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FAZIT DES TAGES
COMMENT – FAZIT:
- Eskalation in Nahost- und Osteuropa
- Stoltenberg (und der Westen) bekommen kalte Füße?
- Slowakeis kritischer Ukrainekurs erhält Unterstützung
Märkte – Report – COMMENTS
Israel und Israelkritik (Kommentare), Ukraine
Meldungen
Themenreigen – Psychologie, Internet-IT-KI: Homo Cybers digitaler Humanismus, Bildung: Quo vadis Hochschulforschung und -lehre?
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Viel Stoff – Nutze die Suchfunktion!
HELLMEYER-Report (gekürzt)
- Märkte: Gold und Silber profitieren von Unsicherheit
- Deutschland: Haushaltsdefizit um 35,4 Mrd. EUR geringer
- US-Zinsdebatte wird „falkenhafter“
Märkte: Gold und Silber profitieren von Unsicherheit
Die Finanzmärkte reagieren weiter nervös. Das Maß der Unsicherheit ist hoch und bildet sich zu Gunsten der nicht korrelierten Anlageklassen Gold und Silber erkennbar ab. Auch bleiben die nicht korrelierten Krypto-Anlagen auf den mittelfristig betrachtet erhöhten Niveaus verankert.
Geopolitik spielt bei den Diskontierungen an den Finanzmärkten eine gewichtige Rolle. Die
Ukrainekrise verschärft sich.
COMMENT: Die Bemerkung Stoltenbergs, die Ukraine müsse konziliante Flexibilität bei möglichen Verhandlungen mit Russland zeigen, widerhallt die aufsteigende Unruhe auf der Seite des Westens. Die Lage für die Ukraine ist nicht rosig. Das allerdings hätte man sich seitens der Ukraine – Unabhängigkeitserklärung August 1991 und gebrochene Friedensabmachungen mit Russland (zuletzt 1997) – sowie des Westens früher überlegen müssen.
Du kannst nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, heiß es in der Thora. Wer aber ist hier der böse Nachbar? Und konnte die Ukraine dem von ihr so titulierten bösen Nachbarn örtlich ausweichen, z.B. durch Umzug ihres Staatsgebietes nach Amerika oder sonst wohin? Aber falls das nicht geht – und es geht aus naheliegenden Gründen eben nicht – was bleibt dann zu tun, um mit dem Nachbarn in Frieden auszukommen? Neutralitätserklärungen in den Müll werfen und Freundschaftsverträge brechen als probates Mittel dazu?
Eine europäische Friedenslösung ist nach dem Fall der UdSSR am 26. Dezember 1991 gemäß der Bellower Beschlüsse ausgeblieben. Weder der Westen noch Russland samt den ehemaligen Sowjetrepubliken – aber vor allem Russlandmit Jelzin, Putin I, Medwejew, Putin II – haben es versäumt, nachhaltig und beharrlich auf so eine bitternötige europäische Friedensvereinbarung zu dringen. Ein diplomatischer faux pas ohnegleichen – mindestens genauso groß wie jener, keine Nahost-Friedenslösung durchgesetzt zu haben und stattdessen dem Großwerden der HAMAS unbekümmert zuzusehen.
Wer zahlt die Zeche für solch‘ diplomatische Versagen? Der kleine Mann auf der Straße. Schande über dich, du internationale Diplomatie!
Erfolgreiche Angriffe auf Atomanlagen sind jüngstes Beispiel. Der
Nahost-Konflikt lieferte am Wochenende zarte Hoffnungsansätze auf Entspannungen im Gaza-
Konflikt, jedoch nicht bezüglich der Gesamtmengelage (Iran, Libanon). Dort bleibt die Lage
kritisch. Das Risiko eines Flächenbrandes im Nahen Osten ist und bleibt präsent.
Bezüglich der Zinspolitik der Fed ergeben sich dank jüngster Verbalakrobatik Unsicherheiten, ob
und wann der US-Zinssenkungszyklus beginnen wird. Seitens der Bank of Japan erreichen uns
Einlassungen, die weitere kleine Schritte im Zinserhöhungszyklus nahelegen. Ergo kommt von
dieser Seite Sand in das Getriebe der Finanzmärkte, da Zinsen und erwartete Zinsentwicklungen
maßgebliche Diskontierungsfaktoren für die Bewertungen an den Märkten darstellen.
Das Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden unterstrich die Fragilität der Wirtschaft der
Eurozone und Deutschlands (PMIs Bausektor). Es belegte auch, dass einige Länder der Eurozone
sich positiv anheben, beispielsweise Italien und Spanien.
Russlands Wirtschaft „boomt“ nicht ganz so stark wie erwartet und Chinas Devisenreserven stehen auf dem höchsten Stand seit Dezember 2021.
Der US-Arbeitsmarktbericht konnte quantitativ, aber nicht qualitativ überzeugen.
Aktienmärkte legten zumeist zu, allen voran US-Märkte, aber auch der Late DAX rettete sich knapp
auf positives Terrain. In Fernost stieg der Nikkei. Dagegen verlor der CSI 300.
Renditen zogen in den USA im Rahmen der Zinsdebatte an. Die 10-jährige Bundesanleihe rentiert
mit 2,40% (Vortag 2,35%), die 10-jährige US-Staatsanleihe mit 4,43% (Vortag 4,31%).
Der USD ist gegenüber dem EUR wenig verändert. Gold markierte neue historische Höchstkurse.
China erhöhte die Goldreserven weiter (jetzt bilanziert mit „offiziell“ 161,1 Mrd. USD nach 148,6
Mrd. USD). Silber holt auf, ist jedoch weiter massiv von neuen Höchstkursen entfernt.
Nachrichten in Kurzform:
• Berlin: Die Bahn plant laut Konzernkreisen wegen des stark gestiegenen
Schuldenbergs und teurer Tarifabschlüsse einen Ausgaben- und Einstellungsstopp.
=> Wie soll die Bahn funktionieren?
• Bratislava: In der Slowakei setzte sich Peter Pellegrini bei der Präsidentenwahl
durch. Er ist regierungsnah und bezüglich Russland auf einem diplomatischen
Kurs.
=> Interessant
COMMENT: Interessant in der Tat ist Hellmeyers Wortwahl, er gibt offenbar die dpa-AFX-Meldung wieder (siehe weiter unten), die etwas verhüllend von einem „vorsichtigen Ukrainekurs“ des neuen Präsidenten schreibt.
• Washington: Ex-Präsident Trump sammelte bei Spendengala in Florida 50 Millionen
USD (circa doppelt so hoch wie bei Bidens Gala mit Obama und Clinton).
• Washington: US-Finanzministerin Yellen lobte klare Gespräche in China bezüglich
zukünftiger Wirtschaftspolitiken.
• Washington. Das Militärbündnis AUKUS, das gegen China gerichtet ist, soll laut FT
ausgeweitet werden. Aspiranten sind Japan und die Philippinen.
• Nahost-Konflikt: Laut ägyptischen TV Sender Al-Kahera News ergeben sich
Fortschritte bei Gesprächen über Waffenstillstand – Israel reduzierte Bodentruppen
im Gazastreifen (Rotation, Verlegungen).
• Ukraine-Konflikt: Die UN-Atomaufsicht konstatierte ukrainische Drohnenangriffe
(drei direkte Treffer) auf das Atomkraftwerk Saporischschja, die zu Schäden geführt
hätten. Die Sicherheit sei nicht gefährdet. Es sei jedoch ein ernster Vorfall.
Deutschland: Haushaltsdefizit um 35,4 Mrd. EUR geringer
Das Haushaltsdefizit sank 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 35,4 Mrd. EUR. Laut
Statistischem Bundesamt beziffert sich das Defizit 2023 auf 91,9 Mrd. EUR. Zinskosten
erhöhten sich nur für den Bund von 17,4 Mrd. EUR um 29,3 Mrd. EUR auf 46,7 Mrd.
EUR.
Bank of Japan signalisiert Bereitschaft zu weiteren Zinserhöhungen
Zentralbankchef Ueda sieht stärkere Lohninflation zeitnah am Horizont (Interview
Asahi). Er stellte Reaktionen (Zinserhöhungen) vor diesem Hintergrund in Aussicht.
Deutschland: Haushaltsdefizit um 35,4 Mrd. EUR geringer
Das gesamte Haushaltsdefizit sank 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 35,4 Mrd. EUR. Laut
Statistischem Bundesamt bezifferte sich das Defizit 2023 auf 91,9 Mrd. EUR.
Kommentar: Diese Meldung klingt auf ersten Blick positiv. Das gilt allen voran hinsichtlich der
schwachen Wirtschaftslage im Jahr 2023. Ergo bedarf es einer genaueren Analyse. Die
massiven Corona-Belastungen liefen 2023 aus (2020 Defizit 189,2 Mrd. EUR). Ausgaben
stiegen um 4,1%, während Einnahmen um 6,4% zulegten. Die im Jahr 2023 hohe Inflation
(5,9%) spielte bei den Einnahmen eine große Rolle, sie wirkt in Teilen sofort auf
Staatseinnahmen, während Ausgaben zumeist erst zeitversetzt auf Inflation reagieren.
Zinskosten erhöhten sich nur für den Bund von 17,4 Mrd. EUR um 29,3 Mrd. EUR auf 46,7 Mrd.
EUR.
Kommentar: Hier stockt der Atem. Wie kann es sein, dass die Bundesschuldenverwaltung es in
der Negativzinsphase versäumte die Duration (Laufzeit der Staatsverschuldung) nicht massiv
auszuweiten. Sinnvoll wäre es diesem langen Zeitraum gewesen, den Zins der Verschuldung
auf 15 – 20 Jahre auf diesem Negativ- oder Nullzinsniveau festzuschreiben. Es war eine
einmalige Anomalie, die die Chance in sich barg, das Zinsproblem des Schuldenbergs auf
lange Zeit zu neutralisieren. Was können unsere „Experten“ in Berlin eigentlich? Die
nachfolgende Statistik von Statista zeigt die Entwicklung von 1950 bis einschließlich 2022.
aktuell liegt der Stand der öffentlichen Verschuldung bei 2.500 Mrd. EUR.
US-Zinsdebatte wird „falkenhafter“
Die Einlassungen der Granden der Federal Reserve werden zunehmend kritischer bezüglich
möglicher Zinssenkungen. Hintergrund dieser Einschätzungen sind weiter unerwartet positive
Arbeitsmarktdaten als auch zumeist stabile Konjunkturdaten. Jüngstes Beispiel ist die
Verbalakrobatik von Michelle Bowman (Board of Governors). Sie sagte, es sei möglich, dass
die Zinsen steigen müssten, um die Inflation zu kontrollieren. Das sei zwar nicht ihr
Grundsatzszenario, die Risiken dürften jedoch nicht außer Acht gelassen werden.
Kommentar: Bei der Betrachtung der Wirtschaftsdaten gilt es, zu berücksichtigen, dass die
USA mit Haushaltsdefiziten von circa 8% des BIP die Wirtschaft massiv subventionieren
(Divergenz zur Eurozone). Zudem mögen quantitative Aspekte überzeugen, weniger jedoch die
qualitativen Merkmale der Daten (siehe US-Arbeitsmarktdaten unten).
Es sollte nicht ausgeschlossen werden, dass der US-Zinssenkungszyklus mit seinen
Wirkungen auf Stimmung in der Bevölkerung und Impakt auf die Wirtschaft näher mit der
Novemberwahl in den USA korreliert wird.
COMMENT: Es sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Private Finance Unternehmen, ermuntert durch jahrelange Niedrig- und Negativ-Zinspolitik der FED zunehmend als Financiers für alle möglichen Wirtschaftsaktivitäten wie die Pilze aus dem Boden geschossen sind und für eine beträchtliche Geldflut gesorgt haben und weiterhin sorgen – und dies an den klassischen Financiers von Wirtschaftsaktivitäten, den Banken durch ihre Kreditvergaben, vorbei. Diese Finanzintermediäre lassen sich durch geldpolitische Maßnahmen, hier: höhere Zinsen, nicht so leicht beeindrucken. Ein schwieriges Feld für die Zentralbanken.
Was für die USA und die FED gilt, gilt in gleichem Maße für Europa und die Eurozone. Auf längere Sicht heißgelaufene Immobilienmärkte und haussierende Börsen zeugen davon.
Eurozone: Schwacher Einzelhandel – In Spanien scheint die „Industriesonne“ …
Die Einzelhandelsumsätze der Eurozone sanken per Februar im Monatsvergleich um 0,5% (Prognose -0,4%) nach zuvor 0,0% (revidiert von 0,1%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 0,7% (Prognose -1,3%) nach zuvor -0,9% (revidiert von -1,0%).
Deutschland: Der Auftragseingang der Industrie verzeichnete per Februar im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,2% (Prognose 0,8%) nach zuvor -11,4% (revidiert von -11,3%).
Deutschland: Die Importpreise sanken per Februar im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,0%) nach zuvor 0,0%. Im Jahresvergleich ergab sich ein Rückgang um 4,9% (Prognose -4,6%) nach zuvor -5,9%.
Frankreich: Die Industrieproduktion nahm per Februar im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,5%) nach zuvor -0,9% (revidiert von -1,1%) zu.
Spanien: Die Industrieproduktion legte per Berichtsmonat Februar im Jahresvergleich um 1,5% zu (Prognose -0,5%, Vormonat revidiert von -0,6% auf +0,3%).
Eurozone und UK: PMIs für den Bausektor – Deutschland fällt ab!
USA: Arbeitsmarktbericht quantitativ stark
Die US-Arbeitsmarktdaten konnten quantitativ auf ersten Blick, der marktrelevant ist,
überzeugen.
Qualitativ sieht das Bild differenzierter aus. Im letzten Monat wurden 691.000 Teilzeitjobs
geschaffen, während 6.000 Vollzeitjobs verloren gingen (u.a. Aspekt Lohnsummen).
Aussagekräftiger ist hier ein Blick auf den 12 Monatszeitraum: dort wurden 1,888 Millionen
Teilzeitjobs generiert und 1,347 Vollzeitjobs abgebaut.
Werfen wir einen Blick auf den dazugehörigen Chart:
Mehr noch hat die Federal Reserve Philadelphia ermittelt, dass die Zahl der „Nonfarm Payrolls“ um mindestens 800.000 Jobs zu hoch ausgewiesen sind.
COMMENT: Der US-Arbeitsmarkt erscheint unter diesen Aspekten keineswegs so robust, wie es die quantitativen Zahlen nahelegen. Was ist bei der Umstellung von Vollzeit- auf Teilzeitarbeit maßgeblich: der Konjunkturrückgang, die Sparneigung der Unternehmen, die digitale Revolution, welche Arbeitsrationalisierungen (Homework) ermöglicht? Die Konjunktur ist es am wenigsten, wie das noch immer recht robuste US-Wirtschaftswachstum samt Zukunftsausblicken darauf zeigt.
Die US-Konsumkredite nahmen per Februar um 12,12 Mrd. USD (Prognose 15,0 Mrd. USD) nach zuvor 17,68 Mrd. USD (revidiert von 19.49 Mrd. USD zu.
Russland: BIP stark, aber weniger stark als erwartet
Das BIP legte laut vorläufiger Berechnung im 4. Quartal 2023 im Jahresvergleich um 4,9%
(Prognose 5,4%) nach zuvor 5,7% (revidiert von 5,5%) zu.
China: Devisenreserven markieren höchsten Wert seit 12/2021
Die Devisenreserven legten per März von 3.226 Mrd. USD auf 3.246 Mrd. USD zu (Prognose
3.210 Mrd. USD) und markierten den höchsten Stand seit Dezember 2021.
Hier den Hellmeyer Report lesen! (inkl. Graphiken und Tabellen!)
SENTIX
Bullen-Knick – Ergebnisse des sentix Global Investor Survey (14-2024)
Die geopolitischen Unsicherheiten sowie reduzierte Aussichten auf eine Zinssenkung durch die US-Notenbank haben für Unruhe an den Aktienmärkten und einen Stimmungseinbruch gesorgt.
Die Sentimentdaten deuten jedoch mehr in Richtung Konsolidierung und weniger auf die Gefahr einer generellen Trendwende hin. Profitiert haben im aktuellen Umfeld vor allem die Rohstoffe. Bei Gold und beim Rohöl messen wir ein bullisches Sentiment und damit eine verschlechterte Risikolage.
… In der Regel folgt zwar auf einen solchen Bullen-Einbruch nicht sofort ein weiterer Abverkauf, aber eine etwas längere Konsolidierungsphase sollte nicht überraschen. An diese schließt sich dann auch in der Regel eine weitere Aufschwungsphase an, eine generelle Trendwende erscheint also derzeit nicht wahrscheinlich. …
… Werfen wir einen Blick auf das strategische Grundvertrauen in der Eurozone. Dieses steigt in die beginnende Korrekturphase hinein an. Dies gilt so auch für die US-Aktien. Auch dies ist ein Verhalten, welches eher auf eine Zwischenkonsolidierung / Zwischenkorrektur in einem ansonsten noch intakten übergeordneten Trend hinweist. …
Weitere Ergebnisse
- EUR-USD: Bias fällt weiter ab
- Rohstoffe: Kurzfristige Übertreubungen
- sentix Konjunkturindex: Montag, 08.04.2024, 10.30 Uhr MESZ
MÄRKTE
DJI – BAHA *** DJI – KGV *** Rendite 10-jg. US-Anleihen
DAX Deutsche Börse *** DAX – KGV *** Rendite 10-jg. Bundesanl. *** Euro-Bund Futures
ISRAEL
n-tv aktuell ISRAEL
Auch Waffenruhe ein Thema CIA-Direktor trifft Hamas für Gespräche über Geiselfreilassung
Sechs Monate läuft der Krieg im Gazastreifen bereits, ein Ende ist bisher nicht in Sicht. Die USA, Katar und Ägypten treten als Vermittler auf. Nun gibt es ein Treffen zwischen Hamas-Funktionären, dem CIA-Direktor und katarischen Politikern. Auch der Mossad-Chef wird erwartet.
