt auch gegen militärische Ziele in Russland abfeuern darf. Am Vortag hatte die US-Regierung der Ukraine die Erlaubnis erteilt, amerikanische Waffen in begrenztem Umfang gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen.

Die Opposition fordert dennoch eine Erklärung des Kanzlers zu diesem Wechsel in der Ukraine-Politik. Unter anderem deswegen will Scholz (SPD) an diesem Donnerstag im Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage abgeben.

Habeck verteidigt Kurswechsel

Habeck sagte der „Augsburger Allgemeinen“ (Dienstag), die Ukraine müsse die Angriffe aus Russland verhindern dürfen, um das Leben von Kindern, Frauen, Männern besser schützen zu können. Ihr das zu untersagen, würde den Tod weiterer Menschen bedeuten. „Die Regelung jetzt betrifft eine lokal genau begrenzte Region um Charkiw herum. Zur Selbstverteidigung, zum Schutz. Aber es gilt auch: Alles, was wir entschieden haben, hätten wir schneller entscheiden können.“

Zugleich verteidigte der Grünen-Politiker Scholz aber gegen den Vorwurf des Zauderns. „Zaudern ist das falsche Wort. Es sind extrem schwierige Entscheidungen zu fällen und deshalb ist es gut, wenn man genau abwägt“, sagte Habeck. „In diesem Fall ist richtig entschieden worden.“

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) signalisierten bereits vor längerer Zeit Offenheit für eine Aufhebung von Beschränkungen. Die SPD als größter Koalitionspartner des Ampel-Bündnisses warnt hingegen vor einer direkten Konfrontation mit Russland, sollte der Kreml die Militärhilfe als aggressiven Akt bewerten.

US-Vizepräsidentin Harris nimmt an Ukraine-Friedensgipfel teil

US-Vizepräsidentin Kamala Harris wird am Ukraine-Friedensgipfel teilnehmen, der am 15. und 16. Juni in der Schweiz stattfinden soll. Harris werde das Engagement der US-Regierung unterstreichen, „die Ukraine in ihren Bemühungen um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu unterstützen“, teilte das Weiße Haus mit. Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, werde Harris auf der Reise begleiten.

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj haben mehr als 100 Staaten und Organisation ihre Teilnahme an dem Gipfel bestätigt. Das Treffen in Bürgenstock bei Luzern, zu dem Russland nicht eingeladen ist, soll mehr internationale Unterstützung für die angegriffene Ukraine mobilisieren. Zuvor hatte Selenskyj in einem emotionalen Appell um die persönliche Teilnahme Bidens bei dem Gipfel geworben. US-Medien hingegen hatten schon Ende Mai berichtet, dass Biden zum Zeitpunkt des Gipfels an einer Wahlkampfveranstaltung im kalifornischen Los Angeles teilnimmt.

Soldaten-Frauen protestieren vor russischem Verteidigungsministerium

Ehefrauen und Mütter russischer Soldaten haben in Moskau für die Rückkehr der Männer aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine demonstriert. In sozialen Netzwerken wurden Fotos und Videos veröffentlicht, die knapp zwei Dutzend Frauen teils mit kleinen Kindern auf dem Bürgersteig vor dem russischen Verteidigungsministerium zeigen. Mehrere Demonstrantinnen hatten Plakate mitgebracht mit Aufschriften wie „Es ist Zeit für die Mobilisierten, nach Hause zurückzukehren“ und „Bringt Papa bitte nach Hause!“. Öffentliche Anti-Kriegs-Aktionen sind in Russland angesichts massiver staatlicher Repressionen sehr selten./haw/DP/zb

WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN

ANALYSE / INTERVIEW – Reisners Blick auf die Front „Russen greifen entlang der gesamten Front intensiv an“, n-tv, 3.6.2024

Nach der Freigabe durch die USA greift die Ukraine auch russisches Territorium mit westlichen Raketenwerfern an. So solle eine weitere Offensive im Norden abgewehrt werden, erklärt Oberst Markus Reisner im Interview mit ntv.de. An anderen Frontabschnitten ist Russland demnach erfolgreich.

ntv.de: Wie hat sich die Lage an der Front in den vergangenen Tagen entwickelt?

Markus Reisner: Die russische Offensive nördlich von Charkiw ist durch ukrainische Einheiten zum Halten gebracht worden. Die ukrainischen Streitkräfte haben in den letzten 14 Tagen aus unterschiedlichen Armeeeinheiten Teileinheiten herausgelöst und sie zusammen mit verfügbaren Reserven in den Norden geschickt. So ist es gelungen, diesen Vorstoß zu bremsen. Hinzu kommen lokale ukrainische Gegenangriffe, die aber noch keinen Raum gefasst haben.

Hat sich die Freigabe westlicher Waffen für den Einsatz auch gegen russisches Territorium bereits bemerkbar gemacht?

Ja. Ukrainische Offizielle erwarten eine Ausweitung der russischen Offensive, und zwar nordwestlich von Charkiw, im Raum Graiworon zwischen Sumy und Charkiw. Die Russen ziehen dort Kräfte für einen Einsatz zusammen. Und gegen ebenjenen Bereitstellungsraum setzen die Ukrainer HIMARS-Systeme ein. Das ist ein Versuch, die erwartete Offensive abzuwenden. Sollte es nun tatsächlich nicht zu einem Einsatz russischer Kräfte im besagten Raum kommen, kann man davon ausgehen, dass der Einsatz dieser Waffensysteme auf russischem Territorium ein Erfolg ist. Man muss im Moment abwarten.

Gibt es Erkenntnisse zur Wirksamkeit und verwendeten Munition bei den HIMARS?

In den sozialen Netzwerken finden sich Bilder von Verpackungskörpern dieser GMLRS-Raketen, die HIMARS verschießt. Demnach sind zumindest mehrere Dutzend, wenn nicht sogar mehr als hundert davon abgefeuert worden. Es fehlen aber Bilder der Einschläge. Im Sommer 2022 wurde das Internet regelrecht geflutet mit Bildern von zerstörten russischen Munitionsdepots und anderen Einschlägen westlicher Waffen in russische Ziele. Wir müssen abwarten, ob diesmal noch was kommt. Vor kurzem wurden erste Bilder einer zerstörten russischen S300/S400-Fliegerabwehrbatterie sichtbar.

Gelingt es Russland besser als damals, den Informationsraum zu kontrollieren?

Auf beiden Seiten hat man das besser im Griff. Die Zahl der Handyaufnahmen von Einschlägen in den sozialen Medien hat deutlich nachgelassen. Im Fall der Ukraine erfahren wir oft erst von Treffern auf Kraftwerke, weil die Energieversorger hernach Stromverknappungen ankündigen.

Die Freigabe der westlichen Waffen auch gegen russisches Territorium ist erst Ende vergangener Woche bekannt geworden. Die Ukrainer haben davon offenbar umgehend Gebrauch gemacht. War das also vorbereitet?

Davon kann man ausgehen. Die Veröffentlichung dieser Bilder der GMLRS-Verpackungen ist sicher kein Zufall. Das ist ein Zeichen an den Informationsraum: „Wir haben begonnen.“

Gibt es Erkenntnisse zu weiteren genehmigten Waffensystemen? Am Freitag wurde noch gerätselt, was die Ukraine alles gegen russisches Territorium einsetzen darf.

Infrage kommt einmal alles, was der HIMARS verschießt. Das sind zum einen die GMLRS und zum anderen die ATACMS. Beides sind Raketen. Hinzu kommt Rohrartillerie, wozu auch die deutsche Panzerhaubitze 2000 gehört. Das Dritte sind Luftabwehrsysteme wie die vor allem von Deutschland bereitgestellten Patriot-Systeme, die an der Grenze stationiert werden könnten, um russische Kampfflugzeuge daran zu hindern, aus sicherer Entfernung Gleitbomben in Richtung Ukraine abzufeuern.

Wo gab es weitere wichtige Gefechtsbewegungen?

Die Russen greifen weiter entlang der gesamten Front intensiv an. Dabei sind sie in zwei Räumen erfolgreich, wie Videoaufnahmen belegen: In Tschassiw Jar wird um den Siverskij-Donezk-Donbass-Kanal intensiv gekämpft. Von drei Übergangsstellen dürfte es den Russen gelungen sein, einen in Besitz zu nehmen und auf der anderen Seite des Kanals Fuß zu fassen. Das eröffnet ihnen den Zugang zu den Höhen von Tschassiw Jar. Zweitens ist es den Russen offensichtlich gelungen, südlich von Oscheretyne in der zweiten Verteidigungslinie der Ukrainer weiter vorzustoßen. Das taktische Vorgehen ist dabei interessant.

Wieso?

Die Russen gehen hier ähnlich vor wie im Zweiten Weltkrieg: Zuerst erfolgen Luftangriffe, darunter der Einsatz von Gleitbomben. Dann stoßen schwer gepanzerte Fahrzeuge wie „Sturmgeschütze“ vor, zum Teil mit Minenräumern an der Spitze. So gelingt es den Russen immer wieder, durchzubrechen. Hier könnte die Freigabe von Angriffen auf russisches Gebiet helfen: Wenn die von Deutschland gelieferten Patriot-Systeme an die ukrainisch-russische Grenze verlegt würden, könnten sie die russischen Kampfflugzeuge am Abwurf von Gleitbomben unmittelbar hinter der Grenze hindern.

Jenseits des Frontgeschehens gab es am Wochenende erneut schwere Luftangriffe auf die Ukraine.

Richtig. Schon im Mai gab es drei schwere Angriffe, nun erneut einen Anfang Juni. Die Ukraine selbst gibt an, beim letzten Angriff von 53 Raketen und Marschflugkörpern 35 abgeschossen zu haben. Eine Abschussquote von 66 Prozent ist keine hohe Zahl. Sie lag mit Raten von 80 bis 90 Prozent schon mal höher. Von den Drohnen haben die Ukrainer 46 von 47 abgeschossen. Dass aber 34 Prozent der Raketen und Marschflugkörper ihr Ziel treffen, ist fatal. Die Wasser- und Heizkraftwerke sind zunehmend beschädigt, weshalb die Energieversorgung abgeschaltet werden muss.

Was ist der militärische Wert dieser Kampagne?

Das ist Teil der strategischen Ebene der russischen Kriegsführung. Sie zielt auf die Fähigkeit der Ukraine, den Krieg lange Zeit durchhalten zu können. Die Angriffe auf die kritische Infrastruktur sollen einerseits die militärisch-industriellen Produktionsfähigkeiten der Ukraine minimieren und andererseits Druck auf die Bevölkerung ausüben und die Unterstützung für die ukrainische Regierung brechen.

In der Ukraine wird eine weitere Mobilisierungswelle seit Monaten diskutiert. Laut „Washington Post“ werden Rekruten inzwischen direkt an der Front ausgebildet. Wie interpretieren Sie diese Berichte?

Es geht immer um die Frage: Wie bringe ich den Rekruten in sehr kurzer Zeit das bei, was Sie zum Überleben auf dem Gefechtsfeld brauchen? Für die Kommandeure ist die Ausbildung an der Front eine zusätzliche Herausforderung, weil sie hierfür Personal abstellen müssen. Die ukrainische Regierung steht unter Druck, mehr Männer und Frauen an die Front zu bringen. Es häufen sich Bilder aus der Ukraine von jungen Männern, die auf der Straße angesprochen werden und zum Teil mit Gewalt in die Ausbildungsstellen gebracht werden.

Was bringen der Armee Soldaten, die gar nicht in den Krieg wollten? Ist deren Kampfmoral nicht ungleich schlechter als bei den Freiwilligen aus den ersten Kriegsmonaten?

Das ist richtig, doch die schon eingesetzten Kräfte werden sonst überlastet. Viele sind seit Kriegsbeginn im Einsatz. Hinzu kommen die vielen Verluste, auch wenn die Zahl niedriger ist als auf russischer Seite. Die brauchen also Ersatz, der nicht leicht aufzustellen ist. Man geht in der Ukraine – nach Abzug der Geflüchteten – von 33 Millionen Menschen mit Wehrpotenzial aus. In Russland leben 150 Millionen Menschen und die Russen generieren aus dem Wehrpflichtigensystem heraus immer neue Vertragssoldaten. Die Russen haben mit bis zu 520.000 zweieinhalbmal so viele Soldaten im Einsatz wie zu Beginn der Invasion. Die Ukraine hat etwa 880.000 Soldaten im Einsatz, davon 400.000 an der Front.

Wie wirkt sich nach einem Jahr andauernder Defensive die fehlende Perspektive auf Besserung auf die Truppenmoral aus?

Sie dürfen nicht vergessen, dass man in der Ukraine die Diskussionen im Westen über Sinn und Machbarkeit einer fortgesetzten militärischen Unterstützung verfolgt. Dieses Zaudern des Westens schlägt sich natürlich auf die Moral der Soldaten nieder. Mir sagen Soldaten aber oft, dass es ja keine Alternative gebe. Ihr Land soll zerstört werden! Auch in der Zivilbevölkerung sehen wir keine Proteste oder anderweitigen Widerstand. Aber seit dem Einmarsch der Russen sind nun 831 Tage vergangen, hinzu kommen die acht Jahre seit der Annexion der Krim und den Kämpfen im Donbass. Die Menschen in der Ukraine sind zunehmend einfach kriegsmüde. Doch an der Front sind sie permanent gefordert. Wenn die zusätzliche russische Offensive bei Sumy kommt, verlängert das die Front zusätzlich. Es braucht dann noch mehr Soldaten. Das zermürbt.

Kann durch die Freigabe von Angriffen mit westlichen Waffen auf russisches Territorium vielleicht ein neues Momentum entstehen?

Das kann man erst sagen, wenn sich diese Angriffe in Ergebnissen messen lassen. Die müssten sich aber auch in absehbarer Zeit zeigen, weil die Zahl der gegen russisches Territorium zusätzlich verfügbaren Waffensysteme begrenzt ist. Denken Sie an die Situation bei der Artillerie, Munition und so fort: Selbst wenn man wollte, kann man nicht mehr liefern. Bei der Produktion fehlten inzwischen zum Teil Grundrohstoffe wie Sprengstoff. Derweil kann Russland immer weiter Material aus Nordkorea und China beziehen. Dieser Abnutzungskrieg wird über Ressourcen entschieden.

Frankreichs Pläne für die Entsendung von Militärausbildern in die Ukraine sind noch nicht offiziell vorgestellt worden. Was wäre der Mehrwert im Vergleich zur Ausbildung von Ukrainern auf EU-Boden?

Die Kommandeure an der Front würden um diese Aufgabe der Ausbildung entlastet. Logistisch ist es auch einfacher, wenn nicht Hundertschaften ukrainischer Soldaten hin und her reisen müssen. In der Ukraine gelten in der Ausbildung auch nicht die gleichen engen Regularien, etwa beim Einsatz von Drohnen. Und natürlich wäre die Entsendung von Ausbildern ein weiteres Signal der Unterstützung.

Haben die Europäer den Ukrainern überhaupt noch etwas beizubringen?

Ukrainische Soldaten sind von der Ausbildung im Westen oft enttäuscht, weil die Lehrgänge nicht ihre Erfahrung im Gefechtsfeld spiegeln. Drohnen etwa werden in der Ukraine in ganz anderem Umfang eingesetzt und man fragt sich, wozu man etwa ein Bordbuch für Drohnen anlegen und führen soll, wenn die meisten bereits nach einem Einsatz zerstört sind. Im Irak und Afghanistan haben auch die europäischen Streitkräfte viel Erfahrung gesammelt. Aber das ist nicht vergleichbar mit dem, was in der Ukraine passiert. Dort stehen sich Gegner mit gleichwertigen Waffensystemen auf hohem Niveau gegenüber. Für westliche Soldaten ist gar nicht vorstellbar, was dort an der Front passiert. Ich kann mich auch nur auf Gespräche mit den ukrainischen Kameraden stützen. Das erinnert dann oft an die Romanverfilmung „Im Westen nichts Neues“, also an Kriegsszenen wie aus der Zeit des Ersten oder Zweiten Weltkrieges: dieses transparente Gefechtsfeld, die Schützengräben. Permanent beobachten Drohnen vom Himmel aus jede Bewegung, First Person View Drohnen stürzen auf die Soldaten herab. Es ist wirklich schrecklich. In Afghanistan hatten wir Angst vor Sprengfallen und Hinterhalten, aber wir mussten kein Artilleriefeuer wie im Ersten Weltkrieg ertragen. Quelle: ntv.de

Markus Reisner ist Oberst des österreichischen Bundesheeres und analysiert jeden Montag bei ntv.de die Kriegslage in der Ukraine.

Philippinen sagen Ukraine Unterstützung bei Friedens-Gipfel zu

MANILA (dpa-AFX) – Bei einem Kurzbesuch auf den Philippinen hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj für die Unterstützung und Teilnahme des asiatischen Landes beim geplanten Ukraine-Friedensgipfel bedankt. „Ich freue mich, heute zu hören, dass Sie an unseren Friedensschritten teilnehmen werden“, sagte er am Montag seinem philippinischen Amtskollegen Ferdinand Marcos Jr. in Manila.

Selenskyj hatte zuvor den Shangri-La-Dialog in Singapur, das wichtigste sicherheitspolitische Forum im indopazifischen Raum, besucht. Seinen Angaben zufolge werden nunmehr Vertreter aus mehr als 100 Ländern auf dem Friedensgipfel am 15. und 16. Juni erwartet, den die Schweiz auf Wunsch der Ukraine nahe Luzern organisiert. Der Gipfel soll mehr internationale Unterstützung für das von Russland angegriffene Land mobilisieren.

„Wir werden weiter alles tun, was wir können, um Frieden zu fördern und das Kämpfen zu beenden und zu einer politischen Lösung zu gelangen“, erklärte Marcos Jr. bei dem Treffen. „Jeder versteht vollkommen, dass das einfacher gesagt als getan ist und ein schwieriger Weg wird zurück in eine Situation, die moralisch akzeptabel ist, nicht nur für die Ukraine, sondern auch für den Rest der Welt.“ Ob Marcos Jr. die Philippinen auf dem Gipfel selbst vertreten wird, war indes noch unklar.

