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FAZIT DES TAGES
Motivation gewinnt man am besten aus sich selbst heraus.
Robert Franz Hartlauer
COMMENT – FAZIT:
- Nahostweiter eskalativ unterwegs: kommt die Rafah-Offensive?
- Ukraine: Krieg vor der Wende zu Gunsten der Ukraine? Hilfslieferungen nehmen nach US-Beschluss Fahrt auf.
- USA: Rabbi warnt jüdische Studenten wegen antisemitischer Ausschreitungen vor Besuch der Columbia-Universität
- Vermögenssteuern: das ewige Thema – neue Presseschau dazu
- Zunehmende Aufhellungen in der Wirtschaft: PMIs, Verbrauchervertrauen, deutsche Immobilienwirtschaft
Märkte – Report
Israel, Ukraine
Meldungen
Themenreigen – Medizin: Impfmüdigkeit, COVID-Booster wirkt; Umwelt-Klimawandel, Opsoleszenz, Gesellschaft-Arbeitswelt
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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
HELLMEYER-Report (gekürzt)
- Märkte: Schnäppchenjagd nach Abverkauf
- BDI mit nüchternen Prognosen
- Gaspreise: Keine preisliche Konkurrenzfähigkeit
- Kein Hellmeyer Report vom 24.04.2024 – 26.04.2024!
Märkte: Schnäppchenjagd nach Abverkauf
An den Finanzmärkten kam nach dem vorherigen Abverkauf an Aktien- und Rentenmärkten
Bereitschaft zur Schnäppchenjagd auf. Klassifizieren wir es zunächst als eine Korrektur in der
Korrektur des Aufwärtstrends.
Ein möglicher Hintergrund für erhöhte Risikobereitschaft mag in der in dieser Woche anstehenden
Veröffentlichung der Erstschätzungen der Einkaufsmanagerindices liegen, die alle etwas besser
erwartet werden.
Japan setzt heute früh bei den PMIs die ersten positiven Akzente. Dort läuft es
rund. Der Index für die Gesamtwirtschaft (Composite Index) signalisiert mit 52,6 nach zuvor 51,7
Punkten dynamischeres Wachstum.
Selbstredend liegt der Fokus der Aktienmärkte aber auch auf der aktuellen Berichtssaison. Dort sollten positive Überraschungen stärker ausfallen als negative Überraschungen (quantitative Betrachtung).
Hinsichtlich systemischer Betrachtungen erreichten uns in den letzten 24 Stunden Nachrichten, die nachdenklich stimmen.
Italien hat den öffentlichen Haushalt nicht im Griff und wandelt mit einem Defizit per 2023 bei 7,4% der Wirtschaftsleistung auf den Spuren der USA.
Noch kritischer ist, dass der US-Kongress mit dem REPO Act H.R 4175 parlamentarisch die Grundlage für den Transfer russischen Staatseigentums an die Ukraine setzte. Eigentumsschutz ist die Ingredienz des westlichen Systems und für Ratingagenturen von höchster Bedeutung.
Konterkariert sich der Wertewesten nicht selbst mit dieser Politik? Wie gehen wir mit den massiven westlichen Völkerrechtsverletzungen um? Untergräbt diese offensichtliche Asymmetrie den Status des noch dominanten westlichen Finanzsystems und der Rolle des USD als Leitwährung? Die Antwort lautet „ja“. Man mag hier eine „Schlacht“ gewinnen, ob man damit den „Krieg“ gewinnt, sei dahingestellt.
Aktienmärkte legten überwiegend zu. So gewann der Late Dax 1,25%, der EuroStoxx 50 0,91%, der
S&P 500 1,13% und der zuletzt geschundene Citi US Tech 100 1,21%.
An den Rentenmärkten ergab sich eine etwas entspanntere Situation. 10-jährige Bundesanleihen
rentieren mit 2,48% (Vortag 2,50% ) und 10-jährige US-Staatsanleihen mit 4,61% (Vortag 4,67%).
Gold und Silber waren gestern die Verlierer. Der EUR ist gegenüber dem USD kaum verändert.
Nachrichten in Kurzform:
• Berlin: Die Steuereinnahmen fielen per März im Jahresvergleich um 4,5% auf 77,55
Mrd. EUR. Im 1. Quartal kam es zu einem Anstieg im Jahresvergleich um 1,6%.
• Rom: Das Haushaltsdefizit stellte sich 2023 auf 7,4% des BIP (bisher 7,2% des BIP,
2022 8,6% des BIP).
• Washington: Der Kongress setzte mit dem REPO Act H.R 4175 parlamentarisch die
Grundlage für den Transfer russischen Staatseigentums an die Ukraine.
Deutschland: BDI mit nüchternen Prognosen
Die deutsche Industrie rechnet mit einem schwierigen Jahr. Die Produktion dürfte 2024
im Jahresvergleich um 1,5% zurückgehen. Bei den Warenexporten erwartet der BDI im
Jahr 2024 eine Stagnation (Vorjahr -1,5%). Für die Gesamtwirtschaft ist der BDI
pessimistisch. Man rechnet per 2024 mit einem Wachstum von 0,3%, während die
Weltwirtschaft um 3% zulegen dürfte. Damit würde Deutschland erneut unter den
großen Industrieländern schwächstes Glied sein.
Kommentar: Die Weltproduktion steigt, bei uns nimmt sie ab! Das belegt, dass es sich nicht um
ein Konjunktur-, sondern um ein Strukturproblem handelt. Wird dieses Strukturproblem durch
diese Regierung angemessen strukturell adressiert?
Ich gebe Ihnen drei Antworten zur Auswahl:
1. Nein! 2. Nein, nicht ansatzweise ! 3. Nein, auf keinen Fall !
Die Kappung des Wachstumschancengesetzes von 7 auf 3,2 Mrd. EUR ist auch nicht hilfreich.
O-Ton BDI Chef Russwurm: „Die Industrie in Deutschland hat sich von den Kosten- und
Nachfrageschocks, von zeitweise extrem hohen Energiepreisen und von der Inflation noch
nicht erholt.“. Er nannte die Produktionsprognose besorgniserregend.
Kommentar: Der BDI, aber auch der DIHK und andere Verbände waren unter Kanzlerin Merkel
und bis Frühjahr 2023 gegenüber der Regierung mindestens „handzahm“, wenn nicht sogar
opportunistisch unterwegs. Wurden seinerzeit kritische Stimmen in den Verbänden ernst
genommen (eigene Erfahrungen)? Die Antwort lautet: „Nein!“ Ich begrüße den Sinneswandel,
Klartext zu reden, denn es geht um die wegbrechenden Grundlagen für unseren
Wirtschaftsstandort. Es ist spät, es ist sehr spät!
Auch für die Gesamtwirtschaft ist der Verband, der zuletzt zu den schärfsten Kritikern von
Kanzler Scholz gehörte, pessimistisch. Hierzulande rechnet der BDI 2024 mit einem Wachstum
von 0,3%, während die Weltwirtschaft um 3% zulegen dürfte. Damit würde Deutschland erneut
abgeschlagen sein unter den großen Industrieländern. O-Ton Russwurm: „Für den
Industriestandort bleiben die Herausforderungen groß. Stärkeres Wachstum und erfreulich
guten Profit erzielen deutsche Unternehmen derzeit vor allem an ihren Produktionsstandorten
im Ausland.“ (Hellmeyer-Unterstreichung)
Kommentar: Was werden die dominanten Blackrocks & Co. als Aufsichtsräte von den
Vorständen fordern? Investitionen zur Stärkung des Kapitalstocks vor Ort, der alle Einkommen
für Staat und Haushalte ultimativ generiert, oder Investitionen dort, wo sie sich rechnen?
Das Eis für diesen Standort war nie zuvor dünner als heute, da hilft keine Verbalakrobatik Herr
Scholz! Kein esoterisches Narrativ wird die Kraft des normativ Faktischen korrigieren. Es kann
nur durch eine fulminante Kehrtwende in den Feldern Außenpolitik, Innenpolitik, Wirtschafts-
und Finanzpolitik gelingen, um überhaupt das massiv erodierte Vertrauen der Wirtschaft (!)
wiederzugewinnen. (Hellmyer-Unterstreichung)
Russwurm forderte, Deutschland brauche wettbewerbsfähige und langfristig planbare
Energiepreise. O-Ton: „Die Stromnetzentgelte müssen deutlich gesenkt werden und die
Regierung muss die angekündigte Kraftwerksstrategie und die Wasserstoffstrategie schnell
konkretisieren und mit Priorität umsetzen. Die Unternehmen benötigen außerdem dringend
weniger Bürokratie.“ Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz sei kein Befreiungsschlag.
Zusätzlich müssten die Unternehmenssteuern auf ein wettbewerbsfähiges Niveau von 25%
gesenkt werden. Derzeit sind es knapp 30%.
Kommentar: Grundsätzlich gehen die Forderungen in die richtige Richtung. Es bedarf einer
Regierungspolitik der Solidarität mit der Wirtschaft, unserem Kapitalstock, der ultimativ die
Grundlagen für gesellschaftspolitische als auch politische Stabilität legt.
Eine Adressierung der „Heißen Eisen“ der Außenwirtschaftspolitik, die Offenheit für Importe
und Exporte in einer gesetzesbasierten Ordnung zur Grundlage haben muss (Wer greift an
China oder USA?), scheint der Notwendigkeit der „politischen Korrektheit“ geopfert zu werde.
Norwegen bietet CO2 Lösung an
Norwegen kann laut Ministerpräsident Store (Auftritt auf Hannover-Messe) den
gesamten europäischen Kohlendioxid-Ausstoß für Jahrzehnte speichern. Man leiste in
Norwegen Pionierarbeit bei der Kohlenstoffabscheidung und Kohlenstoffspeicherung.
Man habe fast 30 Jahre Erfahrung mit der Speicherung von CO2 im Meer.
Besser als das Heizungsgesetz
und nachhaltiger!
Deutschland: FDP provoziert Regierung mit ökonomischen Realitätssinn
Die FDP provoziert die Koalition mit einem realitätsnahen wirtschafts- und
finanzpolitischen Kurs. Das FDP-Präsidium verabschiedete ein Papier mit 12 Punkten
für die Wirtschaftswende. Darin vorgesehen sind eine Reform des Bürgergelds, die
Abschaffung der Rente mit 63, steuerliche Vorteile für Überstunden und das Ende des
Solidaritätszuschlags. In den nächsten 3 Jahren soll es keine neuen Sozialleistungen
geben. Arbeitsanreize für ältere Menschen sollen gesteigert werden.
Gaspreise: Keine Konkurrenzfähigkeit
Derzeit stellen einige Vertreter der Regierung stolz darauf ab, dass die Gaspreise wieder auf
dem Niveau vor der Ukraine-Krise seien. Das ist richtig. Es ist dennoch nur die halbe Wahrheit,
denn damit sind die Probleme der Konkurrenzfähigkeit bei Energiepreisen nicht gelöst.
Im aussagefähigen Dreijahresvergleich ergibt sich zwischen den Gaspreisen in Europa und den
USA ein massives Delta zu unseren Lasten in Höhe von circa 80% (Europa +43,5%, USA –
36,4%). Ergo, wir sind preislich nicht konkurrenzfähig (Charts © Finanzen.net).
Wir leben seit circa 300 Jahren in einem dynamischen energetischen Zeitalter. Jede Form des
heutigen Wohlstands ist korreliert mit dem intensivierten und optimierten Einsatz von Energie.
Das ist so und das bleibt so. Wir brauchen pragmatische Lösungen, definitiv keine
ideologisierte Energiepolitik. Ohne Energie geht nichts! Norwegen bietet Lösungen (es gibt
noch mehr Ansätze). Norwegen kann laut Ministerpräsident Store (Auftritt auf Hannover-
Messe) den gesamten europäischen Kohlendioxid-Ausstoß für Jahrzehnte speichern
Datenpotpourri der letzten 48 Handelsstunden
Eurozone: Verbraucherstimmung auf höchstem Stand seit März 2022
Der Index des Verbrauchervertrauens der Eurozone ist per Berichtsmonat April laut
Erstschätzung von zuvor -14,9 auf -14,7 Punkte gestiegen (Prognose -14,4).
Niederlande: Der Index des Verbrauchervertrauens stieg per April von -22 auf -21 Punkte. Es ist
der höchste Indexstand seit Oktober 2021.
USA: Sammelindex etwas höher
Der Chicago Fed National Activity Index (Sammelindex aus 85 US-Einzelindikatoren) stellte
sich per Berichtsmonat März auf 0,15 nach zuvor 0,09 Punkten (revidiert von 0,05).
Hier den Hellmeyer Report lesen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)
MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
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08:52 | EUREX/DAX-Future gut behauptet | 132 | Dow Jones News | |
08:52 | EUREX/Bund-Future zieht etwas an | 96 | Dow Jones News |
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VERMÖGEN – STEUERN
Länder-Studie offenbart Steuerungleichheit: Milliardäre in der Schweiz zahlen mehr Steuern als in Deutschland und Österreich – Leadersnet.de
In einer neuen Studie wird die Besteuerung der Superreichen in der Schweiz, Deutschland und Österreich verglichen. Ergebnisse zeigen, dass die Schweiz Milliardäre deutlich stärker besteuert. In Deutschland und Österreich bleiben sowohl Milliardäre als auch Multimillionäre weit unter den maximalen Steuersätzen.
Laut der Untersuchung des Momentum Instituts, des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam Deutschland erreichen die Milliardäre in der Schweiz mit einem effektiven Steuersatz von 32 Prozent fast den Höchststeuersatz ihres Kantons. In Deutschland und Österreich hingegen liegt der Satz für vergleichbare Vermögen nur bei 26 Prozent – weit unter den Höchststeuersätzen von 47,5 bzw. 55 Prozent.
Mittelstand stärker belastet als Superreiche
Die Diskrepanz zwischen der Besteuerung des Mittelstandes und der Superreichen wird deutlich, wenn man betrachtet, dass Mittelstandsfamilien in beiden Ländern höhere Steuer- und Abgabensätze tragen, teilweise über 40 Prozent ihres Einkommens. Dazu sagt Manuel Schmitt von Oxfam Deutschland: „Während die meisten Menschen unter den Folgen von Pandemie, Inflation und Krieg leiden, explodieren die Vermögen von Multimillionär:innen und Milliardär:innen, auch in Deutschland, ohne gerecht besteuert zu werden.“
Vorschlag zur Vermögenssteuer
Die Organisationen empfehlen eine deutliche Anhebung der Vermögenssteuern. Eine solche Steuer auf dem Niveau der Schweiz könnte in Deutschland etwa 73 Milliarden Euro und in Österreich bis zu 5 Milliarden Euro jährlich einbringen. Diese Mittel könnten dann in den Klimaschutz und Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit fließen. Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit argumentiert: „Mit einer Vermögensteuer für Superreiche oder eine Mindeststeuer auf ihre Einkommen können wir sicherstellen, dass ihr Steuersatz auf etwa 40 bis 50 Prozent ansteigt.“
Kritik und Forderungen
Barbara Schuster vom Momentum Institut betont, dass eine faire Besteuerung nicht nur dringend benötigte Ressourcen freisetzt, sondern auch das Vertrauen in die Demokratie stärkt. „Eine faire Besteuerung würde die Ressourcen freisetzen, die wir für sozial gerechte Klimapolitik dringend benötigen“, erklärt Schuster. Diese Reformvorschläge zielen darauf ab, das Steuersystem in Deutschland und Österreich zu überarbeiten, um eine gerechtere Verteilung der Steuerlast zu gewährleisten.
- https://www.oxfam.de/
- https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/
- https://www.momentum-institut.at/
Milliardär*innen abschaffen, Vermögenssteuer wieder erheben, Gemeinwohl stärken – Die Linke
Die Regierung schafft es nicht, einen Haushalt aufzustellen, der wirksame Schritte gegen Wohnungsnot Bildungskrise, Pflegenotstand und für einen funktionierenden und bezahlbaren ÖPNV enthält. Der Einfluss der Reichen auf Politik und Demokratie ist groß. So dreht sich die Diskussion seit Wochen um Sozialleistungen wie Bürgergeld und Kindergrundsicherung. Die Partei Die Linke richtet den Blick auf die Reichsten und hat auf der heutigen Parteivorstandssitzung einen Antrag zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer gefasst:
Dazu sagt die Vorsitzende der Partei Die Linke, Janine Wissler:
»Kein einzelner Mensch braucht Milliarden. Die Allgemeinheit braucht die Milliarden, um Kitas, Brücken, Schulen, Klimaschutz und all die anderen gemeinsamen Aufgaben zu finanzieren. Wer nur noch 999 Millionen hat, hat immer noch mehr Geld als ein einzelner je sinnvoll ausgeben kann im Leben.«
Der Vorsitzende der Partei Die Linke, Martin Schirdewan sagt:
»Eine faire Besteuerung mit dem Ziel, den Reichtum von einer Handvoll Milliardäre auf die Breite der Gesellschaft im Land umzuverteilen, ist einer der besten Wege, um gegen die Ungleichheit beim Wohlstand vorzugehen. Die Reichen stärker zu besteuern, ist in der Zeit, von wachsenden Ungleichheiten zwingend notwendig. Die aktuelle Diskussion über die Schuldenbremse verdeutlicht das starke Bedürfnis nach Investitionen.«
Milliardär*innen abschaffen – Vermögensteuer wieder erheben – Gemeinwohl stärken!
Einfluss der Reichen auf Politik und Demokratie: Die öffentliche und politische Diskussion dreht sich seit Wochen um Kürzungen von Sozialleistungen, damit mehr Geld in Aufrüstung fließen kann. Statt ein gutes Leben für Alle, wird darüber diskutiert, ob Geld für „Kanonen oder Butter“ reicht (eine Frage, die 1936 von Rudolf Hess aufgeworfen wurde). Noch im Februar schlug Christian Lindner (FDP) als Reaktion auf die selbstverschuldete Haushaltskrise vor, die Sozialleistungen für drei Jahre einzufrieren. Wir stellen uns gegen diese Angriffe auf den Sozialstaat! Nur wenn wir den Sozialstaat stärken, ermöglichen wir ein gutes Leben für Alle. Dafür muss Vermögen in der Gesellschaft umverteilt werden: Von oben nach unten und von privat zu öffentlich!
Das kosten uns die Reichen: Die Bundesregierung führt die Diskussion um den Haushalt vor allem über Kürzungen. Die Debatte wird bestimmt von der Frage, was uns die Armen und der Sozialstaat kosten: Jeder Euro beim Bürgergeld, der Kindergrundsicherung und den Sozialleistungen für Geflüchtete wird doppelt umgedreht. Aber was kosten uns eigentlich die Reichen? Nach Schätzung der University of London gehen den EU-Staaten jährlich rund 825 Milliarden Euro durch Steuerflucht verloren, Deutschland alleine 125 Milliarden Euro. Die EU spricht dagegen nur von 160-190 Milliarden Euro. Ein deutliches Zeichen, dass die Transparenz bei Vermögen bisher nicht ausreicht. Das gilt besonders für das Vermögen der Superreichen: Öffentlich sind nur Schätzungen ihrer Vermögen bekannt, die häufig weit von der Realität abweichen. Erst kürzlich hat das Netzwerk Steuergerechtigkeit aufgezeigt, dass die deutschen Milliardär*innen mindestens 1.400 Milliarden besitzen. Im Vergleich zu den bisher angenommenen 900 Milliarden ein Plus von 55 Prozent. Deswegen unterstützen wir ein einheitliches EU-Vermögensregister, das den Besitz und die Bewegung von größeren Vermögen erfasst.
- Die EU-Mitgliedstaaten sollen im Kampf gegen Steuerhinterziehung und -flucht eine Taskforce aufbauen und stärken. Denn jede*r Steuerfahnder*in bringt 1 Mio. Euro mehr ein, als sie*er kostet. So kann Finanzkriminalität als Geschäftsmodell der Reichen konsequent verfolgt werden.
Die Europäische Union ist eine Union der Ungerechtigkeit: Oxfam schätzt, dass die fünf reichsten Europäer ihr Vermögen seit 2020 um mehr als drei Viertel gesteigert haben, von 244 auf 429 Milliarden Euro (+76%). Das ist zusammengenommen ein Zuwachs von 5,7 Millionen Euro pro Stunde. Inzwischen besitzt das reichste 1 Prozent in Europa fast die Hälfte des gesamten Vermögens (47%). Ein großer Teil dieses Vermögens ist als Betriebsvermögen an Unternehmen gebunden. Dadurch profitieren die Reichen besonders stark, wenn Konzerne Gewinne auszahlen. Alleine die 40 Dax-Konzerne schütten in diesem Jahr 53,8 Milliarden Euro an Dividenden aus, ein historischer Höchstwert. Und wer profitiert besonders? Die Reichen, denen die Anteile der Dax-Konzerne gehören!
Millionär*innen und Milliardär*innen machen mit Krieg und Krisen Profite, während immer mehr Menschen nicht wissen, wie sie durch den Alltag kommen. Diese Gewinne sind auf Kosten der Allgemeinheit: Sie profitieren von hohen Mieten, schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen, von schwachen Umweltstandards und davon, dass sie die Marktmacht haben, die Preise hochzusetzen.
Reichtum als Klimakiller: Die Reichen verbrauchen Unmengen an Ressourcen und verschärfen mit ihrem Luxuskonsum die Klimakrise. Das reichste 1 Prozent in Europa verbraucht 14-Mal mehr CO2 als Personen, die zu den unteren 50 Prozent gehören. Alleine 125 Milliardär*innen verursachen so viele Emissionen wie ganz Frankreich – 393 Millionen Tonnen jährlich.