Truppen sollen sich erholen Israels Top-Militär: Gaza-Krieg trotz Teilabzug nicht vorbei
Israel will ein Großteil seiner Einheiten aus der umkämpften Stadt Chan Junis abziehen. Der Krieg im Gazastreifen sei damit aber nicht beendet, betont Generalstabschef Halevi. Ziel sei weiterhin die Befreiung aller Geiseln und die Zerschlagung der Hamas.
07.04.2024 12:44
Ende der großen Bodenoffensive? Israel zieht meiste Truppen aus Süden des Gazastreifens ab
Was dieser Schritt bedeutet, ist unklar: Die israelische Armee verkündet, die meisten Truppen aus Chan Junis im südlichen Gazastreifen abzuziehen. Es gehe um Erholung und die Vorbereitung weiterer Operationen, heißt es. Israelische Medien deuten den Abzug als Ende der Bodenoffensive.
07.04.2024 12:03
Sechs Monate Gaza-Krieg „Meine Zeit läuft ab, ich stehe zwischen Leben und Tod“
Der Krieg zwischen der Hamas und Israel währt seit einem halben Jahr. Zehntausende Menschen werden in dem Konflikt getötet. Besonders die Zivilbevölkerung im Gazastreifen leidet – aber auch die Angehörigen der verbliebenen über 100 von der Terrororganisation verschleppten Geiseln.
NACHT IM ÜBERBLICK – ISRAEL
ROUNDUP: Israels Armee: Gaza-Krieg noch lange nicht vorbei – Nacht im Überblick
TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) – Während die Vermittler im Gaza-Krieg einen neuen Vorstoß für eine Waffenruhe unternehmen, befeuert die israelische Armee nach einem Teilabzug die Spekulationen um einen möglichen Angriff auf Rafah im Süden des Küstenstreifens.
Die Truppen hätten nach Zerschlagung der militärischen Strukturen der islamistischen Hamas in Chan Junis die lange umkämpfte Stadt verlassen, „um sich auf ihre künftigen Missionen vorzubereiten, einschließlich in Rafah“, sagte Verteidigungsminister Joav Galant am Sonntag.
Dies könnte auf eine bevorstehende Einigung bei den neuen Verhandlungen in Kairo über eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln hindeuten, schrieb die israelische Zeitung „Haaretz“. In dem Fall werde eine Offensive auf Rafah für die Dauer der Feuerpause ausbleiben. Doch selbst wenn es keine Einigung geben sollte, werde es mit ziemlicher Sicherheit noch eine Weile dauern, bis Israels Armee in Rafah vorgehe, schrieb die Zeitung.
Israels Generalstabschef: sind weit davon entfernt, aufzuhören
Genau sechs Monate nach Beginn des Gaza-Krieges hatte Israels am Sonntag überraschend einen Teil seiner Truppen aus Chan Junis abgezogen. Kurz darauf machten sich die ersten Palästinenser laut israelischen Medienberichten auf, dorthin zurückzukehren.
Nach monatelangem Bombardement und schweren Kämpfen zwischen israelischen Truppen und Kämpfern der islamistischen Hamas liegt ein Großteil des Gebiets in Trümmern. Israels Generalstabschef Herzi Halevi machte derweil deutlich, dass ein Ende des Krieges noch lange nicht in Sicht ist. „Der Krieg in Gaza dauert an, und wir sind weit davon entfernt, aufzuhören“, sagte Halevi am Sonntag. Ranghohe Funktionäre der Hamas hielten sich in dem abgeriegelten Küstengebiet weiter versteckt. „Wir werden sie früher oder später erreichen.“
„Wir werden keine Hamas-Brigaden aktiv lassen – in keinem Teil des Gazastreifens“, sagte Halevi. Die Zeit werde kommen, in der die Hamas nicht länger das Küstengebiet kontrolliere und die Sicherheit Israels bedrohe, sagte auch Verteidigungsminister Galant.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat immer wieder erklärt, dass hierzu ein Einmarsch in Rafah und die Zerschlagung der dort verbliebenen letzten Bataillone der Hamas unerlässlich sei. In der an Ägypten grenzenden Stadt suchen derzeit mehr als eine Million Palästinenser auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen.
Bericht: Noch keine Vorbereitungen für Evakuierungen in Rafah
Die USA und Deutschland haben Israel wiederholt vor einer großangelegten Bodenoffensive in Rafah gewarnt. US-Präsident Joe Biden hatte Netanjahu klargemacht, dass ein Einmarsch dort ohne vorherige Evakuierung der Zivilisten eine „rote Linie“ für ihn wäre. Israels Armee kündigte an, für die Menschen aus Rafah weiter nördlich „humanitäre Inseln“ zu schaffen. Vorbereitungen dafür gebe es aber noch gar nicht, schrieb „Haaretz“. Möglich sei denn auch, dass keine dieser Entwicklungen über die kommenden Wochen oder Monate hinweg eintrete. Dies würde nur einem dienen: Netanjahu, schrieb die israelische Zeitung weiter.
Nach Einschätzung amerikanischer und israelischer Beamter glaube Israels zunehmend unter Druck stehender Ministerpräsident, dass ein sich in die Länge ziehender Krieg im Gazastreifen seine Chancen erhöhe, an der Macht zu bleiben, berichtete auch das Nachrichtenportal „Axios“. In einer Kabinettssitzung sagte Netanjahu am Sonntag einmal mehr, Israel sei „einen Schritt vom totalen Sieg entfernt“. Solange der Krieg andauere, seien Neuwahlen, die Netanjahu um sein Amt bringen könnten, weniger wahrscheinlich, hieß es in dem „Axios“-Bericht. „Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr Chancen hat er, sich politisch zu erholen.“
Erneut Massen-Demonstration in Israel
Am Sonntagabend gingen in Jerusalem nach Angaben der Organisatoren der Massendemonstration erneut rund 50 000 Menschen auf die Straße und forderten in Sprechchören Netanjahu und seine Regierung auf, die im Gazastreifen weiter festgehaltenen Geiseln nach Hause zu bringen.
Auch am Vortag hatten Zehntausende Menschen in Tel Aviv und anderen israelischen Städten gegen Netanjahus Regierung demonstriert. Kritiker werfen ihm vor, den Schutz der Gaza-Grenze vernachlässigt zu haben und die Interessen des Landes seinem politischen Überleben unterzuordnen. Demonstranten forderten wiederholt seinen Rücktritt.
Viele Israelis haben nach wie vor mit den traumatischen Folgen des Massakers vom 7. Oktober zu kämpfen. Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen hatten an jenem Tag den Süden Israels überfallen, rund 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Es war der Auslöser des Gaza-Krieges. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten palästinensischen Gesundheitsbehörde in Gaza wurden bisher mehr als 33 000 Palästinenser bei den israelischen Angriffen getötet, wobei die unabhängig kaum zu überprüfenden Angaben keinen Unterschied zwischen Kämpfern und Zivilisten machen.
CIA-Chef und Hamas-Vertreter in Kairo zu Gesprächen über Waffenruhe
Unterdessen sind am Sonntag in Kairo die indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln, die von der Hamas festgehalten werden, wieder aufgenommen worden. Zu diesem Zweck reisten CIA-Direktor William Burns und eine Delegation der Hamas in die ägyptische Hauptstadt. Am Sonntagabend traf auch der katarische Ministerpräsident und Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani ein. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, soll israelischen Berichten nach ebenfalls teilnehmen. Die USA als Israels wichtigster Verbündeter wollen einen Durchbruch in den seit Wochen festgefahren Verhandlungen herbeiführen.
Da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander reden, treten die USA, Katar und Ägypten als Vermittler auf. Im Laufe einer einwöchigen Feuerpause Ende November vergangenen Jahres ließ die Hamas 105 Geiseln im Austausch gegen 240 palästinensische Häftlinge frei. Knapp 100 der Geiseln, die nach dem Terrorüberfall der Hamas vom 7. Oktober nach Gaza verschleppt wurden, dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.
Neue Drohungen aus dem Iran
Unterdessen wurden am Sonntag neue Drohungen aus dem Iran gegen Israel laut. „Die Widerstandsfront ist bereit für alle möglichen Vergeltungsszenarien und keine israelische Botschaft weltweit ist sicher davor“, sagte General Jajhja Rahim-Safawi am Sonntag.
Er ist ein Berater des obersten iranischen Führers, Ajatollah Ali Chamenei. Vergangene Woche waren unter anderem zwei iranische Brigadegeneräle bei einem Raketenangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus getötet worden. Irans Staatsspitze macht Israel für die Attacke verantwortlich und drohte mit Vergeltung. Seitdem wird ein Angriff auf Ziele Israels oder der USA befürchtet. Beide Länder sind daher in höchster Alarmbereitschaft./ln/DP/stk
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Hamas bekräftigt ihre Forderungen in Kairoer Waffenstillstandsgesprächen
Die Hamas-Delegation traf sich mit dem ägyptischen Geheimdienstchef Abbas Kamel in Kairo zu einer neuen Verhandlungsrunde über einen Waffenstillstand und ein Geiselabkommen und bekräftigte ihre früheren Forderungen, wie die militante Gruppe mitteilte.
Die Hamas erklärte, dass Israel alle Truppen aus dem Gazastreifen abziehen und einen dauerhaften Waffenstillstand akzeptieren müsse, um ein Geiselabkommen zu erreichen. Darüber hinaus fordert die Gruppe, dass Israel den vertriebenen Palästinensern die Rückkehr in ihre Häuser im Gazastreifen erlaubt und dass mehr humanitäre Hilfe in die Enklave gelangt.
„Die Hamas betonte auch, dass sie gemeinsam mit allen palästinensischen Kräften und Gruppierungen auf der Verwirklichung unserer nationalen Ziele und der Errichtung eines vollständig souveränen palästinensischen Staates mit Al-Quds [Jerusalem] als Hauptstadt sowie auf dem Recht auf Rückkehr und Selbstbestimmung besteht“, hieß es in der Erklärung. Wir entschuldigen uns für etwaige Fehler in der Übersetzung und werden uns bemühen, diese zu korrigieren, sobald sie erkannt werden.
KOMMENTAR: Rache statt Selbstverteidigung: Die Isolation Israels – HB, 8.4.2024
Ein halbes Jahr ist es jetzt her, dass die Terrororganisation Hamas Israel überfiel, über 1200 Menschen tötete und 250 Geiseln nahm. Ein Tag, der das Leben der Israelis aber auch der Palästinenser tiefgehend veränderte. Heute steht vor allem der israelische Premier Benjamin Netanjahu im Fokus der internationalen Kritik. Wegen seines Vorgehens im Gazastreifen steht Israel innen- wie außenpolitisch immer isolierter da. In einem Telefonat drohte US-Präsident Joe Biden Netanjahu vergangene Woche Konsequenzen an, sollte Israel nicht mehr für den Schutz von Zivilisten tun.
Auch Teile der eigenen Bevölkerung wenden sich ab: In Jerusalem und anderen Städten gingen mehr als hunderttausend Menschen auf die Straße. Sie warfen Netanjahu vor, zu wenig für die Freilassung der Geiseln zu tun, und forderten den Rücktritt der Regierung.
Handelsblatt-Meinungschef Jens Münchrath findet sechs Monate nach dem grausamen Angriff der Hamas klare Worte:
„Ein Zivilisationsbruch lässt sich nicht durch einen neuen unschädlich machen.“
Was die israelische Armee, die sich für die „moralischste der Welt“ hält, in Gaza an menschlicher Tragödie verursacht, gehe längst in diese Richtung. Jens Münchrath spricht von Zügen einer „kollektiven Bestrafung“ der Palästinenser mit mehr als 30.000 Todesopfern, einem dem Boden gleichgemachten Gazastreifen und einer drohenden Hungerkatastrophe. Netanjahu betreibe keine Selbstverteidigung mehr, er übe Rache. Ein Vorgehen, das auch den langfristigen Sicherheitsinteressen Israels schade.
ANALYSE: Nahost: Sechs Monate Krieg in Gaza haben Israels Regierung isoliert – HB, 7.4.2024 (inkl. Schaubild)
In Israel fordern Demonstranten seinen Rücktritt und der US-Präsident wendet sich von ihm ab: Für Premier Netanjahu wird es immer schwieriger, seinen harten Kriegskurs durchzuhalten.
Tel Aviv. Ein halbes Jahr nach dem Beginn des Gazakriegs steht Israels Regierung innen- wie außenpolitisch immer isolierter da. In Jerusalem und anderen Städten gingen mehr als Hunderttausend Menschen auf die Straße. Sie warfen Premier Benjamin Netanjahu vor, zu wenig für die Freilassung der von der radikal-islamischen Hamas gekidnappten Geiseln zu tun, und forderten den Rücktritt der Regierung.
Mit den USA läuft Israel Gefahr, seinen treuesten Verbündeten zu verlieren. In einem Telefonat drohte US-Präsident Joe Biden Netanjahu vergangene Woche Konsequenzen an, sollte Israel nicht mehr für den Schutz von Zivilisten tun. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind in Gaza bisher mehr als 33.000 Palästinenser getötet worden.
Auslöser des Krieges war der Terrorangriff der Hamas auf das israelische Grenzgebiet am 7. Oktober vergangenen Jahres, bei dem mehr als 1200 Menschen getötet wurden. Es war das schlimmste Massaker in der Geschichte des Landes. Außerdem verschleppten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Organisationen mehr als 250 Menschen in den Gazastreifen.
Und Israel muss jetzt iranische Vergeltungsanschläge fürchten, nachdem Anfang vergangener Woche bei einem möglicherweise von der israelischen Armee ausgeführten Luftangriff auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Damaskus zwei Generäle und mehrere Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden ums Leben gekommen waren.
Ein ranghoher Berater des Obersten Führers des Irans Ajatollah Ali Chamenei sagte am Wochenende der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Tasnim zufolge, keine der israelischen Botschaften in der Welt sei noch sicher. Nach den Worten von Verteidigungsminister Joaw Galant stellt Israel sich auf jedes Szenario einer möglichen Konfrontation mit Iran ein.
Am Sonntag teilte die israelische Armee allerdings auch mit, große Truppenteile aus der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens abgezogen zu haben. Unklar war zunächst, ob damit ein Ende der Bodenoperation eingeleitet wird und Netanjahu darauf verzichtet, im Kampf gegen die Hamas auch in die Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten einzurücken, wo viele Flüchtlinge Schutz suchen.
Der Israelische Generalstabschef Herzi Halevi ließ jedoch am Sonntag verlauten, dass ein Ende des Gaza-Kriegs noch lange nicht in Sicht sei. „Der Krieg in Gaza dauert an, und wir sind weit davon entfernt, aufzuhören“, sagte Halevi.
Sieg über die Hamas lässt auf sich warten
Die USA vermuten in dem Abzug großer Teile der israelischen Truppen aus dem Süden des Gazastreifens kein Manöver zur Vorbereitung einer neuen Offensive. Die Reduzierung der Truppenstärke scheine der Erholung und Neugruppierung der Soldaten zu dienen, sagt der Sprecher der für nationale Sicherheit in der US-Regierung, John Kirby, dem Sender ABC News.
Der von Netanjahu mehrfach beschworene „absolute Sieg über die Hamas“ lässt auf jeden Fall weiter auf sich warten. Mehr als hundert Geiseln, die bei den Terrorattacken am 7. Oktober in den Küstenstreifen entführt wurden, sind nach wie vor in der Gewalt der Islamisten.
Am Sonntag dämpfte Netanjahu erneut Hoffnungen, die auf Vermittlungsgesprächen der USA, Katars und Ägyptens ruhen. Ohne eine Freilassung der Geiseln werde es keine Feuerpause geben, betonte der Premier. Er werde „extremen“ Forderungen nicht nachgeben.
Doch die Unzufriedenheit in Israel wächst. An die 130.000 Bürger, die einst an den Grenzen zum Gazastreifen und zum Libanon gelebt haben, wagen sich bis heute nicht in ihre Dörfer und Städte zurück. Und die Hamas und die von Iran unterstützte Hisbollah im Libanon beschießen Israel weiter mit Raketen.Würde heute gewählt, hätte Netanjahus Koalition nach einer am Wochenende von der Tageszeitung „Maariv“ publizierten Umfrage keine Mehrheit mehr. Dennoch glaubt Tamar Hermann vom Israel Democracy Institute nicht an ein baldiges Ende der Koalition.
Denn wegen der schlechten Umfrageergebnisse habe keine der sie tragenden Parteien Interesse an Neuwahlen. Und die Opposition ist zerstritten, sodass fraglich ist, ob sie sich auf eine neue Regierung einigen könnte.
US-Politiker setzen Netanjahu unter Druck
Stolpern könnte Premier Netanjahu lediglich über die Frage, ob Ultraorthodoxe auch künftig vom Armeedienst befreit sein sollen, um sich ganz den Thora-Studien zu widmen. Die streng religiösen Parteien drohen, Netanjahus Koalition zu verlassen, sollte es hier einen Kursschwenk geben.
Aus dem Ausland wächst der Druck auf Israels Premier aber immer weiter, seit bei einem israelischen Raketenangriff auf einen Hilfskonvoi sieben Mitarbeiter der Organisation World Central Kitchen getötet wurden. US-Präsident Biden forderte Netanjahu auf, deutlich mehr humanitäre Hilfe im Gazastreifen zu ermöglichen und vom Vorstoß nach Rafah abzusehen.