Selenskyjs Ankündigung, dass die Ukraine in diesem Jahr eine Botschaft in dem südostasiatischen Inselstaat eröffnen wolle, bezeichnete der philippinische Präsident als „sehr gute Neuigkeiten“. Diplomatische Beziehungen zwischen den Philippinen und der Ukraine bestehen formell seit April 1992. Vor Russlands Invasion lebten und arbeiteten rund 200 Philippiner und Philippinerinnen in der Ukraine, von denen die meisten nun in ihre Heimat zurückgekehrt sind./juw/DP/men

Angriffe und Hitze: Ukraine rationiert Stromversorgung

Gegenseitige Angriffe auf die Energieinfrastruktur sind eine wesentliche Front im Krieg Russlands gegen die Ukraine – wobei die Folgen in der Ukraine mittlerweile weitreichend sind. Der Energieversorger Ukrenerho kündigte am Montag Stromabschaltungen an. Nicht nur die Kämpfe, auch ungewöhnliche Hitze setzt dem Netz zu. Der Zustand eines Damms gilt nach russischem Beschuss als kritisch.

Strom werde mit Montag für die ganze Woche rationiert, gab der nationale ukrainische Energieversorger Ukrenerho bekannt. Das Defizit im Energiesystem werde höher ausfallen als in der vergangenen Woche, sagte der Präsident des Unternehmens, Wolodymyr Kudryzkyj, am Sonntag im ukrainischen TV.

Aufgrund der Engpässe im Netz werde es Stromabschaltungen den ganzen Tag über geben, so Kudryzkyj, vor allem in der Früh und in den Abendstunden. Bereits in den letzten Wochen und Monaten war es nach Angriffen der russischen Armee auf die ukrainische Energieinfrastruktur mehrfach zu geplanten Rationierungen gekommen. Im März und April waren laut Berichten von damals mehr als 40 Prozent des ukrainischen Netzes teilweise ausgefallen.

Große Schäden an Kraftwerken

Gründe für die aktuellen Stromabschaltungen nannte Ukrenerho mehrere. Nach andauernden russischen Angriffen in den letzten Wochen seien erneut Teile der Energieinfrastruktur stark beschädigt, darunter auch mehrere Wasser- und Heizkraftwerke. Sie produzierten folglich weniger Strom als sonst, hieß es.

Außerdem würden seit Samstag zwei Reaktoren in ukrainischen Atomkraftwerken (AKW) planmäßig gewartet, was zu weiteren Ausfällen führt. Die Reparaturarbeiten hätten nicht weiter aufgeschoben werden können, die Leistung sei geringer als im Vollbetrieb, sagte Kudryzkyj.

AKWs decken rund die Hälfte des Energiebedarfs der Ukraine, das Land betreibt 15 Reaktoren an vier Standorten. In den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit rückte besonders das AKW Saporischschja, das leistungsstärkste auf europäischem Territorium, nach seiner Besetzung durch die russische Armee 2022.

Importe können Lücke nicht schließen

Ein Faktor seien die für die Jahreszeit hohen Temperaturen von über 30 Grad Celsius, die in dieser Woche in Teilen der Ukraine erwartet würden. Damit wachse der Verbrauch durch eine intensivere Nutzung von Klimaanlagen. Das Land müsse insgesamt mit einem erheblichen Mangel an Strom rechnen.

Es sei auch nicht möglich, den Bedarf durch den Import von Energie zu decken, sagte Kudryzkyj. Der Stromimport sei zwar teils mehr als verdoppelt worden. „Aber selbst das reicht nicht aus, um nachts komplett das Abstellen von Strom zu verhindern.“

Die Stromabschaltungen sollten den Verbrauch einschränken und vor allem das Netz stabilisieren, nachdem zuletzt russische Angriffe erneut einen erheblichen Teil der ukrainischen Stromproduktion hatten ausfallen lassen. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Menschen aufgerufen, möglichst wenig Energie zu verbrauchen.

Wasserkraftwerk in „kritischem Zustand“

Nach einem russischen Raketenangriff am Wochenende befindet sich außerdem das beschädigte Wasserkraftwerk an einem Stausee des Dnipro bei Saporischschja laut ukrainischen Behörden in „kritischem Zustand“. Spezialisten müssten die Sicherheit des dazugehörigen Damms untersuchen, sagte der Militärgouverneur des Bezirks in der südlichen Ukraine, Iwan Fedorow.

Das Kraftwerk war in den vergangenen Monaten mehrfach Ziel russischen Beschusses. Bei einem Raketenangriff Ende März brach ein Brand aus. Das Kraftwerk wurde stark beschädigt und musste eine Zeit lang abgeschaltet werden. In der Nacht auf Samstag schlugen erneut Raketen in der Anlage ein. Anschließend wurde der Damm für den Verkehr vorübergehend gesperrt.

Gezielte Angriffe auf Energieinfrastruktur

In ihrem seit mehr als zwei Jahren andauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die russische Armee ab März und April gezielt Kraftwerke, Umspannwerke und Stromleitungen aus der Luft beschossen. Die Produktionskapazität sank nach offiziellen Angaben um 44 Prozent. Die Stromproduktion aus Kohlekraftwerken ging fast vollständig verloren. Auch Wasserkraftwerke am Dnipro wurden beschädigt. Die Aussichten auf rasche Reparaturen sind schlecht.

m ersten Kriegswinter 2022/23 hatte Russland vor allem Umspannwerke in der Ukraine gezielt angegriffen. Das Stromnetz brach zwar nicht zusammen, aber Millionen Ukrainer und Ukrainerinnen waren von Elektrizität und damit oft auch Heizung und Wasserversorgung abgeschnitten.

Ukraine hat russische Raffinerien im Visier

Die ukrainische Armee griff seit Jahresanfang ihrerseits wiederholt Einrichtungen der russischen Treibstoff- und Energieversorgung über weite Distanzen mit Drohnen an. Ziel waren zumeist Raffinerien, zuletzt im Mai in der südrussischen Schwarzmeer-Region Krasnodar. Besonders nach der neuen russischen Bodenoffensive in der Region Charkiw verstärkte die Ukraine ihre Gegenangriffe über die Grenze.

Die ukrainischen Angriffe gelten vor allem auch Treibstoffdepots, sie sollen die russische Armee in der Ukraine vom Nachschub mit Diesel und Benzin abschneiden. Der ukrainische Präsident Selenskyj sprach im März von „Schwachstellen“ im russischen „System der Kriegsführung“ und davon, „dass wir diese Schwachstellen mit unseren Waffen erreichen können“. *** red, ORF.at/Agenturen

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ZENTRALBANKEN

Fed-Notenbanker: Zinsen für „längere Zeit“ auf aktuellem Niveau

Ein hochrangiger US-Währungshüter hat dazu aufgerufen, das aktuelle Niveau der Leitzinsen für eine „längere“ Zeit beizubehalten. Neel Kashkari, Präsident der Minneapolis-Fed, sagte in einem Podcast der Financial Times, eine Senkung der Zinsen, bevor die Inflation unter Kontrolle sei, würde die Grundlagen des US-Wohlstands gefährden. Er sagte zudem, dass die Amerikaner eine Inflation aus tiefstem Herzen verabscheuten und daher eine Rezession einem Preisanstieg vorziehen würden.

EZB formuliert Erwartungen für Auslagerung von Cloud-Services

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)–Die Europäische Zentralbank (EZB) macht die von ihr direkt beaufsichtigten Großbanken mit ihren Erwartungen hinsichtlich der Auslagerung von Cloud-Services bekannt. Wie sie zum Beginn von Konsultationen zu einem entsprechenden Leitfaden mitteilte, nutzen die Banken zunehmend Cloud-Computing-Dienste, die von Dritten angeboten werden. „Diese Dienste sind potenziell billiger, flexibler und sicherer, aber die Abhängigkeit von Dritten kann die Banken auch Risiken aussetzen, zum Beispiel in Bezug auf die IT-Sicherheit und mögliche Geschäftsunterbrechungen“, heißt es in einer EZB-Mitteilung.

Wenn eine Bank beispielsweise bei einem Ausfall die ausgelagerten Dienste nicht einfach ersetzen könne, könnten ihre Funktionen unterbrochen werden. Darüber hinaus sei der Markt für Cloud-Dienste stark konzentriert, und viele Banken verließen sich auf nur wenige Dienstleister in außereuropäischen Ländern. „Daher hält die EZB es für eine gute Praxis, dass die Banken diese Risiken ausdrücklich berücksichtigen.“

Notwendig wird der Leitfaden nach Aussage der EZB, weil sie Schwachstellen in der Auslagerungsstrategie der Institute entdeckt hat. So sollen die Banken besser auf einen Ausfall dieser Dienstleistungen vorbereitet sein und zudem dafür sorgen, dass sie im Zweifelsfall in der Lage wären, die ausgelagerten Dienstleistungen wieder ins eigene Haus zurückzuholen.

Banken müssen bis 2025 die Anforderungen des Digital Operational Resilience Act (Dora) erfüllen.

MELDUNGEN

MoÜBERBLICK am Abend/Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
MoISM-Index für US-Industrie sinkt im MaiDow Jones News
MoS&P Global: Aktivität in US-Industrie zeigt im Mai BelebungDow Jones News
MoUSA: Industriestimmung trübt sich unerwartet eindpa-AFX
MoUSA: Bauausgaben geben erneut nachdpa-AFX
MoDeutschland und die USA wollen Kooperation in der Raumfahrt stärkenDow Jones News
MoÜBERBLICK am Mittag/Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
MoHabeck erwartet mehrere Zinssenkungen der EZBDow Jones News
MoEZB formuliert Erwartungen für Auslagerung von Cloud-ServicesDow Jones News
MoGroßbritannien: Industriestimmung hellt sich aufdpa-AFX
MoBA: Nachfrage nach Arbeitskräften im Mai konstantDow Jones News
MoVerbände: Europawahl stellt Weichen zu WirtschaftsthemenDow Jones News
MoS&P Global: Eurozone-Industrie verlangsamt Talfahrt im MaiDow Jones News
MoS&P Global: Deutsche Industrie stabilisiert sich im Mai weiterDow Jones News
MoVDMA: Erstes Auftragsplus seit anderthalb JahrenDow Jones News
MoÜBERBLICK am Morgen/Konjunktur, Zentralbanken, PolitikDow Jones News
MoChina: Industrie-Stimmung steigt auf Zwei-Jahres-Hoch – Caixindpa-AFX
MoPRESSESPIEGEL/Unternehmen: LUFTHANSA TECHNIK, FTI, IPO/SHEINDow Jones News
MoPRESSESPIEGEL/Zinsen, Konjunktur, Kapitalmärkte, BranchenDow Jones News
MoUSA: Israel hat die meisten militärischen Ziele in Gaza erreichtdpa-AFX

WEITERE MELDUNGEN

ISM-Index für US-Industrie sinkt im Mai

WASHINGTON (Dow Jones)–Die Aktivität in der US-Industrie hat sich laut ISM im Mai verlangsamt. Der vom Institute for Supply Management (ISM) berechnete Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes ermäßigte sich auf 48,7 (Vormonat: 49,2). Von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen hatten einen Anstieg auf 49,6 prognostiziert.

Das Stimmungsbarometer liegt damit unter der Marke von 50 Zählern, ab der es ein Schrumpfen signalisiert.

Unter den stark beachteten Unterindizes fiel der für Neuaufträge auf 45,4 (Vormonat: 49,1), jener für die Beschäftigung legte zu auf 51,1 (Vormonat: 48,6). Der Index für die Produktion gab nach auf 50,2 (Vormonat: 51,3), während der Subindex der Preise einen Rückgang auf 57,0 (Vormonat: 60,9) auswies.

S&P Global: Aktivität in US-Industrie zeigt im Mai Belebung

NEW YORK (Dow Jones)–Die Aktivität in der US-Industrie hat sich laut einer Umfrage von S&P Global im Mai gegenüber dem Vormonat verstärkt. Der von S&P Global in diesem Sektor erhobene Einkaufsmanagerindex stieg auf 51,3 von 50,0 Punkten. Volkswirte hatten einen Stand von 50,7 erwartet. In erster Veröffentlichung war ein Wert von 50,9 ermittelt worden. Oberhalb von 50 Punkten signalisiert das Konjunkturbarometer ein Wachstum, unterhalb von 50 eine schrumpfende Wirtschaft.

„Auch wenn die Zunahme des Auftragseingangs bescheiden ausfällt, ist dies ein gutes Zeichen für die Produktion in den kommenden Monaten“, sagte Economics Director Andrew Harker laut der Mitteilung. „Tatsächlich wurde das Vertrauen in die Zukunft von den Herstellern als ein Faktor genannt, der zum Anstieg der Beschäftigung, der Einkaufstätigkeit und der Fertigwarenbestände beitrug.“

Link: https://www.pmi.spglobal.com/Public/Release/PressReleases  

USA: Bauausgaben geben erneut nach

WASHINGTON (dpa-AFX) – In den USA sind die Bauausgaben im April erneut gefallen. Im Monatsvergleich gingen sie um 0,1 Prozent zurück, wie das US-Handelsministerium am Montag in Washington mitteilte. Der Rückgang folgt auf ein Minus von 0,2 Prozent im März. Ökonomen hatten aktuell mit einem Anstieg um 0,2 Prozent gerechnet.

Im Jahresvergleich stiegen die Bauausgaben im April dagegen kräftig um 10 Prozent./bgf/jsl/ngu

US-Bürger unterstützen kleine Geschäfte – Bewusste Einkäufe in regional verorteten Läden nehmen laut Befragung immer weiter zu

San Francisco/Arlington (pte003/03.06.2024/06:10) – US-Bürger kaufen mit Vorliebe bei kleinen, lokalen Einzelhändlern ein. Dies zeigt eine landesweite Umfrage von Wakefield Research unter 1000 Erwachsenen im Auftrag von Faire, einem Online-Großhandelsmarktplatz, bei dem Einzelhändler einkaufen. Um kleine Geschäfte zu erhalten, würden 75 Prozent der befragten US-Amerikaner dort pro Monat bis zu 150 Dollar extra ausgeben. Der Grund: Sie fühlen sich schlecht, wenn kleine Einzelhändler aufgeben müssten.

Fahrzeiten von 30 Minuten kein Hindernis

Viele Kunden sind sogar bereit, bis zu 30 Minuten zu fahren, um in diesen Läden einzukaufen. Diese überraschende Zuneigung wirkt sich sogar auf die politische Einstellung aus: 85 Prozent der Befragten gaben an, dass sie einen Kandidaten bevorzugt wählen würden, der Kleinunternehmen unterstützt.

Aber wie können kleine Unternehmen in einer Zeit, in der sich Verbraucher von der Inflation bedrängt fühlen, an diesem 150-Dollar-Budgets teilhaben? Max Rhodes, Mitbegründer und Chief Operating Officer von Faire, rät den Kleinunternehmern, eine persönliche Beziehung zum Verbraucher aufzubauen. „Durch persönlichen Kundenservice, lokale Produktauswahl und Veranstaltungen in den Geschäften, können Kleinunternehmer die Menschen in ihre Räume locken und eine Beziehung aufbauen“, sagt er. „Diese Strategien bringen die Geschäfte näher an ihre Kunden heran und bauen langfristige Beziehungen auf, die wiederum dazu führen, dass der Einkauf in dem jeweiligen Geschäft zur Priorität wird.“

Lieber kleine Läden als große Ketten

Immer mehr Verbraucher zögen Geschäfte aus ihrer Region den großen Handelsketten vor, heißt es bei Faire. Allein in Nordamerika, Europa und Australien gebe es „Millionen von blühenden Kleinunternehmen“, die zusammen einen Markt von einer Billion Dollar repräsentierten. Davon lebt natürlich auch Faire. (Ende)

China: Industrie-Stimmung steigt auf Zwei-Jahres-Hoch – Caixin

PEKING (dpa-AFX) – Die Stimmung in Chinas Industrieunternehmen hat sich im Mai verbessert und den höchsten Stand seit fast zwei Jahren erreicht. Der Einkaufsmanagerindex des Wirtschaftsmagazins Caixin stieg zum Vormonat um 0,3 Punkte auf 51,7 Zähler, wie Caixin am Montag in Peking mitteilte. Das ist der höchste Stand seit Juni 2022. Analysten hatten im Schnitt mit einem geringfügig schwächeren Anstieg gerechnet.

Die Entwicklung steht im Gegensatz zu dem offiziellen Einkaufsmanagerindex der Regierung. Dieser war auf 49,5 Punkte gefallen. Er rangiert damit unter der wichtigen 50-Punkte-Marke, die Wachstum von Schrumpfung trennt. Die beiden Indikatoren unterscheiden sich in ihrer Struktur: Der Caixin-Index fokussiert kleine und mittelgroße Unternehmen, der Regierungsindex nimmt die großen Staatsbetriebe in den Blick.

Die chinesische Wirtschaft hat in den vergangenen Monaten Zeichen einer konjunkturellen Stabilisierung ausgesendet, allerdings auch immer mal wieder Anzeichen von Schwäche gezeigt. Grundsätzlich leidet die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt unter mehreren Strukturproblemen, darunter eine schwelende Immobilienkrise und die hohe Verschuldung der Staatsbetriebe und Regionalregierungen./bgf/jha/

Pipeline außer Betrieb Panne auf norwegischer Plattform – Gaspreise steigen

Auf der norwegischen Plattform Sleipner Riser hakt es bei der Produktion. Wie lange die Reparatur dauert, ist noch unklar. Die Lieferungen nach England stocken. Weil Norwegen inzwischen zum wichtigsten Lieferanten in Europa aufgestiegen ist, reagiert die Börse nervös.

