Tagesblick – 22.4.2024 Montag

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FAZIT DES TAGES

COMMENT – FAZIT:

  • Naher Osten/Israel: das eskalative Momentum nimmt wieder zu
  • Ukraine: auch hier dürfte die eskalativen Kräfte Fahrt aufnehmen – werden die raschen Lieferungen weitreichender Raketensysteme das Blatt zu Gunsten der Ukraine wenden oder den kriegerischen Konflikt auf russischer Seite „nuklear“ anheizen?
  • Ewiges Thema seit der Antike: Vermögenssteuer mit Blick auf Vermögensungleichheit – eine Presseschau zur jüngsten Oxfam-Studie. Lässt sich die Vermögensungleichheit abbauen, indem man die Abgaben- und Steuerbelastung der Unselbständigen gleich hoch wie bisher lässt und ihren Vermögensaufbau nicht fördert im Sinne einer – hinterfragenswerten! – Verantwortungsethik? Oder wird hier gegen Bucharins politische Ökonomie des Rentners gewettert (Gesinnungsethik)?
  • PBoC am Kreuzweg: Chinas Wirtschaft wächst, nicht aber die ausländischen Direktinvestitionen dort

Märkte – Report & COMMENT

Israel, Ukraine & COMMENT

Meldungen

Themenreigen – Medizin, Umwelt, Gesellschaft

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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!

HELLMEYER-Report (gekürzt)

  • Märkte: Rahmendaten erodieren
  • Experten erwarten leichten Rückgang der Inflation weltweit
  • Scholz: Ampel lieferte „zwei Turnaround-Jahre“ (Eröffnung Hannover-Messe)

Märkte: Rahmendaten erodieren

An den Finanzmärkten zeigt sich fortgesetzte Erosion. Sie ist dadurch bedingt, dass die

Rahmendaten, die für die positive Entwicklung in den vergangenen Monaten seit Ende Oktober

letzten Jahres verantwortlich zeichneten, erodieren.

Die US-Zinssenkungserwartungen sind seitdem nahezu neutralisiert worden. Mittlerweile wird das Thema US-Zinserhöhung wieder hoffähig.

Die vom Westen (maßgeblich USA) etablierte Sanktionspolitik bar rechtlicher Grundlagen nimmt weiter an Fahrt auf und schafft Ineffizienzen, die die Wirtschaft global, aber vor allem Europa belasten. Der Westen isoliert sich weiter und entzieht sich Kooperation, die Wachstumskräfte schürt.

In diesem Kontext verliert Europa mehr als die USA. Gleichzeitig globalisiert sich der „Globale Süden“ (circa 70% des Welt-BIP Basis KKP) weiter und forciert dort Effizienzen, die für ihre Wirtschaftsräume Wachstumspotential generieren (siehe aktuelle IWF-Daten, Europa fällt ab!).

Hoffnungen auf Entspannungen in der Geopolitik sind gegeben, haben aber derzeit kein Fundament. Im Gegenteil deuten die jüngsten Entscheidungen (US-Waffenpaket) auf eine Verschärfung der militärischen Konfrontationen sowohl im Nahost- als auch im Ukraine-Konflikt.

An den europäischen und mehr noch an den US-Aktienmärkten dominierte am Freitag die Farbe „Rot“. Der Late Dax verlor 0,20%, der EuroStoxx 50 0,21%. US-Märkte gaben deutlicher nach. Der Citi US-Tech 100 brach um 3,10% ein. Der S&P 500 gab um 1,75% nach, während der Dow Jones 0,43% verlor. Technologieaktien sind zinssensibel, sie zogen den US-Markt maßgeblich nach unten.

In Fernost ergibt sich Stand 06:56 Uhr ein weitgehend positives Bild. Der Nikkei (Japan) mit

+0,47%, der Hangseng (Hongkong) mit +1,74% und der Sensex (Indien) mit +0,30% setzten positive

Akzente. Dagegen verlor der CSI 300 (China) 0,22%. Asien ist Epizentrum des globalen

Wachstums.

Laut IWF soll die Welt 2024 mit 3,2% wachsen, Asien wächst mit 5,2% und globalisiert

sich weiter! Europa ist mangels interessenorientierter Politik Verlierer (0,8%).

10-jährige Bundesanleihen rentieren aktuell am Widerstandsniveau bei 2,50%, 10-jährige US-

Staatsanleihen mit 4,67%. Beide bewegen sich an den höchsten Niveau seit November 2023.

Nachrichten in Kurzform:

• Berlin: Laut Insidern wird die Bundesregierung die BIP-Prognose für das laufende

Jahr von bisher 0,2% auf 0,3% Wachstum anheben. Per 2025 wird ein Wachstum um

1% prognostiziert.

• Berlin: Gemäß einer Insa-Umfrage sind 61% der Befragten gegen das EU-

Verbrennerverbot ab 2035, 24% sind dafür.

• Frankfurt: EZB-Chefin Lagarde konstatierte, die Erwartung sich weiter

abschwächender Inflation. Vor diesem Hintergrund wäre es angemessen, das

Niveau der geldpolitischen Restriktion abzumildern. Belgiens Notenbankchef

Wunsch erwartet mehrere Zinssenkungen der EZB per 2024.

• Capri, G-7: Die Außenminister der G-7 Länder verständigten sich, die Luftabwehr

der Ukraine zu stärken. Weitere Sanktionen wurden gegen den Iran verhängt und

eine Deeskalation im Nahen Osten gefordert.

Umfrage: – Experten erwarten leichten Rückgang der Inflation weltweit

Die Welt-Inflation wird laut Umfrage des IFO-Instituts und des Instituts für Schweizer

Wirtschaftspolitik, die vierteljährlich circa 1.500 Experten aus 125 Ländern befragen, in

den kommenden Jahren sukzessive sinken. Per 2024 dürften die Verbraucherpreise

global um durchschnittlich 4,6% zulegen. Per 2025 sollen sich die Teuerungsraten auf

4,4% und 2027 auf 4,0% zurückbilden.

Kommentar: Das ist bezüglich der Tendenz zunächst positiv!

Die Institute konstatieren, dass im Vergleich zum vorherigen Quartal die Inflationserwartungen für dieses Jahr erneut gesunken seien. Die Experten gingen in der mittleren Frist von weiterhin vergleichsweise hohen Inflationsraten aus (über den Inflationszielen der Zentralbanken).

Kommentar: In der Tat ist das korrekt. Es ist auch in Teilen korreliert mit den exogenen Folgen der westlichen Geopolitik und der Sanktionspolitiken (Ineffizienzen erhöhen Inflation).

In Deutschland würden für dieses Jahr 3,1% erwartet, in Österreich 4,2% und in der Schweiz 1,8%. In Westeuropa insgesamt liegen die Inflationserwartungen für 2024 mit 2,8% und in Nordamerika mit 3,1% deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. Hier sanken die vorhergesagten Teuerungsraten im Vergleich zur vorigen Quartalsumfrage um 0,3%

beziehungsweise 0,2%. Für das Jahr 2027 erwarten die Experten 2,0% Inflation in Westeuropa und 2,3% in Nordamerika.

Kommentar: So weit, so gut!

Zu den Regionen mit besonders hohen Inflationserwartungen zählen Südamerika und weite Teile Afrikas. Dort werden jeweils Inflationsraten von mehr als 20% vorausgesagt.

Kommentar: Hier werden die Durchschnitte durch einige wenige Länder (u.a. Argentinien)

massiv verzerrt. Grundsätzlich gilt, dass diese Prognosen dann werthaltig sein werden, wenn geopolitische Flächenbrände verhindert werden können. Das Risiko, dass diese

Grundvoraussetzung entfällt, ist erheblich hinsichtlich der aktuellen Wendungen.

USA legen Veto gegen Palästinas UN-Vollmitgliedschaft ein

Die Regierung Palästinas will nach dem Veto der USA laut Präsident Abbas ihre

bilateralen Beziehungen zu den USA überprüfen.
=> Faktisch bleibt Palästina ein Land 2. Klasse …

Repräsentantenhaus winkt Militärhilfen für Ukraine, Israel und Taiwan durch

Am Samstag verabschiedete das US-Repräsentantenhaus das von Präsident Biden

geforderte Unterstützungsprogramm. Die Zustimmung im Senat steht noch aus, sie gilt

aber als Formsache.

=> Wird die Welt damit friedlicher?

Hier den Hellmeyer Report lesen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)

Scholz: Ampel lieferte „zwei Turnaround-Jahre“ (Eröffnung Hannover-Messe)

Kanzler Scholz hat der Kritik von BDI-Präsident Russwurm an zwei verlorenen Jahren durch

die Ampel-Koalition widersprochen. Es handele sich vielmehr um „zwei Turnaround-Jahre“.

Kommentar: Widerspruch! Die gesamte Welt war von den exogenen Folgen betroffen. Aber kein

Land fällt ab wie Deutschland. Das Kapital flieht, weil es anderswo besser ist (Kapitalstock!).

Scholz sagte, die vergangenen zwei Jahre seien schwierig gewesen seien, weil die Regierung

Umbauentscheidungen hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft habe treffen müssen.

Kommentar: Das mussten andere Länder auch. Sie machten aber keine „Heizungsgesetze“

(Kosten bis zu 1,5 Billionen EUR) deutscher Art, die keinen positiven Grenznutzen ausweisen.

Es sei klar gewesen, dass ein Einbruch der Weltwirtschaft und der Ersatz für russisches Gas

gerade für die Exportnation Deutschland ein vorübergehendes Problem gewesen sei.

Kommentar: Es ist nicht vorübergehend! Nachhaltige Versorgungssicherheit ist nicht

gewährleistet. Im Dreijahresvergleich liegen die Gaspreise circa 90% über dem US-Niveau.

Es gebe eine Reihe von Faktoren, die eine Besserung der Konjunktur wahrscheinlich machten,

unter anderem die Aussicht auf sinkende Zinsen. Die Zahl der neuen Hypothekenverträge liege

jetzt auf dem Niveau von 2020. Man sei offen für eine stärkere steuerliche

Forschungsförderung. Es solle noch attraktiver gemacht werden, „freiwillig weiterzuarbeiten

über den Renteneintritt hinaus“. Zudem müsse man den Bürokratieabbau voranbringen.

Kommentar: Zinssenkungen wirken auf alle Länder der Eurozone. Sie sind kein Verdienst der

Regierung. Ja, die Regierung trifft Einzelmaßnahmen, sie sind jedoch nicht ansatzweise

ausreichend. Der große Wurf kann nur über Energie- und Steuerpolitik erfolgen. Die Kürzung

des Wachstumschancengesetzes zeigt, welche Wertschätzung die Wirtschaft erfährt!

Datenpotpourri der letzten 48 Handelsstunden

Eurozone: Bauleistung legt zu

Die Bauleistung der Eurozone stieg per Februar im Monatsvergleich um 1,83% nach zuvor

0,19% (revidiert von 0,48%).

Die Leistungsbilanz der Eurozone wies per Februar in der saisonal bereinigten Fassung einen

Überschuss in Höhe von 29,45 Mrd. EUR nach zuvor 38,35 Mrd. EUR aus.

Deutschland: Die Erzeugerpreise nahmen per März im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose

0,1%) nach zuvor -0,4% zu. Im Jahresvergleich ergab sich per März ein Rückgang um 2,9%

(Prognose -3,2%) nach zuvor -4,1% (auch auslaufende Basiseffekte).

UK: Einzelhandel schwächer als erwartet, aber stark gegenüber Resteuropa

Die Einzelhandelsumsätze waren per März im Monatsvergleich unverändert (Prognose 0,3%,

Vormonat 0,1%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 0,8% (Prognose 1,0%) nach

zuvor -0,3% (revidiert von -0,4%).

USA: In Philadelphia geht es aufwärts

Der Philadelphia Fed Business Index stieg per April unerwartet von zuvor 3,2 auf 15,5 Punkte

(Prognose 2,3). Es ist der höchster Indexstand seit April 2022.

Der Absatz zuvor genutzter Wohnimmobilien sank per März in der auf das Jahr

hochgerechneten Fassung (annualisiert) von 4,38 Mio. auf 4,19 Mio. (Prognose 4,20 Mio.).

Die Arbeitslosenerstanträge stellten sich per 8. April 2024 auf 212.000 (Prognose 215.000)

nach zuvor 212.000.

Russland: Devisenreserven auf höchstem Stand seit April 2022

Die Devisenreserven lagen per 8. April 2024 bei 600,7 Mrd. USD nach zuvor 598,3 Mrd. USD. Es

ist der höchste Stand der Reserven seit April 2022.

Japan: Verbraucherpreise leicht rückläufig

Die Verbraucherpreise legten per März im Jahresvergleich um 2,7% nach zuvor 2,8% zu. Der

Anstieg der Kernrate der Verbraucherpreise stellte sich im Jahresvergleich auf 2,6% (VM 2,8%).

China: Auslandsinvestitionen (J) mit größten Rückgang seit Februar 2009

Ausländische Direktinvestitionen sanken per Berichtsmonat März im Jahresvergleich um

26,1% nach zuvor -19,90%. Es ist der schlechteste Wert seit Februar 2009.

SENTIX

Sentiment trübt sich weiter ein, Kaufbereitschaft steigt – Ergebnisse des sentix Global Investor Survey (16-2024)

Die Stimmung an den Aktienmärkten trübt sich weiter ein. Der Nahostkonflikt und die Schwäche der Technologieaktien zeigen Wirkung. Mittlerweile erreichen wir an vielen Aktienmärkten stimmungstechnisch konträre Niveaus.

Gleichzeitig nimmt die mittelfristige Zuversicht zu.

Insgesamt verbessern sich damit die Rahmenbedingungen für den Aktienmarkt.

Für Anleihen sieht es dagegen nicht so gut aus. Es stellt sich daher die Frage, ob steigende Renditen eine starke Aktienerholung potenziell einbremsen könnten.

Weitere Ergebnisse

  • Bonds: Ungünstige Entwicklung
  • Gold: Die Zeichen stehen auf Konsolidierung
  • sentix Styles – Risikoneigung und Anlegerpräferenzen

„Bei den Anleihen verdunkeln sich die Wolken. Denn die fallenden Renten-Kurse führen nicht zu einem Aufbau von Wertwahrnehmung: Der Bias für Bundesanleihen und US-Treasuries sinkt weiter. Auch die Institutionellen halten nicht dagegen. Ihr Bias-Abbau führt die Bewegung an. Wir gehen daher davon aus, dass der Markt strukturell unter Druck bleibt. Dies wird letztlich auch von den Aktienmärkten verkraftet werden müssen. Die Intensität dieser Entwicklung dürfte demzufolge das Potential der nächsten Aktienerholung definieren.“

MÄRKTE

DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen

DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures

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06:31EUREX/DAX-Future im frühen Handel etwas fester166Dow Jones News
06:31EUREX/Bund-Future im Frühhandel niedriger143Dow Jones News
05:50WOCHENAUSBLICK: Geopolitik und Zins-Dilemma machen es Dax-Anlegern schwer FRANKFURT (dpa-AFX) – Der angeschlagene Aktienmarkt dürfte es auch in der neuen Woche schwer haben. Wegen der mutmaßlichen militärischen Antwort Israels auf den jüngsten Angriff des Iran wird der ohnehin kräftige geopolitische Gegenwind für die Börsen noch einmal stärker. Solange die Sorgen vor einem Flächenbrand im Nahen Osten nicht schwinden, dürften die Anleger verunsichert bleiben. Dazu kommt die Ungewissheit über die weitere Zinspolitik der Notenbanken, vor allem jene der US-amerikanischen Federal Reserve (Fed). Weil sich die US-Wirtschaft weiter robust zeigt, könnte die Inflation zumindest weiter so hoch bleiben, dass die Fed von Zinssenkungen – wie sie am Markt vor nicht allzu langer Zeit noch für Juni erwartet worden waren – zunächst absieht. Einige Marktteilnehmer stellen inzwischen die Frage, ob die Fed in diesem Jahr überhaupt noch an der Zinsschraube drehen wird, wohlgemerkt nach unten. Der Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets sprach daher von einer „toxischen Kombination aus Zins- und Kriegsangst“, die die Anleger derzeit umtreibe. Aus der bislang noch gesunden Korrektur am Aktienmarkt könnte am Ende eine Trendwende werden, so der Börsenexperte. Im Blick stehe im Dax die Kurslücke im Bereich von etwa 17 200 Punkten aus dem Februar, die nun wohl geschlossen werden dürfte. Die Korrektur läuft bereits seit Ostern. Ausgehend vom Rekordhoch bei 18 567 Punkten ging es für den deutschen Leitindex in dieser Zeit Stück für Stück um inzwischen fünf Prozent bergab.

Auch die mittlerweile laufende Berichtsaison für das erste Quartal brachte mit bislang durchwachsenen Ergebnissen keine Entlastung. Die nächsten Tage werden zeigen, ob die Unternehmen die Anleger zu überzeugen wissen oder sie eher enttäuschen. Aus dem Dax etwa berichtet an diesem Montag nach US-Börsenschluss der Softwarehersteller SAP. Dessen Chef Christian Klein stellte den Anlegern in Aussicht, dass es dieses Jahr vor allem beim Cloudwachstum und dem bereinigten operativen Ergebnis weiter schwungvoll nach oben geht. Umbaukosten könnten aber belasten. Nach SAP folgen am Dienstag nach dem Handelsschluss in Frankfurt die Quartalszahlen der Deutschen Börse . Am Donnerstag geht der Zahlenreigen weiter mit der Deutschen Bank, dem Chemiekonzern BASF und dem Duftstoff- und Aromenhersteller Symrise . Nach dem Xetra-Schluss öffnet schließlich der Flugzeugbauer Airbus die Bücher. Zu den Geschäftszahlen der Dax-Konzerne gesellen sich zahlreiche Berichte von Unternehmen aus dem MDax und SDax im Wochenverlauf. In den USA stehen außerdem mit Quartalszahlen der zuletzt schwächelnde E-Fahrzeughersteller Tesla im Blick, und zwar am Dienstag. Zur Wochenmitte berichtet der Facebook-Konzern Meta und am Donnerstag der Chipkonzern Intel sowie die Google-Mutter Alphabet . Enttäuschen die Technologiekonzerne, könnte es bei sich eintrübenden Zinssenkungsperspektiven im Techsektor ungemütlich werden. Doch während Aktien korrigierten und die Rentenmärkte von Umschichtungen in sichere Häfen profitierten, dürfte das für Deutschland anstehende Ifo-Geschäftsklima zeigen, „dass es mit der deutschen Konjunktur allmählich aufwärts geht“, schrieb Analystin Claudia Windt von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) in ihrem Ausblick. Es wird am Mittwoch veröffentlicht und dürfte neben den europäischen und amerikanischen Stimmungsdaten aus dem Verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor (am Dienstag) und den Zahlen zum US-Wirtschaftswachstum für das erste Quartal (am Donnerstag) zu den Konjunkturdaten zählen, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen./ajx/ag/nas — Von Achim Jüngling, dpa-AFX —
206dpa-AFX

VERMÖGEN – STEUERN

Studie von Flossbach von Storch: Deutsche sparen mehr als US-Amerikaner – haben im Alter aber trotzdem weniger

Deutsche sind weltweit als Sparer bekannt. Im Vergleich zu den USA legen private Haushalte in der Bundesrepublik doppelt so viel auf die hohe Kante. Im Alter macht sich dies jedoch nicht bezahlt, wie eine Studie von Flossbach von Storch zeigt. 

Mit einer Sparrate von elf Prozent liegt Deutschland im Vergleich weltweit vorne. Zum Vergleich: In den USA sind es sechs Prozent. Trotzdem haben Rentner in der Bundesrepublik später weniger Vermögen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie vom Flossbach Research Institute.

Das verfügbare Einkommen von Menschen über 65 Jahren liegt in Deutschland unter 90 Prozent des durchschnittlich verfügbaren Einkommens der Gesamtbevölkerung. In den USA beträgt dieser Wert fast 95 Prozent. Dazu leben in Deutschland nur knapp 60 Prozent der Rentner in einer eigenen Immobilie. In den USA sind es fast 80 Prozent. 

Einfach und dabei effektiv: US-Sparplan-Modell

Woran liegt das? Um das herauszufinden, hat Studienautor Sven Ebert die betriebliche Altersversorgung in beiden Ländern untersucht. In den USA ist der 401(k)-Plan – benannt nach dem Abschnitt in der Steuergesetzgebung – die dominierende Form der betrieblichen Altersversorgung (bAV).

Ebert kommt zu dem Schluss, dass der 401(k)-Sparplan ein entscheidender Faktor für den höheren Wohlstand ist. Es handelt sich dabei um einen Sparplan, in dem der Angestellte die Chancen und Risiken seiner Kapitalanlage selbst trägt. Der Arbeitgeber gibt lediglich einen Zuschuss zu den Sparraten.