Die frühere Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, unterzeichnete ein Schreiben von Dutzenden Demokraten im US-Kongress an Biden und Außenminister Antony Blinken, in dem ein Stopp der Waffenlieferungen an Israel gefordert wird.
Die Krise zwischen Biden und Netanjahu sei für Israel „sehr problematisch“, weil gute Beziehungen zu den USA das „wichtigste strategische Kapital des Landes“ seien, warnt Yossi Beilin, der in den 1990er-Jahren Justizminister und einer der Förderer des Friedensprozesses mit den Palästinensern war. An eine Wiederannäherung glaubt Beilin nicht: Biden wolle „nicht einmal den Namen Netanjahu hören“, sagt er.
Dagegen vermutet Israels ehemaliger Botschafter in den USA, Itamar Rabinovich, dass Netanjahu „eindeutig an einer offenen Konfrontation mit Biden interessiert“ sein könnte. Denn gegenüber seinen Anhängern könne er sich so als Regierungschef präsentieren, der niemandem nachgebe – selbst den USA nicht.
Aus innenpolitischem Kalkül riskiert Netanjahu die guten Beziehungen zu den USA
Netanjahu riskiere die guten Beziehungen zu Washington, um seine von messianisch auftretenden Ministern abhängige Koalition zusammenzuhalten, kritisiert Eytan Gilboa, der sich an der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv auf die Beziehungen zwischen den USA und Israel spezialisiert hat. Netanjahus Kalkül sei riskant. Es berücksichtige nicht, dass Israel stärker von den USA abhängig sei als die USA von Israel.
Allerdings sei es auch für Biden nicht ohne Risiko, wenn der US-Präsident Netanjahu jetzt zu Konzessionen an die Hamas dränge. Denn das könnte Amerikas Feinde ermutigen, zum Beispiel Russland in der Ukraine und China in Asien.
Für die Hamas sei Bidens scharfe Kritik an Netanjahu ein Erfolg. Die radikalen Islamisten hätten nur darauf gewartet, „dass eine Krise zwischen Israel und den USA den Krieg beenden wird“, glaubt Gilboa. Und er fügt an, dass es ungünstig sei, wenn die USA Israel ausgerechnet in dem Moment schwächen, in dem eine direkte Konfrontation mit dem Iran drohe.
Entspannung zwischen Washington und Jerusalem könnte es nach Gilboas Einschätzung geben, wenn in Israel Neuwahlen angekündigt würden. Denn dann könnten die USA hoffen, dass Netanjahu nicht mehr wiedergewählt wird.
Wiederholt haben sich US-Politiker zuletzt in Israels Innenpolitik eingemischt. So hat der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, Neuwahlen gefordert. Auch die Regierung Biden scheine zu glauben, dass ein Wechsel der Regierung und des Ministerpräsidenten in Israel für den „Übergang zu einer neuen regionalen Ordnung“ unerlässlich sei, meint Ex-Botschafter Rabinovich.
Netanjahu könnte noch hoffen, dass Biden bei den US-Präsidentschaftswahlen im November Herausforderer Donald Trump unterliegt. Dass sich das Verhältnis zwischen Washington und Jerusalem bei einer Wiederwahl Trumps verbessern würde, erwartet der frühere Minister Beilin allerdings nicht. Denn Trump, der immer wieder behauptet, bei der letzten Wahl sei ihm der Sieg „gestohlen“ worden, habe Netanjahu nicht verziehen, dass er Biden bereits wenige Tage nach dessen Sieg gratuliert habe.
Trump selbst sagte kürzlich, er sei sich nicht sicher, ob er die Art und Weise, wie Israel in Gaza Krieg führe, „gut finde“. In einem Interview mit der Tageszeitung „Israel Hayom“ gab er vergangene Woche zu Protokoll, Israel habe mit den Bombardierungen in Gaza einen „sehr großen Fehler“ gemacht.
Mehr: Israel zieht Truppen aus Chan Junis im Süden des Gazastreifens ab
Verhältnis am Wendepunkt – Biden stellt Netanjahu Bedingungen für weitere US-Unterstützung
KOMMENTAR: Ein Zivilisationsbruch lässt sich nicht durch einen neuen unschädlich machen – Jens Münchrath, HB, 7.4.2024
Sechs Monate nach dem Hamas-Massaker zeigt sich: Netanjahu führt Israel mit seiner kollektiven Vergeltungsstrategie in die Isolation. Er gefährdet damit sein Hauptziel, Israel sicherer zu machen.
Ein halbes Jahr ist es her, dass die Hamas in Israel einen Zivilisationsbruch beging, 1400 israelische Zivilisten ermordete, schändete oder verschleppte – jene Terroristen, die erklärtermaßen einen palästinensischen Staat aufbauen wollen, indem sie Israel vernichten.
Das gilt es in Erinnerung zu behalten, wenn es darum geht, sich ein Bild von der katastrophalen humanitären Lage in Gaza zu machen oder gar über sie zu urteilen.
Fest steht: Ein Zivilisationsbruch lässt sich nicht durch einen neuen unschädlich machen. Und was die israelische Armee, die sich für die „moralischste der Welt“ hält, in Gaza an menschlicher Tragödie verursacht, geht längst in diese Richtung, hat längst Züge einer kollektiven Bestrafung der Palästinenser mit mehr als 30.000 Todesopfern, einem dem Boden gleichgemachten Gazastreifen und einer drohenden Hungerkatastrophe.
Auch die Tatsache, dass das unermessliche menschliche Leid zum Kalkül der Hamas gehört, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die Verantwortung dafür trägt Benjamin Netanjahu, jener Premier, der Israel schon 16 Jahre lang regiert und jetzt auf dem besten Weg ist, die Solidarität der wichtigsten Partner Israels zu verspielen und das Land weltweit zu isolieren. Denn Netanjahu beitreibt keine Selbstverteidigung mehr, er übt Rache – und schadet damit den langfristigen Sicherheitsinteressen seines Landes.
US-Präsident Joe Biden hat in einem Telefonat mit Netanjahu jetzt erstmals mit harten Konsequenzen gedroht, sollte der Premier nicht Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten einleiten. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte gemahnt, Deutschland trage „eine Verantwortung für die Sicherheit Israels, aber auch für das internationale Recht“.
Israels Unterstützer zweifeln, Israels Gegner sind gestärkt
In Berlin ist man sich inzwischen klar geworden, dass die bedingungslose Unterstützung für Israel zu einem Reputationsrisiko geworden ist. Zu groß ist die weltweite Empörung über die israelische Kriegsführung, der zuletzt auch sieben internationale Helferinnen und Helfer der Organisation World Central Kitchen zum Opfer fielen.
Der Druck Bidens hat immerhin dazu geführt, dass Israel zumindest vorübergehend einen Grenzübergang im Norden für Hilfslieferungen geöffnet hat. Das was das Mindeste und überfällig. Ob der Teilrückzug israelischer Truppen aus dem Süden des Gaza auch zu den Zugeständnissen an die USA gehört oder ob er einem militärstrategischen Schwenk geschuldet ist, bleibt offen.
Die Androhung ernsthafter Konsequenzen für die bilateralen Beziehungen, die Biden ausgesprochen hat, zeigt aber offenbar Wirkung – zumindest kurzfristig. Auch US-Außenminister Antony Blinken hat den Premier gewarnt, die USA würden eine grundsätzliche Änderung der Israelpolitik vornehmen, sollte er sich nicht mäßigen. Ein Vertrauensentzug Washingtons aber wäre der größte Sieg der Feinde Israels.
Ohnehin hat Netanjahus erbarmungsloser Krieg gegen den Hamas-Terror vor allem die Gegner Israels gestärkt. Das Verhältnis Israels zu den Golfstaaten, wo sich vor dem Krieg eine hoffnungsvolle Annäherung abzeichnete, ist wieder zerrüttet.
Der Iran, der im Verdacht steht, das Hamas-Massaker mindestens gebilligt, wenn nicht mitorganisiert zu haben, gilt als der strategische Sieger, sieht sich ermutigt, die Huthi im Jemen gegen den Westen zu mobilisieren, die Hisbollah im Libanon oder die Milizen in Syrien noch konsequenter zu unterstützen.
Ergo: Das zynische Kalkül des Hamas-Terrors scheint aufzugehen. Und Netanjahu erreicht mit seiner maßlosen Vergeltung nicht mal sein erklärtes Hauptziel, nämlich Israel sicherer zu machen.
Israels Militärs mögen die Strukturen der Hamas zerstören können, die Idee, die sie treibt, nicht. Im Gegenteil: Netanjahus Gewalt sät den Hass, der künftige Generationen radikalisiert. Eine Ideologie lässt sich nicht militärisch besiegen.
Die naive Forderung „Free Palestine“
Was also treibt den Premier? Der Verdacht liegt nahe, dass es ihm in erster Linie um Machterhalt geht. Denn solange der Krieg andauert, droht ihm keine Abrechnung für das Sicherheitsversagen seiner Regierung vom 7. Oktober.
Solange Krieg herrscht, kann er auch die Rufe nach Neuwahlen abwehren. Deshalb inszeniert er sich als unbeugsamer Kriegsführer, der Israels Sicherheitsinteressen nicht nur gegen die Feinde, sondern auch gegen die Verbündeten verteidigt.
Kristallisationspunkt dieses Kriegs könnte Rafah werden, die Stadt im Süden Gazas, wohin mehr als eine Million Palästinenser geflohen sind. Netanjahu sagt, der „totale Sieg“ über die Hamas sei ohne eine Militäroperation dort nicht möglich.
Biden sagt, damit überschritte Netanjahu endgültig eine rote Linie. Tatsächlich könnte eine solche Operation mit weiteren unzähligen zivilen Todesopfern ein Wendepunkt für die Haltung des Westens sein.
Die Solidarität, die Israel nach dem 7. Oktober mit gutem Recht erfuhr und die hierzulande wegen der Verbrechen der Nazis zur Staatsraison überhöht wird, ist eben doch nicht grenzenlos. Sie findet ihre Grenzen dort, wo Israels Militärs selbst das Völkerrecht missachten. Dort, wo Kriegsziele und die Mittel zur Erreichung dieser Ziele in keinem Verhältnis mehr stehen.
Die Solidarität gilt andererseits immer noch uneingeschränkt dort, wo Israel sich mit allen Mitteln, die der Rechtsstaat zulässt, gegen antisemitische Islamisten zur Wehr setzt, die ihm sein Existenzrecht als Staat absprechen.
Biden hat in einem für amerikanische Verhältnisse seltenen selbstkritischen Moment den Israelis geraten, nicht die Fehler zu wiederholen, die sein Land nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beging: sich nämlich von Zorn und Rache leiten zu lassen.
Netanjahu hat diesen Rat ignoriert. Und er macht es mit seiner Brutalität und Eskalationsbereitschaft, die sich in Bombenangriffen auf die iranische Botschaft in Syrien manifestieren, auch all jenen leicht, die immer schon antisemitische Züge in sich trugen.
Dazu gehören übrigens oft auch jene Kreise, die nicht selten etwas naiv „Free Palestine“ skandieren und die Verbrechen der Hamas in ihren Manifesten allenfalls in Fußnoten erwähnen. Was schon allein deshalb etwas schräg anmutet, weil die derzeit dominanten Kräfte Palästinas eher an fundamentalistische Mullahs im Iran erinnern denn an freiheitlich demokratische Gesellschaften.
Das größte Hindernis zu einer Lösung dieses jahrzehntealten, vielleicht komplexesten Konflikts der Weltpolitik, ist der ständige Versuch der Agierenden vor Ort und Beobachtenden festzulegen, wer Täter und wer Opfer ist. Die Suche nach absoluter Gerechtigkeit aber wird der Komplexität dieses historisch und religiös aufgeladenen Konflikts nicht gerecht. Sie führt geradewegs in die Gewaltspirale.
Es wird keinen Frieden im Nahen Osten geben, ohne eine politische Lösung, die erstens das Existenzrecht Israels sowie die Sicherheit seiner Bürger garantiert und zweitens die grundlegenden Rechte der Palästinenser, einschließlich ihres Rechts auf politische Selbstbestimmung sichert.
Das ist die Voraussetzung für die viel zitierte Zweistaatenlösung, die Netanjahu und seine radikalen Koalitionspartner mit allen Mitteln verhindern wollen. Tatsächlich sind die Konfliktparteien von dieser Lösung, die die Weltgemeinschaft seit Jahrzehnten mehr oder weniger einhellig fordert, weiter entfernt denn je. Zumindest in diesem Sinne hat der israelische Premier ganze Arbeit geleistet.
Israels Feinde
Hamas
Gegründet wurde die Hamas 1987 im Gazastreifen im Zuge der Ersten Intifada – des Palästinenser-Aufstandes gegen Israel. Hamas ist die Abkürzung für Islamische Widerstandsbewegung. Die Organisation wird unterstützt vom schiitischen Iran und teilt die islamistische Ideologie der Muslimbruderschaft, die in den 1920er Jahren im benachbarten Ägypten entstanden ist. Dort ist die Muslimbruderschaft, die auch in anderen islamischen Ländern Nachahmer fand, seit zehn Jahren verboten.
Die Hamas hat seit 2007 im Gazastreifen das Sagen. Vorausgegangen war ihr Sieg bei der palästinensischen Parlamentswahl 2006. Dem folgte ein kurzer Bürgerkrieg zwischen Anhängern der Hamas und der rivalisierenden Fatah-Bewegung, die im Westjordanland die Geschicke bestimmt und von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas geleitet wird. Er führt auch die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die Dachorganisation verschiedener Palästinenser-Fraktionen. Fatah und Hamas hatten sich für 2021 auf Präsidenten- und Parlamentswahlen geeinigt. Sie wurden aber wenige Wochen davor von Abbas abgesagt. Es wurde vermutet, dass er eine Wahlschlappe befürchtete. Seither gab es keine Wahlen mehr in den Palästinenser-Gebieten.
Seit der Machtübernahme der Hamas kam es mehrfach zu gewaltsamen Konflikten mit Israel. Die Hamas weigert sich, den Staat Israel anzuerkennen. Sie widersetzte sich dem Mitte der 1990er Jahre zwischen Israel und der PLO ausgehandelten Osloer Friedensabkommen, in dem beide Seiten einander erstmals anerkannten. Allerdings scheiterten die Verhandlungen in Camp David in den USA, und mit der zweiten Intifada 2000 bis 2005 rückte eine politische Lösung in weite Ferne. Obwohl sich ihre Machtbasis im Gazastreifen befindet, hat die Hamas auch Unterstützer im Westjordanland. Ihre Anführer halten sich in etlichen Ländern im Nahen Osten auf, unter anderem in Katar.
Die Hamas-Organisation verfügt über einen bewaffneten Arm – die Iss-al-Din-al-Kassam-Brigaden (kurz: Al-Kassam-Brigaden). Sie haben zahlreiche Selbstmordanschläge in Israel verübt, die Hamas spricht hierbei von Widerstand gegen die israelische Besatzung. Die Hamas ist zudem politische Partei und betreibt ein Hilfswerk, zu dem beispielsweise Schulen gehören. Hamas ist die arabische Abkürzung für „Bewegung des islamischen Widerstandes“ und bedeutet zugleich so viel wie Kampfgeist oder Eifer.
Unter anderem von Israel, den USA, der EU und Ägypten wird die Hamas als Terror-Organisation eingestuft. Deutschland hat kurz nach dem Angriff auf Israel Hamas-Organisationen die Betätigung untersagt. Die Hamas gehört zu einer regionalen Allianz mit dem Iran, der Hisbollah im Libanon sowie Milizen in Syrien und im Irak. Dieser „Achse des Widerstandes“ haben sich auch Huthi-Rebellen im Jemen angeschlossen, die immer wieder im Roten Meer Schiffe angreifen, die nach ihrer Darstellung Verbindung zu Israel haben.
Hisbollah
Die Hisbollah (Partei Gottes) entwickelte sich während des libanesischen Bürgerkrieges 1975 bis 1990 von einer kleinen schiitischen Gruppe zu einer einflussreichen Größe über den Libanon hinaus. Die USA, Großbritannien, Deutschland und andere Staaten stufen sie als Terror-Organisation ein. In der Bundesrepublik ist sie seit 2020 verboten.
1982 gründeten die iranischen Revolutionsgarden die Hisbollah, um ihre Islamische Revolution – der Schah wurde 1979 gestürzt – zu exportieren. Ziel war es auch, das israelische Militär zurückzudrängen, das in den Libanon eingedrungen war. Ihre Waffen behielt die Hisbollah nach Ende des Bürgerkrieges, um gegen Israel Truppen zu kämpfen, die den überwiegend schiitischen Süden besetzten. Nach einem jahrelangen Guerillakrieg zog Israel 2000 aus dem Libanon ab.
Sechs Jahre später demonstrierte die Hisbollah ihre militärische Macht in einem fünf Wochen dauernden Krieg gegen Israel. Ausgebrochen war er nach einem Eindringen von Hisbollah-Milizionären in Israel, der Entführung zweier und der Tötung weiterer israelischer Soldaten. In dem Krieg wurden 1200 Menschen im Libanon getötet, meist Zivilisten, sowie knapp 160 Israelis, überwiegend Soldaten.