Gaslieferungen zwischen Nyhamna in Norwegen und Easington in Nordengland sind derzeit vorerst ausgesetzt. Das führt zu Kürzungen im Gasliefersystem und steigenden Preisen in ganz Europa. „Es gibt operative Probleme auf der Plattform Sleipner Riser“, sagte Randi Viksund, Kommunikationsdirektorin des norwegischen Pipeline-Betreibers Gassco. Es seien Reparaturen nötig, weshalb die Unterwasser-Pipeline „Langeled“ außer Betrieb sei.

„Es gibt derzeit keine Lieferungen nach Easington“, sagte Viksund. Lieferungen ins schottische St. Fergus sind demnach nicht betroffen. Bereits am Sonntag seien 29,7 Kubikmeter weniger Gas durch die Pipeline geleitet worden als üblich. Am heutigen Montag sollen es den Angaben nach 56,7 Millionen Kubikmeter weniger sein.

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine und dem anschließenden Gas-Lieferstopp aus Russland war Norwegen zum wichtigsten Erdgaslieferanten Europas geworden. Lieferunterbrechungen oder -kürzungen bei wichtigen Lieferanten führen zu starken Preisschwankungen.

Der als Referenz für die Großhandelspreise für Gas geltende Terminkontrakt TTF an der Energiebörse in den Niederlanden stieg zu Wochenbeginn zwischenzeitlich um 13 Prozent an und notierte bei 38,70 Euro pro Megawattstunde – der höchste Wert im laufenden Jahr. Gegen Mittag lag der TTF noch bei 36,38 Euro.

Wann die Pipeline wieder in Betrieb gehen kann, ist nicht bekannt. „Wir arbeiten an einem Plan, um die Schäden zu beheben“, sagte Randi Viksund. *** Quelle: ntv.de, jwu/AFP

Großbritannien: Industriestimmung hellt sich auf

LONDON (dpa-AFX) – In der britischen Industrie stehen die Signale wieder auf Wachstum. Der entsprechende Einkaufsmanagerindex stieg im Mai um 2,1 Punkte auf 51,2 Punkte, wie das Marktforschungsunternehmen S&P Global am Montag in London nach einer zweiten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit einer Bestätigung der Erstschätzung von 51,3 Punkten gerechnet. Damit liegt der Stimmungsindikator wieder über der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Die Daten deuten also auf ein Wachstum des Sektors hin.

„Der jüngste Aufschwung war zwar von einem erstarkenden Inlandsmarkt abhängig, es gibt aber Anzeichen dafür, dass sich die Auslandsnachfrage ebenfalls einer Stabilisierung annähert“, kommentierte Rob Dobson, Direktor bei S&P Global Market.

Der Optimismus der Unternehmen gehe mit der Verbesserung der aktuellen Bedingungen einher. 63 Prozent der Hersteller erwarteten, dass ihre Produktion in einem Jahr höher sein werde, schreibt Dobson./jsl/bgf/jha/

EUROPAWAHL 9.6.2024

Österreich-bezogene Informationen dazu auf WIKIPEDIA => Wahlwerbende Parteien

Expertin zur Europawahl Mildner: So würde Rechtsruck EU-Wirtschaft schwächen (KURZVIDEO)

Expertinnen und Experten befürchten bei der anstehenden Europawahl einen deutlichen Rechtsruck. Die negativen Folgen für die europäische Wirtschaft erläutert Stormy-Annika Mildner. Die Direktorin des Apsen Institut Deutschland mahnt: „Die große Gefahr ist, dass viele Menschen nicht wählen gehen.“

Gescheiterte Pläne der EU: Ideen im Schatten der Nationalstaaten

Das Ende der Zeitumstellung, eine Finanztransaktionssteuer, ein zusätzlicher Feiertag: Seit der Gründung der Europäischen Union haben Politikerinnen und Politiker in Brüssel unzählige Ideen hervorgebracht, die aufwendig entwickelt, aber dann doch verworfen wurden. Was ist der Grund dafür, und gibt es für das eine oder andere Vorhaben noch Hoffnung? ORF.at hat nachgefragt.

So ist womöglich noch manchem die EU-weite Umfrage zur Zeitumstellung in Erinnerung – ein letztes Prestigeprojekt des früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Die Kommission schlug im September 2018 vor, dem saisonalen Hin und Her ein Ende zu setzen. Schließlich beauftragte das EU-Parlament die Kommission mit der Durchführung einer EU-weiten Umfrage, bei der sich 84 Prozent für die Abschaffung der Zeitumstellung aussprachen – wobei aber nur ein Prozent der EU-Bevölkerung überhaupt abstimmte. Davon präferierte ein Gros die Beibehaltung der Sommerzeit.

Seither sind sechs Jahre vergangen, in denen die Mitgliedsstaaten ihre Zustimmung erteilen hätten müssen, um ein entsprechendes Gesetz voranzutreiben. Doch das Projekt liegt auf Eis, denn bindend ist das Umfrageergebnis nicht. Portugal und Griechenland tendieren sogar eher zu einer Beibehaltung des halbjährlichen Wechsels. Warum also das ganze Spiel?

„Ich glaube, es war ein Versuch zu zeigen, dass die Europäische Kommission durchaus willig ist, an einer Lösung zu arbeiten, aber dass letztlich der Ball weitergespielt wird an die Mitgliedsstaaten und sich diese nicht einigen können“, so Schmidt gegenüber ORF.at. Zwar gebe es mittlerweile schon Vorschläge, die Uhr noch ein allerletztes Mal um eine halbe Stunde umzustellen, doch dass es hier in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten zu einer Einigung kommt, bezweifelt der Experte, das Thema errege mittlerweile in Brüssel auch kaum mehr die Gemüter.

Wer den Cent nicht ehrt …

Ein weiteres Vorhaben, zu dem es 2022 eine Eurobarometer-Umfrage gab, ist die Frage der Abschaffung der Ein- und Zwei-Cent-Münzen. Die Argumente dafür sind etwa die Kosten für die Herstellung und die Effizienz von Zahlungsvorgängen. Das Ergebnis: 64 Prozent der Befragten würden eine Abschaffung befürworten. Seither scheint allerdings auch dieses Projekt ein Fall für die Schublade geworden zu sein.

Von weitaus größerer ökonomischer Tragweite als die kleinen Kupfermünzen ist der Plan einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer (FTT). Laut Eurobarometer-Umfrage aus 2010 sprachen sich 61 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger für die Steuer aus. Hauptziel der EU wäre es, Einnahmen für den Staatshaushalt zu generieren und Finanzspekulation zu reduzieren. Doch Mitgliedsstaaten mit großen Finanzmärkten wie etwa Luxemburg und die Niederlande sprachen sich in der Vergangenheit gegen eine FTT aus.

„Was sind die Lehren, die wir aus Corona ziehen?“

Von besonderer Dringlichkeit erwies sich die Idee einer Gesundheitsunion während der Pandemiezeit. Sie würde es ermöglichen, die Maßnahmen zur Förderung der öffentlichen Gesundheit EU-weit zu verbessern: „Gerade nach Corona: Was sind die Lehren, die wir daraus ziehen, um besser vorbereitet zu sein für zukünftige mögliche Krisen?“, fragt ÖGFE-Chef Schmidt im Gespräch mit ORF.at.

Ebenso aufgrund von aktuellen Krisen viel diskutiert wird eine EU-Armee bzw. eine Verteidigungsunion. „Mit den Kriegen und Konflikten unserer Nachbarschaft wird das immer dringender“, so Schmidt. Sowohl die Gesundheits- als auch Verteidigungsunion sind beides Vorschläge, die bisher nicht das Licht der Welt erblickt haben.

Verfassung, Präsident, Parlament

Auch eine gemeinsame Verfassung gibt es nicht, könnte in der EU aber einiges vereinfachen. Zwar wurde ein Entwurf erarbeitet und 2004 von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten unterzeichnet, doch zu einer Umsetzung kam es nie – Frankreich und die Niederlande legten ein Veto ein.

Ein ähnliches Schicksal ereilte die Idee eines gemeinsamen EU-Präsidenten, also die Vereinigung von Kommissionspräsidentin und dem Präsidenten des Europäischen Rats in einer Person. Vereinfacht werden könnten Abläufe in der EU zudem durch einen einzigen Sitz des Europäischen Parlaments. Hier ist allerdings Frankreich dagegen und will seinen Standort mit Straßburg nicht aufgeben. Somit gibt es weiterhin zwei EU-Parlamentsgebäude – in Brüssel und in Straßburg.

Vorhaben mit Aussicht

Auch Österreich geht übrigens nicht immer mit EU-Vorhaben d’accord und nutzt sein Veto. Derzeit blockiert Österreich etwa die Schengen-Erweiterung, beim Renaturierungsgesetz enthält es sich der Stimme. Dennoch gelte, so EU-Experte Schmidt, das Gesetzesvorhaben zur Wiederherstellung der Natur noch als eines der Vielversprechendsten. Aktuell gibt es zwar noch keine Mehrheit, doch das Renaturierungsgesetz „kommt mit großer Wahrscheinlichkeit. Die Frage ist nur, in welcher Form und wann“, sagt der ÖFGE-Generalsekretär.

Nicht vom Tisch ist auch der „Digitale Euro“, der das Bargeld als digitales Zentralbankgeld ergänzen, aber nicht ersetzen könnte. Vergleichbar mit Google Pay bzw. Apple Pay könnte so ein schnelles und sicheres gesetzliches Zahlungsmittel auf digitaler Basis die Zahlungsmöglichkeiten in der EU erweitern.

Zukunft könnte außerdem ein EU-weiter Feiertag haben. Der 9. Mai ist dazu im Gespräch, um an einem „Europatag“ die Gemeinsamkeit und Solidarität in der EU zu feiern. Am 9. Mai 1950 stellte der französische Außenminister Robert Schumann seinen Plan für den Grundstein der Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), die Vorläuferorganisation der heutigen EU, vor. Den Tag als arbeitsfreien Feiertag zu erklären, würde wohl „niemandem wehtun“, so Schmidt.

Einstimmigkeit: Dilemma oder Chance?

Nicht zuletzt gab es immer wieder Debatten darüber, jenes Problem anzugehen, das sehr viele andere Probleme in der EU mit lösen würde: das Ende der Einstimmigkeit. Jedoch: „Realpolitisch ist das ganz schwierig umzusetzen“, meint der EU-Experte. „Die meisten Mitgliedsstaaten wollen das nicht. Weil sie nationalstaatliche Kerninteressen haben und die Möglichkeit haben wollen, Nein zu sagen.“

Denn um eine Entscheidung etwa in den Bereichen Außenpolitik, Finanzen, Justiz und Sicherheit anzunehmen, müssen sich alle Mitgliedsstaaten einig sein. Und genau hier liegt das Dilemma: Um die Einstimmigkeit abzuschaffen, braucht es einen einstimmigen Beschluss. *** Christina Vogler, ORF.at

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S&P Global: Eurozone-Industrie verlangsamt Talfahrt im Mai

FRANKFURT (Dow Jones)–Das verarbeitende Gewerbe der Eurozone hat im Mai ihre Talfahrt den dritten Monat in Folge verlangsamt. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Sektor legte auf 47,3 (Vormonat: 45,7) Punkte zu, wie S&P Global bei einer zweiten Veröffentlichung mitteilte. Bei der ersten Veröffentlichung war ein Wert von 47,4 Zählern ausgewiesen worden, Volkswirte hatten eine Bestätigung dieses ersten Ausweises erwartet. Ab 50 Zählern signalisiert das Konjunkturbarometer ein Wachstum, darunter deutet es auf eine Schrumpfung.

„Das könnte der Wendepunkt im verarbeitenden Gewerbe sein“, sagte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank. „Denn der Sektor steht kurz davor, dem seit April 2023 andauernden Produktionsrückgang zu stoppen. Dies wird vor allem von einer günstigeren Entwicklung bei den Vorleistungs- und Kapitalgütern gestützt. Dazu kommt, dass mehr Unternehmen als zuvor von dem positiven Trend bei den Auftragseingängen aus dem In- und Ausland berichten, wenngleich die Mehrheit noch über Rückgänge klagt.“

Webseite: https://www.pmi.spglobal.com/Public/Release/PressReleases

S&P Global: Deutsche Industrie stabilisiert sich im Mai weiter

FRANKFURT (Dow Jones)–Die Bedingungen im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands haben sich im Mai weiter stabilisiert. Der von S&P Global in diesem Sektor erhobene Einkaufsmanagerindex stieg auf 45,4 von 42,5 Punkten. In erster Veröffentlichung war ein Wert von 45,4 ermittelt worden, dessen Bestätigung Ökonomen erwartet hatten. Ab 50 Zählern signalisiert das Konjunkturbarometer ein Wachstum, darunter eine Schrumpfung.

„Endlich sieht man Licht am Ende des Tunnels“, sagte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank. „Nachdem sich das globale Umfeld im verarbeitenden Gewerbe in den letzten Monaten schon aufgehellt hatte, scheint der Funke nun allmählich auch auf die deutschen Hersteller überzuspringen. So hat der Index Produktion im Mai einen kräftigen Satz in Richtung der 50-Punkte-Schwelle gemacht und signalisiert, dass die Unternehmen ihre Fertigung im Durchschnitt kaum noch reduziert haben.“

Link: https://www.pmi.spglobal.com/Public/Release/PressReleases  

DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN

VDMA: Erstes Auftragsplus seit anderthalb Jahren

Von Andreas Plecko

FRANKFURT (Dow Jones)–Die Maschinen- und Anlagenbauer in Deutschland haben im April zum ersten Mal seit anderthalb Jahren wieder steigende Aufträge in ihren Büchern verzeichnet. Wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) mitteilte, ergab sich im Vergleich zum Vorjahr ein Auftragsplus von real 10 Prozent.

Aus dem Inland kamen 3 Prozent mehr Aufträge, aus dem Ausland waren es 13 Prozent mehr Bestellungen. Besonders stark waren die Zuwächse aus den Nicht-Euro-Ländern (plus 19 Prozent), während die Orders aus dem Euroraum leicht stiegen (plus 1 Prozent). „Großanlagengeschäfte trugen im April ihren Teil zu dem erfreulichen Ergebnis bei“, erklärte der VDMA.

Der April hatte in diesem Jahr drei Arbeitstage mehr als im Vorjahr. „Dies, sowie ein vergleichbar schwacher April 2023, sorgten für eine niedrige Vergleichsbasis und damit einen hohen Zuwachs im laufenden Jahr“, erläuterte VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers das Ergebnis. „Doch wir sehen uns bestärkt in unserer Annahme, dass die Talsohle im Auftragseingang erreicht ist.“

Im weniger schwankungsanfälligen Dreimonatszeitraum Februar bis April sanken die Bestellungen um real 9 Prozent zum Vorjahr. Aus dem Inland wurden 12 Prozent weniger Aufträge verbucht, aus dem Ausland kamen 6 Prozent weniger Bestellungen. Dabei gingen die Orders aus den Euro-Ländern um 12 Prozent zurück, das Minus mit den Nicht-Euro-Ländern betrug 4 Prozent.

Maschinenbau nach anderthalb Jahren im Plus – Serie durchgehender Minusraten im April gestoppt – VDMA vermeldet Zuwachs um zehn Prozent

Frankfurt am Main (pte015/03.06.2024/11:38) – Nach anderthalb Jahren durchgehender Minusraten sind im April die Bestellungen von Maschinen und Anlagen aus Deutschland zum ersten Mal wieder gewachsen. Laut dem Branchenverband VDMA ergab sich im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von real zehn Prozent.

Order-Talsohle erreicht

„Der April 2024 hatte drei Arbeitstage mehr als im Vorjahr. Dies, sowie ein vergleichbar schwacher April 2023, sorgten für eine niedrige Vergleichsbasis und damit einen hohen Zuwachs im laufenden Jahr. Doch wir sehen uns bestärkt in unserer Annahme, dass die Talsohle im Auftragseingang erreicht ist“, so VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers.

Im weniger schwankungsanfälligen Drei-Monats-Zeitraum Februar bis April 2024 sanken die Bestellungen um real neun Prozent zum Vorjahr. Aus dem Inland wurden zwölf Prozent weniger Aufträge verbucht, aus dem Ausland kamen sechs Prozent weniger Bestellungen. Dabei gingen die Orders aus den Euro-Ländern um zwölf Prozent zurück, das Minus mit den Nicht-Euro-Ländern betrug vier Prozent. (Ende)

HDE: Erneute Verbesserung der Konsumstimmung im Juni

Der monatelange Aufwärtstrend der Verbraucherstimmung reißt laut dem aktuellen Konsumbarometer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) auch im Juni nicht ab. Der Index steige bereits zum fünften Mal in Folge und klettere damit auf den höchsten Stand seit August 2021, teilte der Verband in Berlin mit. Das Barometer erreichte laut den Angaben 98,86 Punkte nach 97,51 Zählern im Mai. „Dass es mit der Konsumstimmung bergauf geht, deutet auf eine mittelfristige Erholung des privaten Konsums hin“, erklärte der HDE. Dies mache auch Hoffnung auf eine Erholung der gesamtwirtschaftlichen Lage.  

Verbände: Europawahl stellt Weichen zu Wirtschaftsthemen

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)–Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben für die Europawahl ein Umsteuern in der europäischen Wirtschaftspolitik verlangt. „Wir brauchen eine EU-Politik, die es den Unternehmen und Beschäftigten europaweit ermöglicht, ihre Potenziale voll auszuschöpfen“, erklärten sie in einem gemeinsamen Appell zu der Wahl am 9. Juni. „Dazu gehört eine Schubumkehr bei bürokratischen Belastungen. Nur so können wir unseren Beitrag zu den europäischen Transformationsprozessen und für eine gute und generationengerechte Zukunft Europas leisten“, betonten die Verbände, wie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mitteilte.