Superreiche am Gemeinwohl beteiligen: Trotz des riesigen Reichtums werden Millionär*innen und Milliardär*innen nicht gerecht an der Finanzierung des öffentlichen Lebens beteiligt. Schlupflöcher in Gesetzen laden zur Steuerflucht ein: Milliardär*innen zahlen durchschnittlich nur zwischen 0 bis 0,5 Prozent Steuern auf ihr Vermögen. Dasselbe gilt für Einkommen: Während Beschäftigte in Deutschland durchschnittlich 43 Prozent Steuern und Sozialabgaben zahlen, werden Millionär*innen mit 24 Prozent belangt. Gerechtigkeit heißt, dass Beschäftigte nicht mehr Steuern zahlen müssen als Superreiche, denen ganze Krankenhäuser oder Straßenblocks gehören. Es wird Zeit, Superreiche fair am Gemeinwohl zu beteiligen.
Vermögen gerecht besteuern: In vielen Ländern wurde die Vermögensteuer in den vergangenen Jahrzehnten ausgesetzt oder abgeschafft. Nur wenige europäische Länder erheben noch Steuern auf Vermögen (z.B. Frankreich, Schweiz, Spanien, Luxemburg, Norwegen). In Deutschland wird seit 1997 die Vermögensteuer nicht mehr erhoben, obwohl sie in der Verfassung ausdrücklich vorgesehen ist. Das hatte die Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) gemeinsam mit der FDP beschlossen. Wir wollen die Vermögensteuer in Deutschland und allen EU-Ländern (wieder-)einführen. Oxfam berechnet, dass eine EU-weite Vermögensteuer von 2 bis 5 Prozent jährlich 286 Milliarden Euro einbringen könnte – zum Vergleich: Um die Armut in der EU abzuschaffen, wären 135 Mrd. Euro nötig. Eine Umverteilung, die für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgt, denn 87% aller Milliardär*innen sind Männer.
Um die Vermögensteuer europaweit einzuführen, schlägt die Initiative Tax The Rich eine EU-Richtlinie vor. Diese muss von der Europäische Kommission eingebracht und vom Rat der Europäischen Union und dem EU-Parlament gemeinsam erlassen werden. Wir unterstützen einen verbindlichen Rahmen durch den die Vermögensteuer in allen EU-Ländern (wieder-)eingeführt wird.
Die Einnahmen der Vermögensteuer in Deutschland würden direkt in die Länderhaushalte fließen und können für dringend benötigte Lehrkräfte, Erzieher*innen, Pflegekräfte und Sozialarbeiter*innen genutzt werden. Mit dem Geld wollen wir die Krisen in Bildung, Kita und bezahlbarem Wohnen, Gesundheit, Pflege und ÖPNV überwinden – und schaffen öffentlichen Reichtum für Alle.
Die Linke fordert, dass die Vermögensteuer, wie im Grundgesetz vorgesehen, wieder eingeführt wird.
- In Deutschland sieht das Grundgesetz eine Vermögensteuer vor. Die Linke will sie wiedereinführen und progressiv gestalten: 1% ab 1 Mio. Euro Netto-Vermögen, 5% ab 50 Millionen Euro.
Milliardäre abschaffen:
Wir wollen nicht allen Menschen ihr Vermögen wegnehmen. Aber: Niemand braucht Milliarden Euro und niemand hat Milliarden Euro aufgrund der eigenen Leistung. Deswegen fordern wir zusätzlich eine Milliardärsteuer: Vermögen ab 1 Milliarde Euro wollen wir mit 12 Prozent jährlich besteuern. Damit findet bei derzeitigen Renditeerwartungen der Milliardär*innen von etwa 10 Prozent tatsächlich Umverteilung statt. Das Ziel: Superreiche gerecht besteuern, sodass wir Milliardär*innen langfristig abschaffen!
- Für Vermögen oberhalb von 1 Mrd. Euro legen wir die Milliardärsteuer von 12% fest ein Sondersteuersatz um Milliardär*innen langfristig abzuschaffen.
Vermögenssteuer: Deutschland entgehen jährlich 73 Milliarden Euro laut einer Studie – Business Insider
Auf Milliardärinnen und Milliardären in Deutschland lastet eine geringere Steuerlast als auf Mittelstandsfamilien, berichtet die „Wirtschaftswoche“ unter Berufung auf eine aktuelle Studie.
Demnach könnten durch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer Einnahmen von jährlich 73 Milliarden Euro generiert werden,
Die Autorinnen und Autoren der Studie schlagen eine Reform der Besteuerung Superreicher vor, um die Steuerlast gerechter zu verteilen. …
StudieDeutschland entgehen 73 Milliarden Euro jährlich an Vermögensteuer – Focus
Demnach trüge der Mittelstand aktuell den Großteil der Steuerlast, berichtet die „Wirtschaftswoche“. Die tatsächlichen Steuersätze der Superreichen lägen „weit unter den vorgesehenen Höchststeuersätzen“.
Superreiche befinden sich selten im Angestelltenverhältnis
Dass Superreiche so schwer zu besteuern seien, liege auch daran, dass sie sich selten in einem Angestelltenverhältnis befänden. Stattdessen stammten ihre Einkommen überdurchschnittlich oft aus Familienerbe oder Immobilien, zum Teil aus Arbeit in Familienunternehmen oder Dividenden, Gewinnausschüttungen.
Da Erwerbsarbeit meist höher versteuert würde als andere Arten des Einkommens, ergäbe sich für die Superreichen in der Praxis selten der Höchststeuersatz.
Auch für Superreiche gilt: Anderes Land, andere Sitten
Erst kürzlich hatte ein Nachhilfelehrer für die Kinder von Superreichen darüber berichtet, welche Unterschiede er zwischen den Superreichen verschiedener Länder ausfindig gemacht habe.
So seien die Superreichen Dubais besonders herzlich, jene Russlands hingegen großzügig, aber reserviert gewesen.
Gastkommentar: Niedrigsteuerland für Superreiche – Kurier
Selbst die als Steuerparadies bekannte Schweiz besteuert den reichsten Bevölkerungsanteil höher als Österreich. Ein Gastkommentar von Barbara Blaha.
Unser Steuersystem basiert auf dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit: Wer mehr hat, kann mehr beitragen. Je mehr Gehalt, desto höher der Steuersatz. So weit die Theorie. Doch in der Realität sind wir ein Hochsteuerland für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen: Die zahlen im internationalen Vergleich mitunter die höchsten Steuern und Abgaben auf ihr Arbeitseinkommen: fast 80 von 100 Euro aller Steuereinnahmen kommen aus Arbeit und Konsum.
Wenn wir aber den gesamten steuerlichen Beitrag von Überreichen anschauen, ist Österreich ein echtes Niedrigsteuerland. Nur 6 von 100 Euro kommen aus Steuern auf Unternehmensgewinne. Trotzdem werden Unternehmensteuern laufend gesenkt. Erst heuer wieder um einen Prozentpunkt. Bis zu einer Milliarde Euro weniger Steuerbeitrag von den Besitzern der größten Konzerne des Landes. Auch vermögensbezogene Steuern sind minimal: Nur 4 von 100 Euro werden aus Vermögen finanziert.
Kaum ein anderes Land der EU besteuert Arbeit stärker und Vermögen geringer als Österreich. Das hat Konsequenzen, wie jüngst auch die Europäische Zentralbank bestätigt hat. Österreich gehört zu nur drei Ländern der Eurozone, in denen die reichsten fünf Prozent mehr Nettovermögen besitzen als die gesamte weniger wohlhabende Hälfte der Bevölkerung. 4 Millionen Haushalte in Österreich besitzen nur 4,6 Prozent des gesamten Vermögens hierzulande. Eine aktuelle Studie des Momentum Instituts zeigt: Eine Durchschnittsfamilie in Österreich trägt von ihrem Brutto-Einkommen rund 42 Prozent als Steuern und Abgaben zu unserem gemeinsamen Staatshaushalt bei. Ein durchschnittlicher Millionärshaushalt hingegen nur rund 30 Prozent. Auch in Deutschland tragen sehr Vermögende weniger bei als der Durchschnitt. Der Grund: Während das Arbeitseinkommen progressiv besteuert wird – also je höher das Einkommen, desto höher der Steuersatz – werden Unternehmensgewinne und Kapitalerträge (wie Ausschüttungen aus Firmen oder der Verkauf von Aktien) mit einem einheitlichen, niedrigeren Satz besteuert. Der durchschnittliche Steuersatz eines Muster-Milliardärs liegt sogar noch niedriger bei nur mehr 26 Prozent. Der Steuerbeitrag eines Milliardärs liegt also weit unter jenem der Durchschnittsfamilie – und entspricht weniger als der Hälfte des Einkommen-Spitzensteuersatzes von 55 Prozent.Zusätzlich können die Steuersätze dank Stiftungen und Holding-Strukturen noch weiter – und völlig legal – „optimiert“ also reduziert werden. Dass Reiche so wenig beitragen, ist die Konsequenz politischer Entscheidungen. Der Anteil der Vermögensteuern an den gesamten Steuereinnahmen der Republik ist seit den 60er-Jahren immer weiter gesunken.
Ausgerechnet die Schweiz besteuert Vermögende stärker. Zusammen mit der Steuer auf das Kapital der Unternehmen trägt die Vermögensteuer knapp 7 Prozent zum Steueraufkommen bei. Ein weiteres Prozent kommt über Erbschaftsteuern dazu. In Österreich könnte eine Vermögensteuer laut zirkulierenden Modellen etwa 5 Milliarden Euro jährlich bringen. Eine Menge Geld, die wir in den Ausbau des Sozialstaats und in den Klimaschutz stecken könnten.
Barbara Blaha leitet das ökosoziale gewerkschaftsnahe Momentum Institut.
Soziale Gerechtigkeit? Vermögensteuer würde Deutschland 73 Milliarden Euro jährlich einbringen – Forschung und Wissen (inkl. Schaubild)
In Deutschland zahlen Milliarde und Multimillionäre verhältnismäßig geringe Steuern. Eine Vermögensteuer wie in der Schweiz würde der Bundesrepublik jährlich Mehreinnahmen von 73 Milliarden Euro einbringen.
Berlin (Deutschland). In Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH) existieren progressive Steuersysteme, die für einen sozialen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Einkommensschichten sorgen sollen. Menschen mit hohen Einkommen sollen also nicht nur einen absolut höheren Beitrag bezahlen, sondern auch relativ in Abhängigkeit von ihrem Einkommen höhere Steuern entrichten. Ökonomen des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam haben nun untersucht, ob die aktuellen Steuergesetzte der drei Länder dieses Ziel tatsächlich erreichen.
Laut den Berechnungen der Studienautoren zahlen Milliardäre in der Schweiz inklusive Unternehmenssteuern im Mittel 32 Prozent Steuern, was über drei Viertel des geltenden Höchststeuersatzes (41,5 %) entspricht. In Deutschland (26 %) und Österreich (25 %) zahlen Milliardäre hingegen Steuern, die stark unter den nationalen Höchststeuersätzen von 47,5 Prozent bzw. 55 Prozent liegen.
Multimillionäre zahlen geringe Steuern
Multimillionäre zahlen im Mittel in Deutschland (29 %) und Österreich (30 %) ebenfalls Steuern, die deutlich unter den möglichen Höchstsätzen liegen. In der Schweiz zahlt ein Teil der Multimillionäre (19 %) hingegen den jeweiligen Höchststeuersatz des Kantons, in dem sie leben.
Es wird somit deutlich, dass Milliardäre und Multimillionäre in Deutschland und Österreich prozentual deutlich weniger Steuern zahlen als Mittelschichtsfamilien, die in der Bundesrepublik laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) innerhalb der Mitgliedsstaaten die zweithöchste Abgabenlast entrichten.
Sonderregelungen und Steuerprivilegien
Die Ökonomen erklären, dass die geringen Steuern der vermögenden Haushalte in den drei untersuchten Ländern durch Sonderregelungen und Steuerprivilegien entstehen. Diese gelten primär auf Vermögens– und Unternehmenseinkommen, jedoch nicht auf reguläre Arbeitseinkommen, die Menschen aus niedrigeren Einkommensschichten typischerweise erhalten. Besonders betroffen sind Einkommen, die nicht an die Milliarde und Multimillionäre persönlich ausgeschüttet werden, sondern in Beteiligungsgesellschaften gehalten werden. Milliarde und Multimillionäre zahlen also nahezu keine Einkommenssteuer, sondern nur Unternehmenssteuern.
Vermögensteuer würde Situation ändern
In der Schweiz existiert bereits eine Vermögensteuer, die dafür sorgt, dass die reichen Haushalte eine deutlich höhere Belastung haben als in Österreich und Deutschland. Es handelt sich dabei um eine indirekte Steuer auf Vermögenserträge, die man mit Holdingstrukturen nicht umgehend kann.
Würde man ein entsprechendes Steuermodell in Deutschland einführen, hätte der Staat dadurch Mehreinnahmen in Höhe von 73 Milliarden Euro pro Jahr. Derzeit besteuert Deutschland Vermögen lediglich, wenn diese vererbt werden und nimmt dadurch neun Milliarden Euro jährlich ein.
ISRAEL
n-tv aktuell ISRAEL
22.04.2024 20:48
Nahe Nasser-Krankenhaus Palästinenser: 73 weitere Leichen aus Massengrab geborgen
Im Februar dringen israelische Soldaten in eines der wichtigsten Krankenhäuser des Gazastreifens ein. Seit Abzug bergen Palästinenser eigenen Angaben zufolge Hunderte Leichen aus einem Massengrab. Die israelische Armee will die Berichte prüfen.
22.04.2024 20:31
„Israel hat keine Beweise“ Studie: UN-Palästinenserhilfswerk kein Terrorunterstützer
Israel wirft Hunderten der 13.000 Mitarbeiter des UN-Hilfswerks im Gazastreifen vor, an dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein. Eine Neutralitätsprüfung soll den Vorwürfen nachgehen. Beweise lassen sich nicht finden.
22.04.2024 16:58
Gewalttat im Westjordanland Palästinenser nach Tötung von 14-Jährigem festgenommen
Dem Verschwinden eines israelischen Hirtenjungen folgt eine Welle von Gewalt im besetzten Westjordanland. Eineinhalb Wochen nach dem Fund der Leiche des Teenagers gib die israelische Armee die Festnahme eines Verdächtigen bekannt. Im Verhör soll er eine Beteiligung zugegeben haben.
22.04.2024 15:31
Propalästinensische Demo Steinmeier in Istanbul mit „Mörder“-Rufen begrüßt
Zum Beginn seiner Türkei-Reise macht Bundespräsident Steinmeier Stopp an einem für die türkisch-deutsche Migrationsgeschichte symbolträchtigen Bahnhof. Dort wird er erst einmal von Demonstranten empfangen, die mit rabiater Bebilderung ein anderes Thema in den Fokus rücken.
22.04.2024 09:46
Folge des Hamas-Massakers Chef des israelischen Militärgeheimdienstes erklärt Rücktritt
Das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 traf Israel unvorbereitet. Der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Aharon Haliva, zieht nun die Konsequenz daraus und reicht seinen Rücktritt ein. Außerdem fordert er die Einrichtung eines staatlichen Untersuchungsausschusses.
22.04.2024 06:54
„Gipfel der Absurdität“ Israel warnt USA vor Sanktionen gegen Militäreinheit
Wegen möglicher Übergriffe auf Palästinenser plant Washington offenbar Sanktionen gegen ein israelisches Militärbataillon. Die Einheit könnte damit von militärischer Unterstützung ausgeschlossen werden. Israel reagiert empört – und warnt die USA vor „einem großen Fehler“.
n-tv aktuell Nahost-Konflikt
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NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL
ROUNDUP: Israels Rafah-Offensive rückt offenbar näher – Die Nacht im Überblick
GAZA/TEL AVIV (dpa-AFX) – Trotz internationaler Warnungen rückt die von Israel angekündigte Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens einem Medienbericht zufolge näher. Israel bereite sich darauf vor, Zivilisten aus Rafah in die zuvor schwer umkämpfte Stadt Chan Junis und andere Gebiete zu bringen, berichtete das „Wall Street Journal“ am Montag unter Berufung auf ägyptische Beamte, die über die israelischen Pläne informiert seien. Israel will in Rafah die letzten Bataillone der islamistischen Hamas zerschlagen.
Mit scharfer Kritik reagierte Israel unterdessen auf einen in New York vorgelegten Untersuchungsbericht zum Palästinenserhilfswerk UNRWA. Das „enorme Ausmaß der Unterwanderung“ des Hilfswerks durch die Hamas werde darin nicht berücksichtigt, hieß es am Montagabend. Zu Beginn des jüdischen Pessach-Festes kam es am selben Abend in Israel erneut zu Protesten von Angehörigen der in Gaza festgehaltenen Geiseln gegen Regierungschef Benjamin Netanjahu.
Bericht: Israel plant Evakuierung der Bewohner Rafahs
Israels Verbündete wie die USA haben eindringlich vor einer Bodenoffensive in Rafah gewarnt, weil sich dort derzeit Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Die Stadt nahe der ägyptischen Grenze gilt als die einzige in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch vergleichsweise intakt ist.
Unter anderem im nahen Chan Junis sollen für die Bewohner Zelte, Lebensmittelverteilungszentren und Feldlazarette eingerichtet werden, berichtete das „Wall Street Journal“. Die Evakuierungsaktion würde zwei bis drei Wochen dauern und in Abstimmung mit den USA, Ägypten und anderen arabischen Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten durchgeführt. Seit dem Abzug israelischer Truppen aus Chan Junis seien dort in einem Massengrab nahe dem Nasser-Krankenhaus bisher 283 Tote gefunden worden, teilte der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz am Montag mit.
Erneut Proteste gegen Israels Regierungschef
Israel plane, Truppen schrittweise nach Rafah zu verlegen, berichtete die US-Zeitung weiter. Die Kämpfe dürften mindestens sechs Wochen dauern, hieß es. Israels Ministerpräsident Netanjahu hatte zuvor „weitere schmerzhafte Schläge“ gegen die Hamas angekündigt. „Und dies wird in Kürze geschehen“.
Hunderte Demonstranten versammelten sich derweil zum Beginn des Pessach-Festes vor Netanjahus Privathaus in Caesarea und forderten ihn auf, eine Einigung zur Freilassung der Geiseln zu erzielen. „Wie ist es möglich, dass die Familie Netanjahu in einer schicken Villa feiert, während Israelis in Tunneln gefangen gehalten werden, hungern, vergewaltigt, geschlagen und ermordet werden“, hieß es. Das Pessach-Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei.
US-Außenamtssprecher: Hamas hat „die Zielpfosten“ verschoben
Israel und die Hamas verhandeln seit Monaten indirekt über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die bei dem Hamas-Massaker am 7. Oktober nach Gaza entführt wurden. Israel war bis vor wenigen Wochen davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Inzwischen wird befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen bereits tot sein könnten.
Bei den Verhandlungen habe die Hamas ihre Positionen zuletzt verhärtet, erklärte Netanjahu. Israel habe sich bei den Verhandlungen erheblich bewegt, woraufhin die Hamas jedoch „die Zielpfosten“ verschoben habe, sagte auch der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Montag. Die Terrororganisation signalisiere derzeit, „dass sie keine Einigung will“. Es liege an der Hamas.
Israel: Prüfbericht zu UNRWA „ignoriert die Schwere des Problems“
Israel übte derweil deutliche Kritik an einem am Montag vorgelegten Untersuchungsbericht zum Palästinenserhilfswerk UNRWA. Die Hamas habe das Hilfswerk so tief infiltriert, „dass es nicht mehr möglich ist, festzustellen, wo das UNRWA endet und wo die Hamas beginnt„, schrieb das israelische Außenministerium auf der Plattform X (vormals Twitter).
In dem in New York vorgestellten Bericht kamen unabhängige Experten dagegen zum Schluss, UNRWA habe eine Reihe „robuster“ Mechanismen etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes zu gewährleisten. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf. Zugleich hieß es in dem Bericht, Israel habe für manche seiner Behauptungen nie Beweise vorgelegt.
UNRWA war im Januar in die Schlagzeilen geraten, weil Israel behauptete, zwölf Mitarbeiter seien in das Massaker der Hamas vom 7. Oktober verwickelt gewesen und die Organisation als Ganzes von der Hamas unterwandert. Als Reaktion entließ UNRWA mehrere Beschäftigte. Einige der wichtigsten Geldgeber, darunter Deutschland, setzten Zahlungen vorübergehend aus. Der Bericht der mit der Prüfung beauftragten ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna „ignoriert die Schwere des Problems“, schrieb das israelische Außenministerium und forderte die Geberländer auf, andere Organisationen in Gaza zu finanzieren. „UNRWA kann nicht Teil der Lösung in Gaza sein, weder jetzt noch in Zukunft“.
Prüferin Colonna wirbt für Unterstützung von Palästinenserhilfswerk
Colonna warb unterdessen für Unterstützung von UNRWA. „Die internationale Gemeinschaft muss UNRWA bei der Bewältigung seiner Herausforderungen zum Erreichen von Neutralität unterstützen. Es ist eine gemeinsame Verantwortung“, sagte Colonna der Deutschen Presse-Agentur nach Vorlage ihres Expertenberichts. Auf eine Frage zur ausstehenden Entscheidung der Bundesregierung über eine Wiederaufnahme der Zahlungen antwortete sie nicht direkt. Es sei nun an jedem Land, den Bericht zu studieren und über die nächsten Schritte zu entscheiden. „Was ich gesehen habe, ist, dass die überwiegende Mehrheit der Geberstaaten die unverzichtbare und unersetzliche Rolle von UNRWA anerkennt, bestrebt ist, Lösungen zu finden und bei Bedarf Verbesserungen zu unterstützen“, sagte Colonna.
