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FAZIT DES TAGES
Israel: Entwicklung steht auf Eskalation, Syrien und die US-Truppen dort im Fokus. Ukraine. Weiter Zermürbungskrieg, unterdessen gibt die EU- grünes Licht für Beitrittsverhandlungen.
Interessante Ukraine-Beitrittsaspekte trägt Wehrschütz im Ö1 Morgenjournal vor, siehe COMMENT: EU-Beitritt der Ukraine als Sprengsatz?
Wirtschaft weltweit weiter eher schwach unterwegs. Büroimmobilien weltweit dauerhaft unter Druck; das zeigt auch die WeWork-Pleite
Konsumenten in der Eurozone sehen Inflationsentwicklung wieder kritischer. „Letzte Meile“ der Inflationsbekämpfung sieht die EZB als die schwierigste Meile an.
IMF warnt und sieht Habecks Strompreisforderung sehr kritisch. Die UNO sieht weiter „boomende“ Öl- und Erdgasförderungen weltweit für viele Jahre.
Deutsche Inflation wie erwartet gesunken. Wirtschaftsweise sehen Rezession kommen.
Vermögen in Deutschland weniger ungleich verteilt als bislang medial vermittelt, wenn man etwas mitbedenkt.
Finanzmarkt habe Immobilienkrise mit verursacht so eine Studie: wirklich?
Studie: Coronavirus-Pandemie beflügelte Demenzentwicklung der Bevölkerung.
Fake-News nagen an positiver Einstellung zur Demokratie.
Mehrere COMMENTS da und dort.
HELLMEYER
- Märkte: Entlastende Impulse vom Ölpreis, dem Rentenmarkt und Chinas Preisdaten
- Ifo – Lage im Einzelhandel trübt sich im Oktober weiter ein
- Wirtschaftsweise erwarten Konjunkturschwäche
MÄRKTE
Märkte: Entlastende Impulse vom Ölpreis, dem Rentenmarkt und Chinas Preisdaten
Die Finanzmärkte zeigen sich weiter widerstandsfähig. Der Ölpreis fiel unter die Marke von 80 USD
(Brent), weil Marktteilnehmer Nachfragerückgänge unterstellen. Das wirkte sich unterstützend für
die Rentenmärkte aus. Es kam zu Renditerückgängen an den Rentenmärkten wegen sinkender
Inflationsgefahren. Zudem lieferte China mit den aktuellen Preisdaten eine deflationäre
Entwicklung (CPI -0,2%, PPI -2,6%).
Der größte Teil Asiens, insbesondere China, weisen unkritische Preisdaten aus. Asien nimmt weit überwiegend nicht an den Sanktionen gegen Russland teil und damit Standortvorteile hinsichtlich der Aspekte der Energieversorgungssicherheit und der Energiepreise. Das erklärt auch das solide Wachstumsbild, dass Asien im Vergleich zum Westen, aber insbesondere zu Deutschland hat.
Die Aktienmärkte lieferten ein heterogenes Bild. Der DAX legte um 0,46% und der EuroStoxx 50
um 0,63% zu. Dagegen kam es zu marginalen Verlusten an US-Märkten S&P 500 -0,05%,
Nasdaq -0,05%). In Fernost ergab sich ein unklares Bild. Der Nikkei (Japan) legte um 1,26%
(Stand 06:14) zu, der CSI 300 (China) stieg um 0,14%, während der Sensex (Indien) um 0,08%
nachgab.
Die Rentenmärkte tendierten freundlich. Die Rendite der 10 jährigen Bundesanleihe stellt sich
aktuell auf 2,62% (Vortag 2,66%), während 10 jährige US-Staatsanleihen 4,51% abwerfen
(Vortag 4,58%).
Der USD gewann unwesentlich gegenüber dem EUR an Boden. Gold und Silber verloren
gegenüber dem USD. Im Hinblick auf die hohen Gold-Zentralbankkäufe im laufenden Jahr, aber
vor allem im dritten Quartal 2023 (337 Tonnen), stellt sich die Frage, welche Rolle „dritte
Hände“ im US-Future-Markt spielen (Future-Markt dominiert in der Preisfindung (noch) den
physischen Markt).
Berichte & Analysen – Auswahl
• Berlin: Aus SPD-Kreisen verlautet, dass die Entscheidung über den
Industriestrompreis in der Bereinigungssitzung zum Haushalt 2024 entschieden
würde.
• Berlin: Das Barometer zur Geschäftslage im Einzelhandel sank von -9,8 Punkten im
September auf -13,4 Punkte im Oktober.
• Berlin: Wirtschaftsweise fordern mehr Tempo bei dem Ausbau der Stromtrassen
und erwarten Rückgang des Defizits und des Schuldenstands 2024 (1,5%, 63,7%).
Der Nahost-Konflikt mache keine Anpassungen der BIP-Prognosen erforderlich.
• Brüssel: EU-Kommission sieht die Voraussetzungen für die Aufnahme von
Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine als weitgehend erfüllt an.
=> ???
• Nahost: US-Außenminister Blinken sprach sich gegen israelische Besetzung des
Gazastreifens aus. G-7 fordern Hilfen für Gazastreifen und kritisieren Siedler.
Belgiens Vize-Ministerpräsidentin fordert Sanktionen gegen Israel wegen
Bombardierung von Krankenhäusern und Flüchtlingslagern.
Zentralbanken mögen die Währung ohne Fehl und Tadel
Im 3. Quartal 2023 haben Zentralbanken insgesamt 337 Tonnen Gold erworben. Es war
das zweithöchste Volumen in einem 3. Quartal (Rekord bisher 3. Quartal 2022).