Die Wahlentscheidung sei daher „eine Entscheidung über die Weichenstellungen der künftigen europäischen Politik bei den wirtschaftlichen Kernthemen“.

Nötig seien weniger Bürokratie, ein global wettbewerbsfähiger Wirtschaftsraum, der auf Innovationskraft setze, Binnenmarkt und Freihandel für Wertschöpfung und Wohlstand in Europa, Integration und Vielfalt sowie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. „Der 9. Juni muss den Grundstein für eine zukunftsfähige EU in diesen neuen Zeiten legen“, forderte die Wirtschaft. Notwendig sei eine Politik, die fest zu diesen Werten stehe und einen klaren Fahrplan habe, diese Ziele zu erreichen.

BA: Nachfrage nach Arbeitskräften im Mai konstant

NÜRNBERG (Dow Jones)–Die Nachfrage nach Arbeitskräften in Deutschland ist im Mai konstant geblieben. Der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit (BA-X) stagnierte gegenüber dem Vormonat bei 111 Punkten, wie die Bundesagentur mitteilte. Der Rückgang, der in den jüngsten Monaten zu verzeichnen war, hat sich damit im Mai nicht fortgesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr hat der BA-X aktuell 10 Punkte verloren. Das Allzeithoch vor zwei Jahren wird inzwischen um 27 Punkte unterschritten.

In allen Wirtschaftszweigen – bis auf Bergbau, Energie, Wasser und Entsorgung – ist die gemeldete Arbeitskräftenachfrage im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken und zwar zu einem großen Teil in zweistelliger prozentualer Höhe.

Besonders stark fallen die Rückgänge aus in Land-, Forstwirtschaft und Fischerei, im Gastgewerbe und in Information und Kommunikation. Auch im Verarbeitenden Gewerbe sowie bei Banken, Finanzen und Versicherungen ist die Nachfrage deutlich gesunken. Absolut betrachtet ist der größte Rückgang in der Zeitarbeit zu verzeichnen.

Der BA-X bildet die Arbeitskräftenachfrage am ersten Arbeitsmarkt ab. Während die Arbeitslosenzahlen mit einigen Monaten Verzögerung auf konjunkturelle Änderungen reagieren, gilt die Bereitschaft der Unternehmen, neue Mitarbeiter einzustellen, als ein frühes Signal für Entwicklungen am Arbeitsmarkt.

Abfallaufkommen in Deutschland weiter rückläufig

Das Abfallaufkommen in Deutschland ist seit dem Jahr 2018 rückläufig. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) zum Internationalen Tag der Umwelt am 5. Juni mitteilte, wurden im Jahr 2022 nach vorläufigen Ergebnissen 399,1 Millionen Tonnen Abfälle in Deutschland entsorgt. Das waren 3,0 Prozent oder 12,4 Millionen Tonnen Abfälle weniger als im Vorjahr. Damit nahm das jährliche Abfallaufkommen seit dem Höchststand von 417,2 Millionen Tonnen im Jahr 2018 kontinuierlich ab und unterschritt im Jahr 2022 erstmals seit 2013 die Marke von 400 Millionen Tonnen.

Expertenrat bezweifelt Einhaltung der Klimaziele der Bundesregierung

Der Expertenrat für Klimafragen erwartet, dass die Bundesregierung ihre jüngst vorgelegten Treibhausgasziele verfehlen wird. Die unabhängigen Experten rechnen damit, dass die klimaschädlichen CO2-Emissionen besonders im Gebäude- und Verkehrsbereich über den Zielmarken liegen werden. Die Ziele für 2030 sowie diejenigen für die Jahre 2031 bis 2040 würden mit den aktuell geplanten Klimamaßnahmen verfehlt werden. Der Rat empfiehlt der Bundesregierung daher, zeitnah zusätzliche klimapolitische Schritte zu prüfen.

Neues Gesetz in der Hansestadt Hamburg untersagt Gesichtsverschleierung an Schulen

In Bayern und Niedersachsen sind Gesichtsverhüllungen an Schulen schon seit 2017 verboten. Nun zieht Hamburg nach. Schülerinnen in der Hansestadt, die sich nicht an die Regelung halten, müssen fortan mit Sanktionen rechnen.

An Hamburgs Schulen darf niemand mehr mit einem verhüllten Gesicht im Klassenraum sitzen. Ein entsprechendes Gesetz, das Mitte Mai sowohl von der rot-grünen Koalition als auch von der CDU und der AfD beschlossen worden war, ist seit Anfang Juni in Kraft. Neben dem Unterricht gilt es auch für schulische Veranstaltungen aller Art.

Das Gesetz fußt auf einer Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2020. Das Gericht hatte damals geurteilt, dass einer damals 16-jährigen muslimischen Schülerin das Tragen eines Gesichtsschleiers von der Schule nicht untersagt werden könne, da hierfür die gesetzliche Grundlage fehle. Zuletzt waren in der Hansestadt etwa zehn Fälle bekannt, in denen Mädchen mit Gesichtsschleiern den Unterricht besuchten.

In einem Schreiben an alle Schulen hat die Schulbehörde nun erläutert, wie mit der Neuregelung zu verfahren ist. So gilt als eine unzulässige Verhüllung etwa das Tragen eines Niqab oder sonstigen Gesichtsschleiers, nicht aber das Tragen eines Kopftuchs, das das Gesicht von den Augenbrauen bis zum unteren Kinnbereich frei lasse. Nicht verboten sei das Tragen einer Maske aus medizinischen Gründen, wie etwa während der Corona-Pandemie. „Grundsätzlich kann von dem Vorliegen gesundheitlicher Gründe ausgegangen werden, wenn eine medizinische Maske konsequent getragen wird und nicht offensichtlich nur situationsbedingt (…) getragen wird“, heißt es in dem Schreiben.

Bußgelder drohen

Die Schulbehörde betonte, die Neuregelung dürfe nicht zu einer sozialen Isolation oder Separation einzelner Schülerinnen führen. Insofern sollten betroffene Schülerinnen individuell pädagogisch betreut und auch Gespräche mit den Eltern geführt werden. Die Behörde machte aber auch klar, dass bei fortgesetzten Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen ergriffen oder Bußgelder erlassen werden können.

Für schulpflichtige Schülerinnen könne dies ein schriftlicher Verweis sowie der Ausschluss von einer Schulfahrt oder vom Unterricht für bis zu zehn Tage bedeuten. Schülerinnen, die nicht mehr der Schulpflicht unterliegen, könnten dauerhaft der Schule verwiesen werden. Daneben komme die Verhängung eines Bußgeldes in Betracht, „da ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich gegen die Bestimmungen über die Schulbesuchspflicht (…) verstößt.“ Das könne sich auch gegen die Sorgeberechtigten richten.

Verschleierung im Schulunterricht wird in Deutschland immer wieder diskutiert. Weil die Bundesländer für Bildung zuständig sind, ist das Thema uneinheitlich geregelt. Bayern und Niedersachsen hatten die vollständige Gesichtsverhüllung 2017 als erste Bundesländer durch Änderungen ihrer Schulgesetze untersagt. *** Quelle: ntv.de, jpe/dpa  

ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN

Gegen Verbrenner-Aus: ÖVP-Autogipfel „Teil des Wahlkampfs“

Sechs Tage vor der EU-Wahl hat die ÖVP am Montag zu einem Autogipfel geladen. Im Fokus standen Beratungen gegen ein – bereits in der EU beschlossenes – Verbot von fossilen Treibstoffen bei neuen Verbrennern ab 2035. „Die Inszenierung ist Teil des Wahlkampfs“, analysierte Bertram Barth, Chef des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Integral, am Montag gegenüber ORF.at. Mit dem „hoch emotionalen Thema“ wolle die ÖVP die Mitte der Gesellschaft ansprechen.

Die mehrheitlich beschlossene EU-Regelung sieht vor, dass ab 2035 in Neuwagen keine fossilen Treibstoffe mehr verwendet werden dürfen, synthetische Kraftstoffe sind aber weiter zugelassen. Das Schlagwort vom Verbrenner-Aus werde mit dem Auto-Aus gleichgesetzt, so Barth. Ein emotional besetztes Thema werde vermischt mit Kritik an der Bürokratie in Brüssel, damit greife das populistische Narrativ.

„Die ÖVP zielt auf die Mitte der Gesellschaft“, sagte Barth, der gemäß der Sinus-Milieus, die die österreichische Gesellschaft in mehrere Milieus unterteilt, zwei verschiedene Gruppen der Mitte unterscheidet: die Adaptiv-Pragmatischen als gemäßigte Mitte und die Nostalgisch-Bürgerlichen, die Sorge haben, ihren Lebensstandard nicht halten zu können, Normalität einfordern und etwa bei CoV-Demos und in Internetforen stark präsent waren und sind.

„Nullsummenspiel für ÖVP“

Die FPÖ habe diese Gruppe gut im Griff. Dennoch versuche die ÖVP mit so emotionalisierten Themen wie dem Verbrenner-Aus, in diesem Milieu gerade vor der EU-Wahl zu punkten. Das sei aber schwierig. Derzeit liegt die ÖVP in den Umfragen auf Platz drei. Barth zu den Auswirkungen auf die EU-Wahl am Sonntag: „Ich befürchte, das wird für die ÖVP ein Nullsummenspiel.“ Zwar könnte die ÖVP mit diesem Vorgehen klassische Wähler und Wählerinnen ihrer Partei mobilisieren, zugleich mit diesem Standpunkt aber andere auch wieder abschrecken, analysierte der Experte.

Die gemäßigte Mitte sei leiser und falle weniger auf, sei aber wichtiger. Zwar wolle auch diese Gruppe nicht auf das Auto verzichten, so Barth. Sie sei aber aufgeschlossener, technologieaffiner, könnte sich mit Veränderungen leichter arrangieren und sei vorsichtiger mit populistischen Erzählungen.

Gewessler nicht eingeladen

Von der Opposition muss sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Vorwurf gefallen lassen, dass er das „Amt des Bundeskanzlers ganz offensichtlich für den Wahlkampf seiner Partei missbraucht“, so NEOS-EU-Kandidatin Anna Stürgkh. Meinungen für das Verbrenner-Aus waren zumindest bei der Pressekonferenz nach dem Autogipfel nicht zu hören.

Vertreten waren ausschließlich ÖVP-Politiker – Nehammer, der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler und Wirtschaftsminister Martin Kocher – sowie der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein. Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) war jedenfalls genauso wenig wie Umweltschutzorganisationen zum runden Tisch zum Verbrenner-Aus eingeladen.

Zu den lautesten Verteidigern des Verbrennermotors zählen die CDU in Deutschland und die ÖVP in Österreich. Argumentiert wird gegen das Verbot von Verbrennern mit dem Schlagwort der „Technologieoffenheit“. Diese brauche es, statt durch Verbote die Freiheit bei Innovationen einzuschränken.

Technologieoffenheit als „Blender“

Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sah diese Argumentation gegenüber der ZIB kritisch: „Das von der Politik derzeit eingesetzte Technologieoffenheitsargument ist ein Blender, um bei der EU-Wahl besser abzuschneiden.“ Das Rennen um die Technologie starte jetzt. Dudenhöffer: „Wir dürfen uns nicht gegen die Zukunft wenden, sondern müssen schneller in die Zukunft gehen.“

Laut Barth wird das „schöne Wort Technologieoffenheit“ in der aktuellen Diskussion in einem populistischen Kontext verwendet, der signalisiere, dass man selbst nichts verändern brauche, denn die Technik werde es schon richten. „Mit der Abwehr von Veränderung macht sich die ÖVP allerdings in der gemäßigten Mitte unglaubwürdig. Die Nostalgisch-Bürgerlichen hat aber die FPÖ fest im Griff“, so der Meinungsforscher. *** Simone Leonhartsberger, ORF.at/Agenturen

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Vergleiche dazu „Festhalten am Verbrennern könnte EU-Klimaziele gefährden“ unter UMWELT

UMWELT

Festhalten an Verbrennern könnte EU-Klimaziele gefährden

Die Entscheidung über das Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 könnte nach den bevorstehenden EU-Wahlen abgeschwächt werden. Expertinnen und Experten sehen in diesem Fall Auswirkungen auf das Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor. Stärker ins Gespräch kommen synthetische Kraftstoffe, wie E-Fuels, die trotz ihres geringen Wirkungsgrades etwa als Übergangstechnologie oder Nischenfüller dienen könnten. Das ist im Pkw-Bereich aber stark umstritten.

Die kritischen Stimmen aus der Politik gegenüber eines solchen Verbots sind in den vergangenen Monaten lauter geworden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat schon mal vorsorglich betont, dass die EU-Entscheidung im Jahr 2026 überprüft wird. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hält das sogenannte Verbrenner-Aus für „den falschen Weg“. Der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Gabriel Felbermayr, bezweifelt, dass das Verbot in der jetzigen Form hält. Er verweist auf EU-weit zu knappe Fristen, etwa mit Blick „gen Osten“.

Österreichs Klima-Ziele sind bedroht

„Knapp 40 Prozent des CO2-Einsparpotenzials im Verkehrsbereich entfallen auf die Elektrifizierung von Pkws. Wenn man die Pläne für das Verbrenner-Aus zurücknimmt oder zeitlich nach hinten verschiebt, wird es für Österreich auf jeden Fall schwieriger, die klimapolitischen Zielsetzungen bis 2040 zu erreichen“, erklärte Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien im Gespräch mit der APA.

In Österreich würden rund 24 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Verkehrssektor pro Jahr anfallen. Alleine neun Millionen Tonnen könnten durch die Elektrifizierung des Pkw-Bestandes bis 2040 eingespart werden, verweist der Mobilitätsforscher auf Berechnungen, die aus dem Bericht des Umweltbundesamtes „Transition Mobility 2040“ hervorgehen. Darin heißt es auch, dass der technologische Wechsel von Verbrennungskraftmaschinen auf lokal emissionsfreie Antriebe ein „zentraler Baustein für die sektorenübergreifende Klimaneutralität im Jahr 2040“ sei.

Änderungen beim Verbrenner-Aus würden auch die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen oder Bussen beeinflussen, bei denen weitere fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente bis 2040 eingespart werden könnten. „Insgesamt geht es um 14 Millionen Tonnen, also rund 60 Prozent der Emissionen im Verkehrsbereich, die relativ einfach vermeidbar wären. Viel schwieriger umzusetzen als die technologische Komponente sind die anderen Maßnahmen, die zum Erreichen der Klimaziele notwendig sind, wie beispielsweise Änderungen bei gebauten Strukturen – Stichwort Zersiedelung – oder Verhaltensänderungen“, so Frey.

Elektromotor bei Pkw effizienter als E-Fuels

E-Fuels oder synthetische Kraftstoffe könnten in Bereichen eingesetzt werden, wo der Elektromotor noch nicht ausgereift genug sei oder es darum gehe, größere Massen zu transportieren. „Beim Pkw ist der Elektromotor aber viel effizienter. Hier kann man vier- bis fünfmal so viele Fahrzeuge mit derselben Energieeinheit betreiben wie mit E-Fuels, weil hier ein Umwandlungsprozess gemacht werden muss.“ Mit einer Windkraftanlage mit drei Megawatt könnten 1.600 E-Fahrzeuge 20.000 Kilometer pro Jahr betrieben werden, aber nur 250 Fahrzeuge mit E-Fuels. „Das ist ein wirklich eklatantes Verhältnis“, sagte der Experte.

E-Fuels sind Treibstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin, die jedoch nicht aus fossilem Erdöl, sondern aus Strom gewonnen werden. Bei der Verbrennung von synthetischen Kraftstoffen wird zwar CO2 ausgestoßen, da dies beim Herstellungsprozess der E-Fuels gebunden wird, gelten sie dennoch als deutlich klimafreundlicher als fossile Brennstoffe – abhängig davon, woher der Strom stammt.

„Die Klimaziele werden aufgrund der Behaltedauer der Fahrzeuge in der Realität sogar dann verfehlt, wenn man das Verbrenner-Aus auf 2030 vorzieht“, relativiert Helmut Eichlseder, Vorstand des Instituts für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme an der Technischen Universität (TU) Graz, den Zeitpunkt des geplanten Verbrenner-Verbots. Es brauche für die Bestandsflotte und Anwendungen, für die ein batterieelektrischer Antrieb nicht sinnvoll sei, einen alternativen Pfad. Solange das Verbrenner-Verbot gelte, würde nicht weiter in Richtung nachhaltige Kraftstoffe geforscht, weil vor Investitionen zurückgeschreckt werde.

Er sieht E-Fuels als Ergänzung zu Elektroautos – „zumindest für den Bestand, weil es hier keine Alternative gibt“, schließt aber eine Neu-Zulassung von Fahrzeugen, die mit diesen Kraftstoffen betrieben werden können, auch nach 2035 nicht aus. Eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen, benötige fünf bis zehn Jahre, räumte der Experte ein. Und teurer als fossile Energie werde es auch, was aber auf alle Alternativen – auch „grünen“ Strom – zutreffen würde. Schließlich „geht das Hauen und Stechen um nachhaltige Energie erst richtig los“.

Eine Entscheidung des Konsumenten

Die fossil angetriebenen Fahrzeuge im Bestand zu verschrotten sei weder aus CO2- noch Umweltsicht sinnvoll. „Letztendlich muss der Konsument entscheiden, ob er sie weiter fährt, auch wenn der Kraftstoff dann teurer ist, oder ob er sich batterieelektrisch fortbewegt, weil das für seine Anwendung perfekt passt, oder auch verzichtet“, so Eichlseder. Allerdings sei elektrischer Strom in vielen Gegenden der Welt bereits in der Größenordnung von einem Eurocent pro Kilowattstunde zu haben, verwies er auf die Möglichkeit, erneuerbare Energie zu importieren und damit die Kosten für E-Fuels etwas zu senken. Den in Österreich produzierten Strom sollte man hingegen sofort in Anwendungen wie E-Autos stecken.