Dieser Sparplan wird von 76 Prozent der Angestellten genutzt. Diese wählen in der Regel verschiedene Investmentfonds und Produkte, in denen die Quote festverzinslicher Anlagen im Alter erhöht wird, um die Volatilität kurz vor Renteneintritt zu verringern. Der Großteil wird in Aktien investiert, typischerweise 70 Prozent. Mit Erfolg: Das durchschnittliche 401(k)-Konto legte 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 118.600 US-Dollar zu und die Zahl der 401(k)-Millionäre stieg um 11,5 Prozent.

Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Sparpläne zu versteuern. Abhängig vom Einkommen im Alter oder Wohnort bieten sich dadurch Steuervorteile. Falls der Sparer den Arbeitgeber wechselt, hat er mehrere Möglichkeiten, den Sparplan fortzuführen. Er kann ihn beim alten Arbeitgeber belassen oder – sofern dort verfügbar – zum neuen Arbeitgeber mitnehmen. Zusätzlich ist auch eine Übertragung in einen privaten Sparplan möglich. „Die Auswahlmöglichkeiten erzeugen Preisdruck auf die Produkte, wodurch die Gebühren sinken“, sagt Ebert.

Die Wertsteigerung liegt aufgrund des hohen Aktienanteils durchschnittlich zwischen fünf und acht Prozent. Es gibt Wege, um Steuern zu sparen und der übersichtliche regulatorische Rahmen erleichtert neuen Anbietern den Markteinstieg. Die aus der Einfachheit entstehende Transparenz ermöglicht es den Arbeitnehmern, die ihnen übertragene Verantwortung in der Kapitalanlage wahrzunehmen. Gerade die Einfachheit macht die 401(k)-Pläne laut Ebert zu einer Erfolgsgeschichte. 

bAV gleicht eher einem Dschungel

Die betriebliche Altersvorsorge gleicht laut Ebert im Vergleich zum 401(k)-Plan einem Dschungel. Es existieren vier verschiedene Zusagearten, die alle ihre Eigenheiten besitzen. Die vier Arten können dann jeweils auf bis zu fünf verschiedenen Wegen durchgeführt werden. Man unterscheidet versicherungsförmige Wege, etwa über einen Lebensversicherer, einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse und nicht-versicherungsförmige Wege, also eine Direktzusage des Arbeitgebers oder die Gründung einer Unterstützungskasse. Es entstehen damit über zehn verschiedene Modelle.

Bei der Auswahl der Kapitalanlage haben laut Ebert deutsche Sparer meist wenig Wahl. Denn je nach gewähltem Modell greifen regulatorische Beschränkungen. Entscheidet sich der Unternehmer zum Beispiel für die Durchführung der bAV mittels einer Pensionskasse, verbietet die Anlageverordnung Aktienquoten über 35 Prozent. „Dafür kämpft die Rendite mit Beitragsgarantien und Kapitalanlagevorschriften, welche die Politik vorgibt. Den Preis bezahlen die Sparer, oftmals ohne selbst Einfluss auf die Kapitalanlage nehmen zu können“, führt Ebert aus.

Politik muss bAV entrümpeln

Durch die vielen unterschiedlichen Modelle komme zudem ein Wust an Regulatorik und Gesetzen hinzu. Jede Art betrieblicher Altersversorgung in Deutschland erfordere jeweils eigenes juristisches und versicherungsmathematisches Spezialwissen. Diese Kleinteiligkeit treibe wiederum die Kosten: Zum einen wird die Verwaltung der Assets aufwendig. Zum anderen entstehen Eintrittsbarrieren für neue Anbieter, wodurch der Wettbewerb eingeschränkt ist.

Es ist zwar grundsätzlich möglich, ähnlich hohe Renditen wie in den USA zu erzielen. Aber der Weg dahin ist laut Ebert unwesentlich schwieriger und komplizierter. Für den Studienautoren ist an dieser Stelle die Politik gefragt, um mehr Simplizität und Transparenz zu schaffen.  Die gesamte Studie finden Sie hier.

STEUERN

Studie kritisiert: Politik hofiert Multimillionäre – Besteuerung von Superreichen fällt in der Schweiz höher aus als in Deutschland und Österreich

Berlin/Wien (pte017/18.04.2024/11:15) – Die tatsächliche Besteuerung von Milliardären fällt in der Schweiz höher aus als in Deutschland und Österreich. Das zeigt eine neue Studie des österreichischen Momentum Instituts, des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam Deutschland, die pressetext vorab vorliegt. Demnach zahlen Multimillionäre in Deutschland und Österreich nur bis zu 30 Prozent Steuern auf ihr Einkommen. Das liege deutlich unter den vorgesehenen Höchststeuersätzen.

Fiskus entgehen Milliarden

Die Organisationen haben Veränderungen im Steuerrecht durchgerechnet und kommen zu dem Schluss: Eine Vermögensteuer auf dem Schweizer Niveau brächte in Deutschland 73 Mrd. Euro. In Österreich, so die Prognose auf Basis aktueller Berechnungsmodelle, würde eine entsprechende Vermögensteuer dem Fiskus jährlich etwa bis zu fünf Mrd. Euro einbringen.

Während die analysierten Schweizer Milliardäre mit einem Steuersatz von rund 32 Prozent etwas mehr als drei Viertel des geltenden Höchststeuersatzes ihres Kantons (41,5 Prozent) erreichen, liegen die Steuersätze der Milliardäre in Deutschland und Österreich bei lediglich 26 Prozent und damit weit unter den jeweiligen Höchststeuersätzen (47,5 beziehungsweise 55 Prozent) – im Fall von Österreich sogar über die Hälfte darunter, heißt es in der Erhebung.

Ungleiche Steuerbehandlung

„Mit einer Vermögensteuer für Superreiche oder eine Mindeststeuer auf ihre Einkommen können wir sicherstellen, dass ihr Steuersatz auf etwa 40 bis 50 Prozent ansteigt – vergleichbar mit dem, was der Mittelstand an Steuern und Abgaben leistet. Während Vermögensteuern bei erfolgreichem Unternehmertum leicht aus den Erträgen finanzierbar sind, würden sie den Kauf und Besitz von klimaschädlichen Privatjets oder Privatjachten unattraktiver machen“, kommentiert Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. (Ende)

Reiche höher besteuern – Frankfurter Rundschau

NGOs fordern eine fairere Lastenverteilung, um Krisen zu meistern. Millionäre und vor allem Milliardäre könnten deutlich stärker beteiligen.

Wie geht man mit der wachsenden Kluft zwischen arm und reich um? Wem die Forderung der Satirepartei Die PARTEI von 2017 zu weit geht, die 100 reichsten Deutschen einfach plattzumachen und auch ein Wechsel des Wirtschaftssystems nicht in Frage kommt, für den ist die Lösung vielleicht an das Steuersystem heranzugehen.

„Das Steuersystem ist für demokratische Gesellschaften ein ganz zentrales Instrument“, sagt Manuel Schmitt von Oxfam. Am Donnerstag stellte die Hilfsorganisation zusammen mit vier weiteren eine Studie zu sogenannten Superreichen und ihrer vermeintlichen Steuerbelastung in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Länder) vor. Der Name der Studie bringt die Forderung der Autor:innen auf den Punkt: „Superreiche (wieder) gerecht besteuern!“

„In Krisenzeiten wie der heutigen sind Steuersysteme besonders wichtig“, fährt Schmitt fort. Unter anderem weil sie einen großen Teil der Antworten auf die Fragen gäben, wie Gesellschaften diese Krisen meistern könnten und wer für die Krisenkosten aufkommen solle. Auch diese Studie bestätigt, wie so viele andere in den vergangenen Jahren, dass die Kluft zwischen arm und reich wächst. Das bedrohe nicht nur den sozialen Zusammenhalt, heißt es in der Studie, sondern auch die Grundlagen der Demokratie. Denn wer reich ist, hat auch Einfluss.

Was die DACH-Länder gemeinsam haben: Alle drei haben progressive Steuersysteme. Das bedeutet sehr vereinfacht, dass der Steuersatz in Abhängigkeit von dem zu versteuernden Vermögen oder Einkommen steigt. Doch durch Sonderregelungen und Ausnahmen sieht das in der Praxis leider nur bedingt so aus, kritisieren die Autor:innen der Studie. Tatsächlich ist es so, dass eine kleine Minderheit von Superreichen so viel Vermögen hat, wie der Großteil der Bevölkerung. Doch woran liegt das?

Laut Barbara Schuster vom Momentum Institut, Mitautorin der Studie, lassen die „Superreichen“ ihr Kapital für sich arbeiten. Was einfach klingt, lässt sich so erklären: Bei Millionär:innen und Milliardär:innen entfällt nur ein kleiner Teil der Einkünfte auf Arbeitseinkommen. Der Großteil sind Vermögenseinkommen. Dazu zählen Einkommen aus Mieten, Zinsen und Dividenden. Also Kapital, nicht Arbeit.

Erst vor wenigen Tagen zeigten Berechnungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dass die Dax-Konzerne zum dritten Mal in Folge Rekord-Dividenden an ihre Aktionärinnen und Aktionäre ausschütten. So lässt sich auch erklären, wie es nach Schätzungen von Oxfam sein kann, dass die fünf reichsten Europäer ihr Vermögen seit 2020 von 224 auf 429 Milliarden Euro erhöhen konnten.

Und ausgerechnet bei den Vermögenseinkommen gibt es zahlreiche Sonderregeln, Ausnahmen und Privilegien, so die Studie. Das führe dazu, dass die „effektive Steuer- und Abgabenquote auf das Einkommen der Superreichen trotz progressiven Steuersystems typischerweise niedriger ist“ als für durchschnittliche Angestellte.

Hier zeigt sich das nächste Problem: Deutschland und Österreich haben keine Vermögenssteuer. Deutschland hatte früher eine. Sie steht als eine prinzipiell zulässige Steuerart sogar im Grundgesetz. Doch das Bundesverfassungsgericht erklärte sie 1995 für verfassungswidrig. Österreich war mit 1993 etwas früher dran. In der Schweiz macht die Vermögenssteuer sieben Prozent des Gesamtsteueraufkommens aus. Aber für Ausländer:innen ist sie geringer. „Die sogenannte Aufwandsbesteuerung für Menschen ohne Arbeitseinkommen aus der Schweiz, die ihr Steuerdomizil in die Schweiz verlegen, reduziert die fällige Vermögensteuer massiv“, heißt es in der Studie. Das heißt, dass das Land Steuerflüchtlinge anlockt.

Interessant ist auch, dass jedes schweizerische Kanton eine eigene Einkommenssteuer hat. Die Höchststeuersätze bewegen sich zwischen 22 und 41,5 Prozent. In Österreich und Deutschland betragen die Höchststeuersätze für Einkommen einheitlich 55 und 45 Prozent.

Auffällig ist am Ländervergleich der Gesamtsteueraufkommen auch: Während sich alle drei Länder bei den Erbschaften und Unternehmen ähneln, gibt es bei den Konsumsteuern einen großen Ausreißer. In der Schweiz beträgt der Anteil 26 Prozent, in Österreich und Deutschland 41 und 42 Prozent.

Die zentralen Forderungen aus der Studie sind klar: Eine Vermögenssteuer von zwei Prozent für Milliardär:innen beziehungsweise eine Mindeststeuer von 25 Prozent auf ihre Einkommen samt Gewinnen und unrealisierter Wertsteigerungen. Forderungen, die auf internationaler Bühne längst diskutiert werden.

Oxfam-Studie: Steueroase für Milliardäre – Laut Studie zahlen Kapitaleigner in Deutschland weniger Abgaben als Lohnabhängige – ND. Journalismus von Links

73 Milliarden Euro. So viel könnte die Bundesregierung an Mehreinnahmen generieren, wenn sie eine Vermögenssteuer nach Schweizer Modell einführte. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Ökonominnen Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit und Barbara Schuster vom österreichischen Momentum Institut, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Im Auftrag der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam haben sie gemeinsam mit Isabel Martinez von der ETH Zürich erstmals die effektive Steuerbelastung von Milliardär*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert.Aus den Modellrechnungen der drei Ökonominnen geht hervor: Sogenannte Superreiche in Deutschland und Österreich werden mit nur rund 26 Prozent effektiv weit unter dem Höchststeuersatz von 47,5 Prozent besteuert. In der Schweiz zahlen Vermögende mit bis zu 32 Prozent dagegen verhältnismäßig mehr am Gesamtsteueraufkommen. Der Höchstsatz liegt dort bei 41,5 Prozent.

Ursachen für die de facto niedrige Besteuerung von Reichen in Deutschland und Österreich sind insbesondere Sonderregelungen und Steuerprivilegien für große Vermögen und Einkommen. So könnten Anteile an Unternehmen etwa über vermögensverwaltende Gesellschaften gehalten werden. Erst wenn daraus Gewinne ausgeschüttet werden, würden Steuern fällig.

Doch seien Reiche und Superreiche in der Regel auf das Geld nicht angewiesen. »Die Vermögen können niedrig versteuert reinvestiert werden«, erklärte Jirmann. So könnten über Jahre Steuern vermieden werden, während der Reichtum weiter zunimmt. »Deutschland ist eine Steueroase für Superreiche«, spitzte sie die Ergebnisse der Studie zu.

Für Mittelstandsfamilien seien Deutschland und Österreich dagegen Hochsteuerländer. Denn für diese liegt der effektive Steuersatz laut Studie mit durchschnittlich 43 Prozent nur knapp unter dem Höchststeuersatz – wenn man die Sozialabgaben und die Arbeitgeberbeiträge mitberücksichtigt. Die Folge sei eine wachsende soziale Ungleichheit.

Vor dem Hintergrund fordert Jirmann, dass Steuern auf Vermögenseinkommen aus Unternehmensbeteiligungen erhöht werden. »Und Deutschland muss sich trauen, die Vermögenssteuer wieder einzuführen.« Dabei könne die Schweiz als Vorbild dienen: Dort sorgt eine solche Abgabe zusammen mit Steuern für Unternehmenskapital für rund sieben Prozent der Einnahmen

Positiv hoben die Ökonominnen auch den Vorstoß des brasilianischen Finanzministers Fernando Haddad hervor, der im Rahmen der G20-Verhandlungen eine Vermögenssteuer für Superreiche von zwei Prozent vorschlug. Und zuletzt hatte auch US-Präsident Joe Biden, eine Mindeststeuer von 25 Prozent auf Einkommen von Superreichen zur Debatte gestellt.

Das scheint mit der Bundesregierung indes aktuell nicht machbar. Zwar sprechen sich Teile von SPD und Grünen für eine Vermögenssteuer aus. Doch Finanzminister Christian Lindner stellt sich quer, weil sie Investitionen hemmen würde.

Dass niedrige Steuern unmittelbar mit Investitionen von Unternehmen zusammenhingen, bestreiten die Ökonominnen. »Das ist eine falsche Vorstellung«, kritisierte Jirmann auf nd-Nachfrage. Für unternehmerische Entscheidungen seien eher der Arbeitskräftemangel und bürokratische Hürden prägend, erklärte sie. (Felix Sassmanshausen)

Steuervorteile für Reiche: Es ist eine Klassenfrage – Felix Sassmannshausen zur Steuerbegünstigung für Reiche – ND. Journalismus von Links

Die neue Oxfam-Studie zeigt, dass auch in Deutschland Multimillionäre und Milliardäre, gemessen an ihrem Einkommen und Vermögen, einen deutlich geringeren Steueranteil bezahlen als lohnabhängig Beschäftigte. Die Erklärung: Letztere bestreiten ihre Einkommen durch Arbeit, die verhältnismäßig hoch besteuert wird. Reiche leben in der Regel von ihrem Kapitalbesitz, der gering belastet wird.Dass Finanzminister Christian Lindner bislang jedweden zaghaften und kaum ernst gemeinten Vorstoß von Grünen und SPD abblockt, hieran etwas zu ändern, folgt gängigen kapitalistischen Logiken. Denn das mit der sozialen Ungleichheit ist so eine Sache: Zwar produziert die Gesellschaft einen enormen Waren- und Geldreichtum, doch ist der stets auch höchst ungleich verteilt. Klassenselektivität des Staates ist hier das Stichwort aus der materialistischen Staatstheorie. Dadurch finden die Interessen des Kapitals strukturell leichter Zugang zu den Korridoren der Macht als jene der Lohnabhängigen. Und das zeigt sich auch an der Steuergesetzgebung, die alle Staatsbürger zwar abstrakt gleich behandelt, das Kapital aber tendenziell begünstigt.Das ist auch eine Frage des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen, das in den Gesetzen verdichtet zum Ausdruck kommt. Und da muss man nüchtern festhalten: Die haben sich in den letzten 30 Jahren nicht gerade zugunsten der Beschäftigten entwickelt. Deshalb sind die Forderungen nach der Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer sowie nach einer Erhöhung der Abgaben für große Einkommen zwar gut und unterstützenswert, wie auch in der Oxfam-Studie hoffnungsvoll vorgebracht. Doch wichtiger als Appelle wäre wohl die Bewegung, die sie durchsetzen könnte. Und dafür müsste sie gesamtgesellschaftlich offensiver gestellt werden, die Klassenfrage.

Oxfam-Studie: Steuer für Superreiche brächte 73 Milliarden Euro ein – Steuer für Superreiche in Deutschland könnte Haushaltsloch stopfen – Berliner Kurier 

In Berlin wurde am Donnerstag eine Studie vorgestellt, welche die Steuersysteme in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersuchte. Die Erkenntnis: deutsche Multimillionäre und Milliardäre bleiben oft deutlich unter den Höchststeuersätzen. Das liege vor allem an Sonderregelungen und Steuerprivilegien für hohe Vermögens- und Unternehmenseinkommen, so die Autoren der Studie, die Oxfam gemeinsam mit dem österreichischen Momentum Institut und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit veröffentlichte.  Oxfam fordert daher eine höhere Besteuerung von Superreichen. Während die meisten Menschen unter den Folgen von Pandemie, Inflation und Krieg litten, explodierten die Vermögen von Multimillionären und Milliardären, sagte der Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam, Manuel Schmitt, zur Vorstellung der Studie „Superreiche (wieder) gerecht besteuern“ am Donnerstag in Berlin. Anstatt „zum Kahlschlag“ bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei den Sozialausgaben anzusetzen, brauche es eine Besteuerung hoher Vermögen, damit auch die Superreichen ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, forderte Schmitt.

73 Milliarden Mehreinnahmen durch Reichensteuer

Die Studienautoren regen an, eine Vermögenssteuer für Superreiche in Deutschland einzuführen. Eine solche Steuer nach Schweizer Modell brächte in Deutschland Mehreinnahmen von 73 Milliarden Euro. Das Geld könnte die Bundesregierung nutzen, um das auf 20 Milliarden Euro geschätzte Haushaltsloch zu stopfen und so Kürzungen im Entwicklungsetat vermeiden. Auch dringend benötigte Investitionen für den Klimaschutz und mehr soziale Gerechtigkeit ließen sich so finanzieren.

In Deutschland liegen die Steuersätze für Milliardäre laut der Studie im Schnitt bei 26 Prozent, also deutlich unter dem Höchststeuersatz von 47,5 Prozent. Zum Vergleich: Der Steuer- und Abgabebeitrag von Mittelstandsfamilien geht mit 43 Prozent weit darüber hinaus. In der Schweiz, in der es eine Vermögenssteuer gibt, zahlen Milliardäre durchschnittlich 32 Prozent Steuern bei einem Höchstsatz von bis zu 41,5 Prozent.

Steuergerechtigkeit: Mark Mateschitz zahlt effektiv weniger Steuern als eine Mittelstandsfamilie – Der Standard

Eine Studie hat die Steuerbelastung von Mittelstandsfamilien und Superreichen verglichen. In Österreich gilt: je reicher, umso geringer die Steuern – relativ gesehen

Sollten Sie morgens mit den Öffis in die Arbeit fahren, haben Sie sich schon einmal überlegt, zu welchem Teil Sie den Bus, die Bim, die Bahn mitfinanziert haben? Nein? Hier die Antwort: Höchstwahrscheinlich tragen Sie zur Finanzierung mehr bei – relativ zu Ihrem Einkommen gesehen – als Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz.

Die Erkenntnis basiert auf einer Studie für Österreich, Deutschland und der Schweiz. Oxfam, das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut und das Netzwerk Steuergerechtigkeit haben sich angesehen, wie die Steuerbelastung von unterschiedlichen Einkommensklassen konkret aussieht: für Mittelstandsfamilien, für Muster-Multimillionäre und für „echte“ Milliardäre. Konkret ist das für Österreich der Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz, für Deutschland die BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt sowie für die Schweiz die Erben des Roche-Pharmakonzerns André Hoffmann und Jörg Duschmalé.