Die militärische Macht der Hisbollah wuchs, als sie Syriens Präsident Baschar al-Assad im 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg gegen meist sunnitische Rebellen unterstützte. Heute verfügt die Schiiten-Miliz nach eigenen Angaben über Präzisionsraketen, mit denen sie alle Teile Israels treffen kann. Nasrallah erklärte 2021, die Hisbollah habe 100.000 Kämpfer. Der Iran, der sich als Schutzmacht der Schiiten begreift, unterstützt die Hisbollah mit Waffen und Geld.
Die Hisbollah unterhält enge Kontakte zur Hamas und zum Islamischen Dschihad, einer weiteren radikalen Palästinenser-Gruppe. Im Libanon mit seinen zahlreichen Religionsgemeinschaften genießt sie Unterstützung vor allem der schiitischen Bevölkerung, die sie als Verteidiger gegen Israel betrachtet. Seit 2005 tritt die Hisbollah verstärkt in der Politik auf. 2016 wurde der mit der Hisbollah verbündete christliche Politiker Michel Aoun Präsident. Zwei Jahre später erlangten die Hisbollah und ihre Verbündeten eine parlamentarische Mehrheit. Im Jahr 2022 ging diese Mehrheit verloren, aber die Organisation übt weiter großen Einfluss aus.
Islamischer Dschihad
Der Islamische Dschihad (Islamischer Heiliger Krieg) hat seine Wurzeln wie die Hamas in der ägyptischen Muslimbruderschaft. Die Palästinenser-Gruppe wurde 1981 offiziell von Fathi Schikaki, einem Arzt, und anderen Radikalen gegründet. Sie hat in den Flüchtlingslagern im Gazastreifen und im Westjordanland Fuß gefasst. 1983 wurde sie bekannt, weil sie einen Bombenanschlag auf die US-Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut verübte, während sich dort fast der gesamte Stab des US-Geheimdienstes CIA für den Nahen Osten aufhielt. Im Laufe der Jahre haben Anhänger des Dschihads zahlreiche Selbstmordanschläge mit Sprengsätzen in Israel verübt.
Seit 2018 führt Sijad al-Nachalah die Bewegung, zu der die Kampfeinheit Dschenin-Brigaden gehört. Der Islamische Dschihad wird vom Westen als Terror-Organisation eingestuft und lehnt jeden Kompromiss mit Israel ab. Weil viele Palästinenser die Palästinensische Autonomiebehörde, die Quasi-Regierung in den Autonomiegebieten in Westjordanland und Gazastreifen, für nutzlos oder korrupt halten, haben radikale Gruppen Zulauf. Der Islamische Dschihad rekrutiert vor allem junge Menschen, die wegen des Jahrzehnte langen Konfliktes, wegen der israelischen Besatzung und zunehmenden jüdischen Siedlungen auf palästinensischem Boden keine Zukunftsperspektive sehen und zu Selbstmordattentaten bereit sind.
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UKRAINE
n-tv aktuell UKRAINE
+++ 06:48 Ukrainische Luftwaffe: 17 von 24 Shahed-Drohnen in der vergangenen Nacht zerstört +++
Die Ukraine ist in der vergangenen Nacht erneut Ziel russischer Drohnenangriffe geworden. Die ukrainische Luftverteidigung konnte 17 der 24 Drohnen vom Typ Shahed sowie eine Lenkrakete vom Typ Kh-59 zerstören. Das meldet die ukrainische Luftwaffe am Morgen. Demnach wurden die russischen Angriffe vom Kap Chauda auf der besetzten Krim, von der benachbarten Oblast Kursk sowie von einem Militärstützpunkt in Jeisk in der russischen Region Krasnodar aus gestartet. Die Drohnen wurden über den Oblasten Odessa, Mykolajiw, Kirowohrad, Chmelnyzkyj und Schytomyr abgefangen, während die Lenkrakete über der Oblast Dnipropetrowsk abgeschossen wurde, wie die ukrainische Zeitung „Kyiv Independent“ berichtet. Opfer oder Verletzte wurden bislang nicht gemeldet.
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Der ukrainische Militärgeheimdienst bestreitet eine Beteiligung an dem Drohnenangriff auf das Kernkraftwerk Saporischschja. „Die Ukraine ist nicht an Provokationen auf dem Territorium des besetzten Werks beteiligt“, sagte der Sprecher Andrii Yusov laut einem Bericht der ukrainischen Zeitung „Kyiv Independent“. Demnach sagte er, dass es häufig zu russischen Angriffen unter falscher Flagge käme. Nach Angaben der UN-Atomaufsichtsbehörde IAEA habe es drei „direkte Treffer“ gegeben.
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Das litauische Energieministerium schlägt vor, die stillgelegten Kraftwerke seines Landes zu demontieren, um die Ukraine mit Ersatzteilen zu versorgen, die für die Reparatur der beschädigten Energieinfrastruktur benötigt werden, und das in einer Zeit, in der die russischen Angriffe auf die kritische Infrastruktur der Ukraine zunehmen, sagt Energieminister Herman Haluschtschenko. „Ich hatte ein Gespräch mit dem Energieminister von Litauen. Sie haben vorgeschlagen, ihre geschlossenen Wärmekraftwerke zu nutzen. Sie als Spender zu nutzen, d.h. die Möglichkeit, sie zu demontieren und die benötigten Ersatzteile zu beschaffen.“
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Die polnische Inspektion für Landwirtschafts- und Lebensmittelqualität (IJHARS) in Lublin verbietet nach eigenen Angaben den Verkauf von drei aus der Ukraine eingeführten Speiseeispartien mit einem Gesamtgewicht von 8,48 Tonnen auf dem polnischen Markt, weil sie aufgetaut waren. „Das IJHARS-Büro in Lublin hat beschlossen, den Verkauf von drei aus der Ukraine importierten Partien Speiseeis mit einem Gesamtgewicht von 8.482 kg in Polen wegen Auftauens zu verbieten. Die Entscheidung wird sofort umgesetzt“, heißt es in der Erklärung. Zuvor hatte die IJHARS-Niederlassung in Poznan den Verkauf einer aus der Ukraine eingeführten Charge von 1.438 kg Speiseeis untersagt, „weil keine Erklärung darüber vorliegt, ob es den Süßstoff Aspartam enthält“. Anfang dieser Woche verhängte die IJHARS die bisher höchste Geldstrafe in ihrer Geschichte in Höhe von 1,5 Millionen polnischen Złoty (etwa 350.000 Euro) gegen einen Importeur, der 11.500 Tonnen technischen Raps und Futterweizen aus der Ukraine als gefälschte Produkte zur weiteren Verwendung als Lebensmittel eingeführt hatte. Darüber hinaus erließ die IJHARS drei Entscheidungen, mit denen der Verkauf einer aus der Ukraine eingeführten Charge von 57.660 kg Tomatenmark „wegen Schimmelbefalls des Produkts“ verboten wurde.
+++ 21:00 Ukrainischer Geheimdienst: Drohnenattacke beschädigt sieben russische Militärflugzeuge +++
Ein anonymer Beamter des ukrainischen Verteidigungsnachrichtendienstes sagt dem Nachrichtenportal „Ukrainska Pravda“, dass vom ukrainischen Verteidigungsnachrichtendienst kontrollierte Drohnen am Freitag sieben russische Flugzeuge auf dem Flugplatz im russischen Jeisk beschädigt haben.
Der Beamte erklärt gegenüber der Ukrainska Pravda, dass inzwischen genauere Informationen über den Drohnenangriff des ukrainischen Verteidigungsnachrichtendienstes auf den russischen Militärflugplatz in Jeisk vorliegen. Die neuen Daten bestätigen, dass ukrainische Drohnen den Flugplatz angegriffen haben. Bei dem Angriff wurden sieben russische Flugzeuge beschädigt, darunter vier Su-30SM-Mehrzweckkampfflugzeuge, zwei Militärtransportflugzeuge und ein BE-200-Amphibienflugzeug. Auch das Diesel-Umspannwerk des Flugplatzes wurde zerstört.
+++ 20:16 US-General: Nordkorea profitiert durch Einsatz seiner Waffen in der Ukraine von „Gefechtsfeldlabor“ +++
Moskaus Einsatz nordkoreanischer Raketen bei seinen Angriffen auf die Ukraine biete Pjöngjang die einmalige Gelegenheit, seine Waffen im Kampf zu erproben und Lehren zu ziehen, die ihre Wirksamkeit verbessern könnten, berichtet Bloomberg unter Berufung auf US-General Charles Flynn, Befehlshaber der US-Pazifik-Armee. Die russischen Angriffe auf die Ukraine liefern Nordkorea wertvolle Informationen über technische Fragen, Verfahren und die Munition selbst. „Ich glaube nicht, dass das nordkoreanische Militär in jüngster Zeit ein solches Gefechtsfeldlabor zur Verfügung hatte, wie die Russen es ihnen in der Ukraine bieten“, sagt General Charles Flynn bei einem Besuch der großen US-Armee-Garnison in Humphreys, etwa 80 Kilometer südlich von Seoul. Der General betont, dass die USA die Situation genau beobachten werden. Flynn erklärte, eine große Sorge für ihn und andere sei, dass Nordkorea etwas über seine Waffen erfahren könnte, zu dem es ohne einen Krieg wie den in der Ukraine keinen Zugang gehabt hätte.
+++ 19:32 Kiew: Russen wollen 15.000 Menschen auf der Krim in Streitkräfte einziehen +++
Die russischen Besatzer planen, Ende April 15.000 Menschen von der Krim in die russischen Streitkräfte einzuziehen, berichtet die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform mit Verweis auf Angaben des Krimtatarischen Ressourcenzentrums. „Wir haben eine vorläufige Insiderinformation, dass sie ab dem 20. April eine Teilmobilisierung erklären oder verstärken können. Wir werden diesen Prozess verfolgen. Wie uns vorläufig mitgeteilt wurde, wird es davon abhängen, wie die Einberufung zum Militärdienst verlaufen wird. Warum eine solche Verbindung? Vielleicht hängt es genau damit zusammen, inwieweit sie die geplante Einberufung nutzen können, um Menschen zur Unterzeichnung von Verträgen einzuladen und diese dann im Krieg gegen die Ukraine einzusetzen“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Krimtatarischen Ressourcenzentrums, Leiter der Verwaltung für Außenbeziehungen und Menschenrechtsaktivitäten des Medschlis des Krimtatarischen Volkes, Eskender Bariyev.
+++ 18:36 Selenskyj: Ohne US-Hilfen wird es für die Ukraine schwierig, „zu überleben“ +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appeliert erneut eindringlich an die Republikaner im US-Kongress, die von ihnen blockierten Milliarden-Hilfen für Kiew freizugeben. „Wenn der Kongress der Ukraine nicht hilft, wird die Ukraine den Krieg verlieren“, sagt Selenskyj bei einer Videokonferenz der Regierungsinitiative United24, die Spenden sammelt. Die Ukraine leidet angesichts der Verzögerungen unter Munitionsmangel an der Front. „Ohne die Unterstützung des Kongresses wird es für uns schwierig sein, als Land zu gewinnen oder sogar zu überleben“, betont Selenskyj in seiner in Onlinenetzwerken verbreiteten Rede. „Wenn die Ukraine den Krieg verliert, werden andere Staaten angegriffen werden“, warnt der ukrainische Präsident weiter.
+++ 18:02 Russland meldet Drohnenattacken in Belgorod – Mädchen in Auto getötet +++
Das russische Grenzgebiet Belgorod ist Behördenangaben zufolge in mehreren Wellen von ukrainischen Kampfdrohnen angegriffen worden. Durch Trümmer einer abgeschossenen Drohne sei ein Mädchen getötet worden, das mit seiner Familie in einem Auto saß, teilt Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram mit. Der Familienvater, ein Jugendlicher und zwei Kinder in dem Auto seien verletzt worden. Die Drohne sei über dem Dorf Schagarowka bei der Gebietshauptstadt Belgorod abgestürzt. Schon in der Nacht gab es demnach Drohnenangriffe von ukrainischer Seite. Dabei seien in dem grenznahen Dorf Dronowka zwei Autos ausgebrannt und eine Gasleitung beschädigt worden, teilt Gladkow mit.
+++ 17:20 London: Russische Verluste auf dem Schlachtfeld im März deutlich gesunken +++
Der britische Verteidigungsnachrichtendienst stellt in seinem täglichen Lagebericht fest, dass die durchschnittlichen täglichen Verluste der russischen Truppen auf dem Schlachtfeld in der Ukraine im März zurückgegangen sind. Die durchschnittliche tägliche Zahl der gefallenen und verwundeten russischen Soldaten sank im März um etwa 74 Personen pro Tag auf durchschnittlich 913 Personen pro Tag. Der Nachrichtendienst betont, dass der Rückgang der Verluste mit der geringeren Zahl der im vergangenen Monat verzeichneten Angriffe zusammenhängt. Wie erklärt wird, spiegelt der Rückgang der russischen Offensivoperationen wahrscheinlich eine Reihe von Faktoren wider: eine Ruhephase und Neuausrüstung nach der Einnahme von Awdijiwka und die Absicht, die Zahl der während der Wahlen im März in Russland gemeldeten Opfer zu verringern. Seit der umfassenden Invasion im Februar 2022 haben die russischen Streitkräfte durchschnittlich 658 Opfer pro Tag zu beklagen.
+++ 16:48 Ukrainischer Spionagechef erklärt, wo Russen ihre Offensive verstärken +++
Kyrylo Budanow, der Chef des ukrainischen Verteidigungsnachrichtendienstes, sagt in einem Interview mit ARD und DW, die Ukraine rechne damit, dass Russland seine Offensive im späten Frühjahr und im Frühsommer intensivieren werde, vor allem in der Nähe von Donezk. „Sie (die russischen Streitkräfte – Anm. d. Red.) werden ein wenig in Richtung Tschassiw Jar vorstoßen. Sie werden sich auf die Stadt Pokrowsk zubewegen, auf die strategische Front von Pokrowsk“, sagt Budanow. Budanow der Ansicht, dass es vor dem Beginn der erwarteten russischen Offensive keine wesentlichen Veränderungen an der Frontlinie geben wird. „Die Lage ist ziemlich schwierig, aber alles ist unter Kontrolle“, versichert er. Im Gegensatz zu vielen Militärexperten, die eine andere Meinung vertreten, schließt Budanow eine ukrainische Offensive in diesem Jahr nicht aus. Er geht jedoch nicht näher auf dieses Thema ein und sagte, dass die Verantwortung dafür beim Generalstab der ukrainischen Streitkräfte liege.
+++ 16:16 Ukraine trifft mit Drohne Kuppel von AKW Saporischschja +++
Die Ukraine hat offenbar das von Russland kontrollierte Atomkraftwerk in Saporischschja mit Drohnen angegriffen. Eine sei auf der Kuppel eines Kraftwerksblocks explodiert, habe aber keinen Schaden angerichtet, berichtet die von Russland eingesetzte Verwaltung des ukrainischen Kraftwerks. Die internationale Atombehörde IAEA in Wien erklärt, man sei darüber von russischer Seite informiert worden. „Eine solche Detonation steht im Einklang mit Beobachtungen der IAEA“, erklärte die UN-Organisation. Man empfehle dringend, von Aktionen Abstand zu nehmen, die die nukleare Sicherheit gefährdeten, warnt IAEA-Chef Rafael Mariano Grossi im Kurznachrichtendienst X.
+++ 15:52 Lukaschenko lässt Belarussen jetzt per SMS in Armee einziehen +++
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat vor Kurzem ein Gesetz unterzeichnet, das die Einberufung per SMS vorsieht, die Strafen für Wehrdienstverweigerer verschärft und die Einberufung von Strafgefangenen und Gefangenen in Strafkolonien ermöglicht, wie die belarussische Nachrichtenagentur Zerkalo berichtet. Das Gesetzesdokument erschien am Samstag auf dem nationalen juristischen Internetportal in Belarus. Es enthält viele Änderungen in Bezug auf den Militärdienst und die Mobilisierung. Die Bürgerinnen und Bürger können zusätzlich zu den Einberufungspapieren in Papierform per SMS zu den Einberufungsstellen beordert werden. Das Gesetz verschärft auch die Strafen für die Verweigerung des Wehrdienstes und das Nichterscheinen bei der Einberufungsstelle. Darüber hinaus können Personen aller Altersgruppen, Personen, gegen die ermittelt wird, Personen mit noch nicht rechtskräftigen Verurteilungen und Gefangene aus Kolonien vertraglich für den Militärdienst rekrutiert werden.
+++ 15:23 Moldaus Premierminister nennt angeblichen Drohnenangriff in Transnistrien Provokation +++
Der moldauische Premierminister Dorin Recean bezeichnet die Berichte der Behörden des nicht anerkannten Transnistriens über einen kürzlichen Drohnenangriff auf eine Militäreinheit als weitere Provokation. Transnistrien ist ein nicht anerkannter abtrünniger Staat unter Kontrolle russischer Behörden, der international als Teil der Republik Moldau betrachtet wird. Recean betont, dass es sich um eine „weitere typische Provokation“ handele, die in der Gesellschaft „keine Panik oder Angst mehr auslösen kann“, berichtet die moldauische Nachrichtenagentur Newsmaker. Am Freitag behauptete das sogenannte Ministerium für Staatssicherheit des nicht anerkannten Transnistriens, eine Drohne habe angeblich eine Militäreinheit in der Region angegriffen. Daraufhin betonte das moldauische Büro für Wiedereingliederung, dass es alle Bilder und Informationen analysiere und dass „eine Reihe von Provokationen in der Region im Gange sei, um Aufmerksamkeit zu erregen“.
