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FAZIT DES TAGES
Worum geht es wirklich im Leben? Es geht doch darum, den Planeten, unsere Erde, zu retten.
Barbra Streisand
COMMENT – FAZIT:
- Hamas-Video: Israels Netanyahu kommt unter Druck
- Ukraine freut sich auf weitreichende ATACMS-Raketen und die Freilassung der von Russland verschleppten Kinder
- Iranische Geopolitik – COMMENT
- Weitere wirtschaftliche Aufhellungen in den USA, Europa und Deutschland treiben Anleihe-Renditen
Märkte & COMMENT
Israel, Ukraine
Meldungen
Themenreigen – Medizin: Cannabis und Crackkonsum in Deutschland steigt an; Gesundheitspolitik: Europäischer Gesundheitsdatenaustausch & COMMENT; KI ermittelt Kündigungswillige; Cybercrime, Bildung: Bitte weniger Matura-Leistung …; Gesellschaft: deutsche Jugend zunehmend rechts; Sozialpolitik: Housing first soll Obdachlosenzahlen sinken lassen
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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
HELLMEYER-Report (gekürzt)
nicht eingelangt wie angekündigt
MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
COMMENT: Minikorrektur – der Markt drängt nach oben.
Mi | NACHBÖRSE/XDAX -0,1% auf 18.078 Pkt | 541 | Dow Jones News | |
Mi | MÄRKTE USA/Börsen treten auf der Stelle – Tesla mit Kurssprung | 532 | Dow Jones News | |
Mi | Aktien New York Schluss: Dow pausiert – Gewinne im Technologiebereich | 454 | dpa-AFX | |
Mi | US-Anleihen unter Druck NEW YORK (dpa-AFX) – Die Kurse von US-Staatsanleihen haben am Mittwoch nachgegeben. Der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) fiel zuletzt um 0,32 Prozent auf 107,73 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere stieg im Gegenzug auf 4,66 Prozent. Robuste Konjunkturdaten aus den USA dämpften die Nachfrage nach den als sicher geltenden Wertpapieren. So stiegen die Aufträge für langlebige Güter im März etwas stärker als erwartet. Dies sei jedoch hauptsächlich auf die volatile Verkehrskomponente zurückzuführen, während die Auftragseingänge für Kern- und Basisinvestitionsgüter nur geringfügig zugenommen hätten, schrieb der für Nordamerika zuständige Volkswirt Stephen Brown von Capital Economics. Zudem wurde der Zuwachs im Vormonat nach unten revidiert./la/jha/tih/he | 416 | dpa-AFX | |
Mi | Devisen: Euro fällt wieder knapp unter 1,07 US-Dollar | 350 | dpa-AFX | |
Mi | MÄRKTE USA/Börsen leicht im Minus – Tesla sehr fest | 431 | Dow Jones News | |
Mi | MÄRKTE EUROPA/Gewinnmitnahmen – Gucci verdirbt Kering-Aktionären die Laune | 489 | Dow Jones News | |
Mi | Deutsche Anleihen geben deutlich nach – Robuste Konjunkturdaten belasten FRANKFURT (dpa-AFX) – Deutsche Bundesanleihen sind am Mittwoch unter Druck geraten. Der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future sank bis zum Abend um 0,62 Prozent auf 130,14 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stieg im Gegenzug auf 2,59 Prozent. Sie bewegt sich damit in der Nähe des höchsten Stands seit vergangenem November. Belastet wurden als sicher empfundene Anlagen wie Bundeswertpapiere zum einen von positiven Konjunkturdaten aus Deutschland. Das Ifo-Geschäftsklima hellte sich im April den dritten Monat in Folge auf. Ökonomen interpretieren eine solche Serie häufig als konjunkturellen Wendepunkt. „Die Konjunktur stabilisiert sich, vor allem durch die Dienstleister“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Zuletzt hatten auch andere Konjunkturindikatoren eine wirtschaftliche Besserung angedeutet. Zudem trieben robuste Konjunkturdaten aus den USA die Renditen in die Höhe und drückten entsprechend auf die Kurse am Anleihenmarkt. Die Aufträge für langlebige Güter stiegen im März etwas stärker als erwartet. Dies sei jedoch hauptsächlich auf die volatile Verkehrskomponente zurückzuführen, während die Auftragseingänge für Kern- und Basisinvestitionsgüter nur geringfügig zugenommen hätten, schränkte der für Nordamerika zuständige Volkswirt Stephen Brown von Capital Economics ein. Zudem wurde der Zuwachs im Vormonat nach unten revidiert./la/he | 356 | dpa-AFX | |
Mi | Aktien Wien Schluss: Wenig Bewegung beim Leitindex | 355 | dpa-AFX | |
Mi | Aktien Schweiz mit Abgaben – Roche deutlich im Minus | 353 | Dow Jones News | |
Mi | Aktien Europa Schluss: Nach positivem Beginn ins Minus gedreht | 285 | dpa-AFX | |
Mi | Aktien Frankfurt Schluss: Weitere Dax-Erholung abgebrochen | 335 | dpa-AFX | |
Mi | Dax prallt am Widerstand um 18.200 Punkte ab | 321 | dts Nachrichtenagentur |
ISRAEL
n-tv aktuell ISRAEL
24.04.2024 20:21
„In einer unterirdischen Hölle“ Hamas veröffentlicht neues Geisel-Video
In einem neuen Propagandavideo führt die Hamas eine der verschleppten Geisel vor. Der junge Mann macht Israels Regierung schwere Vorwürfe. Seine Eltern sagen: „Der Aufschrei von Hersh soll gehört werden, denn es ist der Aufschrei von allen Gekidnappten.“
24.04.2024 17:59
Mit „zahlreichen Kräften“ Israel startet „Offensivaktion“ gegen die Hisbollah
Mit Kampfjets und Artillerie geht die israelische Armee gegen die Hisbollah im Südlibanon vor. Dabei seien „zahlreiche Kräfte“ im Einsatz, sagt Verteidigungsminister Gallant. Mittlerweile sei bereits die Hälfte der örtlichen Führungsebene tot.
24.04.2024 12:25
Hamas soll zerschlagen werden Israel mobilisiert mehr Reservisten für Rafah-Angriff
Die internationale Gemeinschaft warnt Israel vor einem Angriff auf die Grenzstadt Rafah – das humanitäre Leid wäre immens. Jerusalem zieht seine Truppen schrittweise ab, aber nur, um sie neu zu gruppieren. Das passiert jetzt.
n-tv aktuell Nahost-Konflikt
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NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL
ROUNDUP: Israel will Rafah angeblich in Etappen angreifen – Nacht im Überblick
GAZA (dpa-AFX) – Israel will seine angekündigte Bodenoffensive auf die Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens einem Medienbericht zufolge in Etappen durchführen. Wie die Zeitung „Wall Street Journal“ am späten Mittwochabend unter Berufung auf ägyptische Beamte und ehemalige israelische Offiziere berichtete, änderte Israel auf Druck der USA und anderer Länder seine anfänglichen Pläne für einen großangelegten Angriff auf die derzeit mit Hunderttausenden palästinensischer Binnenflüchtlingen überfüllte Stadt an der Grenze zu Ägypten. Durch ein stattdessen schrittweises Vorgehen solle die Zahl ziviler Opfer begrenzt werden, hieß es. Israels Militär äußert sich zu seinen Einsatzplänen nicht. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte allerdings vor wenigen Tagen „weitere schmerzhafte Schläge“ gegen die islamistische Hamas angekündigt. „Und dies wird in Kürze geschehen“, sagte er.
Die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Gaza, Sigrid Kaag, warnte vor einem Angriff auf Rafah. „Eine solche Aktion würde eine anhaltende humanitäre Katastrophe verschlimmern, mit Folgen für die Menschen, die bereits vertrieben sind und große Nöte und Leid ertragen müssen“, sagte die Niederländerin am Mittwochabend (Ortszeit) vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. „Die Fähigkeit der Vereinten Nationen, Hilfe zu liefern, würde eingeschränkt.“
Proteste in Israel nach Geisel-Video der Hamas
Unterdessen kam es in Israel nach der Veröffentlichung eines Geisel-Videos durch die Hamas am Mittwochabend zu Protesten. Hunderte Menschen versammelten sich in Jerusalem in der Nähe der Residenz von Regierungschef Netanjahu, um für die Freilassung der in Gaza festgehaltenen Geiseln zu demonstrieren, wie mehrere Medien meldeten.
Es kam dabei zu Zusammenstößen mit der Polizei. Laut den Beamten legten Demonstranten Feuer, zündeten Feuerwerkskörper, warfen Mülltonnen um und blockierten den Verkehr. Vier Menschen seien festgenommen worden, hieß es. In dem zuvor von der Hamas veröffentlichten Video ist ein 24 Jahre alter Mann zu sehen, der der israelischen Regierung schwere Vorwürfe macht.
Sie habe die israelischen Bürger nicht beschützt und im Stich gelassen, sagt der Mann. Die wie er beim Massaker der Hamas am 7. Oktober aus Israel in den Gazastreifen entführten Menschen befänden sich in einer „unterirdischen Hölle“ ohne Nahrung, Wasser und medizinische Behandlung. Sein Unterarm wurde israelischen Medien zufolge abgerissen, als die Terroristen Granaten in sein Versteck warfen. Berichten zufolge ist er israelischer und amerikanischer Staatsbürger. Unter welchen Umständen das Video entstand und ob der Mann unter Druck und Drohungen sprach, war zunächst unklar. Die Video-Aufnahme war außerdem nicht datiert, das Hamas-Massaker war am Mittwoch 201 Tage her.
Israel treibt Pläne für Rafah-Offensive voran
Israel war bis vor wenigen Wochen davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Inzwischen wird aber befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen bereits tot sein könnten.
Israel treibt derweil laut Medienberichten seine Pläne für eine Offensive in der Stadt Rafah im Süden Gazas voran, um dort die letzten verbliebenen Bataillone der Hamas zu zerschlagen. Zudem werden in Hamas-Tunneln unter Rafah Geiseln vermutet.
Verbündete wie die USA haben aus Sorge um die etwa 1,5 Millionen Menschen, die in der Stadt Schutz vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen suchen, immer wieder eindringlich vor einer großangelegten Bodenoffensive in Rafah gewarnt. Die Stadt gilt als die einzige in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch vergleichsweise intakt ist.
Nach Informationen des „Wall Street Journals“ plant Israels Armee nun, vor jeweiligen Angriffen die betroffenen Stadtteile zu evakuieren, bevor das Militär zu neuen Gebieten übergehe. Die Einsätze würden wahrscheinlich auch gezielter als frühere Angriffe in Gaza erfolgen. Zudem sei eine Koordinierung mit Ägypten vorgesehen, um die Grenze zwischen Ägypten und Gaza zu sichern, hieß es weiter. Das Nachrichtenportal „Axios“ berichtete unter Berufung auf israelische Beamte, ranghohe israelische Geheimdienst- und Militärbeamte seien am Mittwoch in Kairo unter anderem mit dem ägyptischen Geheimdienstchef zusammengetroffen, um Israels geplanten Einsatz seiner Armee in Rafah zu besprechen.
Am Vorabend hatte der Vorsitzende des ägyptischen Staatsinformationsdiensts SIS, Diaa Raschwan, noch erklärt, man führe keine Gespräche mit Israel über dessen mögliche Militäroffensive in Rafah. Ägypten lehne Pläne für solch eine Offensive entschieden ab und habe diese Position auch mehrfach klargestellt. Eine Offensive in Rafah würde zu „Massakern, massivem Verlust von Menschenleben und umfassender Zerstörung führen“, sagte Raschwan. Ägypten hat nach einem früheren Bericht des „Wall Street Journal“ angeblich sogar damit gedroht, seinen Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen, sollte es zu einem Ansturm von Palästinensern aus dem Gazastreifen über die Grenze kommen.
Bericht: Israels Armee für Massengrab in Gaza nicht verantwortlich
Für Wirbel sorgen unterdessen weiter Berichte über ein nahe des Nasser-Krankenhauses in der lange umkämpften Stadt Chan Junis entdecktes Massengrab, in dem der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz nach eigenen Angaben inzwischen 324 Leichen freigelegt hat. Es sei aber entgegen der Behauptung der Hamas nicht von der israelischen Armee angelegt worden, berichtete die „Jerusalem Post“ am Mittwochabend unter Berufung auf Analysen von Bildmaterial. Das Massengrab habe bereits existiert, bevor israelische Soldaten dort am Boden gegen die Hamas vorgegangen seien. Dies habe die Auswertung von Satellitenbildern und Filmmaterial durch namentlich nicht genannte unabhängige Analysten ergeben, hieß es.
Die von der Hamas und arabischen Medien verbreiteten Behauptungen, die israelischen Soldaten hätten die Leichen von Palästinensern vergraben, um sie „zu verstecken“, seien falsch, schrieb die Zeitung. Unabhängig prüfen lassen sich die Angaben nicht. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hatte sich entsetzt über die Berichte von der Entdeckung von Massengräbern bei Kliniken in Gaza gezeigt und eine unabhängige Untersuchung der Hintergründe der Todesfälle gefordert. Nach Angaben von Türks Büro, das sich auf Angaben des Zivilschutzes berief, waren einige Leichen an den Händen gefesselt. „Wir wissen nicht, ob sie lebendig begraben oder hingerichtet wurden. Die meisten der Leichen sind verwest“, zitierte der Sender CNN den Chef des Zivilschutzes in Chan Junis./ln/DP/zb
WEITERE ISRAEL-MELDUNGEN
Gaza-Krieg: Rafah ist die letzte Bastion der Hamas – 22.4.2024
Mena-Watch-Korrespondent Ben Segenreich sprach heute im Puls-24-Interview über die israelischen Militärpläne gegen die letzten verbliebenen Hamas-Bataillone in der Stadt Rafah.
Mena-Watch-Korrespondent Ben Segenreich – ehemaliger ORF-Korrespondent in Israel und Nahost-Experte – war gestern bei Puls 24 News zu Gast. Im Interview mit Anchorwoman Sabine Loho sprach er über die israelischen Pläne für eine Offensive in Rafah, jeder Stadt im Süden des Gazastreifens, in der die letzten verbliebenen Hamas-Bataillone stehen. Schon bald soll es eine Evakuierung von Zivilisten in der Stadt an der Grenze zu Ägypten geben. Medienberichten zufolge werden dafür schon Zehntausende Zelte und Feldkrankhäuser errichtet.
Den Mitschnitt des Interviews finden Sie hier.
‚WSJ‘: Israel plant schrittweise Offensive in Rafah
GAZA (dpa-AFX) – Israel will seine angekündigte Bodenoffensive auf die Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens einem Medienbericht zufolge schrittweise durchführen. Wie das „Wall Street Journal“ am späten Mittwochabend unter Berufung auf ägyptische Beamte und ehemalige israelische Offiziere berichtete, änderte Israel auf Druck der USA und anderer Länder seine anfänglichen Pläne für einen großangelegten Angriff auf die derzeit mit Hunderttausenden von Binnenflüchtlingen überfüllte Stadt an der Grenze zu Ägypten. Durch ein stattdessen eher graduelles Vorgehen solle die Zahl ziviler Opfer begrenzt werden, hieß es. Israels Militär äußert sich zu seinen Einsatzplänen nicht. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte allerdings vor wenigen Tagen „weitere schmerzhafte Schläge“ gegen die islamistische Hamas angekündigt. „Und dies wird in Kürze geschehen“.
Israel will in Rafah die letzten dort verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. Verbündete wie die USA haben aus Sorge um die etwa 1,5 Millionen Menschen, die dort Schutz vor den Kämpfen in den anderen Gebieten des Gazastreifens suchen, immer wieder eindringlich vor einer großangelegten Bodenoffensive in Rafah gewarnt. Die Stadt im Süden gilt als die einzige in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch vergleichsweise intakt ist. Nach Informationen des „Wall Street Journals“ plant Israels Armee nun, vor jeweiligen Angriffen die betroffenen Stadtteile zu evakuieren, bevor das Militär zu neuen Gebieten übergehe. Die Einsätze würden wahrscheinlich auch gezielter als frühere Angriffe im Gazastreifen erfolgen. Zudem sei eine Koordinierung mit ägyptischen Beamten vorgesehen, um die Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen abzusichern, hieß es weiter.
Das Nachrichtenportal „Axios“ berichtete unter Berufung auf israelische Beamte, ranghohe israelische Geheimdienst- und Militärbeamte seien am Mittwoch in Kairo unter anderem mit dem ägyptischen Geheimdienstchef zusammengetroffen, um Israels geplanten Einsatz seiner Armee in Rafah zu besprechen. Am Vorabend hatte der Vorsitzende des ägyptischen Staatsinformationsdiensts SIS, Diaa Raschwan, noch erklärt, man führe keine Gespräche mit Israel über dessen mögliche Militäroffensive in Rafah. Ägypten lehne Pläne für solch eine Offensive entschieden ab und habe diese Position auch mehrfach klargestellt. Eine Offensive in Rafah würde zu „Massakern, massivem Verlust von Menschenleben und umfassender Zerstörung führen“, sagte Raschwan. Ägypten fürchtet einen Ansturm von Palästinensern./ln/DP/zb
Israels Armee: Dutzende Hisbollah-Ziele im Libanon angegriffen
TEL AVIV/BEIRUT (dpa-AFX) – Israels Militär hat eigenen Angaben zufolge 40 Ziele der proiranischen Schiitenmiliz Hisbollah im Süden des Libanons angegriffen. In der Gegend von Aita al-Schaab in der Nähe der israelischen Grenze seien am Mittwoch unter anderem eine Waffenschmiede sowie Lagerräume der Miliz attackiert worden, teilte die Armee mit. Das Gebiet gilt als Hochburg der Hisbollah. Sie habe dort Infrastruktur errichtet, um Zivilisten und Soldaten in Israel zu attackieren, hieß es vom Militär weiter.
Die Schiitenmiliz reklamierte am Mittwoch zugleich mehrere Angriffe auf Ziele in Israel für sich. Als Reaktion auf einen israelischen Angriff auf den Grenzort Hanin vom Dienstag, bei dem nach libanesischen Angaben eine Frau und ein Kind getötet wurden, feuerte die Hisbollah demnach unter anderem „Dutzende Raketen“ auf Ziele im Norden Israels. Weiterhin reklamierte die Gruppe einen Angriff auf israelische Soldaten im Grenzort Avivim in Israel für sich. Israelische Kampfflugzeuge hätten mehr als 14 Luftangriffe auf verschiedene Gebiete im Südlibanon geflogen, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen.
Die Angaben der Konfliktparteien ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Am Dienstag griff die Hisbollah israelischen Medien zufolge so weit im Landesinneren an wie noch nie seit Beginn des Gaza-Kriegs. Ziel waren demnach nördliche Vororte der Stadt Haifa. Israels Militär teilte dazu lediglich mit, „erfolgreich zwei verdächtige Luftziele vor der Nordküste abgefangen“ zu haben.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als sechs Monaten schießt die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf Israel – nach eigenen Angaben aus „Solidarität“ mit der Hamas im Gazastreifen. Israel wiederum bekämpft mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah. Meistens konzentrieren sich die gegenseitigen Angriffe auf die Grenzregion. Bei den Gefechten wurden bislang rund 280 Kämpfer der Schiitenmiliz getötet. Auch in Israel gab es seitdem mehrere Todesopfer. Auf beiden Seiten kamen auch Zivilisten ums Leben./cir/DP/ngu
UKRAINE
n-tv aktuell UKRAINE
+++ 09:45 ntv-Reporter Munz: „Man sieht, die Krim ist nicht mehr sicher“ +++
Wegen der Lieferung von US-Waffen an die Ukraine müsse Russland damit rechnen, dass Ziele „auf der Krim anders angegriffen werden können“ als zuvor, meint ntv-Korrespondent Munz. Gleichzeitig vereinbaren Russland und die Ukraine einen Austausch vertriebener Kinder – das sei aber kein Zeichen einer Annäherung:
Raketenlieferung aus den USA Munz: „Man sieht, die Krim ist nicht mehr sicher“
+++ 09:13 Ukrainische Medien: 88-Jähriger flüchtet alleine, als Besatzer ihn zum Russen machen wollen +++
Den russischen Streitkräften ist kürzlich ein Front-Durchbruch bis ins Dorf Ocheretyne gelungen. Ukrainische Medien berichten derzeit über einen 88-jährigen Mann, der angeblich alleine zu Fuß geflüchtet ist, als die Truppen Teile der Siedlung einnahmen. Die Besatzer hätten ihm und seinem Nachbarn die Papiere abgenommen und ihnen die russische Staatsbürgerschaft geben wollen. Der Mann habe seinen Rucksack gepackt und sei fortgegangen, heißt es. Er sei die ganze Nacht unterwegs gewesen, trotz Beschusses, um ukrainisch kontrolliertes Gebiet zu erreichen. Freiwillige Helfer hätten ihn dann aufgelesen. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
+++ 08:49 Russischer Luftangriff auf die ukrainische Region Tscherkassy +++
Bei einem russischen Luftangriff auf die zentralukrainische Region Tscherkassy sind nach Angaben der örtlichen Behörden sechs Menschen verletzt worden. Zudem seien wichtige Infrastrukturanlagen beschädigt worden, teilt Regionalgouverneur Ihor Taburez auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Einige Angriffsgeschosse seien von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossen worden. Die Rettungsdienste seien vor Ort im Einsatz.