Die Forscherinnen fanden heraus, dass die Steuerbelastung für eine Mittelstandsfamilie in Österreich bei 42 Prozent liegt, für die Multimillionäre bei 30 Prozent. Der reichste Mann des Landes, Milliardär Mateschitz, muss 26 Prozent seines Bruttoeinkommens an den Staat blechen. Und das widerspricht dem – für die Besteuerung grundlegenden – Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das bedeutet: Wer mehr verdient, soll mehr Steuern zahlen.

javascript:(function()%7breturn;%7d)() Doch woher kommt dieser Unterschied? Der Mittelstand erzielt den größten Teil des Einkommens durch Erwerbsarbeit, zahlt also Lohn- und Einkommenssteuer. Das ist bei sehr vermögenden Personen anders: Sie generieren den Großteil ihres Einkommens durch Kapitaleinkommen, nur zehn bis 20 Prozent durch Arbeit. Beim momentanen Steuersystem in Österreich und Deutschland wirkt sich genau dieses Faktum aus: Während Arbeitseinkommen gut erfasst und progressiv besteuert werden – das bedeutet, dass die Steuersätze mit höherem Einkommen steigen –, ist das bei Kapitaleinkommen und Vermögen anders. Es gibt keine Register, keine verpflichtenden Bewertungen. Zudem sind Kapitaleinkünfte und Unternehmensgewinne mit einer geringeren Flat Tax besteuert und in komplexen Beteiligungsgesellschaften geparkt, die steuerlich privilegiert behandelt werden.

Woher die Vermögensdaten kommen

Wenn es keine konkreten Registerdaten gibt, wie kommen die Wissenschafterinnen dann zu ihren Ergebnissen? Für die Mittelstandsfamilien werden HFCS-Daten, eine Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank, verwendet. Die Muster-Multimillionäre stammen aus den höchsten 0,1 Prozent der Vermögensverteilung. Aufgrund fehlender Registerdaten wird hier ebenfalls auf Erhebungs- und Forschungsdaten sowie Modellrechnungen zurückgegriffen. Für die Milliarden-Erben verwendete man öffentlich einsehbare Reichenlisten, Geschäftsberichte sowie Firmenbuchauszüge, um das Gesamtvermögen zu berechnen.

Wichtig zu erwähnen ist, dass der HFCS für höhere Vermögen ungenauer ist. Vermögende tendieren nämlich dazu, ihre Vermögen geringer anzugeben oder erst gar nicht an der Erhebung teilzunehmen. Daher handle es sich bei den Studienergebnissen um eine „konservative Rechnung“, die eher als Untergrenze zu verstehen seien, so die Momentum-Ökonomin Barbara Schuster.

Konkret in Zahlen gegossen lauten die Daten: Die österreichische Mittelstandsfamilie besteht aus einem verheirateten Paar mit zwei minderjährigen Kindern. Das jährliche Gesamteinkommen beträgt rund 93.000 Euro, das Nettovermögen 228.000 Euro. Dem gegenüber steht der Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz: Bei ihm gehen die Wissenschafterinnen von jährlichen Bruttoeinkünften in Höhe von 1,3 Milliarden Euro aus, das Vermögen wird auf 32,5 Milliarden Euro geschätzt.

„Taxing the rich“

Während sich Österreich und Deutschland in der Ausgangslage und den Ergebnissen sehr stark ähneln, unterscheidet sich die Schweiz darin. Hier liegt die Steuerbelastung im betrachteten Kanton – die Steuersätze sind auf kantonaler Ebene geregelt – nur bei rund 15 Prozent für die Mittelstandsfamilie, in Österreich und Deutschland sind 42 bzw. 43 Prozent fällig.

Aber: In der Schweiz gibt es Vermögenssteuern, die wie eine indirekte Steuer auf Vermögenserträge wirkt. Das heißt, kaum jemand muss die Steuer aus der Vermögenssubstanz bezahlen, weil der Steuersatz recht niedrig angesetzt ist. Dennoch erwirtschaftet die Vermögenssteuer sieben Prozent des Gesamtsteueraufkommens. Im Vergleich: In Österreich und Deutschland liegt dieser Wert bei null Prozent.

Die Schweizer Vermögenssteuer verschiebt das Steuerbelastungs-Ranking bei Betrachtung der Milliardäre: Die Roche-Erben werden mit einer effektiven Steuerbelastung von 32 Prozent mehr besteuert als ihre österreichischen und deutschen Pendants, die bei 26 Prozent liegen. Und dennoch: In allen Fällen liegt die effektive Steuerbelastung unter dem Einkommensspitzensteuersatz – obwohl die Reichen technisch gesehen in diese höchste Steuerklasse fallen würden.

Die Länderstudien kommen daher zu folgendem Schluss: Im Sinne der Wiederherstellung einer progressiven Besteuerung sei es sinnvoll, Vermögenssteuern in Österreich und Deutschland einzuführen. Zudem sollen große Vermögen stärker besteuert werden. Einen Ansatzpunkt bei Unternehmenssteuern gibt es auch: Diese sollen erhöht werden – entgegen dem Trend der letzten Jahre, in denen man sich international in einem regelrechten „race to the bottom“ befunden hat. (Sarah Kirchgatterer, 18.4.2024)

Mittelstandsfamilien laut Studie deutlich mehr besteuert als Superreiche – KURIER

Institute verglichen effektive Besteuerung in Österreich, Deutschland und die Schweiz. Forderung nach Vermögenssteuer.

In Österreich und Deutschland zahlen Mittelstandsfamilien im Verhältnis deutlich mehr Steuern als Millionäre und Milliardäre. Zu diesem Schluss kommt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie von der deutschen Entwicklungsorganisation Oxfam, dem Netzwerk Steuergerechtigkeit und dem gewerkschaftsnahe Momentum Institut. Sie fordern daher die Einführung einer Vermögenssteuer. 

Das Beispiel Schweiz zeige, dass die Besteuerung von Superreichen funktioniere, so die Studienautoren.

Berechnet wurde in dem Ländervergleich zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz die effektive Besteuerung von durchschnittlichen Mittelstandsfamilien, Millionären und exemplarischen Milliardären – in Österreich wurde etwa Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz herangezogen. Dabei zeigt sich, dass die progressiven Steuersysteme in allen drei Ländern für einen starken Ausgleich bei der Einkommensverteilung sorgen, im internationalen Vergleich sehr ungleich verteilt sind aber die Vermögen.

Ausgleichende Vermögenssteuer

Daran ändert offensichtlich auch die Vermögenssteuer – wie sie in der Schweiz besteht – nicht viel, sie schafft laut Studie aber einen Ausgleich bei der effektiven Steuerbelastung. Denn während das Einkommen beim Mittelstand vor allem aus Arbeitseinkommen besteht, beträgt der Anteil am Einkommen bei Millionären nur 10 bis 20 Prozent und bei Superreichen weniger als ein Prozent.

Den Berechnungen zufolge kommt eine durchschnittliche Mittelstandsfamilie mit allen Steuern und Abgaben inklusive Arbeitgeber-Beiträgen in Österreich und Deutschland auf eine effektive Steuerlast von 42 bzw. 43 Prozent des Arbeitgeberbruttolohns. Dagegen zahlen Muster-Millionäre in Österreich nur rund 30 Prozent, in Deutschland 29 Prozent, die Beispiel-Milliardäre überhaupt nur rund 26 Prozent an Steuern.

Schweiz: Große regionale Unterschiede

Im Vergleich dazu kommt in der Schweiz der exemplarische Superreiche auf einen Steuersatz von rund 32 Prozent, der durchschnittliche Millionär auf 19 Prozent und die Mittelstandsfamilie auf rund 15 Prozent. Damit würden die effektiven Steuersätze der Superreichen deutlich näher an den jeweils vorgesehenen Höchststeuersätzen liegen. Dabei sind die regionalen Unterschiede in der Schweiz groß. 

In der Studie wurde davon ausgegangen, dass Mittelstandsfamilie und Millionär in dem Niedrigsteuer-Kanton Zug lebt, wo der Höchststeuersatz bei 22 Prozent liegt. Der herangezogenen Milliardär lebt tatsächlich aber in einem Hochsteuerkanton (41,5 Prozent Höchststeuersatz).

Bis zu fünf Milliarden Euro Mehreinnahmen

Eine Vermögenssteuer könne also dafür sorgen, das das Steuersystem wieder progressiver wird und damit dem vereinbarten Leistungsprinzip entspricht, argumentieren die Autoren. Würde Deutschland Vermögensteuern auf dem Schweizer Niveau erheben, entspräche das Mehreinnahmen von 73 Milliarden Euro. In Österreich würde eine Vermögensteuer laut aktuellen Modellen jährlich etwa bis zu 5 Milliarden Euro bringen. Neben der Einführung einer Vermögenssteuer für Superreiche empfehlen die Studienautoren auch eine Erhöhung der Unternehmenssteuern.

Grundlage der Studie waren Daten der OeNB-Studie „Household Finance and Consumption Survey (HFCS). Im Falle der Superreichen wurde aufgrund fehlender konkreter Daten auf öffentlich einsehbare Firmenbuchdaten, Berichten von Finanznachrichtenagenturen und den Reichenlisten von Trend und Forbes zurückgegriffen.

Schellhorn: „Wer mehr Gerechtigkeit will, muss die Steuern senken und nicht erhöhen“

Nichts von der Forderung nach einer Vermögenssteuer hält die wirtschaftsliberale Denkfabrik Agenda Austria. Die klassische Vermögenssteuer sei wirtschaftsfeindlich und deshalb überall auf dem Rückzug, erklärte Agenda Austria-Chef Franz Schellhorn in einer Stellungnahme: „Wer mehr Gerechtigkeit will, muss die Steuern senken und nicht erhöhen, nur so ist ein breiter Vermögensaufbau möglich.“ Von der Schweiz abschauen könne man sich dagegen die Ausgabenbremse.

ISRAEL

n-tv aktuell ISRAEL

22.04.2024 06:54

„Gipfel der Absurdität“ Israel warnt USA vor Sanktionen gegen Militäreinheit

Wegen möglicher Übergriffe auf Palästinenser plant Washington offenbar Sanktionen gegen ein israelisches Militärbataillon. Die Einheit könnte damit von militärischer Unterstützung ausgeschlossen werden. Israel reagiert empört – und warnt die USA vor „einem großen Fehler“.

22.04.2024 01:48

Antisemitischer Protest an Uni New Yorker Rabbi warnt: Jüdische Studierende nicht mehr sicher

Seit Tagen demonstrieren Studierende an der renommierten Columbia University für Palästina – und vor allem gegen Israel. Videos zeigen unverhohlenen Antisemitismus. Nun schlägt ein Rabbi Alarm: Für Jüdinnen und Juden sei der Aufenthalt auf dem Campus gefährlich geworden.

21.04.2024 21:28

Rafah-Offensive Teil des Plans Israels Armeechef genehmigt „weitere Schritte“ in Gaza

Was seit Wochen angekündigt ist, wird offenbar konkret: Israels Generalstabschef bewilligt „weitere Schritte“ im Gaza-Krieg, die laut einem Medienbericht einen Militäreinsatz in Rafah einschließen. Ferner kündigt Ministerpräsident Netanjahu an, den militärischen Druck „in Kürze“ zu erhöhen.

21.04.2024 17:42

Nach israelischen Luftangriffen Kliniken in Rafah melden zahlreiche Tote

Das israelische Militär fliegt nahezu täglich Luftschläge auf die Stadt Rafah im Gazastreifen. Nach jüngsten Angriffen melden die örtlichen Krankenhäuser mehr als 30 Tote, die meisten von ihnen Kinder. Derweil attackieren zwei Palästinenser im Westjordanland einen Kontrollpunkt.

n-tv aktuell Nahost-Konflikt

NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL  

ROUNDUP: Israels Armee rückt im Gaza-Krieg weiter vor – Die Nacht im Überblick, MONTAG, 22.4.2024

TEL AVIV (dpa-AFX) – Israel will den militärischen Druck auf die islamistische Hamas im Gazastreifen forcieren – und schürt Sorgen vor einer möglicherweise kurz bevorstehenden Offensive gegen die Stadt Rafah. Generalstabschef Herzi Halevi habe „die weiteren Schritte“ zur Fortsetzung des Krieges am Sonntag gebilligt, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Der israelische Kan-Sender berichtete, Teil der Pläne sei ein Militäreinsatz in Rafah im Süden an der Grenze zu Ägypten. Es sei offenbar in Kürze mit einer Evakuierung der Zivilbevölkerung zu rechnen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor in einer Video-Ansprache zum jüdischen Pessach-Fest, das am Montagabend beginnt, „weitere schmerzhafte Schläge“ gegen die Hamas angekündigt. „Und dies wird in Kürze geschehen“. Israels Verbündete hatten eindringlich vor einer Offensive in Rafah gewarnt, weil sich dort Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Israel hält einen Einsatz jedoch für nötig, um die verbliebenen Bataillone der Hamas zu zerstören. Anderenfalls könne sie wiedererstarken.

Biden: Pessach-Fest ist besonders hart für Familien der Geiseln

US-Präsident Joe Biden bekräftigte anlässlich des Pessach-Fests seinen Einsatz für Israels Sicherheit. „Mein Engagement für die Sicherheit des jüdischen Volkes, die Sicherheit Israels und dessen Recht, als unabhängiger jüdischer Staat zu existieren, ist eisern“, hieß es in einer Mitteilung Bidens am Sonntagabend (Ortszeit). Das Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei. „Dieses Pessach-Fest ist besonders hart für Familien der Geiseln, die versuchen, den Geist des Festes zu ehren – eine Geschichte, in deren Mittelpunkt die Freiheit steht – während ihre Angehörigen in Gefangenschaft bleiben“. Israels Regierung forderte derweil die USA auf, eine offenbar geplante Sanktionierung eines der Bataillone der israelischen Armee zu überdenken.

Dies würde nicht nur Israels internationaler Legitimität beim Kampf gegen die Hamas schaden, sondern es gebe dafür für die USA auch keine Rechtfertigung, sagte Benny Gantz, Mitglied des Kriegskabinetts, US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag, wie die „Times of Israel“ unter Berufung auf das Büro von Gantz berichtete. Das US-Nachrichtenportal „Axios“ hatte am Samstag unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtet, es werde erwartet, dass Blinken in den nächsten Tagen Sanktionen gegen das weitgehend ultraorthodoxe Bataillon wegen Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland ankündige. „Die Times of Israel“ berichtete unter Berufung auf zwei US-Quellen weiter, die USA würden auch Sanktionen gegen andere Militär- und Polizeieinheiten wegen Verdachts von Menschenrechtsverletzungen erwägen. Die Untersuchungen liefen seit über einem Jahr.

Israel kritisiert angeblich geplante US-Sanktionen gegen Armee-Einheit

Auch der israelische Verteidigungsminister Joav Galant kritisierte die offenbar geplanten Maßnahmen: „Ich erwarte, dass die amerikanische Regierung ihre Absicht, Sanktionen gegen das Netzah Yehuda Bataillon zu verhängen, rückgängig macht“, sagte Galant in einer vom Verteidigungsministerium veröffentlichten Stellungnahme und warnte, dass der geplante Schritt einen „gefährlichen“ Präzedenzfall schaffen würde. Jeder Versuch, eine ganze Einheit zu kritisieren, werfe einen schweren Schatten auf das Handeln der gesamten Armee, sagte Galant laut seines Büros. Dies sei „nicht der richtige Weg für Partner und Freunde“. Die Armee hatte zuvor erklärt, Berichte über US-Sanktionen gegen das Bataillon seien ihr nicht bekannt. Sollte eine Entscheidung dazu fallen, würden die Konsequenzen geprüft.

Die Bundesregierung hat seit Jahresbeginn kaum noch Kriegswaffenexporte nach Israel genehmigt. Bis zum 10. April wurden Lieferungen für 32 449 Euro erlaubt, wie das Wirtschaftsministerium auf Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mitteilte. Hinzu kommen Lieferungen sonstiger Rüstungsgüter im Wert von 10,03 Millionen Euro.

Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung grünes Licht für Rüstungsexporte im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel gegeben – zehnmal so viel wie im Vorjahr. Der größte Teil davon wurde nach dem Massaker genehmigt, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Dabei töteten sie mehr als 1200 Menschen und verschleppten rund 250 weitere nach Gaza.

Es war der Auslöser des Krieges. Israel reagierte auf den Terrorüberfall mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage in Gaza geriet Israel international jedoch stark in die Kritik.

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind bisher mehr als 34 000 Menschen in Gaza getötet und fast 77 000 weitere verletzt worden. Die Zahlen, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Weiter Spannungen an Israels Grenze zum Libanon

Unterdessen ist auch die Lage an Israels nördlicher Grenze zum Libanon weiter angespannt. Wie Israels Armee in der Nacht zum Montag mitteilte, sei eine Drohne der eigenen Luftwaffe im libanesischen Luftraum am Vorabend von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden und auf libanesisches Gebiet gestürzt. Kampfflugzeuge hätten die Abschussbasis, von der aus die Rakete abgefeuert worden sei, angegriffen, hieß es. Der Vorfall werde untersucht. An der Grenze war es am Sonntag erneut zu Gefechten gekommen. Die israelische Armee teilte mit, zwei Geschosse seien in Richtung der Ortschaft Rosch Hanikra im Norden Israels abgefeuert worden. Die israelische Armee habe die Orte angegriffen, von denen aus geschossen wurde.

Die Hisbollah und die Hamas reklamierten am Sonntag Angriffe auf Israel für sich. Seit dem 8. Oktober schießt die proiranische Hisbollah aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf den Norden Israels – aus „Solidarität“ mit der Hamas in Gaza, wie sie vorgibt. Israel bekämpft mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah, die nach einem UN-Sicherheitsratsbeschluss gar nicht so nahe an der Grenze sein dürften.

Was am Montag wichtig wird

Die Außen- und Verteidigungsminister der EU-Staaten kommen in Luxemburg zusammen. Neben einem Austausch mit ihren Kollegen aus der Ukraine über deren Abwehrkampf gegen Russland stehen auch Gespräche über die Lage im Nahen Osten auf der Tagesordnung. In New York legt am selben Tag eine von den Vereinten Nationen eingesetzte Expertengruppe einen Abschlussbericht zu den Vorwürfen gegen das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA vor. Laut Israel sollen mehrere Mitarbeiter am Hamas-Massaker in Israel beteiligt gewesen sein./ln/DP/zb

Armee: Israelische Drohne über Libanon abgeschossen

TEL AVIV (dpa-AFX) – Eine israelische Drohne ist nach Angaben des Militärs über dem Libanon abgeschossen worden. Wie die israelische Armee in der Nacht zum Montag mitteilte, sei die Drohne der eigenen Luftwaffe im libanesischen Luftraum am Vorabend von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden und auf libanesisches Gebiet gestürzt. Kampfflugzeuge hätten die Abschussbasis, von der aus die Rakete abgefeuert worden sei, angegriffen, hieß es. Der Vorfall werde untersucht. Die Angaben konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden. Die Armee sei weiterhin zum Schutz Israels im libanesischen Luftraum im Einsatz, erklärte das Militär weiter.

An Israels Grenze zum Libanon war es am Sonntag erneut zu Gefechten gekommen. Die israelische Armee teilte mit, zwei Geschosse seien in Richtung der Ortschaft Rosch Hanikra im Norden Israels am Mittelmeer abgefeuert worden. Die israelische Armee habe die Orte angegriffen, von denen aus geschossen wurde. Außerdem hätten israelische Kampfflugzeuge Terror-Infrastruktur nordöstlich von Nabatia angegriffen. Zuvor hätten Kampfjets auch Ziele der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah beschossen. Sowohl die Hisbollah als auch der militärische Arm der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas reklamierten am Sonntag Angriffe auf Israel für sich.

Seit dem 8. Oktober schießt die proiranische Hisbollah aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf den Norden Israels – aus „Solidarität“ mit der Hamas im Gazastreifen, wie sie vorgibt. Israel bekämpft mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah, die nach einem UN-Sicherheitsratsbeschluss gar nicht so nahe an der Grenze sein dürften./ln/DP/zb

Israel will USA von Sanktionsplänen gegen Militäreinheit abbringen

TEL AVIV (dpa-AFX) – Die israelische Regierung hat die USA aufgefordert, die offenbar geplante Sanktionierung eines israelischen Militär-Bataillons zu überdenken. Eine Sanktionierung des weitgehend ultraorthodoxen Bataillons würde nicht nur Israels internationaler Legitimität beim Kampf gegen die Hamas-Terrorgruppe im Gazastreifen Schaden zufügen, sondern es gebe dafür für die USA auch keine Rechtfertigung, sagte Benny Gantz, Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, in einem Gespräch mit US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag, wie die „Times of Israel“ unter Berufung auf das Büro von Gantz berichtete. Alle Militäreinheiten seien dem Verhaltenskodex der Armee im Einklang mit dem Völkerrecht unterworfen. Gantz wies darauf hin, das israelische Justizsystem sei stark und unabhängig.