Transnistrien ist Putins Hebel In Moldau wird ein Krieg wahrscheinlicher
+++ 14:53 Orbán gratuliert pro-russischem Präsidenten der Slowakei überschwänglich zum Wahlsieg +++
Der ungarische Premierminister Viktor Orbán gratuliert dem neu gewählten slowakischen Präsidenten Peter Pellegrini auf Twitter „von Herzen“ zu seinem Sieg. Pellegrini ist ein Koalitionspartner des pro-russischen Premierministers Robert Fico. „Ein großer Sieg für die Menschen in der Slowakei und ein großer Sieg für die Verfechter des Friedens in ganz Europa!“ schreibt Orbán. In der zweiten Runde der slowakischen Präsidentschaftswahlen besiegte Pellegrini Ivan Korčok, einen prowestlichen Diplomaten und proukrainischen ehemaligen Außenminister, mit 53,12 Prozent der Stimmen. Nach Pellegrinis Sieg werden Fico und seine Verbündeten ihre Macht konsolidieren und das Parlament, die Regierung und das Präsidialamt der Slowakei kontrollieren.
+++ 13:53 Ukraine: Lage im von Russland besetzten Teil von Saporischschja verschärft sich +++
Laut dem Nationalen Widerstandszentrum der Ukraine, das von den Spezialeinheiten der Streitkräfte gegründet wurde, verschärft sich die Lage im von Russland besetzten Teil der Region Saporischschja. Es gebe dort eine humanitäre Krise im sozialen und wirtschaftlichen Bereich. In einer Mitteilung vom Widerstandszentrum heißt es: „Zu den wichtigsten Faktoren, die sich negativ auf den Lebensstandard der lokalen Bevölkerung auswirken, gehören die ständig wachsende Arbeitslosigkeit, die hohen Preise für Waren des allgemeinen und täglichen Bedarfs sowie Verzögerungen bei der Auszahlung der Gehälter für die Beschäftigten der ‚lokalen Unternehmen‘.“ Arbeitnehmer würden sich häufig darüber beklagen, dass Gehaltszahlungen ohne triftige Gründe bis zu zwei Monate ausblieben.
+++ 13:25 Ukraine: Haben Kreml-Truppen trotz „schwieriger Lage“ bei Tschassiw Jar zurückgeschlagen +++
Die Lage nahe der seit Wochen heftig umkämpften ostukrainischen Stadt Tschassiw Jar ist nach ukrainischen Angaben „schwierig“. „Die Lage ist ziemlich schwierig und angespannt“, sagt der Sprecher der 26. Artilleriebrigade, Oleh Kalaschnikow, im ukrainischen Fernsehen. Alle russischen Angriffe seien aber zurückgeschlagen worden, die russische Armee sei „auf dem Rückzug“. Der russische Gegner versuche, die umliegenden Ortschaften Bogdaniwka und Iwaniwske direkt anzugreifen und zugleich Offensivaktionen zwischen diesen beiden Orten auszuführen, führt der ukrainische Armee-Sprecher aus. Die russischen Streitkräfte setzten dabei „von gepanzerten Kampffahrzeugen unterstützte Infanterie“ und Kampfjets ein.
Tschassiw Jar schwer umkämpft Russen rücken im Osten auf nächste Stadt vor – 5.4.2024
+++ 13:05 Ukrainer trotzen permanenten russischen Attacken – „Energiesystem ist stabil und ausbalanciert“ +++
Die Energieversorgung der Ukraine arbeitet laut Energieministerium nach den russischen Angriffen der vergangenen Wochen wieder weitgehend normal. „Das ukrainische Energiesystem ist stabil und ausbalanciert“, teilt das Ministerium mit. Russische Raketen- und Drohnenangriffe hatten Ende März ein Rekordniveau erreicht und in mehreren Regionen der Ukraine für Blackouts gesorgt. Russland hatte fast täglich Wasser- und Kohlekraftwerke sowie das Hochspannungsnetz angegriffen.
+++ 12:23 Zugeständnisse an Russland? Weber: NATO-Novum zeigt, „wie Situation im Krieg wirklich steht“ +++
Erstmals bringt NATO-Generalsekretär Stoltenberg den Gedanken auf, in der Ukraine Verhandlungswege zu suchen. Sicherheitsexperte Joachim Weber sieht dabei vor allem ein Problem: Russland dürfte daran derzeit kaum interessiert sein. Im Gegenteil – Moskaus Ausgangsposition werde sich wohl eher noch verbessern:
Weber über Russlands Ziele NATO-Novum zeigt, „wie Situation im Krieg wirklich steht“
+++ 11:41 „Potenzielle Eskalation“ – Russland schickt Drohungen in Richtung Finnland +++
Das russische Außenministerium bedroht Finnland laut Institut für Kriegsstudien (ISW) weiterhin und behauptet, dass Helsinki seit dem Beitritt zur NATO „seine Unabhängigkeit bei außenpolitischen Entscheidungen verloren“ habe. Dieses Narrativ verwende der Kreml auch, um fälschlicherweise zu behaupten, dass die NATO die Ukraine kontrolliere und benutze, um Russland zu bedrohen, so das ISW. Der russische Botschafter in Finnland, Pawel Kusnezow, erklärt in einem Interview mit der Kreml-Nachrichtenagentur TASS, dass sich Finnland in seinen Beziehungen zu Russland auf einem „destruktiven Kurs“ befinde und der Beitritt Finnlands zur NATO die baltische Region zu einer „Zone potenzieller Eskalation“ mache.
Auch Waffen werden stationiert Putin kündigt mehr Truppen an NATO-Grenze zu Finnland an
+++ 10:55 Ukrainischer Militärgeheimdienst gibt die Hoffnung auf deutschen Taurus nicht auf +++
Der ukrainische Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow hofft weiter auf die von Deutschland bisher abgelehnte Lieferung der Marschflugkörper vom Typ Taurus im Kampf gegen die russische Invasion. „Der Taurus würde unser Leben sicherlich einfacher machen“, sagte der Chef des Militärgeheimdienstes HUR in einem Interview der ARD. „Um Kommandozentralen zu treffen, um einige sehr wichtige Ziele zu treffen, ist es eine ausgezeichnete Waffe.“ Auch die russische Brücke zur Schwarzmeer-Halbinsel Krim bleibe ein wichtiges Ziel für die Ukraine: „Die Brücke wird schwer bewacht und verteidigt. Aber alle arbeiten an diesem Thema.“
Noch in den nächsten Monaten Ukraine: Werden Krim-Brücke bald zerstören – 3.4.2024
NACHT IM ÜBERBLICK – UKRAINE
ROUNDUP: Drohnen explodieren über AKW Saporischschja – Die Nacht im Überblick
KIEW/WIEN (dpa-AFX) – Das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine ist zum Ziel von Drohnenangriffen geworden. Die Schutzhülle des sechsten Reaktors sei dreimal getroffen worden, teilte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, am Sonntag im sozialen Netzwerk X (früher Twitter) mit. Laut IAEA war die nukleare Sicherheit nicht gefährdet. Dennoch sei dies „ein schwerwiegender Vorfall, der das Potenzial hatte, die Unversehrtheit der Reaktorschutzhülle zu verletzen“, erklärte die Behörde, die mit einem Beobachterteam ständig vor Ort ist. Die russische Kraftwerksleitung machte die Ukraine für die Angriffe verantwortlich; Kiew wies dies zurück.
Der russische Beschuss auf die ostukrainische Millionenstadt Charkiw ging unterdessen auch am Sonntag weiter. In Kiew forderte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft die westlichen Partner nachdrücklich auf, zum Schutz der Stadt mehr Flugabwehrsysteme zu liefern. Die Nacht auf Montag begann für die Ukraine wieder mit Angriffen russischer Kampfdrohnen, die vor allem den Süden und den Norden des Landes bedrohten. Am Montag wird der 775. Tag des russischen Angriffskriegs gezählt.
Erste direkte Treffer auf AKW Saporischschja seit Ende 2022
Die direkten Treffer auf Europas größte Atomanlage Saporischschja waren nach Grossis Angaben die ersten seit November 2022. „Das darf nicht passieren“, schrieb er. Niemand könne einen militärischen oder politischen Nutzen aus Angriffen gegen Atomanlagen ziehen. Die russische Kraftwerksleitung berichtete von der Explosion einer Drohne über der Kuppel des sechsten Reaktors. Auf ihrem Telegram-Kanal machte die Werksleitung die ukrainische Armee für den Angriff verantwortlich. Gefährliche Schäden gebe es aber nicht, hieß es. Die Strahlung in und um das AKW entspreche der Norm.
Den russischen Angaben nach war schon früher am Sonntag eine Drohne an der Kantine des AKW eingeschlagen. Dabei seien drei Mitarbeiter verletzt worden. Der IAEA lagen hingegen nur Informationen über ein Opfer vor. Überprüfbar waren die Angaben der russischen Seite nicht. Sie klagt seit Tagen über zunehmende Drohnenattacken auf das Werk und macht dafür die Ukraine verantwortlich.
Der Sprecher des Militärgeheimdienstes HUR in Kiew, Andrij Jussow, beteuerte jedoch, die Ukraine sei an den „militärischen Provokationen“ am Kraftwerk nicht beteiligt. Solche vorgetäuschten Angriffe seien gängige Praxis der russischen Besatzer, sagte er dem Online-Portal „Ukrajinska Prawda“. Das Atomkraftwerk war im Frühjahr 2022 von russischen Truppen besetzt worden. Die sechs Reaktoren liegen still, müssen aber gekühlt werden.
Selenskyj: Charkiw braucht bessere Flugabwehr
Angesichts ständiger russischer Luftangriffe auf Charkiw forderte Selenskyj von den ausländischen Verbündeten dringend zusätzliche Flugabwehrsysteme. „Es ist ganz offensichtlich, dass die Luftverteidigungskapazitäten, die wir in der Ukraine haben, nicht ausreichen – und das ist allen unseren Partnern klar“, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. Er trug ukrainischen Diplomaten und Unterhändlern auf, mit Unterstützerstaaten entsprechenden Nachschub zu vereinbaren.
Am Sonntagmittag schlugen nach Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft erneut zwei Fliegerbomben in Charkiw ein und verletzten fünf Menschen. 13 Mehrfamilienhäuser und andere Gebäude seien beschädigt worden. In der Nacht auf Samstag waren sechs Menschen getötet und elf verletzt worden.
Die Energieversorgung der grenznahen Millionenstadt ist bereits angeschlagen; befürchtet wird, dass Russland die Stadt durch Dauerbeschuss unbewohnbar machen will. Wegen des ständigen Beschusses erwägen die ukrainischen Behörden, zwei Landkreise im Gebiet Charkiw direkt an der russischen Grenze zu evakuieren, wie Gouverneur Oleh Synjehubow am Sonntag dem Fernsehsender Rada sagte.
Ukrainische Gegenangriffe auf Gebiet Belgorod
Gegenüber von Charkiw liegt auf russischer Seite das Gebiet Belgorod, das am Sonntag Ziel ukrainischer Drohnenangriffe in mehreren Wellen wurde. Durch Trümmer einer abgeschossenen Kampfdrohne sei ein Mädchen getötet worden, das mit seiner Familie in einem Auto saß, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram mit. Der Familienvater und drei Kinder in dem Auto seien verletzt worden. Die Drohne sei über dem Dorf Schagarowka bei der Gebietshauptstadt Belgorod abgestürzt.
Schon am Samstag und in der Nacht auf Sonntag hatte es den Angaben zufolge Drohnenangriffe von ukrainischer Seite gegeben. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, am Sonntagnachmittag seien zwölf Drohnen über dem Gebiet Belgorod und drei über der Nachbarregion Brjansk abgefangen worden. Die ukrainische Armee versucht mit solchen Angriffen, die russischen Einheiten in und um Belgorod an Attacken auf Charkiw zu hindern. Das Ausmaß der Zerstörung auf russischem Boden ist dabei nicht zu vergleichen mit dem, was Russland in der Ukraine anrichtet.
Das wird am Montag wichtig
Der russische Außenminister Sergej Lawrow beginnt einen zweitägigen China-Besuch. In Peking will er mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi über den Krieg in der Ukraine und andere internationale Themen sprechen. China gilt als enger Verbündeter Russlands, betont in dem Konflikt aber offiziell seine Neutralität. Die Regierung in Peking hat selbst einen Friedensplan vorgeschlagen, den die ukrainische Führung wegen der Nähe zur russischen Position ablehnt./fko/DP/stk
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Putin noch 2024 vor Gericht? Sondertribunal zum Ukraine-Krieg in den Niederlanden geplant
Die Niederlande haben sich bereit erklärt, ein Sondergericht zu Russlands Krieg in der Ukraine auf ihrem Territorium einzurichten.
Ein Sondertribunal für den russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie andere russische Spitzenpolitiker und hochrangige Militärs könnte bis Ende des Jahres eingerichtet werden. Das sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders. Ihm zufolge werden „zwei Optionen in Betracht gezogen: ein internationales Tribunal auf der Grundlage eines multilateralen Abkommens oder eine vereinfachte Lösung auf der Grundlage eines bilateralen Abkommens zwischen der Ukraine und dem Europarat“.
Die Europäische Union hat weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt und auch gegen zahlreiche Persönlichkeiten, die für den Angriffskrieg gegen die Ukraine verantwortlich gemacht werden – wie gegen den Staatschef Wladimir Putin persönlich. Daher kann der russische Präsident kaum noch ins Ausland reisen.
Russland greift weiter Infrastruktur in der Ukraine an
In der Ukraine gehen die russischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur weiter. Am Freitag schlugen mehrere Raketen in Wohngebieten der Stadt Saporischschja ein. Mindestens vier Menschen wurden getötet, 20 verletzt, darunter auch Kinder – und Journalisten, die vor Ort eintrafen. Es wird berichtet, dass die russischen Streitkräfte erneut die Taktik der „wiederholten Schläge“ angewandt haben, als eine weitere Rakete mit einiger Verzögerung den Ort eines vorherigen Angriffs traf.
Plant Putin neue Offensive in diesem Frühjahr?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Freitag Region Tschernihiw besucht. Er forderte die verbündeten Staaten erneut dazu auf, mehr Luftabwehrsysteme an die Ukraine zu liefern. Bei seinem Besuch besichtigte Selenskyj die Landverteidigungsanlagen. Weil mit einer neuen russischen Großoffensive in diesem Frühjahr gerechnet wird, errichtet die Ukraine entlang der Grenze zu Russland befestigte Linien.
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Neuer slowakischer Präsident will vorsichtigen Ukraine-Kurs
BRATISLAVA (dpa-AFX) – Klarer als erwartet hat Parlamentspräsident Peter Pellegrini die Präsidentschaftswahl in der Slowakei gewonnen. Das in der Nacht zum Sonntag veröffentlichte, noch inoffizielle Ergebnis der staatlichen Wahlkommission ließ keine Zweifel an seinem Sieg über Oppositionskandidat Ivan Korcok, der seine Niederlage einräumte. Der Triumph des 48 Jahre alten Sozialdemokraten dürfte auch Auswirkungen auf den außenpolitischen Kurs des EU- und Nato-Landes haben, das im Osten an die von Russland angegriffene Ukraine grenzt.
Während sein in der Stichwahl mit rund 47 zu 53 Prozent unterlegener Kontrahent Korcok stets für eine entschlossene militärische Unterstützung der Ukraine eintrat, mahnte Pellegrini im Wahlkampf zur Vorsicht bei Waffenlieferungen, damit die Slowakei nicht in den Krieg hineingezogen werde. Dabei berief er sich ausdrücklich auch auf die Position von Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen SPD in derselben europäischen Parteienfamilie verwurzelt ist.
Pellegrini gehört mit der von ihm gegründeten Partei „Stimme – Sozialdemokratie“ (Hlas-SD) zur Dreiparteienkoalition unter Führung des linkspopulistischen Regierungschefs Robert Fico. Von dessen Partei „Richtung – Slowakische Sozialdemokratie“ (Smer-SSD) hatten sich Pellegrini und Gleichgesinnte 2020 auch deshalb abgespalten, weil Fico immer nationalistischer agierte und Korruptionsverdacht in seinem Umfeld nach dem international beachteten Mord am Journalisten Jan Kuciak zu Massenprotesten führte. Zur Koalition gehören als mit Abstand kleinster Partner auch die Nationalisten der prorussischen Slowakischen Nationalpartei SNS.
Fico äußerte sich wiederholt kritisch zur Ukraine-Politik der EU, stimmte aber im Unterschied zu Ungarns Regierungschef Viktor Orban allem zu, was in Brüssel zugunsten der Ukraine und gegen Russland beschlossen wurde. Die Fico-Regierung befürwortet einen Beitritt der Ukraine zur EU, nicht aber zur Nato.
Nach der Parlamentswahl im Herbst 2023 hatte Pellegrini darauf verzichtet, selbst die Führung eines Regierungsbündnisses aus liberalen und konservativen Parteien gegen Wahlsieger Fico zu übernehmen. Weil er mit diesen Partnern nicht seine Vorstellung eines starken Sozialstaats hätte verwirklichen können, trat er lieber in eine Koalition mit Fico ein.
Kritiker werfen Pellegrini vor, seitdem auch seine klar prowestlichen außenpolitischen Positionen an die Koalitionspartner angepasst zu haben. Das betrifft vor allem Waffenlieferungen an die Ukraine, die er im Unterschied zu Fico und der SNS ursprünglich befürwortet hatte.