+++ 08:19 „Jetzt endlich Taurus liefern, gern heimlich!“ +++
Die heimliche Lieferung von ATACMS-Raketen durch die USA an die Ukraine sollte nach Ansicht von Militärexperte Nico Lange als Beispiel für den deutschen Taurus gelten. Auf X schreibt er: „Jetzt endlich Taurus liefern, gern heimlich!“ Die Chancen dafür sind allerdings äußerst gering. Bundeskanzler Olaf Scholz schreckt vor der Lieferung einer solchen Waffe zurück und lehnt eine Übergabe an die Ukraine weiter ab, wie er kürzlich erst wieder bekräftigt hat. Auch Verteidigungsminister Pistorius hat seine ablehnende Haltung nicht aufgegeben:
Pistorius bei Maischberger USA liefern zügig Waffen, Deutschland mauert bei Taurus
+++ 07:45 „Werden viel bewegen“ – Ukraine bekommt Raketen mit großer Reichweite, aber USA dämpfen Euphorie +++
Der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, kündigt die Lieferung weiterer ATACMS-Raketen mit großer Reichweite an die Ukraine an. „Sie werden viel bewegen“, sagt Sullivan. Er wiederholt gleichzeitig seine Aussage, dass es keine „Wunderwaffe“ im Krieg zwischen Russland und der Ukraine gebe. Die Ukraine hat bislang ATACMS mit 165 Kilometer Reichweite eingesetzt und verfügt mittlerweile auch über 300-Kilometer-Exemplare, die heimlich geliefert wurden. „Ich gehe davon aus, dass wir mit den Mitteln, die uns jetzt zur Verfügung stehen, die Ukraine bis 2024 mit dem versorgen können, was sie braucht“, sagt Sullivan über das Milliarden-Hilfspaket. Er gibt aber auch zu bedenken, es sei möglich, dass Russland in den kommenden Wochen weitere taktische Fortschritte erzielen könne. Die ukrainische Armee leidet derzeit unter Munitionsmangel und Schwierigkeiten bei der Rekrutierung neuer Soldaten.
+++ 07:09 Selenskyj schickt Danksagungen in Richtung Katar +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bedankt sich beim einflussreichen Golf-Emirat Katar für Hilfe bei der Freilassung von 16 gewaltsam nach Russland verschleppten ukrainischen Kindern. „Dank der Vermittlungsbemühungen unseres befreundeten Katars wurden sie freigelassen und mit ihren Familien zusammengeführt“, schreibt Selenskyj auf X. Die Kinder und ihre Angehörigen befänden sich derzeit in Katar zur medizinischen, psychischen und sozialen Genesung. Die Ukraine identifizierte bis Februar eigenen Angaben zufolge knapp 20.000 Kinder, die nach Russland oder in russisch besetzte Gebiete der Ukraine gebracht worden sein sollen. Nur mehrere Hundert davon sollen bisher zurückgekehrt sein. Die Angaben konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden. Die Golfstaaten wie Katar pflegen meist gute Beziehungen mit Russland und bemühen sich im Ukraine-Krieg um Neutralität.
„Schlimmste Monate meines Lebens“ Aus Ukraine verschleppte Kinder sagen in Washington aus
+++ 06:34 Biden-Regierung drückt aufs Tempo: Diese Waffen werden jetzt in die Ukraine geschickt +++
Nachdem das 61-Milliarden-Hilfspaket aus den USA lange Zeit nicht vorangekommen war, geht nun alles ganz schnell. Die Biden-Regierung liefert Waffen an Kiew. Das Pentagon gibt bekannt, dass die erste Tranche der US-Militärhilfe aus dem Gesetzentwurf eine Milliarde Dollar beträgt und Folgendes umfasst: RIM-7- und AIM-9M-Flugabwehrraketen, Stinger-Flugabwehrraketen, HIMARS-Munition, 60-mm-Mörsergranaten, 105-mm- und 155-mm-Artilleriegranaten, Bradley-Schützenpanzer, Humvees, MRAPs, TOW-Raketen, Javelin- und AT-4-Panzerabwehrsysteme, Präzisionsmunition und andere Ausrüstung und Transportfahrzeuge. Angaben aus Washington zufolge könnten die ersten Lieferungen bereits auf dem Weg sein:
+++ 05:51 Russland gibt Vereinbarung mit der Ukraine bekannt – Kiew dementiert +++
Russland gibt eine Vereinbarung mit der Ukraine über den Austausch von Kindern bekannt, die infolge von Moskaus Invasion vertrieben wurden. Die Vereinbarung sehe vor, dass 29 Kinder in die Ukraine und 19 nach Russland gebracht werden sollten, sagt Russlands Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa in Doha, wo sich Vertreter der Ukraine und Russlands mit katarischen Vermittlern treffen. Der Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Dmytro Lubinez, sagt, er könne „die Information nicht bestätigen“. Moskau wird vorgeworfen, ukrainische Kinder auf russisches Staatsgebiet zu verschleppen. Gegen Lwowa-Belowa wurde in diesem Zusammenhang vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag 2023 ein Haftbefehl ausgestellt. Die Kinderrechtsbeauftragte des Kreml gibt keine Details dazu an, warum die Kinder sich in russischen Händen befinden oder woher sie gekommen sind.
+++ 04:10 Pistorius: Russlands Rüstungsproduktion füllt bereits die Depots +++
Russland produziert nach Einschätzung von Verteidigungsminister Boris Pistorius bereits Waffen und Munition über den Bedarf für den Angriffskrieg gegen die Ukraine hinaus. Registriert werde, wie mit steigenden Rüstungsausgaben und einer Anordnung der Kriegswirtschaft „ein großer Teil oder ein Teil dessen, was neu produziert wird, gar nicht mehr an die Front geht, sondern in den Depots landet“, sagt Pistorius in der ARD-Sendung „Maischberger“. Er warnt zugleich vor weiteren militärischen Ambitionen von Russlands Präsident Wladimir Putin. Pistorius: „Jetzt kann man naiv sein und sagen, das macht er nur aus Vorsicht. Ich würde eher als skeptischer Mensch sagen in dem Fall, das macht er, weil er im Zweifel irgendwas vorhat oder haben könnte.“
+++ 02:31 Ukraine stoppt Ausgabe von Reisepässen an Auslandsukrainer im wehrfähigen Alter +++
Die Ukraine stoppt die Ausgabe von Reisepässen an im Ausland befindliche Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. In einer im amtlichen Online-Portal der Regierung veröffentlichten Verordnung heißt es, der Versand von Pässen an diplomatische Vertretungen der Ukraine im Ausland werde „nicht mehr praktiziert“. Somit können ukrainische Männer im wehrfähigen Alter ihre Reisepässe künftig nur noch im Land selbst erhalten.
+++ 00:11 Insider: Schoigu feuert seinen festgenommenen Vize Iwanow +++
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat seinen Stellvertreter Timur Iwanow seines Amtes enthoben, sagt eine Quelle im Ministerium gegenüber der russischen Staatsagentur TASS. „Auf Anordnung des russischen Verteidigungsministers wurde Timur Iwanow aus dem Amt des stellvertretenden Verteidigungsministers der Russischen Föderation im öffentlichen Dienst der Bundesregierung entfernt“, zitiert die Agentur die Quelle. Der für den Bau militärischer Einrichtungen zuständige Iwanow war jüngst festgenommen worden. Laut einem Moskauer Gericht soll er Bestechungsgelder „in besonders großem Umfang“ angenommen haben.
24.4.2024
Munz: Nur mit Putins Zustimmung Festnahme von Schoigu-Vize „ist Machtkampf im Kreml“
+++ 21:41 USA bestätigen Lieferung weitreichender ATACMS-Raketen +++
Die USA haben der Ukraine Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS mit größerer Reichweite für den Einsatz innerhalb des ukrainischen Staatsgebiets geliefert. „Ich kann bestätigen, dass die Vereinigten Staaten der Ukraine auf direkte Anweisung des Präsidenten ATACMS mit großer Reichweite geliefert haben“, sagte Außenministeriumssprecher Vedant Patel. Die Raketen seien Teil eines Hilfspakets aus dem März gewesen und „diesen Monat“ in der Ukraine angekommen, erläuterte Patel. Der Berater für Nationale Sicherheit, Jake Sullivan, sagte, es würden auch weitere geliefert. Die Ukraine habe zugesagt, sie nur innerhalb ihrer Grenzen einzusetzen, nicht gegen Ziele in Russland selbst.
Verlinkungsfehler von n-tv – frühere Meldungen nicht abrufbar.
NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE
ROUNDUP: Kiew dankbar für Sofort-Hilfspaket aus USA – Die Nacht im Überblick
WASHINGTON/KIEW (dpa-AFX) – Nach der Freigabe neuer Ukraine-Hilfen durch den Kongress hat US-Präsident Joe Biden ein sofortiges neues Militärpaket für das von Russland angegriffene Land angekündigt. Die Ukraine, die sich derzeit in einer besonders schwierigen Kriegsphase befindet, zeigte sich nach dem monatelangen Bangen erleichtert.
USA schicken Milliardenpaket mit Militärhilfe für Ukraine
„In den nächsten Stunden“ werde man damit beginnen, Ausrüstung für die Flugabwehr, Artillerie, Raketensysteme und gepanzerte Fahrzeuge in die Ukraine zu schicken, sagte Biden am Mittwoch bei einer Rede im Weißen Haus. Das neue Paket mit einem Wert von rund einer Milliarde US-Dollar enthält einer vom US-Verteidigungsministerium veröffentlichten Übersicht zufolge dringend benötigte Artilleriegranaten verschiedener Kaliber und Raketen für Flugabwehrsysteme sowie gepanzerte Fahrzeuge. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge sollen auch ATACMS-Raketen enthalten sein – unklar war allerdings zunächst, welche Reichweite diese haben.
Nach einer monatelangen innenpolitischen Hängepartie hatte der US-Kongress am späten Dienstagabend (Ortszeit) mit der Zustimmung des Senats milliardenschwere Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine gebilligt – und damit den Weg für neue Waffenlieferungen erst freigemacht. Das Gesetz sieht Hilfen im Umfang von rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für Kiew vor. Die US-Regierung hatte die Freigabe der Mittel vom Parlament lange und vehement gefordert.
Selenskyj dankt Biden
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich erleichtert über das amerikanische Sofort-Hilfspaket. „Wir bekommen die Unterstützung, die wir brauchen, um unsere Leben weiter vor russischen Angriffen zu schützen“, schrieb Selenskyj auf der Plattform X (früher Twitter). „Ich bin Präsident Biden, dem Kongress und allen Amerikanern dankbar, die erkennen, dass wir Putin den Boden unter den Füßen wegziehen müssen, anstatt ihm zu gehorchen“, fügte er hinzu. Mit Blick auf die schwere Lage an der Front betonte der ukrainische Staatschef in seiner abendlichen Videoansprache aber auch: „Nun werden wir alles tun, um die sechs Monate auszugleichen, die in Debatten und Zweifeln vorbeigezogen sind.“
USA lieferten bereits weitreichende ATACMS-Raketen
Bekannt wurde am Mittwochabend zudem, dass die USA bereits vor einiger Zeit ATACMS-Raketen an die Ukraine geliefert haben. Die Präzisionswaffen seien von der US-Regierung im Stillen genehmigt worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Sie seien Teil eines von den USA im März bekannt gegebenen Notfall-Militärpakets für die Ukraine gewesen, dort aber nicht explizit aufgeführt worden, „um die operative Sicherheit der Ukraine auf deren Ersuchen hin aufrechtzuerhalten“. Auch bei diesen bereits gelieferten ATACMS-Raketen gab es zunächst keine Angaben darüber, ob es sich um Modelle mit einer Reichweite von rund 300 Kilometern oder solche mit geringerer Reichweite handelte.
Der Sender NBC News berichtete unter Berufung auf US-Regierungsvertreter, die Geschosse seien bereits in der vergangenen Woche bei einem Angriff auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim sowie in dieser Woche bei einem Angriff auf die besetzte Stadt Berdjansk im Südosten der Ukraine zum Einsatz gekommen.
Bereits im Oktober hatte die Ukraine bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg ATACMS-Raketen aus den USA eingesetzt. Damals handelte es sich um Modelle mit einer geringeren Reichweite von rund 165 Kilometern. Die ukrainische Regierung hatte ATACMS-Raketen mit höherer Reichweite gefordert.
Bei dem Waffensystem (englisch: Army Tactical Missile System) gibt es die Sorge, dass damit auch Ziele in Russland angegriffen werden könnten. Daher reagierten die USA und andere westliche Partner lange sehr zögerlich auf die Forderungen aus Kiew.
Pistorius: Russlands Rüstungsproduktion füllt bereits die Depots
Russland produziert derweil nach Einschätzung von Verteidigungsminister Boris Pistorius bereits Waffen und Munition über den Bedarf für den Angriffskrieg gegen die Ukraine hinaus. Registriert werde, wie mit steigenden Rüstungsausgaben und einer Anordnung der Kriegswirtschaft „ein großer Teil oder ein Teil dessen, was neu produziert wird, gar nicht mehr an die Front geht, sondern in den Depots landet“, sagte Pistorius in der ARD-Sendung „Maischberger“. Er warnte zugleich vor weiteren militärischen Ambitionen von Russlands Präsident Wladimir Putin. Pistorius sagte: „Jetzt kann man naiv sein und sagen, das macht er nur aus Vorsicht. Ich würde eher als skeptischer Mensch sagen in dem Fall, das macht er, weil er im Zweifel irgendwas vorhat oder haben könnte.“
Selenskyj dankt Katar für Hilfe bei Freilassung verschleppter Kinder
Derweil bedankte sich Selenskyj beim einflussreichen Golf-Emirat Katar für Hilfe bei der Freilassung von 16 gewaltsam nach Russland verschleppten ukrainischen Kindern. „Dank der Vermittlungsbemühungen unseres befreundeten Katars wurden sie freigelassen und mit ihren Familien zusammengeführt“, schrieb Selenskyj am Mittwochabend auf der Plattform X (vormals Twitter). Die Kinder und ihre Angehörigen befänden sich derzeit in Katar zur medizinischen, psychischen und sozialen Genesung.
Die Ukraine identifizierte bis Februar eigenen Angaben zufolge knapp 20 000 Kinder, die nach Russland oder in russisch besetzte Gebiete der Ukraine gebracht worden sein sollen. Nur mehrere Hundert davon sollen bisher zurückgekehrt sein. Die Angaben konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden. Die Golfstaaten wie Katar pflegen meist gute Beziehungen mit Russland und bemühen sich im Ukraine-Krieg um Neutralität. Moskau ist für sie ein wichtiger Partner etwa im Energiebereich. Russland wird vorgeworfen, durch die gewaltsame Verschleppung absichtlich die Identität ukrainischer Kinder zu zerstören und tiefe emotionale und psychologische Traumata zu verursachen./haw/DP/zb
WEITERE UKRAINE-MELDUNGEN
Ukraine Support Tracker: Europas Hilfen zeigen wenig Dynamik – Institut für Weltwirtschaft Kiel (inkl. Graphiken)
Neue Hilfen Europas an die Ukraine haben in den letzten Monaten kaum zugelegt, obwohl die der USA komplett zum Erliegen gekommen sind. Insgesamt haben europäische Länder im Januar und Februar 2024 Hilfen in Höhe von rund 6 Mrd. Euro an die Ukraine zugewiesen, den Großteil davon für das Militär. Dies zeigt die jüngste Aktualisierung des Ukraine Support Trackers, die Hilfen bis zum 29. Februar 2024 erfasst.
Europas Unterstützung in den letzten Monaten reicht bei Weitem nicht aus, um die Lücke der ausgebliebenden US-Hilfen zu schließen, die vor allem im Bereich Munition und hier insbesondere bei Artilleriegranaten klafft. Das neue US-Hilfspaket, das am Wochenende vom Kongress gebilligt wurde, ist also von entscheidender Bedeutung, aber in den Zahlen noch nicht enthalten.
Der Ukraine Support Tracker hat seinen Schwerpunkt auf die Messung von Hilfszuweisungen verlagert. Dabei handelt es sich um konkrete Hilfen, die bereits geliefert wurden oder zur Lieferung vorgesehen sind. Diese methodische Verbesserung ist durch bessere und transparentere Daten der Regierungen möglich geworden. Bisher lag der Fokus aufgrund der Datenlage auf Zusagen für künftige Hilfen, die in der Regel weniger konkret waren.
„Europa war eindeutig nicht in der Lage, die schwindende US-Hilfe zu ersetzen. Dies gilt insbesondere bei Munition, da der europäische Verteidigungssektor nur sehr langsam Produktionskapazitäten aufgebaut hat.
Nach unserer vorläufigen Einschätzung enthält das neue US-Paket rund 23 Mrd. Euro an Militärhilfe für die Ukraine, die das Land auch dringend benötigt, die aber nur vorübergehend Entlastung bringen.
Sollten die USA Ende 2024 oder 2025 keine weiteren Unterstützungspakete verabschieden, wird die Ukraine im Jahr 2025 höchstwahrscheinlich mit dem gleichen Versorgungsengpass wie jetzt konfrontiert sein“, so Christoph Trebesch, Leiter des Ukraine Support Trackers, anlässlich der jüngsten Aktualisierung.
Stand 29. Februar haben die europäischen Geber und die EU seit der Invasion Russlands in der Ukraine vor 2 Jahren Gesamthilfen von 89,9 Mrd. Euro für militärische, humanitäre und finanzielle Unterstützung zugewiesen. Die USA kommen auf 67 Mrd. Euro. Seit Sommer 2023 liegen die Hilfszuweisungen Europas durchweg über denen der USA, da der US-Kongress seit über einem Jahr keine neuen Ukraine-Hilfen gebilligt hatte.
Europa bei Militärhilfen gleichauf mit USA
Die EU-Hilfsdynamik der Monate Januar und Februar ist vor allem durch militärische Hilfen getrieben. Deutschland hat mit 2,4 Mrd. Euro sein größtes militärisches Hilfspaket seit fast einem Jahr auf den Weg gebracht. Dazu gehören Flugabwehrsysteme, 155-mm-Artillerie und entsprechende Munition.
Schweden hat mit 0,7 Mrd. Euro sein größtes Militärpaket überhaupt zugewiesen, das vor allem Kampfausrüstung umfasst. Hohe Militärhilfen wurden außerdem von den Niederlanden (0,5 Mrd. Euro) und Großbritannien (0,4 Mrd. Euro) zugewiesen.
Insgesamt beläuft sich die militärische Unterstützung Europas, gemessen an den Zuweisungen, auf 42 Mrd. Euro. Dies ist vergleichbar mit den Zuweisungen der USA von 43,1 Mrd. Euro. Insgesamt entfallen 95 Prozent aller militärischen Hilfszuweisungen an die Ukraine in Höhe von 88 Mrd. Euro auf die beiden Wirtschaftsblöcke.