Das US-Nachrichtenportal „Axios“ hatte am Samstag unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtet, es werde erwartet, dass Blinken in den nächsten Tagen Sanktionen gegen ein Bataillon der israelischen Streitkräfte wegen Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland ankündigen werde. Es wäre das erste Mal, dass die USA Sanktionen gegen eine israelische Militäreinheit verhängen. Diese Maßnahmen würden „Axios“ zufolge die Mitglieder des Bataillons von militärischer Unterstützung oder Ausbildung durch die USA ausschließen. Die israelische Regierung reagierte empört auf den Bericht – Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Absicht, Sanktionen zu erlassen, als „Gipfel der Absurdität“ und „moralischen Tiefpunkt“.

Auch der israelische Verteidigungsminister Joav Galant kritisierte die offenbar geplanten Maßnahmen: „Ich erwarte, dass die amerikanische Regierung ihre Absicht, Sanktionen gegen das Netzah Yehuda Bataillon zu verhängen, rückgängig macht“, sagte Gallant in einer vom Verteidigungsministerium veröffentlichten Stellungnahme und warnte, dass der geplante Schritt einen „gefährlichen“ Präzedenzfall schaffen würde.

Vorfälle vor dem 7. Oktober

Die möglichen Sanktionen sollen den Berichten zufolge auf Vorfällen basieren, die sich vor dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober im Westjordanland ereignet hatten. Das Bataillon wurde mit Rechtsextremismus und Gewalt gegen Palästinenser in Verbindung gebracht. Israel zog die Einheit demnach im Dezember 2022 aus dem Westjordanland ab und setzte sie seitdem hauptsächlich im Norden des Landes ein.

Die Zeitung berichtete unter Berufung auf zwei US-Quellen weiter, die USA würden auch Sanktionen gegen andere israelische Militär- und Polizeieinheiten erwägen, die im Verdacht stehen, Menschenrechtsverletzungen gegen Palästinenser begangen zu haben. Die Untersuchungen dazu liefen seit über einem Jahr./hme/DP/zb

Kaum noch deutsche Kriegswaffenexporte nach Israel seit Jahresbeginn

BERLIN (dpa-AFX) – Die Bundesregierung hat seit Jahresbeginn kaum noch Kriegswaffenexporte nach Israel genehmigt. Bis zum 10. April wurden Lieferungen für 32 449 Euro erlaubt, wie das Wirtschaftsministerium auf Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mitteilte. Hinzu kommen Lieferungen sonstiger Rüstungsgüter im Wert von 10,03 Millionen Euro.

Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung grünes Licht für Rüstungsexporte im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel gegeben – zehnmal so viel wie im Vorjahr. Darunter waren Kriegswaffen für 20,1 Millionen Euro, unter anderem 3000 tragbare Panzerabwehrwaffen sowie 500 000 Schuss Munition für Maschinengewehre, Maschinenpistolen oder andere voll- oder halbautomatische Schusswaffen. Der größte Teil davon wurde nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 genehmigt.

Das lateinamerikanische Land Nicaragua beschuldigt Deutschland wegen seiner Rüstungsexporte nach Israel der Beihilfe zum Völkermord und hat deswegen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine Klage eingereicht. In einer Anhörung vor zwei Wochen hatte die Bundesregierung die Vorwürfe als haltlos zurückgewiesen. Das Gericht prüft derzeit, ob die Klage überhaupt zulässig ist.

Nach den Zahlen des Wirtschaftsministeriums wurden von Anfang März bis zum 10. April überhaupt keine Genehmigungen für Kriegswaffenexporte nach Israel mehr erteilt. Im Februar betrug der Wert der erlaubten Lieferungen 2000 Euro und im Januar 30 449 Euro.

Der BSW-Politikerin Dagdelen ist aber auch das zu viel. „Die Bundesregierung muss dringend einen sofortigen Waffenstopp gegen Israel verhängen und bereits erteilte Genehmigungen widerrufen, um zu verhindern, dass Deutschland zum Komplizen weiterer israelischer Kriegsverbrechen in Gaza wird“, forderte sie./mfi/DP/zb

Israel empört über mögliche US-Sanktionen – Die Nacht im Überblick, SONNTAG, 21.4.2024, 14:45

TEL AVIV/WASHINGTON (dpa-AFX) – Trotz der Billigung neuer Hilfen für das Militär in Milliardenhöhe durch das US-Repräsentantenhaus ist die israelische Regierung über ihre wichtigste Schutzmacht USA empört. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befürchtet, die USA könnten gegen ein umstrittenes Bataillon der israelischen Armee Sanktionen erlassen, wie er in der Nacht zu Sonntag auf X (vormals Twitter) schrieb. „In einer Zeit, in der unsere Soldaten die Monster des Terrors bekämpfen, ist die Absicht, eine Einheit der IDF (Israel Defense Forces) mit Sanktionen zu belegen, der Gipfel der Absurdität und ein moralischer Tiefpunkt.“ Nur eine Stunde zuvor noch hatte er mit Blick auf das US-Hilfspaket ebenfalls auf X geschrieben: „Danke, Freunde, danke Amerika!“

Am Samstagabend hatte das US-Repräsentantenhaus ein Hilfspaket von 26 Milliarden US-Dollar für Israel gebilligt. Einerseits sollen damit zum Beispiel Israels Raketenabwehr und die laufenden Militäroperationen der USA in der Region finanziert werden. Andererseits sind davon rund 9 Milliarden US-Dollar für humanitäre Unterstützung gedacht, darunter für die Menschen im Gazastreifen und in anderen Regionen. Die USA sind wichtigste Schutzmacht Israels und unterstützen das Land jährlich mit Milliardenbeträgen, von denen ein beachtlicher Teil in Raketenabwehr und andere Militärtechnik fließt. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher.

Bericht: Blinken will Sanktionen gegen Armee-Bataillon verhängen

Das US-Nachrichtenportal „Axios“ berichtete unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen, es werde erwartet, dass US-Außenminister Antony Blinken in den nächsten Tagen Sanktionen gegen ein Bataillon der israelischen Streitkräfte wegen Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland ankündigen werde. Es wäre das erste Mal, dass die USA Sanktionen gegen eine israelische Militäreinheit verhängen.

Netanjahu reagierte empört und schrieb auf der Plattform X: „Gegen die israelische Armee dürfen keine Sanktionen verhängt werden!“ Seine Regierung werde mit allen Mitteln gegen diese Maßnahmen vorgehen. In den vergangenen Wochen habe er sich gegen die Verhängung von Sanktionen gegen israelische Bürger eingesetzt, auch in seinen Gesprächen mit hohen amerikanischen Regierungsvertretern.

Benny Gantz, Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, sagte laut „Times of Israel“, die Verhängung von Sanktionen gegen die Einheit sei ein gefährlicher Präzedenzfall und sende in Zeiten des Krieges die falsche Botschaft „an unsere gemeinsamen Feinde“. Es würden Maßnahmen ergriffen, damit diese Entscheidung nicht durchkomme. Die Infanterieeinheit sei „ein integraler Bestandteil der Armee“ und an das Militär- und Völkerrecht gebunden. Israel verfüge über „starke und unabhängige“ Gerichte, die in der Lage seien, sich mit angeblichen Verstößen zu befassen.

Die Sanktionen würden die Mitglieder des Bataillons von militärischer Unterstützung oder Ausbildung durch die USA ausschließen, berichtete „Axios“ unter Berufung auf seine Quellen. Ein US-Beamter sagte, Blinkens Entscheidung bezüglich der Einheit basiere auf Vorfällen, die sich vor dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober im Westjordanland ereignet hätten. Das Bataillon wurde laut „Times of Israel“ mit Rechtsextremismus und Gewalt gegen Palästinenser in Verbindung gebracht. Israel zog die Einheit demnach im Dezember 2022 aus dem Westjordanland ab und setzte sie seitdem hauptsächlich im Norden des Landes ein.

Das Verhältnis zwischen Israel und den USA ist ohnehin angespannt. Angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer in dem Konflikt gibt es auch von den USA Kritik am militärischen Vorgehen Israels. Biden und seine Regierung hatten sich lange mit öffentlichen Einwänden zurückgehalten, in den vergangenen Wochen aber zunehmend die Tonlage gegenüber der israelischen Führung verschärft.

Etliche Tote im Westjordanland

Derweil setzte die israelische Armee ihren Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen eigenen Angaben zufolge fort. Dutzende Luftangriffe seien dort auf Terrorziele geflogen worden, teilte das Militär am Samstag mit. Auch im Westjordanland führten israelische Einsatzkräfte bis Samstagabend einen größeren Einsatz aus. Dabei töteten sie Armeeangaben zufolge mindestens zehn Bewaffnete. Bei Gefechten in dem Flüchtlingslager Nur Schams in Tulkarem seien auch neun israelische Sicherheitskräfte verletzt worden.

Das Gesundheitsministerium im Westjordanland meldete 14 Tote und mehrere Verletzte bei dem Einsatz, darunter ein 16 Jahre alter Jugendlicher. Nach zunächst nicht offiziell bestätigten Berichten palästinensischer Medien soll unter den Getöteten auch der örtliche Kommandeur der palästinensischen Terrororganisation Islamischer Dschihad, Mohammed Dschaber, sein. Seit Beginn des Gaza-Kriegs haben Zusammenstöße zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern zugenommen.

Gleiches gilt für Gewalttaten von Siedlern gegen palästinensische Bewohner des Westjordanlands. In der Nähe von Nablus wurde am Samstagabend palästinensischen Angaben zufolge ein Krankenwagenfahrer bei Konfrontationen zwischen Siedlern und Palästinensern getötet. Der 50-jährige Palästinenser sei erschossen worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Er fuhr demnach Verletzte aus einem Dorf, in das zuvor Siedler eingedrungen waren. Wer den Fahrer des Rettungswagens tötete, war zunächst unklar.

Iran sendet Signale der Deeskalation

Nach dem mutmaßlichen Gegenanschlag Israels gegen militärische Ziele im Iran spielt Teheran den Angriff weiter herunter. Der Iran werde darauf nicht reagieren, zitierten iranische Medien Außenminister Hussein Amirabdollahian am Samstag. „Die abgeschossenen Klein-Drohnen waren ja auch mehr wie Spielzeuge“, sagte der iranische Chefdiplomat demnach. Durch die bei Isfahan abgeschossenen kleinen Drohnen habe es weder Schäden noch Opfer gegeben. Auf einen umfassenden israelischen Angriff werde der Iran aber „vehement und konsequent“ reagieren, sagte Amirabdollahian.

Israel hatte am Freitag nach Medienberichten als Reaktion auf einen iranischen Großangriff vom vergangenen Wochenende eine Vergeltungsaktion ausgeführt. Dem massiven Raketen- und Drohnenangriff des Irans auf Israel war ein Raketenangriff auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus vorausgegangen, bei dem zwei Generäle und weitere Mitarbeiter getötet wurden. Dieser Angriff wurde Israel zugeschrieben.

In mehreren Städten in Israel protestierten am Samstagabend erneut Tausende für ein Abkommen zur Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln sowie gegen die israelische Regierung. Angehörige der Entführten werfen ihr vor, kein ernsthaftes Interesse daran zu haben, ein Abkommen mit der islamistischen Hamas zu erzielen./hme/DP/jha

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Israels Generalstabschef billigt Fortsetzung des Gaza-Kriegs

TEL AVIV (dpa-AFX) – Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hat nach Militärangaben Pläne zur Fortsetzung des Gaza-Kriegs gebilligt. Halevi habe „die weiteren Schritte“ am Sonntag genehmigt, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Der israelische Kan-Sender berichtete, Teil der Pläne sei auch ein Militäreinsatz in der Stadt Rafah im Süden an der Grenze zu Ägypten. Es sei offenbar in Kürze mit einer Evakuierung der Zivilbevölkerung zu rechnen.

Israels Verbündete hatten eindringlich vor einer Offensive in Rafah gewarnt, weil sich dort Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Israel hält einen Einsatz in Rafah jedoch für notwendig, um die verbliebenen Bataillone der islamistischen Terrororganisation Hamas zu zerstören. Anderenfalls sei mit einer Wiedererstarkung der Hamas zu rechnen.

Der israelische Armeesprecher wandte sich am Sonntag direkt an die Geiseln in der Gewalt der Hamas. „Wir werden weiterkämpfen, bis ihr nach Hause kommt“, sagte er. Die Angehörigen der Geiseln befänden sich in einer unerträglichen Situation, man werde alles für die Befreiung ihrer Liebsten unternehmen.

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Beginn des Gaza-Kriegs vor sechseinhalb Monaten mehr als 34 000 Menschen im Gazastreifen getötet und fast 77 000 weitere verletzt worden. Die Zahlen, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Mehr als 250 Menschen wurden verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage im Gazastreifen ist Israel international stark in die Kritik geraten. Aus dem Süden des Gazastreifens hatte Israel seine Truppen vor zwei Wochen weitgehend abgezogen./le/DP/jha

Tausende Israelis demonstrieren für Geisel-Deal und gegen Regierung

TEL AVIV (dpa-AFX) – Tausende Menschen haben in Israel erneut für ein Abkommen zur Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln sowie gegen die Regierung protestiert. Bei einer Massenkundgebung am Samstagabend in Tel Aviv forderten die Menschen lautstark die sofortige Freilassung aller aus Israel in das palästinensische Küstengebiet verschleppten Menschen sowie Neuwahlen. „Derjenige, der sie im Stich gelassen hat, muss sie nach Hause bringen“, skandierte die Menge in Anspielung auf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dem viele Israelis angesichts des Hamas-Massakers am 7. Oktober kolossales Versagen anlasten. Angehörige der Entführten werfen ihm und der seiner Regierung zudem vor, kein ernsthaftes Interesse daran zu haben, ein Abkommen mit der islamistischen Hamas zu erzielen.

Israel und die Hamas verhandeln seit Monaten indirekt über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die bei dem Hamas-Massaker am 7. Oktober in den Gazastreifen entführt wurden. Ein Durchbruch ist derzeit nicht in Sicht.

Israelischen Medien zufolge protestierten in den Küstenstädten Tel Aviv und Haifa am Samstagabend jeweils Tausende, in der Stadt Beerscheva Hunderte. Mehr als tausend Menschen versammelten sich Berichten zufolge zudem in Caesarea nahe einer Privatvilla des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Auch in anderen israelischen Städten gab es Kundgebungen.

Israel war bis vor wenigen Wochen davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Inzwischen wird aber befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen tot sein könnten./cir/DP/jha

Irans Führer lobt Streitkräfte nach Angriffen auf Israel

TEHERAN (dpa-AFX) – Irans oberster Führer, Ajatollah Ali Chamenei, hat die iranischen Streitkräfte nach ihren Angriffen auf Israel in höchsten Tönen gelobt. „Die Streitkräfte haben nicht nur ihre Machtstellung unter Beweis gestellt, sondern auch das internationale Ansehen und den nationalen Stolz des Landes und Volkes gewahrt“, sagte er am Sonntag. Dabei sei es zweitrangig, wie viele Raketen abgefeuert worden seien oder ob sie ihre Ziele erreicht hätten. Wichtig sei, dass die Streitkräfte weiterhin in Bereitschaft blieben, um den Feinden des Landes Paroli zu bieten.

Der Iran hatte am 13. April Israel mit mehr als 300 Raketen und Drohnen angegriffen. Israel und seine Verbündeten fingen 99 Prozent der Geschosse ab, die nach israelischen Militärangaben 60 Tonnen Sprengstoff trugen. Dem Großangriff des Irans vorausgegangen war ein Raketenangriff auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Dabei kamen zwei iranische Generäle und weitere Militärangehörige ums Leben. Der Angriff wurde Israel zugeschrieben. Es ist langjährige Praxis Israels, sich nicht zu Berichten über Einsätze im Ausland öffentlich zu äußern.

Chamenei ging nicht auf den begrenzten Militärschlag auf den Iran ein, den Medienberichten zufolge Israel am Freitag ausgeführt hatte. Der 85-jährige Kleriker ist laut iranischer Verfassung Staatsoberhaupt des Landes. Er hat in allen strategischen Angelegenheiten das letzte Wort./str/pey/DP/jha

Zunehmende Gewalt im israelisch besetzten Westjordanland

Bei einem Großeinsatz israelischer Sicherheitsorgane sind mindestens 14 Palästinenser getötet worden, ein weitere Palästinenser wurde offenbar von israelischen Siedlern getötet.

Bei einem Großeinsatz der israelischen Armee im besetzten Westjordanland nahe der Stadt Tulkarm sollen am Samstag mindestens 14 Palästinenser getötet worden sein. Nach offiziellen israelischen Angaben wurden mindestens zehn bewaffnete Männer getötet, die die Sicherheitsorgane mit Sprengsätzen angegriffen haben. Neun Angehörige der Sicherheitskräfte wurden verletzt.

Bei einem weiteren Zwischenfall wurde ein palästinensischer Krankenwagenfahrer in der Nähe der Stadt Nablus erschossen, angeblich durch israelische Siedler.

Israelischen Siedlern wird zunehmend vorgeworfen, im Westjordanland Gewalt zu provozieren.

USA planen Sanktionen gegen Israel

Am Samstag meldete Website Axios, dass die USA beabsichtigen, das israelische Kampfbataillon, „Nethah Yehuda“, wegen Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland mit Sanktionen zu belegen. Die USA hatten unlängst bereits Sanktionen gegen einzelne Siedler verhängt, denen Übergriffe auf Palästinenser vorgeworfen worden waren.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete jede Absicht, Sanktionen gegen Einheiten der israelischen Streitkräfte oder einzelne Soldaten zu verhängen, als „absurd“. Netanjahu begrüßte die Entscheidung des US-Repräsentantenhaus, ein internationales Hilfspaket zu billigen, das 24 Milliarden Euro Militärhilfen für Israel enthält. 

Gleichzeitig halten die Proteste gegen die Regierung Netanjahu an. Mehrere tausend Demonstranten forderten auch am Samstag wieder in Tel Aviv Netanjahus Rücktritt, vorgezogene Neuwahlen und eine dramatische Änderung der israelischen Kriegspolitik, um die in Gaza festgehaltenen Geiseln zurückzubringen. Israelischen Quellen zufolge befinden sich noch immer 129 Menschen in Gefangenschaft, darunter die Leichen von 34 Toten.

Massengrab in Chan Yunis entdeckt

Nach Angaben des panarabischen Nachrichtensenders Al Jazeera haben palästinensische Rettungsdienste im Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis ein Massengrab mit fünfzig Leichen entdeckt. Die Entdeckung erfolgte, nachdem die israelische Armee am 7. April ihre Truppen aus der Stadt im südlichen Gazastreifen abgezogen hatte. 

Die israelische Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens geht weiter. Lokalen Quellen zufolge wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag mindestens 16 Menschen bei einem israelischen Bombenangriff getötet, neun davon waren Kinder.

Nach palästinensischen Angaben sind seit Beginn der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen mehr als 34.000 Palästinenser getötet und über 76.000 verwundet worden.

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UKRAINE

n-tv aktuell UKRAINE

+++ 07:35 Bodemann: „Wir sind nicht im Krieg, aber wir befinden uns auch schon lange nicht mehr im Frieden“ +++
Generalleutnant André Bodemann arbeitet derzeit einen Verteidigungsplan für Deutschland aus. Einen wesentlichen Bestandteil nimmt dabei die Zivilverteidigung ein, wie er im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt. Die müsse allerdings vollkommen neu begründet werden, so Bodemann. Pläne aus den 70er- oder 80er-Jahren existierten nicht mehr. „Der Kalte Krieg liefert uns keine Blaupause für den ‚Operationsplan Deutschland'“. Zudem hätten sich die Bedingungen vollständig verändert. Deutschland ist kein Frontstaat mehr und aus der Digitalisierung resultieren mit Cyberangriffen völlig neue Bedrohungen. „Früher gab es nur Null oder Eins, Frieden oder Krieg. Heute liegt dazwischen eine lange Strecke hybrider Bedrohungen. Schon heute gilt: Wir sind nicht im Krieg, formaljuristisch, aber wir befinden uns auch schon lange nicht mehr im Frieden, weil wir täglich bedroht und auch attackiert werden“, erklärt Bodemann.