Mobilisierend für Korcok wirkten Massenproteste der bei der Wahl unterlegenen liberalen und konservativen Oppositionsparteien gegen Ficos Rückkehr an die Macht. Zuletzt konnte Korcok diese Proteste in Wahlkampfveranstaltungen zu seinen Gunsten nutzen. Protestiert wurde unter anderem gegen eine Justizreform und die von der Fico-Regierung geplante Umstrukturierung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt RTVS./ct/DP/mis
Siehe dazu:
Populist Pellegrini wird mit 53 % der Stimmen Präsident der Slowakei: Orban als Vorbild? – Euronews, 7.6.2024
In der Slowakei hat Peter Pellegrini, ein Unterstützer des umstrittenen populistischen Regierungschefs Robert Fico, die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Beide sprechen sich für weniger Hilfen für die Ukraine aus. …
„Nicht auf der Seite des Krieges“
Am frühen Sonntagmorgen erklärte der siegreiche Bewerber um das Präsidentenamt, Peter Pellegrini: „Ich werde alles dafür tun, dass die Slowakei, ob es jemandem gefällt oder nicht, immer auf der Seite des Friedens und nicht auf der Seite des Krieges bleibt. Und wer immer mich dafür kritisieren will, kann das tun, so viel er will.“ …
Lawrow reist zu Gesprächen nach Peking – Ukraine auch ein Thema
PEKING/MOSKAU (dpa-AFX) – Der russische Außenminister Sergej Lawrow will bei einem bis Dienstag angesetzten Besuch in Peking mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi über den Krieg in der Ukraine und andere brennende Themen sprechen. Das teilte das Außenministerium in Moskau am Sonntag mit. Demnach sollte Lawrows Reise am Montag beginnen und bis Dienstag dauern. Bei den Verhandlungen gehe es um eine Vielzahl an Fragen, darunter auch die Lage in der Asien-Pazifik-Region und die Zusammenarbeit beider Länder in internationalen Organisationen wie den UN, Brics und G20. Lawrow und Wang Yi hatten sich zuletzt im Oktober ebenfalls in Peking getroffen, davor im September auch in Moskau.
China bemüht sich seit längerem um eine Friedenslösung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Im März warben ukrainische Spitzenpolitiker und Beamte in Kiew bei einem Treffen mit dem chinesischen Sondergesandten Li Hui erneut um Unterstützung für eine Lösung im russischen Angriffskrieg. China gilt als enger Verbündeter Russland und betont in dem Konflikt seine Neutralität. Peking hatte selbst einen Friedensplan vorgeschlagen, der in Kiew allerdings auf Kritik stieß.
Die Ukraine besteht darauf, dass ausschließlich der Plan von Präsident Wolodymyr Selenskyj umgesetzt wird. Kernpunkt von Selenskyjs Vorgehen ist die Forderung nach einem Abzug der russischen Truppen aus allen besetzten Gebieten der Ukraine. Erst dann will Kiew mit Moskau über eine friedliche Koexistenz verhandeln. Russland lehnt Selenskyjs Plan als „realitätsfern“ ab.
Selenskyj fordert 25 Patriot-Systeme für Flugabwehr der Ukraine
KIEW (dpa-AFX) – Die Ukraine braucht aus Sicht von Präsident Wolodymyr Selenskyj insgesamt 25 Patriot-Flugabwehrsysteme für den Schutz ihres Luftraums gegen russische Raketen- und Drohnenangriffe. Um den Luftraum abzuriegeln, seien 25 Systeme mit jeweils 6 bis 8 Batterien nötig, sagte Selenskyj in einem am Samstag im Fernsehen ausgestrahlten Interview. „Alle unsere Partner wissen dies ganz genau, sie kennen sogar die Punkte, an denen die entsprechenden Systeme platziert werden sollten.“ Patriots und analoge westliche Flugabwehrsysteme – darunter fällt auch das deutsche Iris-T – haben sich nach seinen Angaben hervorragend bewährt.
Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren einen russischen Angriffskrieg ab. Dabei beschießt das russische Militär auch regelmäßig das ukrainische Hinterland mit Drohnen und Raketen. Russland werde auch weiter die zivile Infrastruktur, speziell Objekte der Energieversorgung attackieren, sagte Selenskyj. Natürlich versuche die Ukraine, diese Anlagen mit der eigenen Flugabwehr zu schützen. „Aber es gibt Raketen, gegen die diese Verteidigungssysteme leider nichts ausrichten können“, sagte Selenskyj.
Der ukrainische Staatschef warnte in dem Zusammenhang zudem vor einem möglichen Defizit an Flugabwehrmunition, sollte Russland seinen Beschuss aus der Luft verstärken. „Wenn sie weiterhin so zuschlagen, wie sie es im letzten Monat getan haben, könnten uns die Raketen ausgehen, und das wissen auch unsere Partner.“/bal/DP/mis
MELDUNGEN
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International: 5 Schiffe angegriffen: Neue Attacken durch Huthi-Rebellen im Roten Meer
Die Huthi-Rebellen soillen mehrere Schiffe westlicher Staaten im Roten Meer attackiert haben, das geben die jemenitischen Huthi in einer Mitteilung bekannt.
Zuletzt war es stilller geworden um die Huthi-Rebellen und deren Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer. Doch an diesem Sonntag hat die schiitische Gruppe aus dem Jemen bekannt gegeben, sie habe aus Solidarität mit dem palästinensischen Volk und als Antwort auf die US- und britischen Angriffe gegen ihr Land fünf Schiffe im Roten Meer attackiert.
Huthi-Rebellen feiern Erfolg ihrer militärischen Operationen
In den vergangenen 72 Stunden seien fünf militärische Operationen durchgeführt worden.
Nach mehreren Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer hatte sich der Transport auf dieser Route verteuert oder die Frachter wurden mit Umwegen auf andere Routen umgeleitet.Nicht nur die US- und die britische Marine sind gegen die Huthi im Roten Meer im Einsatz – auch die Fregatte „Hessen“ der Bundeswehr wurde dorthin geschickt.
Huthi feiern Jerusalem-Tag in Sanaa
In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa hatten Huthi-Rebellen und ihre Anhänger am 5. April den Jerusalem- oder Al-Quds-Tag gefeiert und ihre Solidarität mit den Palästinensern im Kampf gegen Israel und den Westen betont.
Allerdings wird den Huthi auch vorgeworfen, dass sie viel Geld in Waffen investieren, während die Bevölkerung in dem Bürgerkriegsland unter Armut leidet.
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Wie es um Chinas Immobilienwirtschaft steht – HB
Chinas Immobilienwirtschaft dümpelt vor sich hin. Während andere Wirtschaftszweige wie die verarbeitende Industrie oder der Dienstleistungssektor laut verschiedenen Indizes zumindest wieder etwas schneller wachsen und damit die Hoffnung auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Stimmung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nähren, gibt es aus dem Immobiliensektor wenig Optimistisches zu berichten – die erhoffte Trendwende ist jedenfalls nicht in Sicht.
So ist nach vorläufigen Daten der China Real Estate Information Corp. (CRIC) der Wert der Verkäufe der 100 größten Immobilienunternehmen Chinas im März im Vergleich zum Vorjahresmonat um 46 Prozent auf 358 Milliarden Yuan (knapp 50 Milliarden US-Dollar) gesunken.
Die Krise hat viele der größten Immobilienunternehmen Chinas an den Rand des Bankrotts oder schon in die Insolvenz getrieben und die Bilanzen der Banken belastet – gleichzeitig hat die Regierung in Peking die Kreditinstitute angewiesen, verschuldete Unternehmen der Baubranche zu unterstützen. Country Garden, einst einer der führenden Bauträger Chinas, musste vor einigen Tagen seine Jahresbilanz für 2023 absagen und verschieben, die Hongkonger Börse setzte daraufhin den Handel mit den Aktien des Unternehmens aus. Im März konnte der Baukonzern Radiance fällige Zahlungen an Gläubiger nicht leisten.
China
Wie Makler in Shanghai die Immobilienkrise erleben – HB, 5.4.2024 (ZAHLPFLICHT)
Die Marktschwäche zerstört weiter Vertrauen, obwohl die Volkswirtschaft eigentlich Zuversicht nötig hätte. Was jetzt zu tun ist, skizzieren Chinesen, die mit Wohnungen ihr Geld verdienen.
Shanghai. Würde er seinen Job in Chinas Immobilienbranche noch einmal ergreifen? „Nein, er ist so anstrengend, mental ermüdend“, antwortet Yuan Baolong von Jiasong Real Estate in Shanghai. Er ist nicht der einzige Makler, den Chinas Immobilienkrise zermürbt. „Es ist sehr schwierig geworden“, sagt sein Kollege Zhou Zhihao von Centaline Property. „Viele meiner Kollegen oder Fachleute in der Branche haben den Job gewechselt.“ Die Zahl der Hauskäufer sei zurückgegangen, Makler wie er müssten kämpfen. „Wir haben Mitarbeiter verloren“, sagt Zhou. „Das Geschäft läuft nicht gut, die Leute können kein Geld verdienen.“…
Public opinion in the EU regions – Eurobarometer – 25.3.2024
The survey conducted at the regional level shows that EU citizens look positively at the economic situation (65%) and the quality of life in their region (82%).
Key findings
Quality of life
82% of Europeans say that the quality of life in their region is good.
Q1.2 How would you judge the current situation in each of the following: The quality of life of (OUR REGION)
Most important issues facing our regions
At the same time, 65% of Europeans say that the current situation of the economy of their region is good.
Q1.2 How would you judge the current situation in each of the following? The situation of the economy of (OUR REGION)
Europeans tend to think that the most important issues facing their region at the moment are the cost of living (31%), the economic situation and unemployment (26%), and health (26%). These are followed by housing (20%), the environment and climate change (19%), and the educational system (18%).
Q3. What do you think are the two most important issues facing (OUR REGION) at the moment?
Most important dimensions for the future of Europe
Respondents identify economy, social justice and jobs (29%) as one of the most important dimensions for the future of Europe, followed by climate change and the environment (24%), education, culture, youth and sport (24%), democracy, values and rights and rule of law (21%), health (21%), EU security and defence (20%) and migration (19%).
Q8. Which of the following dimensions do you think are the most important for the future of Europe?
Trust in authorities
58% of respondents tend to trust regional and local authorities and 38% tend not to trust them.
Q4.3 Could you please tell me if you tend to trust or tend not to trust the regional or local authorities?
Attitudes about the future
66% of Europeans are optimistic regarding the future of their region while 32% are pessimistic.
Q9. Please tell me if you are very optimistic, rather optimistic, rather pessimistic or very pessimistic regarding the future of (OUR REGION)?
At the same time, 55% are optimistic regarding the future of the EU while 42% are pessimistic.
Q10. Please tell me if you are very optimistic, rather optimistic, rather pessimistic or very pessimistic regarding the future of the EU?
Populist Pellegrini wird mit 53 % der Stimmen Präsident der Slowakei: Orban als Vorbild? – Euronews, 7.6.2024
In der Slowakei hat Peter Pellegrini, ein Unterstützer des umstrittenen populistischen Regierungschefs Robert Fico, die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Beide sprechen sich für weniger Hilfen für die Ukraine aus.
In der Slowakei hat der aktuelle Parlamentspräsident Peter Pellegrini die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Er steht dem umstrittenen populistischen Regierungschef Robert Fico nahe, der einen nach Russland orientierten Kurs des Landes repräsentiert. Nach der Auszählung fast aller Stimmen hatten mehr als 53 Prozent der Wahlberechtigten für den 48-jährigen Peter Pellegrini gestimmt.
Es war mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet worden, aber am Ende kam der liberale Ex-Außenminister Ivan Korcok nur auf knapp 47 Prozent der Stimmen. Der 60-jährige Korcok – der die Proteste der Opposition gegen Ficos Politik unterstützt hatte – räumte seine Niederlage ein.
„Nicht auf der Seite des Krieges“
Der Krieg in der Ukraine hatte im Wahlkampf eine entscheidende Rolle gespielt.
Am frühen Sonntagmorgen erklärte der siegreiche Bewerber um das Präsidentenamt, Peter Pellegrini: „Ich werde alles dafür tun, dass die Slowakei, ob es jemandem gefällt oder nicht, immer auf der Seite des Friedens und nicht auf der Seite des Krieges bleibt. Und wer immer mich dafür kritisieren will, kann das tun, so viel er will.“
Peter Pellegrini und Regierungschef Robert Fico gelten als russlandfreundlich. Analysten gehen davon aus, dass sich beide an der Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban orientieren. Allerdings nannte Pellegrini auch Olaf Scholz mit Bezug auf die Ukraine als Referenz.
„Enttäuscht und desillusioniert“
Der unterlegene Ivan Korcok – der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl vorne gelegen hatte – sagte, er sei enttäuscht und desillusioniert. Und er warf Peter Pellegrini vor, ihn während des Wahlkampfs als „Kriegskandidaten“ dargestellt zu haben. Es sei möglich durch die Verbreitung von Hass Präsident der Slowakischen Republik zu werden.
Peter Pellegrini wird Nachfolger der liberalen Präsidentin Zuzana Caputova
In der Slowakei hat der Präsident oder die Präsidentin vor allem repräsentative Aufgaben, ratifiziert aber internationale Verträge, ernennt die wichtigsten Richter sowie Richterinnen und hat den Oberbefehl über die Streitkräfte. Er kann auch sein Veto gegen vom Parlament verabschiedete Gesetze einlegen.
Peter Pellegrini wird am 15. Juni offiziell slowakischer Präsident.
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Orbans neuer Gegner: Peter Magyar versammelt 100.000 in Budapest in Ungarn – Euronews, 7.4.2024
Der ehemalige Parteigenosse von Viktor Orban führt in Budapest den Protest gegen die Regierung an. Und Peter Magyar will bei den Europawahlen mit einer eigenen Partei punkten.
Rund 100.000 Menschen haben am Samstag in Budapest gegen die ungarische Regierung protestiert. Es war einer der größten Proteste seit dem Amtsantritt von Viktor Orban 2010. Zu der Kundgebung aufgerufen hatte Péter Magyar, der neue Herausforderer des Ministerpräsidenten.
Peter Magyar, der zum inneren Führungskreis der Regierungspartei Fidesz gehörte, hat sich vor zwei Monaten gegen Viktor Orbán gestellt. Er steht für einen nationalistischen Kurs und gilt als Hoffnungsträger vieler desillusionierter Menschen in Ungarn. Sie forderten in Sprechchören den Rücktritt des Regierungschefs.
Gegen die Eliten – auch die der Opposition
Euronews-Korrespondent Zoltán Siposhegyi ist beim Protest in Budapest dabei. Er sagt: „Péter Magyar hat sein Versprechen gehalten. Nicht nur der zentrale Platz des Landes, sondern auch die umliegenden kleinen Straßen waren voll mit Menschen. Außergewöhnlich ist, dass keine einzige Oppositionsfahne und kein einziges Plakat zu sehen ist. Tatsächlich üben die Redner nicht nur scharfe Kritik an der Fidesz-Regierung, sondern auch an der gesamten Oppositionselite.“
Gegen die Korruption in Ungarn
Péter Magyar beschuldigt die staatlichen Medien und die Staatsanwaltschaft, nicht unabhängig zu sein. Und er kritisiert die Korruption der Regierung. Jetzt will er eine Partei gründen, die schon bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni antreten soll.
Vor seinen Anhängern sagte Magyar: „Gebt dem Volk seine Wahlfreiheit zurück. Lasst die Menschen entscheiden, ob sie die korrupte alte Machtelite oder eine neue, ehrliche, unbestechliche Kraft an der Spitze unseres Landes haben wollen.“
Der 43-jährige Péter Magyar ist Ex-Ehemann der zurückgetretenen Justizministerin Judit Varga. Sie hatte nach dem Skandal um einen begnadigten Pädophilen ihr Ministeramt geräumt.
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DEUTSCHLAND – WAHLUMFRAGEN
ÖSTERREICH – WAHLUMFRAGEN
EUROPAWAHL | Sonntagsfrage Ipsos/Euronews, 20.3.2024
FPÖ: 28% (+10,8)
SPÖ: 22% (-1,9)
ÖVP: 21% (-13,6)
GRÜNE: 13% (-1,1)
NEOS: 12% (+3,6)
KPÖ: 2% (+1,2)
Sonstige: 2% (+1,0)
Änderungen zum Wahlergebnis von 2019
„Bereits über 50 Mio. Nächtigungen in Wintersaison 2023/24“
von Statistik Austria finden Sie als PDF
„Gerichtliche Kriminalstatistik 2021-2022“
steht auf unserer Website unter Gerichtliche Kriminalstatistik 2021-2022 als PDF
Österreichs Unternehmen droht eine Insolvenzwelle – Der KSV1870 rechnet heuer mit einem Anstieg auf mindestens 6.200 Firmenpleiten – Kurier, 20.3.2024 (inkl. Schaubild und Tabelle)
Im Vorjahr haben die milliardenschweren Pleiten der Signa Holding, der Signa Prime und der Signa Development alle übrigen Insolvenzen in den Schatten gestellt, doch heuer legen auch die „normalen“ Firmenpleiten massiv an Geschwindigkeit zu.
Nach Angaben des KSV 1870 sind die Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal 2024 um 27,3 Prozent auf 1.691 Fälle gestiegen. Oder anders gesagt: 19 Unternehmen schlittern pro Tag in die Insolvenz. Das heißt, der Druck auf die Wirtschaft nimmt zu.
„Wir sind zwar von einer Steigerung ausgegangen, aber dass das erste Quartal so hoch steigt, damit haben wir nicht gerechnet“, sagt KSV1870-Experte Karl-Heinz Götze zum KURIER. „Wir rechnen heuer mit mindestens 6.200 Firmeninsolvenzen, Tendenz leicht höher.“
Fast eine Milliarde Euro Verbindlichkeiten
Etliche angeschlagene Unternehmen konnten sich nur durch die Corona-Förderungen über Wasser halten. Nachdem diese aber ausliefen, konnte der Niedergang nicht mehr abgewendet werden. Es kommen aktuell aber noch weitere Pleite-Ursachen dazu.