Hisbollah: Grenzgebiet in Israel mit Dutzenden Raketen beschossen
Derweil dauern die Spannungen auch an Israels Grenze zum Libanon an. Die Hisbollah-Miliz feuerte nach eigenen Angaben Dutzende Raketen auf den Norden Israels ab. Den Angriff auf Militärziele bezeichnete die proiranische Miliz in einer Mitteilung am Montagabend als Vergeltung für israelische Luftangriffe.
Am Sonntag war eine israelische Drohne von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden und auf libanesischen Boden gestürzt. Kampfflugzeuge hätten die Abschussbasis angegriffen, teilte Israels Militär mit. Ob die Gefechte vom Sonntag im Zusammenhang mit dem Raketenangriff erfolgten, war zunächst unklar. Seit Beginn des Gazakriegs schießt die Hisbollah mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf den Norden Israels. Bei den Gefechten im Grenzgebiet wurden bislang rund 280 Kämpfer der Schiitenmiliz getötet. Auch auf israelischer Seite gab es seitdem mehrere Todesopfer./ln/DP/zb
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Hisbollah: Grenzgebiet in Israel mit Dutzenden Raketen beschossen
BEIRUT (dpa-AFX) – Die libanesische Hisbollah-Miliz hat nach eigenen Angaben Dutzende Raketen auf den Norden Israels abgefeuert. Den Angriff auf Militärziele bezeichnete die Miliz in einer Mitteilung am Montagabend als Vergeltung für israelische Luftangriffe.
Am Sonntag war eine israelische Drohne von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden und auf libanesischen Boden gestürzt. Kampfflugzeuge hätten die Abschussbasis, von der aus die Rakete abgefeuert worden sei, angegriffen, teilte Israels Militär mit. Ob die Gefechte vom Sonntag im Zusammenhang mit dem Raketenangriff erfolgten, war zunächst unklar.
Seit dem Beginn des Gazakriegs schießt die proiranische Hisbollah aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf den Norden Israels. Bei den Gefechten im Grenzgebiet wurden bislang rund 280 Kämpfer der Schiitenmiliz getötet. Auch auf israelischer Seite gab es seitdem mehrere Todesopfer./arb/DP/he
Iran will mutmaßlichen Angriff Israels nicht weiter verfolgen
TEHERAN (dpa-AFX) – Der Iran will den mutmaßlichen israelischen Gegenangriff auf einen Luftwaffenstützpunkt im Zentraliran nicht verfolgen. „Der Vorfall war ein Ablenkungsmanöver und nicht der Rede wert“, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani am Montag. „Daher werden wir ihn auch nicht weiter verfolgen“. Die Aktion sei so unbedeutend gewesen, dass die Israelis selbst dafür nicht die Verantwortung hätten übernehmen wollen, sagte der Sprecher laut Nachrichtenagentur Irna.
Kanaani betonte, dass der Iran keine Eskalation der Spannungen in der Region wolle. Gleichzeitig jedoch werde das Land jegliche Aggression seitens Israels erneut konsequent erwidern.
Israel hatte nach übereinstimmenden Medienberichten am vergangenen Freitag einen Angriff gegen den Iran ausgeführt. Dabei wurde nach Angaben der „New York Times“ eine Luftwaffenbasis in der Provinz Isfahan unweit iranischer Atomanlagen von einer Rakete getroffen. Israel äußert sich zu dem Angriff nicht offiziell, der Iran spielte ihn herunter.
Israels Militärschlag folgte einem Angriff des Irans auf Israel mit mehr als 300 Drohnen und Raketen am 13. April. Dem war der Tod von zwei iranischen Generälen bei einem Angriff auf ein Gebäude der Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus vorausgegangen. Dieser Angriff wurde Israel zugeschrieben. Viele Länder zeigten sich angesichts der Vorfälle besorgt und warnten vor einer Eskalation der Lage im Nahen Osten./vee/DP/ngu
Bericht zu UNRWA: Kein Hinweis auf viele Hamas-Unterstützer
Eine Untersuchung hat keine Hinweise für die Behauptung Israels gefunden, unter den Mitarbeitern des UNO-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) seien viele Unterstützer von Terrororganisationen. Die unabhängige Kommission zeigte zugleich Probleme und Verbesserungsvorschläge auf. Israel kritisierte den Befund.
Im wesentlichen Vorwurf, die UNO-Organisation beschäftige Anhänger oder aktive Mitglieder der Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad, entlastet der Bericht die UNRWA. Israel habe für die Anschuldigungen keine Beweise vorlegen können, hieß es in einem Bericht, der am Montag der UNO präsentiert wurde und den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte.
Israel hatte im März erklärt, mehr als 450 UNRWA-Mitarbeiter seien Agenten terroristischer Gruppen im Gazastreifen. Allein in Gaza beschäftigt das UNRWA rund 13.000 Menschen. Bereits im Februar hatte Israel behauptet, zwölf UNRWA-Mitarbeiter seien an den Angriffen auf Israel vom 7. Oktober beteiligt gewesen. Eine UNO-Untersuchung dazu läuft derzeit noch.
Israels Außenministerium wies den Bericht umgehend zurück. Mehr als 2.000 UNRWA-Mitarbeiter seien bei der Hamas oder dem Islamischen Dschihad aktiv. Das seien nicht „ein paar verdorbene Äpfel, sondern der Baum krankt an der Wurzel“, so ein Sprecher des Außenministeriums am Montagabend.
Viele Länder setzten Zahlungen aus
Zahlreiche Länder – darunter Österreich – hatten nach den Vorwürfen millionenschwere Zahlungen an das UNRWA unterbrochen oder ausgesetzt. Das hat dem Hilfswerk, das auch gegen die humanitäre Krise im Gazastreifen ankämpft, schwer zugesetzt. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres forderte am Montag alle Länder auf, das Hilfswerk weiter aktiv zu unterstützen. Es sei lebenswichtig für die Flüchtlinge.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte schon weit vor Beginn des Gaza-Krieges die Schließung des 1949 gegründeten Hilfswerks gefordert. Seit vielen Jahren kritisiert Israel die UNO-Agentur. Der UNRWA-Chef Philippe Lazzarini hatte im März vor einer „absichtlichen und konzertierten Kampagne“ gewarnt, die das Aus des Hilfswerks zum Ziel habe.
Keine Beweise für „beträchtliche Anzahl“
Die Vereinten Nationen hatten nach den ersten Vorwürfen Israels im Februar die ehemalige französische Außenministerin Catherine Colonna zur Leiterin einer UNRWA-Neutralitätsprüfung ernannt. In deren Bericht heißt es nun, Israel habe keine Beweise für die Behauptung vorgelegt, eine „beträchtliche Anzahl“ von UNRWA-Mitarbeitern seien Mitglieder terroristischer Organisationen.
In dem Bericht heißt es auch, das UNRWA verfolge einen „ausgeprägteren Ansatz“ zur Neutralität als ähnliche UNO- oder andere Hilfsorganisationen. Zudem gebe es solide Rahmenbedingungen, um die Einhaltung von Grundsätzen einer humanitären Neutralität zu gewährleisten.
Bericht zeigt auch Probleme auf
Es gebe aber auch Probleme. Dazu gehörten öffentliche Äußerungen politischer Ansichten von einigen UNRWA-Mitarbeitern, die Verwendung von Schulbüchern mit problematischem Inhalt in einigen UNRWA-Schulen sowie Drohungen aus UNRWA-Gewerkschaften gegen die UNRWA-Leitung. Die Neutralität des Hilfswerks im Gazstreifen werde zudem durch die Größe des Hilfsprojekts erschwert, da die meisten Mitarbeiter lokal rekrutiert würden und auch UNRWA-Leistungen erhielten.
Einige Staaten haben zwischenzeitlich ausgesetzte Zahlungen an das UNRWA wieder aufgenommen. Sie fordern aber unter anderem eine stärkere Überprüfung und Überwachung des Personals. In dem Bericht wird empfohlen, solche Verfahren dauerhaft einzuführen, vor allem bei der Beförderung von Mitarbeitern.
Nach den Vorwürfen Israels gegen zwölf bestimmte Mitarbeiter im Februar hatte das Hilfswerk nach eigenen Angaben die Verträge von zehn der zwölf gekündigt. Die beiden anderen waren in der Zwischenzeit gestorben. Das UNRWA beschäftigt insgesamt 32.000 Mitarbeiter, davon 13.000 im Gazastreifen. red, ORF.at/Agenturen
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Presse: Israel plante größeren Angriff gegen Iran
NEW YORK (dpa-AFX) – Israel hat einem Medienbericht zufolge ursprünglich einen umfassenderen Angriff gegen den Iran geplant. Das berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf drei hochrangige israelische Regierungsmitarbeiter. Demnach sollten mehrere militärische Ziele im Iran bombardiert werden, auch in der Nähe der iranischen Hauptstadt Teheran. Nach Appellen aus den USA, Deutschland und Großbritannien habe sich Israel letztendlich für einen begrenzten Schlag entschieden.
Israel hatte nach übereinstimmenden Medienberichten am vergangenen Freitag einen Angriff gegen den Iran ausgeführt. Dabei wurde nach Angaben der „New York Times“ eine Luftwaffenbasis in der Provinz Isfahan unweit iranischer Atomanlagen von einer Rakete getroffen. Israel äußert sich zu dem Angriff nicht offiziell, der Iran spielt ihn herunter.
Der begrenzte Schlag habe es dem Iran ermöglicht, auf eine Gegenreaktion zu verzichten, berichtete die Zeitung weiter. Die israelische Luftwaffe habe eine zweite Rakete absichtlich zerstört, um größere Schäden zu vermeiden. Der Militärschlag sollte dem Bericht zufolge zeigen, dass Israel in der Lage sei, den Iran anzugreifen, ohne in dessen Luftraum einzudringen. Auch die Provinz Isfahan sei bewusst ausgewählt worden. Dort befinden sich wichtige Einrichtungen der iranischen Rüstungsindustrie sowie die Atomanlage Natans, wo der Iran Uran bis zu 60 Prozent anreichert.
Israels Militärschlag folgte einem Angriff des Irans auf Israel mit mehr als 300 Drohnen und Raketen am 13. April. Dem war der Tod von zwei iranischen Generälen bei einem Angriff auf ein Gebäude der Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus vorausgegangen. Dieser Angriff wurde Israel zugeschrieben. Es ist eine langjährige Praxis Israels, sich nicht öffentlich zu Berichten über militärische Auslandseinsätze zu äußern./alz/DP/ngu
Folge des Hamas-Massakers: Chef des israelischen Militärgeheimdienstes erklärt Rücktritt
Das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 traf Israel unvorbereitet. Der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Aharon Haliva, zieht nun die Konsequenz daraus und reicht seinen Rücktritt ein. Außerdem fordert er die Einrichtung eines staatlichen Untersuchungsausschusses.
Der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Aharon Haliva, hat seinen Rücktritt erklärt. Dies teilte die israelische Armee mit. Er zog damit die Konsequenz aus der Terror-Attacke der Hamas vom 7. Oktober.
Er werde sein Amt noch so lange ausüben, bis ein Nachfolger gefunden ist, hieß es weiter. Wann genau das sein wird, ist noch unklar. Die Geheimdienstabteilung sei der Aufgabe, die ihr anvertraut wurde, nicht gerecht geworden, schrieb Haliva in einem Brief.
Haliva hatte bereits im vergangenen Jahr, wie auch andere führende Repräsentanten von Militär, Geheimdienst und Verteidigungsministerium, die Verantwortung für Fehler in Zusammenhang mit dem Massaker der Hamas übernommen. Haliva sagte damals, er trage die Verantwortung für die Fehler, die zu dem Terrorüberfall geführt hätten. Um diese Fehler aufzuklären, forderte er nun auch die Einrichtung eines staatlichen Untersuchungsausschusses.
Bei dem Großangriff am 7. Oktober ermordeten Terroristen der Hamas und anderer Gruppen mehr als 1200 Menschen und verschleppten rund 250 in den Gazastreifen. Israel geht seitdem massiv militärisch gegen die Palästinenserorganisation im Gazastreifen vor.
Soldatinnen, deren Aufgabe die ständige Beobachtung des feindlichen Gebiets war, berichteten nach dem Massaker, dass sie vor dem Angriff bedrohliche Bewegungen im Gazastreifen bemerkt und davor gewarnt hatten. Diese Warnungen seien jedoch von den Vorgesetzten ignoriert worden. Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts
UKRAINE
n-tv aktuell UKRAINE
Ukraine-Krieg im Liveticker +++ 09:20 Russen verlieren Milliarden auf Schweizer Bankkonten +++
Die von der Schweiz im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland gesperrten Vermögen haben innerhalb eines Jahres deutlich abgenommen. Ende 2023 waren Vermögenswerte in Höhe von 5,8 Milliarden Franken eingefroren, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) erklärt. Vor einem Jahr waren es noch 7,5 Milliarden Franken. Hauptgrund für diese Entwicklung war der Wertverlust von gesperrten Aktien und anderen Finanzanlagen, heißt es. Dieser starke Rückgang könnte den internationalen Druck auf das neutrale Land verstärken, Vermögenswerte sanktionierter Russen schneller zu identifizieren und zu blockieren. Die Schweiz übernimmt die Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegen Russland wegen des Einmarsches in die Ukraine. Das Staatssekretariat für Wirtschaft ist für die Einhaltung der Sanktionen zuständig. Eine Konfiszierung privater russischer Vermögen zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine ist in der Schweiz nicht zulässig. Die Regierung ist der Ansicht, dass eine solche Maßnahme der Bundesverfassung widersprechen würde.
Beitritt zu Taskforce abgelehnt Schweizer wollen nicht nach Oligarchen-Geld suchen
+++ 08:41 Kommt US-Hilfe ganz schnell? Bradleys in Polen vor Transport nach Kiew +++
Geht es nach der Entscheidung des US-Repräsentantenhauses alles ganz schnell? Nachdem sich nach monatelanger Blockade die Republikaner erweichen ließen, dem 61-Milliarden-US-Dollar (57 Milliarden Euro) zuzustimmen, könnten die Waffenlieferungen an die Ukraine nun sehr schnell auf den Weg gebracht werden. Einem Bericht von „Politico“ zufolge sollen sich darunter besonders viele gepanzerte Fahrzeuge befinden. Humvees, Mannschaftstransporter vom Typ M113 sowie Schützenpanzer des Typs Bradley wurden in dem Bericht konkret genannt. Letzte tauchen nun bereits in Videos in sozialen Medien auf – versandbereit auf Lastwagen in Polen. Von dort aus sollen sie nun offenbar zügig in Richtung Ukraine gebracht werden.
+++ 08:10 An der Kupjansk-Front wächst die Angst vor Umzingelung +++
Laut dem Thinktank Institute for the Study of War ist bestätigt, dass es an der Front bei Kupjansk schwere Positionskämpfe gibt. Die ukrainischen Streitkräfte fürchten, von Norden und Süden her umzingelt zu werden. Ein TV-Team besucht sie im Dorf Terny.
Kreml-Truppen intensivieren Druck An der Kupjansk-Front wächst die Angst vor Umzingelung
+++ 07:41 Rolle rückwärts in Berlin: Russisches Haus ist doch Außenstelle von Putins Propaganda-Apparat +++
Das Russische Haus in Berlin-Mitte ist nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Zoll doch eine Außenstelle des Propaganda-Apparats von Präsident Wladimir Putin und untersteht damit den EU-Sanktionen. Die Finanzierung des Hauses in der Friedrichstraße werten die Behörden nach „Tagesspiegel“-Informationen als Straftat. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung beim Zoll führt Vermögensermittlungen. Im Sommer 2003 hatte das Auswärtige Amt erklärt, dass es nichts gegen das Haus unternehme. Kurz danach waren Ermittlungen eingestellt worden, weil die Verantwortlichen Diplomatenstatus haben. Nun kommt im Zuge eines anderen Falls heraus: Die Staatsanwaltschaft ermittelt doch weiter – „gegen Unbekannt sowie gegen die Mieter im Russischen Haus“, wie ein Sprecher dem „Tagesspiegel“ sagte. Der frühere Grünen-Politiker Volker Beck hatte Ende 2022 Strafanzeige gestellt – wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz und gegen EU-Sanktionen infolge des russischen Invasionskrieges in der Ukraine.
+++ 07:09 Russische Rüstungsproduktion unterstützt? USA wollen chinesische Banken sanktionieren +++
Die USA bereiten einem Zeitungsbericht zufolge Sanktionen vor, um einige chinesische Banken vom weltweiten Finanzsystem auszuschließen. Die Behörden hoffen, damit Pekings Finanzhilfen für die russische Rüstungsproduktion zu unterbinden, berichtet das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
+++ 06:38 Russische Rakete geht fehl und landet nahe russischem Dorf +++
Eine X59-Rakete wurde offenbar auf einem Feld in der Nähe des Dorfes Krasnoe in der Region Belgorod in Russland gefunden. Russischen Journalisten zufolge ist die Rakete 92 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt „ungewöhnlich“ abgestürzt. Sie wurde bereits am 19. April gefunden. Das russische Militär zerstörte sie an Ort und Stelle. Zuvor zählten russische Medien mindestens 21 Bomben, die im März und April von russischen Flugzeugen auf russisches Gebiet oder die besetzten ukrainischen Gebiete fielen. Die russischen Behörden spielen solche Fälle herunter oder nennen sie einen „anormalen Munitionsabwurf“.
+++ 06:10 Sieben Verletzte nach russischem Beschuss von Odessa +++
Russische Streitkräfte greifen in der Nacht zum 23. April ein Wohngebiet in Odessa mit Drohnen an und verletzen dabei sieben Menschen, darunter zwei Kinder, berichten die Streitkräfte der Ukraine. Nach Angaben des Militärs bricht als Folge des Beschusses ein Feuer aus. Mindestens 14 Wohnungen in der Stadt werden durch den Angriff beschädigt. Rettungskräfte retten Berichten zufolge 34 Menschen, darunter drei Kinder. Über das Ausmaß der Verletzungen der Opfer gibt es keine Angaben.
+++ 05:36 Selenskyj: Ukraine und USA haben Abkommen über ATACMS „abgeschlossen +++
Die Ukraine hat das Abkommen mit den USA über das taktische Langstreckenraketensystem ATACMS (Army Tactical Missile System) „abgeschlossen“, sagt Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einem Telefonat mit seinem amerikanischen Amtskollegen Joe Biden. Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete am 20. April einen Gesetzentwurf über 61 Milliarden Dollar für Kiew und beendete damit einen monatelangen Stillstand. Die US-Hilfe ist seit Ende 2023 durch politische Querelen blockiert. Der Gesetzentwurf verpflichtet die Regierung Biden außerdem, ATACMS-Langstreckenraketen zu liefern, sobald dies „nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes“ möglich ist. Die USA haben im Oktober 2023 nach monatelangen Überlegungen erstmals ATACMS-Raketen an die Ukraine geliefert. Das Paket umfasste nur die älteren Modelle mit einer Reichweite von 165 Kilometern. Neuere ATACMS-Varianten haben eine maximale Reichweite von rund 300 Kilometern und wurden bisher nicht an die Ukraine geliefert.
+++ 04:56 Tusk äußert sich zu Stationierung von Atomwaffen in Polen +++
Polens Regierungschef Donald Tusk fordert von Präsident Andrzej Duda weitere Details zu dessen Erklärung, Polen sei offen für die Stationierung von Atomwaffen. „Diese Idee ist sehr massiv und sehr ernst, würde ich sagen. Ich müsste alle Umstände kennen, die den Präsidenten dazu veranlasst haben, diese Erklärung abzugeben“, sagt Tusk. Er wolle sich daher mit Duda treffen, um seine Absichten zu verstehen. „Ich möchte aber auch, dass eventuelle Initiativen von den Verantwortlichen sehr gut vorbereitet werden – und dass wir alle die Überzeugung haben, dass wir das wollen.“ Duda hatte zuvor in einem Interview mit der Boulevardzeitung „Fakt“ bekräftigt, sein Land sei bereit für die Stationierung von US-Atomwaffen, sollte die NATO dies für nötig halten. „Wenn es eine solche Entscheidung unserer Verbündeten geben sollte, Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe auch auf unserem Territorium zu stationieren, um die Sicherheit der Ostflanke der NATO zu stärken, sind wir dazu bereit“, sagt der Präsident.
+++ 03:41 London will Kiew mit weiterer Militärhilfe unterstützen +++
Großbritannien will die Ukraine mit weiterer Militärhilfe in Höhe von 500 Millionen Pfund (knapp 580 Millionen Euro) unterstützen. Premierminister Rishi Sunak werde die Hilfe bei einem Besuch in Warschau bekanntgeben, teilt sein Büro mit. Sunak reist am Dienstag zu Gesprächen mit dem polnischen Regierungschef Donald Tusk und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in die polnische Hauptstadt. Dabei soll es um die Ukraine und die europäische Sicherheit gehen. Anschließend reist Sunak nach Deutschland, wo er am Mittwoch in Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz treffen wird.
+++ 02:36 Regionalverwaltung: Russland greift sechs Gemeinden in der Oblast Sumy an +++
Wie die Regionalverwaltung mitteilt, griffen russische Streitkräfte im Laufe des Tages sechs Gemeinden in der nordöstlichen ukrainischen Oblast Sumy an. In den vergangenen 24 Stunden wurden im Gebiet Sumy mindestens 182 Explosionen gemeldet. Die Gemeinden Chotin, Myropillia, Yunakivka, Krasnopillia, Velyka Pysarivka und Seredyna-Buda wurden angegriffen. Die örtlichen Behörden meldeten keine Opfer oder Schäden an der zivilen Infrastruktur.