„Europa hat in den letzten Monaten aufgeholt und ist nun bei der Militärhilfe mit den USA auf Augenhöhe. Es war jedoch nicht in der Lage, die große Lücke zu schließen, die die USA hinterlassen haben, insbesondere bei der Munition. Für den Rest des Jahres 2024 könnte die westliche Unterstützung wieder das Niveau von Anfang und Mitte 2023 erreichen, aber wie es danach weitergeht, ist noch sehr ungewiss“, so Trebesch.
Die lange Phase ohne neues US-Hilfspaket macht sich insbesondere bei schwerer Munition bemerkbar, die bislang vornehmlich von den USA kam. Seitens der EU werden vor allem Flugabwehrsysteme bereitgestellt, außerdem Haubitzen und Kampffahrzeuge wie Panzer.
Über den Ukraine Support Tracker
Der Ukraine Support Tracker erfasst und quantifiziert militärische, finanzielle und humanitäre Hilfen an die Ukraine seit dem 24. Januar 2022 (aktuell bis Februar 2024). Berücksichtigt sind 41 Länder, spezifisch die EU-Staaten, die weiteren Mitglieder der G7, Australien, Südkorea, Norwegen, Neuseeland, die Schweiz, die Türkei, China, Taiwan, Indien und Island. Erfasst sind Hilfe von den Regierungen dieser Länder, die diese an die ukrainische Regierung gemacht haben; Hilfen der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank sind separat aufgeführt; private Spenden oder solche internationaler Organisationen wie des IWF sind in der Hauptdatenbank nicht enthalten. Ebenso nicht mitgezählt sind Hilfen an Nachbarländer der Ukraine wie Moldawien oder andere Länder – etwa für die Aufnahme von Geflüchteten.
Datenquellen sind Bekanntgaben offizieller Regierungsstellen und Berichte internationaler Medien. In Sachmitteln geleistete Hilfe wie zum Beispiel Medizingüter, Lebensmittel oder militärisches Gerät werden anhand von Marktpreisen oder Angaben aus früheren Hilfskampagnen geschätzt. In Zweifelsfällen werden die höheren verfügbaren Werte angesetzt.
Der Ukraine Support Tracker wird laufend erweitert, korrigiert und verbessert. Anregungen dazu sind sehr willkommen und können gerne an ukrainetracker@ifw-kiel.de geschickt werden.
Mehr Informationen und die kompletten Daten finden Sie auf der Webseite.
Mehr zur Methodik des Ukraine Support Trackers steht in einem vertiefenden Kiel Working Paper.
USA lieferten weitreichende ATACMS-Raketen an Ukraine
WASHINGTON (dpa-AFX) – Die Ukraine hat von den USA zur Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg weitreichende ATACMS-Raketen erhalten. Die Präzisionswaffen seien von der US-Regierung im Stillen genehmigt worden, teilte das Verteidigungsministerium am Mittwoch mit. Sie seien Teil eines von den USA im März bekannt gegebenen Notfall-Militärpakets für die Ukraine gewesen, dort aber nicht explizit aufgeführt worden, „um die operative Sicherheit der Ukraine auf deren Ersuchen hin aufrechtzuerhalten“.
US-Präsident Joe Biden habe sein Team angewiesen, diesen Schritt zu unternehmen, nachdem Russland ballistische Raketen aus Nordkorea beschafft und gegen die Ukraine eingesetzt habe, teilte das Pentagon mit. Mit den Raketen werde der Ukraine geholfen, Russland überall in den besetzten ukrainischen Gebieten einen sicheren Zufluchtsort zu verwehren.
Das Pentagon machte keine Angaben dazu, ob es sich bei den gelieferten ATACMS-Raketen um Modelle mit einer Reichweite von rund 300 Kilometern oder solche mit geringerer Reichweite handele.
Der Sender NBC News berichtete unter Berufung auf US-Regierungsvertreter, die von den USA zur Verfügung gestellten ATACMS seien bereits in der vergangenen Woche bei einem Angriff auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim sowie in dieser Woche bei einem Angriff auf die besetzte Stadt Berdjansk im Südosten der Ukraine zum Einsatz gekommen.
Weitere ATACMS-Raketen sollen übereinstimmenden Medienberichten zufolge auch in dem am Mittwoch von US-Präsident Joe Biden angekündigten Militärpaket enthalten sein.
Bereits im vergangenen Oktober hatte die Ukraine bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg ATACMS-Raketen aus den USA eingesetzt. Damals handelete es sich um Modelle mit einer geringeren Reichweite von rund 165 Kilometern. Die ukrainische Regierung hatte ATACMS-Raketen mit höherer Reichweite gefordert.
Bei dem Waffensystem (englisch: Army Tactical Missile System) gibt es die Sorge, dass damit auch Ziele in Russland angegriffen werden könnten. Daher reagierten die USA und andere westliche Partner lange sehr zögerlich auf die Forderungen aus Kiew./trö/DP/he
ROUNDUP/Trotz neuer Ukraine-Hilfen der USA: Scholz bleibt bei Nein zu Taurus
BERLIN (dpa-AFX) – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sich auch von neuen Hilfszusagen der USA an die Ukraine nicht von seinem Nein zur Lieferung der deutschen Taurus-Raketen abbringen lassen. Was die Marschflugkörper der Bundeswehr mit einer Reichweite von 500 Kilometern angehe, „wird sich meine Entscheidung nicht ändern“, sagte Scholz am Mittwoch auf einer Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak in Berlin. Die beiden wichtigsten europäischen Waffenlieferanten der Ukraine versprachen dem von Russland angegriffenen Land aber auch, in ihrer Hilfe nicht nachzulassen.
Beim verspäteten Antrittsbesuch Sunaks im Kanzleramt 18 Monate nach seiner Ernennung als Premier vereinbarten die beiden Regierungschefs zudem eine engere Rüstungskooperation. So wollen die beiden Länder zusammen eine ferngesteuerte Haubitze entwickeln, die 155-Millimeter-Geschosse 40 Kilometer weit feuern können soll. Außerdem soll die Zusammenarbeit im Energiebereich und bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ausgebaut werden.
Sunak ruft „neues Kapitel“ in den Beziehungen aus
„Wir schlagen heute ein neues Kapitel in unserer Beziehung auf, eines, das uns sicherer und wohlhabender machen wird“, sagte Sunak zum Auftakt seines Besuchs. Großbritannien und Deutschland stünden zu diesem gefährlichen Zeitpunkt für die Welt Seite an Seite, um Sicherheit und Wohlstand zu Hause und auf dem ganzen europäischen Kontinent zu erhalten.
Die weitere Unterstützung der Ukraine stand ganz oben auf der Tagesordnung des Treffens. Wenige Stunden vor dem Eintreffen Sunaks in Berlin gab der US-Kongress nach einer monatelangen Hängepartie grünes Licht für neue Militärhilfen im Wert von 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro). Möglicherweise werden die USA schon bald ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern in die Ukraine schicken, mit denen russische Versorgungslinien weit hinter der Front bekämpft werden können.
Sunak hat seinerseits gerade das bisher größte britische Militärpaket für die Ukraine zugesagt. Neben 60 Kampfbooten und Hunderten gepanzerten Fahrzeugen umfasst es auch weitere Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow. Die Zusagen der amerikanischen und britischen Raketen mit großer Reichweite hat auch die Debatte über die Lieferung der deutschen Taurus-Marschflugkörper wieder angeheizt.
Scholz zu Taurus: „Meine Entscheidung ist sehr klar“
Scholz will sich dadurch aber nicht beirren lassen. „Meine Entscheidung ist sehr klar, was das eine Waffensystem betrifft“, sagte er mit Blick auf Taurus. „Meine Entscheidung ist aber auch klar, dass wir weiter der größte Unterstützer der Ukraine in Europa sein werden, dass wir weiter mit Großbritannien die beiden sein werden, die das meiste tun.“
Scholz hat sich bisher bei der Lieferung von Waffensystemen neuer Qualität stets an den USA orientiert. Das war bei der Bereitstellung weitreichender Artillerie so und auch bei den Leopard-2-Panzern, die erst in die Ukraine geschickt wurden, nachdem sich die USA zur Lieferung ihrer Abrams-Panzer bereiterklärt hatten. Bei den Marschflugkörpern bleibt Scholz jetzt aber trotz der US-Entscheidung bei seiner Absage.
Der Kanzler würdigte aber die Entscheidung des US-Kongresses für neue Ukraine-Hilfen als ermutigendes und notwendiges Signal. „Diese Entscheidung zeigt, dass (Russlands Präsident Wladimir) Putin sich verrechnet, wenn er glaubt, die Staaten in Europa und den USA, all die anderen Unterstützer würden die Ukraine irgendwann im Stich lassen. Wir werden das nicht tun“, sagte Scholz. „Deutschland und Großbritannien stehen gemeinsam an der Seite der Ukraine.“
Asylpolitik: Kann britisches Ruanda-Modell Vorbild sein
Großbritannien gehört zwar seit mehr als vier Jahren nicht mehr der Europäischen Union an, ist aber immer noch einer der wichtigsten Verbündeten Deutschlands in Nato, G7 und G20. Sunak steht noch in diesem Jahr eine Parlamentswahl bevor. Zwar taumelt seine Konservative Partei einer historischen Niederlage entgegen. Nach Berlin kam er aber mit innenpolitischem Rückenwind.
In der Nacht zum Dienstag billigte das Parlament nach langem Streit Sunaks umstrittenen Asylpakt mit Ruanda: Asylsuchende, die ohne gültige Papiere in Großbritannien eintreffen, sollen künftig umgehend in das ostafrikanische Land abgeschoben werden. Sie können dort Asyl beantragen, nach Großbritannien dürfen sie aber – ungeachtet ihrer Herkunft – nicht mehr.
Auch in Deutschland werden die britischen Pläne mit Interesse verfolgt. Die Union dringt seit langem darauf, Asylverfahren in Länder außerhalb der EU zu verlagern. Die Bundesregierung hat den Ländern eine Prüfung zugesagt. Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni sollen erste Ergebnisse vorgelegt werden.
Auf der Pressekonferenz mit Sunak wollte Scholz sich nicht zu der Frage äußern, ob das britische Modell Vorbild für Deutschland sein kann. Er verwies stattdessen auf die bereits beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung irregulärer Migration nach Deutschland und Europa. Sowohl dabei als auch bei der Anwerbung von Fachkräften habe es „die weitreichendsten Veränderungen der letzten 20 bis 30 Jahre gegeben, und die werden jetzt auch ihre Wirkung entfalten“./mfi/DP/ngu
EU-Haushaltskommissar: Finanzielle Sorgen bei Ukraine-Beitritt gering
BRÜSSEL (dpa-AFX) – Eine Aufnahme der Ukraine in die EU könnte ohne Änderung der Förderregeln nach Einschätzung des EU-Haushaltskommissars Johannes Hahn ein um 20 Prozent höheres Budget der Staatengemeinschaft erfordern. „Klingt gigantisch, aber das entspricht nur 0,2 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung und das ist sicher machbar“, sagte Hahn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch). Die finanzielle Seite eines potenziellen EU-Beitritts der Ukraine bereite ihm das geringste Kopfzerbrechen, so Hahn. „Es geht um ein lohnendes Investment, denn die Ukraine hat wirtschaftlich enormes Potenzial.“
Der EU-Gemeinschaftsetat umfasst von 2021 bis 2027 rund 1,1 Billionen Euro. Eine Steigerung würde nach heutigem Stand rund 200 Milliarden mehr bedeuten.
Das größere Problem sieht Hahn allerdings bei der Vorbereitung in der Staatengemeinschaft. Er zählte auf: „Wie treffen wir Entscheidungen, wie sichern wir Rechtsstaatlichkeit? Wie bringen wir den großen Agrarsektor der Ukraine mit unserer Landwirtschaft zusammen?“ Unabhängig von einem EU-Beitritt der Ukraine und Länder des Westbalkan seien in der EU institutionelle Reformen nötig, so Hahn weiter. Er plädierte etwa für Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeit in der Außenpolitik.
Anfang November hatte die EU-Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine empfohlen. Bei einem Gipfeltreffen Mitte Dezember hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Aufnahme von Beitrittsgesprächen verständigt. Diese dürften viele Jahre dauern.
Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft schätzten die finanziellen Folgen einer Vollmitgliedschaft der Ukraine in der Staatengemeinschaft auf das derzeitige mehrjährige Budget der EU in einem Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Bericht auf rund 130 bis 190 Milliarden Euro. Die genaue Summe hänge davon ab, welche Annahmen über die Ackerlandfläche und die Bevölkerungszahl für die Ukraine getroffen würden.
Auch die Brüsseler Denkfabrik Bruegel kam in einer im März veröffentlichten Analyse zu dem Schluss, dass die Aufnahme der Ukraine bei derzeitigen Förderregeln erhebliche finanzielle Konsequenzen für die bisherigen Mitgliedsstaaten haben würde. Die Gesamtkosten einer Integration der Ukraine hätten sich in der laufenden Haushaltsperiode von 2021 bis 2027 Beispielrechnungen zufolge auf rund 136 Milliarden Euro belaufen./rdz/DP/ngu
EU-Politik. Waffen für die Ukraine: Soll die EU Russlands eingefrorene Staatsgelder in Milliardenhöhe beschlagnahmen?
Im EU-Parlament haben einige Abgeordnete gefordert, die in der EU festgesetzten russischen Staaatsbankreserven zu beschlagnahmen und für den Kauf von Waffen für die Ukraine zu nutzen.
In der letzten Sitzung vor den Europawahlen haben EU-Abgeordnete dazu aufgerufen, eingefrorene russische Staatsgelder für die Ukraine zu beschlagnahmen und damit Waffen zu kaufen.
Einige meinen, die von der Europäischen Kommission im März vorgeschlagenen Pläne, seien zu schwach. Zuletzt hatte der US-Kongress ein milliardenschweres Hilfspaket für Kiew beschlossen.
„Europa muss dies jetzt tun“
So sagte der polnische Politiker Włodzimierz Cimoszewicz von den Sozialisten und Demokraten: „Es kommt nicht oft vor, dass die moralischen, rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Argumente für ein Handeln so stark sind wie bei der Beschlagnahmung des russischen Staatsvermögens zur Unterstützung der Ukraine. Europa sollte das gesamte russische Vermögen beschlagnahmen, und muss dies jetzt tun.“
„Jeder Tag bringt der Ukraine neuen Schaden“, sagte Andrius Kubilius aus Litauen, der der EVP-Fraktion angehört, „Russland muss zahlen.“
210 Milliarden Euro an Reserven der russischen Zentralbank lagern bei Euroclear, einem Finanzinstitut mit Hauptsitz in Belgien. Die Kommission will laut den seit März erörterten Plänen mit einem Teil der Gewinne ein Hilfspaket im Wert von rund 3 Mrd. EUR pro Jahr für die Ukraine zu finanzieren.
Rechtliche Bedenken: „Nicht klar, was wir tun können“
Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, erklärte: „Bis auf weiteres werden wir das Kapital nicht beschlagnahmen, weil nicht klar genug ist, was wir tun können und was nicht. Sicherlich wären wir sehr froh, wenn wir 300.000 Millionen Euro nehmen könnten.“
Er warnte vor rechtlichen Problemen bei einer Beschlagnahmung im großen Stil und griff damit die Bedenken auf, die unter anderem Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank, geäußert hatte.
„Alles muss im Einklang mit dem internationalen Recht geschehen“, sagte Borrell im EU-Parlament. „Andernfalls würde man mit zweierlei Maß messen“.
Auch beim G7-Gipfel wurde über eingefrorene russische Gelder debattiert.
Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hatten die westlichen Staaten vor zwei Jahren rund 260 Milliarden Euro an Reserven der Moskauer Zentralbank blockiert.
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ZENTRALBANKEN
EZB/Panetta plädiert für gemeinsame Euro-Anleihen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)–EZB-Ratsmitglied Fabio Panetta hat sich dafür ausgesprochen, die in Europa notwendigen öffentlichen Investitionen zu koordinieren und über die Ausgabe gemeinsamer Anleihen zu finanzieren. „Die Finanzierung von Investitionen durch die Ausgabe gemeinsamer Anleihen würde zur Schaffung eines europäischen sicheren Vermögenswerts führen. Damit würde das Haupthindernis für die Schaffung einer echten Kapitalmarktunion beseitigt und ein entscheidender Schritt zur Bereitstellung eines unverzichtbaren Instruments für die Finanzierung des ehrgeizigen Investitionsprogramms getan, das ich zuvor beschrieben habe“, sagte der Gouverneur der Banca d’Italia anlässlich der Verleihung einer Ehrendoktorwürde durch die Universität Roma Tre.
Zuvor hatte Panetta darauf verwiesen, dass die öffentlichen Investitionen in Europa stark zyklisch seien und unter Berücksichtigung der Abnutzung des Kapitalstocks zwischen 2010 und 2019 bei 0 Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen hätten.
Um Skaleneffekte zu erzielen und positive externe Effekte für alle Mitgliedstaaten zu generieren, seien koordinierte Investitionen erforderlich, die auf europäischer Ebene finanziert würden, sagte er. Das würde Doppelausgaben und Verzerrungen im Binnenmarkt verringern, die unvermeidlich wären, wenn die Programme auf nationaler Ebene durchgeführt würden.
Panetta zufolge ist eine Kapitalmarktunion auch erforderlich, um die Ersparnisse der Bürger effizient einzusetzen und Kapital aus dem Ausland anzuziehen.
„Wenn wir auf EU-Ebene Ausgabenprogramme verabschieden würden, wäre die europäische Finanzpolitik nicht mehr die einfache Summe der nationalen Politiken, sondern könnte vielmehr auf der Grundlage der Bedürfnisse der gesamten Euro-Wirtschaft bestimmt werden“, sagte er.
Bundesbank-Präsident Nagel „Könnten im Juni erste Zinssenkung für Euroraum sehen“ – KURZVIDEO
Die Inflationsrate sinkt in den vergangenen Monaten deutlich. Sollte die EZB im Sommer das Erreichen des Inflationsziels verkünden, könnte eine Zinssenkung im Euroraum anstehen. Das sagt Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, im Gespräch mit ntv.
EZB-Ratsmitglied Nagel: Kerninflation ist immer noch hoch
Von Andreas Plecko
FRANKFURT (Dow Jones)–Bundesbank-Präsident Joachim Nagel ist nach eigenen Worten „noch nicht völlig davon überzeugt, dass die Inflation tatsächlich rechtzeitig und nachhaltig zum Zielwert zurückkehren wird“. Die Kerninflation bleibe hoch, insbesondere die Inflation im Dienstleistungssektor, sagte Nagel bei einer Rede zur Eröffnung der DZ Capital Markets Conference in Berlin. Aufgrund des anhaltend starken Lohnwachstums sei die Dienstleistungsinflation hartnäckiger als die Wareninflation.
Nach den jüngsten EZB-Projektionen soll die Inflationsrate im Jahr 2025 wieder bei durchschnittlich 2 Prozent liegen. „Wir sind auf einem guten Weg, aber es bleiben Risiken“, sagte das EZB-Ratsmitglied.
„Im Juni werden wir viel mehr wissen, zum Beispiel über das Lohnwachstum im ersten Quartal“, sagte Nagel. „Und diese Daten werden in neue Projektionen einfließen. Wenn sie dazu beitragen, unser Vertrauen in eine rechtzeitige und dauerhafte Rückkehr zu 2 Prozent zu stärken, wäre ich für eine Zinssenkung im Juni. Auf einen solchen Schritt würde jedoch nicht unbedingt eine Reihe von Zinssenkungen folgen. Angesichts der derzeitigen Unsicherheit können wir uns nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad festlegen.“
Der EZB-Rat werde weiterhin von Sitzung zu Sitzung und auf der Grundlage der eingehenden Daten entscheiden. „Die Menschen vertrauen darauf, dass wir die Preisstabilität bald wiederherstellen. Diesem Vertrauen müssen wir gerecht werden“, erklärte Nagel.