„Es ist ein Mix aus Inflation, steigenden Zinsen, hohen Energie- und Rohstoffkosten sowie höheren Lohnkosten“, sagt Götze. Auffallend ist, dass heuer immer öfter größere Pleiten mit Verbindlichkeiten zwischen 10 und 80 Millionen Euro schlagend wurden.
„Die Passiva sind im ersten Quartal von 400 Millionen auf fast eine Milliarde Euro gestiegen, das ist schon heftig“, sagt der Experte. Neben der Baubranche sind der Handel und die Gastro- und Beherbergungsbranche die größten Sorgenkinder.
1.500 Prozent höhere Passiva
„Bau, Handel und Gastro machen 50 Prozent der Insolvenzen aus“, sagt Götze. Vor allem der Wohnbau ist von den massiven Preissteigerungen, den restriktiven Kreditvergaberegelungen und in weiterer Folge dem niedrigen Stand bei den Baubewilligungen betroffen. „Zum Teil sind es aber auch Strukturprobleme, wenn man an den Handel denkt“, sagt Götze. Der Online-Handel setzt dem stationären Handel zu. Im Bundesländervergleich entfällt der stärkste Zuwachs mit fast 84 Prozent auf das Burgenland, gefolgt von OÖ mit fast 71 Prozent und Vorarlberg mit 64,3 Prozent. In Kärnten beträgt der Anstieg 39 Prozent, aber die Passiva sind um 1.500 Prozent auf 208 Millionen Euro gestiegen. „Die haben in den vergangenen Wochen größere Insolvenzen gehabt, was ungewöhnlich ist für Kärnten“, sagt Götze. Allein 97,4 Millionen Euro Verbindlichkeiten entfallen auf zwei Gesellschaften des Solarjachten-Bauers ASAP.
Beispiel Oberösterreich
„Die Insolvenzen sind nicht mehr so kleinteilig, sondern es sind größere darunter“, sagt KSV1870-Expertin Petra Wögerbauer aus Linz. „Es gibt viele Fälle im Handel. Man sieht das auf der Linzer Landstraße, die Leerstände werden immer mehr.“ Nachsatz: „ Wenn die Leute wegen der Teuerung sparen müssen, ist es eher so, dass man auf eine neue Wohnungseinrichtung oder Bekleidung verzichtet, die man nicht unbedingt braucht.“
Großinsolvenzen Q1-2024 – ab 10 Mio. Euro Passiva | |||
1 | Windhager Zentralheizung Technik GmbH | Seekirchen/Sbg | 78,2 Mio. |
2 | Brucha Gesellschaft m.b.H. | Michelhausen/NÖ | 74,2 Mio. |
3 | SIGNA Real Estate Management GmbH | Wien | 60,0 Mio. |
4 | PEPCO Austria GmbH | Wien | 53,5 Mio. |
5 | ASAP Production GmbH vorm. Silent Yachts Production GmbH | Klagenfurt/Ktn | 51,6 Mio. |
6 | ASAP Trading GmbH | Klagenfurt/Ktn | 45,8 Mio. |
7 | NBG Fiber Holding GmbH | Gmünd/NÖ | 35,1 Mio. |
8 | High Vision Investment HVI GmbH | Wien | 35,0 Mio. |
9 | ASAP 62 EUR GmbH vorm. Silent Yachts 62 EUR GmbH | Klagenfurt/Ktn | 28,7 Mio. |
10 | EMPIS GmbH & Co KG | Wien | 27,7 Mio. |
11 | MGG Herzogenburg GmbH | Herzogenburg/NÖ | 27,0 Mio. |
12 | SIGNA SFS Austria GmbH | Wien | 23,3 Mio. |
13 | Magazin 07 Möbel und Einrichtungen | Vösendorf Süd/NÖ | 15,0 Mio. |
14 | SYN TRAC GmbH | Bad Goisern/OÖ | 14,5 Mio. |
SZ Österreich: Spitzengehälter und der arme Journalist • Spionage in Wien • Hader im Interview: Angst und ‚kein Kirchenaustritt‘ als Themen (ZAHLPFLICHT) – Gerhard Fischer, Süddeutsche Zeitung, 5.4.2024
PSYCHOLOGIE
Mit dem Schmerz umgehen: Männer trauern körperlicher
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, sind Schock und Trauer groß. Manchen Frauen hilft es, stundenlang darüber zu sprechen. Bei Männern äußert sich der Schmerz oft anders. Aber wie? Und warum ist das so?
Das Wichtigste vorab: Es gibt nicht DIE typische Trauer. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, wenn man sein Kind, den Mann oder eine Freundin verloren hat. Und erst recht gibt es keine stereotype, allgemeingültige Form, für wen auch immer. „Wie sich Trauer auswirkt, ist grundsätzlich und unabhängig vom Geschlecht sehr unterschiedlich“, sagt der Osnabrücker Trauerbegleiter und Autor Thomas Achenbach („Männer trauern anders“).
Und doch hat er festgestellt, dass Männer und Frauen oft ganz anders mit diesem Schmerz umgehen. „Männer verfallen am Anfang häufig in eine Art Schockstarre, die gerade bei ihnen sehr massiv sein kann. Sie versteinern regelrecht“, sagt er. Und es fällt schwerer, an sie heranzukommen. Nicht nur, weil sie sich kaum in Trauercafés oder Trauergruppen blicken lassen, sondern auch, weil sie sich in Gesprächen zunächst nur sehr schwer öffnen können.
Auf die Schockstarre folgen oft Rückenleiden
Was vor allem den Männern dabei am meisten zu schaffen mache, sei die Ohnmacht, die zu einer Verlustkrise immer dazugehört. „Das Gefühl, zu Boden gedrückt zu werden. Ausgeliefert zu sein und nichts tun zu können“, beschreibt Achenbach.
Und anders als bei Frauen bekommen Männer oft auch körperliche Folgen zu spüren, sagt Psychologe und Trauerexperte Roland Kachler: „Wenn Männer in die Trauerberatung kommen, dann eher mit somatischen Erfahrungen. Sie haben bei schweren Verlusten oft Rückenschmerzen und Schulterschmerzen.“ Der Körper reagiere mit einer muskulären Abwehr: „Weil wir Männer auf Bewältigen und Funktionieren orientiert sind.“ Sie erleben die Trauer häufig als Angriff und als Niederlage, die es zu blockieren gilt.
Frauen jedoch, die die Trauerberatung aufsuchen, möchten sich mit dem Verlust des Partners auseinandersetzen: „Sie wollen erfahren, wie sie Trauer und Schmerz gestalten können.“ Und sie seien viel mehr in der Lage, sich auch intensiv auf diese Gefühle einzulassen. Vielleicht, so vermutet Kachler, „weil sie über eine wesentliche Grunderfahrung verfügen: nämlich die Geburt, bei der sie erleben, dass auch intensivste Schmerzen vorübergehen und etwas Neues hervorbringen.“
Gespräche in Trauergruppen?
Männer jedoch haben eher einen Abwehr- und Kontrollwunsch. „Sie haben es schwer, sich einzulassen. Das bedroht ihre Funktionsfähigkeit“, beobachtet Kachler. Die Gespräche in gemischten Trauergruppen seien ihnen zu intensiv und zu massiv – und oft brechen sie die Teilnahme nach wenigen Malen ab. „Weil Männer sehr viel stärker an das Weiterfunktionieren denken“, so der Autor („Was bei Trauer gut tut: Hilfen für schwere Stunden“). Insbesondere beim Tod eines Kindes wehren Männer intensive Trauergefühle ab, weil sie sich dafür verantwortlich fühlen, dass die Familie und das Leben weitergehen müssen.
All das heißt natürlich nicht, dass Männer nicht trauern. Aber eben oft nicht so sichtbar. „Männer trauern im Geheimen“, beschreibt es Thomas Achenbach. Sie redeten weniger über ihre Gefühle und gehen eher mit Verstand an Themen wie Trauer und Verzweiflung heran: „Sie wollen Wissen sammeln.“ Außerdem zweifelten sie oft an sich und daran, ob sie noch „ganz bei Trost sind“.
Fahrradtouren und männliche Therapeuten
Und Männer kommen für Roland Kachler nicht in eine Phase des Erlebens. Er appelliert jedoch, dies nicht vorschnell negativ zu bewerten: „Wir müssen Männer aber dazu einladen, anders in eine Trauerarbeit zu gehen.“ Und zwar über eine körperliche Variante. „Wenn Sie Männer zu einer Gesprächsgruppe einladen, haben Sie ein Problem, weil kaum jemand kommt. Aber ein Wanderwochenende für trauernde Väter oder Fahrradtouren für Trauernde werden angenommen.“
Thomas Achenbach hat die Erfahrung gemacht, dass bei der Trauerbegleitung von Männern die Gefühle über das gemeinsame Gehen oder Wandern ins Laufen kommen können – da sie sich dabei am ehesten öffnen und fallen lassen. „Es kommt auf das richtige Setting an“, sagt er. „Sich in einem Raum gegenüberzusitzen, wird von manchen als ungewohnt oder gar als bedrohlich empfunden“, sagt er.
Auch gemeinsam einen Grabstein oder auch eine Website für den verstorbenen Menschen zu gestalten, kann helfen, sagt Roland Kachler. „Es geht darum, über das Tun ins Reden zu kommen – und dann vielleicht auch ins Weinen und Spüren.“
Thomas Achenbach ist überzeugt: „Es gibt männliche Wege ins Innenleben. Wege, die anders sind als weibliche Wege. Das ist wichtig: dass man den Männern ihren eigenen Weg überlässt.“ Wer auf diesem Weg dabei Hilfe benötigt, sollte die am besten bei einem männlichen Trauerbegleiter oder Therapeuten in Anspruch nehmen, lautet der Rat der Fachleute. Quelle: ntv.de, Katja Sponholz, dpa
INTERNET – IT – KI
Vortrag Prof. Peter Reichl im Club of Vienna, „Homo cyber – digitalen Wandel für Menschen gestalten“, Wien, 29.02.2024 (1 h 02 min Video)
Der Digitale Wandel fällt nicht vom Himmel – wir machen ihn, und wir lassen ihn in unseren Alltag hinein. Wenn aber der Computer die Lösung ist, was war dann eigentlich die Frage?
Zum 400. Geburtstag des ersten digitalen Rechners, der 1623 von einem Tübinger Hebräischprofessor für den großen Astronomen Johannes Kepler gebaut wurde, gehen wir in diesem Vortrag der Frage nach, was Homo cyber im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz noch wissen kann, was er tun soll und was er vielleicht auch hoffen darf.
Im Vortrag werden die „zarten Keime“ eines wieder menschlicher werdenden Umgangs mit zukünftiger Technologie, wie es sich der „Digitale Humanismus“ heute zum Anliegen macht, offen gelegt.
BILDUNG
15. Österreichischer Zeitgeschichtetag: Zeitenwenden – Wendezeiten? – 11.-13. April 2024, Universität Graz
Politik, Zeitgeist und finanzielle Nöte bringen die Freiheit der Forschung in Bedrängnis
„Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“, heißt es im Staatsgrundgesetz – Die Praxis sieht anders aus, stellen Wissenschaftler im aktuellen Pragmaticus fest
Schaan/Wien (OTS) – „Nichts ist der Freiheit und damit dem Fortschritt der Wissenschaften abträglicher als ein Bekenntniszwang. Und dies gilt generell, denn in der Wissenschaft geht es nicht um Be-, sondern um Erkenntnisse“, kritisiert Philosoph Konrad Paul Liessmann in der aktuellen Titelgeschichte des Magazins Der Pragmaticus die Instrumentalisierung der Wissenschaft für politische Zwecke.
Wie Dogmatiker der Forschung und Gesellschaft schaden, schildert die Historikerin und Soziologin Sandra Kostner. Der Physiker und Kabarettist Vince Ebert kritisiert, dass Zeitgeist und Politik die Richtung vorgeben. Und die Neurowissenschaftlerin Manuela Macedonia beschreibt, wie schwer es ist, die eigene Forschung überhaupt zu finanzieren. Ihr Fazit: „Die Zeiten, in denen die Universitäten freies Forschen ermöglichten, ‚ohne Rücksicht darauf, ob es einen Nutzen haben könnte‘ (wie Nobelpreisträger Anton Zeilinger fordert), sind längst vorbei.“
Rückfragen & Kontakt:
Der Pragmaticus Verlag AG
Chefredakteur Andreas Schnauder
andreas.schnauder@derpragmaticus.com
Andreas Schnauder ist Chefredakteur bei neuem Mateschitz-Projekt „Der Pragmaticus“ – journalist:in, 9.9.2021
Prinz Michael von und zu Liechtenstein ist Herausgeber. Die Online-Plattform und die monatliche Zeitung wollen unverfälschtes Expertenwissen liefern.
Wien − Der österreichische Milliardär und Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz startet ein neues Medienprojekt. Die Online-Plattform „Der Pragmaticus“ solle ab sofort Expertinnen und Experten Raum geben, abseits von tagespolitischen Debatten in einem großzügigen Umfang ihre Inhalte „unverfälscht“ zu publizieren, teilte der dazugehörige Verlag am Freitag mit.
„Unser Ziel ist, realistisch an Situationen heranzugehen und nicht in vorgefertigten Modellen zu denken. Kurz: pragmatisch zu handeln“, wird der Initiator und Herausgeber des Mediums, Prinz Michael von und zu Liechtenstein zitiert. Ein monatliches Printmedium mit einer Auflage von 200.000 Exemplaren solle erstmals am nächsten Montag erscheinen.
Der „Pragmaticus“ setze auf ein Netzwerk von über 100 Expertinnen und Experten, hieß es. Motto sei, Pragmatismus statt Ideologie, unaufgeregter Tonfall statt Alarmismus. Die Plattform thematisiert zum Auftakt Fragen zur Elektromobilität. Der ehemalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel schreibt über die China-Politik.
Die von Mateschitz lancierte Rechercheplattform „Addendum“ war vor fast einem Jahr eingestellt worden. Die 2017 gegründete Plattform sollte Ergänzendes liefern, das in klassischen Medien angeblich fehle.
KOMMENTAR: Weg mit dem Bekenntniszwang! – Konrad Paul Liessmann, Pragmaticus
Konformismus und Aktivismus infizieren die Wissenschaft. Das sind schlechte Voraussetzungen für bahnbrechende Entdeckungen.
olgt der Wissenschaft! Kaum ein Imperativ erfuhr in der letzten Zeit so viel begeisterte Zustimmung wie diese schlichte Aufforderung. Follow the Science! Das war eine der Parolen, mit denen Greta Thunberg die Klimabewegung enthusiasmierte, und der zeitweilige Schulterschluss zwischen „Scientists for Future“ und umweltbesorgten Aktivisten schien ein durchaus erfolgversprechendes Bündnis zur Bekämpfung des globalen Klimawandels. Allen, die diesem Ruf nicht bereitwillig folgen wollten, konnte man Ignoranz, Wissenschaftsskepsis, Anfälligkeit für Verschwörungstheorien oder Schlimmeres vorwerfen
Aus den eindeutigen wissenschaftlichen Befunden scheint klar hervorzugehen, was getan werden muss, nur die verstockte Politik hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt.
Konsens heißt nicht Wahrheit
An dieser so plausiblen Argumentation ist einiges höchst fragwürdig. Allein die Annahme, es gäbe „die“ Wissenschaft, ist irrig. Abgesehen von den methodischen und atmosphärischen Welten, die Geistes- und Naturwissenschaften trennen, ist die neuzeitliche Wissenschaft durch Kontroversen, nicht durch Uniformität gekennzeichnet. Einander widersprechende Hypothesen und Theorien erzeugen eine Dynamik, die einen wohl gut bestätigte von fragwürdigen Konzepten unterscheiden lässt, aber keine Gewissheit geben kann.
Die Überlegung, dass jenen Erkenntnissen am ehesten zu trauen ist, zu denen sich eine Mehrheit der Forscher bekennt, hat einiges für sich und ist in der Wissenschaftsphilosophie als „Konsenstheorie der Wahrheit“ bekannt geworden: Wahr ist, worauf sich – wenn nicht alle, dann doch die meisten ausgewiesenen Vertreter eines Faches einigen können. Gegen diese Argumentation spricht nicht viel – außer die historische Erfahrung. Sie zeigt, dass gerade bahnbrechende Entdeckungen selten in den Zentren des etablierten Wissenschaftsbetriebs entstanden.
Dieser ist seiner Struktur nach beharrend und fördert den Konformismus. Es waren und sind oft die marginalisierten, mitunter verhöhnten Außenseiter, die keine Angst vor originellen und disruptiven Ansätzen haben und so dem Neuen auf der Spur sind. Entscheidend für den Fortschritt ist eine fruchtbare Spannung zwischen Affirmation und Dissens. Keine Wissenschaft spricht mit einer Stimme. Eine dynamische Wissenschaft sollte deshalb offen sein für konkurrierende Theorien, auch wenn diese manchmal abstrus erscheinen mögen.
Die aktuelle akademische Praxis, die die wissenschaftliche Qualität vorrangig an den Publikationen in Mainstream-Journals misst, läuft nach Ansicht kritischer Beobachter Gefahr, Mittelmaß und Konformismus zu befördern. Das Gleiche gilt für eine Projektförderungspolitik, die bei Einreichung eines Antrags schon verbindliche Auskunft über die zu erwartenden Ergebnisse einfordert. Neugier sieht anders aus.