Deutschland: Wirtschaftsweise: Renteneintrittsalter an Lebenserwartung“ koppeln
Die Wirtschaftsweisen dringen auf eine langfristig orientierte Reform der Gesetzlichen
Rentenversicherung. Unter aktuellem Recht drohte der GRV ein sinkendes
Sicherungsniveau bei stark steigenden Beitragssätzen. Den Experten schwebt eine
Dynamisierung des Renteneintrittsalters vor, die an der absehbar steigenden
Lebenserwartung ansetzt. Kernelemente der Reform sollten demnach die Kopplung
des gesetzlichen Renteneintrittsalters an die fernere Lebenserwartung, kombiniert mit
einer neuen Form der ergänzenden, kapitalgedeckten Altersvorsorge sein
=> Heißes Thema – viel Geld für Dritte – kein Geld für Rentner?
Ifo – Lage im Einzelhandel trübt sich im Oktober weiter ein
Das Barometer zur Geschäftslage im Einzelhandel sank von -9,8 Punkten im Berichtsmonat
September auf – 13,4 Punkte im Oktober. Die Erwartungen an die kommenden Monate hätten
sich leicht verbessert, blieben aber auf einem niedrigen Niveau.
Insgesamt meldeten 53,8% der Einzelhändler von Juli bis September (Vorquartal: 45,4%) eine
zu geringe Nachfrage. Besonders verhalten war die Situation bei Möbelhäusern, Baumärkten
und im Bekleidungshandel. Im 3. Quartal kam dort zu wenig Kundschaft in die Geschäfte: Das
berichteten 58,2% der Baumärkte, 73,7% der Bekleidungshändler und 80,9% der Möbelhäuser.
Kommentar: Die Daten belegen das malade Bild im Einzelhandel. Der Einzelhandel spiegelt die
Gemütslage der Bevölkerung gegenüber der Regierung, die längst keine Mehrheit mehr hat.
Aktuelle Wahlumfragen belegen diese Tatsache. Der Vertrauensverlust der Bürger schlägt sich
auch in der Baubranche und an den Immobilienmärkten nieder. Es ist aber eben nicht nur der
Vertrauensverlust der Bürger, der sich im Einzelhandel, an Immobilienmärkten und in der
Baubranche niederschlägt, sondern es ist der Vertrauensverlust, den die Regierung gegenüber
der Wirtschaft durch eigene diskretionäre Politik, die die Konkurrenzfähigkeit dieses Standorts
wie nie zuvor seit 1949 beschädigt hat, verursacht hat. Daraus ergibt sich schwacher
Auftragseingang, schwache Industrieproduktion und das Investitionsdilemma. Wo wächst
Deutschland? Wo setzt Deutschland sein Steueraufkommen ein, für dieses Land oder für dritte
Länder, obwohl dieses Land wie nie zuvor international zurückfällt?
Wirtschaftsweise erwarten Konjunkturschwäche
Deutschland droht eine Rezession und ohne zeitnahe Reformen eine chronische
Wachstumsschwäche. Der Sachverständigenrat erwartet laut aktuellem Jahresgutachten für
die Bundesregierung, dass das BIP 2023 um 0,4% sinkt und 2024 um 0,7% zulegt
(Regierungsprognose 2024 1,3%?). Deutschland wird dieses Jahr laut IWF als einzige große
Volkswirtschaft schrumpfen. Nach Projektionen der Wirtschaftsweisen ist in den kommenden
10 Jahren ein Potenzialwachstum von nur circa 0,4% pro Jahr zu erwarten. Sie sehen großen
Reformbedarf, um Deutschland wirtschaftlich wieder auf den Weg zu bringen, insbesondere in
Sachen Investitionen und Produktivität.
Kommentar: Die Wirtschaftsweisen liefern eine Nacherzählung und erfassen das
Investitionsdilemma nur in Teilen. Bei dem Reformbedarf stimme ich zu. Der ist jedoch seit
mehr als 18 Jahren gegeben (Infrastruktur, IT-Airbus, Bildungssystem, Bürokratie, Steuern,
Demografie (Anreizsysteme, Förderung von Familien)).
Bundeskanzler Scholz betonte, die weltweite Nachfrage hätte gelitten: Die Wirtschaftsweisen
monieren, dass die unerwartet schleppende Erholung der Weltwirtschaft, insbesondere Chinas,
sich fortsetzen würde und im Jahr 2024 die deutschen Exporte bremsen würde.
Kommentar: Glasklarer Widerspruch! Die Weltwirtschaft wächst mit circa 3%, Asien mit 5,2%,
China mit 5,4%. Die Wirtschaftsweisen zeigen sich mehr als handzahm gegenüber der
Regierung, es „riecht“ nach „politischer Korrektheit“. USA und Japan, zwei Konkurrenten der
westlichen Wirtschaftswelt, laufen viel besser (BIP im Dunstkreis von 2%), es hängt am Thema
Energie (USA: Uran-Importe aus Russland, Japan Energieimporte aus Russland via Sachalin)
und es hängt an dem Thema, dass die EU und Deutschland anders als die USA und Japan
keine interessenorientierte Politik (!) umsetzen. Wir empfehlen den Wirtschaftsweisen die
Lektüre dieses Reports.