+++ 01:22 Selenskyj pocht auf Flugabwehr +++
Nach der Zerstörung des Fernsehturms in der ostukrainischen Metropole Charkiw fordert Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut mehr internationale Hilfe bei der Verteidigung gegen russische Luftangriffe. Charkiw und andere ukrainische Städte bräuchten insbesondere Flugabwehrsysteme vom US-Typ Patriot, betont Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videoansprache. Die Lieferung zumindest eines weiteren Patriot-Systems hatte Deutschland kürzlich zugesagt.
+++ 23:43 Selenskyj: USA und Ukraine arbeiten an Sicherheitsabkommen +++
Die Ukraine und die USA haben nach Angaben des ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj Gespräche über ein bilaterales Sicherheitsabkommen begonnen. Selenskyj spricht in seiner allabendlichen Videobotschaft von einem möglicherweise „beispielhaften“ Abkommen. Zudem einigen sich Kiew und Washington Selenskyj zufolge auf die Lieferung von Raketen mit größerer Reichweite an die ukrainische Armee. Die Ukraine hatte in den vergangenen Monat bereits Sicherheitsabkommen mit mehreren NATO-Mitgliedstaaten abgeschlossen – darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Die Abkommen enthalten zwar keine militärische Beistandsgarantie. Sie haben aber große symbolische Bedeutung mit Blick auf die militärische, politische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine in den kommenden Jahren.
+++ 22:02 Weltbank stellt Investitionen von 1,8 Milliarden Euro für die Ukraine in Aussicht +++
Der private Finanzierungsarm der Weltbank plant, in den nächsten 18 Monaten 1,9 Milliarden Dollar in Projekte in der Ukraine zu investieren, berichtet Reuters. Laut ihrer Website ist die International Finance Corporation (IFC) die „größte globale Entwicklungsinstitution, die sich ausschließlich auf den privaten Sektor in Entwicklungsländern konzentriert“. Seit dem Beginn der russischen Invasion hat die IFC bereits 1,1 Milliarden Dollar in die Ukraine investiert. Die neuen Mittel werden in Projekte wie den Flusstransport auf der Donau oder die Energieerzeugung aus Sonnen- und Windenergie fließen. „Dies wird es uns ermöglichen, uns mit Investitionen zu befassen, die längerfristig angelegt sind und sich mehr auf Investitionsausgaben konzentrieren, also ein höheres Risiko darstellen, da es sich um Vermögenswerte handelt, die leider durch den anhaltenden Konflikt beschädigt werden könnten“, sagt Lisa Kaestner, IFC-Regionalmanagerin für die Ukraine, gegenüber Reuters.
+++ 20:53 Nach Tschechiens Initiative: Artilleriegranaten treffen spätestens im Juni in der Ukraine ein +++
Die ersten Chargen von Artilleriegranaten, die im Rahmen einer tschechischen Initiative zum Kauf von Munition für die Ukraine außerhalb der EU beschafft wurden, könnten Ende Mai oder Anfang Juni an die Ukraine geliefert werden, sagt Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, nach einem Treffen mit den Außen- und Verteidigungsministern der EU. Borrell stellt fest, dass sich viele Länder der tschechischen Initiative angeschlossen haben und „die ersten Lieferungen Ende Mai/Anfang Juni erfolgen werden“. „Und viele Länder haben ihre Bereitschaft bekundet, sich an der deutschen Initiative zur Konzentration, Koordinierung und Förderung der Luftabwehrkapazitäten zu beteiligen“, so Borrell. „Die beiden Ziele – mehr Flugabwehrsysteme und mehr Munition des Kalibers 155 mm – bleiben für uns die wichtigsten Ziele“, betont Borrell.
+++ 19:43 Dorf Nowomichailiwka wird zu einem der „größten Friedhöfe für feindliche Ausrüstung“ +++
Die Lage in Nowomichailiwka im Gebiet Donezk sei „angespannt, aber unter Kontrolle“, erklärt Jaroslaw Tschepurnyi, der Sprecher der 79. separaten ukrainischen Luftlandebrigade, gegenüber dem „Kyiv Independent“, nachdem Russland behauptet hatte, das Dorf früher am Tag eingenommen zu haben. Novomykhailivka liegt im Bezirk Pokrovsk in der Region, etwa 10 Kilometer südlich des besetzten Mariinka. Russische Truppen stürmen ständig ukrainische Stellungen „mit und ohne gepanzerte Fahrzeuge“, so Chepurnyi gegenüber dem Kyiv Independent. Die 79. separate Luftlandebrigade meldete am Freitag, dass Russland in den sechsmonatigen Kämpfen um Novomykhailivka über 300 Ausrüstungsgegenstände verloren hat. Der Kampf um das Dorf dauert seit „Ende Herbst“ an und ist seitdem zu einem der „größten Friedhöfe für feindliche Ausrüstung im russisch-ukrainischen Krieg“ geworden, so die Brigade.
+++ 19:12 Schweden will mit EU-Sanktionspaket auf russische Schattentanker und LNG-Handel abzielen +++
Das bevorstehende Sanktionspaket der EU muss Russlands Fähigkeit einschränken, die Ölsanktionen durch seine Schattentankerflotte zu umgehen, sagt der schwedische Außenminister Tobias Billstrom, wie Reuters berichtete. Der europäische Block hat bereits 13 Pakete als Reaktion auf Russlands Invasion in der Ukraine verabschiedet, um Moskaus Wirtschaftsleistung und die Fähigkeit, den Krieg aufrechtzuerhalten, zu untergraben. Anfang dieses Monats sagte EU-Exekutivvizepräsident Valdis Dombrovskis, dass das 14. Paket in Arbeit sei und wahrscheinlich Maßnahmen gegen die Umgehung der Sanktionen durch Russland enthalten werde, insbesondere im Hinblick auf den Ölhandel auf dem Seeweg. „Die Verabschiedung des 14. Sanktionspakets ist eines der wichtigsten Dinge“, sagt Billstrom, als er zu einem EU-Ministertreffen in Luxemburg eintrifft. „Wir werden darauf achten, dass wir sowohl ein Importverbot für Flüssigerdgas (LNG) als auch Maßnahmen zur Eindämmung der russischen Schattenflotte einbeziehen.“
+++ 18:52 Demonstrierende Lkw-Fahrer in Polen beenden Blockade an einem Grenzübergang +++
Polnische Demonstranten haben ihre Blockade am Grenzübergang Jahodyn-Dorohusk an der polnisch-ukrainischen Grenze beendet, wie der staatliche Zolldienst der Ukraine mitteilt. Polnische Landwirte hatten im Februar begonnen, Lkw an mehreren Grenzübergängen zu blockieren, um gegen ukrainische Agrarimporte und den Green Deal der EU zu protestieren. Der staatliche Zolldienst teilt mit, dass der Verkehr ab 13:40 Uhr Ortszeit in beide Richtungen wieder aufgenommen wurde. Valentyna Chernysh, eine Sprecherin des Zollamtes der Oblast Volyn, sagt gegenüber der Nachrichtenagentur Suspilne, dass 400 Lastwagen auf der polnischen Seite der Grenze warteten und weitere 140 in einer elektronischen Warteschlange. Die Grenzblockaden scheinen zwar abzunehmen, aber der Staatliche Zolldienst teilte am Mittwoch mit, dass polnische Demonstranten den Grenzübergang Korczowa-Krakovets für zwei Tage blockieren wollten. Die vorübergehende Verlängerung der Blockade verlief wie geplant, so dass am Donnerstag 1500 Lkw in Polen anstanden.
+++ 17:51 Richter: Ob Moskaus Strategie aufgeht, „ist zweifelhaft“ +++
Die Ukraine sollte angesichts des US-Hilfspakets nicht übermütig werden, warnt Militärexperte Wolfgang Richter. Es gelte nun, die Zeit bis zum Eintreffen der Waffen durchzustehen. Russland werde diese Schwächephase gezielt nutzen, doch bisher seien keine zwingenden Vorstöße erkennbar.
Front hält, neue Waffen kommen Richter: Ob Moskaus Strategie aufgeht, „ist zweifelhaft“
+++ 17:24 Russen greifen TV-Infrastruktur in Charkiw an – Fernsehturm getroffen +++
Russische Truppen greifen die Fernseh-Infrastruktur in Charkiw an, darunter einen Fernsehturm, dessen Spitze aufgrund einer Attacke abgebrochen ist. Videos von dem Angriff kursieren in sozialen Netzwerken. Derzeit gibt es Unterbrechungen des digitalen Fernsehsignals in Charkiw, sagt Oleh Syniehubov, Leiter der lokalen Militärverwaltung. „Die Angestellten befanden sich während der Luftangriffswarnung in einem Schutzraum. Es gab keine menschlichen Opfer“, so Syniehubov. Ein Dutzend TV-Kanäle, die über den Astra-Satelliten senden, haben bereits am Mittwoch infolge eines russischen Angriffs auf das ukrainische Satellitenfernsehen ihren Sendebetrieb eingestellt.
+++ 17:01 Medien spekulieren wild über unheilbare Krankheit Kadyrows +++
Infolge eines Medienberichts sind in Russland Gerüchte um den Gesundheitszustand des Machthabers der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, wieder aufgeflammt. Der kremltreue und für seinen brutalen Umgang mit Andersdenkenden bekannte Politiker leide unter einer unheilbaren Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, schreibt die im Exil herausgegebene Zeitung „Nowaja Gaseta. Europa“. Aus Kadyrows Machtapparat, der ähnliche Gerüchte vor einigen Monaten dementiert hat, gab es zu dem jüngsten Medienbericht zunächst keine offizielle Stellungnahme. Die gewöhnlich gut informierte Zeitung „Nowaja Gaseta“ hingegen schreibt: „Der Gesundheitszustand des 47-jährigen Ramsan Kadyrow lässt keine Hoffnung auf Heilung. Und Moskau muss nun operativ entscheiden, wie die Stabilität gewahrt wird, wenn der harte tschetschenische Diktator nicht mehr ist.“
+++ 16:30 Militär: Mehr als 20.000 russische Soldaten wollen Tschassiw Jar stürmen +++
Etwa 20.000 bis 25.000 russische Soldaten versuchen, Tschassiw Jar und die Siedlungen in den Außenbezirken der Stadt zu stürmen, sagt der Sprecher der Chortyzia-Truppengruppe, Nasar Woloschyn, im ukrainischen Fernsehen. Tschassiw Jar liegt etwa 10 Kilometer westlich von Bachmut im Gebiet Donezk und 50 Kilometer nördlich von Awdijiwka, Städten, die Russland im Mai 2023 beziehungsweise Februar 2024 erobert hat. Nach Angaben des ukrainischen Militärs konzentrieren sich die russischen Truppen auf die Gegend um Tschassiw Jar, die sie als entscheidend für weitere Vorstöße in Richtung Kostiantynivka, Kramatorsk und Slovjansk betrachten. Ukrainische Truppen kämpfen mit dem 217. Garde-Luftlande-Regiment der 98. Garde-Luftlandedivision in der Nähe von Tschassiw Jar gegen russische Fallschirmjäger, sagt Voloshyn.
+++ 15:57 Für Generalinspekteur der Bundeswehr bedeutet Militär-Übung Quadriga „militärische Zeitenwende“ +++
Es ist die größte deutsche Militärübung seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine: Heute ist die Übung Quadriga in ihre Schwerpunkt- und damit letzte Phase gegangen. Während des Übungsteils „Grand Quadriga“, der bis Ende Mai dauert, werden Soldaten und Soldatinnen der 10. Panzerdivision der Bundeswehr und Gefechtsfahrzeuge nach Litauen verlegt. Vor Ort wird es eine Abschlussübung geben. Etwa auf Deutschlands Straßen und Schienen soll es deshalb nun voller und lauter werden: „In den kommenden Wochen werden wir der Bevölkerung schon einiges zumuten“, sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, in Berlin. „Das ist die Zeitenwende, mindestens die militärische Zeitenwende“, sagt Deutschlands höchstrangiger Soldat. Die Bundesrepublik habe Schritte in Richtung Kriegstüchtigkeit gemacht. „Die Bundeswehr muss gerade in diesen Zeiten üben, üben und nochmals üben. Jeder Handgriff muss in diesem Handwerk auch sitzen.“ Mehr dazu lesen Sie hier.
+++ 15:31 Duda: Polen ist bereit für alliierte Atomwaffen auf seinem Territorium +++
Polen sei bereit und willens, NATO-Verbündeten die Stationierung von Atomwaffen auf seinem Territorium zu gestatten, sagt der polnische Präsident Andrzej Duda in einem Interview. Im Gespräch mit der polnischen Boulevardzeitung „Fakt“ hebt Duda hervor, dass Russland bereits ähnliche Schritte mit seinen eigenen Verbündeten unternommen und im vergangenen Jahr taktische Atomwaffen an Weißrussland geliefert habe. Duda sagt, das Thema der Stationierung von US-Atomwaffen in Polen sei „schon seit einiger Zeit ein Thema in polnisch-amerikanischen Gesprächen“. „Wenn unsere Verbündeten beschließen, Atomwaffen als Teil der nuklearen Teilhabe auch auf unserem Territorium zu stationieren, um die Sicherheit der Ostflanke der NATO zu stärken, sind wir dazu bereit“, sagt er. „Wir sind ein Verbündeter im Nordatlantischen Bündnis, und wir haben auch Verpflichtungen in dieser Hinsicht, d.h. wir setzen einfach eine gemeinsame Politik um.“
+++ 14:30 Prag will Bewegungsfreiheit russischer Diplomaten weiter einschränken +++
Die Tschechische Republik wird vorschlagen, die Bewegungsfreiheit russischer Diplomaten innerhalb der Länder des Schengen-Raums erneut einzuschränken. Der Vorstoß geht auf den tschechischen Außenminister Jan Lipavský zurück, berichtet die European Pravda. Lipavský bezieht sich damit auf die Festnahmen von zwei russischen Agenten in Deutschland, die der Spionage und Sabotage verdächtigt werden. Er will das Thema bei der Sitzung des EU-Rates für Auswärtige Angelegenheiten am Montag in Luxemburg ansprechen. Nach dem tschechischen Vorschlag hätten russische Diplomaten oder Geheimagenten, die sich als Diplomaten ausgeben und für einen kurzen Zeitraum nach Europa kommen, nicht das Recht, in ein anderes EU-Land einzureisen als in das, das ihnen das Visum erteilt hat.
+++ 13:59 Europäer sollen Kiew mehr Patriot-Systeme liefern – Polen ist blank +++
Polen erteilt der Lieferung weiterer Patriot-Luftabwehrsysteme an die Ukraine eine Absage. Sein Land habe derzeit keine Möglichkeit dafür, sagt Ministerpräsident Donald Tusk. Er kündigt zudem an, am Dienstag NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und den britischen Premierminister Rishi Sunak zu Gesprächen in Warschau zu empfangen. Die Ukraine fordert angesichts der verstärkten russischen Raketen- und Drohnen-Angriffe der vergangenen Wochen seit längerem von ihren westlichen Verbündeten mehr Waffen für die Luftabwehr.
+++ 13:37 Großfeuer in russischer Fabrik: Drei Tote +++
Bei einem Brand in einem Maschinenbaubetrieb in der südrussischen Stadt Woronesch sind drei Menschen getötet und zwei verletzt worden, teilt das russische Ministerium für Notfallsituationen laut „Moscow Times“ mit. In Videos in sozialen Medien ist zu sehen, wie dichter schwarzer Rauch aus einem zweistöckigen Industriegebäude aufsteigt und sich auf die umliegenden Straßen ausbreitet. Das Feuer erfasst rund 500 Quadratmeter Fläche des Maschinenbaubetriebs Enikmash, der Schmiedepressen herstellt, berichtete der staatliche Rundfunk Vesti Voronezh. Die Ursache des Brandes ist nicht bekannt. Es ist offen, ob die Ukraine die Fabrik möglicherweise mit Drohnen angegriffen hat. Die Region Woronesch war bereits mehrfach Ziel von Attacken. Allerdings wurden dabei in der Regel militärische Ziele oder die Energieinfrastruktur angegriffen.
+++ 13:13 Kiews Geheimdienstchef: Russen haben bei Ausrüstung keinen Bedarf an Qualität +++
Seit Beginn des Krieges seien die russischen Infanteristen zwar besser ausgerüstet, aber die Qualität ihres Materials habe sich verschlechtert, sagt der Chef des ukrainischen Geheimdienstes (HUR), Kyrylo Budanov, in einem Interview mit der BBC. „Es gibt kaum neue Ausrüstung, es gibt nicht genug“, sagt Budanow. „Es ist alles reparierte, wiederhergestellte Ausrüstung aus den Langzeit-Waffenlagern. Es hat keinen Sinn, dort über Qualität zu reden, und es gibt dort auch keinen Bedarf an Qualität.“ Der HUR-Chef äußert sich auch zur Qualität des Personals der russischen Armee: Diejenigen, die 2022 am Krieg teilgenommen hätten, seien „echte Profis, Auftragnehmer mit normaler Kampferfahrung“ gewesen, aber seither gebe es fast keine mehr von ihnen. Russland kämpfe derzeit mit zwangsverpflichteten Soldaten, fügt Budanow hinzu.
+++ 12:48 Russen rücken an: Lage bei Tschassiw Jar unklar +++
Die russischen Streitkräfte fassen zuletzt zwar in der Umgebung des Dorfes Bohdaniwka, drei Kilometer nordöstlich von Tschassiw Jar, Fuß, aber die Behauptungen Moskaus vom Wochenende, das Dorf sei vollständig eingenommen worden, sind unbestätigt. In einer Analyse des „Institute for the Study of War“ (ISW) heißt es, es gebe keine visuelle Bestätigung dafür, dass das Dorf vollständig unter russischer Kontrolle stehe, und einige kremlnahe Quellen berichten, die ukrainischen Streitkräfte halten noch immer Boden im Norden und Nordwesten. Ein Offizier der ukrainischen Nationalgarde sagt am Sonntag in einem Interview mit dem staatlichen Rundfunk Suspline, dass die russischen Truppen „sehr erfolgreich in Richtung Tschassiw Jar vorrücken“. „Man muss wissen, dass die Außenbezirke der Stadt vor einem Jahr praktisch zerstört wurden, es gibt keine festen Befestigungen“, so Offizier Wolodymyr Tscherniak. „Jetzt, nachdem es dem russischen Militär gelungen ist, in der Gegend von Bohdaniwka Fuß zu fassen, haben sie alle möglichen Mittel dorthin gezogen und sich gut eingegraben.“
+++ 11:24 Retourkutsche: Russischer Politiker droht, westliche Vermögen in Russland einzufrieren +++
Der russische Unterhaus-Vorsitzende und enge Verbündete von Präsident Wladimir Putin, Wjatscheslaw Wolodin, droht mit der Beschlagnahme westlicher Vermögenswerte in seinem Land. „Washington hat ein Gesetz zur Konfiszierung russischen Vermögens verabschiedet, um die EU zu provozieren, denselben Schritt zu unternehmen, der verheerende Folgen für die europäische Wirtschaft haben wird“, sagt der Duma-Vorsitzende und fügt hinzu: „Unser Land hat jetzt allen Grund, symmetrische Entscheidungen in Bezug auf Auslandsvermögen zu treffen.“ Er erläutert, dass im Ausland russische Vermögenswerte im Volumen von 280 Milliarden Dollar eingefroren seien. Nur ein Anteil von 5 bis 6 Milliarden Dollar befände sich in den USA, in der Europäischen Union seien es 224 Milliarden Dollar (210 Milliarden Euro).
+++ 10:55 Munz: Medwedew wünscht den USA zweiten Bürgerkrieg +++
Die USA schnüren nach langer Blockade durch die Republikaner im Repräsentantenhaus ein neues Hilfspaket für die Ukraine. In Russland löst der Schritt erwartungsgemäß Empörung aus. Besonders giftig reagiert Ex-Präsident Dimitrij Medwedew. Moskau-Korrespondent Rainer Munz fasst die Reaktionen zusammen.
Russische Reaktionen auf US-Hilfen Munz: Medwedew wünscht den USA zweiten Bürgerkrieg
+++ 10:27 Auch wegen Russlands Cyber-Krieg: Verfassungsschutz hat so viel zu tun wie noch nie +++
Wegen der vielen internationalen Krisen hat der Verfassungsschutz in Deutschland nach Angaben von Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang so viel zu tun wie lange nicht. „Wir haben eine Dichte an Vorfällen aus den unterschiedlichen Bearbeitungsbereichen meines Hauses, wie wir sie seit vielen Jahren, vielleicht in der Geschichte dieses Amtes noch nie wahrgenommen haben“, sagt Haldenwang im ARD-„Morgenmagazin“. Russland etwa sei ein „sehr aggressiver Player“, so Haldenwang, nicht erst seit Beginn des Ukraine-Kriegs. „Spionage, Cyberangriffe, Einflussoperationen seit langer Zeit“ und seit Beginn des Kriegs mit besonderer Intensität, zählt er auf. Russland achte dabei auf richtige Zeitpunkte. Aktuell stehe die Europawahl an. „Hier werden tatsächlich Einflussaktivitäten wie Desinformationskampagnen sichtbar, aber eben auch die Einflussnahme auf bestimmte Politiker unterschiedlicher Parteien“, warnt der Verfassungsschutzpräsident. „Da müssen wir natürlich sehr genau hinschauen.“
+++ 09:55 Lawrow zu Unterstützung des Westens: Führt nahe an Auseinandersetzung von Atommächten +++
Russlands Außenminister Sergej Lawrow wirft dem Westen vor, sich mit seiner Unterstützung für die Ukraine gefährlich nahe am Rande einer direkten militärischen Auseinandersetzung zwischen den Atommächten zu bewegen. Die USA und die NATO seien von der Idee besessen, Russland eine „strategische Niederlage“ zu bereiten. Solch eine Konfrontation berge das Risiko, dass es zu einer erhöhten nuklearen Gefahr kommen könnte.