Höchst problematisch aber wird es, wenn die Forschung nicht nur durch Publikations- und Bewertungslogiken implizit gesteuert, sondern offen politischen, ökonomischen oder moralischen Imperativen untergeordnet wird. So gilt es heute als fortschrittlich, selbst methodisch saubere und empirisch korrekte Untersuchungen zu unterlassen, wenn diese zu Ergebnissen führen könnten, die Menschen in ihrer Befindlichkeit und Identität womöglich verletzen. Wer seine Forschung mit solch einer Schere im Kopf betreibt oder betreiben muss, wird wahrscheinlich wenig Anstößiges, aber auch kaum Außergewöhnliches hervorbringen.
Auch Freud oder Darwin eckten an
Legte man ähnliche Maßstäbe übrigens an die Vergangenheit an, hätte die Veröffentlichung der Überlegungen von Nikolaus Kopernikus, Charles Darwin und Sigmund Freud eigentlich unterbleiben müssen. Denn deren Theorien stellten ungeheure Kränkungen des Menschen dar, der sich nun aus seiner privilegierten Stellung als Mittelpunkt des Universums, Krone der Schöpfung und selbstbewusstes Wesen vertrieben sah. Je näher die Wissenschaften am Menschen operieren, desto widersprüchlicher und verstörender können sie werden.
Dass es zur wissenschaftlichen Redlichkeit gehört, seine Argumente nie ad personam vorzutragen, versteht sich von selbst. Das Problem heute besteht darin, dass sich viele Zeitgenossen zunehmend so sehr mit wissenschaftlichen oder ideologischen Positionen identifizieren, dass etwa einer biologisch fundierten Argumentation über Zweigeschlechtlichkeit nicht mehr sachlich widersprochen, sondern diese als transfeindlich klassifiziert und damit als Angriff auf eine Menschengruppe interpretiert wird. Unter dieser Voraussetzung aber wird tendenziell jeder Diskurs, jede Kontroverse verunmöglicht. Wenn gilt: „Wer meine Theorie angreift, greift mich an“, ist die Freiheit der Wissenschaft an ein Ende gekommen.
Erinnerungen an die DDR werden wach
„Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ Dieser legendäre Satz aus dem österreichischen Staatsgrundgesetz von 1867 gab immer schon Anlass zu mannigfaltigen Interpretationen. In einem absoluten Sinn ist Wissenschaft natürlich nie frei, sie ist eingebettet in ökonomische Rahmenbedingungen, politische Erwartungen, einen ideologisch oder religiös geprägten Zeitgeist. Diese Verhältnisse können, je nach Weltlage, die Wissenschaften mehr oder weniger streng an die Kandare nehmen.
Natürlich wäre es wünschenswert, wenn zumindest die staatlich finanzierten Forschungen ein Höchstmaß an Unabhängigkeit genießen könnten, aber mitunter scheint das Gegenteil der Fall. So forderte die Universität Frankfurt jüngst alle Fachbereiche auf, in ihre Forschungsvorhaben die Aspekte „Geschlecht und Vielfalt“ einzubeziehen – auch in Astrophysik und Molekularbiologie. Das erinnert fatal an die DDR, in der kein wissenschaftliches Werk erscheinen durfte, dem nicht ein Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus vorangestellt war. Nichts ist der Freiheit und damit dem Fortschritt der Wissenschaften abträglicher als ein Bekenntniszwang. Und dies gilt generell, denn in der Wissenschaft geht es nicht um Be-, sondern um Erkenntnisse.
Wissenschaftliche Forschung von Werturteilen freihalten
Den entscheidenden Aspekt der Freiheit der Wissenschaft hat der große Soziologe Max Weber bündig benannt: Es geht darum, die wissenschaftliche Forschung von Werturteilen freizuhalten. Natürlich ist das ein Ideal, denn jeder Forscher ist ein politischer Mensch, fühlt sich einer bestimmten Moral verpflichtet, wertet und bewertet nach subjektiven Maßstäben seine wissenschaftliche Arbeit. Aber es ginge darum, sich dieser Beschränkungen bewusst zu werden und soziale und politische Einflüsse nach Möglichkeit zurückzudrängen.
Heute verkehren sich die Verhältnisse. Die wissenschaftliche Erkenntnis wird mit einem Werturteil gleichgesetzt, und manche ideologisch nur notdürftig verbrämten Werturteile über die Gesellschaft, den Kapitalismus, das Klima und die Digitalisierung geben der Forschung den Takt vor. Diese versteht sich zunehmend selbst als politisches Unternehmen. Die sinnfälligste Erscheinungsform dieser Koppelung ist der Wissenschaftler als Aktivist bzw. der Aktivist, der sich als Vollzugsorgan der Wissenschaft sieht.
Nun steht es jedem Bürger frei, im Rahmen seiner demokratischen Rechte an Initiativen, Protesten und Demonstrationen teilzunehmen. Sollte es dabei zu strafrechtlich relevanten Handlungen kommen, sind ohnehin Polizei und Justiz gefragt. Inwiefern Letztere ein Auge zudrückt, handelt es sich um medial akklamierte Aktionen, ist eine andere Frage. Doch darum geht es in unserem Zusammenhang nicht. Vielmehr geht es um die These, dass wissenschaftliche Forschung in Aktionismus umschlagen muss, will sie sich und ihre Ergebnisse ernst nehmen. Einige Klimaforscher, die man auf der Straße wiederfindet, argumentieren gerne so. Diese Denkfigur zehrt noch immer vom Pathos der 11. Feuerbachthese von Karl Marx: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“
Allerdings ist eine kleine Akzentverschiebung zu bemerken: Aktuell kömmt es drauf an, die Welt zu retten! Inwiefern die von Marx inspirierten Weltveränderungsversuche, die in totalitäre kommunistische Herrschaftsformen wie den Stalinismus mündeten, auch einen Schatten auf rezente Wiederbelebungsversuche dieser These werfen, bleibe dahingestellt. Interessant immerhin, dass die linken Revolutionäre, Diktatoren und Schlächter des 20. Jahrhunderts sich dabei fest auf dem Boden einer „materialistischen Wissenschaft“ wähnten. Das zumindest könnte zu denken geben.
Wissenschaft ist nicht Politik
Man darf sich nichts vormachen. Die Logik des politischen Aktivismus ist der Logik der Wissenschaften diametral entgegengesetzt. Es liegt im Wesen der modernen Wissenschaft, dass aus ihren Erkenntnissen tatsächlich keine unmittelbaren Handlungsanleitungen folgen. Wissenschaft beschreibt, erklärt, experimentiert, formuliert Hypothesen, entwirft Theorien und entwickelt Modelle, die unterschiedliche mögliche Szenarien antizipieren. Was dann getan, wie im Ernstfall gehandelt werden soll, ist jedoch keine Frage der Wissenschaft, sondern eine politische Entscheidung. Man kann der Wissenschaft also gar nicht folgen, man kann bestenfalls Forschungsergebnisse in die Motive seines Handelns einfließen lassen.
Dem Aktivismus geht es deshalb nicht um Wissenschaft, sondern um deren Instrumentalisierung. Die Wissenschaft wird vorgeschoben, um politische Ziele über außerparlamentarische Verfahren durchzusetzen und um spektakuläre und medienwirksame Interventionen zu rechtfertigen. Wissenschaft lebt vom Diskurs, Aktivismus zerstört jeden Diskurs. Wissenschaft gründet im Wissen, dass der Irrtum immer möglich ist, Aktivismus in der Gewissheit, im Besitz der Wahrheit zu sein. Wissenschaft benötigt die offene intellektuelle Auseinandersetzung, der Aktivismus befördert die Verengung. Wissenschaft braucht Podien, der Aktivismus sprengt diese. Ein Wissenschaftler, der sich als Aktivist versteht, muss die Freiheit des Denkens zugunsten der politischen Erfordernisse und der Logik eines Machtkalküls aufgeben. Das kann einer Aktion zum Erfolg verhelfen, der Wissenschaft wird es schaden.
In Zeiten einer aufgeheizten politischen Empörungs- und Protestkultur macht sich jeder verdächtig, der eine intellektuelle Distanz wahren will. Der Vorwurf, damit im Elfenbeinturm zu verharren, ist schnell zur Hand. Das ist nicht neu. Schon Theodor W. Adorno, einer der Väter der neomarxistisch inspirierten Kritischen Theorie, stellte fest: „Beargwöhnt wird, wer nicht fest zupacken, nicht die Hände sich schmutzig machen möchte.“ Adorno war von seinen Studenten vorgeworfen worden, sich nicht an den revolutionären Umtrieben der späten Sechzigerjahre beteiligt zu haben. Der Philosoph stellte jedoch klar: Aus der Aufforderung zum Aktivismus wird schneller ein „Denkverbot“, als es manchen lieb sein kann.
Was Adorno für seine Zeit diagnostizierte, lässt sich auch gegenwärtig beobachten: eine „repressive Intoleranz“ gegenüber jedem Gedanken, dem nicht sogleich die „Anweisung zu Aktionen beigesellt ist“. So verständlich die Aufforderungen, doch endlich etwas zu tun, sein mögen – sie haben ihren Preis: „Denken, als bloßes Instrument von Aktionen, stumpft ab.“
Sabotierte Neugierde
Es gibt für Wissenschaftler und Intellektuelle also gute Gründe, die Berührung mit dem Schmutz des politischen Geschäfts zu vermeiden. Nicht, weil dieses unnötig oder prinzipiell prekär wäre, sondern weil es den Prozess der theoretischen Neugierde sabotiert, weil es die Offenheit des Diskurses, ohne die es keinen Fortschritt gibt, blockiert.
Es kann deshalb schon auch beunruhigen, mit welch demonstrativer Lust zeitgenössische Aktivisten in diesem Schmutz wühlen. Sie bewerfen Kunstwerke mit Suppe und Brei, sie kleben sich an staubige Straßen, sie beschmieren Fassaden und Denkmäler – so, als wollten sie Adornos These demonstrativ bestätigen: Wir machen uns, um die Welt zu retten, gerne die Hände schmutzig; dafür verzichten wir aufs Denken. Im Notstand bleibt keine Zeit für Reflexion. Das mag für junge Weltretter eine sinnerfüllte Maxime sein. Für die Wissenschaft und ihre Freiheit ist es ein Desaster.
Kein Platz für Spinner – Manuela Macedonia, Der Pragmaticus
Geld regiert die Welt, und für die Wissenschaft gibt es da keine Ausnahme. Akademische Forschung zu finanzieren, kann ausgesprochen mühsam sein.
Auf den Punkt gebracht
- Nobelpreisträger. Die Freiheit, wie sie Anton Zeilinger für die Forschung fordert, ist an den heutigen Universitäten nur mehr eine blasse Erinnerung.
- Geldmangel. Für die Finanzierung sind zum größten Teil Förderagenturen zuständig, deren Anforderungen in der Grundlagenforschung kaum zu erfüllen sind.
- Bürokratie. Über die Qualität von Förderanträgen der Wissenschaftler entscheiden deren Konkurrenten auf dem jeweiligen Fachgebiet.
- Forschungskorridor. In den EU-Fördertöpfen ist die Richtung der Forschungsinhalte vorgegeben. Wer gegen den Mainstream forschen möchte, geht meist leer aus.
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KOMMENTAR: Erkenntnis braucht keinen Zeitgeist – Vince Ebert, Pragmaticus
Zeitgeist und Politik geben die Richtung vor: Kernphysiker bekommen für ihre Forschung fast kein Geld mehr, Öko-Lobbyisten und Weltretter werden hofiert.
Allein dadurch, dass Fördermittel nach politischem Kalkül verteilt werden, bleibt es nicht aus, dass bestimmte Forschungsbereiche viel und andere wenig bekommen.
Von Albert Einstein stammt der schöne Satz: „Wenn wir wüssten, was wir tun, wäre es keine Forschung.“ Und tatsächlich entstanden viele wissenschaftliche und technologische Durchbrüche aus Versehen. Porzellan wurde erfunden, weil die Alchemisten Gold herstellen wollten. Tesafilm sollte ursprünglich Heftpflaster werden. Viagra wurde entdeckt, weil männliche Versuchspersonen ein Herzmedikament in der Testphase partout nicht mehr absetzen wollten. …
Gezielte Maßnahmen für weniger bildungsaffine Gruppen erforderlich – WIFO-Studie zur Bildungskarenz – 26.3.2024
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) hat eine neue Studie zur Inanspruchnahme und Wirkung der Bildungskarenz veröffentlicht, in der erstmals seit langer Zeit die kausalen Effekte auf die Arbeitsmarktintegration der Teilnehmer:innen untersucht wurden.
- Die Studie zeigt, dass die Teilnehmer:innen tendenziell jung, weiblich und höher gebildet sind.
- Etwa die Hälfte verfügt über mindestens einen Maturaabschluss, im Vergleich zu 40% der unselbständig Beschäftigten im erwerbsfähigen Alter.
- Auffallend ist, dass vor allem Personen teilnehmen, die bereits gut in den Arbeitsmarkt integriert sind.
In der Kerngruppe der Personen, die aus einer aktiven Beschäftigung in Bildungskarenz gehen, hat sich die Inanspruchnahme nicht wesentlich verändert. Es gibt zwar mehr Zugänge, jedoch hat sich auch die Zahl der Beschäftigten, also der potenziellen Teilnehmer:innen, stark erhöht. Deutlich zugenommen hat in den letzten Jahren jedoch die Inanspruchnahme der Bildungskarenz nach einer Elternkarenz.
Die Wirkung der Bildungskarenz ist moderat. Bei Teilnehmer:innen aus aktiver Beschäftigung wurde ein leicht negativer Beschäftigungseffekt festgestellt, während Frauen nach einer Elternkarenz einen moderat positiven Effekt verzeichnen konnten. Untersucht wurden Zugänge von 2010 bis 2019 sowie die Wirkung bis zu 12 Jahre nach Teilnahmebeginn. In konkreten Zahlen:
- Die Teilnahme aus aktiver Beschäftigung reduzierte den Anteil der Teilnehmer:innen in Beschäftigung zwölf Jahre nach Teilnahmebeginn um 1,9 Prozentpunkte (von 89,7% auf 87,9%).
- Die Teilnahme nach der Elternkarenz erhöhte die Beschäftigungsquote der teilnehmenden Frauen nach zwölf Jahren um +3,1 Prozentpunkte (von 89,1% auf 92,2%).
Für beide Gruppen führte die Bildungskarenz zu höheren Monatslöhnen. Die aktiv Beschäftigten verzeichneten aufgrund der reduzierten Erwerbstätigkeit einen Rückgang ihrer kumulierten Jahreseinkommen. Im Gegensatz dazu konnten Frauen nach der Elternkarenz von einem höheren kumulierten Einkommen profitieren, da sie vermehrt erwerbstätig waren und von höheren Monatslöhnen profitierten. In konkreten Zahlen:
- Für die aktiv Beschäftigten erhöhte die Teilnahme das Monatseinkommen im 11. Jahr nach Teilnahmebeginn um durchschnittlich 203 € (+6,3%) und reduzierte das kumulierte Jahreseinkommen um 826 € (–2,6%).
- Für Frauen mit Bildungskarenz nach Elternkarenz erhöhte die Teilnahme das Monatseinkommen im 11. Jahr um durchschnittlich 182 € (+7,7%) und das kumulierte Jahreseinkommen um 2.381 € (+10,7%).
Eine umfangreiche Befragung der Teilnehmer:innen ergab eine durchwegs positive Beurteilung der Bildungskarenz als Möglichkeit zur Qualifizierung, persönlichen Weiterentwicklung, Vereinbarkeit mit Betreuungsaufgaben und gesundheitlichen Stabilisierung. 84% der Befragten gaben an, dass die Bildungskarenz für ihr berufliches Fortkommen relevant war.
Das WIFO betont die zunehmende Bedeutung von Weiterbildung, um mit den Veränderungen in der Arbeitswelt Schritt zu halten und sieht in der Bildungskarenz ein wichtiges Instrument zu deren Förderung. Die Studie zeigt aber eindeutig Verbesserungspotenzial auf.
Um die Arbeitsmarktchancen und die Erwerbsbeteiligung effektiver zu erhöhen, schlägt das WIFO vor, die Bildungskarenz stärker mit geeigneten Weiterbildungsmaßnahmen zu verknüpfen, eine umfassende, proaktive Bildungsberatung anzubieten und gezielt Maßnahmen zu setzen, um weniger gut integrierte, bildungsfernere und ältere Personen zu erreichen. Für diese Gruppen ist eine gezielte Ansprache durch konkrete Weiterbildungsangebote sowie eine angemessene Einkommenssicherung während der Weiterbildung erforderlich.
Eine Intensivierung der Bildungskomponente durch umfassende Bildungsberatung, eine engere Bindung an geeignete Weiterbildungsmaßnahmen und eine Zertifizierung von Bildungsangeboten würde dazu beitragen, dass die Bildungskarenz häufiger im Sinne ihrer eigentlichen Zielsetzung genutzt wird: Erhöhung der Arbeitsmarktchancen durch Weiterbildung. Dies gilt insbesondere auch für die Inanspruchnahme nach der Elternkarenz.
Die Studie zeigt zudem einen Bedarf an ausreichender Betreuungsinfrastruktur und speziellen Bildungsangeboten für Eltern mit Kleinkindern, die in den Beruf zurückkehren wollen.
Für eine gezieltere Ausrichtung auf Bildungsziele und eine bessere Evaluation der Bildungskarenz schlägt das WIFO vor, das Ausbildungsniveau aller Teilnehmer:innen sowie die absolvierten Weiterbildungen zu erfassen.
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