+++ 07:02 Unions-Antrag: Deutschland soll keine Lebensmittel mehr aus Russland importieren +++
Die Union im Bundestag fordert strengere Sanktionen gegen Russland und Belarus bei Agrarprodukten. „Wir sind in Deutschland und Europa nicht auf russisches Getreide angewiesen“, sagt der agrarpolitische Sprecher der Fraktion, Albert Stegemann. Mit Exporten finanziere Präsident Wladimir Putin nur seine Kriegswirtschaft. „Das gilt es zu verhindern. Höhere Zölle auf russisches Getreide reichen nicht aus.“ In einem Bundestags-Antrag will sich die Union daher für ein „vollumfängliches Importverbot auf alle Agrargüter und Lebensmittel aus Russland und Belarus“ einsetzen. Die EU-Kommission hatte im März vorgeschlagen, die Einfuhr russischen Getreides mit höheren Zöllen zu belegen. Die Agrarsupermacht Russland nutze Exporte insbesondere von Getreide gezielt, um Abhängigkeiten zu schaffen und wichtige Devisen für die Produktion von Kriegsgütern zu erwirtschaften, heißt es im Antrag der Union mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Auch die Europäische Union sei weiterhin Abnehmer. Nach Schätzungen hätten sich allein russische Weizenimporte in der Saison 2023/2024 auf 700.000 Tonnen verdoppelt.

+++ 06:27 Grüne wollen trotz US-Militärpakets Europas Rüstungsproduktion hochfahren +++
Trotz der Freigabe der milliardenschweren US-Hilfen für die Ukraine fordert die Grünen-Bundestagsfraktion, die europäische Unterstützung weiter auszubauen und die Rüstungsproduktion massiv hochzufahren. „Die freigegebenen US-Hilfen sind für die Ukraine ein sehr wichtiger Schritt. Wir dürfen in Europa dennoch nicht den Fehler machen, uns darauf auszuruhen“, sagt die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Sara Nanni, der „Rheinischen Post“. Denn die Blockade einer US-Republikaner habe gezeigt, dass das bei nächsten Hilfspaketen, die noch fällig werden, wieder genauso laufen könne. „Deswegen müssen wir in Europa jetzt die Grundlagen dafür schaffen, dass wir die Ukraine alleine unterstützen können.“ Das wesentliche Element dafür sei die European Defence Industrial Strategy. „Es geht darum, mit marktwirtschaftlichen Instrumenten Planbarkeit für die Rüstungsindustrie und Abnahmeverträge zu schaffen, die eine Produktion von Rüstungsgütern in großer Stückzahl ermöglichen. Das ist eine große Herausforderung, auch finanziell, aber wir müssen die vorhandenen industriellen Kapazitäten noch besser mobilisieren“, so die Grünen-Politikerin.

+++ 06:00 Ex-Kommandeur fordert Abschuss russischer Raketen, wenn sie nur Richtung NATO-Gebiet fliegen +++
Auf Ebene der NATO sollte beschlossen werden, Raketen im Luftraum der Ukraine in Richtung Polen oder Rumänien abzuschießen. Das fordert der polnische Experte und ehemaliger Kommandeur der Bodentruppen, Waldemar Skrzypczak, laut ukrainischer Nachrichtenagentur Ukrinform. „Das NATO-Narrativ sollte folgendes sein: Wir warnen Putin davor, dass jede Rakete, die in unsere Richtung fliegt, abgeschossen wird. Wir sagen, dass wir uns schützen und schießen Raketen ab, die in Richtung zum Beispiel Polen oder Rumänien fliegen“, so Skrzypczak. Er macht deutlich, dass die NATO nicht betonen sollte, dass sie der Ukraine helfe, Raketen abzuschießen, um nicht mit Russland über die angebliche Beteiligung des Westens am Dritten Weltkrieg zu diskutieren, sondern gerade den Schutz des Territoriums der Bündnisländer besonders hervorzuheben.

+++ 03:24 Russland feuert ballistische und Lenkraketen auf ukrainisches Gebiet +++
Die ukrainische Luftwaffe meldet in der Nacht mehrere russische Angriffe mit ballisitischen und mit Lenkraketen. Aus der Region Belgorod seien unter anderem drei ballistische Iskander-M-Raketen abgefeuert worden. Vom Schwarzen Meer aus seien zwei X-59/X-69-Lenkflugkörpern gefeuert worden, die man zerstört habe. Außerdem seien drei Aufklärungsdrohnen abgeschossen worden.

+++ 02:14 Ukraine gibt mehr als die Hälfte des Staatshaushalts für Rüstung aus +++
Die weltweiten Militärausgaben haben mit 2,44 Billionen US-Dollar einen neuen Höchststand erreicht. Laut einem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri übertreffen die Zahlen zum neunten Mal in Folge die Ausgaben des Vorjahres. Den größten prozentualen Anstieg in der Gruppe der Top 10 verzeichnet demnach die Ukraine. Ihre Militärausgaben stiegen um 51 Prozent auf 64,8 Milliarden Dollar und machten mehr als die Hälfte (58 Prozent) der gesamten Staatsausgaben aus. Dieser Anteil lag somit deutlich höher als in Russland, wo die Militärausgaben im vergangenen Jahr 16 Prozent der gesamten Staatsausgaben ausmachten.

21.4.2024

+++ 22:31 Selenskyj: Russland will Tschassiw Jar vor dem 9. Mai einnehmen +++
Nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beabsichtigt Russland, bis zum 9. Mai die Stadt Tschassiw Jar in der Ostukraine einzunehmen und zu besetzen. Dies erklärte Selenskyj in einem Interview beim US-Sender NBC News, wie die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform meldet. „Russland will bis zum 1. Juni 300.000 Soldaten mobilisieren. Darauf bereiten wir uns vor. Bis zum 9. Mai rechnet Russland damit, Tschassiw Jar in der Ostukraine besetzt zu haben“, so der ukrainische Staatschef. „Ich gehe davon aus, dass wir uns behaupten können, dass die Bewaffnung rechtzeitig eintrifft und wir den Feind abwehren können. Dann werden wir Russlands Pläne für eine umfassende Gegenoffensive im Juni vereiteln“, sagte Selenskyj. Tschassiw Jar liegt seit der Schlacht um Bachmut nahe der Front. Als wichtiger Verkehrsknotenpunkt diente die Kleinstadt als frontnaher Stützpunkt zur Versorgung der kämpfenden Einheiten.

+++ 21:56 NATO-Chef Stoltenberg: US-Militärhilfen kommen für Ukraine nicht zu spät +++
Die erwarteten US-Hilfen in Milliardenhöhe für die Ukraine kommen nach Auffassung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht zu spät für das von Russland angegriffene Land. Die Verzögerung habe aber reale Folgen für die Ukraine gehabt, sagte Stoltenberg am Sonntag dem US-Sender MSNBC. „Die Ukrainer sind jetzt seit Monaten waffentechnisch unterlegen (…). Die Russen hatten viel mehr Munition und die Ukrainer waren gezwungen, ihre Munition zu rationieren“, sagte Stoltenberg. „Aber es ist noch nicht zu spät. Die Ukrainer haben bei der Verteidigung ihres Landes enorme Fähigkeiten bewiesen.“

+++ 21:35 Explosion erschüttert Charkiw +++
Am Abend hat eine Explosion die Stadt Charkiw erschüttert, bei der mindestens eine Person verletzt wurde. Das sagte der Bürgermeister von Charkiw, Ihor Terechow, wie die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform meldet. „In Charkiw war eine Explosion zu hören. Vermutlich handelte es sich um einen Ort am Stadtrand. Berichten zufolge soll mindestens eine Person verletzt worden sein“, heißt es in dem Bericht.

+++ 20:52 US-Senator Warner: Ukraine könnte US-Militärhilfen nächste Woche erhalten – auch ATACMS-Raketen +++
Die Ukraine dürfte die US-Militärhilfen in der nächsten Woche erhalten – einschließlich der ATACMS-Raketen. Davon geht Mark Warner, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des US-Senats, aus. Er hoffe, dass „der Kongress seine Aufgabe erfüllt und diese Materialien bis zum Ende der Woche auf dem Weg sind“, sagte der Senator in einer Sendung auf CBS News.

„Innerhalb von Tagen“ Ukraine könnte US-Waffen schnell erhalten

+++ 19:43 Russische Truppen attackieren Nikopol mit Artillerie und Drohnen +++
Russische Truppen haben den Bezirk Nikopol in der Oblast Dnipropetrowsk heute acht Mal mit Artillerie und Drohnen beschossen. Das meldet die staatliche ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform. Eine 47-jährige Frau wurde verletzt, schreibt der Chef der regionalen Militärverwaltung Dnipropetrowsk, Serhii Lysak, demnach bei Telegram.

+++ 19:09 Kiew: Russisches Marineschiff vor der Krim durch Beschuss außer Gefecht gesetzt +++
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben ein russisches Marineschiff vor der russisch besetzten Halbinsel Krim beschossen und außer Gefecht gesetzt. „Heute hat die ukrainische Marine das russische Rettungsschiff ‚Kommuna‘ in der vorübergehend besetzten Krim getroffen“, erklärte das ukrainische Verteidigungsministerium bei X. Das Ausmaß der Schäden werde noch geprüft. Der Sprecher der ukrainischen Marine, Dmytro Pletentschuk, erklärte, das Schiff sei jedenfalls „nicht mehr in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen“. „Das wird so weiter gehen, bis die Russen keine Schiffe mehr haben oder eben die Krim verlassen“, drohte er. In Online-Netzwerken wurden Videobilder veröffentlicht, die ein in Flammen stehendes Schiff im Krim-Hafen Sewastopol zeigen sollen.

+++ 18:45 Selenskyj: Beschluss über US-Hilfspaket für Ukraine verhindert „zweites Afghanistan“ +++
Der Beschluss des US-Kongresses für ein milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine verhindert nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein „zweites Afghanistan“. „Diese Hilfe wird die Ukraine stärken und dem Kreml ein starkes Signal senden, dass sie nicht das zweite Afghanistan sein wird“, sagte Selenskyj in einem Interview mit dem US-Sender NBC. Die Vereinigten Staaten würden der Ukraine „zur Seite stehen, die Ukrainer schützen und … die Demokratie in der Welt schützen“, lobte der ukrainische Staatschef.

+++ 18:06 Polen, Litauen und andere NATO-Staaten beginnen mit Militärübungen bei Suwalki-Lücke +++
Polen, Litauen und andere NATO-Mitglieder, darunter die USA, haben mit Militärübungen rund um die Suwalki-Lücke in Litauen angefangen. Das berichtet die ukrainische Zeitung „Kyiv Independent“. Die Suwalki-Lücke ist ein schmaler, 65 Kilometer langer Landstreifen an der polnisch-litauischen Grenze zwischen Belarus und der russischen Exklave Kaliningrad. Die Übung ist laut dem litauischen Sender LRT im Jahr 2022 gemeinsam vom polnischen und litauischen Militär geplant worden und umfasst mindestens 1.500 Soldaten und Hunderte von Ausrüstungsgegenständen.

+++ 17:39 US-Senator macht Ukraine Hoffnung auf schnelle Waffenlieferungen +++
Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat macht der Ukraine Hoffnung auf eine schnelle Lieferung von Raketensystemen vom Typ ATACMS. Er hoffe, dass sobald US-Präsident Joe Biden das Gesetz unterschrieben habe, Waffenlieferungen bis Ende der Woche unterwegs sein würden, sagte der demokratische Ausschussvorsitzende Mark Warner dem US-Sender CBS. „Ich glaube, dass die Regierung in den vergangenen Monaten darauf vorbereitet wurde, ATACMS (…) zur Verfügung zu stellen“, sagte Warner. Er setze darauf, dass diese mit der Unterschrift buchstäblich losgeschickt würden.

+++ 17:04 Energieminister: Erwarten trotz russischer Angriffe keinen Blackout in der Ukraine +++
Trotz der anhaltenden Angriffe Russlands auf die Energieerzeugung und -infrastruktur wird es in der Ukraine keinen völligen Stromausfall geben. Zu der Einschätzung kommt der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform. „Leider besteht kein Zweifel daran, dass die Angriffe weitergehen werden. Zweifellos ist der linksufrige Teil der Ukraine aus mehreren Gründen anfälliger. Jetzt behaupten viele Experten, dass es zu einem Stromausfall kommen wird“, sagte der Energieminister demnach. Die Ukrainer müssten sich auf verschiedene Szenarien vorbereiten, so Galutschenko. „Natürlich ist es besser, auf alle Entwicklungen vorbereitet zu sein. Aber gemeinsam mit Energiereparaturteams tun wir alles, damit solche Szenarien nie eintreten. Und wie die Erfahrung des vergangenen Jahres zeigt, haben wir unsere Versprechen gehalten“, sagte der Minister.

„Besser ohne Bein als ohne Kopf“ Verstümmelte Soldaten kehren mit Angst zurück an Front

+++ 16:22 Explosion auf Schiff in Sewastopol – Feuer ausgebrochen +++
In einem Hafen von Sewastopol auf der von Russland besetzten ukrainischen Halbinsel Krim ist ein Schiff in Brand geraten. Russische soziale Medien berichten von einer Explosion auf einem Schiff, die möglicherweise auf den Einschlag einer Rakete oder einer Kampfdrohne zurückzuführen sei. Eine offizielle Erklärung dazu von russischer Seite liegt bislang nicht vor. Am Morgen bestätigte der russische Gouverneur von Sewastopol Michail Raswoshajew lediglich einen abgewehrten Angriff auf eines der Schiffe. Die ukrainischen Streitkräfte haben in den vergangenen Monaten wiederholt russische Schiffe rund um die Krim mit verschiedenen Waffensystemen angegriffen. Der Hafen auf der 2014 von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel ist Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte.

Explosion in Krim-Hafen Ukraine setzt ältestes russisches Marineschiff außer Gefecht

+++ 15:03 Deutschland und Litauen suchen in stillgelegten Kraftwerken nach Ersatzteilen für die Ukraine +++
Stillgelegte Kraftwerke in Deutschland und Litauen werden überprüft, ob Teile davon in die Ukraine geschickt werden können. Wie die ukrainische Zeitung „Kyiv Independent“ berichtet, werden dort Ersatzteile gebraucht, um die von Russland beschädigte ukrainische Energieinfrastruktur zu reparieren und wiederherzustellen. Ukrainische Spezialisten seien bereits in Litauen auf der Suche nach Teilen und Deutschland habe kürzlich angeboten, ebenfalls Teile zur Prüfung freizugeben, sagte der ukrainische Energieminister Herman Halushchenko dem Bericht zufolge im nationalen Fernsehen.

+++ 14:36 Ukrainischer Militärsprecher: Russland erhöht Druck rund um Bachmut, aber „Tschassiw Jar hält durch“ +++
Das Gebiet rund um die Stadt Tschassiw Jar bei Bachmut steht nach Angaben des ukrainischen Militärs weiterhin unter der Kontrolle der Ukraine. Bislang seien keine russischen Streitkräfte in das Gebiet eingedrungen. Das sagte Nazar Woloschin, der Sprecher der Hortyzja-Truppengruppe, im ukrainischen Fernsehen, wie Ukrinform meldet. „Tschassiw Jar hält durch. Der Feind erhöht den Druck in Bachmut und insbesondere in Tschassiw Jar, aber die Situation wird vollständig von unseren Verteidigungskräften kontrolliert. Es gibt keine feindlichen Truppen in der Stadt“, sagte er demnach.

+++ 13:40 Hofreiter: US-Paket könnte vorerst letzte Hilfe aus Washington sein +++
Nach der Freigabe zusätzlicher US-Militärhilfen hat der Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter die EU zu größerer Unterstützung des angegriffenen Landes aufgerufen. „Es kann sein, dass das für sehr lange Zeit das vorerst letzte US-Hilfspaket ist – oder sogar überhaupt das letzte“, sagte Hofreiter der Funke-Mediengruppe. Den Europäern sei vor Augen geführt worden, wie unsicher die amerikanische Unterstützung für die Ukraine geworden ist, so der Europapolitiker mit Blick auf die lange Hängepartie um die Genehmigung des Hilfe-Pakets. „Wir Europäer müssen deutlich mehr tun für die Ukraine.“

+++ 13:11 Thiele: 1000 ATACMS im Ukraine-Paket +++
Die USA ringen sich nach monatelanger Hängepartie zu einem Hilfspaket für Kiew durch. Die Ukraine atmet auf, doch kommt die Unterstützung noch rechtzeitig? Laut dem Militärexperten Ralph Thiele beginnt für die Ukraine mit dem Warten auf das Eintreffen der Hilfen „ein kritisches Spiel“.

+++ 12:23 Russland: Haben weiteren Ort im Donezk eingenommen +++
Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben der Regierung in Moskau den Ort Bohdaniwka in der Donezk-Region eingenommen. Dies geht aus einer Erklärung des Verteidigungsministeriums hervor. Eine Stellungnahme der Ukraine liegt zunächst nicht vor.

+++ 11:55 Ukraine: Russische Angriffe auf 10 Oblaste; Zivilisten verletzt und getötet +++
Russische Truppen haben in den vergangenen 24 Stunden 10 ukrainische Oblaste angegriffen und dabei laut dem Verteidigungsministerium der Ukraine auch Zivilisten getötet. Demnach setzte Russland verschiedene Waffentypen ein, darunter Mörser, Panzer, Rohrartillerie, Mehrfachraketen, Flugabwehrraketensysteme, Drohnen und taktische Flugzeuge. Laut dem ukrainischen Militär wurden damit 138 Siedlungen und 157 Infrastruktureinrichtungen angegriffen mit Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung. Derzeit werden noch Informationen über die Zahl der Opfer gesammelt.

NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE

ROUNDUP: Kiew hofft auf baldige Lieferung von Militärhilfe – Nacht im Überblick

KIEW (dpa-AFX) – Nach der Zusage von Milliardenunterstützung aus den USA und neuer Flugabwehrsysteme von den Nato-Mitgliedern schöpft die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion neue Hoffnung. Allerdings bat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Unterstützer seines Landes, die Zeitspanne zwischen Zusagen militärischer Hilfe und der tatsächlichen Lieferung möglichst kurz zu halten. „Die Zeit zwischen den politischen Entscheidungen und den tatsächlichen Verlusten des Gegners an der Front, zwischen der Verabschiedung des Pakets und der Stärke unserer Jungs sollte so kurz wie möglich sein“, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner abendlichen Videoansprache.

Das US-Repräsentantenhaus hatte am Samstag die Freigabe eines Hilfspakets im Umfang von 61 Milliarden US-Dollar (rund 57 Mrd Euro) für die Ukraine gebilligt, das dringend benötigte Waffenlieferungen zur Verteidigung gegen Russland enthält.

Davor hatte die Nato am Freitag beschlossen, die Ukraine mit weiteren Flugabwehrsystemen zu stärken. Ein Zeitrahmen für die Lieferung wurde in beiden Fällen nicht genannt. Lediglich in US-Militärkreisen verlautete, die benötigten Waffensysteme und Munition könnten schon in Kürze übergeben werden.

Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat, Mark Warner, machte Hoffnung auf eine rasche Lieferung weittragender Raketensysteme vom Typ ATACMS. Er setze darauf, dass diese sofort losgeschickt würden, wenn das Gesetz endgültig verabschiedet sei. Der US-Senat muss dem Paket noch zustimmen, ehe Präsident Joe Biden das Gesetz unterzeichnen kann. Seine Zustimmung gilt als sicher.

„Jeder Tag ist jetzt wichtig – wichtig in der Kommunikation, in der Politik, in der Logistik“, unterstrich Selenskyj die Bedeutung möglichst schneller Lieferung. „Gemeinsam müssen wir den russischen Terror stoppen, Russlands Kriegspotenzial begrenzen und Putin zwingen, das Offensichtliche zu erkennen – nämlich, dass dieser Krieg ihm nichts bringen wird.“

Kurz zuvor hatte Selenskyj in einem Beitrag auf den Plattformen X (ehemals Twitter) und Telegram auf die Nutzlosigkeit von Waffensystemen in Regalen und Lagerhallen hingewiesen. „Patriots können nur Flugabwehrsysteme genannt werden, wenn sie funktionieren und Leben retten, statt irgendwo unbeweglich in Lagern herumstehen, schrieb er. Moderne Kampfflugzeuge könnten entscheidend daran mitwirken, wenn es darum gehe, „ob Kinder oder Enkel der heutigen Generation in Frieden und Sicherheit leben können“.