+++ 09:02 Melnyk fordert Verzehnfachung europäischer Waffenlieferungen +++
Nach der Billigung des rund 60 Milliarden Dollar schweren Ukraine-Hilfspakets durch das US-Repräsentantenhaus fordert der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, eine Verzehnfachung der europäischen Waffenlieferungen. Melnyk sagt den Zeitungen der Funke Mediengruppe mit Blick auf das Votum der amerikanischen Abgeordneten: „Das ist eine historische Entscheidung. Wir hoffen, dass die US-Militärhilfen auch in Zukunft fortgesetzt und massiv ausgebaut werden.“ Melnyk ergänzt: „Gleichzeitig rufen wir die Europäer – vor allem unsere deutschen Verbündeten – auf, diesen Beschluss Washingtons als Ansporn zu sehen, um eigene Waffenlieferungen zu verzehnfachen.“ Melnyk, der von 2015 bis 2022 ukrainischer Botschafter in Deutschland war und jetzt sein Land in Brasilien vertritt, sagt den Funke-Titeln: „Es wäre fatal, wenn die Europäer sich auf ihren Lorbeeren ausruhen und sich aus der Verantwortung drücken würden. Ganz im Gegenteil: ukrainische Soldaten an der Front erwarten, dass unsere europäischen Partner erst recht jetzt Gas geben und neue milliardenschwere Waffenlieferungen sofort auf den Weg bringen.“
+++ 08:31 Sharma: „Russen wollen Tschassiw Jar zeitnah einnehmen“ +++
In die Erleichterung über die Freigabe der US-Hilfen mischt sich in der Ukraine auch Kritik: Zu viele Verluste habe man durch die verzögerte Freigabe in Kauf nehmen müssen. Russlands Streitkräfte ziehen die Schlinge um Tschassiw Jar enger. ntv-Reporterin Kavita Sharma berichtet aus Pokrowsk.
Ukraine erleichtert über US-Hilfe Sharma: „Russen wollen Tschassiw Jar zeitnah einnehmen“
NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE
ROUNDUP: Neue Ukraine-Hilfe naht aus Washington und London – Nacht im Überblick
WASHINGTON/KIEW (dpa-AFX) – Kurz vor der Abstimmung im US-Senat über ein neues Ukraine-Hilfspaket hat US-Präsident Joe Biden dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schnelle Unterstützung in Aussicht gestellt. Biden habe am Montag mit seinem Kollegen telefoniert, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses. Selenskyj sagte später in seiner abendlichen Videoansprache, bei dem Gespräch seien Details zur Lieferung neuer reichweitenstarker Raketen vom Typ ATACMS „finalisiert“ worden. Ein weiteres großes Militärpaket sagte derweil auch Großbritannien zu.
Biden verspricht Selenskyj schnelle Unterstützung – Einigung bei ATACMS
Sobald der Senat das Gesetz verabschiedet und Biden es unterzeichnet habe, werde seine Regierung „schnell neue Sicherheitshilfen bereitstellen, um den dringenden Bedarf der Ukraine auf dem Schlachtfeld und in der Luftverteidigung zu decken“, teilte das Weiße Haus mit. Das US-Repräsentantenhaus hatte am vergangenen Samstag nach monatelangem Stillstand ein Hilfspaket von 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) gebilligt, das auch dringend benötigte Waffenlieferungen zur Verteidigung gegen Russland enthält. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher.
Bei seinem Telefonat mit Biden seien am Montag nun auch Details zur Lieferung neuer reichweitenstarker Raketen vom Typ ATACMS „finalisiert“ worden, verkündete Selenskyj. Bisher haben die USA ATACMS mit einer gedrosselten Reichweite von 165 Kilometern geliefert. Die Ukraine wünscht sich aber einen Raketentyp mit einer Reichweite von 300 Kilometern, um auch Ziele weit hinter der Front angreifen zu können. Selenskyj machte am Montag keine Angaben dazu, welches Modell ATACMS die USA liefern wollen.
Großbritannien verspricht großes Hilfspaket
Eine neue Hilfszusage kam derweil auch aus London: Großbritannien versprach der Ukraine sein bisher größtes Hilfspaket mit Dutzenden Kampfbooten, Hunderten Fahrzeugen, mehr als 1600 Raketen und Millionen Schuss Munition. „Die Verteidigung der Ukraine gegen die brutalen Ambitionen Russlands ist für unsere Sicherheit und für ganz Europa von entscheidender Bedeutung“, sagte der britische Premierminister Rishi Sunak einer Mitteilung zufolge vor einem Besuch in Polen. „Sollte (Kremlchef Wladimir) Putin in diesem Angriffskrieg Erfolg haben, wird er nicht vor der polnischen Grenze Halt machen.“
Fernsehturm in Charkiw nach russischem Angriff zerstört
In der ostukrainischen Großstadt Charkiw wurde der Fernsehturm bei einem russischen Angriff stark beschädigt. Auf Videos in sozialen Netzwerken war am Montag zu sehen, wie die Spitze des 240 Meter hohen Turms in die Tiefe stürzte. Selenskyj forderte vor diesem Hintergrund in seiner Abendansprache erneut mehr internationale Hilfe bei der Luftverteidigung ukrainischer Städte. Er erklärte zudem, dass die Arbeiten zur Wiederherstellung des Fernsehempfangs bereits liefen.
Das wird am Dienstag wichtig
Nach dem Repräsentantenhaus muss die zweite Parlamentskammer im US-Kongress, der Senat, über ein milliardenschweres Hilfspaket mit dringend benötigten Waffenlieferungen für die von Russland angegriffene Ukraine abstimmen. Nach der Debatte am Dienstag findet die finale Abstimmung voraussichtlich am Mittwoch statt.
In Warschau will sich unterdessen der britische Premierminister Sunak mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg treffen, um über weitere Unterstützung für die Ukraine zu sprechen./haw/DP/zb
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ROUNDUP 2/Druck bei EU-Treffen: Bundesregierung fordert Flugabwehr für Ukraine
LUXEMBURG (dpa-AFX) – Die Bundesregierung hat bei einem EU-Treffen in Luxemburg mit Nachdruck für die deutsche Initiative zur Lieferung zusätzlicher Flugabwehrsysteme an die Ukraine geworben. „Wir von deutscher Seite (…) appellieren eindringlich (…), dass jeder noch einmal in seine Bestände schaut und sichtet, wie die Luftverteidigungsunterstützung ausgebaut werden kann“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Montag. Russland greife ganz gezielt auch die zivile Infrastruktur an.
Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller erklärte, die aktuelle Lage mache deutlich, dass die Ukraine mehr Schutz brauche. Im besten Fall könnten künftig Luftangriffe aus weiterer Distanz abgewehrt werden – „also noch bevor russische Flugzeuge ihre Waffen einsetzen können“.
Deutschland hatte bereits vor rund einer Woche die Lieferung eines zusätzlichen Flugabwehrraketensystems vom Typ Patriot angekündigt. Es dient zur Bekämpfung von Flugzeugen, taktischen ballistischen Raketen und Marschflugkörpern.
Der per Videokonferenz zugeschaltete ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte die in Luxemburg versammelten Kolleginnen und Kollegen der EU-Staaten auf, nicht zu debattieren, sondern zu handeln. „Wenn wir gemeinsam und ohne Angst agieren, können wir die schlimmsten Szenarien verhindern“, sagte er. Es brauche konkrete und mutige Entscheidungen, um der Ukraine so schnell wie möglich zusätzliche Patriot- und Samp/T-Systeme zur Verfügung zu stellen. Zudem würden auch Raketen, Artillerie und Munition sowie andere Waffen und Ausrüstung gebraucht.
Neue Bedrohungslage
Aus dem Verteidigungsministerium in Berlin hatte es bereits vor einigen Tagen geheißen, die ukrainischen Partner hätten eine veränderte Bedrohungslage gemeldet. Russland nutzt demnach zunehmend industriell produzierte Gleitbomben, die aus großem Abstand von Kampfflugzeugen abgeschossen werden können. Dementsprechend verlagere sich auch das Abwehrgeschehen.
Gegen die mit Flügeln ausgestatteten Gleitbomben hat die ukrainische Seite bislang nicht ausreichend Abwehrmöglichkeiten. Ein Gegenmittel wären mehr Patriot-Flugabwehrsysteme, die mit ihrer Reichweite russische Flugzeuge auf Abstand halten könnten, was aus Sicht von Militärexperten erfolgversprechend wäre. Die drei Systeme, über die Kiew verfügt, werden aber benötigt, um die eigene Rüstungsproduktion und Infrastruktur vor russischen Raketenangriffen zu schützen. Die Ukraine bräuchte also mehr davon.
Verheerende Wirkung von Gleitbomben
Zuletzt setzte Russland nach ukrainischer Zählung täglich mehr als 100 Gleitbomben mit einem Gewicht von 250, 500 oder mehr Kilogramm gegen ukrainische Stellungen ein. Trotz der laut Berichten nicht sehr hohen Präzision werden durch die Detonationen Soldaten in einem größeren Umkreis kampfunfähig gemacht. Ausgebaute Befestigungen werden komplett zerstört.
Aufgrund der geringen Zahl an weitreichenden Flugabwehrsystemen, die auch ballistische Raketen abschießen können, sind auch russische Raketenschläge im ukrainischen Hinterland immer wieder erfolgreich. Seit Mitte März wurden mehrere Wärmekraftwerke und mindestens ein Wasserkraftwerk zumindest stark beschädigt. Für den Sommer wird bereits vor größeren Stromabschaltungen gewarnt.
Hoffen auf die Kontaktgruppe
Konkrete Zusagen für neue Luftverteidigungssysteme für die Ukraine gab es bei dem EU-Treffen am Montag zunächst nicht. Länder wie Spanien, Schweden, Italien und die Niederlande deuteten aber Unterstützungswillen für die deutsche Initiative an. Mit konkreten Ankündigungen wird spätestens bei der nächsten Sitzung der US-geführten Kontaktgruppe zur Koordinierung der internationalen Militärhilfe für die Ukraine gerechnet. Die Teilnehmer des sogenannten Ramstein-Formats wollen sich nach Angaben von Diplomaten am kommenden Freitagnachmittag per Videokonferenz zusammenschalten, wenn bis dahin das geplante neue US-Unterstützungspaket im Wert von 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) endgültig beschlossen ist.
Dass das US-Repräsentantenhaus dem Hilfspaket am Wochenende nach langer Blockade zustimmte, wertete Außenministerin Baerbock am Montag als großen Durchbruch. „Das ist nicht nur ein guter und wichtiger Moment für die Ukraine, sondern das ist auch ein wichtiger Moment für die Sicherung der Europäischen Friedensordnung“, sagte sie. Der russische Präsident Wladimir Putin nutze derzeit alle vorhandenen Mittel dafür, um die Ukraine zu zerstören und die europäische Friedensordnung anzugreifen./aha/DP/ngu
Wann kommt der militärische Nachschub für Kiew? ISW erwartet russische Offensive – 22.4.2024, 17:26
Wie stark eine mögliche russische Frühjahrsoffensive sein wird, hängt auch davon ab, wie schnell der westliche Militärnachschub in der Ukraine eintrifft. Derzeit sind die ukrainischen Streitkräfte extrem eingeschränkt.
Kiew erhält ein umfangreiches militärische Hilfspaket aus den USA – doch wann dies eintrifft, ist noch völlig unklar. Das Institut für Kriegsstudien (ISW) erklärte, dass Russland in den kommenden Wochen eine neue Offensive vorbereiten könnte.
Moskau habe zuletzt kleine Fortschritte entlang der Frontlinie gemacht. „Die ukrainischen Streitkräfte sind derzeit, aufgrund von Materialknappheit und Verzögerungen bei der westlichen Hilfe, extrem eingeschränkt“, sagt Riley Baily vom ISW. Sie verfügten nicht über die Fähigkeiten, die sie früher gehabt hätten, um viele der russischen Vorstöße abzuschwächen.
Nach Angaben des ISW plant Russland offenbar neue Angriffe auf wichtige Orte, darunter die strategisch wichtige Stadt Tschassiw Jar. Riley Baily erklärt, dass, wenn die russischen Streitkräfte Tschassiw Jar einnehmen würden, sie eine Position hätten, von der aus sie weitere Offensivoperationen starten könnten. „Diese Region, die Oblast Donezk bildet das Rückgrat der ukrainischen Verteidigung. Für das Frühjahr gehen wir davon aus, dass Russland weiterhin Operationen auf Tschassiw Jar hin ergreifen wird.“
Auch die Ukraine warnt schon seit einiger Zeit vor einer russischen Frühjahrsoffensive. Ihre Fähigkeit, einen solchen Vorstoß abzuwehren, hängt weitgehend davon ab, wie schnell der westliche Militärnachschub eintrifft.
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Krieg in der Ukraine: EU-Staaten wollen Patriots nicht abgeben – 22.4.2024, 14:47
Die EU hat die Mitgliedsstaaten aufgefordert, die Ukraine mit Luftabwehrsystemen zu unterstützen. Doch viele Länder zögern, ihre Patriot-Abwehrsysteme an die Ukraine abzugeben. Die Herstellung eines solchen Systems kann bis zu zwei Jahre dauern.
Die Außen- und Verteidigungsminister der Europäischen Union haben sich in Luxemburg versammelt. Auf der Tagesordnung stehen Gaza, das neue Sanktionspaket gegen den Iran und die Waffenlieferungen an die Ukraine.
Der EU-Rat will „die Fähigkeit der EU-Mitgliedsstaaten“ prüfen, „die Unterstützung für Kiew zu erhöhen“, wie Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter, erklärte.
„Wir brauchen mehr Munition. Wir brauchen mehr Raketenwerfer. Raketen ohne Abfangjäger: Das ist sinnlos. Wir müssen sie mit Abfangjägern ausstatten und mehr Raketen liefern. Lasst uns sehen, was die Mitgliedstaaten tun können“, sagte Borell.
Herstellung von Patriots dauert bis zu zwei Jahre
Die russische Luftwaffe ist stärker als die ukrainische. Doch hochentwickelte Raketensysteme, die von Kiews westlichen Partnern zur Verfügung gestellt werden, können eine große Bedrohung für die russische Luftwaffe darstellen.
Einige EU-Staaten haben bei der Zusage weiterer Patriot-Luftabwehrsysteme an die Ukraine jedoch gezögert. Die Herstellung der Patriots dauert bis zu zwei Jahre – viele Länder wollen somit nur ungern auf sie verzichten.
Deutschland hat drei Patriots bereits an die Ukraine gegeben
Deutschland hatte 12 Stück. Davon lieferte es drei an die Ukraine. Polen hat zwei Patriots und braucht sie für seine eigene Verteidigung.
Die Niederlande würden „derzeit alle Möglichkeiten prüfen“. Auf die Frage warum die Niederlande zögern, einige ihrer Patriot-Systeme zu schicken, sagte die niederländische Außenministerin Hanke Bruins Slot: „Wir sehen uns noch einmal an, ob wir unseren Vorrat, den wir noch haben, aufbrauchen können, aber das wird schwierig sein.“
Auch Schweden hat sich zögerlich gezeigt. Auf die Frage, ob sein Land einen Beitrag leisten werde, sagte der schwedische Verteidigungsminister Pål Jonson: „Ich schließe diese Möglichkeit nicht aus, aber im Moment konzentrieren wir uns auf die finanziellen Beiträge.“ Er sagte, Schweden würde andere Systeme schicken, die den Bedarf an Patriots „etwas entlasten“ könnten.
Die NATO behält stets den Überblick über die Waffenbestände ihrer 32 Mitgliedstaaten. Damit soll sichergestellt werden, dass sie in der Lage sind, ihre Verteidigungspläne im Bedarfsfall umzusetzen.
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ZENTRALBANKEN
EZB-Ratsmitglieder sehen Zinsprognosen mit Skepsis – Agentur
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Mitglieder des Rats der Europäischen Zentralbank befürchten, dass eine Veröffentlichung ihrer Zinsprognosen den Druck von der eigenen Regierung erhöhen würde, die wissen will, ob „ihr“ Zentralbanker ihrer innenpolitischen Agenda dient.
Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf informierte Personen. Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte in der vergangenen Woche vorgeschlagen, wie die US-Notenbank viermal im Jahr einen „Dotplot“ mit den Prognosen der Ratsmitglieder zum angemessenen Zinspfad zu veröffentlichen. Das würde die Kommunikation mit den Märkten verbessern.
Gespräche mit 13 Ratsmitgliedern bei der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank zeigten dem Bericht zufolge jedoch, dass fast alle der Meinung waren, dass ein solcher Schritt die wertvolle, aber fragile Unabhängigkeit von den nationalen Regierungen gefährden würde.
MELDUNGEN
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Krieg in Nahost: Demos an New Yorker Uni: Rabbi warnt jüdische Studierende
dpa – Seit Tagen demonstrieren Studierende an der renommierten Columbia University für Palästina und gegen Israel. Nun schlägt ein Rabbi Alarm: Jüdinnen und Juden seien auf dem Campus nicht mehr sicher.
New York – Nach propalästinensischen Demonstrationen auf dem Campus der Columbia University in New York hat ein Rabbi seine jüdischen Studierenden gewarnt. Wie mehrere US-Medien am Sonntagmittag (Ortszeit) übereinstimmend berichteten, schrieb Rabbi Elie Buechler: „Es schmerzt mich zutiefst, Ihnen sagen zu müssen, dass ich Ihnen dringend empfehle, so schnell wie möglich nach Hause zurückzukehren und dort zu bleiben, bis sich die Lage auf dem Campus und in der Umgebung dramatisch verbessert hat.“
In der Nacht auf Sonntag war es bei Demonstration zu heftigen antisemitischen Äußerungen gekommen, wie zahlreiche Videos auf der Plattform X (vormals Twitter) zeigen. In einem ist zu hören, wie Teilnehmer rufen: „We say justice, you say how? Burn Tel Aviv to the ground“ (deutsch: „Wir sagen Gerechtigkeit, ihr sagt wie? Brennt Tel Aviv bis auf den Grund nieder“). In einer anderen Aufnahme werden die jüdischen Studierenden aufgefordert, zurück nach Polen zu gehen. Aus Sicht des Rabbis haben die Ereignisse deutlich gemacht, dass weder die Universität noch die Polizei für die Sicherheit jüdischer Studierender garantieren könnten.
Bereits am Donnerstag hatte die Polizei ein propalästinensisches Zeltlager auf dem Campus geräumt und gut 100 Teilnehmer festgenommen. Diese hatten sich trotz mehrfacher Aufforderung geweigert, das Lager aufzulösen, wie ein Polizeisprecher bei einer Pressekonferenz sagte. Berichten zufolge war unter den Festgenommenen auch die Tochter der prominenten demokratischen Abgeordneten Ilhan Omar.
Columbia-Präsidentin Nemat „Minouche“ Shafik hatte die Polizei selbst um Hilfe gebeten. „Ich habe diesen außergewöhnlichen Schritt unternommen, weil dies außergewöhnliche Umstände sind“, schrieb sie in einer Mitteilung. „Die Personen, die das Lager errichtet haben, haben gegen eine lange Liste von Regeln und Richtlinien verstoßen.“ Laut Berichten hat sich die Lage seitdem verschlimmert.
Biden verurteilt „unverhohlenen Antisemitismus“ an US-Hochschulen
US-Präsident Joe Biden hat antisemitische Vorfälle an den Hochschulen des Landes im Zusammenhang mit der Debatte über den Gaza-Krieg als „verwerflich“ verurteilt.
„Selbst in den vergangenen Tagen haben wir Schikanen und Aufrufe zur Gewalt gegen Juden erlebt“, erklärte Biden vor dem jüdischen Pessach-Fest, das am Montagabend beginnt.
„Dieser unverhohlene Antisemitismus ist verwerflich und gefährlich – und er hat absolut keinen Platz auf dem Universitätsgelände oder irgendwo in unserem Land“, hieß es weiter. Kurz zuvor hatte der Rabbiner einer jüdischen Studentenorganisation an der renommierten New Yorker Columbia University jüdischen Studierenden empfohlen, angesichts der anhaltenden pro-palästinensischen Proteste auf dem Campus lieber zu Hause zu bleiben. Die jüngsten Ereignisse hätten „deutlich gemacht“, dass die öffentliche Sicherheitsdienste der Universität sowie die New Yorker Polizei „die Sicherheit jüdischer Studenten nicht garantieren können“, erklärte Rabbi Elie Buechler laut dem Sender CNN in einem Schreiben an etwa 300 Studenten.
Die jüdische Studierendenvereinigung Hillel erklärte jedoch im Onlinedienst X, dass jüdische Studenten den Campus nicht verlassen sollten. Vielmehr müsse die Universität „mehr tun, um die Sicherheit unserer Studenten zu gewährleisten“.
Zeltlager von Demonstranten aufgelöst
Laut der Studentenzeitung „Columbia Spectator“ war am Samstagabend „eine Gruppe von etwa zehn pro-israelischen Studenten mit Antisemitismus konfrontiert, wie aus Interviews mit Studenten und Videos hervorgeht“. Zuvor hatte die Polizei ein Zeltlager pro-palästinensischer Demonstranten aufgelöst und mehr als hundert von ihnen festgenommen, darunter die Tochter der demokratischen Abgeordneten Ilhan Omar. Nach der Weigerung der Demonstranten, das Universitätsgelände zu räumen, hatte Universitätspräsidentin Nemat Shafik die Polizei um Hilfe gebeten.