MEINUNG: Geldanlage-Check „Glaube eher nicht mehr an EZB-Zinssenkung im Juni“ – KURZVIDEO
Heute zu Gast in der Telebörse: Susanne Steinmann, Quirin Privatbank.
MELDUNGEN
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US-Aufträge für langlebige Güter steigen im März kräftig
WASHINGTON (Dow Jones)–Der Auftragseingang langlebiger Wirtschaftsgüter in den USA ist im März kräftig gestiegen. Wie das US-Handelsministerium berichtete, erhöhten sich die Orders gegenüber dem Vormonat um 2,6 Prozent. Von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen hatten exakt mit einem solchen Anstieg gerechnet. Der Zuwachs im Vormonat wurde auf 0,7 (vorläufig: 1,3) Prozent nach unten revidiert.
Für den Ordereingang ohne den Transportbereich wurde ein Plus von 0,2 Prozent gemeldet. Bei den Auftragseingängen außerhalb des Rüstungsbereichs ergab sich eine Zunahme um 2,3 Prozent.
Die Bestellungen für zivile Investitionsgüter ohne Flugzeuge, die als wichtige Messgröße für die Unternehmensausgaben gelten, kletterten um 0,2 Prozent.
In die Kategorie langlebige Wirtschaftsgüter fallen Produkte, die eine Lebensdauer von mindestens drei Jahren haben.
MENA-Watch (24.4.2024)
Die versteckte Krise zwischen Jordanien und dem Iran
Am 14. April schossen die jordanischen Behörden iranische Drohnen und Raketen ab, die durch ihren Luftraum in Richtung Israel flogen. Dies hat auch die Krise zwischen Amman und Teheran offenbar werden lassen, die sich hinter den Kulissen abspielt.
Die israelische Zeitung Haaretz berichtete vergangenen Woche über die Rolle Jordaniens bei der Abwehr des iranischen Angriffs mit mehr als dreihundert Drohnen und Raketen in der Nacht zum 14. April und erklärte, der arabische Staat habe zum ersten Mal seine Luftabwehr aktiviert und eine aktive Rolle beim Abfangen iranischer Drohnen und Raketen gespielt.
Der stellvertretende jordanische Ministerpräsident und Außenminister Ayman Al-Safadi bestätigte am 14. April, dass die jordanische Politik unverändert darin bestehe, jede in den jordanischen Luftraum eindringende Drohne oder Rakete zu bekämpfen, um so zu verhindern, dass sie im Land Schaden anrichtet und eine Bedrohung für die Jordanier darstellt. Al-Safadi hielt fest: »Raketen und Drohnen über Jordanien sind von uns bekämpft worden. Es ist etablierte Politik, dass wir gegen alles vorgehen, das Jordanien bedroht, denn unsere Priorität ist es, Jordanien, das Leben und die Ressourcen der Jordanier sowie die Sicherheit und Stabilität des Landes zu schützen.«
Der Premier fügte hinzu, dass es die Einschätzung gebe, wonach eine reale Gefahr des Abfeuerns von Drohnen oder Raketen auf Jordanien bestehe und die jordanischen Streitkräfte mit dieser Gefahr entsprechend umgingen. Al-Safadifügte hinzu , dass es sich hierbei um eine prinzipielle Position des Landes handele und »dass wir diese Maßnahmen sowohl in der Vergangenheit ergriffen hätten als auch in Zukunft ergreifen würden, unabhängig davon, ob die Quelle der Bedrohung Israel, der Iran oder wer auch immer sei«.
Die offizielle iranische Agentur Fars zitierte eine Quelle mit den Worten, Teheran beobachte Jordanien sehr genau, da es »im Falle einer falschen Bewegung das nächste Ziel« sein könnte: »Die iranischen Streitkräfte beobachten sorgfältig die Bewegungen Jordaniens, und wenn Jordanien an möglichen Aktionen teilnimmt, wird es das nächste Ziel sein. … Vor den Operationen [dem iranischen Angriff auf Israel] wurden die notwendigen Warnungen an Jordanien und die Länder der Region geschickt«, so der Informant.
Botschafter vorgeladen
Der Professor für Politikwissenschaft an der Universität von Jordanien Muhammad Al-Qatashah sagte zu den Drohungen des Irans, er glaube, dass es sich bei den Drohungen des Iran um »verbale Feuerwerkskörper handelt. Wenn sie uns eine Botschaft senden, werden wir ihnen eine noch stärkere Botschaft senden, und ich denke, dass der Staat mit all seinen militärischen und sicherheitspolitischen Ebenen eine starke Antwort geben muss, wenn es ein zweites Eindringen des Irans in unseren Sicherheitsberiech gibt.«
Die Drohung aus Teheran veranlasste das jordanische Außenministerium, den iranischen Botschafter nach Amman vorzuladen und sein Land aufzufordern, die jordanischen Positionen »nicht länger zu beleidigen und in Frage zu stellen«. »Es ist kein Geheimnis, dass es noch offene Fragen zwischen dem Iran und uns gibt, und wir haben klar gesagt, dass wir keine Eskalation mit dem Iran wollen. Wir wollen keine Spannungen mit dem Iran. Wir wollen gute Beziehungen mit dem Iran auf der Grundlage des Prinzips der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und des Respekts für andere«, hielt das Ministerbüro fest.
Premier und Außenminister Al-Safadi erklärte etwas expliziter, der iranische Außenminister und er hätten sich »mehr als einmal getroffen, und unser Dialog war offen. Wir wollen gute Beziehungen, aber um sie zu erreichen, müssen wir die Ursachen [der Spannungen] beseitigen, und einige dieser Ursachen stehen im Zusammenhang mit Praktiken, die auf Jordanien abzielen, sei es durch den Drogen- und Waffenschmuggel von Syrien nach Jordanien durch Gruppen, die auf die eine oder andere Weise mit dem Iran verbunden sind, sei es durch Cyberangriffe auf unsere Institutionen im Königreich Jordanien oder andere Bedrohungen.«
Al-Safadis Äußerungen spiegeln die Spannungen zwischen den beiden Ländern wider, die auf die Ereignisse der letzten Monate zurückzuführen sind. Jordanische Quellen bestätigten gegenüber der saudischen Zeitung Asharq Al-Awsat, dass Jordanien in den letzten Monaten »sensible Informationen über anhaltende iranische Bestrebungenerhalten habe, die auf die Sicherheit im Königreich abzielen«, und dass das Land in der Lage war, diese Versuche zu vereiteln und geheim zu halten, um nicht noch weitere Spannungen und Skepsis in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu verursachen.
Iranische Unruhestiftung
Den Quellen zufolge sollten die Anschläge gegen Jordanien durch iranische Milizen und die libanesische Hisbollah durchgeführt werden, die entlang der 370 Kilometer langen jordanisch-syrischen Grenze im Waffen- und Drogenhandel aktiv sind. Laut ihnen ist sich »Jordanien bewusst, dass Teheran beabsichtigt, Unruheherde zu schüren, die es nutzt, um seine Gegner in der Region zu unterminieren«. Die saudische Zeitung zitierte auch eine jordanische politische Quelle mit den Worten: »Der Iran will die jordanische Sicherheit destabilisieren und sucht nach einem Stützpunkt, von dem aus er das Königreich destabilisieren kann.«
Bereits Anfang April veröffentlichte Asharq Al-Awsat einen Bericht über die Bemühungen mit dem Iran verbündeter irakischer Milizen, seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres Infiltrationsoperationen über die jordanische Grenze durchzuführen. Die jordanische Armee hat jedoch viele dieser Versuche vereitelt.
Der wachsende Einfluss der vom Iran unterstützten Milizen im Irak und in Syrien und ihre Verwicklung in den Drogen- und Waffenschmuggel nach und durch Jordanien veranlassten den jordanischen König Abdullah II. im vergangenen Juli zu der Ankündigung, dass sein Land »systematischen Angriffen an seinen Grenzen« durch diese Gruppen ausgesetzt sei.
Laut Bloomberg befürchten viele derzeitige und ehemalige jordanische Beamte, dass der Iran und seine Verbündeten, einschließlich der Hamas, den Krieg in Gaza nutzen wollen, um »Jordanien zu destabilisieren und ihre Ziele voranzutreiben«.
COMMENT: Wie hieß es jüngst in einem COMMENT zum gleichen Thema: es geht nicht um den Hass auf Israel, sondern um geopolitische Interessen des Iran. Dieser ist bestrebt, die Achse Iran-Irak-Jordanien-Libanon~Hisbollah/Syrien/Israel~Gaza~Hamas zu festigen und auszubauen. Das ist keine neue, sondern eine seit längerem sich entrollende Entwicklung. Schlussstein iranischer Geopolitik ist Israel: das muss beseitigt werden.
DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
GfK misst geringeren Minuswert: Konsumklima steigt zum dritten Mal in Folge – Kontrapunkt: Sparneigung nimmt zu
Von Andreas Plecko
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Verbraucherstimmung in Deutschland hat ihre Erholung fortgesetzt und ein Zweijahreshoch erreicht. Die Konsumforscher von GfK und NIM ermittelten für ihren Indikator für Mai einen Anstieg um 3,1 Punkte auf minus 24,2 Zähler. Das Konsumklima verbessert sich damit zum dritten Mal in Folge. Von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen hatten nur einen Anstieg auf minus 26,0 Zähler erwartet.
Die Sparneigung verhinderte einen kräftigeren Anstieg des Konsumklimas, denn die Verbraucher tendieren wieder etwas mehr dazu, zu sparen – was sich in der leicht steigenden Sparneigung widerspiegelte. Diese gewann 2,5 Punkte hinzu und weist mit 14,9 Zählern weiter ein überaus hohes Niveau auf. Vor zwölf Monaten lag der Sparindikator noch bei 1,8 Punkten. Dies ist ein Plus von mehr als 13 Punkten.
„Der im Vergleich zu den beiden Vormonaten stärkere Anstieg des Konsumklimas ist vor allem auf die spürbare Zunahme der Einkommenserwartungen zurückzuführen“, erklärte Rolf Bürkl, Konsumexperte beim NIM. „Aus unseren Analysen wissen wir, dass sich die Einkommenserwartungen vor allem an der realen Einkommensentwicklung orientieren. Und hier sind die Signale durchaus positiv. Lohn- und Gehaltszuwächse in Verbindung mit einer zuletzt rückläufigen Inflationsrate bilden die Basis für eine steigende Kaufkraft bei den privaten Haushalten.“
Allerdings herrsche nach wie vor unter den Konsumenten in Zeiten multipler Krisen und fehlender Zuversicht in die weitere wirtschaftliche Entwicklung eine starke Verunsicherung, auch weil eine klare und nachvollziehbare Perspektive zur weiteren Entwicklung des Landes in ihren Augen nicht erkennbar sei.
Die derzeit schlechte Stimmung liege „wie ein Schleier über den Fakten“. Folglich blieben kräftige Impulse für die Binnennachfrage nach wie vor aus.
Ifo-Exporterwartungen sinken im April
MÜNCHEN (Dow Jones)–Die Ifo-Exporterwartungen sind im April auf minus 2,0 Punkte von minus 1,2 im März gesunken. „Die Stimmung ist etwas gedämpft“, sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. „Der Exportwirtschaft fehlt im Moment der Schwung. Die vielen guten Wachstumsaussichten in der Weltwirtschaft schlagen sich noch nicht in zusätzlichen Aufträgen nieder.“
Einen deutlichen Zuwachs beim Exportgeschäft aber erwarten die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten. Ähnliches gilt auch für die Möbelhersteller sowie in der Produktion von Glas und Keramik.
Einen merklichen Dämpfer musste die Nahrungsmittelbranche verkraften, wo die optimistischen Erwartungen aus dem Vormonat nicht gehalten werden konnten. Gleiches gilt auch im Autosektor.
Im Maschinenbau zeichnet sich eine konstante Entwicklung des Exportgeschäfts ab. Mit einem Exportrückgang rechnen die Textilwirtschaft, die Drucker sowie die Metallerzeuger und -bearbeiter.
Ifo-Geschäftsklima steigt im April zum dritten Mal in Folge
Von Andreas Plecko
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Stimmung in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im April spürbar aufgehellt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg stärker als erwartet auf 89,4 (Vormonat revidiert: 87,9) Punkte, wie das Münchner Ifo Institut nach seiner monatlichen Umfrage unter rund 9.000 Managern mitteilte. Das ist der dritte Anstieg in Folge. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten nur eine Steigerung auf 88,8 Punkte erwartet.
„Die Unternehmen waren zufriedener mit den laufenden Geschäften“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Auch die Erwartungen hellten sich auf. Die Konjunktur stabilisiert sich, vor allem durch die Dienstleister.“ Der Ifo-Index ist das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer und gilt als zuverlässiger Indikator für die Entwicklung der nächsten sechs Monate.
Der Index zur Beurteilung der aktuellen Lage der befragten Unternehmen stieg im April auf 88,9 (88,1) Punkte. Die befragten Ökonomen hatten einen Anstieg auf 88,6 Punkte erwartet. Der Index für die Geschäftserwartungen fiel auf 89,9 (revidiert 87,7) Zähler. Die befragten Volkswirte hatten einen Anstieg auf 88,9 Punkte erwartet.
Im verarbeitenden Gewerbe ist der Index gestiegen. Dies war auf deutlich weniger pessimistische Erwartungen zurückzuführen. Die aktuelle Lage beurteilten die Firmen hingegen schlechter. Der Auftragsbestand ging weiter zurück. Produktionssteigerungen sind nicht in Sicht.
Im Dienstleistungssektor hat sich das Geschäftsklima merklich aufgehellt. Insbesondere die aktuelle Lage hat sich verbessert. Die Erwartungen blieben nahezu unverändert. Die Unternehmen bleiben skeptisch für die kommenden Monate.
Auch im Handel ist der Index gestiegen. Die Geschäftserwartungen verbesserten sich deutlich, bleiben allerdings insgesamt pessimistisch. Mit den laufenden Geschäften zeigten sich die Händler etwas weniger zufrieden. Dies ist vor allem auf die Großhändler zurückzuführen, während sich die Lage im Einzelhandel spürbar verbessert hat.
Im Bauhauptgewerbe hat sich das Geschäftsklima das dritte Mal in Folge verbessert. Das lag an merklich weniger pessimistischen Erwartungen. Die aktuelle Lage wurde etwas schlechter beurteilt. Viele Firmen klagen über Auftragsmangel.
Bundesregierung erhöht Wachstumsprognose 2024 auf 0,3 Prozent
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)–Die Bundesregierung erwartet eine allmähliche Erholung der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr und hat ihre Wachstumsprognose leicht angehoben. Allerdings zeigte sie sich wegen der strukturellen Probleme in Deutschland besorgt. Die Bundesregierung erwartet in ihrer neuen Prognose für 2024 einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,3 Prozent und damit etwas mehr als das im Februar erwartete Plus von 0,2 Prozent. Für das kommende Jahr geht die Bundesregierung weiterhin von einem Wachstum von 1,0 Prozent aus. Im vergangenen Jahr war das deutsche BIP um 0,3 Prozent geschrumpft. Laut Regierung dürften im weiteren Jahresverlauf vor allem vom privaten Verbrauch wesentliche Wachstumsimpulse für die deutsche Wirtschaft ausgehen.
Die Regierung geht in ihrer Frühjahrsprojektion davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft im Jahresverlauf 2024 aufgrund niedrigerer Inflationsraten, geldpolitischer Lockerungen, steigender Löhne und Einkommen, einer anhaltend stabilen Arbeitsmarktentwicklung sowie zunehmender Impulse von der Außenwirtschaft allmählich erholt und wieder an Dynamik gewinnt. So seien etwa die Preise für Strom und Gas nach den Energiepreisschocks schneller zurückgegangen als von vielen vorhergesagt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, dass sich die Wirtschaft im Verlauf des Jahres langsam aus der Schwächephase herausbewegen werde. Dennoch zeigte er sich besorgt. „Trotz dieser Hoffnungssignale machen mir die strukturellen Probleme des Standorts weiterhin Sorge. Die Prognosen für das Produktivitäts- und Potentialwachstum fallen sehr niedrig aus. Wenn wir mittel- und langfristig wieder höheres Wachstum erreichen wollen, brauchen wir daher strukturelle Veränderungen“, sagte er in einer Pressemitteilung.
Deutschland müsse neue wirtschaftliche Dynamik ermöglichen, Innovationen stärken, unnötige Bürokratie abbauen und den Arbeitskräftemangel entschlossen angehen. Dazu gehören dem Minister zufolge etwa Arbeitsanreize, damit mehr Menschen freiwillig mehr und länger arbeiten. Außerdem müssten Bemühungen fortgesetzt werden, bürokratische Hemmnisse zu beseitigen.
Anstieg beim privaten Konsum sowie Rückgänge bei Exporten und Importen
In ihrer Projektion geht die Regierung davon aus, dass der private Konsum in diesem Jahr real um 0,9 und im kommenden Jahr um 1,0% Prozent steigt. Die Inflationsrate wird laut Prognose von 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,4 Prozent in 2024 und dann auf 1,8 Prozent in 2025 zurückgehen. Damit werde die Inflationsrate in Deutschland im kommenden Jahr wieder unter die Zielmarke der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent liegen, so das Wirtschaftsministerium.
Der Arbeitsmarkt ist laut Regierung trotz der wirtschaftlichen Schwächephase von Engpässen an Fachkräften geprägt. Im Zuge der schrittweisen Belebung dürfte sich der Beschäftigungsaufbau wieder etwas deutlicher fortsetzen und auch die Arbeitslosigkeit allmählich zurückgehen.
Die Exporte werden der Prognose zufolge in diesem Jahr in der Exportnation Deutschland erneut zurückgehen. Nach einem Minus von 2,2 Prozent im vergangen Jahr werden die Export in 2024 real um 0,6 Prozent fallen, aber im kommenden Jahr um 3,1 Prozent zulegen. Importe werden den Erwartungen zufolge nach dem Minus von 3,4 Prozent in 2023 in diesem Jahr um 0,6 Prozent fallen und 2025 um 3,6 Prozent steigen.
IWF und Institute für 2024 etwas pessimistischer
Mit ihren Konjunkturerwartungen für dieses Jahr ist die Bundesregierung minimal optimistischer als der Internationale Währungsfonds (IWF). Dieser hatte Mitte April ein Wachstum des deutschen BIP um 0,2 Prozent für dieses Jahr vorhergesagt, das schwächste Wachstum der sieben führenden westlichen Industrienationen. Für 2025 erwartet der IWF aber ein deutsches Wachstum von 1,3 Prozent für 2025.
Die führenden Institute hatten Ende März für Deutschland ein mageres Wachstum von nur 0,1 Prozent für dieses Jahr, aber von 1,4 Prozent für 2025 vorhergesagt.
Die Konjunkturprognosen der Bundesregierung sind für die Steuerschätzungen wichtig, die Experten im Mai erstellen.
Diese sind Grundlage für die anstehenden Haushaltsverhandlungen, die sich angesichts des Milliardenlochs in Höhe von 20 bis 30 Milliarden Euro als schwierig erweisen. Eine bessere Konjunktur resultiert üblicherweise in höhere Steuereinnahmen als zuvor geplant. Damit könnte sich ein etwas größerer finanzieller Spielraum für die Vorhaben der Ampel-Regierung ergeben.
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN
„336 000 Personen konnten sich 2023 Ausgaben des täglichen Lebens nicht leisten“
von Statistik Austria finden Sie als PDF auf unserer Website.
Leerstandsabgabe: Bundesrat besiegelt Verfassungsnovelle – Digitalisierungsagenden wandern vom Finanzministerium ins Bundeskanzleramt
Wien (PK) – Eine verfassungsrechtliche Kompetenzänderung soll den Ländern bei der Abgabe für leerstehende Wohnungen mehr Spielraum einräumen. Mit der mehrheitlich heute im Bundesrat besiegelten Verfassungsnovelle wird daher „die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung“ von Wohnungen in die Zuständigkeit der Länder übertragen. Auch eine ergänzende Änderung des Finanzausgleichsgesetzes hat die Länderkammer mit Mehrheit befürwortet. Ein in der Sitzung eingebrachter Entschließungsantrag, mit dem die SPÖ „einen echten und sofortigen Teuerungstopp für die eigenen vier Wände und mehr Gerechtigkeit im österreichischen Steuersystem“ fordert, blieb in der Minderheit und wurde abgelehnt.