Aber würden die Bestandskunden nicht weiter Benzin oder Diesel tanken, wenn synthetische Kraftstoffe auf absehbare Zeit teurer bleiben? „Fossile Treibstoffe müssen ordentlich besteuert werden, um E-Fuels damit querzufinanzieren. Das ist aus meiner Sicht jedenfalls eine sinnvolle Variante“, ist Eichlseder überzeugt. Sollten Verbrenner auch nach 2035 in den Markt gelassen werden, müsse die Nutzung von E-Fuels verbindlich vorgeschrieben sein, um eine umweltfreundliche Wirksamkeit zu entfalten. Eine Betankung sei dann nur mit nachhaltigen Kraftstoffen möglich. „Das ist immer noch besser als ein Verbot auszusprechen, weil die Leute dann weiter Autos mit fossilen Antrieben fahren“, so der Experte: „Aber teurer wird es allemal für alle.“

Klimaziele nur erreichbar, wenn Antriebe sich verändern

Die Klimaziele im Verkehr könne man nur erreichen, wenn massiv bei den Antrieben umgestellt werde, erläuterte Astrid Gühnemann vom Institut für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien gegenüber der APA. E-Fahrzeuge seien „so viel effizienter, dass wir deutlich weniger zusätzliche Energiekapazitäten ausbauen müssten als zum Beispiel bei synthetischen Kraftstoffen“. E-Fuels hätten „einen sehr, sehr schlechten Wirkungsgrad. Das heißt, ich muss wesentlich mehr Energie erzeugen für die gleiche Kilometerleistung“, so die Expertin, die im Pkw-Bereich keinen Anlass für eine Aufweichung des Verbots sieht. Ausgenommen seien bestimmte Fahrzeuge, die eine sehr hohe Energiedichte benötigen.

Wenn mit einer Alternative für den Bestand argumentiert werde, hänge die Wirksamkeit auf die Treibhausgasemission davon ab, wie die synthetischen Fuels konkret hergestellt werden, also wie viel CO2 im Vergleich zu einem Benziner oder Diesel entstehe. Österreich habe einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien bei der Primärenergieproduktion, in anderen europäischen Ländern sehe das aber anders aus, meinte auch Frey unter Hinweis auf Strom aus Kohlekraftwerken. Durch die hohen Verluste bei der Umwandlung – Stichwort Energieeffizienz – falle das bei E-Fuels umso mehr ins Gewicht.

Eine Diskussion, ob man Verbrenner, die mit E-Fuels betrieben werden, auch nach 2035 verkaufen darf, macht laut Gühnemann „keinen Sinn“. Schließlich könne „grüner“ Strom im Hinblick auf den schlechten Wirkungsgrad bei E-Fuels anderweitig deutlich effizienter eingesetzt werden. Außerdem sei fraglich, ob diese Kraftstoffe in ausreichendem Maße hergestellt werden können und welchen Preis sie dann haben. „Meine Vermutung ist, dass wir in anderen Bereichen der Wirtschaft höhere Nachfrage und höhere Zahlungsbereitschaften für diese Fuels haben werden. Das wird auch preislich keine attraktive Alternative sein“, erwartet Gühnemann.

In einer Übergangsphase werde es auch Auswirkungen auf die Steuersituation geben, weil die Mineralölsteuer sukzessive wegfällt. „Da wird es unter Umständen auch andere Einnahmeschienen für den Staat geben müssen, um diesen Ausfall zu ersetzen, auch weil man die tendenziell Einkommensschwächeren nicht voll belasten kann. Man wird sich gut überlegen müssen, wie man diese Übergangsphase gestaltet.“ Möglich seien ein kilometerabhängiges Roadpricing oder Kompensationsmaßnahmen durch Steuerentlastungen und -belastungen. Über die CO2-Preise würden die konventionellen Kraftstoffe aber ohnehin teurer.

Tauender Permafrostboden kein Kippelement im Klimasystem

Das Tauen arktischer Permafrostböden hat gravierende Auswirkungen, ist aber kein plötzliches katastrophales Kippelement im globalen Klimasystem. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam unter Leitung eines Experten des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in einer am Montag veröffentlichen Untersuchung.

„Nach wissenschaftlicher Datenlage ist dieses Bild nicht korrekt“, erklärte das AWI mit Blick auf die Vorstellung eines sich ab einem gewissen Punkt rasant und unumkehrbar verstärkenden flächendeckenden Auftauens der gesamten Permafrostböden. Dies sei aber keine Entwarnung, fügte es an. Das Tauen der Permafrostböden lasse sich als Zusammenspiel vieler örtlicher und regionaler Kippelemente verstehen, die zu verschiedenen Zeitpunkten „zünden“. Deren Wirkung akkumuliere sich, die Prozesse verliefen teilweise auch unumkehrbar.

Der in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ veröffentlichten Analyse zufolge vollzieht sich das Auftauen des Permafrosts laut AWI generell „im Gleichschritt mit der globalen Erwärmung“ – und zwar ansteigend bis „zum Totalverlust“ bei einem Temperaturanstieg um fünf bis sechs Grad Celsius. „Das bedeutet, dass schon heute und auch in naher Zukunft mehr und mehr Gebiete unausweichlich vom Auftauen betroffen sind“, betonte AWI-Experte Jan Nitzbon.

„Irreführend“ ist nach seinen Angaben lediglich die Hypothese des Auftauens im Sinn eines plötzliches massiven Kippelements. „Es gibt keine Evidenz für sich selbst verstärkende interne Prozesse, die ab einem bestimmten Grad der globalen Erwärmung den gesamten Permafrost gleichzeitig erfassen und das Tauen global beschleunigen würden“, erklärte Nitzbon in Bremerhaven weiter.

Theorie umstritten

Die Frage, ob ein Tauen der arktischen Permafrostböden einen Kipppunkt im globalen Klimasystem darstellen könnte, ist nach Angaben des AWI in der Wissenschaft schon seit längerem umstritten. Die Untersuchung sollte daher mehr Klarheit in diesem Punkt bringen. Sie basiert auf einer Auswertung der wissenschaftlichen Literatur zu den relevanten Tauprozessen kombiniert mit einer Datenanalyse. Dieses sollte eine Abschätzung der Folgen ermöglichen.

Permafrostböden bedecken laut AWI etwa ein Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel der Erde und speichern Unmengen von organischem Kohlenstoff in Form von abgestorbenen Pflanzenresten. Wenn die seit Jahrtausenden dauerhaft gefrorenen Böden wegen des Klimawandels auftauen, werden Mikroorganismen aktiv und zersetzen das Material. Dadurch werden gigantische Mengen der Treibhausgase CO2 und Methan frei und heizen die Erderwärmung weiter an.

Das Auftauen der Permafrostböden gilt deshalb als ein mögliches sogenanntes Kippelement im Zuge des Klimawandels. Damit ist gemeint, dass natürliche Systeme beim Überschreiten eines bestimmten Schwellenwerts unumkehrbar aus ihrem bisher stabilen Zustand „kippen“ und das Leben auf der Erde massiv gefährden sowie den Klimawandel unter Umständen noch zusätzlich anheizen könnten. Als Kipppunkt gilt etwa auch das Abschmelzen polarer Eisschilde.

Ihre Ergebnisse sehen die Forschenden dabei als Beleg für die Notwendigkeit von mehr Klimaschutz, nicht etwa weniger. Das Bild des Permafrosts als ein Kipppunkt suggeriere einen „beruhigenden Erwärmungsspielraum, den man bis zum Schwellenwert noch ausreizen kann“, erklärte Nitzbon. Diesen gebe es aber nicht. Je schneller die Menschheit CO2-Neutralität erreiche, desto mehr Permafrostgebiete blieben als Lebensraum und Kohlenstoffspeicher erhalten.

Lachgas-Fresser sollen landwirtschaftliche Treibhausgase reduzieren

Bodenbakterien produzieren in stickstoffgedüngten landwirtschaftlichen Böden unter bestimmten Bedingungen Lachgas, das für einen erheblichen Anteil der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft verantwortlich ist. Forscherinnen und Forscher aus Norwegen und Österreich berichten nun im Fachjournal „Nature“ über ein Bakterium, das im Boden gebildetes Lachgas „frisst“ und breit eingesetzt verhindern könnte, dass dieses in die Atmosphäre entweicht.

Die weitverbreitete Verwendung von stickstoffhaltigen Düngern, gleich ob chemisch hergestellter Kunstdünger oder organischer Viehdung, führt zu Emissionen des – auch unter dem Namen „Lachgas“ bekannten – Treibhausgases Distickstoffoxid (N2O) aus landwirtschaftlichen Böden. Diese Emissionen machen nach Angaben der Norwegischen Universität für Biowissenschaften (NMBU) in Ås in der Nähe von Oslo derzeit etwa ein Drittel des gesamten von der Landwirtschaft verursachten Ausstoßes von Treibhausgasen aus. Bisher ging man davon aus, dass sie unvermeidlich seien.

Das Lachgas wird unter bestimmten Bedingungen von Mikroorganismen im Boden gebildet: Wenn diese keinen Zugang zu Sauerstoff haben, sind sie gezwungen, andere Wege zu finden, um Energie zu gewinnen, etwa indem sie Nitrat anstelle von Sauerstoff veratmen. Durch einen „Denitrifikation“ genannten Prozess wird das Nitrat dabei u.a. in Lachgas umgewandelt. „Dieses Treibhausgas hat eine etwa 300-mal stärkere Wirkung als CO2, und die Landwirtschaft ist für etwa drei Viertel der N2O-Emissionen in Europa verantwortlich„, erklärte Wilfried Winiwarter, einer der Mitautoren der Studie vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien in einer Aussendung.

Die Wissenschafter haben nun nach langer Suche eine spezielle Bakterienart identifiziert, die Lachgas zu harmlosem Stickstoffgas (N2) reduzieren, selbst aber kein Lachgas herstellen kann. Diesem „Cloacibacterium sp. CB-01“ genannten Bakterium „fehlt einfach das Gen, um Lachgas zu produzieren, es kann es nur fressen“, so Elisabeth Hiis von der NMBU. Bei der Düngung mit Abfällen aus der Biogaserzeugung, in denen dieses Bakterium gewachsen ist, wurden in Feldversuchen die N2O-Emissionen je nach Bodentyp um 50 bis 95 Prozent reduziert.

Das Forschungsteam arbeitet nun daran, weitere Lachgas-„fressende“ Bakterien zu finden, und diese in verschiedenen Arten von organischen Abfällen zu testen, die weltweit als Dünger verwendet werden. Die Mikroben müssen in der Lage sein, in organischen Abfällen schnell zu wachsen, im Boden gut zu funktionieren und lange genug zu leben, um die N2O-Emissionen während einer ganzen Vegetationsperiode zu reduzieren. Das Ziel der Wissenschafter ist es, eine breite Palette solcher Mikroben zur Verfügung zu haben, die in verschiedenen Bodentypen und mit unterschiedlichen Düngemittelmischungen funktionieren können. Sie glauben, dass diese Methode das Potenzial hat, die landwirtschaftlichen Lachgasemissionen in Europa um ein Drittel zu reduzieren.

Service: https://doi.org/10.1038/s41586-024-07464-3

TECHNIK – TECHNOLOGIE – INNOVATION

30 Jahre Risikoforschungs-Institut: Atom-Einstieg „nicht anzuraten“

Das Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien begeht dieser Tage sein 30-jähriges Bestehen. Seit der Gründung hat sich die Einrichtung von der Kernkraftsicherheit ausgehend u.a. in Richtung Nano- und Gentechnologie oder Energiesystem-Forschung weiterentwickelt, wie Risikoforscher Nikolaus Müllner der APA erklärte. Selbst angesichts einer Kernkraft-Renaissance andernorts würde er Österreich weiter nicht zum Einstieg raten.

Am Mittwoch (5. Juni) blickt man im Rahmen eines Symposiums unter dem Titel „Gestalten von Technologien in komplexen Systemen“ zurück und nach vorne, so der Institutsleiter im Vorfeld der Veranstaltung. Ausgangspunkt für die einstige Gründung des heute „kleinen, feinen Instituts“ mit rund 15 Mitarbeitern waren auch die Auseinandersetzungen rund um die grenznahen Atomkraftwerke (AKW) Bohunice, Temelin oder Krško. „Es gab Bedarf an unabhängiger Expertise im Bereich nuklearer Sicherheit – das hat damals gefehlt“, sagte Müllner.

Seither habe man einerseits eine beratende Funktion vor allem für die Politik und andererseits viel einschlägige Forschung betrieben. Darüber werden u.a. die Ex-Institutsleiter Wolfgang Kromp und Emmerich Seidelberger beim Symposium berichten. Der Fokus hat sich dann laut Müllner „etwas geweitet“ – eben in Richtung anderer Risikofelder in den Energietechnologien und später auch hin zur Technikfolgenabschätzung, vor allem unter Kromps und Seidelbergers Nachfolgern, Wolfgang Liebert und Wolfgang Renneberg.

Letzterer war davor lange Zeit Chef der deutschen Atomaufsichtsbehörde, wie Müllner betonte. Renneberg hat etwa auch die Themen Risikowahrnehmung und -kommunikation vorangetrieben. Wenn es „brannte“, wie bei der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011, waren Vertreter des Instituts immer sehr gefragte Kommunikatoren. So bestritt etwa Kromp damals viele Stunden live im ORF-„Zeit im Bild“-Studio. Müllner rückte mit seiner Expertise zuletzt auch im Zuge der russischen Angriffe auf das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja mehrfach ins mediale Interesse: „Wenn das Institut gefragt wird, geben wir auch sehr gerne Antwort. Ein gewisses Interesse an diesen Themen sollte man auch haben, wenn man selbst keine Kernkraftwerke betreibt“, ist Müllner überzeugt.

Bevölkerung durchgehend „stark ablehnend“

Auch wenn im Zuge der Klimakrise die Kernkraft als im Vergleich zu fossilen Energieträgern „saubere“ Energieform in vielen Ländern wieder in den Vordergrund rückt, nimmt der Experte zur Zeit kaum Risse in der traditionellen österreichischen Ablehnung wahr. Österreich zeigt sich in einschlägigen Befragungen hier durchgehend „stark ablehnend“.

Dass das Land in die Kernenergie einsteigen könnte, sei auch angesichts der drängender werdenden Klimakrise „nicht anzuraten“. Zudem: Bis hypothetisch Meiler ans Netz gehen könnten, würde es mindestens 20 bis 30 Jahre dauern. „Man handelt sich auch mit der Endlagerung unglaublich viele Probleme ein“, so Müllner. Außerdem: Wenn mit Klimaschutz-Argumenten für neue AKW-Projekte geworben wird, müsse man auch deren oft explodierende Kosten und Zeiträume bis zur Fertigstellung einrechnen.

Stellt man also Kerntechnologie in die Mitte der Energiewende, sollte auch abgeschätzt werden, was passiert, wenn die hochtrabenden Hoffnungen platzen. Das gelte übrigens auch für erneuerbare Energietechnologien, in die „eventuell Erwartungen gesetzt werden, die nicht erfüllt werden“. Ein Beispiel seien seit vielen Jahren in den Raum gestellte Anlagen zur Wasserstoffherstellung mit Solarstrom in Wüstengebieten, die sich bisher nicht materialisiert haben. Trotzdem würden manche Länder solche Ideen ins Zentrum ihrer Klimaschutzpläne stellen.

Im Kernkraftbereich seien momentan viele Fragen zu „Small Modular Reactors“ (SMRs) offen, die von manchen ebenfalls als potenzielle Helfer beim Klimaschutz angesehen werden und für die es zahlreiche neue Designs gibt. Wie diese einzuschätzen sind, könne man noch nicht sagen.

Auch für die Genehmigungsverfahren ist das „eine ziemliche Herausforderung“, so der Risikoforscher, der hier gleichzeitig einen starken politischen Wunsch zur raschen Umsetzung wahrnimmt.

Dass tatsächlich AKWs in Kriegen zwischen die Fronten geraten können, sei ein weiteres wichtiges, leider hochaktuelles Thema in dem Forschungsfeld. Solche Szenarien wurden in der Vergangenheit „nicht wirklich konsequent durchgedacht“. Ebenso gelte es, die neue politische Relevanz von Kernwaffen zu analysieren. Bei diesen und anderen Themen, wie etwa der Neuen Gentechnik, Nanomaterialien und Mikroplastik, möchte man in Wien jedenfalls „dranbleiben“, betonte Müllner, der das Institut inhaltlich „konsolidiert“ sieht.

Service: https://boku.ac.at/wau/risk

IT – KI – ROBOTIK – INTERNET

Grenzen der „KI“-Sprachmodelle liegen bei Sicherheit – DeepSec warnt: „KI“-Sprachmodelle generieren Inhalte und setzen sich über Berechtigungen hinweg

Wien (pts007/03.06.2024/09:05) – Die Sprachmodell-Algorithmen, auch als generative Künstliche Intelligenz bezeichnet, feiern weiterhin ihren vermeintlichen Siegeszug durch viele Medienplattformen. Sicherheitsforschende haben die Produkte analysiert und eine Reihe von Schwächen in den „KI“ Applikationen offengelegt. Die diesjährige DeepSec Konferenz widmet sich den Bedrohungen durch „KI“-Lernmodelle, die mit unvollständigen Restriktionen öffentliche und sensitive Daten beauskunften.

Large Language Models (LLMs) als Autovervollständigung

Die technische Beschreibung der vielen „Künstliche Intelligenz“ („KI“)-Produkte am Markt ist beeindruckend. Das Konzept hinter den Werbekampagnen besteht, vereinfacht dargestellt, aus Algorithmen, die möglichst viele Daten kopieren, zerlegen und dann neu kombiniert zu Antworten auf beliebige Fragen zusammensetzen. Der Lernprozess bei der Erstellung des Sprachmodells ist dabei anfänglich nicht überwacht oder moderiert. Erst in späteren Phasen kommt ein sogenanntes „fine-tuning“ zum Tragen, welches per Stichprobe Fragen mit korrekten Antworten vergleicht. Bestimmte Worte und Aussagen bekommen durch statistische Effekte eine Bedeutung, weil das Sprachmodell die Antworten aus Mustern zusammensetzt, die plausibel klingen. Umformulierungen der Frage beeinflussen die Antwort.