Seit dem beispiellosen Hamas-Angriff auf Israel vom 7. Oktober und dem davon ausgelösten Krieg im Gazastreifen zeigt sich an US-Eliteuniversitäten eine tiefe Spaltung mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten. Studenten, Professoren und die Verwaltung liefern sich erbitterte Auseinandersetzungen, die sich auch auf Onlinenetzwerke ausgeweitet haben. Dabei geht es um Vorwürfe des Antisemitismus, der Islamophobie und der Bedrohung der Meinungsfreiheit.
Verfahren wegen Suchtgefahr: TikToks neue Belohnungsfunktion alarmiert EU-Kommission
Videos schauen, Punkte sammeln und gegen Wertgutscheine tauschen: Seit Anfang April lockt TikTok in seiner Lite-App mit einer Belohnungsfunktion neue Nutzer an. In Europa ist sie zwar bislang nur in Frankreich und Spanien verfügbar, die EU sieht jedoch hohes Suchtpotenzial – und könnte dem Ganzen bald einen Riegel vorschieben.
Wegen der möglichen Suchtgefahr für Minderjährige hat die EU-Kommission der Videoplattform TikTok mit einer Blockade seiner neuen Belohnungsfunktion gedroht. Brüssel eröffnete nach eigenen Angaben ein Verfahren gegen TikTok wegen der „Gefahr schwerer Schäden für die psychische Gesundheit der Nutzenden“. Die Behörde könnte die neue Funktion noch in dieser Woche aussetzen.
Die Videoplattform hatte die neue App „TikTok Lite“ im April eingeführt, in Europa ist sie bislang in Frankreich und Spanien verfügbar. Die Version enthält ein Punktesystem: Wer sich anmeldet, mehrere Stunden Videos schaut oder Freunde zu TikTok einlädt, wird mit digitalen Münzen belohnt. Die Punkte können gegen geringe Beträge in Form von Gutscheinen ausgetauscht werden, etwa für den Onlinehändler Amazon.
TikTok bleibt 24-Stunden-Frist
Trotz der Risiken im Zusammenhang mit der suchterzeugenden Wirkung habe TikTok die neue Funktion „ohne wirksame Maßnahmen zur Risikominderung“ auf den Markt gebracht, teilte die EU-Kommission mit. Brüssel sei bereit, „Maßnahmen einschließlich der Aussetzung der TikTok-Lite-Funktionen“ zu verhängen, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
TikTok hat nun einen Tag Zeit, um auf die Vorwürfe aus Brüssel zu reagieren. Liefert das Unternehmen nicht die verlangten Informationen, drohen demnach bereits ab Dienstag Strafen in Höhe von bis zu einem Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Ab Donnerstag könnte die EU-Kommission die umstrittene Funktion blockieren, TikTok dürfte die App dann nur noch ohne das Punktesystem auf den EU-Markt bringen.
Onlinedienste wie TikTok, Instagram und Facebook sind unter dem EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act – DSA) verpflichtet, Minderjährige besser zu schützen und Inhalte wie Gewaltdarstellungen oder Falschinformationen schneller zu löschen. Gegen TikTok läuft bereits ein Verfahren wegen möglicher Suchtgefahren für Minderjährige auf seiner Standard-Plattform.
Quelle: ntv.de, mba/AFP
DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
Stabilisierung unter Bedingung: Verband nährt Hoffnung auf Ende der Immobilienkrise
Die Immobilienpreise dürften in diesem Jahr weiter zurückgehen. Diese Annahme hat einer der wichtigsten Finanzierer der Branche. Alles hängt aber an der Zinsentwicklung.
Die Immobilienkrise in Deutschland ist nach Einschätzung der wichtigsten Finanzierer noch nicht vorbei. Gerade bei Wohnimmobilien aber dürfte sich der Markt schon bald stabilisieren, erwartet der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP). Komme die erwartete Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB), werde das ein neues Preisgleichgewicht zwischen Immobilienkäufern und -verkäufern erleichtern, sagte VDP-Präsident Gero Bergmann in Frankfurt. Eine Preisstabilisierung dürfte bei Wohnimmobilien im zweiten Halbjahr einsetzen. Ein Ende der Preisrückgänge bei Gewerbeimmobilien erwarte man indes frühestens ab Jahresende, da der Homeoffice-Trend eine Erholung am Büromarkt verzögere. „Insgesamt ist der Boden noch nicht erreicht.“
Dieses Jahr rechnet der VDP mit einem Abflauen der Krise. Die Preisprognosen für Wohnimmobilien reichten von 0 bis minus 5 Prozent und bei minus 5 bis minus 10 Prozent bei Büros, teilte der Verband mit, der die wichtigsten Immobilienfinanzierer in Deutschland vertritt, unter anderem Deutsche Bank, Landesbanken und große Sparkassen.
Die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland waren 2023 nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 8,4 Prozent gefallen – der stärkste Rückgang im Jahresvergleich seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Hauptgrund der Krise sind kräftig gestiegene Zinsen, die Kredite verteuern. Viele Menschen können sich die eigenen vier Wände nicht mehr leisten, und für Großanleger rechnen sich Investments nicht mehr. Zugleich bleibt die Nachfrage nach Wohnraum gerade in Städten hoch, während der Neubau in der Krise steckt.
Nicht zu viel Pessimismus
Die Krise ging auch bei den Banken im VDP nicht spurlos vorbei: Die im Verband zusammengeschlossenen Geldhäuser sagten 2023 Wohnimmobilienkredite in Höhe von 64,1 Milliarden Euro zu, gut ein Drittel weniger als im Vorjahr (99,8 Milliarden Euro). Zum Jahresende habe das Neugeschäft etwas zugelegt, was auf eine Stabilisierung hindeute.
Bei der Krise um Büros, die stärker unter dem Preisverfall leiden als Wohnimmobilien, warnte der VDP vor zu viel Pessimismus. Der deutsche Büroimmobilienmarkt sei deutlich widerstandsfähiger als oft gedacht, sagte Bergmann – „auch wenn derzeit viel Unsicherheit im Markt ist“. Zudem sei die Krise in den USA nicht eins zu eins auf Europa übertragbar. Der Leerstand etwa in Nordamerika sei deutlich höher, und Mieterverträge dort liefen kürzer als hierzulande.
Wegen des Trends zum Homeoffice brauchen viele Unternehmen weniger Fläche, die Büromärkte insbesondere in den Vereinigten Staaten sind tief in die Krise gerutscht. Die Turbulenzen haben auch hierzulande Geldhäuser erfasst wie die Aareal Bank oder die Deutsche Pfandbriefbank, die ihre Risikovorsorge für faule Kredite erhöhen mussten. Quelle: ntv.de, mba/dpa
Studie warnt vor sich verschärfendem Personalmangel im ÖPNV
KÖLN (dpa-AFX) – Der Fachkräftemangel in Verkehrsberufen wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich erheblich verschärfen. Vier von zehn Bus- und Straßenbahnfahrern in Deutschland sind älter als 55 und gehen in den nächsten Jahren in Rente. Das geht aus einer jüngst veröffentlichten Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervor. „Mehr als 54 500 Bus- und Straßenbahnfahrer verlassen in absehbarer Zeit den Arbeitsmarkt. In keinem anderen Berufsfeld ist der Anteil der Beschäftigten, die kurz vor dem Ruhestand stehen, so groß“, sagte Studienautor Jurek Tiedemann. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Berufsgruppe der Bus- und Straßenbahnfahrer demnach verhältnismäßig den stärksten Anstieg beim Fachkräftemangel. 3594 Stellen konnten nicht mit passend qualifizierten Kandidaten besetzt werden, das waren 89 Prozent mehr als im Vorjahr. Dies ist laut Tiedemann auf einen erhöhten Personalbedarf infolge der Mobilitätswende zurückzuführen. Deutschlandweit gibt es aktuell rund 137 314 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die als Bus- und Straßenbahnfahrer arbeiten.
Weil viele Beschäftigte aus geburtenstarken Jahrgängen ausscheiden, erwarten die Experten in den kommenden Jahren eine insgesamt steigende Fachkräftelücke. Jeder vierte Beschäftigte in Deutschland wird der Studie zufolge in den nächsten zehn Jahren aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, darunter fallen 4,5 Millionen Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung.
„Das Problem ist: Es rücken deutlich weniger junge Beschäftigte nach, als ältere in Rente gehen“, sagte Tiedemann. Verhältnismäßig am stärksten betroffen ist der Berufsbereich Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit (29,1 Prozent aller Beschäftigten), in absoluten Zahlen der Bereich Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung: Hier gehen mehr als 1,3 Millionen qualifizierte Arbeitskräfte in Rente.
Die Studienautoren empfehlen verschiedene Maßnahmen gegen Fachkräftemangel. Arbeitgeber sollten ältere Menschen bei Stellenausschreibungen gezielter ansprechen. Außerdem sei es sinnvoll, mit einer altersgerechten Arbeitsgestaltung Anreize zu setzen, um Beschäftigte länger in Beschäftigung zu halten – sei es durch einen ergonomischen Arbeitsplatz, Angebote im Gesundheitsmanagement, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Möglichkeiten. Der Anteil der Erwerbstätigen zwischen 55 und 64 ist zuletzt gestiegen. Im Jahr 2023 lag er bei 57 Prozent, 2013 waren es 43 Prozent./cr/DP/jha Quelle: dpa-AFX
Neue Studie zeigt: Bürgergeld Erhöhung 2024 war zu niedrig! – Bürgergeld.de
Über die Erhöhung des Bürgergeldes ist viel diskutiert worden. Kritiker hielten sie für zu hoch. Jetzt zeigt eine Studie: trotz der Erhöhung konnten Kaufkraftverluste nicht ausgeglichen werden. Lesen Sie hier die Einzelheiten!
Das Wichtigste im Überblick
- Inflation ist zurückgegangen – Bürgergeld deshalb zu hoch?
- Berechnung belegen Bürgergeldempfänger haben zu wenig Geld im Portemonnaie
- Preisentwicklung in den vergangenen vier Jahren wirkt beim Bürgergeld bis in die Gegenwart
- Neuberechnung Regelsatzes durch Verbrauchsstichproben nur alle 5 Jahre
- Fazit Was folgt aus der Untersuchung?
- Quellen
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN
41 Stunden: Industrie fordert längere Arbeitszeiten
Die Industriellenvereinigung (IV) setzt der Debatte über eine Arbeitszeitverkürzung die Forderung nach einer 41-Stunden-Woche entgegen. Wohlstand entstehe nur durch Leistung, und in Österreich sei die Arbeitszeit pro Beschäftigten in den letzten Jahren schon stark zurückgegangen, argumentierte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer am Montag vor Journalisten. Die GPA sprach umgehend von einem „Affront“ gegenüber den Arbeitnehmern und Abeitnehmerinnen.
„Verstehen Sie es bitte auch als bewusstes Signal“, so Neumayer zu seinem Vorschlag einer Arbeitszeitverlängerung. Grundsätzlich wollten die Unternehmen den Schritt ohne Lohnausgleich, Details müssten aber in KV-Verhandlungen besprochen werden. Auch die „Unzahl an Feiertagen“ in Österreich sei dabei zu diskutieren, sagte Neumayer.
Junge Menschen seien anspruchsvoller bei der Jobwahl, so Neumayer. Der Anteil derer, die über die Norm hinaus Leistung erbringen wollen, sei gesunken. Man dürfe sie aber deshalb nicht in Watte packen, sondern müsse als Management Wege zu sinnstiftendem Arbeiten finden, Leistung etwa durch projekt- und zielorientiertes Arbeiten zu erzielen.
Verzicht auf „ein bis zwei Wohnungen“
Grundsätzlich müsse mehr gearbeitet werden, um den Wohlstand zu erhalten, argumentieren die Vertreter der Industrie. Der Chefökonom der IV, Christian Helmenstein, wies in dem gemeinsamen Pressegespräch darauf hin, dass vielen jungen Menschen nicht bewusst sei, dass eine Verringerung der Arbeitszeit auf 80 Prozent über das Berufsleben zu 400.000 Euro weniger Einkommen führen könne – „das ist nicht ein Mittelklassewagen, das sind ein bis zwei Wohnungen“.
Die Wirtschaftskammer hatte zuletzt in ein ähnliches Horn gestoßen und im vergangenen November eine Kampgane gestartet, die gegen eine Arbeitsverkürzung und für mehr steuerfreie Überstunden mobilmachen sollte.
GPA verweist auf gestiegene Produktivität
Die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, übte scharfe Kritik an der IV-Forderung: „Wenn man behauptet, das Problem unserer Wirtschaft sei, dass zu wenig gearbeitet werde, dann ist das eine bewusste Provokation oder ein Beweis dafür, dass man die Zeichen der Zeit nicht erkennt.“ Die wirtschaftliche Produktivität sei seit der letzten Arbeitszeitverkürzung, die schon 50 Jahre her sei, „immens gestiegen“, so Teiber.
Man wolle nicht in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückgeworfen werden, kürzere Arbeitszeit auch auf der gesetzlichen Ebene sei dagegen gerecht und ein Gebot der Stunde. „Wir wollen nicht in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückgeworfen werden“, so Teiber. Die Forderung sei auch gesamtwirtschaftlich völlig kontraproduktiv, gerade „in Zeiten einer massiven Nachfrageschwäche“ sei eine Stärkung der Einkommen gefragt.
Ähnlich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim, der in dem Vorschlag der IV „den nächsten Anschlag“ auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ sieht: „Schon jetzt“ komme „kaum jemand gesund in die Pension.“ Die Unternehmen hätten stark von der gewachsenen Produktivität der vergangenen Jahrzehnte profitiert, die Arbeitnehmer müssten „auch endlich ein Stück vom Kuchen bekommen“. Seltenheim warb entsprechend der Parteilinie für eine weitere Arbeitszeitverkürzung und eine Viertagewoche.
Konjunkturausblick bescheiden
Die IV beklagte zudem, dass die Industrie noch in einer Rezession sei und die positive Aussicht für den Herbst auch nur auf eine Stagnation hinauslaufe. Das zeige das Konjunkturbarometer für das erste Quartal 2024. Der Ausblick sei „weit überwiegend von Schatten geprägt“, so IV-Chefökonom Helmenstein. Die Industrie rechne im Moment nicht mit Wachstum, lediglich eine Stagnation sei ab Herbst ein „zarter Silberstreifen am Horizont“, so Neumayer.
Auslöser für die etwas verbesserten Aussichten sei ein Anstieg bei den Auslandsaufträgen, führte Helmenstein aus. Auch die leichte Abwertung des Euro – um drei Prozent in einem Jahr – habe entlastend gewirkt.
Mehr Flexibilität bei Lohnrunden gefordert
Die Frühjahrslohnrunden seien früher „ohne große mediale Begleitmusik“ gut gelaufen, aber die Lage habe sich nun geändert, das Umfeld sei schwieriger geworden, räumte Neumayer ein. Die Streiks bzw. 20 erfolglosen KV-Runden bei der AUA seien da „ein Fanal“ gewesen.
Der Mechanismus der Lohnrunden stamme „aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts“, davon müsse man sich lösen und mehr Flexibilität einbringen. Das hätten in Deutschland schon viele Gewerkschafter gut verstanden, „in Österreich sind wir noch nicht so weit, das ist spürbar. Aber wir stehen an einem Punkt, wo das passieren muss.“
Maßnahmen gegen Bürokratie
Ein Kostentreiber sei aus Sicht der IV der „Bürokratie-Tsunami“, wie es Neumayer nannte, der über die Unternehmen schwappe. Er habe teils in EU-Regeln und teils in österreichischen Vorgaben seinen Ursprung. Im Laufe des Jahres soll ein „Belastungsbarometer“ entwickelt werden, das konkrete Kosten der Bürokratie benennen soll. In Kürze sollen auch Vorschläge gemacht werden, wie die Berichtspflichten der Unternehmen um ein Viertel gesenkt werden könnten – entsprechende Veränderungen hatte die EU-Kommission in Aussicht gestellt.
Aus Sicht von FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger tragen „ÖVP und Grüne für diese schon sehr lange andauernde Talfahrt der österreichischen Wirtschaft die volle Verantwortung, weil diese Koalition einfach nicht in der Lage ist, wirtschaftspolitische Maßnahmen mit Weitblick zu setzen“. Die Unternehmen würden unter fehlender Planbarkeit, hohen Energiekosten und Bürokratie leiden.
Appell für russisches Gas
Ein großes Anliegen sind der Industrie Verhandlungen auf politischer Ebene über die Möglichkeit, auch nach dem Jahreswechsel russisches Gas über die Ukraine nach Österreich zu bringen. Der aktuelle Vertrag zwischen der Ukraine und Russland läuft aus, die Ukraine hat öffentlich verkündet, den Gashahn zudrehen zu wollen.
In informellen Gesprächen mit dem ukrainischen Energieminister zeigten sich aber Optionen, dass die Lieferungen weitergehen könnten, sagte Neumayer. Die Ukraine und auch Russland hätten daran finanzielles Interesse. Es müsste sich aber die heimische Politik für eine politische Lösung einsetzen. Ohne russisches Gas drohten stark steigende Gaspreise und Inflation sowie ein Rückgang der Wirtschaftsleistung, warnte die IV.
red, ORF.at/Agenturen
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Studie belegt: Österreich bei Familienleistungen EU-weit top
ine Studie des Joint Research Centers der Europäischen Kommission hat die Unterstützungsleistungen für Familien in allen EU-Staaten untersucht. Österreich belegt dabei den ersten Platz, obwohl die Daten aus den Jahren 2019 bis 2022 stammen, also bevor die Familien- und Sozialleistungen valorisiert wurden. Trotzdem fordert die Volkshilfe eine Kindergrundsicherung.
ÖSTERREICH. Zu den zentralen Ergebnissen der Studie gehört, dass Österreich mit Unterstützungsleistungen für Familien in Höhe von zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts pro Kopf führend ist, während Länder wie Spanien, Griechenland und Irland deutlich weniger investieren. Die Studie bestätigt auch, dass Österreichs Mix aus finanziellen und steuerlichen Maßnahmen erfolgreich ist und die Armutsgefährdungslücke verringert.
Mehrere Maßnahmen in Österreich
Österreich erreicht diese Spitzenposition durch eine Reihe von Maßnahmen wie die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld und den Familienbonus Plus. Seit 2023 werden alle Familienleistungen jährlich an die Inflation angepasst, was bedeutet, dass Familienbeihilfe, Mehrkindzuschlag und andere Leistungen kontinuierlich steigen.
Für 2024 bedeutet dies eine Steigerung aller Familienleistungen um 9,7 Prozent, was einer Familie bis zu 2.200 Euro mehr pro Jahr einbringt.
Familienministerin Susanne Raab betont die Verdienste Österreichs und die kontinuierliche Erweiterung und Erhöhung der Unterstützungsleistungen für Familien: „Kein Land in der Europäischen Union unterstützt Familien so sehr wie Österreich. Das ergibt sich aus der Studie des Research Center der Europäischen Kommission. Darauf können wir zurecht sehr stolz sein, denn wir haben in den letzten Jahren die Unterstützungsleistungen von der Familienbeihilfe bis zum Familienbonus Plus ausgeweitet und erhöht, um unseren Familien bestmöglich unter die Arme zu greifen. Österreich ist verdient auf Platz 1!“
Volkshilfe fordert Kindergrundsicherung
Trotzdem zeigen die Zahlen des aktuellen Sozialberichts, dass Österreich von der zu Beginn der Legislaturperiode versprochenen Halbierung der Armut weit entfernt sind. Die Volkshilfe mahnt daher zum Handeln. „Wir dürfen uns mit der Armut in Österreich nicht abfinden. Wir haben einen enormen Handlungsbedarf bei der Armutsbekämpfung. Das wird eine Mammutaufgabe für die nächste Regierung. Die Abschaffung von Kinderarmut muss endlich Priorität haben.“, so Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich.
In punkto armutsvermeidender Maßnahmen, verweist die WU auch auf die Wirkung monetärer Transfers und die Wichtigkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen, die besonders für einkommensschwache Haushalte ein Hebel zur Vermeidung von Armut seien. “Das alles fordern wir schon seit vielen Jahren: den Ausbau von kostenfreier Kinderbetreuung und die Einführung einer Kindergrundsicherung, die jedem Kind in Österreich ein Aufwachsen ohne Armut garantiert”, so Fenninger.
- Armutsbekämpfung – Amnesty-Bericht kritisiert Hürden bei Sozialhilfe
- Valorisierung – Sozial- und Familienleistungen steigen 2024 um 9,7 Prozent
- Fachleute fordern – Vermögenssteuer soll soziale Gleichheit fördern
Adelsbezeichnung: Nach Künsberg Sarre: Nächste Runde im Streit um „von“-Namen – Die Presse, ZAHLPFLICHT
Der Verfassungsgerichtshof lässt die amtswegige Streichung einer über viele Jahre geführten Adelsbezeichnung aus dem Namen zu, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dies im Fall Künsberg Sarre verbot.
Eine Zeit lang hatte es so ausgesehen, als könnten Österreicher, die seit vielen Jahren ein „von“ in ihrem Namen tragen, davor geschützt sein, es durch einen behördlichen Eingriff zu verlieren. Darauf hatte das Urteil „Künsberg Sarre“ des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Jänner 2023 hingedeutet. Doch die kürzlich ergangene erste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) mit Bezug auf dieses Straßburger Urteil spricht eine andere Sprache. …
MEDIZIN
ECDC warnt vor erneutem Anstieg impfpräventabler Krankheiten
Solna – Nachdem die Zahlen impfpräventabler Krankheiten während der COVID-19-Pandemie zurückgegangen waren, steigen die Zahlen wieder. Das Europäische Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) veröffentlichte heute dazu anlässlich der Europäischen Impfwoche neue Daten. Demnach kam es etwa zu einer Zunahme bei Masern und Keuchhusten.