Darüber hinaus haben die Bundesrät:innen auch für eine Verschiebung der Digitalisierungsagenden vom Finanzministerium ins Bundeskanzleramt mit Mehrheit grünes Licht gegeben. Damit kann Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm mit 1. Mai die Zuständigkeit für diesen Bereich übernehmen.
Im Zusammenhang mit den am Beginn der Tagesordnung von Arthur Spanring (FPÖ/N) geforderten Ordnungsrufen für Korinna Schumann (SPÖ/W) und Marco Schreuder (Grüne/W) für beleidigende und die NS-Zeit verharmlosende Zwischenrufe in der letzten Bundesratssitzung gab Bundesratspräsidentin Margit Göll bekannt, dass das stenografische Protokoll geprüft worden sei. Es sei in keinem Fall eine Verharmlosung der NS-Zeit beabsichtigt gewesen. Sie bat dennoch insgesamt mit der Wortwahl sensibel und ein Vorbild zu sein.
Verfassungsnovelle zur Leerstandsabgabe umstritten
Bei der verabschiedeten Verfassungsnovelle zur Übertragung der Leerstandsabgabe in die Länderkompetenz geht es auch um Zweitwohnsitze. Außerdem stellt eine ergänzende Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes sicher, dass die Länder auch dann Leerstandsabgaben einheben dürfen, wenn der Bund ähnliche Steuern beschließt.
Aus Sicht von Klemens Kofler (FPÖ/N) stellt die Leerstandsabgabe allerdings einen bedenklichen Eingriff ins Eigentumsrecht dar. Es sei außerdem nur ein „kläglicher Versuch“, leistbares Wohnen zu ermöglichen. Definiert seien zudem weder, wie der Leerstand bemessen werde, noch, wer diesen kontrolliere. Markus Leinfellner (FPÖ/St) meinte, man sollte sich vielmehr über Remigration Gedanken machen, dann gebe es wieder Wohnungen genug. Außerdem treffe die Leerstandsabgabe auch jene, die aus unterschiedlichen Gründen gar nicht vermieten könnten. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) ortet bereits bei den bestehenden Zweitwohnsitzabgaben unterschiedliche Definitionen und Ausnahmen. Selbiges sei auch bei der Leerstandsabgabe zu befürchten. Aus seiner Sicht stelle die Vorlage insgesamt „keine legistische Meisterleistung“ dar, weil etwa auch Abgrenzungsprobleme aufgeworfen würden. Außerdem entspreche beispielsweise die Grundsteuer de facto bereits einer Leerstandsabgabe.
Aus Sicht von Sascha Obrecht (SPÖ/W) wiederum ist es ungenügend, dass die Kompetenz für eine Leerstandsabgabe auf die Länder abgeschoben werde. Insgesamt setze sich die Bundesregierung zu wenig in der Wohnpolitik ein, etwa gegen befristete Mietverträge, beim gemeinnützigen Wohnbau oder hinsichtlich eines Mietpreisstopps. Die Bilanz der Bundesregierung sei vielmehr eine Steuersenkung für Konzerne, kritisierte Obrecht.
Durch die vorliegende Kompetenzverschiebung hin zu den Ländern würden diese mehr Handlungsspielraum bei der Einhebung der Leerstandsabgabe erhalten, unterstrich Klara Neurauter (ÖVP/T). Die Verschiebung mache Sinn, weil unterschiedliche Regionen unterschiedliche Bedürfnisse hätten und es unterschiedliche Gründe für Leerstand gebe. Zudem würden damit kompetenzrechtliche Schwierigkeiten beseitigt. Insgesamt kurble die Bundesregierung mit ihrem Bau- und Wohnpaket die Wirtschaft an und sorge für leistbares Wohnen, so Neurauter.
Die nunmehrige Übertragung der Kompetenzen zur Leerstandsabgabe sieht Elisabeth Kittl (Grüne/W) als nächsten wohnungspolitischen Meilenstein nach der „Abschaffung der Maklergebühren“. Die Leerstandsabgabe mache Wohnen günstiger, zudem könne damit gegen spekulativen Leerstand vorgegangen werden. Den Gemeinden bringe sie Einnahmen, die diese wieder für leistbares Wohnen einsetzen könnten. Gestoppt werden könne mit der Nutzung der leerstehenden Wohnungen zudem die Bodenversiegelung, meinte Kittl.
Künftig können die Länder selbst eine Leerstandsabgabe einheben, hielt auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler fest. Mit dem Wohn- und Baupaket der Bundesregierung werde insgesamt die Konjunktur angekurbelt, leistbares Wohnen geschaffen und dem Klimaschutz Rechnung getragen.
Grünes Licht für Novellierung des Bundesministeriengesetzes
Bei der Novellierung des Bundesministeriengesetzes ist neben der Übertragung der Digitalisierungsagenden ins Bundeskanzleramt neu, dass die jeweiligen Regierungsmitglieder künftig im Bundesgesetzblatt verlautbaren müssen, ab welchem Zeitpunkt ein ihnen zugeordneter Staatssekretär bzw. eine ihnen zugeordnete Staatssekretärin mit welchem Aufgabenbereich betraut wurde.
Christoph Steiner (FPÖ/T) kritisierte, dass noch nie eine Bundesregierung in Österreich so oft das Ministeriengesetz geändert habe wie diese. Er rechnete außerdem vor, dass es bisher bereits 17 Regierungsumbildungen seit 2020 gegeben habe. Matthias Zauner (ÖVP/N) wiederum erörterte, dass der Punkt zur Transparenz der Aufgaben der Staatssekretär:innen durch ursprüngliche Initiativen der Bundesräte Sascha Obrecht (SPÖ/W) und Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) zustande gekommen sei. Er werte es als gutes Zeichen, wenn ein Anstoß aus dem Bundesrat aufgenommen werde und auch, dass ein Oppositionsanliegen zu einem gemeinsamen Antrag geführt habe. Zur Kompetenzverschiebung betonte er, dass es zu keinem zusätzlichen organisatorischen Aufwand kommen werde. Die Aufgaben seien bei Staatssekretärin Plakolm gut aufgehoben, zeigte er sich überzeugt.
Auch Sascha Obrecht (SPÖ/W) und Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) wiesen zum Punkt der Transparenz betreffend Staatssekretär:innen auf ihre Anträge dazu hin, zumal erfreulich sei, dass der Vorschlag aufgenommen worden sei. Formal sei dann zwar ein Allparteienantrag ausgearbeitet worden, so Arlamovsky. Es freue ihn aber, dass Transparenz und Rechtsstaatlichkeit damit verstärkt werden.
Marco Schreuder (Grüne/W) dankte seinen beiden Vorrednern für die Initiative und bezeichnete es als absolut sinnvoll, dass die Betrauung der Staatssekretär:innen verlautbart werden soll. Dass Plakolm jetzt die Aufgaben vom vorherigen Staatssekretär Florian Tursky übernehme, sehe er als eine sehr pragmatische Lösung. Grundsätzlich habe sich ein Staatssekretariat für Digitalisierung als Querschnittsmaterie sehr bewährt. (Fortsetzung Bundesrat) mbu
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
Forschungsausgaben steigen um knapp sieben Prozent auf 16,6 Mrd. Euro
In Österreich werden 2024 laut der Schätzung der Statistik Austria für Forschung und Entwicklung (F&E) voraussichtlich 16,6 Mrd. Euro aufgewendet. Das entspricht einem Plus von knapp 7 Prozent gegenüber 2023. Die sogenannte Forschungsquote – der Anteil der F&E-Aufwendungen am nominellen Bruttoinlandsprodukt (BIP) – wird den Angaben zufolge heuer 3,34 Prozent betragen. Die Forschungsausgaben präsentierten sich zuletzt stabiler als das BIP, so die Statistiker.
Mit der voraussichtlichen F&E-Quote für heuer erfüllt Österreich als eines von wenigen Ländern erneut das europäische Ziel einer Forschungsquote von drei Prozent. Das einstige Ziel, diesen Wert bis zum Jahr 2020 auf 3,76 Prozent des BIP zu steigern, wurde trotz eines gewissen durch die Pandemie, den Ukrainekrieg und die zuletzt hohe Inflation bedingten Auf und Ab des BIP auch in den vergangenen Jahren nie erreicht. Für das Jahr 2023 weist die aktuelle Schätzung eine Quote von 3,26 Prozent (bei Forschungsausgaben von rund 15,6 Mrd. Euro) aus – der gleiche Wert wie auch 2021. Im Jahr 2022 lag die F&E-Quote mit 3,18 Prozent etwas darunter: „Der Rückgang der Forschungsquote von 2021 auf 2022 ist durch den hohen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts zu erklären, der dem pandemiebedingten Einbruch von 2020 auf 2021 folgte“, erklärte die Statistik Austria am Mittwoch in einer Aussendung.
Im aktuellen, von der EU-Kommission publizierten European Innovation Scoreboard 2023 (EIS) findet sich Österreich hinter Dänemark, Schweden, Finnland, Belgien und den Niederlanden auf Platz sechs.
Damit wurde zwar erneut der lange angestrebte Platz in der Gruppe der führenden Innovationsländer, der „Innovation Leaders“ verpasst, man führt jedoch die Gruppe der „Strong Innovators“ an. In der Forschungsstrategie der Bundesregierung ist das Ziel ausgegeben, im EIS auf Rang fünf vorzustoßen.
Betrachtet man den europäischen Vergleich in Bezug auf die Forschungsquote – die aktuellsten vergleichbaren Zahlen liegen für 2022 vor – liegt Österreich auf Rang drei. Davor rangieren Belgien (3,43 Prozent) und Schweden (3,40 Prozent).
Betrachtet man die verschiedenen Quellen, aus denen die für F&E aufgewendeten Mittel stammen, dann sei es – wie auch in den Jahren davor – der Unternehmensbereich, der den höchsten Anteil verantwortet: So werden heuer aller Voraussicht nach 51 Prozent bzw. 8,4 Mrd. Euro aus diesem Sektor heraus investiert. „Die F&E-Finanzierung der Unternehmen beinhaltet auch die Ausschüttungen der Forschungsprämie, die für 2024 vom Bundesministerium für Finanzen mit 1,0 Mrd. Euro veranschlagt werden“, heißt es. Insgesamt 2,6 Mrd. Euro fließen von ausländischen Unternehmen, hauptsächlich über Tochterfirmen, die hierzulande Forschung betreiben, in das österreichische Innovationssystem. „Innerhalb des Unternehmenssektors dominieren weiterhin mittelhochtechnologische Branchen, zugleich steigt der Anteil der Hochtechnologie“, heißt es dazu in einer Aussendung des Wirtschaftsministeriums.
Die öffentliche Hand wird 2024 den Schätzungen zufolge für 34 Prozent der F&E-Finanzierung verantwortlich zeichnen. Mit Aufwendungen in der Höhe von 5,6 Mrd. Euro würde der Staat sein finanzielles Engagement um zehn Prozent im Vergleich zu 2023 steigern. Während der Bund den Löwenanteil von 4,6 Mrd. Euro stemmt, kommen von den Bundesländern rund 700 Millionen.
Die neue Globalschätzung zeigt für Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), „dass Österreich seinen Wachstumstrend bei den F&E-Ausgaben fortsetzen kann“. So lag die F&E-Quote im Jahr 2004 noch bei 2,17 Prozent des BIP. Mit der nunmehrigen 3,34-Prozent-Prognose habe man „international gesehen eine sehr hohe Forschungsquote“, heißt es seitens Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), die in einer Aussendung das Ziel formulierte, dass Österreich mit seiner Forschungsquote von aktuell Rang acht (Stand: 2022) weltweit „unter die Top 5“ vorstoßen möchte.
Die Erhöhung der Quote unterstreiche „das klare Bekenntnis seitens der Bundesregierung zu einem starken und international wettbewerbsfähigen Forschungsstandort Österreich“, so Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP). Angesichts des Platzes im „europäischen Spitzenfeld“ mahnte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, aber ein, „dass Österreich sich nicht auf diesen Lorbeeren“ ausruhen dürfe. Ähnlich die Forschungsförderungsgesellschaft FFG: Das aktuell hohe Niveau allein reiche nicht aus, „um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu sichern“. Österreichs Unternehmen und Forschungseinrichtungen hätten „noch mehr Potenzial“.
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MEDIZIN
Malaria-Impfungen haben sich in drei afrikanischen Ländern bewährt
Kintampo – Der Malariaimpfstoff „RTS,S“ wird seit dem Jahr 2019 in Ghana, Kenia und Malawi in groß angelegten Pilotprojekten eingeführt. Eine Forschungsgruppe berichtet in der Fachzeitschrift Lancet über die Durchführbarkeit, Auswirkungen und das Sicherheitsprofil der Impfungen (2024, DOI: 10.1016/S0140-6736(24)00004-7 ).
„Unser Ziel war es, Fragen zur Durchführbarkeit und zu den Auswirkungen zu klären und Sicherheitssignale zu bewerten, die in der Phase-3-Studie beobachtet worden waren, darunter ein Übermaß an Meningitis- und zerebralen Malariafällen bei RTS,S-Empfängern und die Möglichkeit von vermehrten Todesfällen bei Mädchen, die RTS,S erhielten“, berichtet das Forschungsteam.
In die prospektive Evaluierung wurden 158 geografische Gruppen einbezogen – 66 Bezirke in Ghana, 46 Unterbezirke in Kenia und 46 Gruppen in Malawi. Das Impfschema sah drei Dosen im Alter von fünf Monaten bis neun Monaten und eine vierte Dosis im Alter von etwa zwei Jahren vor.
Primäre Ergebnisse der auf vier Jahre angelegten Evaluierung waren die Sterblichkeit aus allen Ursachen außer Verletzungen, Krankenhauseinweisungen mit schwerer Malaria, Krankenhauseinweisungen mit Meningitis oder zerebraler Malaria, Todesfälle bei Mädchen im Vergleich zu Jungen und die Durchimpfungsrate.
Bis zum 30. April 2021 – also nach zwei Jahren Laufzeit und vor der vierten Impfung – hatten 652.673 Kinder mindestens eine Dosis RTS,S erhalten und 494.745 Kinder hatten drei Dosen erhalten. Die Durchimpfungsrate für die erste Dosis lag in Ghana bei 76 %, in Kenia bei 79 % und in Malawi bei 73 %. Die Durchimpfungsrate für die dritte Dosis betrug 66 % in Ghana, 62 % in Kenia und 62 % in Malawi.
Bei den Kindern, die mindestens eine Dosis RTS,S erhalten hatten, gab es in den Durchführungsgebieten im Vergleich zu den Vergleichsgebieten keine Anzeichen für einen Anstieg der Fälle von Meningitis oder zerebraler Malaria.
Die Auswirkungen der Einführung von RTS,S auf die Sterblichkeit waren bei Mädchen und Jungen ähnlich: Bei den Kindern, die für drei Impfstoffdosen in Frage kamen, war die Einführung von RTS,S mit einer 32-prozentigen Verringerung der Krankenhauseinweisungen mit schwerer Malaria und einer 9-prozentigen Verringerung der Gesamtmortalität (ohne Verletzungen) verbunden.
„In den ersten zwei Jahren der Einführung von RTS,S wurden die drei Primärdosen im Rahmen der nationalen Immunisierungsprogramme wirksam eingesetzt. Es gab keine Anzeichen für Sicherheitssignale, die in der Phase-3-Studie beobachtet worden waren, und die Einführung des Impfstoffs war mit einem erheblichen Rückgang der Krankenhauseinweisungen wegen schwerer Malaria verbunden“, zieht die Arbeitsgruppe ein Fazit.
Die Bewertung werde fortgesetzt, um die Auswirkungen von vier Dosen RTS,S zu beurteilen, so das Forschungsteam. © hil/aerzteblatt.de
Problematischer Cannabiskonsum hat zugenommen
Hamm – Experten der Suchthilfe beobachten eine Zunahme des problematischen Cannabiskonsums in den vergangenen Jahrzehnten und fordern angesichts einer teilweisen Legalisierung des Kiffens eine Stärkung der Prävention.
Wie aus dem heute veröffentlichten Jahrbuch Sucht der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm hervorgeht, zeigt sich in den vergangenen drei Jahrzehnten insgesamt ein steigender Trend im Konsum der Droge.
Auch habe sich der Anteil der Menschen, die sich aufgrund von Problemen mit Cannabisgebrauch an die ambulante Suchthilfe gewandt haben, seit der Jahrtausendwende fast verdreifacht. Im stationären Bereich registrierten die Experten eine Verzehnfachung.
Damit seien Störungen nach Cannabiskonsum der zweithäufigste Anlass, ein Suchthilfeangebot aufzusuchen – nach Alkoholproblemen. Seit 2013 registrierten die ambulanten Suchthilfestellen in Deutschland jährlich mehr als 25.000 solcher Fälle bei Cannabis. 2001 hatte die Gesamtzahl noch bei 3.700 gelegen.
Insgesamt hat die Zahl der Kiffer in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen: Laut dem Bericht gab 2021 jeder Zehnte der 18- bis 59-Jährigen an, in den vergangenen 12 Monaten Cannabis konsumiert zu haben – 2012 waren es noch fünf Prozent.
Männer konsumierten dabei etwas häufiger als Frauen und stuften ihren Konsum häufiger als problematisch ein. Das bedeutet den Experten zufolge, dass sie Schwierigkeiten haben, den Konsum zu kontrollieren oder bereits psychosoziale Folgen bemerken.
Seit dem 1. April ist in Deutschland der Besitz, private Anbau und Konsum bestimmter Mengen Cannabis für Erwachsene erlaubt. Ab Juni sollen Anbauvereine staatlich kontrolliert unter strengen Auflagen Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung fordert die DHS eine auskömmliche Finanzierung von Beratungs- und Schutzmaßnahmen.
Durch die neue Gesetzgebung stehe für die Konsumenten nun „ein besseres, weniger gesundheitsgefährdendes Produkt“ zur Verfügung, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch im Plenum des Bundestages während einer Regierungsbefragung.
Gleichzeitig räumte er ein, in der Übergangsphase könne es möglicherweise Umsetzungsschwierigkeiten geben. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, seiner Auffassung nach sei die Ernte auch dann legal, wenn jemand seine Cannabis-Pflanze schon vor der Gesetzesänderung besessen habe. „Wenn ich jetzt ernte, dann ist es ja jetzt legal“, erklärte Lauterbach.
Es gebe zwar „gute Angebote zur Prävention des problematischen Cannabiskonsums“, sagte Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Es sei jedoch dringend erforderlich, diese „deutlich auszubauen und weiterzuentwickeln“. Aktuell beobachte man stattdessen vielerorts sogar Kürzungen. „Insbesondere vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung darf bei der Finanzierung der Suchtberatung nicht gespart werden“, betonte er.
Die DHS ist die Dachorganisation der deutschen Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe. Im jährlich erscheinenden Jahrbuch bündeln Experten Zahlen und aktuelle Studien zu sucht- und drogenbezogenen Themen.
Auch auf die weitverbreiteten Suchtmittel Tabak und Alkohol geht der Bericht ein: Den Experten zufolge raucht etwa ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland – Tendenz fallend. So erreichte 2023 der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch an Zigaretten mit 764 Stück den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. Immer weniger Jugendliche greifen demnach zur Zigarette. Allerdings weisen Studien auf einen Anstieg bei der Nutzung von E-Zigaretten hin.
Außerdem bleibe Deutschland ein Alkoholhochkonsumland, schreiben die Experten. Zwar waren der Bier-, Schaumwein- und Schnapskonsum in den vergangenen zwei Jahrzehnten leicht rückläufig. Deutschland liege mit einem Verbrauch von mehr als zehn Litern Reinalkohol bei Menschen älter als 15 aber weiter zwei Liter über dem durchschnittlichen Konsum der Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). © dpa/aerzteblatt.de
Zunehmender Crackkonsum in Großstädten
Berlin – Drogenhilfeeinrichtungen und Drogenkonsumräume sehen sich mit einer zunehmenden Zahl an Crackkonsumierenden konfrontiert, auf deren Besonderheiten sie reagieren müssen.