Die Wachstumsbremse zu lösen, würde nicht leicht werden: Mittelfristig würde das Wachstum
vor allem gebremst durch die demografische Alterung, das geringe Produktivitätswachstum,
den veralteten Kapitalstock der Industrie und die geringe Anzahl junger, innovativer
Unternehmen. Investitionen käme entscheidende Bedeutung zu, um die Volkswirtschaft wieder
nachhaltig auf Wachstumskurs zu bringen. Ein massiver Ausbau der Digital- und
Energieinfrastruktur und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren seien dringend
notwendig, um die Attraktivität von Investitionen zu erhöhen.
Kommentar: Problem demografische Alterung – kurzfristig attraktives Einwanderungsgesetz
für Hochqualifizierte, langfristig Anreizsysteme für Familien (z.B. Steuerreduktion). Problem
Produktivitätswachstum: IT-Airbus (nicht nur Netzte, sondern Hard- und Software, Schutz
unserer Daten und des intellektuellen Eigentums!) Wird in diesem Report seit Snowdon
gefordert (Beweis des Missbrauchs durch USA)! Problem veralteter Kapitalstock: Deutschland
hat 1.600 von 3.400 „Hidden Champions“, das ist nicht veraltetet! – Antwort Förderung des
Mittelstands, der uns maßgeblich trägt! Förderung der „Start-up Szene.
Bundeskanzler Scholz hatte bezüglich des ökologischen Umbaus von einem neuen
Wirtschaftswunder gesprochen. Dies sei kein Selbstläufer: Denn das Ersetzen von Anlagen im
Zuge der grünen Transformation sorge nicht für Wachstum. Um zu Wirtschaftswunder zu
kommen, müssten neue Anlagen entstehen, die produktiver seien als die alten Anlagen.
Kommentar: Die Wirtschaftsweisen lassen Energieversorgungssicherheit und Energiepreis-
konkurrenzfähigkeit außer Acht. Daran hängt das Thema Investitionsstandort D. Ohne
Investitionen geht nichts, weil ohne Energieversorgungssicherheit und konkurrenzfähige Preise
nichts in einem seit 300 Jahren andauernden energetischem Zeitalter geht (Wohlstand und
Wachstum korreliert mit effizienterem Einsatz der Energie)! Das wissen Wirtschaftsfachleute.
Datenpotpourri
Einzelhandelsumsätze schwächer
Der Einzelhandelsumsätze sanken per September im Monatsvergleich um 0,3% (Prognose -0,2) nach zuvor -0,7% (revidiert von -1,2%). Im Jahresvergleich stellte sich ein Rückgang um 2,9% (Prognose -3,1%) nach zuvor -1,8% (revidiert von -2,1%) ein.
Deutschland: Die Verbraucherpreise waren gemäß finaler Berechnung per Oktober im
Monatsvergleich unverändert. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 3,8%. Beides
entsprach den Prognosen und vorläufigen Werten.
China: Deflation in China
Die Verbraucherpreise sanken per Oktober im Jahresvergleich um 0,2% (Prognose -0,1%) nach zuvor 0,0%.
Die Erzeugerpreise sanken per Oktober im Jahresvergleich um 2,6% (Prognose -2,7%) nach zuvor -2,5%.
USA: Gute Daten vom US-Großhandel
Der von der MBA berechnete Hypothekenmarktindex lag per Stichtag 3. November 2023 bei 165,9 nach zuvor 161,8 Zählern.
Die Großhandelslagerbestände verzeichneten per September im Monatsvergleich einen
Anstieg um 0,2% (Prognose 0,0%) nach zuvor 0,0%. Der Absatz legte im Monatsvergleich um 2,2% zu (Prognose 0,8%) nach zuvor 2,0% zu (revidiert von 1,8%).
Japan: Stimmung etwas eingetrübter
Der Index „Economy Watcher‘s Poll“ stellte sich per Berichtsmonat Oktober auf 49,5 nach zuvor 49,9 Punkten.
Hier den Hellmeyer Report herunterladen!
ÜBERSICHT
Graphik-Link DAX Deutsche Börse
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Termine
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Marktumfeld
HB – Nicht von kurzer Dauer: Büroimmobilien global unter starkem Druck
Der Büroimmobilienmarkt steht stark unter Druck. Vielerorts sinken angesichts der rasant gestiegenen Zinsen die Bewertungen von Gebäuden. Parallel führt der Trend zum Homeoffice zu teils hohen Leerständen, vor allem in den USA. Experten sehen die Insolvenz des Bürovermieters Wework als weiteres schlechtes Omen, vor allem weil im kommenden Jahr zahlreiche Akteure große Hypotheken refinanzieren müssen.
„Wework war das Produkt eines Booms, und während eines Booms ignorieren die Investoren die blinkenden Warnlichter“, meint Steve Clayton vom britischen Broker Hargreaves Lansdown. „Der Verlust eines Mieters, insbesondere in einer Zeit relativ schwieriger Bürovermietung, wird sich negativ auf den Cashflow und den Wert von Bürogebäuden auswirken“, erläutert Moody’s-Analyst Jeffrey Havsy. „Dies wird die negative Stimmung auf dem Markt noch verstärken und die Finanzierung erschweren.“
Von der Agentur Reuters befragte Analysten schätzen das gesamte weltweite Kreditvolumen am Gewerbeimmobilienmarkt auf rund zwei Billionen Dollar, in den USA teilt sich das ungefähr hälftig zwischen den Banken und anderen Finanzierern auf, in Europa entfällt den Schätzungen zufolge 85 Prozent des Finanzierungsvolumens auf die Banken.