US-Hilfen nicht zu spät

Die US-Hilfen in Milliardenhöhe kommen nach Auffassung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht zu spät. Die Verzögerung habe aber reale Folgen für die Ukraine gehabt, sagte Stoltenberg am Sonntag dem US-Sender MSNBC. „Die Ukrainer sind jetzt seit Monaten waffentechnisch unterlegen (…) Die Russen hatten viel mehr Munition und die Ukrainer waren gezwungen, ihre Munition zu rationieren“, sagte Stoltenberg. „Aber es ist noch nicht zu spät. Die Ukrainer haben bei der Verteidigung ihres Landes enorme Fähigkeiten bewiesen.“

Tschassiw Jar in der Ostukraine schwer umkämpft

Die zuletzt schwer umkämpfte Kleinstadt Tschassiw Jar im Osten der Ukraine bleibt trotz starker russischer Angriffe nach Berichten weiter unter der Kontrolle des ukrainischen Militärs. „Tschassiw Jar hält“, sagte am Sonntag der Sprecher der dortigen Truppenverbände, Nasar Woloschyn, im ukrainischen Fernsehen. „Der Feind drückt zwar, aber die Lage ist unter Kontrolle, es gibt keine russischen Truppen in der Stadt.“ Die russischen Bodentruppen versuchten erfolglos, mit Artillerieunterstützung vorzudringen. Mindestens 13 russische Angriffe seien bis zum Abend abgewehrt worden, teilte der Generalstab in Kiew am Abend mit. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Die Kleinstadt Tschassiw Jar gilt als nächstes Ziel der russischen Armee. Die Front verläuft wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Der Ort liegt unweit der vor knapp einem Jahr von den Russen nach schweren Kämpfen eingenommenen Stadt Bachmut. Erst vor wenigen Tagen hatte Selenskyj Tschassiw Jar besucht und die Verteidigungsanlagen inspiziert.

Kiew berichtet von starkem Druck russischer Truppen

Das russische Militär hat die ukrainischen Verteidiger an verschiedenen Frontabschnitten im Osten und Süden des Landes am Sonntag schwer unter Druck gesetzt. Der Generalstab in Kiew sprach am Sonntagabend in seinem täglichen Frontbericht von 37 Luftangriffen und schwerem Beschuss durch Mehrfachraketenwerfer. Eine Reihe von Angriffen russischer Einheiten an diversen Abschnitten sei abgeschlagen worden.

Berichte: Russisches Kriegsschiff in Sewastopol schwer beschädigt

Das ukrainische Militär reklamierte am Sonntag die Beschädigung eines Schiffs der russischen Marine für sich. Demnach wurde das Schiff „Kommuna“ in einem Hafen von Sewastopol auf der von Russen besetzten Halbinsel Krim getroffen und schwer beschädigt, wie ukrainische Medien unter Berufung auf führende Militärs in Kiew berichteten. Zuvor war in russischen sozialen Medien am Sonntag von einer Explosion auf einem Schiff berichtet worden, die möglicherweise auf den Einschlag einer Rakete oder einer Kampfdrohne zurückzuführen sei. Eine offizielle Erklärung dazu von russischer Seite lag zunächst nicht vor. Die ukrainischen Streitkräfte haben in den vergangenen Monaten wiederholt russische Schiffe rund um die Krim mit verschiedenen Waffensystemen angegriffen.

Bei dem Schiff handle es sich um das U-Boot-Bergungsschiff „Kommuna“, verlautete am Nachmittag aus Militärkreisen in Kiew. Der bereits 1912 auf Stapel gelegte Katamaran ist das wohl älteste aktive Schiff der russischen Marine.

Das wird am Montag wichtig

Die Außen- und Verteidigungsminister der EU-Staaten wollen sich an diesem Montag bei einem Treffen in Luxemburg mit ihren Kollegen aus der Ukraine austauschen. Im Zentrum der Beratungen soll die Frage stehen, wie die Ukraine stärker bei ihrem Abwehrkampf gegen Russland unterstützt werden kann./cha/DP/zb

Ukraine sieht US-Milliarden als Hilfe für Sieg – Nacht im Überblick, SONNTAG, 21.4.2024, 14:44

KIEW/MOSKAU/WASHINGTON (dpa-AFX) – Für die Ukraine ist die vom US-Repräsentantenhaus gebilligte milliardenschwere Militärhilfe nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew überlebenswichtig im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg. „Und es ist ein sehr bedeutendes Paket, das sowohl unsere Kämpfer an der Front als auch unsere Städte und Dörfer, die unter dem russischen Terror leiden, zu spüren bekommen werden“, sagte Selenskyj in seiner am Samstagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. „Das ist eine Entscheidung, die uns das Leben rettet.“

Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow schrieb im sozialen Netzwerk X, dass die ganze Welt auf diese Entscheidung gewartet habe, „die den Sieg gegen den russischen Aggressor näher bringen wird“. Das US-Repräsentantenhaus hatte nach monatelanger Blockade ein milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine gebilligt. Die Parlamentskammer verabschiedete am Samstagnachmittag (Ortszeit) einen entsprechenden Gesetzentwurf, der rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für Kiew enthält. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher.

Selenskyj dankte wie zuvor schon in einer Nachricht bei X dem republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, für die Unterstützung. Er hoffe, dass das Hilfspaket nun auch den US-Senat passiert und dann schnell genug auf dem Schreibtisch von US-Präsident Joe Biden lande. Die USA hätten verstanden, dass das russische Böse in dem Krieg nicht obsiegen dürfe.

„Amerika hat seine Führungsrolle von den ersten Tagen dieses Krieges an gezeigt. Und diese Art amerikanischer Führung ist entscheidend für die Aufrechterhaltung einer internationalen Ordnung in der Welt, die auf Regeln und Vorhersehbarkeit des Lebens für alle Nationen beruht“, sagte Selenskyj weiter in seiner Videobotschaft. „Wir werden die amerikanische Unterstützung sicher nutzen, um unsere beiden Nationen zu stärken und ein gerechtes Ende dieses Krieges näherzubringen – eines Krieges, den Putin verlieren muss.“ Kremlchef Wladimir Putin hatte seinen Krieg gegen das Nachbarland am 24. Februar 2022 begonnen.

Russland nennt US-Hilfe für Ukraine erwartbar und zerstörerisch

Aus russischer Sicht wird die US-Hilfe die Ukraine nach Kremlangaben weiter in den Ruin treiben. „Die Entscheidung, der Ukraine Hilfe zu leisten, war erwartbar und wurde vorhergesagt. Sie wird die Vereinigten Staaten von Amerika weiter reich machen und die Ukraine weiter zugrunde richten, sie wird zu noch mehr toten Ukrainern führen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge.

Moskau hatte Kiew immer wieder vorgeworfen, den Kampf mit westlicher Hilfe führen zu wollen, bis kein Ukrainer mehr übrig sei. Die westlichen Waffenhilfen verlängerten den Krieg, hieß es. Zugleich warnte Peskow einmal mehr davor, russisches Staatsvermögen zu konfiszieren. Amerika werde sich dafür verantworten müssen, wenn es tatsächlich dazu komme. Russland werde entsprechend eigenen Interessen eine Antwort darauf geben, sagte der Kremlsprecher. Das Repräsentantenhaus votierte am Samstag auch für die Beschlagnahmung eingefrorener russischer Vermögenswerte. Die Details der Entscheidung müssten noch analysiert werden, sagte Peskow.

Gebilligt wurde im US-Repräsentantenhaus auch Militärhilfe für Israel und Taiwan. Auch das stieß in Moskau auf Kritik. „Die Gewährung von Militärhilfe der Vereinigten Staaten für die Ukraine, Israel und Taiwan wird die globalen Krisen verschärfen“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. „Die Militärhilfe für das Kiewer Regime ist eine direkte Unterstützung terroristischer Aktivitäten; für Taiwan – eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas; für Israel – ein direkter Weg zur Eskalation einer noch nie dagewesenen Verschärfung der Lage in der Region.“

Erleichterung im Westen und bei der Nato über US-Votum

Dagegen reagierten Politiker im Westen erleichtert auf die Entscheidung in den USA. Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem „Tag der Zuversicht für die Ukraine und Europas Sicherheit“. Die Grünen-Politikerin schrieb auf der Plattform X: „Die Herzen der wichtigsten Ukraine-Unterstützer schlagen wieder im Takt.“ Die USA und Europa stünden gemeinsam auf der Seite der Freiheit und gegen Putins „Terrorkrieg“.

Großbritanniens Außenminister David Cameron meinte bei X, sollte Putin jemals an der Entschlossenheit des Westens gezweifelt haben, die Ukraine zu unterstützen, zeige ihm das, dass „unser gemeinsamer Wille ungebrochen ist“. „Mit Unterstützung kann und wird die Ukraine gewinnen.“

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg lobte das US-Votum als eine Investition in die Sicherheit der Staaten des Militärbündnisses. „Die Ukraine nutzt die von Nato-Verbündeten bereitgestellten Waffen, um die russischen Gefechtsfähigkeiten zu zerstören“, erklärte er. „Das macht uns alle sicherer, in Europa und Nordamerika.“ Die erhebliche Erhöhung der Hilfe werde den zweistelligen Milliardenbetrag ergänzen, „der von europäischen Verbündeten an die Ukraine bereitgestellt wird“.

Baltische Staaten begrüßen US-Entscheidung

Die baltischen Staaten begrüßten die Entscheidung des US-Repräsentantenhauses. „Großartiger Tag für die freie Welt, großartiger Tag für die Ukraine“, schrieb Lettlands Staatspräsident Edgars Rinkevics auf X (vormals Twitter). Estlands Regierungschefin Kaja Kallas teilte mit: „Ich hoffe, diese Abstimmung ermutigt alle Verbündeten, ihre Lager zu durchsuchen und mehr zu tun.“ Litauens Staatschef Gitanas Nauseda betonte: „Es ist ein großer Schritt in Richtung Sieg, und alle Verbündeten sollten damit weitermachen, die Ukraine zu unterstützen“.

Präsident Selenskyj hatte zuvor in einem Interview von brasilianischen Journalisten vor einer nachlassenden Unterstützung und einer Niederlage der Ukraine gewarnt. Wenn Putin in dem Krieg siege, könnten als nächste Länder die baltischen Staaten von russischen Truppen überfallen werden, sagte er. Kremlchef Putin hatte zuletzt immer wieder erklärt, dass Russland kein Nato-Mitglied und damit auch die baltischen Staaten nicht angreifen werde.

Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zwei Jahren mit westlicher Hilfe gegen den russischen Angriffskrieg. Die Führung des in die EU und in die Nato strebenden Landes hatte zuletzt mit Nachdruck mehr Waffen und Munition gefordert, um den russischen Vormarsch zu stoppen. Vor allem die Flugabwehr im Land soll gestärkt werden, damit Städte besser geschützt vor russischen Raketen- und Drohnenangriffen werden können./mau/DP/jha

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Stoltenberg: US-Hilfe kommt für Ukraine nicht zu spät

WASHINGTON/KIEW (dpa-AFX) – Die erwarteten US-Hilfen in Milliardenhöhe für die Ukraine kommen nach Auffassung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht zu spät für das von Russland angegriffene Land. Die Verzögerung habe aber reale Folgen für die Ukraine gehabt, sagte Stoltenberg am Sonntag dem US-Sender MSNBC. „Die Ukrainer sind jetzt seit Monaten waffentechnisch unterlegen (…) Die Russen hatten viel mehr Munition und die Ukrainer waren gezwungen, ihre Munition zu rationieren“, sagte Stoltenberg. „Aber es ist noch nicht zu spät. Die Ukrainer haben bei der Verteidigung ihres Landes enorme Fähigkeiten bewiesen.“

Das US-Repräsentantenhaus hatte am Samstag nach monatelanger Blockade mit überparteilicher Mehrheit ein Hilfspaket von 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) gebilligt, das dringend benötigte Waffenlieferungen zur Verteidigung gegen Russland enthält. Die nötige Zustimmung des Senats gilt als sicher – mit ihr wird Mitte der Woche gerechnet. Im Anschluss muss Biden das Gesetz unterschreiben.

Stoltenberg betonte, dass weiterhin keine Nato-Kampfpräsenz in der Ukraine geplant sei. Die Nato-Partner hätten aber das Recht, der Ukraine zu helfen. Das mache die Nato nicht zu einer Konfliktpartei. „Aber natürlich haben mehrere Nato-Bündnispartner Männer und Frauen in Uniform, die in den Botschaften Ratschläge erteilen“, sagte Stoltenberg auf die Frage nach einem Bericht über die Entsendung zusätzlicher US-Militärberater. Das Portal „Politico“ hatte zuvor geschrieben, dass die USA erwägen, weitere Berater an ihre Botschaft in Kiew zu schicken. Diese würden nicht an Kampfhandlungen teilnehmen, sondern die ukrainische Regierung und das ukrainische Militär beraten und unterstützen, hieß es./nau/DP/zb

US-Senator macht Ukraine Hoffnung auf schnelle Waffenlieferungen

WASHINGTON/KIEW (dpa-AFX) – Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat hat der Ukraine Hoffnung auf eine schnelle Lieferung weittragender Raketensysteme vom Typ ATACMS gemacht. Er hoffe, dass sobald US-Präsident Joe Biden das Gesetz unterschrieben habe, Waffenlieferungen bis Ende der Woche unterwegs sein würden, sagte demokratische Ausschussvorsitzende Mark Warner dem US-Sender CBS. „Ich glaube, dass die Regierung in den vergangenen Monaten darauf vorbereitet wurde, ATACMS (…) zur Verfügung zu stellen“, sagte Warner auf die Frage, ob auch Waffensysteme mit längerer Reichweite geliefert würden und nicht nur Munition. Er setze darauf, dass diese mit der Unterschrift buchstäblich losgeschickt würden.

Das US-Repräsentantenhaus hatte am Samstag mit überparteilicher Mehrheit ein Hilfspaket von 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) gebilligt, das dringend benötigte Waffenlieferungen zur Verteidigung gegen Russland enthält. Die nötige Zustimmung des Senats gilt als sicher – mit ihr wird Mitte der Woche gerechnet. Im Anschluss muss Biden das Gesetz unterschreiben. Der Text dringt auch auf die Lieferung weitreichende Raketensysteme vom Typ ATACMS. Im Gesetzesentwurf heißt es, Biden solle der Ukraine „so bald wie machbar“ diese Raketensysteme zur Verfügung stellen.

Bisher haben die USA ATACMS mit einer kürzeren Reichweite von 165 Kilometern geliefert. Die Ukraine wünscht sich aber welche mit einer Reichweite von 300 Kilometern./nau/DP/jha

Militärexperte Masala: Ukraine-Hilfe aus USA kommt für Front „nicht rechtzeitig“

München – Der Militärexperte Carlo Masala begrüßt die Freigabe neuer Hilfsgelder durch das US-Repräsentantenhaus. Bis das neue Hilfspaket aber in der Ukraine zu spüren sei, könnten Monate vergehen, sagte der Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München dem „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe).

Am Samstag hatte das US-Repräsentantenhaus nach monatelanger Verzögerung einen neuen Gesetzesentwurf gebilligt, der rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für Kiew vorsieht. „Das Hilfspaket kommt insofern rechtzeitig, als dass es überhaupt kommt vor der heißen Phase der US-Wahlen, die im November stattfinden“, so Masala. „Aber es kommt natürlich nicht rechtzeitig, wenn man die Situation an der Front betrachtet.“ Es werde mindestens zwei bis drei Monate dauern, bis die in dem US-Paket enthaltenen Güter alle die Front erreichen.

„Neue Munition wird glücklicherweise wohl recht schnell da sein, was wichtig ist, da dies eines der größten Probleme der Ukrainer aktuell in ihrer Verteidigung gegen Russland ist“, so der Experte. „Doch alles, was die Luftverteidigung und Raketen betrifft, wird mehrere Monate dauern.“ Dabei bräuchte sie diese ebenso dringend, „um die russische Logistik zerstören und Durchbrüche der Russen verhindern zu können“, so der Experte.

Ukraine will mit US-Hilfe Militär und Wiederaufbau finanzieren

KIEW (dpa-AFX) – Die Ukraine erwartet angesichts der vom US-Repräsentantenhaus gebilligten milliardenschweren Militärhilfe eine Stärkung ihres Kampfes gegen den russischen Angriffskrieg. Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal teilte bei Facebook mit, dass von dem Paket etwa 50 Milliarden US-Dollar (rund 47 Milliarden Euro) für die Verteidigung der Ukraine ausgegeben werden sollten. Das bedeute mehr Waffen für die Ukraine, darunter mehr Flugabwehr und Geschosse mit größerer Reichweite.

7,8 Milliarden US-Dollar seien vorgesehen, um den Staatshaushalt der Ukraine zu stützen. 1,57 Milliarden US-Dollar wiederum seien als Wirtschaftshilfe geplant und 400 Millionen US-Dollar zum Schutz der Grenzen und für die Minenräumung. Von dem Geld solle auch die Wiederherstellung der wichtigen Infrastruktur finanziert werden. Russland hatte zuletzt mit Raketen- und Drohnenangriffen vor allem die Energieanlagen des Landes zerstört oder beschädigt.

Nach monatelanger Blockade hatte das US-Repräsentantenhaus am Samstag ein neues milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine gebilligt. Die Parlamentskammer verabschiedete einen entsprechenden Gesetzentwurf, der rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für Kiew enthält. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher.

„Ein schlechter Tag für Putin“, kommentierte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) die Entscheidung in den USA. Kremlchef Wladimir Putin hatte den Angriffskrieg am 24. Februar 2022 begonnen. Kuleba dankte den USA – wie zuvor auch Präsident Wolodymyr Selenskyj – für die in Aussicht gestellte Hilfe. „Die Vereinigten Staaten haben ihre globale Führerschaft noch einmal bestätigt“, schrieb Kuleba.

Russland führt seit mehr als zwei Jahren seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das in die EU und in die Nato strebende Land verteidigt sich gegen die russische Invasion mit westlicher Militärhilfe und konnte einen Vormarsch von Moskaus Truppen immer wieder stoppen und verhindern, dass die Angreifer ihre Ziele erreichen./mau/DP/jha

ROUNDUP: Durchbruch im US-Kongress – Ukraine kann mit Milliardenhilfen rechnen

WASHINGTON (dpa-AFX) – Applaus und Ukraine-Fähnchen im US-Kongress: Die Ukraine kann nach monatelangem Stillstand mit neuen Hilfen in Milliardenhöhe aus den USA rechnen. Das US-Repräsentantenhaus billigte am Samstag mit überparteilicher Mehrheit ein Hilfspaket von 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro), das auch dringend benötigte Waffenlieferungen zur Verteidigung gegen Russland enthält. Damit ist die Parlamentskammer einer Forderung von US-Präsident Joe Biden nachgekommen. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher. Das Repräsentantenhaus verabschiedete außerdem Unterstützung in Milliardenhöhe für Israel und Taiwan. Den republikanischen Vorsitzenden, Mike Johnson, könnten die Ukraine-Hilfen den Job kosten.

Die bisherigen US-Militärhilfen für die von Russland angegriffene Ukraine sind ausgelaufen – Kiew ist auf die Unterstützung der Amerikaner angewiesen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich nach der Abstimmung „dankbar für die Entscheidung, die die Geschichte auf dem richtigen Weg hält“. „Demokratie und Freiheit werden immer eine globale Bedeutung haben und niemals scheitern, solange Amerika hilft, sie zu schützen“, teilte er mit. US-Präsident Biden forderte den Senat auf, in dem seine Demokraten die Mehrheit haben, nun schnell zu handeln. Mit Abstimmungen wird ab Dienstag gerechnet. Biden kündigte an, die Hilfspakete sofort zu unterzeichnen, sobald sie auf seinem Schreibtisch landen. Vor dem Kongress in Washington versammelten sich nach der Abstimmung zahlreiche Menschen mit Ukraine-Flaggen und riefen „Danke, USA!“.

Zankapfel Ukraine

Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 hat die Regierung von Präsident Biden militärische Hilfe im Umfang von mehr als 44 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt. Hinzu kommen noch weitere Milliarden an nicht-militärischer Finanzhilfe. Das nun verabschiedete Paket sieht unter anderem Mittel für die Aufstockung des US-Militärbestands vor. Das Geld geht somit indirekt an die Ukraine, da die USA das von Russland angegriffene Land in der Regel mit Ausrüstung aus ihren Beständen ausstatten. Der Rest ist für weitere militärische Unterstützung und Finanzhilfe in Form von Darlehen vorgesehen. Der Text dringt auch auf die Lieferung weittragender Raketensysteme vom Typ ATACMS, auf die Kiew hofft.

Etliche Republikaner lehnen weitere US-Hilfen für die Ukraine vehement ab. Sie argumentieren, die US-Regierung sollte das Geld stattdessen für die Sicherung der Südgrenze zu Mexiko ausgeben. Befeuert wurde diese Haltung auch immer wieder von Ex-Präsident Donald Trump, dessen Anhänger in der Partei besonders lautstark gegen die Ukraine-Hilfen wettern. Monatelang hat sich der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Johnson, bei dem Thema nicht bewegt und von radikalen Parteikollegen vor sich hertreiben lassen. Die Republikaner haben eine hauchdünne Mehrheit in der Kammer. Daher ist es schwierig, an ihnen vorbei ein Votum zu erzwingen. Nun war es Johnson, der die Abstimmung möglich gemacht hat. Seinen Sinneswandel begründete er damit, auf der richtigen Seite der Geschichte stehen zu wollen.