„Es ist entmutigend zu sehen, dass Länder in der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EU/EWR) und weltweit trotz jahrzehntelanger, gut dokumentierter Erfolgsbilanz in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen immer noch mit Ausbrüchen mehrerer durch Impfungen vermeidbarer Krankheiten konfrontiert sind“, kritsierte Andrea Ammon, ECDC-Direktorin.
Im Jahr 2023 begann die Zahl der Masernfälle zu steigen – ein Trend, der sich in mehreren EU-Mitgliedstaaten fortsetzte. Zwischen März 2023 und Ende Februar 2024 wurden mindestens 5.770 Masernfälle gemeldet, darunter mindestens 5 Todesfälle in Rumänien.
Über dem EU/EWR-Durchschnitt von 12,7 Fällen pro eine Millionen Einwohnenden wurden aus Rumänien (241,3), Liechtenstein (76,3) und Österreich (42,1) gemeldet. Der Großteil der Fälle war nicht oder nicht ausreichend geimpft. Nur 4,3 Prozent erkrankten trotz Impfung mit zwei oder mehr Dosen.
Die höchsten Melderaten wurden bei Säuglingen unter einem Jahr (172,0 Fälle pro 1 Million) und Kindern im Alter von 1 bis 4 Jahren (120,1 Fälle pro eine Million) beobachtet. Bei Säuglingen unter einem Jahr besteht das höchste Risiko, da sie zu jung für eine Impfung sind.
Ihr Schutz kann nur durch die Immunität der Gemeinschaft gewährleistet werden. Masern verbreiten sich sehr leicht, daher ist eine hohe Durchimpfungsrate von mindestens 95 Prozent der Bevölkerung, die mit zwei Dosen des masernhaltigen Impfstoffs geimpft ist, unerlässlich, um die Übertragung zu unterbrechen.
Hinweise auf eine Verzehnfachung der Pertussisfälle
Seit Mitte 2023 wurde in mehreren EU-/EWR-Ländern zudem ein Anstieg der Pertussis-Fälle gemeldet, wobei vorläufige Daten auf einen mehr als zehnfachen Anstieg der Fälle in den Jahren 2023 und 2024 im Vergleich zu 2022 und 2021 hinweisen. Sabrina Bacci, Head of Vaccine-Preventable Diseases and Immunisation bei der ECDC, berichtete von 35.000 Fällen in 2023 und 25.000 in 2024.
Für Deutschland liegen die Zahlen im Jahr 2022 laut ECDC-Report bei fast 2.000 bestätigten Fällen (Rate: 1,4 pro 100.000 Einwohnende). In den Jahren vor der Pandemie (2018 und 2019) lag die Rate bei 15,1 beziehungsweise 11,4 pro 100.000.
Auch Neugeborene und Kleinkinder, die zu jung für eine vollständige Impfung sind, haben ein erhöhtes Erkrankungs- und Mortalitätsrisiko. Um sie optimal zu schützen, müssen alle empfohlenen Impfungen rechtzeitig verabreicht werden. Eine Impfung während der Schwangerschaft kann auch Kleinkinder schützen.
Bei allen durch Impfungen vermeidbaren Krankheiten sollte insbesondere auch auf gefährdete und unterversorgte Bevölkerungsgruppen geachtet werden, heißt es in der Presseerklärung der ECDC. Als Beispiel werden etwa Geflüchtete oder Migrantinnen und Migranten genannt. © gie/aerzteblatt.de
COVID-19: Booster hält länger als Grundimmunisierung
Toronto – Eine Auffrischung erzielt bei der COVID-19 Impfung eine fast doppelt so lange Schutzwirkung wie die Grundimmunisierung. Dies ergeben Berechnungen kanadischer Mathematiker in Scientific Reports (2024: DOI: 10.1038/s41598-024-58811-3).
Die mRNA-Impfstoffe haben seit Anfang 2021 viele Menschen vor einer Erkrankung an COVID-19 geschützt. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Antikörper-Titer schon bald wieder zurückgingen, so dass regelmäßig Auffrischungen (Booster) erforderlich sind, um den Immunschutz aufrecht zu erhalten. Die Erstimpfung hat jedoch zur Bildung von Gedächtniszellen geführt, die bei den folgenden Impfungen eine längere Schutzwirkung versprechen.
Ein Mathematiker-Team um David Dick von der York Universität in Toronto hat hierzu die Daten der kanadischen „COVID Immunity Task-Force“ ausgewertet, die immunologische Befunde zu 152 geimpften Patienten gesammelt hat, von denen 137 an einer Auffrischung teilnahmen. Die Halbwertzeit der Antikörper-Titer betrug nach der Grundimmunisierung median 63 Tage und nach der ersten Boosterung 115 Tage. Die Forscher ermittelten einen signifikanten Anstieg um 71 % bis 84 %.
Die Dauer der Schutzwirkung nahm mit dem Alter ab. Dieser Effekt verschwand allerdings, wenn die Begleiterkrankungen berücksichtigt wurden. Dick spricht in diesem Zusammenhang von einem chronologischen und einem immunologischen Alter. Gesunde Senioren könnten ihren Immunschutz auch im Alter erhalten, wenn sie Erkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes durch einen gesunden Lebensstil vermeiden.
Unter den Begleiterkrankungen verkürzten vor allem Lungenerkrankungen und chronische neurologische Erkrankungen die Dauer der Schutzwirkung, der Einfluss einer Hypertonie oder einer Krebserkrankung war deutlich geringer.
Interessanterweise erzielten die Impfungen bei Asthma-Erkrankungen eine längere Schutzwirkung. Dick führt dies auf eine vermehrte Aktivität von Typ-2-T-Helferzellen zurück, die die Bildung von Antikörpern in den B-Zellen fördern. Dies wurde allerdings in der Studie nicht näher untersucht.
Auch ein männliches Geschlecht hatte nach Berücksichtigung anderer Faktoren einen günstigen Einfluss auf die Dauer der Schutzwirkung. Auch hier sind die Gründe laut Dick unklar. © rme/aerzteblatt.de
„Es ist davon auszugehen, dass sich Pilzinfektionen auch in unseren Breitengraden weiter ausbreiten“
Graz – Pilzinfektionen breiten sich aus, Resistenzen nehmen zu. Auch das ist eine Folge des Klimawandels. Ehemalige Pflanzenpathogene werden gefährlich für Menschen und auch immunkompetente Personen sind vermehrt von Pilzinfektionen betroffen. Eine Rolle dabei spielen nicht nur steigende Temperaturen, sondern auch Naturkatastrophen.
Der Infektiologe und Forscher Martin Hönigl von der Universität Graz hat dazu gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen eine Übersichtsarbeit veröffentlicht (The Lancet Microbe 2024; DOI: 10.1016/S2666-5247(24)00039-9). Das Deutsche Ärzteblatt hat mit ihm über neue Resistenzen und Infektionen gesprochen, die sich auch in unseren Breitengraden ausbreiten.
Fünf Fragen an Martin Hönigl, Klinische Abteilung Infektiologie an der Medizinischen Universität Graz
Welchen Einfluss haben Naturkatastrophen auf Pilzinfektionen?
Es gibt mehrere Mechanismen wie Naturkatastrophen, die Pilzerkrankungen auslösen können. Zum einen führen Naturkatastrophen zu dramatischen Verletzungen beim Menschen. Über Wunden können Pilze leichter in den Organismus eintreten und schwere Infektionen auslösen. Zusätzlich werden Pilzsporen durch Naturkatastrophen mit dem Wind verbreitet. Das sieht man zum Beispiel in den USA: Nach Stürmen und Waldbränden kommt es vermehrt zu pulmonalen Mykosen.
Diese betreffen nicht nur Menschen mit direkter Exposition am Ort des Brandes sondern auch die Küstenregionen, wo die Sporen über Wind und Asche hingetragen werden (Science 2020 DOI: 10.1126/science.abe8116, Lancet Plan Health 2023, DOI: 10.1016/S2542-5196(23)00046-3). Ein weiteres Problem sind Überschwemmungen. Wenn Menschen danach in feuchte Häuser zurückkehren, kann es noch Monate oder Jahre nach der Katastrophe zu Pilzinfektionen kommen.
Das hat sich auch in Houston gezeigt, wo es 2017 einen Hurrikan mit starken Überschwemmungen gegeben hatte. In den Jahren danach erkrankten vermehrt Menschen an pulmonalen Schimmelpilzinfektionen (Environ Sci Process Impacts 2021 DOI: 10.1039/d1em00202c). Im Fall vom Hochwasser muss man die Häuser vorher richtig reinigen und trocknen.
Kann man das auch im Ahrtal beobachten?
Genau kann man das leider nicht sagen. Gerade die allergischen Erkrankungen, welche durch Pilzexposition getriggert werden, treten nicht sofort, sondern erst Monate bis Jahre später auf. Die Pilzerkrankungen sind allerdings nicht meldepflichtig und es gibt in Deutschland und Österreich keine Surveillancesysteme dafür. Es ist aber davon auszugehen, dass sich Pilzinfektionen auch in unseren Breitengraden weiter ausbreiten.
Gehören Pilze also zu den Gewinnern des Klimawandels?
Auch Pilze leiden unter dem Klimawandel. Allerdings sind sie teilweise adaptionsfähiger als Menschen. Im Vergleich sind sie also schon Gewinner. Pilze können sich an den Hitzestress und auch an den UV-Stress adaptieren und erhöhen dadurch ihre Virulenz.
Der Klimawandel sorgt dafür, dass Pilzinfektionen zu einer größeren Bedrohung für Menschen werden. Zudem gibt es durch den Klimawandel mehr und virulentere Pflanzenpathogene, die zu Ernteverlust und zu einem erhöhten Einsatz von Fungiziden führen.
Durch entstehende Resistenzen werden immer neue Substanzen verwendet. Diese sind allerdings teilweise identisch mit Antimykotika, die gerade in Zulassungsverfahren zur Therapie bei Menschen sind. Ein Beispiel dafür sind Azole. Es gibt zwei Substanzklassen, für die gerade Zulassungsstudien laufen: Olorofim and Fosmanogepix (Clin Microbiol Rev 2024; DOI: 10.1128/cmr.00074-23).
Die Mittel wirken auch gegen resistente Schimmelpilze und Verursacher endemischer Mykosen. Allerdings werden Fungizide mit dem gleichen Wirkmechanismus bereits in der Landwirtschaft eingesetzt. Es kommt so zu Resistenzen gegen Antimykotika, die noch gar nicht auf dem Markt sind.
Ein Pilz, der von solchen Resistenzen auch besonders profitiert ist Fusarium. Fusarium solani ist beispielsweise ein Pflanzenpathogen, welches beim Menschen normalerweise opportunistische Infektionen hervorruft. Allerdings gab es zwischen 2022 und 2023 zwei Ausbrüche in Mexiko unter Schwangeren.
Bei diesem Ausbruch ist es so, dass die Injektionen ins Rückenmark gespritzt wurden und die Betroffenen – auch Immunkompetente – ZNS-Infektionen bekommen haben. Die Verläufe waren schwer und es kam zu Todesfällen. Grund für die Fusarium-Meningitiden waren kontaminierte Peri- und Epiduralspritzen. Wie die Spritzen kontaminiert werden konnten, ist noch Teil von Untersuchungen des Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
Welche anderen Mykosen breiten sich besonders stark aus?
Endemische Pilzinfektionen finden sich vor allem in Nord, Mittel und Südamerika, aber auch in Südostasien und in afrikanischen Ländern. Aber die endemischen Gebiete breiten sich aus. Ein Beispiel dafür ist die Coccidioidomycosis, die vor allem in Nevada vorkam. Durch den Klimawandel breitet sich die Coccidioidomycosis sukzessive über den gesamten Westen der USA und Mittel-Südamerika aus. Im Gegensatz zur Fusariose sind die Erreger der endemischen Mykosen obligat pathogen.
Sie lösen zunächst pulmonale Infektionen aus, die aber auch im weiteren Verlauf disseminieren und beispielsweise auch ZNS-Infektionen auslösen können, die nicht heilbar sind. Ich habe lange Zeit in San Diego gearbeitet.
Dort gibt es einige Ambulanzen, in denen mehrfach die Woche ausschließlich Patienten mit disseminierter Coccidioidomycosis betreut werden. Leider ist es so, dass die extrapulmonale Infektion eine langjährige oder bei ZNS-Beteiligung sogar lebenslange Antifungale Therapie benötigt. Die Ausbreitung der Pilzerkrankung hat beträchtliche Folgen für das Gesundheitssystem und die Betroffenen.
Wie ist die Situation in Deutschland?
Die Histoplasmose kommt normalerweise in den USA und Mexiko sowie in afrikanischen Ländern und in Südostasien vor. Von der afrikanischen Histoplasmose gibt es autochthone Fälle in Italien, Spanien und auch Deutschland. Die Übertragung erfolgt über Kot von Fledermäusen oder Vögeln. Vorbeigehen reicht aus, um die Stäube zu inhalieren und sich zu infizieren.
Die Histoplasmose löst ebenfalls pulmonale Symptome aus. Die Infektion führt auch bei vorher gesunden zu Krankheiten von drei bis vier Wochen. In diesem Stadium kann sie ausheilen, bleibt oftmals allerdings im Körper. Auch Jahrzehnte später kann es im Falle einer Immunsuppression reaktivieren und zu disseminierten Infektionen führen. © mim/aerzteblatt.de
Fehlende Outdoorzeit ist ein Risikofaktor für Myopie bei jungen Erwachsenen
Linköping – In Zusammenhang mit der teilweise dramatischen Prävalenz der Kurzsichtigkeit (Myopie) bei Kindern und Jugendlichen sprechen Ophthalmologen von einer „Pandemie der Myopie“, die vor allem in Südostasien teilweise mehr als 90 % der Teenager betrifft.
Eine große schwedische Kohortenstudie bei jungen Erwachsenen liefert keine so dramatische Tendenz, stellt indes drei Risikofaktoren heraus: weibliches Geschlecht, höherer Bildungsstand und vor allem einen Mangel an draußen verbrachter Zeit. Die Studie ist online in der Zeitschrift Acta Ophthalmologica erschienen (2024; DOI: 10.1016/j.eclinm.2024.102493).
Ausgewertet wurden die Daten der Studie All Babies in Southeast Sweden (ABIS), zu der die Mütter von 21.700 zwischen Oktober 1997 und Oktober 1999 geborenen Babies eingeladen wurden. Die Frauen füllten über die Jahre Fragebögen zum Gesundheitsstatus ihrer Kinder anläßlich von regulären Untersuchungen aus.
In jüngerer Vergangenheit wurden die inzwischen 22 bis 24 Jahre alten jungen Erwachsenen kontaktiert und neben anderen Gesundheitsthemen unter anderem auch zum okulären Befund wie dem Tragen einer Brille und dem Vorliegen von Kurzsichtigkeit befragt. Beantwortet wurden die Fragebögen von 5.200 Personen eines Durchschnittsalters von 23,4 Jahren, 58 % von ihnen waren weiblichen Geschlechts.
Die Prävalenz der Myopie in diesem Kollektiv betrug 29 %. Brillen oder Kontaktlinsen trugen 41 % der Studienteilnehmer. Unter den jungen Frauen war die Kurzsichtigkeit mit 33 % deutlich häufiger als bei gleichaltrigen Männern, von denen 23 % myop waren.
Für Frauen wurde in der multivariaten Analyse eine odds ratio (OR), kurzsichtig zu werden, gegenüber Männern von 1,52 errechnet. Eine hoher Bildungsstand (Universitätsabschluss oder begonnenes Universitätsstudium) war ebenfalls mit einem höheren Risiko (OR 1,34) assoziiert.
Überdurchschnittlich viel Zeit im Alter von acht Jahren draußen verbracht zu haben, war im Vergleich zu Freizeitbeschäftigungen mit akkommodativem Aufwand (Naharbeit) wie mit Bildschirmgeräten mit einer OR von 0,82 ein protektiver Faktor.
Der Schutzfaktor des Spielens und anderer Freizeitaktivitäten unter freiem Himmel ist von anderen Publikationen beschrieben worden, wenngleich nicht mit einem so langen Follow-up wie die schwedischer Studie.
Diese Art der Freizeit übertrumpft andere Faktoren wie man in Australien nachgewiesen hat, wo chinesischstämmige Kinder bei ansonsten vergleichbaren demographischen, genetischen und kulturellen Faktoren mit viel outdoors time deutlich seltener myop wurden als überwiegend indoors lebende Gleichaltrige in China.
Die Assoziation der Bildung mit der Kurzsichtigkeit ist der am längsten bekannte Risikofaktor. Der britische Ophthalmologe James Ware beschrieb schon 1812, dass junge Menschen aus „höheren Schichten“ wie Offiziersanwärter mehr als zehnmal so häufig Brille trugen wie Gleichaltrige mit nur rudimentärer Schulbildung. © rdg/aerzteblatt.de
PSYCHOLOGIE
Für Frauen beginnt Gefühl des Altseins später als für Männer
Ab wann ist man alt? Diese Frage beantworten Frauen im Schnitt mit einer höheren Zahl als Männer. Das hat eine Studie ergeben, die am Montag im Fachblatt „Psychology and Aging“ veröffentlicht wurde. „Frauen setzen den Beginn des höheren Alters im Durchschnitt ungefähr zweieinhalb Jahre später an“, erklärte Studienautor Markus Wettstein von der Berliner Humboldt-Universität. Das könne damit zusammenhängen, dass Frauen im Schnitt länger leben.
Eine weitere Erklärung sei, dass Frauen im Alter mehr stigmatisiert würden als Männer, erklärte der Psychologe. Der Beginn des Altseins werde deswegen höher gesetzt, um sich von dem negativen Bild abzugrenzen.
Die Untersuchung von Wissenschaftern der Humboldt-Uni, der Stanford-Universität in den USA, der Universität Luxemburg und der deutschen Universität Greifswald basiert auf Daten des Deutschen Alterssurvey, einer deutschlandweit repräsentativen Befragung von Personen, die 40 Jahre und älter sind. Die Forschenden werteten Daten von rund 14.000 Menschen aus, die zwischen 1911 und 1974 geboren wurden. Die zentrale Frage dabei: Ab welchem Alter würden Sie jemanden als alt bezeichnen?
Wettstein und sein Team fanden heraus, dass Altsein für Erwachsene heute gefühlt später beginnt als für Menschen, die in früheren Jahrzehnten geboren wurden. Demnach hatten 65-Jährige, die 1955 zur Welt kamen, das subjektive Empfinden, dass Altsein im Schnitt mit 75 Jahren beginnt. Für 65 Jahre alte Menschen, die bereits 1911 geborenen wurden, begann Altsein dem Modell der Wissenschafter zufolge gefühlt schon mit 71.
Womit hängt das zusammen? „Ein Punkt ist sicherlich, dass die Lebenserwartung in den letzten Dekaden angestiegen ist„, sagte Wettstein. Dem Statistischen Bundesamt in Deutschland zufolge hatten beispielsweise 65-jährige Männer in den Jahren 1901 bis 1910 im Schnitt noch 10,4 Jahre zu leben, gleichaltrige Frauen rund elf Jahre. 1960 bis 1962 waren es in Westdeutschland für gleichaltrige Männer bereits 12,4 und für Frauen 14,6 weitere Jahre. In den Jahren 2019 bis 2021 waren es bei Männern 17,8 Jahre, bei Frauen rund 21. Zuletzt hat sich der Anstieg der Lebenserwartung den Angaben zufolge aber verlangsamt. Dementsprechend verlangsamt sich laut Wettstein auch der Trend eines später wahrgenommenen Altersbeginns.
Eine weitere Begründung für die Entwicklung sei, dass der Beginn der Pension typischerweise mit Altsein in Verbindung gebracht werde, das Pensionsalter im Lauf der Jahre aber gestiegen sei, erklärte Wettstein. Hinzu käme, dass alte Menschen heute im Schnitt gesünder und fitter seien als früher und dadurch länger jung wirkten.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Alterssurveys wurden über die Jahre hinweg mehrfach befragt. Wettstein zufolge stellten die Wissenschafter bei der Auswertung der Daten ein weiteres Phänomen fest: „Wenn eine Person älter wird, schiebt sie den Beginn des höheren Alters immer ein bisschen weiter nach hinten“, sagte der Psychologe. Ein Beispiel: Eine 60-jährige Frau, für die Altsein eigenen Angaben zufolge mit 74 Jahren beginnt, findet mit 65 Jahren, dass das Alter erst mit 75 losgeht.
UMWELT – KLIMAWANDEL
UN-Bericht: Risiken durch Klimawandel für 70 Prozent der Arbeitskräfte
Genf – Der Klimawandel dürfte nach einem UN-Bericht für mehr als 70 Prozent aller Arbeitskräfte weltweit Sicherheits- und Gesundheitsrisiken mit sich bringen. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sprach von einem wahren „Gefahrencocktail“.
Die ILO, die zu den Vereinten Nationen gehört, schätzt, dass schon jetzt 2,4 der weltweit 3,4 Milliarden Arbeitskräfte während ihrer Arbeitszeit irgendwann übermäßiger Hitze ausgesetzt sind – besonders Menschen, die in der Landwirtschaft oder anderweitig unter freiem Himmel arbeiten.
Fast 19.000 Menschen kämen jedes Jahr wegen übermäßiger Hitze beim Arbeiten ums Leben, schätzt sie. Hitze und UV-Strahlung sind nach diesem Bericht die größten Gefahren.
Die ILO nennt aber auch das Arbeiten bei Extremwetterereignissen, etwa für Fischer, aber auch Nothelfer und Aufräumtrupps nach Katastrophen. Im Freien Arbeitende seien auch zunehmend durch Parasiten gefährdet, die sich wegen des Klimawandels in größeren Gebieten ausbreiten.