Nach Einschätzung der Investmentbank Goldman Sachs herrscht am US-Markt für Gewerbeimmobilien, ausgelöst durch die steigenden Zinsen und den Rückzug vieler Banken, mittlerweile „substanzieller Stress“ – und nirgends zeige sich dieser Stress stärker als am Büromarkt. Stijn Van Nieuwerburgh von der Columbia Business School geht davon aus, dass der Markt Jahre brauchen wird, um sich zu stabilisieren, und dass sich die Investoren auf erhebliche Verluste einstellen müssten.
Zentralbanken
Cleveland Fed startet Suche für Mester-Nachfolge
Die Federal Reserve Bank of Cleveland hat die Suche nach einer Nachfolge für ihre Präsidentin Loretta Mester eingeleitet. Die Amtszeit von Mester endet nach Angaben der Cleveland Fed am 30. Juni 2024, da die Präsidentin der regionalen Notenbank das vorgeschriebene Rentenalter erreicht. Mester, die vergangenen Monat 65 Jahre alt wurde, steht seit Juni 2014 an der Spitze der Cleveland Fed.
Japans Zentralbank könnte geldpolitische Lockerung anpassen
Nach Aussage des japanischen Notenbankchefs Kazuo Ueda könnte die Bank of Japan (BoJ) die Rücknahme der geldpolitischen Lockerung in Erwägung ziehen, bevor das Tempo des Lohnwachstums das der Inflation übersteigt. Die Notenbank könnte die Steuerung der Zinskurve oder die negativen Zinssätze anpassen, bevor die inflationsbereinigten Löhne steigen, sagte Ueda im Parlament.
EZB teilt bei siebentägigem Dollar-Tender 281,0 Millionen zu
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihrem Dollar-Tender mit einer Laufzeit von sieben Tagen 281,0 Millionen US-Dollar an vier Banken zugeteilt. Beim vorherigen Geschäft hatten drei Banken eine Summe von 234,5 Millionen nachgefragt und erhalten. Der Tender hat einen Festzinssatz von 5,58 (zuvor: 5,58) Prozent. Im März 2020 hatte die US-Notenbank mit fünf weiteren Zentralbanken, darunter die EZB, im Zuge der Pandemie-Krise vereinbart, die weltweite Versorgung mit Dollar-Liquidität zu verbessern.
EZB: Inflationserwartungen von Konsumenten steigen im September
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Inflationserwartungen von Konsumenten im Euroraum sind im September spürbar gestiegen und lagen weiterhin deutlich oberhalb des Inflationsziels der EZB von 2 Prozent. Wie aus der jüngsten Konsumentenumfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) hervorgeht, erwarteten die Konsumenten, dass die Verbraucherpreise in den nächsten zwölf Monaten um 4,0 (August: 3,5) Prozent steigen werden. Auf Sicht von drei Jahren sahen sie die Inflation jedoch weiter bei 2,5 Prozent.
Die Konsumenten rechnen zudem damit, dass ihre Einkommen in den nächsten zwölf Monaten um 1,5 (1,5) Prozent steigen würden, während die Erwartung für das nominale Ausgabenwachstum in den nächsten zwölf Monaten auf 3,4 (3,3) Prozent leicht zulegte.
Die wirtschaftliche Lage im Euroraum wird sich nach Einschätzung der Konsumenten in den nächsten zwölf Monaten eintrüben. Sie rechnen mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,2 (0,8) Prozent. Die Erwartung für die Arbeitslosenquote stieg auf 11,4 (11,1) Prozent.
dpa-AFX: … Die Erwartungen liegen damit teils deutlich über dem von der Notenbank anvisierten Inflationsziel von zwei Prozent. Allerdings hatten sie im vergangenen Jahr nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine noch viel höher gelegen. In den vergangenen Monaten sind die Raten aber tendenziell gefallen.
Die tatsächliche Inflation ist in den vergangenen Monaten ebenfalls gesunken. Zuletzt hatte sie im Oktober einer ersten Schätzung zufolge 2,9 Prozent betragen – nach mehr als 10 Prozent im Jahr 2022. Die EZB hat ihre Leitzinsen im Kampf gegen die hohe Teuerung seit Mitte 2022 deutlich angehoben. Zuletzt hatte sie aber angesichts gesunkener Inflationsraten nicht weiter an der Zinsschraube gedreht.
Die EZB fragte die Verbraucher auch nach ihrer Inflationswahrnehmung. Demnach lag die sogenannte gefühlte Inflation leicht bei 8,0 Prozent – nach 7,9 Prozent zuvor.