„Die Folgen von Crackkonsum sind gravierend. Die Menschen verelenden und verwahrlosen erkennbar. Aufgrund des fehlenden Hunger- und Durstgefühls bei Dauerkonsum sind sie auch in einem sehr schlechten Ernährungszustand“, sagte Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen, bei einem Besuch eines Drogenkonsumraums von Fixpunkt in Berlin-Neukölln.
Die Deutsche Aidshilfe hat deshalb in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Drogenkonsumräume in Deutschland Empfehlungen zum Umgang mit Crackkonsumierenden „aus der Praxis für die Praxis“ erarbeitet.
Darin zu finden sind niedrigschwellige Maßnahmen für die Suchthilfe. Die Handreichung enthält sowohl Empfehlungen für die Infektionsprophylaxe als auch für Tagesruhebetten und Ernährung.
„Wir haben ein ernsthaftes Crackproblem in vielen Großstädten – darum müssen wir uns kümmern“, erklärte der Drogenbeauftragte. Crack sei seit den 1990er-Jahren auf dem deutschen Drogenmarkt bekannt – lange Zeit aber vor allem lokal begrenzt auf Städte wie zum Beispiel Frankfurt am Main.
Inzwischen nehme der Crackkonsum aber auch in Städten in Nordrhein-Westfahlen wie Köln und im Ruhrgebiet zu sowie in Hamburg und Berlin. Für Europa sprach Blienert von einer Verdreifachung der Zahlen seit 2016.
Crack wird aus Kokain und Natron hergestellt. Die Droge wird in kleinen Pfeifen geraucht und wirkt in Sekundenschnelle. Crack greift massiv in die Hirnchemie ein und gilt daher neben beispielsweise Methamphetamin, Heroin und Fentanyl als die Droge mit dem höchsten psychischen Abhängigkeitspotenzial.
„Crackkonsumierende nehmen die Droge über Stunden und Tage, ohne dass ein Sättigungsgefühl eintritt und ohne Schlaf, bis sie irgendwo meist im öffentlichen Raum einschlafen“, berichtete Dirk Schäffer von der Deutschen Aidshilfe.
Aufgrund des Nahrungs-, Flüssigkeits- und Schlafmangels würden Crackabhängige in extrem kurzer Zeit stark abbauen. In der Handreichung wird Drogenhilfeeinrichtungen und Drogenkonsumräumen deshalb empfohlen, den Betroffenen hochkalorische Nahrung und Getränke anzubieten. Außerdem sollten sie möglichst Schlafgelegenheiten für einige Stunden vorhalten.
„Dauerhafter Crackkonsum führt häufig auch zu psychischen Auffälligkeiten wie verstärkter Reizbarkeit, Beeinträchtigung des Realitätsbezugs, aber auch zu Depressionen und Ängsten“, erläuterte Schäffer. Die Mitarbeitenden in der Suchthilfe müssten deshalb besser auf den Umgang mit den enormen psychischen Folgen des Crackkonsums vorbereitet werden.
Darüber hinaus sollten Drogenkonsumräume in Großstädten aller Bundesländer zur Verfügung stehen, forderte der Experte der Aidshilfe. „Niemandem gefällt es, dass Crack vor dem Hauptbahnhof oder auf dem Marktplatz geraucht wird, aber suchtkranke Menschen müssen sich irgendwo aufhalten dürfen.“ Durch Orte für den Konsum könnten die Konflikte und Belästigungen im öffentlichen Raum abnehmen.
Die Bundesregierung hat die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass die Bundesländer durch Verordnungen die Einrichtung von Drogenkonsumräumen ermöglichen können. Derzeit existieren Erlaubnisverordnungen für den Betrieb von Drogenkonsumräumen aber nur in Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Saarland.
Astrid Leicht, Geschäftsführerin des Fixpunkt, Betreiber von drei Drogenkonsummobilen in Berlin, bezeichnete die Harm Reduction-Maßnahmen für Drogenkonsumierende in den Konsumräumen als „überlebenswichtig“. Sie wünscht sich darüber hinaus bessere und vielfältigere Zugänge zur Suchtmedizin und -therapie für die Betroffenen. © PB/aerzteblatt.de
Vorhofflimmern: Herzinsuffizienz häufiger als Schlaganfall
Aalborg/Dänemark – Einer von drei Menschen erkrankt im Verlauf des Lebens an einem Vorhofflimmern. Von diesen Patienten erleidet jeder Fünfte einen Schlaganfall. Noch häufiger kam es in einer bevölkerungsweiten Kohortenstudie in Dänemark im britischen Ärzteblatt (BMJ 2024; DOI: 10.1136/bmj-2023-077209 ) zu einer chronischen Herzinsuffizienz.
Das Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Sie wurde lange unterschätzt, da für die Patienten, anders als bei ventrikulären Arrhythmien, keine unmittelbare Lebensgefahr besteht. In den vergangenen Jahrzehnten wurde jedoch erkannt, dass das Vorhofflimmern das Risiko auf einen Schlaganfall deutlich erhöht. Denn in dem nicht kontrahierenden Vorhof können sich Blutgerinnsel bilden, die als Embolus über die Halsschlagader ins Gehirn abdriften, wo sie einen unter Umständen tödlichen Schlaganfall auslösen.
Die vermehrte Aufmerksamkeit der Ärzte ist eine mögliche Erklärung für den Anstieg der Diagnosen, den Nicklas Vinter vom Danish Center for Health Services Research an der Universität Aalborg in Dänemark ermittelt hat. Das Team hat bei 3,5 Millionen Einwohnern, die im Alter von 45 Jahren noch nicht an einem Vorhofflimmern erkrankt waren, nach späteren Neuerkrankungen gesucht.
Vinter ermittelt eine kumulative Inzidenz des Vorhofflimmerns (bestimmt mit dem Aalen-Johansen Rechner) von 24,2 % im Zeitraum 2000-2010, die im Zeitraum 2011-2022 auf 30,9 % anstieg. Statt jedem vierten Erwachsenen erkrankt also mittlerweile jeder dritte Däne an einem Vorhofflimmern.
Die Studie war nicht darauf angelegt, die Ursache für den Anstieg zu ermitteln. Natürlich könnte die Zunahme von Adipositas, Typ-2-Diabetes und Dyslipidämien eine Rolle gespielt haben. Alle drei gehören zu den bekannten Risikofaktoren für ein Vorhofflimmern. Auch die Verbesserung der Überlebenschancen nach einem Herzinfarkt könnte einen Beitrag geleistet haben.
Das Vorhofflimmern gehört zu den Komplikationen eines Herzinfarkts. Wahrscheinlicher erscheint jedoch, dass die erhöhte Aufmerksamkeit der Ärzte in Verbindung einer Verbesserung der Technik (implantierbare Monitore) den Anstieg der Diagnosen erklärt.
Eine Frühdiagnose ist sinnvoll, da ein Vorhofflimmern auch bei einem asymptomatischen Patienten das Schlaganfallrisiko erhöht und eine Behandlung mit Antikoagulanzien (oder auch eine Elektrokardioversion) den Patienten davor schützen kann.
Tatsächlich ist das Lebenszeitrisiko auf einen Schlaganfall in den beiden Dekaden leicht von 22,4 % auf 19,9 % gesunken. Die Differenz von 2,5 %-Punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,7 bis 4,2 %-Punkte signifikant. Männer erlitten bei einem Vorhofflimmern etwas seltener einen Schlaganfall als Frauen (21 % versus 23 % über dem gesamtem Zeitraum).
Interessant ist, dass auch das Risiko auf eine chronische Herzinsuffizienz deutlich erhöht ist. In der ersten Dekade erkrankten 42,9 % der Patienten später an einer Herzinsuffizienz, in der zweiten Dekade waren es 42,1 % (die Differenz war statistisch nicht signifikant). Männer erlitten nach einem Vorhofflimmern häufiger eine Herzinsuffizienz als Frauen (44 % versus 33 %).
Einen signifikanten Rückgang gab es dagegen bei den Patienten, die im Anschluss an ein Vorhofflimmern einen Herzinfarkt erlitten. Dies waren in der ersten Dekade 13,7 % und in der zweiten Dekade 9,8 %: Differenz 3,9 %-Punkte (2,4-5,3 %-Punkte). Männer waren etwas häufiger betroffen als Frauen (12 % versus 10 %). Auch hier kann die Studie die Ursache für den Rückgang nicht ermitteln. Vinter vermutet, das der häufigere Einsatz von Blutdruck- und Lipidsenkern hier eine Rolle gespielt haben könnte. © rme/aerzteblatt.de
Gene der Vogelgrippe in Rohmilch von Kühen entdeckt
Silver Spring/Maryland – Das US-Landwirtschaftsministerium hat offenbar Gene des hochpathogenen Vogelgrippevirus H5N1, das derzeit 33 Kuhherden im Land infiziert hat, in Rohmilchproben nachgewiesen. Darauf weist die Food and Drug Administration (FDA) in ihrem jüngsten Update zur Epidemie hin. Eine Gefahr für die Bevölkerung wird nicht gesehen, da Viren beim Pasteurisieren zuverlässig abgetötet würden.
Die Angaben der FDA fallen spärlich aus. Es wird nicht angegeben, wo die Proben entnommen wurden und ob die kontaminierten Proben auf den Markt gelangt sind oder ob die Tests in den infizierten Kuhherden durchgeführt wurden.
Es gibt auch keine Angaben über die Art der Virusgene oder deren Konzentration. Auf der Webseite des Landwirtschaftsministeriums („U.S. Department of Agriculture USDA“) findet sich ebenfalls kein Hinweis auf die Tests und deren Ergebnisse.
Aus dem Update der FDA geht lediglich hervor, dass die Tests mit der quantitativen Polymerase-Kettenreaktion (qPCR) durchgeführt wurden. Die PCR weist nur die Virusgene nach, was offen lässt, ob sie von intakten Viren stammen. Genau genommen suchen die PCR-Sonden nur nach bestimmten Abschnitten der Virus-RNA. Ein positiver Test bedeutet deshalb nicht unbedingt, dass das gesamte Erbgut vorhanden ist.
Eine Infektiosität lässt sich nur an lebenden Zellen nachweisen. Laut dem Update führt die FDA diese Tests derzeit durch. Goldstandard ist der sogenannte „embryonated egg viability“-Test. Dabei werden die kontaminierten Proben in befruchtete Hühnereier injiziert und dann abgewartet, ob der Embryo überlebt. Dieser Test ist laut FDA hoch sensitiv. Es dauert allerdings längere Zeit, bis die Ergebnisse vorliegen.
Schnellere Resultate liefert der MDCK-Test („Madin-Darby Canine Kidney“). Dabei wird eine Zellkultur, die aus der Niere eines Hundes stammt, mit den kontaminierten Proben versetzt, um zu sehen, ob die Zellen nach einer Infektion zerfallen.
Die Empfindlichkeit ist laut FDA jedoch geringer als die Untersuchungen zur Lebensfähigkeit embryonaler Eizellen. Falsch-negative Ergebnisse seien vor allem bei niedrigen Viruskonzentrationen möglich.
Die FDA ist bemüht, mögliche Ängste in der Bevölkerung zu zerstreuen. Die Pasteurisierung der Milch, die auch in den USA üblich ist, zerstöre durch die kurzzeitige Erhitzung der Milch die Viren und andere Krankheitserreger, heißt es im Update. Und Influenzaviren, das derzeitige Vogelgrippevirus H5N1 eingeschlossen, gelten als hitzeempfindlich.
Der Anteil der Rohmilchprodukte soll in den USA bei unter 1 % liegen. Die betroffenen Farmen dürfen ihre Milch nicht verkaufen. Eine gewisse Unsicherheit ergibt sich daraus, dass nicht alle Kühe nach einer Infektion erkranken. Ob gesunde Tiere die Viren mit der Milch ausscheiden, ist nicht bekannt. © rme/aerzteblatt.de
„Klosneuviren“ können gehirnfressende Amöbe infizieren
Der Einzeller Naegleria fowleri zersetzt nach erfolgter Infektion das Gehirn der Betroffenen und gilt als einer der tödlichsten Parasiten für den Menschen. Die Erkrankung ist glücklicherweise selten, die Einzeller kommen in unseren Breiten kaum vor. Forscher der Uni Wien entdeckten nun einen wirksamen Gegenspieler des Kleinstlebewesens: Sie haben gezeigt, dass in einer Klosterneuburger Kläranlage (NÖ) gefundene Riesenviren die Amöbe befallen kann – und den Parasiten zerstört.
Naeglerien sind Einzeller, die in Gewässern weltweit vorkommen und sich dort von anderen Mikroorganismen ernähren. Die Spezies Naegleria fowleri, Erreger einer schweren Hirn- und Hirnhautentzündung namens „Primäre Amöben-Meningoenzephalitis“ (PAM), vermehrt sich dabei vorwiegend in warmen Gewässern über 30 Grad Celsius, wie es in der im Fachjournal „Nature Communications“ erschienenen Studie heißt. Die Erkrankung – die Einzeller werden etwa beim Schwimmen über die Nase aufgenommen – sei extrem selten, ende aber nahezu immer tödlich.
Das Team um Patrick Arthofer und Matthias Horn vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien konnte nun erstmals Riesenviren isolieren, die verschiedene Naegleria-Arten infizieren. Sie stammen aus der Gruppe der „Klosneuviren“, deren Name auf eine spektakuläre Entdeckung in der Kläranlage Klosterneuburg vor einigen Jahren verweist: Wiener Mikrobiologen, unter Beteiligung von Horn, waren damals bei Genom-Analysen auf verschiedene Riesenviren gestoßen. Die Klosneuviren stehen für eine der Wissenschaft bis dato noch eher fremde Gruppe an Viren.
„Sie sind innerhalb der Riesenviren besonders interessant: Sie besitzen besonders viele Gene, die man sonst nur von zellulären Organismen wie Tieren, Pflanzen, Pilzen oder Bakterien kennt, und die man vor der Entdeckung der Klosneuviren niemals mit Viren in Verbindung gebracht hätte“, sagte Horn gegenüber der APA. Es habe sich zudem gezeigt, „dass Klosneuviren weltweit verbreitet und sehr divers sind“.
Aus Klosterneuburger Kläranlage isoliert
In der aktuellen Studie suchten die Forscher nach Viren, die Amöben der Gattung Naegleria infizieren – und wurden bei den Klosneuviren fündig: Das jetzt entdeckte Riesenvirus mit dem Trivialnamen Naegleriavirus wurde aus der Kläranlage in Klosterneuburg isoliert. „Wir haben Proben der Kläranlage verwendet, weil wir von früheren Studien wussten, dass dort die Diversität an Riesenviren, für die es noch keine kultivierten Vertreter im Labor gibt, besonders hoch ist“, erläuterte Horn. Der Wirt des Virus, Naegleria fowleri, komme allerdings in unseren Breiten kaum vor, auch andere Naeglerien seien keine häufigen Einzeller im Belebtschlamm von Kläranlagen.
Für ihre Untersuchung brachte man daher die Umweltproben mit den im Labor kultivierten Einzellern – in diesem Fall war es Naegleria clarki als eine ungefährliche, nicht-pathogene Naegleria-Art – zusammen. Das Ergebnis: Naeglerien, darunter auch die das Gehirn zersetzende Amöbe Naegleria fowleri, nehmen das Virus irrtümlich als Futter auf, dieses zerstört sie dann innerhalb von nur wenigen Stunden. Das Virus infiziert dabei seine Wirtszelle mit Hilfe einer bestimmten Struktur, die dem Einbringen der Virus-DNA dient. Anschließend bildet sich eine „Virusfabrik“ innerhalb der Amöbenzelle, die das Virenerbgut außerhalb des Zellkerns vermehrt und hunderte neue Viruspartikel zusammenbaut.
Um die Wirtszelle währenddessen am Leben zu halten, bedient sich das Naegleriavirus spezieller Proteine, vermuten die Forscher, die die natürliche Immunreaktion der Amöbenzelle unterdrücken und so den vorzeitigen Zelltod verhindern. Erst nach erfolgreicher Vermehrung der Viren kommt es zur Zerstörung der Wirtszelle und dem Freisetzen der Viren. „Sowohl die Struktur des Naegleriavirus als auch der Infektionsverlauf sind weitgehend ähnlich zu bekannten, im Labor charakterisierten Riesenviren“, sagte Horn. Für die Anpassung an die Amöbe mutmaßlich wichtig seien wohl eine Reihe an Genen, „die ursprünglich aus den Chromosomen der Naeglerien stammen, aber ins Virengenom eingebaut wurden“, wie z.B. jene Gene, die den vorzeitigen Zelltod der Naeglerien verhindern können.
Die Riesenviren könnten vielleicht auch einmal prophylaktisch zur Bekämpfung von Naegleria fowleri bei der Aufbereitung von verschmutzten Gewässern dienen, „aber dafür bräuchte es zunächst weitergehende Untersuchungen“, so Horn.
Service: https://doi.org/10.1038/s41467-024-47308-2
GESUNDHEITSPOLITIK
Nationale COVID-19-Leitlinien unterscheiden sich drastisch von WHO-Empfehlungen
Oxford – Die klinischen Leitlinien für die Behandlung von COVID-19 unterscheiden sich international drastisch. Das offenbart eine in BMJ Global Health (2024; DOI: 10.1136/bmjgh-2023-014188 ) publizierte vergleichende Analyse. Nahezu jede nationale Leitlinie empfiehlt demnach mindestens eine Therapie, für die bereits bewiesen wurde, dass sie unwirksam ist.
Erstautorin Mia Cokljat vom Infectious Diseases Data Observatory (IDDO) der University of Oxford und ihre Kollegen betonen, dass COVID-19 aktuell zwar nicht mehr die Bedrohung für Leib und Leben darstelle, wie es zu Hochzeiten der Pandemie der Fall gewesen sei, aber das Virus entwickle sich weiter und sei noch immer weltweit aktiv.
Auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes betont der federführende Autor der deutschen S3-Leitlinie zur COVID-19-Therapie, Stefan Kluge, dass es sich bei dieser um eine Living-Guideline handele, die im Verlauf der Pandemie kontinuierlich aktualisiert worden sei. Allerdings: „Die Leitlinie wurde nicht täglich, sondern in unterschiedlichen Zeitabständen aktualisiert, was zu den festgestellten Abweichungen führen kann“, sagte er.
Aktuell keine relevanten Unterschiede zwischen S3-Leitlinie und WHO
„Aktuell unterscheiden sich die relevanten Empfehlungen der WHO nicht von denen der deutschen S3-Leitlinie“, betonte die Berliner Infektiologin Miriam Stegemann, die sowohl an der Erstellung der deutschen als auch den WHO-Empfehlungen mitgearbeitet hat.
Die deutsche Leitlinie wurde im Januar 2024 zuletzt aktualisiert, die aktuellsten Empfehlungen der WHO stammen von November 2023. Cokljat und ihr Team untersuchten, inwiefern verschiedene nationale Leitlinien (Stand Ende 2022) mit den WHO-Empfehlungen aus dem Juli 2022 (11. Version) übereinstimmten. „Die Empfehlungen der WHO gelten als Goldstandard in der Behandlung von COVID-19“, schreiben sie.
Für die Übereinstimmung mit den WHO-Empfehlungen vergaben die Forschenden Punkte, die letztlich zu einem Score zusammengezählt wurden. Extrapunkte gab es zum Beispiel, wenn die Leitlinie innerhalb der letzten 6 Monate aktualisiert worden war, wenn sich die Empfehlungen an der Evidenzstärke orientierten und wenn die Leitlinien die Effektivität und die Nebenwirkungen von Therapieoptionen einschätzten.