Bei zahlreichen Krankheiten sei bereits ein Zusammenhang mit dem Klimawandel hergestellt worden, etwa Hautkrebs, Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen oder Makuladegeneration, was die Sehkraft zerstören kann.
Die ILO lobt, dass Arbeitgeber in Deutschland wegen des UV-Strahlungsrisikos Schutzkleidung zur Verfügung stellen müssen und dass seit 2015 einige Formen von Hautkrebs als Berufskrankheit anerkannt werden.
„Es ist klar, dass der Klimawandel bereits jetzt erhebliche zusätzliche Gesundheitsrisiken für Arbeitnehmer mit sich bringt“, sagte Manal Azzi, Leiterin der ILO-Abteilung Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Gesetzgeber, Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten sich damit auseinandersetzen und Abhilfe schaffen. Arbeit in einem sicheren und gesunden Umfeld sei ein grundlegendes Recht. © dpa/aerzteblatt.de
Europa hat Rekordzahl von Tagen mit „extremem Hitzestress“ erlebt
Paris – Europa hat im Jahr 2023 einem Bericht zufolge eine Rekordanzahl von Tagen mit „extremem Hitzestress“ erlebt. An solchen Tagen gebe es eine „gefühlte“ Temperatur von mehr als 46 Grad Celsius, erklärten das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) heute in einem neuen Bericht.
Sie warnten vor zunehmenden Todesfällen in Europa durch zusehends sengende Hitze im Sommer. „Wir sehen in ganz Europa einen zunehmenden Trend bei der Zahl der Tage mit Hitzestress und 2023 bildete da keine Ausnahme“, sagte die Copernicus-Klimaexpertin Rebecca Emerton.
Für ihren Bericht haben Copernicus und die WMO den Universellen thermischen Klimaindex (UTCI) zugrunde gelegt, der die Auswirkungen thermischer Bedingungen auf den menschlichen Körper misst. Er berücksichtigt nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, Sonneneinstrahlung und die von der Umgebung abgegebene Wärme.
Bewertet wird der thermische Stress auf einer zehnstufigen Skala, die von „extremer Kältestress“ bis „extremer Hitzestress“ reicht. Bei „extremem Hitzestress“ ab einer gefühlten Temperatur von mehr als 46 Grad „müssen unbedingt Maßnahmen ergriffen werden, um Gesundheitsrisiken wie einen Hitzschlag zu vermeiden“, sagte Emerton. Besonders gefährlich ist längerer Hitzestress etwa für vorerkrankte oder ältere Menschen. In Städten sind die Folgen von Hitzewellen besonders spürbar.
In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Todesfälle aufgrund von Hitze um rund 30 Prozent gestiegen, wie es in dem Bericht heißt. Der Sommer 2023 war der heißeste Sommer weltweit und der fünftheißeste in Europa. Millionen Menschen auf dem gesamten Kontinent waren von Juni bis September von Hitzewellen betroffen: Am 23. Juli litten beispiellose 13 Prozent Europas unter Hitzestress, wobei der Süden Europas am stärksten betroffen war. Auf Sizilien zeigte das Thermometer damals 48,2 Grad – nur 0,6 Grad weniger als Europas Allzeitrekord von 48,8 Grad.
Offizielle Daten zu Hitzetoten in Europa im Jahr 2023 liegen dem Bericht zufolge noch nicht vor. Die Experten gehen aber von zehntausenden Toten aus – so wie auch schon in den heißen Sommern 2003, 2010 und 2022. Auch in den Hitzewellen im vergangenen Jahr habe es vermutlich eine große Übersterblichkeit gegeben, sagte der WMO-Klimatologe Alvaro Silva. Ein Großteil Europas sei von dieser Zunahme betroffen. „Das gibt Anlass zu großer Sorge“, warnte Silva.
Die von Hitzewellen ausgehenden Gesundheitsrisiken werden sich dem Bericht zufolge weiter verschärfen, weil die Hitzewellen länger und heftiger werden – und weil es infolge der Alterung der Bevölkerung und der zunehmenden Urbanisierung auch immer mehr gefährdete Menschen gibt. WMO und Copernicus warnen vor „schwerwiegenden Folgen“. Die bisherigen Maßnahmen zum Schutz der Menschen in Hitzewellen würden schon „bald nicht mehr ausreichen“.
Weltweit war das Jahr 2023 laut WMO das bisher heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Europa heizt sich den Angaben zufolge doppelt so schnell auf wie die anderen Kontinente. Die Erwärmung führt Wissenschaftlern zufolge dazu, dass extreme Wetterereignisse häufiger und intensiver werden. Im Jahr 2023 hat dieser Effekt in Europa nicht nur zu ausgeprägten Hitzewellen, sondern auch zu schweren Überschwemmungen, Dürren, Stürmen und Waldbränden geführt.
Dem Bericht zufolge waren im vergangenen Jahr rund 1,6 Millionen Menschen in Europa von Überschwemmungen betroffen und rund 550.000 Menschen von Stürmen. Die Unwetterschäden werden dem Bericht zufolge auf 13,4 Milliarden Euro geschätzt. Rund 80 Prozent der Schäden entstanden demnach durch Überschwemmungen. © afp/aerzteblatt.de
OPSOLESZENZ
Garn nicht mal so gut: Warum Kleidung heute schneller kaputtgeht als früher
Nicht nur Fast-Fashion-Hersteller schrauben an der Qualität. Wo die Schwachstellen liegen – und wie die EU Langlebigkeit fördern will
Als sich am 22. Juni 1950 Modeexperten und Kaufleute im schicken Hotel Astor am New Yorker Times Square zum Mittagessen trafen, war die Modewelt noch eine völlig andere. Marken brachten vier Kollektionen jährlich heraus. Zu wenig, befand Earl Puckett damals, Präsident der US-amerikanischen Kaufhauskette Allied Stores.
„Eine blühende Bekleidungsindustrie ist auf der Grundlage einfachen Nutzwerts nicht möglich“, sagte er vor den rund 400 versammelten Menschen an den Tischen im Hotel Astor. Stattdessen, schlug er vor, müsste man den Verschleiß beschleunigen, damit Menschen immer wieder in die Geschäfte kommen, um neue Ware zu kaufen. „Unsere Aufgabe besteht darin, den Frauen die Freude an dem, was sie haben, zu nehmen“, sagte Puckett. Man müsse sie so unzufrieden machen, dass ihre Ehemänner – wir reden hier immerhin von 1950 – weder Ruhe noch Frieden fänden.
Ein neues Outfit alle sechs Sekunden
Mehr als 70 Jahre später dreht sich die Modewelt so schnell wie noch nie. Fast-Fashion-Ketten wie H&M und Zara machten aus den vier Kollektionen pro Jahr zwölf und 24. Dann kam Shein. Der chinesische Onlinehändler listet täglich bis zu 9.000 neue Kleidungsstücke auf seiner Website – eines alle sechs Sekunden. Ultrafast Fashion ist geboren, noch schneller geht es kaum. Die Vision des Kaufhausbetreibers Earl Puckett ist wahr geworden. Mit Konsequenzen für die Umwelt.
Zwischen acht und zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen inzwischen auf die Bekleidungsindustrie zurück, die jährlich zwischen 80 und 150 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Der Großteil davon landet innerhalb weniger Jahre in der Müllverbrennungsanlage oder auf Deponien. Dazu belastet der pestizidintensive Baumwollanbau die Umwelt, die Chemikalien für Gerben, Färben und Imprägnieren ebenso. Die Schätzungen schwanken stark – und sind mit Vorsicht zu genießen. Denn niemand weiß, wie hoch die Natur- und Klimaschäden der Textilindustrie genau sind.Ziemlich sicher sagen lässt sich hingegen, dass die Menschheit mehr Kleidung kauft und besitzt – und sie schneller denn je entsorgt. Wurde ein neues Kleidungsstück im globalen Durchschnitt im Jahr 2002 noch rund 200-mal getragen, waren es im Jahr 2016 nur noch 130 Benutzungen. Wobei der Wert in Industrieländern und bei bestimmten Kategorien noch niedriger ausfällt – so ging Greenpeace 2015 etwa davon aus, dass ein Party-Top in Deutschland im Schnitt nur 1,7-mal getragen wird. Was nicht mehr gefällt, wird eben aussortiert.
Doch dass so viel Kleidung im Müll landet, liegt nicht nur am Hunger der Konsumierenden nach neuen Styles. Vieles deutet darauf hin, dass auch die Qualität von Kleidung abnimmt.
Mehr, dafür minderwertiger
Nico Brischke muss es wissen. Seit 27 Jahren arbeitet er in der Altkleiderbranche, er leitet die Österreich-Niederlassung von Texaid, einer der größten privaten Textilsammler Europas. Und er merkt: Die Ware, die da über seine Förderbänder läuft, wird immer mehr – aber gleichzeitig immer schlechter.
Brischke erklärt das Geschäft mit der Altkleidung so: „Das Modell funktioniert nur noch deshalb, weil die Verwerter mit fünf bis sieben Prozent der Mengen tatsächlich Gewinn produzieren. Mit 60 Prozent kommst du auf null und mit dem Rest Verlust“. Mit den kleinen Mengen brauchbarer Kleidung wird das gesamte System finanziert. Sollten die wiederverwendbaren Mengen weiter zurückgehen, müsste man sich Gedanken über das gesamte Refinanzierungsmodell machen, sagt Brischke.
Denn Textilien zu recyclen gilt als schwierig und lohnt sich noch kaum – weshalb nur aus weniger als einem Prozent der weltweit entsorgten Kleidung wieder Neuware wird. Geld verdienen lässt sich vor allem mit alter Kleidung, die wiederverwendet und -verkauft werden kann. „Aber die Produkte der Ultrafast-Fashion-Hersteller sind nach drei, vier Monaten kaum noch tragbar“, sagt Brischke. Doch es ist nicht nur die Billigstkleidung, die immer kurzlebiger wird. Nach zwei Jahren, sagt Brischke, sei bei fast jedem Kleidungsstück das Ende erreicht.
Teuer ist nicht automatisch gut
Bei einem Versuch, den das französische Forschungsinstitut Gemtex 2021 durchführte, waren von 29 getesteten T-Shirts verschiedener Marken mehr als die Hälfte nach 15 Wäschen nicht mehr tragbar, nur fünf überlebten mehr als 50 Waschgänge. Eine andere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Preis kein sonderlich guter Indikator dafür ist, wie lange ein Kleidungsstück hält – und auch teure Outfits schnell verschleißen können. Doch wie findet man das richtige Stück, wenn man gezielt Langlebiges kaufen möchte?
Die Textilingenieurin Gesine Köppe sitzt für das Videointerview mit dem STANDARD in einem grauen Pullover vor der Webcam. Der Pulli aus Alpakawolle gehörte einst ihrem Vater, erzählt sie. Nach einer zu heißen Wäsche trägt nun sie ihn bereits seit Jahren – und, weil er kaum Abnutzungsspuren zeigt, wohl noch einige Jahre länger. „Solche Kleidungstücke, die richtig lange halten, gibt es auch heute noch“, sagt Köppe. Nur mischen nun eben auch die Fast-Fashion-Hersteller im Markt mit.
Das drückt den Preis. Während die Verbraucherpreise in der EU seit 1996 um 80 Prozent gestiegen sind, wurde Kleidung im gleichen Zeitraum nur um zwölf Prozent teurer. Um den Preis halten zu können, schrauben Hersteller deshalb an den Qualitätsschrauben. Von denen gibt es so einige.
Es beginnt mit der Baumwolle, die aus verschieden langen Fasern besteht. „Die kurzen Fasern sind in der Regel schlechter und die langen besser – aber eben auch teurer“, erklärt Köppe. Spinnt man aus Kostengründen auch die kurzen Fasern zu Garn, entsteht später minderwertiger Stoff, der eher reißt und zum Pilling (siehe Infobox am Ende des Artikels) neigt. Auch Fadendicke und -dichte bestimmen den Herstellungspreis – und die Qualität.
Mit der heißen Nadel genäht
Dazu kommt, dass oft mit der sprichwörtlichen heißen Nadel genäht wird. „Wenn ein T-Shirt zu schnell durch den Produktionsprozess gejagt wird, können sich die Fasern nicht an die neue Form gewöhnen“, sagt Köppe. Dann verliert das Kleidungsstück insbesondere beim späteren Waschen und Trocknen schnell seine Form. Textilfachbücher empfehlen deshalb, Stoff nach dem Abrollen zuerst bis zu 48 Stunden entspannen zu lassen, bevor er weiterverarbeitet wird. Aber das dauert eben.
Doch auch Konsumentinnen und Konsumenten erwarten sich heute vielleicht auch zu viel von Kleidung, meint die Textilingenieurin. Wenn eine Hose früher jahrelang getragen wurde, inkludierte das auch regelmäßige Pflege und Reparaturen. Heute ist eine Jeans mit Loch eben einfach kaputt.
Gegen die Berge an Kleidungsmüll will nun auch die EU etwas unternehmen. Rat und Parlament haben sich Ende vergangenen Jahres auf die Ökodesign-Verordnung für Textilien geeinigt. Sie soll Kleidung in Zukunft recyclingfähiger, reparierbarer, aber auch langlebiger machen. Doch wie will man die Lebensdauer eines Kleidungsstücks messen?
Tests gegen Spucke und Salzwasser
Grundsätzlich existieren bereits Standards. Es gibt Normen für die Beständigkeit von Farbe und Form, Tests für den Widerstand gegenüber Salzwasser für Badehosen und Speichel für Kinderkleidung. Geräte, welche die Qualität von Reiß- und Klettverschlüssen testen. Es wäre also grundsätzlich möglich, jede Hose, jedes Kleid zu testen, bevor es in Serie geht. Nur wäre die Modeindustrie wohl eine ganz andere, langsamere als die von heute. Täglich 9.000 Produkte auf den Markt zu werfen wäre dann wohl nicht mehr drin.
„Das klingt sehr charmant, aber die Tücke liegt im Detail“, sagt Markus Meissner, Kreislaufwirtschaftsexperte beim Österreichischen Ökologie-Institut. Denn wer kontrolliert, ob diese Standards auch tatsächlich eingehalten werden? Müssen 95 Prozent oder 99 Prozent der Produkte die Norm erfüllen? Langwierigen Umweltrechtsprozessen wäre Tür und Tor geöffnet.
Er hält es für wahrscheinlicher, dass die EU die Pflicht zu einer Langlebigkeit im Rahmen einer sogenannten Erweiterten Produzentenverantwortung (EPR) umsetzt. Hersteller wären dann für die Entsorgung ihrer Produkte verantwortlich. Diese hätten dann einen Anreiz, langlebigere Produkte zu produzieren – zumindest wenn die Regel richtig ausgestaltet wird. „Weil es könnte auch einfach heißen, dass letztlich nichts wiederverwendet und alles zu Putzlappen verarbeitet oder verbrannt wird“, sagt Meissner.
In Frankreich müssen Hersteller zahlen
Oder man macht es wie in Frankreich, das bisher einzige Land weltweit, wo es eine EPR für Textilien gibt. Dort müssen Textilhersteller Gebühren, etwa drei Cent für ein T-Shirt, an die Organisation Refashion zahlen, die wiederum die getrennte Sammlung, die Aufbereitung und das Recycling von Altkleidung organisiert. Auch einen Fonds für einen Reparaturbonus und Forschung finanzieren die Bekleidungshersteller so mit. Wer Kleidung produziert, die am Ende nicht nur Müll ist, zahlt weniger.
Langfristig müsse die Branche ihr Geschäftsmodell überdenken. „Ist es noch zeitgemäß, in zehn Jahren ein Ballkleid zu verkaufen? Oder wäre es nicht besser, der Hersteller wäre auch Dienstleister für ein schönes Erscheinungsbild beim Ball?“ Auch dann hätten Designer einen Anreiz, das Kleid haltbar zu gestalten. Das wäre dann das genaue Gegenteil von dem, was Kaufhausbetreiber Earl Puckett 1950 propagierte. (Philip Pramer, 21.4.2024)
Nicht mehr in Topform
Die ausgebeulten Knie bei der Jeans, ausgeleierte Ärmel beim Sweatshirt – wenn sich Kleidung schnell verformt, liegt das oft an leichten oder dehnbaren Stoffen. Strickware, Wolle und Stretchstoffe verlieren schneller ihre Form.
Was können Hersteller tun?
Stoffe sind formstabiler, wenn sie vor dem Verarbeiten einige Stunden entspannt werden. Daneben gibt es Verfahren, bei denen gestrickte Kleidung – etwa mit Dampf – speziell behandelt wird, damit sie stabiler bleibt.
Was können Konsumierende tun?
Hohe Waschtemperaturen schaden der Formstabilität – das gilt nicht nur für Wolle, die ohnehin nur im Schonwaschgang gewaschen werden soll. Was eng am Körper anliegt, ist höheren Kräften ausgesetzt und verformt sich daher schneller.
Den Faden verloren
Löcher entstehen einerseits in schwachen Stoffen, aber auch durch schlechte Nähte, die versagen. Der Klassiker ist das Loch im Schritt der Hose.
Was können Hersteller tun?
Ein Grund für Aussetzer bei Nähten ist die falsche Kombination von Stoff, Nahtart und Garn. Wird zu feiner Faden für groben Stoff verwendet, franst der Faden durch die Reibung schnell aus. Zu grobes Garn in feinem Stoff führt wiederum dazu, dass die Naht durch den Stoff rutscht. Auch falsche Fadenspannung kann zu Fehlern führen. All das lässt sich beheben.
Was können Konsumierende tun?
Geplatzte Nähte gehören zu den Defekten, die sich am einfachsten reparieren lassen. Bei Billigkleidung lassen sich oft bereits im Geschäft schlechte Nähte ausmachen.
Kleine Knoten, großer Ärger
Pilling nennt man es, wenn sich Fasern aus einem Stoff lösen und an der Oberfläche zu kleinen Knötchen oder Kugeln verfilzen. Kleidung schaut so schnell abgetragen aus.
Was können Hersteller tun?
Pilling entsteht vor allem, wenn günstige, zu kurze Fasern oder zu locker verzwirnte Garne verwendet werden. Auch wenn Kunst- mit Naturfasern vermischt werden, entstehen hartnäckige Knoten. Bessere Fasern und Garn könnten Pilling verhindern.
Was können Konsumierende tun?
Kurzfristige Abhilfe schafft der Einweg- oder Fusselrasierer, mit dem die Knoten abgeschabt werden. Die nun kürzeren Fasern pillen aber bald wieder. Die Kleidung auf links zu waschen kann schädliche Reibung an der Außenseite verhindern.
Wenn die Freude verblasst
Wenn Kleidungsstücke schnell verfärben, ist oft minderwertige Textilfarbe im Spiel. Sie lässt nicht nur Kleidungsstücke schneller verblassen, sondern findet ihren Weg oft auch auf andere Kleidungsstücke.
Was können Hersteller tun?
Stoff und Färbemittel müssen aufeinander abgestimmt werden – denn jede Faser hält unterschiedliche Farben unterschiedlich gut. UV-Schutz kann schnelles Ausbleichen verhindern. Nach dem Färben muss der Stoff ausreichend gespült werden – doch weil Färbereien Wasser sparen wollen, tun sie das nicht immer.
Was können Konsumierende tun?
Niedrige Waschtemperaturen schonen die Farben, optische Aufheller in Waschmitteln schaden ihnen. Wer Wäsche draußen trocknet, sollte sie auf links gedreht aufhängen, um Ausbleichung zu verhindern. (pp, 20.4.2024)
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GESELLSCHAFT – ARBEITSWELT
Neue Lehrlinksstudie: Wollen Sie wissen, wie Lehrlinge der Tourismus- und Freizeitwirtschaft heute ticken?
Die neue Lehrlingsstudie von T-Factory gibt klare Antworten und zeigt neue Wege, wie Sie am Arbeitsmarkt die Nase vorne haben und die besten Lehrlinge gewinnen
Wien (OTS) – 40% der Lehrlinge aus der Branche Tourismus- und Freizeitwirtschaft treiben täglich Sport. Im Handel sind es lediglich 15%.
Für 61% der Industrielehrlinge ist eine fachlich gute und menschlich qualifizierte Ausbildungsperson das wichtigste Kriterium bei der Auswahl des Lehrbetriebes, bei den Lehrlingen aus Gewerbe und Handwerk hingegen nur für 44%.
45% der Industrielehrlinge fühlen sich im Gegenstand Mathematik von der Schule zu wenig gut für die Lehre vorbereitet, 51% der Tourismuslehrlinge im Gegenstand Englisch.
51% der Wiener Lehrlinge nutzen mehrmals täglich TikTok. In den westlichen Bundesländern nur 38%.
40% der weiblichen Lehrlinge wollen sich demnächst piercen lassen. Bei den männlichen lediglich 17%.
62% der Industrielehrlinge wollen nach der Lehre vom Ausbildungsbetrieb übernommen werden, im Handel nur 34%.
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OVS0001, 22. April 2024, 09:04
Jugendstudie 2024 offenbart tiefgreifende Besorgnis um Zukunft der Pensionen – KURZVIDEO
https://uvp-tvc.sf.apa.at/embed/24d547c0-b94b-489d-9547-c0b94b289d21?autoplay=0 Im Rahmen einer Enquete präsentierte Studienautor Peter Hajek (UNIQUE research) heute die Ergebnisse der Jugendstudie 2024. Unter dem Titel „Was wünscht sich die Jugend“ ließen die 4 Verbände der Initiative 2050, als Vertreter der zweiten und dritten Säule des österreichischen Pensionssystems, die Wahrnehmungen und Erwartungen junger Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, zu ihren zukünftigen Pensionen befragen. …
- Mehr dazu siehe rezenten Tagesblick
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