Die Verbraucherumfrage („Consumer Expectations Survey“) erscheint monatlich. Befragt werden etwa 14 000 Personen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden und Belgien. Die Länder stehen für etwa 85 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Eurozone. Inflationserwartungen spielen eine wichtige Rolle für die Geldpolitik der EZB./la/jsl/mis
EZB/Nagel: „Letzte Meile“ vor Inflationziel ist die härteste
FRANKFURT (Dow Jones)–Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach den Worten von Ratsmitglied Joachim Nagel ihren Kurs bei der Inflationsbekämpfung halten. „Angesichts der sichtbaren Konjunkturabschwächung könnte die ‚letzte Meile‘, bevor wir unser Inflationsziel erreichen, die härteste sein“, sagte der Bundesbankpräsident bei einer Rede in London. „In dieser Situation ist es hilfreich, sich an die Abfolge der geldpolitischen Übertragung zu erinnern.“
Eine geldpolitische Straffung werde zunächst auf die Finanzierungsbedingungen im weiteren Sinne übertragen. Straffere Finanzierungsbedingungen bremsten dann die Realwirtschaft. „An diesem Punkt befinden wir uns derzeit“, sagte Nagel. „Und mit einer weiteren zeitlichen Verzögerung übt die Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit Abwärtsdruck auf die Inflation aus. Die Geldpolitik hat bereits begonnen, die Inflation zu dämpfen. Und sie wird dies auch in den Jahren 2024 und 2025 tun.“
Bei ihrer nächsten Sitzung im Dezember werde die EZB mehr harte Daten und vor allem neue Prognosen von Experten des Eurosystems haben. „Auf dieser Grundlage werden wir dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen“, sagte Nagel. „Wir werden den Kurs beibehalten. Ich bin fest davon überzeugt und persönlich verpflichtet: Das Eurosystem wird dafür sorgen, dass die Inflation zu unserem Ziel von 2 Prozent zurückkehrt. Wir werden Preisstabilität erreichen.“
COMMENT: „Letzte Meile die härteste“: Ganz ähnlich hatte sich Schnabel jüngst geäußert. So wie die Inflation in die Unternehmen nach und nach hineingekrochen ist, so wird sie sich nach und nach aus den Unternehmen verabschieden. Das dauert einige Zeit. Was in den Fokus der Anleger gerät, ist die Konjunktur, nicht so sehr der Inflationsrückgang, es sei denn, aus der Inflation würde eine Deflation: die würde aus der Kaufzurückhaltung der Konsumenten aus Spargründen eine Kaufzurückhaltung durch Warten auf niedrigere Preise machen.
INTERNATIONAL
IWF-Europadirektor hält Industriestrompreis für schädlich
Der Europa-Direktor des Internationale Währungsfonds (IWF), Alfred Kammer, hat die Bundesregierung vor der Einführung eines Industriestrompreises gewarnt. Bei einem verbilligten Strompreis für besonders energieintensive Industriezweige wäre „das Geld nicht gut angelegt“, sagte Kammer in Brüssel. Er widersprach damit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Ein solcher Industriestrompreis habe mehrere Nachteile, argumentierte Kammer. „Er treibt die Strompreise für diejenigen in die Höhe, die nicht unter das Subventionsprogramm fallen, und er subventioniert erneut fossile Brennstoffe, von denen wir weg wollen.“
UNO: Förderpläne für Öl, Gas und Kohle gegen 1,5-Grad-Ziel
Die weltweit geplanten Fördermengen an Kohle, Öl und Gas übersteigen weiterhin deutlich das für eine Eindämmung des Klimawandels zulässige Maß.
Die von Staaten geplante Produktion für 2030 betrage mehr als das Doppelte (110 Prozent mehr) dessen, was mit dem im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius vereinbar wäre, heißt es in einem heute veröffentlichten Bericht des UNO-Umweltprogramms (UNEP) und führender Forschungsinstitute.
Weltweit werde noch bis 2030 mehr Kohle produziert. Die Fördermengen von Öl und Gas sollen noch bis mindestens 2050 steigen. „Die Pläne der Regierungen, die Produktion fossiler Brennstoffe auszuweiten, untergraben die Energiewende, die notwendig ist, um Netto-null-Emissionen zu erreichen, schaffen wirtschaftliche Risiken und stellen die Zukunft der Menschheit infrage“, kritisierte UNEP-Direktorin Inger Andersen.
Bericht: Technologien zu CO2-Speicherung zu unsicher
Ein Vertreter des Climate Action Network, in dem mehr als 1.900 Klimaschutzorganisationen in etwa 130 Staaten zusammengeschlossen sind, sprach in einer Reaktion von „eklatanter Heuchelei“ von Staaten, die sich als Klimavorreiter darstellten, aber die Krise zugleich selbst verstärkten.
Der Bericht zeigt auf, dass keiner von 20 analysierten Staaten, die insgesamt einen Großteil von Kohle, Öl und Erdgas fördern und konsumieren, sich vollends zu einer Beschränkung der Produktionsmengen auf den für das 1,5-Grad-Ziel nötigen Umfang verpflichtet habe.
Viele Länder setzten auf Gas als Brückentechnologie, ohne konkrete Pläne für den Ausstieg zu haben.
Technologien zur Speicherung oder Entfernung von CO2 aus der Luft seien zu unsicher, um sich auf ihren Einsatz zu verlassen.
G7-Außenminister bekräftigen Entschlossenheit zur Unterstützung der Ukraine
Die G7-Staaten haben der Ukraine ihre anhaltende Unterstützung zugesichert. Bei ihrem Treffen in Tokio bekräftigen die Außenminister der G7 ihre Entschlossenheit, ungeachtet des Kriegs in Nahost die Ukraine weiter zu unterstützen und „scharfe Sanktionen gegen Russland zu verhängen“, wie das japanische Außenministerium mitteilte. Es sei wichtig, dass die G7-Staaten vor dem Hintergrund des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas „geschlossen ein klares Signal an die internationale Gemeinschaft senden, dass unser unerschütterliches Engagement für die Unterstützung der Ukraine niemals nachlassen wird“, erklärte die japanische Außenministerin Yoko Kamikawa.
Delegationskreise: G7-Außenminister fordern mehr humanitäre Hilfe für Gazastreifen
Die Außenminister der G7-Staaten fordern nach Angaben aus Delegationskreisen mehr humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen. Bei den Beratungen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit ihren G7-Kolleginnen und -Kollegen habe Einigkeit geherrscht, „dass angesichts der humanitären Notlage in Gaza die humanitäre Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung dringend ausgebaut werden muss“, hieß es am Mittwoch aus Delegationskreisen. Baerbock zufolge konnten inzwischen mehr als 200 Deutsche und Angehörige den Gazastreifen verlassen.