Johnson riskiert Job

Wie gespalten die Fraktion der Republikaner ist, zeigte sich bei der Abstimmung am Samstag. Es stimmten 112 Republikaner gegen das Hilfspaket für die Ukraine, 101 dafür. Bidens Demokraten hingegen stimmten geschlossen für den Gesetzesentwurf. Nach der Abstimmung wedelten einige Abgeordnete im Plenum mit Ukraine-Flaggen und applaudierten. Sie wurden vom Sitzungsleiter zur Ordnung gerufen. Johnson kritisierte die Abgeordneten und sagte: „Wir sollten nur mit einer Flagge im Plenum wedeln.“ Die glühende Trump-Anhängerin Marjorie Taylor Greene gab sich entrüstet über die Abstimmung und die Flaggen im Plenum. „Ich denke, jeder Amerikaner in diesem Land sollte wutentbrannt sein“, sagte die stramm rechte Abgeordnete.

Greene hatte im März einen ersten Antrag für Johnsons Abwahl eingereicht, später schlossen sich zwei weitere Abgeordnete der Partei an. Bisher hat sie ein Votum über Johnsons Abwahl nicht forciert. Johnson dürfte nun zumindest kurzfristig aufatmen, denn die 49-Jährige machte am Samstag deutlich, dass sie vorerst die Füße stillhalten werde. Johnsons Verhalten nannte sie einen „Betrug“. Sollte Greene wirklich auf eine Abstimmung über eine Abwahl bestehen, dürfte Johnson wegen der knappen Mehrheit seiner Fraktion auf die Stimmen der Demokraten in der Kammer angewiesen sein, um seinen Job zu behalten.

Der 52-Jährige hatte das Amt, das in der staatlichen Rangfolge der Vereinigten Staaten an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize kommt, erst vor rund einem halben Jahr übernommen. Seinem Vorgänger Kevin McCarthy hatten die Demokraten die Unterstützung verwehrt. Er wurde Anfang Oktober in einer historischen Abstimmung aus dem Amt gejagt. Dieses Mal könnten die Dinge anders liegen, weil Johnson den Demokraten mit der Abstimmung über die Ukraine-Hilfen entgegengekommen ist. In Johnsons eigener Fraktion sind Abgeordnete wie Greene in erster Linie darauf aus, Chaos zu stiften. Das Verabschieden von Gesetzen scheint für viele nicht unbedingt Priorität zu haben.

Auch Hilfen für Israel und Taiwan

Deshalb ist beachtenswert, dass nun neben den Ukraine-Hilfen noch weitere Entwürfe die Kammer passiert haben. Ein Text sieht gut 26 Milliarden US-Dollar für Israel vor. Einerseits sollen damit zum Beispiel Israels Raketenabwehr und die laufenden Militäroperationen der USA in der Region finanziert werden. Andererseits sind davon rund 9 Milliarden US-Dollar für humanitäre Unterstützung gedacht, darunter für die Menschen im Gazastreifen und in anderen Regionen. Ebenfalls gebilligt sind rund 8 Milliarden US-Dollar an Unterstützung für Taiwan und den Indopazifik-Raum und ein Text, der einen Verkauf der chinesischen Kurzvideo-App Tiktok vorsieht sowie Sanktionen gegen den Iran und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte.

Zwar wurde die Hilfe für Israel mit breiter überparteilicher Mehrheit angenommen, doch anders als bei der Ukraine und Taiwan gab es hier auch Gegenstimmen aus den Reihen der Demokraten. Es votierten 37 Demokraten und 21 Republikaner gegen das Paket. Die USA sind wichtigste Schutzmacht Israels und unterstützen das Land jährlich mit Milliardenbeträgen, von denen ein beachtlicher Teil in Raketenabwehr und andere Militärtechnik fließt. Vor allem bei den Demokraten wird Israels Verhalten im Gaza-Krieg zunehmend kritisch gesehen. Einige haben gefordert, dass weitere Hilfen an Bedingungen geknüpft werden./nau/DP/jha

UPDATE/US-Repräsentantenhaus billigt Ukraine-Paket

WASHINGTON (Dow Jones)–Das US-Repräsentantenhaus hat nun das Hilfspaket für die Ukraine über 61 Milliarden Dollar verabschiedet. Die Gesetzgeber genehmigten daneben separate Maßnahmen für Israel und Taiwan. Die Abstimmung über die Ukraine wurde mit 311 zu 112 Stimmen angenommen. Damit haben mehr als die Hälfte der Republikaner gegen die Vorlage ihres House-Speaker Mike Johnson gestimmt, die demokratischen Abgeordneten billigten die Vorlage einstimmig. Die Aussprache im Senat dazu ist für Dienstag geplant, hier gilt eine Zustimmung als sicher.

US-Präsident Joe Biden lobte die „überparteiliche Koalition von Gesetzgebern im Repräsentantenhaus, die dafür gestimmt haben, unsere nationale Sicherheit an erste Stelle zu setzen“. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyi bedankte sich ausdrücklich bei beiden Parteien und bei Speaker Johnson für die Unterstützung.

Wenn der Senat, wie allgemein erwartet, das Gesetz annimmt und Präsident Biden es bereits am Dienstag unterzeichnet, wird es eine Flut von amerikanischer Militärausrüstung freisetzen, die die US-Streitkräfte für einen schnellen Einsatz bereithalten.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte nach der Abstimmung im US-Repräsentantenhaus, dass dieser Schritt „die Vereinigten Staaten von Amerika weiter bereichern und die Ukraine weiter ruinieren wird, so dass noch mehr Ukrainer durch die Schuld des Kiewer Regimes sterben werden“.

Vor der Abstimmung hatte CIA-Director William Burns gewarnt, ohne das Paket bestehe ein hohes Risiko, dass die Ukraine den Krieg auf dem Schlachtfeld bis Ende des Jahres verliere, oder dass das Putin-Regime den Kampf zu seinen Bedingungen beende. Mit dem Paket sei die Ukraine dagegen in der Lage, ihre Stellungen am Boden zu halten und die russischen Luft- und Seestreitkräfte weiterhin empfindlich zu treffen.

In Deutschland haben Mitglieder der Regierung und Regierungparteien sowie der CDU das Abstimmungsergebnis begrüßt.

US-Repräsentantenhaus stimmt für milliardenschwere Ukraine-Hilfen

WASHINGTON (dpa-AFX) – Das US-Repräsentantenhaus hat nach monatelanger Blockade ein milliardenschweres Hilfspaket mit dringend benötigten Waffenlieferungen für die von Russland angegriffene Ukraine gebilligt. Die Parlamentskammer verabschiedete am Samstagnachmittag (Ortszeit) einen entsprechenden Gesetzentwurf, der rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Mrd Euro) für Kiew enthält. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher. Der Entwurf wurde in der Kammer, in der die Republikaner eine hauchdünne Mehrheit haben, mit einer überparteilichen Mehrheit von 311 zu 112 Stimmen angenommen.

Im Plenum gab es nach der Abstimmung Applaus. Etliche Abgeordnete wedelten mit Ukraine-Flaggen und riefen „Ukraine, Ukraine“. Sie wurden zur Ordnung gerufen. Zahlreiche Republikaner votierten gegen die Hilfen, konnten aber die Annahme mithilfe der Demokraten von US-Präsident Joe Biden nicht verhindern. Die Republikaner haben in der Kammer eine hauchdünne Mehrheit. Den republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, könnte die Abstimmung den Job kosten. Mehrere radikale Abgeordnete, die Ex-Präsident Donald Trump treu ergeben sind, stemmten sich gegen die Ukraine-Hilfe.

Das Paket sieht etwa 23 Milliarden US-Dollar für die Aufstockung des US-Militärbestands vor. Das Geld geht somit indirekt an die Ukraine, da die USA das von Russland angegriffene Land in der Regel mit Ausrüstung aus ihren Beständen ausstatten. Der Rest ist für weitere militärische Unterstützung und Finanzhilfe vorgesehen. Letztere ist als Darlehen angelegt. Zudem heißt es in dem Text, US-Präsident Biden solle der Ukraine „so bald wie machbar“ weittragende Raketensysteme vom Typ ATACMS zur Verfügung stellen. Kiew hofft seit langem auf das Waffensystem, dessen Raketen vom Boden aus auf Ziele am Boden abgefeuert werden.

Das Repräsentantenhaus votierte am Samstag nicht nur für die Unterstützung für Kiew. Der Vorsitzende Johnson stellte weitere Pakete zur Abstimmung. Ein weiterer Entwurf sieht gut 26 Milliarden US-Dollar für Israel vor. Einerseits sollen damit zum Beispiel Israels Raketenabwehr und die laufenden Militäroperationen der USA in der Region finanziert werden. Andererseits sind rund neun Milliarden US-Dollar für humanitäre Unterstützung gedacht, darunter für die Menschen im Gazastreifen.

Bereits angenommen sind rund acht Milliarden US-Dollar an Unterstützung für Taiwan und den Indopazifik-Raum und ein Text, der einen Verkauf der chinesischen Kurzvideo-App Tiktok vorsieht sowie Sanktionen gegen den Iran und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte.

Eigentlich hatte der Senat bereits im Februar für ein von Biden beantragtes milliardenschweres Hilfspaket votiert. Dieses sah ebenfalls Milliardenhilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan vor. Im Repräsentantenhaus kam es aber nie zu einer Abstimmung, weil in der von den Republikanern dominierten Kammer ein parteiinterner Machtkampf tobt. Der Vorsitzende Johnson wird vor allem vom rechten Rand seiner Partei mächtig unter Druck gesetzt.

Einen ersten Antrag für seine Abwahl reichte die stramm rechte Republikanerin Marjorie Taylor Greene bereits Ende März ein, später schlossen sich zwei weitere Abgeordnete der Partei an. Für sie ist die Abstimmung über Ukraine-Hilfen eine rote Linie. Ob Greene wirklich eine Abstimmung über Johnsons Abwahl forcieren wird, ist offen. Sollte sie dies tun, wäre Johnson wegen der knappen Mehrheit in der Kammer wohl auch hier auf die Unterstützung der Demokraten angewiesen. Auf die könnte er vermutlich zählen, da diese seit Monaten auf die Ukraine-Hilfen dringen.

Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 hat die Regierung von Präsident Biden militärische Hilfe im Umfang von mehr als 44 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt. Hinzu kommen noch weitere Milliarden an nicht-militärischer Finanzhilfe. Die vom Kongress genehmigten Mittel sind nach Angaben der US-Regierung aufgebraucht – deshalb ist die Abstimmung über neue Hilfsmittel von großer Bedeutung./nau/DP/jha

ZENTRALBANKEN

Chinas Notenbank hält LPR-Referenzzins für Bankkredite stabil

PEKING (Dow Jones)–Die chinesische Zentralbank hat ihren Referenzzins für Bankkredite (LPR) am Montag unverändert belassen. Das war am Markt erwartet worden, nachdem bereits ein anderer wichtiger Referenzzinssatz angesichts der Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung beibehalten wurde. Wie die People’s Bank of China (PBoC) mitteilte, bleibt der einjährige Referenz-Zinssatz (Loan Prime Rate – LPR) stabil bei 3,45 Prozent und der fünfjährige LPR bei 3,95 Prozent.

In der vergangenen Woche hatte die PBoC den Zinssatz für die mittelfristige Kreditfazilität (MLF) unverändert belassen, die als Richtwert für den LPR dient, der von 20 großen Banken in China festgelegt wird.

China berichtete für das erste Quartal des Jahres ein besser als erwartetes Wirtschaftswachstum: Das Bruttoinlandsprodukt stieg um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Peking hat sich für dieses Jahr ein Wachstumsziel von etwa 5,0 Prozent gesetzt. Die stärkere wirtschaftliche Dynamik macht eine bevorstehende Lockerung der Geldpolitik weniger wahrscheinlich, auch wenn einige Ökonomen noch Spielraum für weitere Zinssenkungen sehen, um den einbrechenden Immobiliensektor zu stützen.

Ein weiterer Aspekt ist der Yuan, der wie andere asiatische Währungen angesichts des stärkeren US-Dollars unter starkem Abwertungsdruck steht. Die chinesische Zentralbank bekräftigte vergangene Woche ihren Einsatz für eine stabile Währung und erklärte, sie sei fest entschlossen, den Yuan auf einem vernünftigen und ausgewogenen Niveau zu halten.

MELDUNGEN

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ROUNDUP: Weltweite Militärausgaben durch Ukraine-Krieg auf Höchststand

STOCKHOLM (dpa-AFX) – Die weltweiten Militärausgaben haben 2023 wieder einen Höchststand erreicht. Bereits zum neunten Mal in Folge übertrafen die Zahlen die Ausgaben des Vorjahres, wie aus einem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervorgeht, der am Montag veröffentlicht wurde. Demnach stiegen die Ausgaben im Jahr 2023 inflationsbereinigt um 6,8 Prozent auf 2,44 Billionen US-Dollar (rund 2,28 Billionen Euro) – der größte Anstieg im Jahr-zu-Jahr-Vergleich seit 2009. 2022 waren es noch 2,24 Billionen Dollar (rund 2,04 Billionen Euro) gewesen. Die größten zehn Geldgeber haben allesamt ihre Ausgaben deutlich erhöht.

Mit für diesen beispiellosen Anstieg verantwortlich sei auch der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. „Alle Regionen, die wir abbilden, haben zugenommen. Das gibt uns eine Perspektive für eine Welt, die sich weniger sicher fühlt und vielleicht eher auf harte Sicherheitsmaßnahmen als auf diplomatische Mittel zurückgreift“, sagte Sipri-Forscher Lorenzo Scarazzato der Deutschen Presse Agentur. Ein Land nehme Spannungen und Instabilität wahr und strebt daher statt diplomatischer Mittel lieber nach harter Sicherheit, investiere also möglicherweise mehr in Militärausgaben. „Einer der Hauptgründe ist natürlich die russische Invasion in der Ukraine. Wir haben gesehen, wie das in Europa zu einem Anstieg der Militärausgaben geführt hat“, erklärte Scarazzato.

Big Player bleiben oben

Die USA bleiben ungeschlagen an der Spitze der Staaten, die die meisten Ausgaben für das Militär haben. Sie alleine machten mit 916 Milliarden US-Dollar (knapp 859 Milliarden Euro) mehr als ein Drittel (37 Prozent) der weltweiten Militärausgaben aus – etwa das Dreifache vom zweitplatzierten China. Mit 12 Prozent der weltweiten Ausgaben gab China geschätzte 296 Milliarden Dollar für das Militär aus – sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Zusammen machten nur diese beide Staaten etwa die Hälfte der weltweiten Ausgaben 2023 aus.

Insgesamt blieben die obersten sieben Plätzen nach Angaben des Berichts konstant. Auf Platz drei stand demnach Russland, gefolgt von Indien und Saudi-Arabien, wie auch bereits 2022. Deutschland rangierte abermals auf dem siebten Platz der Staaten mit den größten Ausgaben – kurz hinter Großbritannien.

Deutsche Entwicklung

„Wenn es um Deutschland geht, wird es oft kritisiert, weil es das Zwei-Prozent-Ziel der Nato noch nicht erreicht hat“, sagte der Sipri-Forscher im Bezug auf die Auswertungen. „Was wir vielleicht nicht vergessen sollten, ist, dass Deutschland eine der wichtigsten Wirtschaftsmächte in Europa ist und nach dem Vereinigten Königreich die zweitgrößten Militärausgaben in Europa tätigt.“ Deutschland habe damit einen effektiven Anteil an den Ausgaben. Die Bundesregierung stellte für 2024 das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels in Aussicht. „Ich denke also, wir sehen, wie sich in Deutschland das Narrativ ändert“, sagte Scarazzato.

„Deutschland trägt mittlerweile einen erheblichen Teil zur globalen Aufrüstungsspirale bei“, meint dazu Alexander Lurz, Abrüstungsexperte bei Greenpeace. „Der unrühmliche Platz 7 in der Liste der Staaten mit dem größten Militärbudget sollte alle zum Nachdenken bewegen, die jetzt auch noch ein zweites Sondervermögen oder die Reform der Schuldenbremse zur Aufrüstung der Bundeswehr fordern“. Generell gebe es seiner Ansicht nach ein verengtes Verständnis von Sicherheit. Nur mit Rüstung ließe sich diese nicht erreichen. „Wir sehen, dass die massive Aufrüstung die Welt nicht zu einem sichereren Ort macht, sondern die Gewalt allerorten fördert“, sagte er.

Die weltweiten Militärausgaben entsprachen 2,3 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.

Einfluss des Ukraine-Kriegs

Der größte prozentuale Anstieg in der Gruppe der Top 10 war in der Ukraine zu verzeichnen. Ihre Militärausgaben stiegen um 51 Prozent auf 64,8 Milliarden Dollar (etwa 60,7 Milliarden Euro). Sie wechselten so von Platz 11 im Jahr 2022 auf Platz 8 im Jahr 2023. Die Militärausgaben machten mehr als die Hälfte (58 Prozent) der gesamten Staatsausgaben aus. Dieser Anteil lag somit deutlich höher als in Russland, wo die Militärausgaben im vergangenen Jahr 16 Prozent der gesamten Staatsausgaben ausmachten.

Hinzu kamen Militärhilfen anderer Länder für die Ukraine in Höhe von mindestens 35 Milliarden Euro. Diese Hilfen und die eigenen Militärausgaben der Ukraine machten etwa 91 Prozent der russischen Militärausgaben aus.

In Russland stiegen die Militärausgaben um 24 Prozent auf geschätzte 109 Milliarden Dollar (etwa 102 Milliarden Euro) im Jahr 2023.

Der jährlich erscheinende Sipri-Bericht zu den Militärausgaben in aller Welt gilt als weltweit umfassendste Datensammlung dieser Art. Die Friedensforscher zählen auch Aufwände für Personal, Militärhilfen sowie militärische Forschung und Entwicklung zu den Ausgaben./mee/DP/zb

US-Repräsentantenhaus will Ultimatum für Tiktok

Das US-Repräsentantenhaus geht gegen Tiktok vor: Entweder trennt sich der chinesischen Eigentümer ByteDance innerhalb eines Jahres von Tiktok oder die App soll verboten werden

EU plant Hilfspaket für Libanon – Zypern „am Limit“

FRANKFURT (Dow Jones)–Zyperns Präsident und Regierungschef Nikos Christodoulidis hat ein neues EU-Abkommen mit dem Libanon zur Begrenzung der Migrationsströme in die EU für den 2. Mai angekündigt. „Ich freue mich, am 2. Mai zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in den Libanon zu reisen, um auf unsere Initiative hin ein konkretes Finanzpaket der Europäischen Union anzukündigen“, sagte das Staatsoberhaupt im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag). „Es geht bei diesem Libanon-Paket nicht nur um den finanziellen Aspekt“, betonte er: „Es umfasst auch die Unterstützung libanesischer Institutionen, zum Beispiel der libanesischen Streitkräfte, die ein stabilisierender Faktor im Land sind.“

Ziel der Hilfe für den Libanon ist die Begrenzung der Migration ins EU-Land Zypern. „ch muss hier die deutlichsten Worte verwenden: Es reicht. Wir sind nicht in der Lage, noch mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen“, sagte Christodoulidis. „Wir sind am Limit und können diesen Strom an Flüchtlingen nicht länger bewältigen.“ Er sieht die nationale Sicherheit des EU-Landes bedroht.

Zypern führt mit dem Libanon zwar auch bilaterale Gespräche, um den Strom syrischer Migranten zu stoppen. „Gleichzeitig müssen wir aber auch in der EU darüber sprechen, dass bestimmte Regionen in Syrien heute de-facto sicher sind. Wir fordern ausdrücklich, dass bestimmte Gebiete in Syrien als sichere Regionen eingestuft werden.“

DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN

Gaspreise wieder deutlich höher

In Deutschland sind die Gaspreise wieder deutlich gestiegen. Das geht aus einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox hervor, die den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorliegt. Demnach müssen Verbraucher, die einen Neuvertrag bei einem Versorger abschließen, rund einen Cent pro Kilowattstunde mehr ausgeben als noch vor vier Wochen.

ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN

MEDIZIN

Ernährung auf nachhaltige Beine stellen – Studie und Empfehlungen zu Maßnahmen nachhaltiger Ernährungspolitik

St. Pölten (pts025/18.04.2024/14:15) – Forscherinnen des Instituts für Gesundheitswissenschaften der Fachhochschule St. Pölten haben politische Dokumente von zehn österreichischen Ministerien und Institutionen in den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaft, Ernährung, Lebensmittel und Nachhaltigkeit untersucht und darin enthaltene Maßnahmen für eine nachhaltige Ernährung analysiert. Die Wissenschaftlerinnen sehen vor allem Handlungsbedarf für einen ganzheitlichen Ansatz.

Weltweit gibt es dringenden Handlungsbedarf, um unsere Ernährungssysteme und unser Ernährungsverhalten nachhaltiger zu gestalten, um die Nachhaltigkeitsziele der UN zu erreichen.

„Die globale Nahrungsmittelproduktion, speziell Fleischproduktion, trägt massiv zu globalen Umweltproblemen bei, und exzessiver Konsum von vor allem rotem und verarbeitetem Fleisch ist mit chronischen Krankheiten wie Darmkrebs, Herzkreislauferkrankungen, Übergewicht und Typ 2 Diabetes verbunden. Die herausfordernde Transformation zu gesünderer und nachhaltigerer Ernährung verlangt integrierte und kohärente Maßnahmen auf verschiedenen politischen Ebenen“, sagt Ursula Trübswasser, Senior Researcher am Institut für Gesundheitswissenschaften der FH St. Pölten.

Das Ziel der Studie war es, politische Dokumente in Bezug auf geplante Maßnahmen zu analysieren, die die Förderung einer nachhaltigen und gesunden Ernährung in der Bevölkerung zum Ziel haben.

Gesunde Ernährung auf vier Ebenen

Die Forscherinnen haben für die Studie politische Dokumente von zehn österreichischen Ministerien und Institutionen in den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaft, Ernährung, Lebensmittel und Nachhaltigkeit ausgewertet.

Der Fokus der Studie lag auf vier Bereichen, die zu einer gesunden Ernährung und nachhaltigen Ernährungspolitik beitragen können:

  • die Reduktion des Konsums von tierischen und Erhöhung jenes von pflanzlichen Lebensmitteln
  • die Reduktion des Konsums von ungesunden Lebensmitteln, die z.B. einen hohen Zucker-, Fett, oder Salzgehalt haben und/oder hochverarbeitet sind
  • die Erhöhung des Konsums von biologischen Lebensmitteln
  • die Reduktion von Lebensmittelabfällen

Handlungsbedarf für einen ganzheitlichen Ansatz

Die meisten Maßnahmen, die in den Dokumenten empfohlen wurden, bezogen sich auf informative Instrumente: Informationskampagnen für die Öffentlichkeit, Beratung von Konsument*innen, Initiativen im Bildungsbereich, vor allem in Schulen, zur Bewusstseinsbildung. Regulative oder finanziellen Instrumente, um eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu fördern, wurden hingegen nicht erwähnt. In Bezug auf organisatorische Instrumente bezogen sich die meisten Maßnahmen auf Gemeinschaftsverpflegungen in Einrichtungen.

„Die Dokumente erwähnen meist Maßnahmen von informativer Natur, statt rechtlich bindende regulative Instrumente vorzuschlagen. Der starke Fokus auf Regionalität ist gut, könnte aber von anderen, zum Teil wichtigeren Maßnahmen ablenken. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf für einen systemischen, partizipativen Ansatz, der verschiedene Verhaltensweisen gleichzeitig, kohärent und inklusiv fördert und von verschiedenen Sektoren, Bevölkerungsgruppen und Akteur*innen in der Lebensmittelproduktion mit einem Mix an Instrumenten getragen wird“, so Trübswasser.

Empfehlungen für politische Maßnahmen

Dementsprechend haben die Forscherinnen mehrere Empfehlungen für politische Maßnahmen formuliert. Dazu gehören:

  • regulative Instrumente für die Umsetzung
  • intersektorale, systemische Ansätze
  • Maßnahmen auf der Verhaltens- und Verhältnisebene (z.B. Verfügbarkeit, Leistbarkeit, Lebensmittelhygiene und Erreichbarkeit von gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln)
  • ein Fokus auf soziale Aspekte

Empfehlungen für die Forschung

Auch für die Forschung gibt es in der Studie Empfehlungen. Darunter fallen:

  • eine Analyse von Dokumenten auf Bundesländerebene
  • eine Erhebung der Umsetzung der Maßnahmen
  • die Erhebung nachhaltiger Ernährungskompetenz bei Konsument*innen
  • das Erheben von sozialen Aspekten als Voraussetzung für nachhaltigen Konsum
  • ein Verständnis der Machtverhältnisse durch das Erheben der Ungleichgewichte und Interessen in Entscheidungsprozessen

Verfasst haben die Studie Ursula Trübswasser, Theres Rathmanner und Barbara Wondrasch vom Institut für Gesundheitswissenschaften der FH St. Pölten.

Link zur Studie: https://phaidra.fhstp.ac.at/detail/o:5535    
DOI: https://doi.org/10.60522/o:5535

[…]

Aussender:FH St. Pölten
Ansprechpartner:Mark Hammer
Tel.:02742 313 228 – 269
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UMWELT

Tausende vor Hochwasser in Südsibirien in Sicherheit gebracht

Allein in Kurgan sind 3.000 Menschen in Sicherheitgebracht worden. Auch in benachbarten Regionen haben die Behörden Evakuierungen angeordnet. Die Pegelstände übersteigen die Höchstmarken, die vor 30 Jahren aufgestellt wurden.

Aufgrund des Hochwassers des Tobol haben die Behörden rund 3000 Einwohner der südrussischen Stadt Kurgan in Sicherheit gebracht.

Der Tobol entspringt im benachbarten Kasachstan, das von den schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten heimgesucht wird.

In Kurgan wurde am Donnerstag ein Höchststand von 10,15 Metern erreicht und damit der vor genau 30 Jahren aufgestellten Rekord (10,06 m) übertroffen. Am Samstag begann der Wasserstand langsam zu sinken, doch die Behörden warnen vor weiteren Überschwemmungen. Die Flutwelle bewegt sich weiter flussabwärts, und der eigentliche Höhepunkt wird in den kommenden Tagen erwartet.

Die Menschen in der Region Kurgan helfen den Rettungskräften beim Bau neuer Staudämme und bei der Stärkung bestehender Staudämme. Rettungsdienste warnen die Menschen eindringlich davor, ihre überschwemmten Häuser mit Booten zu besichtigen und zu überprüfen, da es bereits mehrere Fälle gab, in denen Boote mit Trümmern im Wasser kollidierten.

Aus benachbarten Regionen wurden 120 Polizisten nach Kurgan verlegt, um während der Evakuierung für Ordnung zu sorgen.

Über fünftausend Grundstücke wurden in der Region überschwemmt.

Der Wasserstand des Ischim, der durch die benachbarte Region Tjumen fließt, ist in nur 24 Stunden um über 2 Meter gestiegen.

In der Region Tjumen wurden mehr als 3.000 Menschen in Sicherheit gebracht, davon 418 in provisorische Unterbringungszentren.

In der Region Ischim wurden die Dämme in den Dörfern Kasanskoje und Ognewo verstärkt.

In der Region Orenburg sind über 17.000 Menschen von der Evakuierung betrtoffen.

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GESELLSCHAFT – ARBEITSWELT

Generation Z(umutung) „50 Prozent der jungen Leute sagen, sie sind nicht leistungsbereit“

Hunderttausende fehlende Fachkräfte und eine „Peter-Pan-Generation“, von denen mehr als eine Million keine Lust auf Arbeit hat? Deutschland rutscht im Ranking der Industrienationen immer weiter ab. Was passiert hier im Land der einst so Fleißigen? ntv.de fragt die Arbeitsexpertin und Autorin Susanne Nickel, wie schlimm es um den Standort steht. Ihr Buchprojekt „Verzogen, verweichlicht, verletzt. Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt“ beginnt sie mit viel Wut im Bauch. Am Ende wartet sie dennoch mit einer versöhnlichen Lösung auf. Ihr Fazit: Viele Arbeitgeber versäumen es bei ihrer Jagd nach jungen Nachwuchskräften, auch ältere Mitarbeiter wertzuschätzen – und brocken sich und der deutschen Wirtschaft damit viele Probleme ein.

ntv.de: In Ihrem Buch zeichnen Sie ein trostloses Bild vom deutschen Arbeitsmarkt. Anlass zur Sorge gibt Ihnen die mangelnde Arbeitsmoral der Generation Z. Als Unternehmensberaterin und Coach haben Sie viele, teils auch skurrile Geschichten zu hören bekommen. Was passiert hier gerade?

Susanne Nickel: Die Wertigkeit von Arbeit hat sich dramatisch verändert. Die jüngste Generation am Arbeitsmarkt stimmt mit den Füßen ab, weil sie sehr genau weiß, wie wichtig sie für Deutschland ist. Und Unternehmen und Führungskräfte buckeln vor ihnen. Sie werfen ihnen viele Incentives oder Anreize wie iPads und Smartphones nach und werden dabei schamlos ausgenutzt.

Was bedeutet, die Generation Z stimmt mit den Füßen ab?

Junge Menschen, die sich die Sahnestückchen raussuchen können, überlegen, welches sie nehmen. Es gibt viele offene Stellen, aber junge Arbeitssuchende, mit oder ohne Ausbildung, sind Mangelware. Immer wieder stehen sie vor einem neuen Chef, der sagt, „Hey, wir brauchen dich, komm zu uns. Bei uns ist es ganz toll“. Da kann man es sich leisten zu sagen: „Ich möchte den Job gerne machen, aber im Winter ist es kalt, da kann ich nicht arbeiten.“ So ist es einem kleinen Sanitärbetrieb ergangen. Der Chef war völlig geschockt. Passt ihnen was nicht, haben sie etwas Besseres gefunden, ziehen sie weiter.

Job-Ghosting fällt in diese Kategorie …

90 Prozent der Arbeitgeber in Deutschland haben damit 2021 bereits Erfahrung gemacht, 25 Prozent von ihnen wöchentlich! Das bedeutet, dass immer mehr junge Menschen den Bewerbungsprozess abbrechen und sich verflüchtigen wie Geister. Die Bewerber kommen entweder nicht zum Vorstellungsgespräch, brechen den Kontakt ab oder erscheinen nicht am ersten Arbeitstag. Und das Unternehmen fängt wieder von vorn an. Über die Kosten machen sich die jungen Menschen keine Gedanken. Weiterzusuchen, ist zwar verständlich, nur wäre es sinnvoll, es dem Unternehmen mitzuteilen.

Was wissen wir über diese Generation Z? Bei den sogenannten Z-lern handelt es sich um die Jahrgänge 1995 bis 2010. Sie sind entweder Azubis, im Studium oder stehen am Ende ihrer Schulzeit. Ihr Credo lautet: Erst leben, dann arbeiten. Die Generation Z ist im Wohlstand aufgewachsen und oft hervorragend ausgebildet. Sie sind Social Media Natives, auch die erste Generation, die mit dem Wissen aus dem Internet groß geworden ist. Ihre Handyzeit beträgt knapp vier Stunden am Tag, Tendenz steigend. Weil sie in einer schnelllebigen Welt groß geworden sind, fordern sie Resonanz und Feedback sofort ein. Bei ihnen dreht sich alles um die eigene Persönlichkeit und das eigene Fortkommen. Ihre Forderungen sind zum Teil auch egoistisch. Unternehmen müssen wirtschaftliche Ziele verfolgen, um Arbeitsplätze zu sichern und zukunftsfähig zu sein. Die Anspruchshaltung der Generation Z kostet viel Zeit und Geld. Das macht es so bedrohlich.

Wir reden über knapp zwölf Millionen junge Menschen, die weder ausgebildete Fachkräfte sind noch viele Berufsjahre auf dem Buckel haben. Es gibt drei weitere gestandene Generationen am Arbeitsmarkt. Könnte es sein, dass zu viel auf diese Generation projiziert wird?

Man kann nicht alle Probleme auf die Generation Z abwälzen. Aber nahezu 50 Prozent räumt laut einer Studie selbst ein, nicht so leistungsfähig zu sein. Es gibt 630.000 sogenannte NEETs. Das ist die Abkürzung für „Not in Education, Employment or Training“, übersetzt: „Nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung“. Wenn eine Stadt so groß wie Düsseldorf nicht arbeitet, ist das bedenklich. Wenn diese jungen Menschen, die unsere Zukunft sind, Leistungsorientierung und Wohlstand ablehnen, ist das problematisch. Deutschland fehlen Hunderttausende Fachkräfte. Da die Boomer bald alle in Rente sind, ist es wichtig, dass junge Menschen mithelfen, diese Lücke am Arbeitsmarkt zu schließen. Die Generation Z ist also immens wichtig.

Abgrenzung und Protest jüngerer Generationen hat es immer schon gegeben. Auch Hippies wollten das Bruttosozialprodukt nicht steigern. Wie unterscheidet sich diese Generation Z von den vorherigen?

Es sind Wohlstandskinder, die satt aufgewachsen sind. Das waren Hippies oder meine Generation, die Gen X nicht. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und wollte unabhängig sein und mir etwas aufbauen. In meiner Generation ging es darum, etwas zu erreichen und sich Ziele zu setzen. Wenn ich im Wohlstand groß geworden bin, kann ich Wohlstand gut ablehnen, weil ich den ja kenne und ihn normal empfinde.

Umfragen zeigen aber auch, dass zwei Drittel der 16- bis 25-Jährigen es für wahrscheinlich halten, irgendwann ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Woher soll denn das Geld dafür kommen, wenn nicht durch Arbeit?

Natürlich ist diese Generation in sich nicht homogen. In den Jahren zwischen Ende der Schulzeit und den späten Zwanzigern passiert bei jungen Menschen viel. Manche sind noch naiv, andere realistischer. Aber auch die kommen schnell zu dem Schluss, dass der Generationenvertrag nicht funktioniert und es ihnen in Zukunft nicht so gut gehen wird wie ihren Eltern. Hinter ihrer Anti-Haltung steckt ein Riesenfrust, denn dieser Generation ist klar, dass es für sie viel schwieriger wird, sich etwas aufzubauen, vielleicht eine Immobilie zu kaufen. Also, wozu dann arbeiten?

Die Wirtschaftslage ist nicht rosig. Der Fachkräftemangel kostete Deutschland allein 2022 sechs Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung. Welche Rolle spielen die älteren Beschäftigten in dieser Situation?

Das ist ein wichtiger Punkt. Unternehmen stürzen sich auf die jungen Leute, weil sie sagen, die sind dynamisch, flexibel und kosten vielleicht auch nicht so viel Geld. Womit sie allerdings einem großen Irrtum aufsitzen, weil die Generation Z sehr anspruchsvoll ist, auch finanziell. Ich sage: Warum rückt man nicht meine Generation, die X, die zwischen 1965 und 1980 Geborenen mit insgesamt 16,5 Millionen Menschen in den Fokus? Die Jüngeren sind gerade mal Mitte 40 und müssen noch über 20 Jahre arbeiten. Die Generation X ist häufig gut ausgebildet und viele haben zudem eine gewisse Resilienz erworben. Sie sind in der Corona-Pandemie deutlich besser zurechtgekommen als Jüngere. Ich appelliere immer an Unternehmen, auch Ältere einzustellen. Sie können mit einem Chef umgehen, der schwierig ist und rennen nicht gleich beim ersten kritischen Feedback weg. Aber sie fallen häufig leider durch das Raster, für die Boomer gilt das ohnehin.

Warum eigentlich? Ist es nicht viel zielführender, altgediente Beschäftigte bei Laune zu halten, ihnen Vorteile einzuräumen, wie die Vier-Tage-Woche und mehr Urlaubstage? Und ist das nicht auch der viel bessere Anreiz für junge Menschen, sich anzustrengen in einem Unternehmen?

Es braucht tatsächlich viel mehr solcher Anreize. Ich stehe absolut hinter dem Grundsatz flexibler Arbeitszeiten. Nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen, zahlt sich meines Erachtens aber nicht aus. Man sollte den Älteren ermöglichen, nicht nur weniger zu arbeiten, sondern auch, sich weiterzuentwickeln, Führungspositionen zu übernehmen. An Lebensphasen orientierte Arbeitszeitmodelle wären wichtig. Habe ich zwei Kinder und brauche Flexibilität? Bin ich Single und habe mehr Zeit oder bin ich über 50 und pflege meine Mutter oder meinen Vater? Wir müssen hier viel flexibler werden.

Und warum wird das Offensichtliche nicht gemacht?

Weil es keine Dringlichkeit gibt. Die Jungen stimmen mit den Füßen ab, weil sie unendliche Möglichkeiten haben, und dadurch eine gewisse Macht ausspielen können. Arbeitgeber merken, sie müssen etwas tun, sonst schaffen sie es weder junge Menschen zu finden noch zu binden. Würden die ungefähr 2,5 Millionen jungen Mütter, die in Teilzeit arbeiten, ihre Wochenarbeitszeit um nur eine Stunde aufstocken, entspräche dies der Arbeitskraft von rund 70.000 Vollzeitstellen. Ich sage seit Jahren, macht keine Meetings nachmittags um fünf, wenn die Mütter nicht mehr da sind. Glauben Sie, es wurde beherzigt? Veränderungen werden nur angegangen, wenn es dringlich ist. Jetzt kommt die Generation Z ins Spiel und sagt, „Hey, wir wollen mehr Flexibilität, wir machen das so nicht mit“, und plötzlich wird sich darauf eingestellt. Die Generation Z hat die Macht, Forderungen durchzusetzen, die Mütter nie erreicht haben.

Sie lassen in Ihrem Buch richtig viel Dampf ab. Haben Sie auch eine Lösung parat? Wer soll, wer wird es Ihrer Ansicht nach am Ende richten und verhindern, dass Deutschland immer weiter abrutscht?

Wir können auf keine Generation verzichten. Alle müssen mit anpacken. Wir müssen die Babyboomer und die jungen Menschen wie auch alle anderen Generationen mit einer gemeinsamen Ausrichtung ins Boot bekommen. Wir können es uns nicht leisten, noch einmal fünf oder sechs Jahre zu warten. Sonst haben wir ein totales Fiasko.

Es wird viel rund um die Vier-Tage-Woche diskutiert und gestritten. Würde die mehr Lust auf Arbeit machen?

Ich frage mich etwas ganz anderes: Warum unbedingt weniger arbeiten? Warum ist Arbeit ein „weg vom Ziel“ geworden, anstatt ein „hin zum Ziel“? Arbeit darf auch Freude bereiten. Daher brauchen wir Führungskräfte, die es schaffen, gelingende Beziehungen aufzubauen und Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu inspirieren und zu motivieren.

Sie kommen in Ihrem Buch immer wieder auf die Defizite bei der Erziehung zu sprechen. Die Generation Z sei dadurch verweichlicht, sie könnten keine Niederlagen ertragen. Sie fordern von Arbeitgebern gleichzeitig, noch mehr auf diese jungen Erwachsenen einzugehen. Eine verwöhnte Generation noch mehr pampern? Ist das nicht ein Widerspruch?

Am Anfang wollte ich eine gesamte Generation in ein Bootcamp schicken, damit sie mehr Disziplin und Durchhaltevermögen lernen. Aber die Studienlage, die psychischen Erkrankungen, die zunehmen, und Herkunft und Erziehung der jungen Menschen führen dazu, dass uns die Generation Z auch den Spiegel vorhält. Ich möchte sie nicht pampern. Es ist wichtig, dass die ganzen Vorurteile und alles, das man ihnen nachsagt, auf den Tisch kommt: hohe Ansprüche, schwierige Verhaltensweisen, schwache Psyche, wenig Leistungsfähigkeit. Erst dann können wir versuchen, Hintergründe zu verstehen, um Lösungen zu finden. Ein Team-Leiter hat sie mal „Peter-Pan-Generation“ genannt. Peter Pan wollte nie erwachsen werden. Wir müssen dabei helfen, dass sie in die erwachsene Rolle hineinwachsen. Die jungen Menschen müssen begreifen, dass man etwas erreicht, wenn man sich anstrengt. Nur iPads zu verteilen, lehne ich kategorisch ab. Ich rate Unternehmen, lieber authentisch zu sein. Da passt dann vielleicht nicht jeder Kandidat hin, aber man holt sich auch nicht die komplett Falschen.

Sie haben fast alle DAX-Unternehmen als Kunden gehabt. Hat sich nach Ihrem Coaching viel verändert?

Es gibt noch zu wenig Bewegung, aber es gibt Bewegung. Deswegen hat die Generation Z auch die Chance, ein Booster zu sein für den Kulturwandel. Bis zu einem gewissen Grad. Davon werden im besten Fall alle profitieren.

Susanne Nickel ist Rechtsanwältin, Wirtschaftsmediatorin und Expertin für Arbeit und Wandel. – Mit Susanne Nickel sprach Diana Dittmer

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