Analyse von 109 nationalen Leitlinien
Cokljat und ihre Kollegen berichten, dass von 194 kontaktierten WHO-Mitgliedstaaten 72 nicht geantwortet hätten. Von den restlichen 122 haben 13 keine offizielle Leitlinie oder empfehlen keine Behandlung. Sie wurden ausgeschlossen.
Letztlich analysiert wurden die COVID-19-Leitlinien von 109 Ländern. Die Länder, für die keine Leitlinien akquiriert werden konnten, hatten im Schnitt eine kleinere Bevölkerung, ein niedrigeres Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt und einen niedrigeren Global-Health-Security-Index.
Wie sie später feststellten, sind es auch die ressourcenschwachen Länder, die – wenn sie eine eigene Leitlinie haben – am stärksten von den Empfehlungen der WHO abweichen. Was nicht heißt, dass sich Abweichungen nur auf diese Länder beschränken:
84 % der nationalen Leitlinien definieren den Schweregrad von COVID-19 nicht auf die gleiche Weise wie die WHO, und einige definieren den Schweregrad überhaupt nicht (6,5 %).
Die meisten Leitlinien (77 %) machen keine Angaben zu Stärke oder Verlässlichkeit der therapeutischen Empfehlung.
Die Spanne empfohlener Medikamente, unabhängig vom Schweregrad, variiert zwischen 1 und 22. Die WHO empfiehlt insgesamt 10 Medikamente.
Am häufigsten empfohlen werden Kortikosteroide (92 %). 80 % der nationalen Leitlinien empfehlen sie für dieselbe Krankheitsschwere wie die WHO. Aber in fast 1 von 10 Leitlinien werden Kortikosteroide bei schwerer Erkrankung nicht empfohlen, trotz überwältigender Evidenz für ihre Wirksamkeit.
Etwa die Hälfte der Leitlinien (51 %) empfiehlt Remdesivir für schwere oder kritische COVID-19-Erkrankungen. Die WHO empfiehlt Remdesivir dagegen nur bedingt für Patienten mit leichter Erkrankung, aber hohem Hospitalisierungsrisiko.
Ende 2022 empfahlen noch immer viele Leitlinien Behandlungen, von denen die WHO abrät: (Hydoxy)Chloroquin, Lopinavir-Ritonavir, Azithromycin, Vitamine und/oder Zink.
33 % der Leitlinien empfehlen mindestens einen neutralisierenden monoklonalen Antikörper gegen SARS-CoV-2, allesamt Leitlinien, die von wohlhabenderen Ländern herausgegeben wurden.
Von der WHO wurden zum Untersuchungszeitpunkt Sotrovimab and Casirivimab-Imdevimab empfohlen.; sie fanden sich in jeweils rund 22 % der nationalen Leitlinien.
Aber auch die monoklonalen Antikörper Bamlanivimab mit oder ohne Etesivamab sowie Regdanivimab fanden sich konsistent in den nationalen Leitlinien, obwohl sie von der WHO nicht empfohlen wurden.
Noch immer werden unwirksame Substanzen empfohlen
„Es ist nicht nachvollziehbar, dass Substanzen wie etwa Hydroxychloroquin oder Vitamine heute noch in Leitlinien empfohlen werden“, kommentiert der Hamburger Intensivmediziner Kluge.
Die Datenlage bei Remdesivir oder Paxlovid sei dagegen eindeutig, so dass bei Verfügbarkeit eine Empfehlung ausgesprochen werden sollte, ergänzt er. Bei den monoklonalen Antikörpern änderten sich die Empfehlungen schnell, wie man etwa am Beispiel Sotrovimab sehen könne.
Die Forschenden um Cokljat räumen ein, dass das in ihrer Analyse verwendete Scoring-System nicht validiert sei, und auch, dass nicht alle nationalen Leitlinien überprüft werden konnten, limitiere die Aussagekraft der Studie.
Dennoch stelle sich die Frage, weshalb sich nationale Leitlinien für die Behandlung einer so verbreiteten und potenziell schwerwiegenden Infektion so stark unterschieden, wenn alle Zugriff auf die gleichen Informationen hätten. „Abgesehen von der Unerschwinglichkeit mancher Medikamente in einigen ressourcenschwachen Settings, fällt uns dafür keine zufriedenstellende Erklärung ein“, schreiben sie.
Forschungschaos in der Anfangszeit der Pandemie
Sie spekulieren, dass das Forschungschaos in der Anfangszeit der Pandemie eine Rolle gespielt haben könnte. Es habe viele verwirrende Behauptungen und Gegenbehauptungen gegeben, die durch das intensive politische und mediale Interesse nur noch verstärkt worden seien. „In dieser Situation fühlten sich viele Länder unter Druck, irgendetwas zu sagen, irgendetwas zu tun, selbst wenn es auf sehr wenig Evidenz basierte“, erklären sie weiter.
Leitlinienautor Kluge betont, dass auch der Zulassungsstatus und die lokale Verfügbarkeit von Medikamenten Therapieempfehlungen beeinflussen könnten, insbesondere im internationalen Vergleich. Und auch bei unklaren Datenlagen zu spezifischen Medikamenten könnten nationale Leitlinien voneinander abweichen.
Er ergänzt, dass die Empfehlungen der WHO stärker auf Settings mit mittlerem und niedrigem Einkommen fokussiert seien. Für die deutsche Leitlinie habe man spezifische Kriterien für die Priorisierung von Endpunkten sowie die Evidenzbewertung berücksichtigt, die sich von globalen Vorgaben, wie denen der WHO, unterschieden.
Wäre ein formalisierter Entwicklungsprozess hilfreich?
Klar sei, dass es zwischen den nationalen Leitlinien zur COVID-19-Therapie mehr Unterschiede gebe, als sich durch geografische Variation der antiviralen Suszeptibilität des Virus und unterschiedliche Bevölkerungen erklären ließe, so die Forschenden um Cokljat.
Sie schlagen vor, den Entwicklungsprozess nationaler Leitlinien für COVID-19 und andere Infektionskrankheiten zu formalisieren. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Empfehlungen auf der besten verfügbaren Evidenz basierten.
„Ein systematischer und strukturierter Ansatz würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der Leitlinien verbessern, sondern auch ihre Effektivität bei der Umsetzung öffentlicher Gesundheitsmaßnahmen, insbesondere in der Situation einer Pandemie.“ © nec/aerzteblatt.de
EU-Parlament macht Weg frei für Europäischen Gesundheitsdatenraum
Berlin – Das Europäische Parlament hat den Weg für den Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) freigemacht. Die Abgeordneten stimmten heute dem Ergebnis des Trilogs – also der Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament – zu.
Damit steht nur noch die Bestätigung durch den Europäischen Rat aus, die aber als Formsache gilt. Somit kann bald begonnen werden, eine EU-weite Gesundheitsdateninfrastruktur aufzubauen, die sowohl die Primärdatennutzung in der Versorgung als auch die Sekundärdatennutzung in der Forschung grenzüberschreitend ermöglicht.
In einigen Jahren soll es dann beispielsweise möglich sein, elektronische Rezepte in anderen EU-Staaten einzulösen, elektronische Patientenakten EU-weit einzusehen oder aber Befunde und Laborergebnisse grenzüberschreitend zu versenden.
Zudem sollen Gesundheitsdaten europaweit für die Forschung geteilt und genutzt werden können. Ihre Verwendung zu Werbezwecken oder zur Bewertung von Versicherungsverträgen soll hingegen nicht zulässig sein.
Ähnlich wie auf nationaler Ebene hierzulande sollen Patientinnen und Patienten europaweit die Möglichkeit haben, bei besonders sensiblen Daten wie psychischen Erkrankungen die Sichtbarkeit für Heilberufler und eine Weiterverwendung für die Forschung zu verweigern.
Im Detail werden sich diese Regelungen unterscheiden können, die Mitgliedstaaten müssen sie noch auf nationaler Ebene umsetzen und haben sich dabei regulatorische Freiheiten ausverhandelt.
Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt die Entscheidung. Der EHDS habe das Potenzial, den europaweiten Austausch von Patientendaten zu vereinfachen, erklärte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Das Europäische Parlament und der Rat hätten den Vorschlag der EU-Kommission erheblich verbessert. „Erst der vorliegende Kompromiss wird unserer Vorstellung von Autonomie der Patientinnen und Patienten über ihre Daten gerecht“, so Reinhardt.
Es sei wichtig, dass die EHDS-Verordnung den Patienten die Möglichkeit einräume, der Zusammenführung oder Weitergabe ihrer elektronischen Gesundheitsdaten zu widersprechen. „Dieser Widerspruch muss einfach und jederzeit möglich sein. Hierauf ist bei der Umsetzung in Deutschland zu achten“, forderte Reinhardt.
Die BÄK befürwortet zudem, dass die Weitergabe der Daten für Forschungszwecke eine vorherige Prüfung durch eine unabhängige Zugangsstelle voraussetzt und im Regelfall nur anonymisierte Daten weitergegeben werden. Die Weitergabe pseudonymisierter Daten soll dem Beschluss zufolge nur mit einer besonderen Begründung möglich sein.
Zu den Freiheiten, die die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EHDS haben, gehört auch die Möglichkeit, Arztpraxen von der Pflicht auszunehmen, Daten zur Sekundärnutzung bereitzustellen.
„Der EHDS wird unweigerlich Umstellungen für Arztpraxen bei der Erhebung und Einspeisung von Patientendaten der betroffenen Kategorien mit sich bringen“, erklärte Reinhardt. „Die Arztpraxen, die ohnehin schon unter einem hohen bürokratischen Aufwand leiden, werden durch die Umstellung zusätzlich belastet.“
Die Bundesregierung solle deshalb von dieser Ausnahmeregel Gebrauch machen und einer weiteren Überforderung vorbeugen. „Klar ist darüber hinaus, dass die Kosten, die den Praxen durch die Umstellung entstehen, kompensiert werden müssen“, forderte Reinhardt.
Auch die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Andrea Benecke, begrüßte den Entschluss und zeigte sich insbesondere erleichtert über die beschlossenen Widerspruchsregelungen im Verordnungsentwurf.
„Ob man seine Gesundheitsdaten teilen oder für Forschungszwecke spenden möchte, bleibt eine freie Entscheidung“, betonte sie. Das Widerspruchsrecht schwäche den EHDS nicht, sondern stärke dessen Akzeptanz.
Patienten sollen den Zugriff von Angehörigen der Gesundheitsberufe auf ihre Daten in der ePA verweigern können. Heilberufler sollen den Zugang zu den Daten in der ePA nur dann erhalten, wenn dies für die Behandlung erforderlich ist. © lau/aerzteblatt.de
COMMENT: Die Einspeisung von Patientendaten wird standardisiert erfolgen müssen, da die Daten sonst nicht vergleichbar sind. Als Pathologen arbeiteten wir in den 1980er Jahren mit dem SNOMED, eine mühselige und zeitraubende Tätigkeit. Wir forderten vergebens eine eigene Fachkraft, die die Verschlüsselungen in Codes übernimmt. Arztpraxen oder Praxen-Verbände werden früher oder später auf entsprechende Hilfsdienste zurückgreifen müssen, um nicht in administrativem Aufwand unterzugehen.
INTERNET – IT – KI – ROBOTIK
KI-Tool erkennt kündigungswillige Mitarbeiter – Vorgesetzte können gezielt gegensteuern, um eine unerwünscht hohe Fluktuation zu vermeiden
Tokio (pte003/24.04.2024/06:10) – Forscher Naruhiko Shiratori von der Tokyo City University und ein Tokioter Start-up haben ein KI-Tool zur Vorhersage der Mitarbeiter-Fluktuation entwickelt. Das soll Managern dabei helfen, ihre abwanderungswilligen Mitarbeiter gezielt zu umwerben, damit sie bei der Stange bleiben.
Daten über Mitarbeiter
Das Tool verarbeitet zahlreiche Daten von Mitarbeitern eines Unternehmens. Dazu gehören die Zahl der Tage, an denen sie nicht am Arbeitsplatz erscheinen sowie persönliche Informationen wie Alter und Geschlecht. Es berücksichtigt auch Daten über Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen haben oder beurlaubt wurden, um ein Fluktuationsmodell für jedes Unternehmen zu erstellen.
Wird der Algorithmus mit Daten von Mitarbeitern gefüttert, gibt dieser das Risiko einer Kündigung „in Prozentpunkten“ an, sagt Shiratori. „Wir testen das KI-Tool derzeit mit mehreren Unternehmen und erstellen für jedes ein eigenes Modell.“ Bei der Entwicklung stützten sich die Forscher auf eine frühere Entwicklung, in der KI eingesetzt wurde, um die Universitätsstudenten zu identifizieren, die ihr Studium wahrscheinlich abbrechen werden.
Absolventen gehen schnell
Jetzt planen die Forscher ein Upgrade, sodass das KI-Tool geeignete Aufgaben für neue Mitarbeiter vorschlagen kann, indem es Infos aus Vorstellungsgesprächen sowie deren Eigenschaften und persönlichen Werdegang analysiert. Japanische Firmen stellen traditionell jedes Jahr alle Hochschulabsolventen zur gleichen Zeit ein, aber etwa jeder Zehnte kündigt seinen Job innerhalb eines Jahres. 30 Prozent verlassen ihr Unternehmen innerhalb von drei Jahren, so das Arbeitsministerium. (Ende)
CYBERCRIME
Ransomware-Opfer zahlen kaum noch Lösegeld – USA zögerlich beim Verbot des Begleichens von Forderungen – Pleitewelle von KMUs befürchtet
Westport (pte025/24.04.2024/13:55) – Immer weniger Unternehmen sind bei einem Ransomware-Angriff zur Zahlung von Lösegeld bereit. Laut einer neuen Erhebung des IT-Security-Spezialisten Coveware kommt weniger als ein Drittel der Opfer einer entsprechenden Forderung der Cyber-Gangster nach. Das führe in vielen Fällen inzwischen sogar zur Absenkung der geforderten Geldbeträge um 30 Prozent.
Unternehmen werden resilienter
Da das Ransomware-Problem bekannt ist, bei dem meist wichtige Datenbanken angegriffen und in der Folge verschlüsselt werden, treffen immer mehr Unternehmen mit Backups und besseren Firewalls Vorsorge. Unterdessen hat sich der Gesetzgeber in den USA noch nicht für ein generelles Verbot von Lösegeldzahlungen ausgesprochen. Experten sind erleichtert.
Laut Kemba Walden, IT-Sicherheitsberaterin von US-Präsident Joe Biden, könnte ein Verbot von Lösegeldzahlungen den Ruin von kleinen und mittelständischen Firmen bedeuten. Wichtiger sei es, das Bewusstsein der Unternehmen in Bezug auf Ransomware-Angriffe zu schärfen und auch auf IT-Ebene rechtzeitig entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. (Ende)
SOCIAL MEDIA
Suchtgefahr für Minderjährige: Tiktok setzt strittige Belohnungsfunktion aus
Stundenlanges Scrollen und Videos schauen wird auf Tiktok Lite mit digitalen Münzen belohnt. Die neue Funktion soll Nutzer anlocken, sorgt in der EU jedoch für große Bedenken. Nachdem Brüssel zu Beginn der Woche mit einer Blockade gedroht hatte, pausiert Tiktok die Funktion nun freiwillig – zumindest vorerst.
Auf Druck der Europäischen Kommission wegen mutmaßlicher Suchtgefahren für Minderjährige setzt die Videoplattform Tiktok ein umstrittenes Belohnungssystem vorerst aus. „Wir setzen die Belohnungsfunktion in Tiktok Lite freiwillig aus, während wir uns mit den Bedenken auseinandersetzen“, teilte das Unternehmen auf X mit. Brüssel hatte Anfang der Woche mit einer Blockade der Funktion in der EU gedroht.
Tiktok hatte die neue App „Tiktok Lite“ im April eingeführt, in Europa ist sie bislang in Frankreich und Spanien verfügbar. Die Version enthält ein Punktesystem: Wer sich anmeldet, mehrere Stunden Videos schaut oder Freunde zu Tiktok einlädt, wird mit digitalen Münzen belohnt. Die Punkte können gegen geringe Beträge in Form von Gutscheinen ausgetauscht werden, etwa für den Onlinehändler Amazon.
Die EU-Kommission hatte wegen der „Gefahr schwerer Schäden für die psychische Gesundheit der Nutzenden“ Bedenken angemeldet und von Tiktok Maßnahmen verlangt, um vor allem Minderjährige zu schützen. Tiktok habe die neue Funktion gänzlich „ohne wirksame Maßnahmen zur Risikominderung“ auf den Markt gebracht, hieß es von der Kommission. Das Unternehmen reagierte nun auf die Drohung aus Brüssel, das umstrittene Punktesystem noch in dieser Woche zu blockieren. „Die Verfahren gegen Tiktok wegen der Suchtgefahr der Plattform gehen weiter“, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton auf X. Gegen Tiktok läuft bereits ein Verfahren wegen möglicher Suchtgefahren für Minderjährige wegen des Designs seiner Standard-Plattform.
Onlinedienste wie Tiktok, Instagram und Facebook sind unter dem EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act – DSA) verpflichtet, Minderjährige besser zu schützen und Inhalte wie Gewaltdarstellungen oder Falschinformationen schneller zu löschen. Quelle: ntv.de, lno/AFP
UMWELTTECHNIK – INNOVATION
Abfallprodukt reinigt Wasser von farbigem Gift – Neues Sieb der Technischen Universität Wien basiert auf Kunststoff- und Zellulose-Nanofasern
Wien (pte020/24.04.2024/11:30) – Forscher der Technischen Universität Wien stellen aus semi-kristalliner Nano-Zellulose, die sie aus Altpapier oder gebrauchten Reinigungstüchern herstellen, und dem Kunststoff Polyacrylnitril feinste Fäden für ein Sieb zur Reinigung von Abwasser her. Dazu setzen sie eine Technik namens Elektrospinnen ein. Dabei wird das Material in flüssiger Form versprüht, die Tröpfchen werden elektrisch aufgeladen und durch ein elektrisches Feld geschickt.
Wirkungsgrad 95 Prozent
„So erreicht man, dass die Flüssigkeit beim Aushärten extrem feine Fädchen bildet, mit einem Durchmesser von 180 bis 200 Nanometern. Diese Fädchen bilden ein feines Gewebe mit sehr großer Oberfläche, ein sogenanntes Nanoweb. Auf einem Quadratzentimeter kann man ein Geflecht von Fädchen unterbringen, die insgesamt eine Oberfläche von mehr als zehn Quadratzentimetern haben“, so Forscher Günther Rupprechter.
Die Tests mit diesen zellulosebeschichteten Nano-Strukturen sind eigenen Angaben nach erfolgreich verlaufen. In drei Zyklen reinigten Rupprechter und sein Postdoc Qaisar Maqbool mit violettem Farbstoff belastetes Wasser. Dabei ließen sich 95 Prozent des Farbstoffs entfernen. „Die Farbstoffe werden im Nanogewebe gespeichert. Man kann dann das ganze Gewebe entsorgen oder es regenerieren, indem die gespeicherten Farbstoffe herausgelöst werden, sodass es wiederverwendet werden kann.“
Gefahr für Flora und Fauna
Organische Farbstoffe stellen die größte Gruppe synthetischer Farbstoffe dar, darunter auch die sogenannten Azo-Verbindungen. Besonders in der Textilindustrie werden sie häufig eingesetzt, auch in Ländern, in denen wenig Augenmerk auf Umweltschutz gerichtet wird und die Farbstoffe oft ungefiltert ins Abwasser gelangen. „Das ist gefährlich, denn sie werden nur sehr langsam abgebaut und bergen große Gefahren für Mensch und Natur“, sagt Rupprechter.