AMERIKA: USA, VENEZUELA, u.a.
HINWEIS/Meldung der US-Rohöllagerbestände um eine Woche verschoben
FRANKFURT (Dow Jones)–Die wöchentlichen Daten der staatlichen Energy Information Administration (EIA), die normalerweise mittwochs veröffentlicht werden, sind aufgrund eines geplanten System-Upgrades verschoben worden. Der Bericht für die Woche bis zum 3. November wird am kommenden Mittwoch, den 15. November, um 10:30 Uhr Ostküsten-Zeit (16:30 Uhr Mitteleuropäische Zeit) veröffentlicht.
Ohio: Recht auf Abtreibung kommt in Verfassung
UNTERNEHMEN
Pleite: Von maßloser Überbewertung in die Insolvenz: So scheiterte We Work an sich selbst
Der Büroraum-Vermieter We Work hat die Kurve nicht gekratzt und ist pleite. Ex-Chef Adam Neumann hat dem Unternehmen schwer geschadet, ein Einbruch am Büromarkt gab ihm den Rest
Seit der Gründung im Jahr 2010 hat We Work mehr als 16 Milliarden Dollar Verlust geschrieben, die letzten verbleibenden Barmittel wurden wegen des aktuell schwierigen Umfelds von US-Büroimmobilien versenkt. In der Corona-Pandemie leerten sich Büros weltweit, weil Menschen zu Hause arbeiteten. Auch nach Abklingen der Pandemie tat sich We Work schwer damit, Büroflächen zu füllen. Zugleich mussten Mietkosten für Gebäude bezahlt und Schulden bedient werden. …
Bier aus dem Wasserhahn
Im Jahr 2011 eröffnete der erste Standort in Manhattan, danach ging es schnell. We Work konzentrierte sich darauf, Büroflächen zu mieten, anstatt sie zu kaufen, und diese mit edler Infrastruktur weiterzuvermieten. Aus den Wasserhähnen floss beispielsweise nicht nur Wasser, sondern auch Bier und aromatisiertes Mineralwasser. Man konnte Tischtennis spielen, auch Yoga-Räume gab es. Das Unternehmen wurde zum Aushängeschild des Co-Working-Trends, der vor allem bei Millennials immer beliebter wurde. Freelancer und Start-ups rannten We Work die Türen ein.
Von 47 Milliarden zu 44 Millionen
Es folgte eine rasante Expansion, hauptsächlich finanziert vom japanischen Tech-Investor Softbank. Überall in den USA, Großbritannien, aber auch in Israel eröffneten neue Standorte. Grund dafür war allen voran der exzentrische Mitgründer Adam Neumann. Er schaffte es, Investoren zu überzeugen, dass We Work das mit der Arbeitsplatzkultur machen wird, was Facebook mit sozialen Medien und Uber mit dem Taxigeschäft geschafft hat.
Neumann vermarktete We Work als groß skalierendes Tech-Unternehmen, und Risikokapitalgeber schossen so lange Geld zu, bis die Gesamtbewertung 47 Milliarden Dollar betrug. Völlig überzogen, wie man heute weiß. Von der gehypten Aktie blieb schlussendlich nur ein Pennystock und ein Firmenwert von 44 Millionen Euro. Seit Jahresbeginn sind die Papiere um 98 Prozent gefallen.
We Work gilt schon länger als mahnendes Beispiel für maßlos überbewertete US-Start-ups und steckte zuletzt wieder in Schwierigkeiten. Schon im August räumte das Unternehmen mit Blick auf seine Verluste und den erwarteten Geldbedarf „erhebliche Zweifel“ am Fortbestehen ein. Im September wurden erste Schritte angeschoben, das Immobilienportfolio zu verkleinern.
Insolvenz nach Chapter 11
Gerichtsunterlagen zufolge will We Work eine Sanierung nach dem sogenannten Chapter-11-Verfahren anstreben. Geschützt vom US-Insolvenzrecht, können sich Unternehmen auf diese Weise eine gewisse Zeit vor dem Zugriff der Gläubiger schützen. Zudem dürfte der Insolvenzantrag ermöglichen, dass We Work aus teuren Mietverträgen rauskommt.
Am vergangenen Dienstag war eine 30-Tage-Frist abgelaufen, innerhalb deren We Work Schuldscheine hätte bedienen müssen, doch das Unternehmen ließ die Frist verstreichen. Die Ratingagentur Fitch stuft das als „begrenzten Kreditausfall“ ein und hat Verbindlichkeiten von We Work im Volumen von 1,4 Milliarden Dollar entsprechend herabgestuft. Das Geschäftsmodell sei aber grundsätzlich tragfähig, wenn es We Work gelinge, eine höhere Auslastung zu erreichen und sich von schwachen Standorten zu trennen.
Während der vergangenen Monate blieben immer mehr Büros leer, was den Druck auf Investoren sukzessive erhöht. Dementsprechend wird der We-Work-Ausfall als schlechtes Zeichen für den ganzen Markt gedeutet. Dazu kommt das hohe Zinsniveau, das es vielen erschwert, große Hypotheken zurückzuzahlen. Zahllose Vermieter haben zuletzt niedrigere Mieten von We Work akzeptiert, sie schauen nun durch die Finger bzw. wissen nicht, wie sie die Immo-gebundenen Schulden begleichen können.