Es bleibt jedoch immer eine Zufallskomponente als beeinflussender Faktor im Vorgang übrig. Im Jahre 2021 wurde dieser Umstand von Forscherinnen untersucht. Das Ergebnis mit einer Übersicht über diese stochastischen Prozesse wurde im Artikel mit dem Titel „On the Dangers of Stochastic Parrots: Can Language Models Be Too Big?“ publiziert. Die Studie wirft die Fragen nach dem Nutzen im Anbetracht der Kosten auf. Das Trainieren von großen Sprachmodellen verbraucht sehr viel Energie und Speicherplatz. Die Fehlerrate lässt sich nicht leicht korrigieren, weil die Daten aus der Lernphase nicht wie in einer Datenbank leicht korrigiert werden können. Es stellt sich die Frage, was die derzeitigen Systeme potentiellen Kunden wert sind, wenn deren Fehlerrate im zweistelligen Prozentbereich liegt (teilweise über 50 Prozent Fehlerquote). Speziell bei kritischen Entscheidungen kann man aktuelle LLMs daher nicht einsetzen. Niemand würde einer Operation zustimmen, die ein chirurgischer Roboter nur mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit korrekt durchführt.

Haltloses Kopieren von Daten als Sicherheitslücke

Die Lerndaten der Sprachmodelle sind ein kritischer Punkt. Nachträglich wurde von einigen Herstellern der „KI“-Modelle zugegeben, dass jedwede Inhalte ohne Rücksicht auf Urheber- und Nutzungsrechte für die Lernphasen verwendet wurden. Die älteren Modelle haben noch eine nachvollziehbare Dokumentation. Über Modelle GPT-3.5 und GPT-4 sind weder die Trainingsquellen noch die Kosten für die Lernphase publiziert. Die Abkürzung GPT steht hier für den Begriff „Generative Pre-trained Transformer“. Damit ist gemeint, dass der Algorithmus auf Basis der Lerndaten Inhalte „generiert“ (durch Mischen mit vorgenerierten Inhalten). Der Korpus der gelernten Daten ist durch die algorithmische Bearbeitung in eine Form überführt, die eine Bearbeitung unmöglich macht. Das bedeutet, dass sensitive Daten nach der Lernphase nicht mehr gezielt gelöscht oder bearbeitet werden können. Dieser Aspekt ist für die Informationssicherheit ein Problem, denn alle Dienste, die nachträglich lernen, können sensitive Daten aus einer Organisation heraustragen. Die Tatsache, dass die LLMs nicht lokal betrieben werden können und an eine Cloud-Plattform angeschlossen werden müssen, führt Lücken in die Berechtigungskontrolle ein.

Selbst lokale Lerndaten bergen die Gefahr, dass unkontrolliert sensitive Inhalte erfasst und mittels der richtigen Frage beauskunftet werden. Dies ist beispielsweise eine Bedrohung durch das neue Produkt Copilot+ Recall für die Windows-Plattform.

Das Feature legt pro Sekunde einen Screenshot an, erfasst die auf dem Desktop sichtbaren Daten und legt es nach Behandlung durch einen Algorithmus durchsuchbar in eine lokale Datenbank. Damit werden zukünftige Angreifer einfach nach dieser Datenback suchen und die darin enthaltenen Informationen auswerten. Der Lernalgorithmus hat bereits die Berechtigungen entfernt. Das Feature öffnet Tür und Tor für Spionage und Missbrauch.

Angriffe auf Sprachmodelle

Die anfangs erwähnten Schwachstellen der Sprachmodelle stellen eine weitere Gefahr dar. Es ist Sicherheitsforschenden bereits wiederholt gelungen, mit Umformulierungen Schutzmechanismen der „KI“-Werkzeuge auszuhebeln. Dabei geht es um Auskünfte zum Bauen einer Bombe, Preisgabe sensitiver Informationen oder anderer gesperrter Inhalte. Einem Forscher ist es gelungen, alle am Markt befindlichen Sprachmodelle durch bestimmte Abfragen zum Generieren von sinnlosen Antworten zu bewegen. Eine Publikation zu diesem Thema steht bevor. Darüber hinaus leiden alle „KI“-Sprachmodelle an sogenannten Halluzinationen. Dieser Effekt bei den eingesetzten Algorithmen ist seit über 20 Jahren bekannt.

Speziell bei den Sprachmodellen handelt es sich dabei um Auskünfte, die komplett ohne Bezug zur Realität sind. Sie kommen durch die Transformationen der „gelernten“ Inhalte zustande. Bei „KI“-Algorithmen, die Bilder generieren, kann man diese Effekte gut als zusätzliche sichtbare Finger, duplizierte Features oder ohne Bezug eingefügte Objekte erkennen.

Halluzinationen sind inhärenter Bestandteil der Modelle aufgrund statistischer Effekte. Eine Reduktion kann nur durch überwachtes Lernen und menschliches Feedback durchgeführt werden. Aus Kostengründen werden stattdessen Filter eingebaut, die bestimmte Antworten nicht zulassen (was aber wiederum durch Umformulierung der Fragen umgangen werden kann).

Diese Schwachstellen sind besonders kritisch für Antworten der Sprachmodelle, die in Entscheidungen oder Programmcode eingehen. Es ist daher wichtig, dass man im aktuellen Zoo der „KI“-Werkzeuge keines unbeaufsichtigt einsetzt und die Antworten entsprechend prüft. Zur DeepSec Konferenz werden solche Angriffe und die dadurch entstehenden Risiken für Anwendungen thematisiert. Der Call for Papers ist bereits offen und läuft bis 31. Juli 2024.

Programme und Buchung

Die DeepSec 2024-Konferenztage sind am 21. und 22. November. Die DeepSec-Trainings finden an den zwei vorangehenden Tagen, dem 19. und 20. November statt. Alle Trainings (bis auf angekündigte Ausnahmen) und Vorträge sind als Präsenzveranstaltung gedacht, können aber im Bedarfsfall teilweise oder komplett virtuell stattfinden. Für registrierte Teilnehmer und Teilnehmerinnen wird es einen Stream der Vorträge auf unserer Internetplattform geben.

Die DeepINTEL Security Intelligence Konferenz findet am 20. November statt. Da es sich um eine geschlossene Veranstaltung handelt, bitten wir um direkte Anfragen zum Programm an unsere Kontaktadressen. Wir stellen dafür starke Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Kommunikation zur Verfügung: https://deepsec.net/contact.html

Tickets für die DeepSec Konferenz und die Trainings können Sie jederzeit online unter dem Link https://deepsec.net/register.html bestellen. Ermäßigungscodes von Sponsoren stehen Ihnen zur Verfügung. Bei Interesse melden Sie sich bitte unter deepsec@deepsec.net. Bitte beachten Sie, dass wir wegen der Planungssicherheit auf rechtzeitige Ticketbestellungen angewiesen sind. (Ende)

Peking an Bytedance beteiligt: „China kann Inhalte bei Tiktok lesen und beeinflussen“

In den USA geht es für Tiktok um alles: Die Kurzvideo-Plattform könnte schon bald verkauft oder verboten werden. Dem chinesischen Mutterkonzern Bytedance werden Spionage und Datenleaks vorgeworfen. Es gibt enge Verbindungen zur kommunistischen Partei. Die chinesische Regierung kann im Unternehmen sogar direkt mitbestimmen.

Eine Influencerin bewertet Kuchensorten auf einer Skala von eins bis zehn. Die rechte italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hält zwei gelbe Melonen in ihren Händen. Eine ukrainische Soldatin zeigt persönliche Orte ihrer zerstörten Heimat. Unterhaltsam, oft skurril, teils informativ, teils aber auch manipulierend: Ein unendlicher Strom von Videos prasselt auf Tiktok auf uns ein.

Die Kurzvideo-Plattform ist mit 1,5 Milliarden monatlichen Nutzern eine der meistgenutzten Social-Media-Plattformen weltweit – nach Facebook, Youtube, Whatsapp und Instagram. Über die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland nutzt Tiktok laut der JIM-Jugendstudie 2023 regelmäßig.

Hinter Tiktok steckt das chinesische Unternehmen Bytedance. Gegründet 2012, mittlerweile ist es weltweit aktiv. Die chinesische Version Douyin gibt es seit 2016. Ein Jahr später ist Tiktok außerhalb Chinas online gegangen.

China besitzt „goldene Aktien“ von Bytedance

Bytedance ist aber kein normales Technologieunternehmen: „Die chinesische Regierung sitzt im Aufsichtsrat von Bytedance und hat entsprechend die Möglichkeit, die strategische Orientierung des Konzerns mitzubestimmen“, sagt Lena Ulbricht, Professorin für Politische Philosophie und Theorie an der Technischen Universität München im ntv-Podcast „Wieder was gelernt“. Das beinhalte aber nicht eine Feinsteuerung der App. „Im Aufsichtsrat zu sitzen, bedeutet, die großen strategischen Entscheidungen mitzutreffen; mitzuentscheiden, welche Märkte erschlossen werden, welches die großen Strategien sind, was Geschäftsmodelle angeht – aber nicht das tägliche Kleinklein.“

Chinas Regierung will Internetfirmen strenger regulieren und ist deshalb 2021 in den Konzern eingestiegen. Sie hat ein Prozent von Bytedances wichtigster Tochtergesellschaft, der Beijing Bytedance Technology, gekauft – auch „goldene Aktien“ genannt. Dadurch darf der Staat einen der drei Vorstandsdirektoren der Tochtergesellschaft ernennen. Peking hat „erheblichen Einfluss auf die Geschäfte von Bytedance“, analysiert der US-amerikanische Think Tank Foundation for Defense of Democracies.

Expertin Ulbricht macht deutlich: „In den Nutzungsbedingungen ist festgeschrieben, dass die Regierung Inhalte lesen und auch beeinflussen kann. Das ist sicherlich auch ein Resultat dieser engen Verknüpfung in der Organisationsstruktur und Resultat dessen, dass die Regierung im Aufsichtsrat sitzt.“

Einfluss der Kommunistischen Partei

Die Kommunistische Partei ist auch in anderen Unternehmensteilen vertreten. Das ist üblich in chinesischen Firmen – auch bei deutschen Unternehmen in der Volksrepublik. Ein ehemaliger Bytedance-Manager spricht von Spezialeinheiten in den Pekinger Büros, die überwachen, „wie das Unternehmen zentrale kommunistische Werte vorantreibt“.

„In China ist es so, dass Unternehmen in einer ständigen Dialektik mit der Regierung stehen“, erklärt Ulbricht im Podcast. „Die Regierung sucht Einfluss auf die Tätigkeiten und zum Teil geht es auch darum, bestimmte sozialistische Werte zu fördern. Die Unternehmen aber wollen in erster Linie auf Märkten bestehen und ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln. Tiktok streitet die Vorwürfe ab, dass es die Werte der Kommunistischen Partei verwirklicht.“

Zensur innerhalb von Tiktok gebe es, betont Ulbricht. „Es ist aber nicht ganz klar, ob das ein Resultat einer Einflussnahme durch die Regierung ist, oder ob Tiktok das macht, weil es innerhalb Chinas Kritik vermeiden möchte.“ Tiktok zeige in den unterschiedlichen Ländern, in denen es weltweit operiert, ein strategisches Verhalten.

Was aufhorchen lässt: Ein Sonderausschuss von Mitgliedern der Kommunistischen Partei im Unternehmen kann mit einem „Superuser“-, auch „God“-Anmeldename genannt, alle gesammelten Daten von Bytedance einsehen, auch die von US-Nutzern.

Kontroverse Inhalte werden ausgeblendet

Bestimmte Beiträge werden bei Tiktok aussortiert. Diese Postings werden zwar nicht gelöscht, aber der Algorithmus gewichtet sie so, dass sie niemand mehr sieht, Shadowranking genannt. Wie andere Plattformen auch, setzt Tiktok beim Filtern auf einen Mix aus Maschinen und Menschen: Es gibt eine automatisierte Form der Inhaltskontrolle: Software, die per Bild- und Texterkennung Inhalte herausfiltert. Außerdem entscheiden rund 20.000 Moderatoren, ob Nutzer gegen die Richtlinien verstoßen, hat ein ehemaliger Content Moderator schon vor einigen Jahren in einem Interview erzählt. Alle Apps würden dafür kritisiert, dass sie viel zu wenige Personen einsetzen, um Inhalte zu kontrollieren, sagt Ulbricht im „Wieder was gelernt“-Podcast. Weil immer wieder Inhalte übersehen würden.

Welche Themen passen Tiktok nicht? Zwei US-Forschungsgruppen haben das untersucht und besonders im Vergleich zu Instagram ganz konkrete Unterschiede ausgemacht: Posts zu den Protesten in Hongkong, zu Taiwan und zu Uiguren, oder Beiträge Pro-Ukraine oder Pro-Israel finden auf Tiktok kaum im sichtbaren Bereich statt. Das „Wall Street Journal“ hatte in einem Selbstversuch Ende 2023 viele Videos zum Gaza-Krieg bei Tiktok entdeckt, über die Hälfte waren propalästinensisch.

„Politische Inhalte, die mit Gewalt und Terrorismus zusammenhängen, werden geblockt“, weiß die Tiktok-Expertin. Außerdem lasse Tiktok Menschenrechtsverletzungen an Uiguren durch die chinesische Regierung nicht zu. Auch Inhalte, die mit Sexualität zu tun haben, würden ausgeblendet. Die User seien aber kreativ und finden Möglichkeiten, das zu umgehen: „Junge Menschen laden etwa Make-up-Tutorials hoch und sprechen dazu aber über Menschenrechtsverletzungen.“

Journalisten und Aktivisten ausgespäht

Neben der inhaltlichen Zensur wird Tiktok auch Spionage vorgeworfen. Die Plattform steht im Ausland wegen ihrer Nähe zur chinesischen Regierung unter Spionageverdacht. Behörden in vielen Ländern haben die App auf Diensthandys verboten, unter anderem in Deutschland, den USA und Kanada.

Mitarbeiter des Mutterkonzerns Bytedance haben auch Journalisten ausgespäht, die über das Unternehmen berichtet hatten. Nutzerdaten und IP-Adressen wurden abgezapft, um Whistleblower in den eigenen Reihen aufzudecken. Der Konzern hat das später auch zugegeben und mehrere Mitarbeiter entlassen.

Zudem haben Mitglieder der Kommunistischen Partei Daten der Tiktok-Mutter benutzt, um Demonstranten und Aktivisten in Hongkong zu identifizieren und ausfindig zu machen, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Mit den Superuser-Anmeldeinformationen wurden ihre Standorte und Geräte, ihre Netzwerkinformationen, IP-Adressen und Kommunikation überwacht.

Massenhaft Nutzerdaten erhoben und weitergegeben

Tiktok weiß ohnehin eine Menge über seine Nutzer. Private Nachrichten sind nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt. Das Unternehmen kann sie theoretisch lesen. Die Plattform sammelt bei der Anmeldung und der Nutzung etliche Daten. Das umfasse den Ort, an dem wir uns befinden, sie habe Zugriff auf das Telefonbuch, die Kontaktdaten und Kreditkartendaten, zählt Expertin Ulbricht auf. „Das Unternehmen rechtfertigt diese sehr intensive Datensammlung mit dem Argument, wir können für dich relevante Inhalte zuspielen. Wir können die Plattform für dich noch attraktiver machen. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer sind sich aber nicht dessen bewusst, wie umfangreich diese Daten sind und dass dann Profile erstellt werden.“

Tiktok gebe auch Daten an sogenannte Data Broker weiter – Unternehmen, die weltweit mit Nutzerdaten handeln.

Aber auch andere große Plattformen wie Facebook und Instagram erheben Nutzerdaten in diesem Umfang und seien bereit dazu, Daten weiterzugeben, beispielsweise an Regierungen oder Strafverfolgungsbehörden, macht Ulbricht im Podcast deutlich.

Bytedance sagt, dass es keine Daten an die chinesische Regierung weitergibt. Und das stimmt auf den ersten Blick auch, sagt Ulbricht. Denn die Nutzerdaten gelten immer für den jeweiligen Rechtsraum. Das bedeutet: In Deutschland können sie an die deutsche Regierung weitergegeben werden, in den USA an die US-Regierung.

Sensible Finanzdaten auf chinesischen Servern

Allerdings scheinen die Daten nicht immer im jeweiligen Land zu bleiben: Tiktok hat laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazin „Forbes“ die Finanzdaten prominenter Influencer aus Europa und den USA auf Servern in China abgespeichert. Darunter sensible Informationen wie Steuer- oder Sozialversicherungsnummern. Diese Daten konnten chinesische Mitarbeiter einsehen. „Bytedance betont: Die Server von Tiktok in den USA sind in den USA. Die Unternehmenszentrale ist in den USA. Keine Daten werden auf chinesische Server übertragen und es gibt auch keine direkten Übermittlungen an die chinesische Regierung“, sagt Ulbricht. Ob Daten tatsächlich auf den US-Servern verbleiben oder weitergegeben werden, sei schwer zu kontrollieren. „Möglich ist das.“

Die USA finden Tiktok wenig vertrauenswürdig: Die amerikanische Sparte der App soll bis Januar verkauft oder gesperrt werden. Bytedance wehrt sich, will den Zwangsverkauf vor Gericht stoppen.