Jetzt sind weiterführende Untersuchungen angesagt, um die mechanischen Eigenschaften des Nanowebs und seiner Biokompatibilität zu bewerten, die Spezifität gegenüber komplexeren Schadstoffen zu beurteilen und Skalierbarkeit auf Industriestandards zu erreichen. Zudem will das Team untersuchen, wie sich diese Filtertechnologie auf andere Einsatzbereiche übertragen lässt. „Auch für den medizinischen Bereich könnte diese Technik sehr interessant sein“, glaubt Rupprechter. „Bei der Dialyse etwa geht es ebenfalls darum, ganz bestimmte chemische Stoffe aus einer Flüssigkeit herauszufiltern.“ (Ende)
Forscher fischen mit semikristalliner Nano-Zellulose nach Farbstoffen
Mit aus Zellulose-Abfällen – also etwa auch Altpapier – gefertigten, neuartigen Nano-Geweben wollen Forscher der Technischen Universität (TU) Wien künftig einen Beitrag zum Filtern von schädlichen Textilfarbstoffen leisten. Die Experten vom Institut für Materialchemie stellten kürzlich im Fachblatt „Small Science“ einen Ansatz vor, mit dem effizient nach den winzigen Farbpartikeln gefischt wird. Dazu spinnen sie ein engmaschiges Netz aus „semikristalliner Nano-Zellulose“.
Die Zielstrukturen der Forscherinnen und Forscher sind bestimmte synthetisch erzeugte organische Farbstoffe namens „Azo-Verbindungen“. Vor allem in Ländern, in denen in der Textilindustrie noch wenig Wert auf Umweltstandards gelegt wird, werden diese häufig eingesetzt und gelangen entsprechend oft ungefiltert ins Abwasser. „Das ist gefährlich, denn solche Farbstoffe werden nur sehr langsam abgebaut, sie können lange Zeit im Wasser bleiben und bergen große Gefahren für Mensch und Natur“, so Günther Rupprechter.
Bessere Ergebnisse beim Herausziehen dieser Verbindungen gegenüber herkömmlichen, oft auf umweltschädlichen, metallhaltigen Substanzen beruhenden Verfahren verspreche der Ansatz, „ein Nanogewebe aus vielen winzigen Fasern herzustellen, durch die das Wasser hindurchsickert“, wird der Wissenschafter am Mittwoch in einer Aussendung der TU Wien zitiert. Das Team um den Studien-Erstautor Qaisar Maqbool setzt in diesem Zusammenhang auf „semi-kristalline Nano-Zellulose, die man aus Abfallmaterial herstellen kann“.
Diese sind so aufgebaut, dass sie extrem viel Oberfläche pro Quadratzentimeter aufweisen, und so die Azo-Verbindungen deutlich mehr Gelegenheiten haben, mit jenen Materialien in Austausch zu treten, die sie an sich anbinden sollen. Durch das nun an der TU entwickelte „Nanoweb“-Herstellungsverfahren „kann man erreichen, dass die Flüssigkeit (aus Nano-Zellulose und dem Kunststoff Polyacrylnitril, Anm.) beim Aushärten extrem feine Fädchen bildet, mit einem Durchmesser von 180 bis 200 Nanometern“, so Rupprechter.
In Tests zeigte sich, dass die neuen Strukturen in drei Filterzyklen 95 Prozent eines violetten Farbstoffes binden konnten: „Man kann dann entweder das ganze Gewebe entsorgen oder es aber auch regenerieren, die gespeicherten Farbstoffe herauslösen und das Filtergewebe wiederverwenden“, so der Forscher. In weiteren Versuchen möchte man nun herausfinden, wie gut sich die Methode zum Einsatz in größerem Stil eignet. Interessant könnte das Verfahren auch im Medizin-Bereich sein: „Bei der Dialyse etwa geht es ebenfalls darum, ganz bestimmte chemische Stoffe aus einer Flüssigkeit herauszufiltern.“
Service: https://doi.org/10.1002/smsc.202300286
BILDUNG
Mehrheit hält laut Umfrage Matura-Format für veraltet
Nächste Woche startet für mehr als 41.000 Jugendliche die diesjährige Zentralmatura-Saison. Geht es nach einer vom Nachhilfe-Institut Lernquadrat am Mittwoch vorgestellten Umfrage, sehen Maturantinnen und Maturanten aber nur wenig Sinn im Klausur-Marathon: Für 70 Prozent der 729 Befragten ist die Matura demnach in ihrer derzeitigen Form veraltet und modernisierungsbedürftig. Mehr als die Hälfte der Befragten würden die Prüfungen gerne über einen längeren Zeitraum verteilen.
Etwa jeder Dritte plädiert für weniger Prüfungen, Änderungen bei den Pflichtfächern und hätte gerne, dass die Mathematik-Klausur nicht mehr verpflichtend ist. Letztere ist immer noch Angstfach Nummer eins, jeder zweite Maturierende fürchtet sich laut Umfrage davor.
Insgesamt zeigten sich in der Erhebung sechs von zehn Befragten nervös, aber überzeugt, die Matura bei guter Vorbereitung schaffen zu können. Fast einem Fünftel scheint die Matura laut Umfrage nicht bewältigbar. Am meisten Stress erzeugt die Angst vor einem Blackout bzw. davor, die Angabe nicht zu verstehen.
Die vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) – neben den schriftlichen Klausuren und der mündlichen Matura die dritte Säule der 2015 an den AHS und 2016 an den BHS eingeführten „Standardisierten kompetenzorientierten Reife- und Diplomprüfung“ – wird von den Befragten überwiegend als sinnvoll gesehen: 82 Prozent haben ihren Angaben nach dabei etwas gelernt. Gleichzeitig haben fast neun von zehn Befragten angegeben, dass die VWA, die bis spätestens Anfang des 2. Semesters abgegeben werden muss, für noch mehr Stress im Maturajahr gesorgt hat.
Vor allem Burschen und schlechte Schülerinnen und Schüler haben beim Verfassen laut Umfrage auch auf den Chatbot ChatGPT zurückgegriffen, insgesamt war es mehr als ein Drittel der Befragten. 40 Prozent lehnen den Einsatz von KI bei der VWA ab; knapp ein Viertel hat ChatGPT ausprobiert, war aber mit dem Ergebnis unzufrieden.
Gut auf das Leben nach der Schule vorbereitet fühlt sich nur eine Minderheit der befragten Maturantinnen und Maturanten (40 Prozent). Kritisiert wird u.a., dass zu wenig Alltagswissen (z.B. Umgang mit Geld) vermittelt und das Gelernte in der Praxis angewendet wird.
Gleichzeitig gehen drei Viertel der Befragten davon aus, dass sie das meiste für die Matura Gelernte gleich nach der Prüfung wieder vergessen werden, weil sie in kurzer Zeit sehr viel lernen müssen.
GESELLSCHAFT
[SHELL-]Jugendstudie zeigt Rechtsruck in der Gen Z – „besorgniserregend“ – TZ
22 Prozent der jungen Menschen würden die AfD bei einer Wahl präferieren. Woran liegt das und was können Schulen dagegen tun?
„Die Annahme, dass die Jungen links sind, ist falsch“, sagt Klaus Hurrelmann. Gemeinsam mit Simon Schnetzer und Kilian Hampel ist er Autor der Studie „Jugend in Deutschland 2024“, die am 23. April vorgestellt wurde. Demnach nehmen die rechtspopulistischen Einstellungen der Generation Z zu. Die Studie definiert die Generation Z als junge Menschen im Alter von 14 bis 29.
Mehr junge Menschen präferieren AfD
Die negative Stimmung gegenüber Geflüchteten, die sich in verschiedenen Umfragen innerhalb der gesamten Bevölkerung zeigt, macht auch bei jungen Menschen nicht Halt. Über die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen tendiert dazu, dass die Aussage „Der Staat kümmert sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche“ zutrifft. Davon stimmen 21 Prozent eher zu, 30 Prozent sogar voll und ganz.
Ähnlich sieht es bei der Aussage „In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden“ aus. 29 Prozent zeigen volle Zustimmung, 24 Prozent sind eher davon überzeugt.
Nur wenige jungen Menschen finden, „dass Deutschland viele Flüchtlinge aufnimmt“ (sechs Prozent stimmen voll zu, acht eher). In der Shell Jugendstudie von 2019 waren der Meinung noch über die Hälfte (57 Prozent) der Jugendlichen. Hier scheint es zu einem „heftigen Meinungsumschwung“ gekommen zu sein, heißt es von Schnetzer und den Co-Autoren.
COMMENT: In der ZDF-MELDUNG vom 23.4.2024 – siehe gestrigen Tagesblick – heißt es: „Sehr stark gesunken ist den Autoren zufolge aber im Vergleich zur Shell-Jugendstudie von 2019 die Zustimmung zur Aufnahme vieler Flüchtlinge. 57 Prozent waren damals dafür, in der vorliegenden Studie sind es nur noch 26 Prozent.“ Muss es daher heißen: Nur wenige jungen Menschen finden nicht, „dass Deutschland viele Flüchtlinge aufnimmt“?
Auch, wenn man sich die politischen Interessen ansieht, erkennt man bei jungen Menschen einen Rechtsruck. Das machten bereits die Landtagswahlen in Hessen und Bayern deutlich, bei denen die AfD unter Jüngeren viele Stimmen sammeln konnte.
Auch die Umfrageergebnisse von „Jugend in Deutschland 2024“ zeigen, dass 2024 22 Prozent die AfD bei einer Wahl präferieren würden, im Jahr zuvor waren es noch zwölf Prozent. Bei den Zahlen handelt es sich um keine Wahlprognose, sondern eine Trendanalyse.
Jugendforscher: „Das Gefühl, Ohnmacht über das Leben zu haben, ist geblieben“
Wo könnten die rechtspopulistischen Tendenzen ihren Ursprung haben? Wie die aktuelle, sowie vergangene Jugendstudien zeigen, werden junge Menschen insgesamt immer pessimistischer. Auch mit dem Ende der Pandemie, die zu einer hohen psychischen Belastung führte, hat sich an diesem Abwärtstrend nichts geändert „Das Gefühl, Ohnmacht über das Leben zu haben, ist geblieben“, sagt Hurrelmann, der Jugend- und Bildungsforscher ist, am 23. April bei der Online-Pressekonferenz zur Jugendstudie.
Wie andere Generationen leide die Gen Z unter der Inflation und der schlechten wirtschaftlichen Lage, in der sich viele von ihnen befinden. Aber auch die Sorge vor einer Ausweitung von Krisen und Kriegen, weswegen ein großer Teil übrigens eine Wehrpflicht bevorzugt, spiele mit hinein. „Junge Menschen können Krisenkonstellationen schwer wegstecken“, sagt Hurrelmann.
Einen großen Einfluss habe auch TikTok, wo die AfD die Partei mit der größten Reichweite ist. Dagegen wehrt sich die Aktion #Reclaimtiktok.
Rechtsruck: Schülerinnen und Schüler fordern eine Reformierung des Politikunterrichts
Louisa Charlotte Basner, Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz und selbst Schülerin, bezeichnet den Rechtsruck unter Schüler:innen als „besorgniserregend“. Doch, wie könnte sich das ändern? Zum einen sollten Schulen Medienkompetenz unterrichten, damit Schüler:innen lernen, wo und wie sie sich am besten informieren können, heißt es von Basner.
Außerdem wünscht sie sich mehr Aufklärung über Rechtspopulismus: „Wir fordern, dass der Politikunterricht reformiert wird und stärker für die NS-Zeit sensibilisiert wird“, sagt sie. Damit meint sie auf Nachfrage von BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA, dass die Lehre über den Nationalismus nicht allein im Geschichtsunterricht stattfinden solle. Stattdessen solle die Vergangenheit im Politikunterricht in einen Bezug mit aktuellen Ereignissen gesetzt werden.
SOZIALPOLITIK
„Housing First“ für Obdachlose: „Wohnungen sind nicht das größte Problem“
Obdachlose Menschen sollen nach Plänen der Bundesregierung schon bald der Vergangenheit angehören. Zum beschlossenen Aktionsplan gehört auch die Förderung von „Housing First“-Projekten. Bei diesem Ansatz erhalten Obdachlose eine Wohnung – und das bedingungslos. Kann das klappen?
Dass es in deutschen Städten ein Problem gibt, zeigt sich in Einkaufsmeilen, Bahnhöfen, Parks und Hauseingängen: Menschen, die auf der Straße schlafen, sind vielerorts unübersehbar. Auch die Bundesregierung hat den Missstand ins Auge gefasst und einen Aktionsplan beschlossen. Das erklärte Ziel ist ambitioniert: Obdach- und Wohnungslosigkeit soll bis 2030 überwunden sein. Kernpunkt der Strategie ist die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum. Mit „Housing First“ soll jedoch auch ein vergleichsweise neuer Ansatz verstärkt gefördert werden.
Die Grundidee: Zuallererst bekommen obdachlose Menschen eine Wohnung. Alle weiteren Probleme können danach in die Hand genommen werden. Hilfen erhalten die Betroffenen mit dem Einzug – unverbindlich und solange, wie sie möchten. Düsseldorf und Gießen verfolgen den Ansatz bereits seit 2015, in Städten wie Köln, Stuttgart oder Hamburg laufen Modellprojekte. Das Land Baden-Württemberg hat zuletzt beschlossen, „Housing First“ auch in sechs kleineren Städten wie Esslingen, Reutlingen oder Heidelberg zu unterstützen.
Aufschluss darüber, wie das in der Praxis aussieht, gibt ein Besuch im Büro von „Housing First Berlin“ im Stadtteil Friedrichshain. „Berlin ist mittlerweile so etwas wie die Welthauptstadt der ‚Housing First‘-Projekte“, sagt Sebastian Böwe im Gespräch mit ntv.de. Er ist verantwortlich für die Wohnungsakquise und sitzt zudem im Vorstand vom „Bundesverband Housing First“.
Die Hauptstadt blickt auf mehrere Jahre Erfahrung mit dem Konzept zurück. 2018 lief ein Modellprojekt an, das nach Ablauf der dreijährigen Erprobungsphase im Land Berlin verstetigt wurde. Neben „Housing First Berlin“ verfolgen noch fünf weitere Träger in der Hauptstadt den Ansatz, unter anderem mit dem Fokus auf Frauen, queere Menschen oder Familien aus dem EU-Ausland.
Finnland als Vorreiter
Entstanden ist „Housing First“ in den 1990er Jahren in New York, zum Vorzeigeprojekt wurde es jedoch in Finnland. Dort setzt die Regierung seit Jahrzehnten konsequent auf das Modell – mit Erfolg. Anders als in den meisten EU-Ländern gehen die Obdachlosenzahlen in dem skandinavischen Land zurück: von mehr als 20.000 Menschen in den 1980er Jahren bis zu nur noch rund 3600 im Jahr 2022.
Allerdings: Die finnischen Träger vermitteln ihre Wohnungen häufig aus dem eigenen Bestand. Der größte, die Y-Foundation, baut ganze Wohnkomplexe und ist zu einem der größten Vermieter des Landes aufgestiegen. In Deutschland, wo dem Bündnis „Soziales Wohnen“ zufolge mehr als 910.000 Sozialwohnungen fehlen, grasen die Träger in erster Linie den freien Markt ab. Der Ländervergleich funktioniert also nur bedingt.
„Berlin ist nicht Helsinki“, sagt Böwe. „Anders als wir haben die auch nicht diesen Zuzug aus Ost- und Südeuropa.“ Belastbare Zahlen zur Obdachlosigkeit in Berlin gibt es nicht, bei einer Zählung im Jahr 2020 kam man auf rund 2000 Menschen, die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Obdachlos ist zudem nicht gleich wohnungslos. Zu letzterer Gruppe zählt, wer unfreiwillig bei Freunden oder Bekannten unterkommt. Auch Menschen in Notunterkünften fallen darunter, viele von ihnen sind Geflüchtete. In Berlin bezifferte der Senat 2022 die Zahl der Wohnungslosen auf rund 50.000, die Hälfe davon war in Notunterkünften untergebracht.
Bundesweit ging die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) zum Stichtag Ende Juni 2022 von 447.000 wohnungslosen Menschen aus. Die Zahl hat sich vor allem durch die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine im Vorjahresvergleich mehr als verdoppelt. Obdachlos waren 2022 den Schätzungen der BAG W zufolge rund 50.000 Personen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht.
Hürden für Hilfen sind hoch
Im herkömmlichen Hilfesystem müssen obdachlose Menschen zunächst ihre „Wohnfähigkeit“ unter Beweis stellen, um an eine eigene Wohnung zu kommen. Die Hürden dafür sind hoch: Sie müssen etwaige Suchtprobleme in den Griff kriegen, Behördentermine einhalten und sich im Betreuten Wohnen bewähren. Das sei für viele nicht möglich, sagt Böwe. „Wir nehmen Leute an, die aus eigener Kraft nicht klarkommen.“
Zum Start der Modellphase 2018 sei die Skepsis groß gewesen, erzählt Böwe. Der Berliner Wohnungsmarkt ist heillos überlastet, die Konkurrenz entsprechend groß. „Uns wurde gesagt: ‚Ihr werdet nicht eine einzige Wohnung für die Leute von der Straße finden. Wer vermietet denn an die?'“ Doch er sei hartnäckig, „bis zur Penetranz“, sagt Böwe. Unermüdlich telefoniere er herum, organisiere Besichtigungen, leiste Überzeugungsarbeit bei Vermietern.
Inzwischen kooperiere Housing First mit fünf städtischen Wohnungsgesellschaften. „Wohnungen sind bei uns momentan nicht das größte Problem. Wenn wir jemanden aufnehmen, hat der in der Regel innerhalb von vier bis sechs Wochen eine Wohnung, und das oft sogar in seinem Wunschstadtteil.“ Ein Vorteil für Vermieter: Die Miete ist über das Sozialamt gesichert, die Mitarbeiter von „Housing First“ sind als Ansprechpartner stets erreichbar.
Etwa 400 Personen umfasse die Warteliste, derzeit gilt allerdings ein Aufnahmestopp. „Wir könnten zwar mehr Leute aufnehmen, aber wir haben zu wenig Personal für die sozialarbeiterische Betreuung“, sagt Böwe. Was fehlt, ist eine langfristige Absicherung. Das Land Berlin finanziert „Housing First“ durch Zuwendungen von Haushalt zu Haushalt, in den vergangenen beiden Jahren waren es jeweils 6,1 Millionen Euro. „Wir hätten gerne eine Regelfinanzierung“, so Böwe. Der Berliner Senat strebt nach eigenen Angaben zwar an, „Housing First“ in das Regelsystem der Wohnungsnotfallhilfe einzugliedern, konkret ist das Vorhaben aber noch nicht.
Fast 200 Wohnungen vermittelt
Im Friedrichshainer Büro von „Housing First Berlin“ hängt eine Karte, auf der die Standorte aller vermittelten Wohnungen markiert sind – mitnichten nur am Stadtrand, sondern auch in beliebten Innenstadtvierteln wie Prenzlauer Berg. 69 Wohnungen hat „Housing First Berlin“ nach eigenen Angaben seit 2018 vermittelt, das im selben Jahr gestartete Projekt für Frauen sogar mehr als 90. Zusammen mit den anderen, erst vor einigen Monaten gestarteten Trägern sind es laut Böwe insgesamt zwischen 180 und 190 Wohnungen. In den allermeisten Fällen funktioniere das gut, Auszüge gebe es nur vereinzelt.
Die meisten Interessierten meldeten sich initiativ, dann werde bei einem Kennenlernen geschaut, „ob es passt“. „Housing First Berlin“ spreche aber auch gezielt Menschen in Not an. In das Programm aufgenommen werden kann jedoch nur, wer berechtigt ist, Transferleistungen zu beziehen, die Miete überweist schließlich das Amt. Die meisten Nicht-EU-Bürger unter den Obdachlosen fallen als Kandidaten somit weg.
„Housing First“ sei einer von mehreren Bausteinen im Kampf gegen Obdachlosigkeit, sagt Böwe. „Und es beweist, dass es möglich ist, obdachlose Menschen in Würde unterzubringen. Aber ohne mehr Sozialwohnungen lösen wir das Problem nicht.“ Dennoch hält er es für möglich, dass die Bundesregierung ihr Ziel bis 2030 erreicht. „Obdachlosigkeit ist kein Naturphänomen. Wenn Politik, Immobilienwirtschaft gemeinsam mit sozialen Trägern und der Verwaltung an einem Strang ziehen, lässt sich Obdachlosigkeit dauerhaft beseitigen“, sagt Böwe. Quelle: ntv.de
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