Gescheiterter Börsengang
Mit dem Ruf als erfolgreicher Revolutionär der Bürowelt wollte We Work im Jahr 2019 an die Börse, was in einem Riesenflop endete. Zweifel an der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells von We Work, das darin besteht, Büroobjekte großflächig und mit langen Laufzeiten anzumieten und als Klein- oder Kleinstbüros zu weitaus kürzeren Laufzeiten weiterzuvermieten, gab es zu dem Zeitpunkt schon länger. Als dann auch noch Berichte auftauchten, dass Geschäftsführer Neumann selbst gegenüber We Work als Vermieter auftritt und dabei ordentlich Reibach macht, verstimmte das insbesondere den japanischen Großaktionär erheblich.
Der tiefere Einblick ins Geschäft im Börsenprospekt veranlasste große Investoren dann schlussendlich, komplett einen Bogen um die verlustreiche Firma zu machen. Profitabel war das Unternehmen im Übrigen nicht an einem einzigen Tag. Im Jahr 2021 schaffte es We Work über einen Umweg doch noch an die Börse – durch die Fusion mit einer Blankoscheck-Firma.
Teuer wurde das damalige Debakel vor allem für den Softbank-Konzern rund um Milliardär Masayoshi Son. Softbank und sein mit saudi-arabischen Geldern gestützter Vision-Investitionsfonds hatten sich für neun Milliarden Dollar einen Anteil von 29 Prozent an We Work gesichert. Als der Börsengang 2019 platzte, nahm Softbank weitere 9,5 Milliarden Dollar in die Hand, um auf 80 Prozent aufzustocken und den umstrittenen Mitgründer und Chef Adam Neumann hinauszudrängen.
Vergoldeter Abgang
Seinen Abgang hat er sich allerdings vergolden lassen: Er verhandelte mit seinen Anwälten eine Abfindung von 1,7 Milliarden Dollar. Neumann geht sozusagen in die Geschichte ein, als jener gescheiterter Star-Unternehmer, der reich wurde, während Investoren alles verloren haben. Dabei begann alles als die große American-Dream-Erfolgsstory.
Der in Israel aufgewachsene Neumann gründete gemeinsam mit dem Ex-Marine-Offizier Miguel McKelvey We Work in New York. Zwar handelte es sich de facto um ein herkömmliches Immobilienunternehmen, doch Neumann vermarktete es als aufstrebende Tech-Firma. Als größtes Talent wurde dem heute 44-Jährigen stets nachgesagt, andere zu überzeugen und das zu kapitalisieren, sprich Geld einzusammeln. Mit dem Scherbenhaufen muss er sich nicht befassen, er hat bereits neue Projekte am Laufen.
Keine Büros in Wien
Nach jüngsten Angaben kam die Firma zuletzt auf 660 solcher Standorte in 119 Städten rund um die Welt. In Deutschland ist We Work unter anderem in Berlin und Frankfurt präsent. In Österreich gibt es keine Standorte. Pläne für Gemeinschaftsbüros in Wien hatte We Work zwar, die Standortsuche in der Pandemie aber auf Eis gelegt. (Andreas Danzer, dpa, 7.11.2023)
ASIEN: CHINA, JAPAN u.a.
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AUSTRALIEN
Zehn Millionen Australier ohne Internet und Telefon
In Australien hat ein Totalausfall beim zweitgrößten Mobilfunkanbieter Optus die Telefon- und Internetverbindungen von mehr als zehn Millionen Menschen lahmgelegt. Seit den frühen Morgenstunden (Ortszeit) hätten die Kunden und Kundinnen im ganzen Land weder Anrufe tätigen noch online gehen können, berichteten australische Medien heute.
Laut einem Bericht des Senders 9News handelt es sich um den größten Telekommunikationsausfall in der Geschichte des Landes. In einer zu Mittag veröffentlichten Mitteilung des Konzerns hieß es, es werde voraussichtlich Stunden dauern, bis das Netzwerk wiederhergestellt sei.
Cyberangriff von Behörden ausgeschlossen
„Die gute Nachricht ist, dass wir einen Weg zur Wiederherstellung des gesamten Netzwerks gefunden haben“, sagte Optus-Geschäftsführerin Kelly Bayer Rosmarin. Das könne aber nur schrittweise erfolgen und werde einige Zeit dauern.
Was den Ausfall verursacht hat, war derweil unklar. Einen Cyberangriff schlossen die Behörden aus. Rosmarin sprach am Nachmittag von einem „technischen Netzwerkproblem“. Das Unternehmen werde eine „gründliche Ursachenanalyse“ durchführen. „Das ist ein sehr ungewöhnlicher Vorfall, und sobald wir genau verstehen, was passiert ist, werden wir Einzelheiten mitteilen“, sagte Rosmarin. Unter anderem waren die Telefonverbindungen zu Krankenhäusern und Notdiensten unterbrochen.
AFRIKA
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ZENTRALASIEN
Kasachstan will mehr russisches Öl und Gas transportieren
NAH-/MITTELOST: ISRAEL u.a.
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EUROPA
60 Millionen Euro Hilfe für Afghanistan
Migrationsabkommen Italien – Albanien: Kommission will prüfen
Künftig keine Extrakosten bei Sofort-Überweisungen in Euro
Sofort-Überweisungen sollen im Euroraum künftig nicht mehr extra kosten. Darauf einigten sich die EU-Staaten und das Europaparlament grundsätzlich in Brüssel, wie der Rat als Vertretung der Mitgliedsländer mitteilte. Bisher verlangen viele Banken von ihren Kunden Gebühren für solche Überweisungen, die nur zehn Sekunden dauern. Dafür können je nach Institut teils mehrere Euro fällig werden.