Ulbricht sieht darin vor allem einen Machtkampf zwischen Konzern und US-Regierung – einen kalten Technologie-Krieg zwischen den USA und China. „Wenn man all die Probleme lösen möchte, die man in den USA mit Blick auf Tiktok zu haben glaubt, müsste man eigentlich darin investieren, eine solide Datenschutzgesetzgebung zu schaffen und die dann zu implementieren, anstatt ein ganz bestimmtes Unternehmen oder eine ganz bestimmte App ins Visier zu nehmen.“

FAZIT: Nutzerdaten zu sammeln und an Regierungen weiterzugeben, ist zwar ganz normal bei Technologieunternehmen, sagt die Expertin – auch US-Tech-Konzerne unterlaufen regelmäßig den Datenschutz. Doch bei Tiktok ist Peking direkt beteiligt: sitzt im Aufsichtsrat und beeinflusst mehr oder weniger die Inhalte – liest mit, und kann Daten abgreifen. Wer seine Daten schützen will, sollte Tiktok am besten gar nicht erst installieren. ***Quelle: ntv.de

SOCIAL MEDIA

Soziale Medien gefährden Psyche von Kindern – US-Bürger sorgen sich laut aktueller CVS-Health-Befragung zunehmend um das Wohl ihres Nachwuchses

Woonsocket (pte002/03.06.2024/06:05) – US-Bürger sind immer besorgter, dass sich die Nutzung sozialer Medien negativ auf die psychische Gesundheit sowie die ihrer Kinder, Freunde und Verwandten auswirkt. Das hat eine kürzlich publizierte landesweite Umfrage des Gesundheitsberatungsunternehmens CVS Health/Morning Consult ergeben.

„Die Hälfte der befragten Eltern macht sich Sorgen über die Auswirkungen der sozialen Medien auf ihre Kinder, deren Entwicklung und deren Sicht auf die Welt“, so Shelley Doumani-Semino, Fachärztin für Suchtpsychiatrie und leitende medizinische Direktorin für Verhaltensmedizin bei CVS Health.

Vor allem haben sie Angst um ihre Kinder: 70 Prozent der Befragten äußerten sich in diesem Sinn und somit mehr als die 66 Prozent der Eltern, die sich um die körperliche Gesundheit ihres Nachwuchses sorgen.

Angst auch um Freunde und Verwandte

„Zwei Drittel der befragten Erwachsenen gaben an, dass sie sich nicht nur um ihre eigene psychische Gesundheit sorgen, sondern auch um die ihrer Freunde und der Familie“, sagt Doumani-Semino. „Das ist ein Anstieg um 15 Prozent gegenüber Zahlen aus dem Jahr 2020.“

Laut Doumani-Semino sind soziale Medien ein zweischneidiges Schwert. Sie könnten für Menschen, die ängstlich oder sozial isoliert sind, hilfreich sein, aber es gebe auch negative Aspekte. „Sie vermitteln oft eine sehr unrealistische Vorstellung davon, wie das Leben aussehen sollte“, sagt Ärztin. „Die Kinder denken dann: ‚Ach du meine Güte, ich bleibe dahinter weit zurück.'“

Drei Stunden pro Tag sind schon gefährlich

Und es wird schlimmer, denn viele Menschen verbringen immer mehr Zeit mit sozialen Medien. „Wir haben herausgefunden, dass bei Jugendlichen, die mehr als drei Stunden am Tag soziale Medien nutzen, psychische Probleme wie Depressionen, Angstzustände und Einsamkeit zunehmen“, sagt so die Expertin. „Psychische Gesundheit wurde 2020 zu einer der größten Sorgen und hat seitdem nur noch zugenommen“, sagt Taft Parsons III, Vice President und Chief Psychiatric Officer bei CVS Health. „Unsicherheit über die Zukunft, aktuelle Ereignisse und soziale Medien führen bei Erwachsenen immer häufiger zu Ängsten.“

Doumani-Semino warnt außerdem, dass die Nutzung sozialer Medien zwanghaft werden und den Schlaf sowie soziale Beziehungen stören kann. „Sowohl Erwachsene als auch Kinder verbringen mehr Zeit mit sozialen Medien als mit Familienaktivitäten oder Treffen mit Freunden und können sich nicht wirklich konzentrieren“, so ihre Erfahrung.

Eine andere Studie kam vor einem Jahr zu dem Ergebnis, dass Facebook Depressionen verursacht, wie pressetext berichtete. (Ende)

MEDIEN

Fake News in Krisen nicht automatisch geglaubt – Reihungsexperimente der Cornell University bei Suchmaschinen zeigen Vertrauen in richtige Infos

Ithaca (pte021/03.06.2024/13:55) – Laut einer neuen Studie der Cornell University schenken Menschen in aktuellen Krisenlagen, wie beispielsweise Corona mit vielen Betroffenen und auch Einsätzen von Medizinern und Forschern, akkuraten Suchergebnissen mehr Vertrauen. Die Wissenschaftler haben sich das Suchverhalten von Menschen im Internet zu Infos über das Corona-Virus angesehen. Details sind in den „Scientific Reports“ nachzulesen.

„Backfire Effect“

Obgleich höher in den Suchergebnissen gelistete Informationen öfter angeklickt werden, wird diesen nicht automatisch auch mehr geglaubt. Anders gesagt: Fake News beschädigen den Glauben der Internutzer an Fakten aus seriösen Quellen, die zusammen mit zweifelhaften Links in den Suchergebnissen aufscheinen, nicht.

Die Wissenschaftler fanden in ihrer Erhebung auf Basis von Experimenten mit Suchergebnissen jedoch auch heraus, dass Banner, die vor suspekt erscheinenden Fake News warnen, das Vertrauen in die akkuraten Informationen verringern – ein unbeabsichtigter „Backfire Effect“, den man durch die Banner eigentlich verhindern wollte.

Fake-Misstrauen

Die Experten haben in ihren Tests mit den Probanden vor allem mit der Reihenfolge der angezeigten Suchergebnisse gespielt. Positiv: Nur 2,6 Prozent der Teilnehmer, die schädlichen Infos in diesen prominent platzierten Suchergebnissen ausgesetzt waren, klickten in der Folge auch darauf. Zu groß war offensichtlich das Misstrauen. (Ende)

ORF übernahm Bild trotz klaren Neins: Verurteilt – Die Presse, 3,6,2024 (ZAHLPFLICHT)

Richter stärken Fotografenrechte: Mann erstritt Geld, weil seine auf X geposteten Handybilder gesendet wurden.

Es war der 6. Juni vor zwei Jahren. Im Prater gingen die Lichter aus, das Fußball-Länderspiel gegen Dänemark verzögerte sich, und Leute steckten mangels Stroms in den Fahrgeschäften fest. Ein Mann machte mit seinem Handy mehrere Bilder von den in der Luft hängengebliebenen Menschen. Die Fotos stellte der Mann im Internet auf die Plattform X, die damals noch Twitter hieß.

Ein Journalist der „Zeit im Bild“ („ZiB“) sah dies und schrieb den Mann am Morgen des nächsten Tages über eine Direktnachricht an. Er stellte sich als „ZiB“-Mitarbeiter vor und fragte: „Dürfte ich Ihre Fotos vom Stromausfall im Prater gestern für einen Beitrag verwenden?“ Der Hobbyfotograf darauf: „Wohin kann ich denn die Rechnung schicken?“ Der ORF-Mitarbeiter erwiderte: „Leider können wir dafür nicht bezahlen.“ Damit war das Geschäft aus Sicht des Fotografen geplatzt: „Na gut, dann nicht“, schrieb er. Der ORF sendete drei Bilder des Fotografen trotzdem um 19.30 Uhr in der „ZiB1“, der Hauptnachrichtensendung der TV-Anstalt. Dazu sei man bei einem wichtigen Ereignis berechtigt, meinte der ORF. Eine falsche Ansicht, wie sich zeigen sollte. …

GESELLSCHAFT – DEMOGRAPHIE

Umfrage: Mehrheit lehnt Maßnahmen gegen das Auto ab

BERLIN (dpa-AFX) – Beim Thema Mobilität hält einer neuen Umfrage zufolge die Mehrheit (64 Prozent) ein Umdenken für notwendig – doch aufs eigene Auto würden dafür nur wenige (33 Prozent) verzichten. Dabei nehmen die Menschen beim Straßenverkehr derzeit verstärkt die Nachteile der gegenwärtigen Situation wahr, wie aus der Umfrage des Tüv-Verbands hervorgeht, die dieser am Dienstag vorgestellt hat.

Rund drei Viertel der Befragten gaben etwa an, dass das Aggressionslevel im Straßenverkehr in den vergangenen fünf Jahren eher oder sogar stark zugenommen hat. Fast 60 Prozent halten die Aufteilung des Straßenraums für ungerecht und sehen vor allem Radfahrer und Fußgänger benachteiligt.

Alternative Verkehrskonzepte wie in Paris, Kopenhagen oder Barcelona, die umweltfreundliche Verkehrsträger wie das Fahrrad oder den ÖPNV in den Mittelpunkt stellen, könnten sich die meisten Befragten auch für deutsche Metropolen vorstellen. Sie wünschen sich zudem auch einen stärker ausgebauten ÖPNV. Doch konkrete Maßnahmen, die in eine solche Richtung wirken könnten, lehnen die Befragten oft mehrheitlich ab.

Rund 52 Prozent etwa sind gegen die Einrichtung von Umweltzonen ohne Benzin- oder Dieselfahrzeuge in Städten. Mehr gebührenpflichtige Parkräume lehnen 54 Prozent der Befragten ab, eine Citymaut für Großstädte gar 56 Prozent. Lediglich bei der Frage um die Einführung eines Tempo-30-Limits in Städten halten sich Befürworter und Gegner in etwa die Waage.

Bei den Teilnehmern, die ein Auto besitzen, kann sich lediglich ein knappes Drittel den Umstieg auf andere Verkehrsmittel vorstellen.

Generell ist das Auto nach wie vor das dominierende Verkehrsmittel. Mehr als zwei Drittel nutzen es im Alltag. 43 Prozent gehen zu Fuß, 32 Prozent fahren mit dem Rad.

Skepsis herrscht der Umfrage zufolge auch beim Thema Elektromobilität. Eine knappe Mehrheit hält es für eher oder sehr unwahrscheinlich, dass das nächste eigene Auto einen Batterie-Antrieb hat. Ihr Anteil hat sich im Vergleich zu der gleichen Umfrage zwei Jahre zuvor nicht verändert. Als Grund für die Zurückhaltung werden an erster Stelle die zu hohen Anschaffungskosten genannt sowie Sorgen vor zu geringer Reichweite.

Viele zweifeln zudem an, dass E-Autos wirklich umweltfreundlicher sind, obwohl erst kürzlich das Umweltbundesamt erneut einen deutlichen Umweltvorteil für E-Autos über die gesamte Produktions- und Nutzungskette hinweg ermittelt hat.

Der Tüv fragte die Teilnehmer auch zum geplanten Verbrenner-Aus in der EU. Ab 2035 dürfen innerhalb der Europäischen Union keine neuen mit fossilem Diesel oder Benzin betankten Autos mehr zugelassen werden. 55 Prozent der Befragten lehnen diese Maßnahme der Umfrage zufolge ab.

Das Institut Ipsos hat im Auftrag des Tüv-Verbands zwischen dem 14. März und 3. April dieses Jahres rund 2500 Menschen befragt. Die Fragen und Antwortmöglichkeiten im Wortlaut sind im Studienbericht einsehbar./maa/DP/zb

Bevölkerung in der EU altert laut Berechnung deutlich

Wiesbaden – Die Bevölkerung in der Europäischen Union (EU) wird in den kommenden Jahrzehnten nach einer Vorausberechnung deutlich altern. Bis zum Jahr 2070 werde der Anteil der Menschen im Alter von mindestens 65 Jahren auf 30,5 Prozent ansteigen, teilte das Statistische Bundesamt heute unter Berufung auf Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat mit. Anfang 2023 habe der Anteil der Menschen ab 65 Jahren noch 21,2 Prozent betragen.

Die Behörde legte der Berechnung die derzeitige Nettozuwanderung (Zuwanderung minus Abwanderung) von durchschnittlich 1,2 Millionen Menschen pro Jahr zugrunde. Auch mit einem Drittel mehr Zuwanderung ließe sich die Alterung der Bevölkerung nur leicht dämpfen, erklärte das Bundesamt. Der Anteil der Menschen über 65 Jahre würde dann im Jahr 2070 29,5 Prozent betragen (statt 30,5 Prozent).

Die höchsten Anteile an mindestens 65-Jährigen hatten Anfang vergangenen Jahres Italien mit 24,0 Prozent, Portugal mit 23,9 Prozent sowie Finnland mit 23,1 Prozent. Im Jahr 2070 wäre dies laut der Berechnung bei gleichbleibender Zuwanderung mit 36 Prozent in Litauen der Fall.

Italien und Portugal kämen dann auf 34 Prozent. Deutschland würde sich mit knapp 29 Prozent im unteren Drittel befinden, den geringsten Anteil hätte Schweden mit 27 Prozent.

Am 1. Januar 2023 lebten den Angaben zufolge 451,4 Millionen Menschen in der EU. Bei gleichbleibender Zuwanderung von netto 1,2 Millionen Personen jährlich werde die Zahl der Einwohner den Berechnungen zufolge bis zum Jahr 2070 auf 432,2 Millionen Menschen sinken.

Ohne Nettozuwanderung würde die Bevölkerung noch deutlicher auf 358,4 Millionen Menschen schrumpfen. Steige die Nettozuwanderung um ein Drittel, gebe es einen Anstieg auf 465,5 Millionen Menschen. © dpa/aerzteblatt.de

MENSCHEN

1949–2024: Brigitte Bierlein ist tot

Die erste österreichische Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ist tot. Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH), dem Bierlein rund 16 Jahre angehört hatte, mitteilte, erlag die 74-Jährige am Montag einer kurzen, schweren Erkrankung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich tief betroffen, Bierlein habe der Republik in vielen Funktionen treu gedient. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) würdigte, dass Bierlein in einer schwierigen Phase Verantwortung aus Liebe zu ihrer Heimat übernommen habe.

Bierlein gilt als „Pionierin“. Nicht nur war sie erste Regierungschefin, auch am VfGH war die Wienerin die erste Frau, die es ganz an die Spitze schaffte. Sie selbst attestierte sich dereinst einen „gewissen Ehrgeiz“. Die Juristin war nach ihrer Funktion als Generalanwältin bei der Generalprokuratur von 2003 bis 2018 Vizepräsidentin des VfGH und von Februar 2018 bis zu ihrer Ernennung zur Bundeskanzlerin am 3. Juni 2019 Präsidentin des VfGH gewesen.

In diesem Jahr wechselte sie als Chefin eines Expertenkabinetts ins Kanzleramt, als das Land infolge des „Ibiza-Skandals“ politisch gelähmt war. Von Bundespräsident Van der Bellen beauftragt führte sie Österreich in einer Zeit politischer Wirren ohne großes Aufheben in eine Neuwahl und galt dabei in der Bevölkerung als sehr beliebt. Mit dem Ende der Funktion als Bundeskanzlerin beendete sie quasi ihre öffentliche Karriere.

Bierlein, Tochter eines Beamten und einer Künstlerin, verschrieb ihre Karriere der Justiz. In nur vier Jahren hatte Bierlein das Jusstudium absolviert, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen Leiterin.

In der Justiz war Bierlein schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihrer fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt.

Auf diese Funktion musste Bierlein mit dem Eintritt in den VfGH verzichten. Vor dem Wechsel in das Höchstgericht war sie nicht weniger als zwölf Jahre Generalanwältin in der Generalprokuratur, davor in Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwaltschaft Wien tätig.

Neben ihren beruflichen Aufgaben war Bierlein jahrzehntelang in der staatsanwaltlichen Standesvertretung, in der Unabhängigen Opferschutzkommission gegen Missbrauch und Gewalt sowie als Vorsitzende des Aufsichtsrats der Bundestheater-Holding und des Kuratoriums der Stiftung Forum Verfassung tätig. Bierlein galt als Liebhaberin des Theaters und der Malerei.

Van der Bellen: „Wird in Zukunft als Vorbild wirken“

Nach Bekanntwerden von Bierleins Tod gab es zahlreiche Reaktionen aus vielen Bereichen. Bundespräsident Van der Bellen verwies in einer ersten Reaktion via X (Twitter) auf Bierleins Rolle „als Hüterin unserer Verfassung und auch als erste Bundeskanzlerin“. Er habe Bierlein „als mutige, disziplinierte Frau kennengelernt, die Verantwortung übernommen hat, als ihr Land sie gebraucht hat. Sie wird für viele Mädchen und Frauen, für uns alle, auch in Zukunft als Vorbild wirken.“

Nehammer: „Land ist ihr zu großem Dank verpflichtet“

Auch Nehammer zeigte sich in einer Aussendung zutiefst erschüttert. Mit Bierlein verliere Österreich eine herausragende Persönlichkeit und Vorreiterin, die die Republik für Generationen entscheidend geprägt habe: „Sie hat in einer schwierigen Zeit nicht gezögert, Verantwortung zu übernehmen, um der Republik und den Menschen in unserem Land zu dienen.“ Nehammer weiter: „Unser Land ist ihr zu großem Dank verpflichtet.“

Zahlreiche Reaktionen aus vielen Bereichen

Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler bezeichnete die Verstorbene als Pionierin in vielerlei Hinsicht: „Mit Kompetenz und Sachlichkeit hat sie ihr Amt in einer politisch unruhigen Phase verantwortungsvoll geführt.“

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), aktuell Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, nannte Bierlein eine „große und beeindruckende Persönlichkeit“ – mehr dazu in noe.ORF.at. Auch weitere Landeshauptleute kondolierten. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sprach von einer „unvergleichlich starken Frau“.

Bierleins Kanzlervorgänger und -nachfolger Sebastian Kurz (ÖVP) meldete sich ebenfalls zu Wort. Bierlein habe in einer turbulenten Zeit mit ruhiger Hand für Stabilität in Österreich gesorgt und davor über viele Jahre die Arbeit des VfGH geprägt, erklärte er.

SPÖ-Chef Andreas Babler betonte, Österreich verliere mit Bierlein eine engagierte Juristin und hoch angesehene Persönlichkeit, die in einer der schwersten Krisen der Zweiten Republik nach dem jähen Ende der schwarz-blauen Bundesregierung nicht gezögert habe, Verantwortung zu übernehmen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl würdigte sie als „großartige Persönlichkeit, Juristin und Politikerin“. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach von einem „traurigen Tag für Österreich“ und nannte Bierlein als erste Bundeskanzlerin „ein Vorbild für viele“.

Parlamentsspitze tief betroffen

Tief betroffen zeigte sich auch die Parlamentsspitze. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) nannte Bierlein eine „beeindruckende und außergewöhnliche Persönlichkeit“. Mit ihr verliere Österreich eine der „renommiertesten Verfassungsjuristinnen“, erklärte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ). Auch der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) würdigte sie als „bemerkenswerte Juristin und Politikerin“, die „in einer schwierigen Phase keine Minute gezögert“ habe, „Verantwortung für ihre Heimat zu übernehmen“.

„Entschlossene Verfechterin des Rechtsstaats“

Von VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter hieß es, der Verfassungsgerichtshofs verliere eine unparteiliche ehemalige Präsidentin und einen hochgeschätzten Menschen, Österreich eine entschlossene Verfechterin des Rechtsstaats.

Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker meinte, Bierlein habe Maßstäbe gesetzt und sei eine herausragende Persönlichkeit gewesen. Worte der Trauer kamen auch von den Bundestheatern, fungierte sie doch auch als Aufsichtsratsvorsitzende der Holding.

„Hinterlässt große Lücke“

Auch die Volksanwaltschaft trauert um Bierlein: „Sie hinterlässt eine große Lücke“, teilten Bernhard Achitz, Vorsitzender der Volksanwaltschaft, Volksanwältin Gaby Schwarz und Volksanwalt Walter Rosenkranz in einem gemeinsamen Statement mit.

Betroffen äußerte sich auch das Rote Kreuz: Bierlein habe zwei Jahre lang als Vorsitzende der Unabhängigen Grundsatzkommission die strategische Richtung des Roten Kreuzes mitgestaltet. Sie „war eine Frau von äußerster Integrität“, so Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer.

Auch Kardinal Christoph Schönborn und Erzbischof Franz Lackner als Vorsitzender der Bischofskonferenz bekundeten ihre „große Anteilnahme“. Ein besonderer Dank gebühre Bierlein für ihre langjährige ehrenamtliche Tätigkeit für die Unabhängige Opferschutzkommission, sagte der Kardinal. *** red, ORF.at/Agenturen

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1949–2024: Würdigungen für Brigitte Bierlein

Sie war Österreichs erste Bundeskanzlerin und die erste Frau im Land, die es an die Spitze des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) schaffte – am Montag ist Brigitte Bierlein kurz vor ihrem 75. Geburtstag nach kurzer schwerer Erkrankung verstorben. Entsprechend ihrer großen Verdienste gab es Trauerbekundungen und Würdigungen von vielen Seiten. Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich tief betroffen, Bierlein habe der Republik in vielen Funktionen treu gedient. …

Archäologin Sabine Ladstätter gestorben – ORF, 3.6.2024, 19:09n

Die Archäologin Sabine Ladstätter, als Wissenschaftlerin des Jahres 2011 ausgezeichnet, ist Montagmittag 55-jährig nach längerer Krankheit gestorben. Die Kärntnerin leitete 14 Jahre lang die Grabungen österreichischer Archäologen in der antiken Stadt Ephesos an der türkischen Ägäis-Küste.

Ladstätter wurde am 22. November 1968 in Klagenfurt geboren, studierte an der Universität Graz Alte Geschichte und Altertumskunde sowie Klassische Archäologie und spezialisierte sich auf Wirtschaftsarchäologie. 1997 dissertierte sie im Fach Klassische Archäologie an der Uni Wien. Von 1987 bis 1998 arbeitete sie bei den Ausgrabungen auf dem Kärntner Hemmaberg mit, ab 1992 als örtliche Grabungsleiterin. Seit 1995 war Ladstätter in Ephesos tätig, wurde stellvertretende Grabungsleiterin, übernahm 2009 die Leitung des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) und 2010 schließlich die Grabungsleitung in Ephesos.

Ladstätters Interesse an ihrem Fach wurde bereits früh geweckt. Bei einem Volksschulausflug zu den Ausgrabungen auf dem Magdalensberg in Kärnten fragte sie ihre Lehrerin, wer denn hier arbeite. Auf die Antwort erwiderte sie: „Archäologen? Das werde ich auch einmal.“ Die auch in Sachen Wissenschaftskommunikation äußerst aktive Forscherin verfolgte daraufhin ihren Weg konsequent.

Wissenschaftliche „Heimstätte“ Ephesos

Schon als Schülerin nahm sie als Praktikantin an mehreren Grabungen teil. Nach dem Studium widmete sie sich der Rekonstruktion von antiker Wirtschaft, Gesellschaft, Handel, Gütertransfer etc. Ihre Dissertation im Fach Klassische Archäologie an der Uni Wien (1997) schrieb die Wissenschaftlerin zum Thema „Von Mediterraneum zur provincia Slaborum“.

Zum Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit wurden neben archäologischen Stätten in ihrem Heimatbundesland – Ladstätter veröffentlichte zum Beispiel im Jahr 2018 das Buch „Die Heilige vom Hemmaberg. Cold Case einer Reliquie“ – die bereits 1895 begonnenen, traditionsreichen österreichischen Grabungen in Ephesos. Ab Mitte der 1990er Jahre arbeitete sie u. a. an Keramikfunden aus dem dortigen „Hanghaus 2“.

Für die Publikation dieser Analysen wurde sie am Institut für Kulturgeschichte der Antike der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angestellt, dessen stellvertretende Direktorin sie ab 2001 war. 2007 habilitierte sich Ladstätter im Fachbereich Klassische Archäologie zum Thema „Studien zur ephesischen Keramik von späthellenistischer bis spätantiker Zeit“.

Erfolge und Querelen

Ladstätters Zeit als Grabungsleiterin in Ephesos brachte nicht nur neue, vielfach aufsehenerregende Entdeckungen wie etwa die Freilegung eines frühbyzantinische Geschäfts- und Lokalviertels im Jahr 2022 mit sich, sie war auch von Unterbrechungen durch politische Querelen und die Coronavirus-Pandemie geprägt. Da das ÖAI alljährlich um eine Grabungsgenehmigung bei der Antikenverwaltung der Türkei ansuchen muss, wurde die Erteilung der Lizenz mehrmals zum diplomatischen Spielball, und die österreichischen Archäologinnen und Archäologen mussten ihre Tätigkeit in Ephesos einstellen.

Schon rund um ihre Bestellung zur Grabungsleitung musste Ladstätter kämpfen: Nachdem der bereits 2007 gefasste Plan Österreichs zu ihrer Ernennung zunächst auf türkischer Seite auf Widerstand stieß, zog sich das Prozedere über knapp drei Jahre. Die Beharrlichkeit wurde aber schon bald belohnt, als ihr in der Grabungskampagne 2011 einer ihrer schönsten Funde gelang: Völlig unerwartet stieß sie auf dem Areal des Domitianstempels im Zentrum von Ephesos auf ein spätantikes Mosaik. „Erst beim Freiputzen sind dann die figürlichen Darstellungen wie Fische und Fabelwesen aufgetaucht – da schlägt das Herz einfach höher“, sagte Ladstätter damals zur APA.

„Wissenschaftlerin von internationaler Strahlkraft“

Die ÖAW würdigte Ladstätter am Montag in einer Aussendung als „eine brillante österreichische Wissenschaftlerin von internationaler Strahlkraft. Ich habe sie stets als einen Menschen voller Tatendrang erlebt. Sie brannte für ihr Fach, die Archäologie, und hatte die große Gabe, diese Leidenschaft und Begeisterung auch einem breiten, nicht wissenschaftlichen Publikum vermitteln zu können. Mit ihrer Forschung insbesondere in Ephesos hat sie maßgeblich zum weltweiten Ansehen der österreichischen Archäologie beigetragen“, so ÖAW-Präsident Heinz Faßmann.

Ladstätter, die 2023 als wirkliches Mitglied in die Akademie aufgenommen wurde, habe auch maßgeblich dazu beigetragen, „neue Methoden in der Archäologie zu etablieren“. Zudem habe sie sich vielfach um die „Bewahrung des kulturellen Erbes durch Restaurierung“ verdient gemacht. „Nicht zuletzt dank der Arbeiten von Ladstätter und ihrem Team“ zähle Ephesos seit dem Jahr 2015 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

„Begnadete Wissenschaftskommunikatorin“

„Mit großer Bestürzung habe ich heute vom Ableben von Sabine Ladstätter erfahren“, so ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek. Mit der „weltweit anerkannten und vielfach ausgezeichneten Forscherin“ verliere „Österreich nicht nur eine exzellente Archäologin und Wissenschaftlerin, sondern auch eine begnadete Wissenschaftskommunikatorin, die viele Menschen für die Geschichte der Antike zu begeistern wusste“.

Das ÖAI, dessen „Transformation“ an die ÖAW inklusive Zusammenlegung aller dort beheimateten archäologischen und altertumswissenschaftlichen Institute Ladstätter in den vergangenen Jahren federführend umgesetzt hat, würdigte in einem Nachruf den „unermüdlichem Einsatz“ der Forscherin, „solange ihre Gesundheit es erlaubte“. „Von ihren auf die Zukunft ausgerichteten Überlegungen“ zeuge am ÖAI u. a. eine moderne Laborlandschaft. „Trotz aller Belastungen, die ihre vielen Managementaufgaben mit sich brachten, hatten Lehre und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses für sie Priorität“, hieß es. *** red, science.ORF.at/Agenturen

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Martin Steskal wird neuer Leiter der Ephesos-Grabung – APA. 3.6.2024, 11:10

Nach 14 Jahren als Leiterin der traditionsreichen Grabungen österreichischer Archäologen in der antiken Stadt Ephesos (Türkei) übergab Sabine Ladstätter die Grabungsleitung an Martin Steskal (50). Das teilte das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Montag mit. Steskal ist seit 1999 an den Ausgrabungen beteiligt und war seit 2015 stellvertretender Grabungsleiter. Ladstätter bleibt wissenschaftliche Direktorin des ÖAI.

Die Kärntnerin war ursprünglich bereits Ende 2007 vom damaligen Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) als Grabungsleiterin für die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Stätte in der Nähe des heutigen Selcuk (Türkei) vorgeschlagen worden. Nachdem dies auf türkischer Seite zunächst auf Widerstand stieß, verzögerte sich ihre Bestellung bis zum Jahr 2010. Seither war die 55-Jährige „Wissenschafterin des Jahres 2011“ für die im Jahr 1895 aufgenommenen Grabungen verantwortlich.

Trotz der langen Geschichte muss das ÖAI alljährlich um eine Grabungsgenehmigung bei der Antikenverwaltung der Türkei ansuchen. Im Zuge von Spannungen zwischen Wien und Ankara wurde diese Lizenz mehrmals zum diplomatischen Spielball und die österreichischen Archäologen mussten ihre Tätigkeit in Ephesos einstellen. Auch während der Pandemie 2020 und 2021 hat nur das türkische Archäologenteam in Ephesos gearbeitet. Für heuer hat die Türkei die Grabungsgenehmigung erteilt, die Arbeiten sollen in diesen Tagen starten.

„Wir führen in diesem Jahr Grabungen am größten monolithen Tempel in Kleinasien durch, dem sogenannten ‚Serapeion'“, erklärte Steskal gegenüber der APA. Zudem wollen die Archäologen eines der Stadttore freilegen und die Grabungen in einem Geschäftsviertel am Domitiansplatz fortführen. Weiters stehen dem neuen Grabungsleiter zufolge Forschungen zu den unterschiedlichsten Fundgattungen quer durch alle Epochen und zur Architektur, naturwissenschaftliche Analysen und Restaurierungen auf dem Programm.

Bei den Ephesos-Grabungen handle es sich um „eine der größten wissenschaftlichen Unternehmungen Österreichs im Ausland“, so ÖAW-Präsident Heinz Faßmann. Ladstätter habe „als Grabungsleiterin großartige Arbeit geleistet“. Mit dem gebürtigen Oberösterreicher, Martin Steskal (geb. 21. Jänner 1974), habe man nun einen „hervorragenden Nachfolger gefunden, um Ephesos für kommende Generationen zu erforschen und zu erhalten“, so Faßmann zu der laut ÖAW bereits am 5. April seitens der Türkei bestätigten Ernennung.

Ladstätter freut sich „nach durchaus herausfordernden, aber auch wunderschönen 14 Jahren“, die Leitung nun übergeben zu können: „Ich selbst bleibe Ephesos als Wissenschafterin erhalten und werde mich ab sofort wieder meiner Leidenschaft, der Keramikforschung, widmen.“

Für den neuen Grabungsleiter bietet die Fundstätte mit ihrer 9.000-jährigen Historie, an der jährlich rund 200 Wissenschafter aus über 15 Ländern arbeiten, und die über zwei Millionen Besucher pro Jahr anzieht, „eine außergewöhnliche Möglichkeit, die Entwicklung eines Siedlungsraums aus einer Langzeitperspektive zu betrachten“. In den nächsten Jahren stünden nun Fragen zur einstigen Kreislaufwirtschaft, zum Management der vorhandenen Ressourcen, zu den Mensch-Umwelt-Beziehungen, sowie zu Produktion und Konsum im Vordergrund. Der Fokus liege auf der Rekonstruktion der Lebensumstände der antiken Bevölkerung. Dazu brauche es auch „den buchstäblichen ‚langen Atem′“, so Steskal, der seit Herbst 2023 Leiter der Abteilung Historische Archäologie des ÖAI ist.

Service: https://www.oeaw.ac.at/oeai/

UNTERNEHMEN

FTI: Europas drittgrößter Reisekonzern insolvent

Europas drittgrößter Reisekonzern FTI ist ausgerechnet kurz vor der Sommersaison in die Pleite gerutscht. Die FTI Touristik GmbH, Muttergesellschaft der FTI Group, stelle am Montag beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, teilte das Unternehmen mit. Noch nicht begonnene Reisen würden voraussichtlich ab Dienstag (4. Juni) nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt werden können.

Online seit gestern, 12.35 Uhr (Update: gestern, 21.08 Uhr)

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Bei den bereits angetretenen Reisen werde derzeit „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, dass diese auch planmäßig beendet werden könnten, hieß es vonseiten des Unternehmens. Das deutsche Außenministerium sicherte aktuell auf Reise Befindlichen Hilfe bei der Rückführung zu. Wie viele Österreicherinnen und Österreicher von der Insolvenz betroffen sind, ist noch nicht bekannt.

Vom Insolvenzantrag unmittelbar betroffen ist den Angaben zufolge zunächst nur die Veranstaltermarke FTI Touristik. In der Folge würden aber auch für weitere Konzerngesellschaften entsprechende Anträge gestellt. FTI ist nach TUI und DER Touristik der drittgrößte europäische Reisekonzern.

Wer betroffen ist

Von der Insolvenz und deren Folgen betroffen sind zunächst die Kunden, die Leistungen von FTI Touristik gebucht haben. Dazu gehören die Marke FTI in Deutschland, Österreich und den Niederlanden sowie Angebote wie 5vorFlug und die Mietfahrzeugmarken DriveFTI und Cars and Camper. Auch wer die FTI-Leistungen über eine Buchungsplattform wie Check24 und Ab-in-den-Urlaub gebucht hat, ist betroffen.

Zukunft schien bereits gesichert

Eigentlich schien die Zukunft des Unternehmens gesichert, das in der Coronavirus-Krise insgesamt 595 Millionen Euro staatliche Hilfe aus dem deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bekommen hatte. Ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestor Certares wollte die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Die Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen.

Lieferanten bestanden auf Vorkasse

Den Angaben zufolge sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. „Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte“, teilte FTI mit.

Dem „Handelsblatt“ zufolge soll sich bei FTI kurzfristig eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages aufgetan haben. Der Bund habe nach Verhandlungen am Wochenende weitere Hilfen für das Unternehmen abgelehnt. Das deutsche Finanzministerium betonte am Montag, angesichts der bereits geleisteten Hilfen von fast 600 Millionen Euro habe man keine Möglichkeit für weitere Zahlungen gesehen.

Erster Test für neu geschaffenen Reisesicherungsfonds

Jetzt ist der 2021 gestartete Deutsche Reisesicherungsfonds am Zug. Er soll sich bei einer Pleite eines Reiseanbieters um die Erstattung der Vorauszahlungen der Kunden, gegebenenfalls den Rücktransport gestrandeter Urlauber sowie deren Unterbringung bis zum Rücktransport kümmern.

Der von der deutschen Touristikwirtschaft organisierte und vom Bundesjustizministerium beaufsichtigte Fonds war nach der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 gegründet worden. Die Versicherung hatte damals wegen einer Haftungsbeschränkung nur einen Bruchteil der Kosten ersetzt, der Staat sprang mit Millionen ein.

In Pandemie in Krise geschlittert

Die FTI Group mit etwa 11.000 Beschäftigten war in der Pandemie, die die Branche in eine schwere Krise stürzte, in Bedrängnis geraten. Zuletzt sah sich der Reisekonzern dank gestiegener Nachfrage wieder auf Kurs. Im vergangenen Geschäftsjahr 2022/2023 verzeichnete das Unternehmen ein Umsatzplus von zehn Prozent auf 4,1 Milliarden Euro und erwirtschaftete einen Ertrag in zweistelliger Millionenhöhe. Nähere Details zum Ergebnis machte das Unternehmen nicht. Hauptgesellschafter war zuletzt die ägyptische Investorenfamilie Sawiris. *** red, ORF.at/Agenturen

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