EU-Kommission empfiehlt Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau
Die EU-Kommission hat den Mitgliedsländern die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und dem Nachbarland Moldau empfohlen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach in Brüssel von einem „historischen Tag“. Sie schlug zudem vor, Georgien zum Beitrittskandidaten zu machen, knüpfte dies aber an eine Reihe von Reformschritten.
DEUTSCHLAND
WAHLUMFRAGEN
WEITERE MELDUNGEN
Deutsche HVPI-Inflation sinkt im Oktober auf 3,0 Prozent
Von Andreas Plecko
FRANKFURT (Dow Jones)–Der Inflationsdruck in Deutschland hat im Oktober deutlich nachgelassen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, sank die Jahresrate des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) auf 3,0 (Vormonat: 4,3) Prozent. Die Statistiker bestätigten damit – wie von Volkswirten erwartet – ihre vorläufige Schätzung vom 30. Oktober. Gegenüber dem Vormonat sank der HVPI um 0,2 Prozent, womit die vorläufigen Daten ebenfalls bestätigt wurden. Die HVPI-Rate ist maßgeblich für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Der nationale deutsche Verbraucherpreisindex stagnierte gegenüber dem Vormonat. Die jährliche Inflationsrate betrug 3,8 (Vormonat: 4,5) Prozent. Die Zahlen entsprachen der ersten Veröffentlichung und den Prognosen von Volkswirten.
Die Verbraucherpreise ohne Nahrungsmittel und Energie – auch als Kerninflation bezeichnet – lag im Oktober mit 4,3 Prozent über der Gesamtteuerung.
„Die Inflationsrate bleibt im mittel- und im längerfristigen Vergleich dennoch hoch“, sagte Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes. „Insbesondere die über den längeren Kriegs- und Krisenzeitraum gestiegenen Preise für Nahrungsmittel und für Energie sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin spürbar.“
Deutschland: Inflation schwächt sich ab – Niedrigster Stand seit August 2021
WIESBADEN (dpa-AFX) – Die Inflationsrate in Deutschland ist im Oktober auf den niedrigsten Stand seit August 2021 gesunken. Die Verbraucherpreise lagen um 3,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Die Behörde bestätigte damit vorläufige Daten. „Die Inflationsrate bleibt im mittel- und im längerfristigen Vergleich dennoch hoch“, sagte Behördenchefin Ruth Brand.
Im September waren die Verbraucherpreise innerhalb eines Jahres noch um 4,5 Prozent gestiegen. Zu Jahresbeginn stand sogar eine 8 vor dem Komma. Im Oktober erreichte die Teuerungsrate nun den niedrigsten Stand seit August 2021 mit damals ebenfalls 3,8 Prozent.
Vor allem um 3,2 Prozent gesunkene Energiepreise, die im vergangenen Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges stark gestiegen waren, dämpften nun die Inflation im Oktober. Deutlich günstiger für Verbraucherinnen und Verbraucher als ein Jahr zuvor waren leichtes Heizöl (minus 28,2 Prozent) und Erdgas (minus 13,0 Prozent). Kraftstoffe kosteten 7,7 Prozent weniger als im Oktober 2022. Strom war mit plus 4,7 Prozent dagegen weiterhin merklich teurer.
Nahrungsmittel verteuerten sich erneut überdurchschnittlich um 6,1 Prozent. Allerdings schwächte sich der Preisauftrieb ab nach einem Anstieg um 7,5 Prozent im September und 9,0 Prozent im August.
Deutlich gestiegene Preise sind eine Belastung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Menschen können sich für ihr Geld weniger leisten. Volkswirte rechnen damit, dass sich die Inflation in den kommenden Monaten weiter abschwächt.
Zum Vormonat September waren die Verbraucherpreise im Oktober unverändert. Auch hier bestätigte die Behörde eine erste Schätzung./mar/DP/bgf
Lkw-Maut-Fahrleistungsindex fällt im Oktober um 1,9 Prozent
WIESBADEN (Dow Jones)–Die Fahrleistung der mautpflichtigen Lkw mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen ist im Oktober kalender- und saisonbereinigt um 1,9 Prozent gegenüber dem Vormonat gefallen. Im Vorjahresvergleich ergab sich ein kalenderbereinigtes Minus von 5,0 Prozent, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Die Fahrleistung von Lkw ermöglicht frühzeitige Prognosen zur Entwicklung der Industrieproduktion.
COMMENT: das korreliert mit der Wirtschaftsschwäche.
Deutscher Dienstleistungsumsatz steigt im August um 0,8 Prozent
FRANKFURT (Dow Jones)–Der preisbereinigte Umsatz im Dienstleistungssektor Deutschlands (ohne Finanz- und Versicherungsdienstleistungen) ist im August gegenüber dem Vormonat saison- und kalenderbereinigt um 0,8 Prozent gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, ergab sich auf Jahressicht ein realer Anstieg um 3,5 Prozent.
Den größten realen Umsatzanstieg gegenüber dem Vormonat gab es im Bereich Information und Kommunikation mit einem Plus von 2,4 Prozent, gefolgt von den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen mit einem Plus von 1,9 Prozent. Im Gegensatz hierzu sanken die realen Umsätze im Grundstücks- und Wohnungswesen um 0,8 Prozent und im Bereich Verkehr und Lagerei um 0,3 Prozent.
Wirtschaftsweise erwarten 2023 Schrumpfung um 0,4 Prozent
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)–Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) erwartet für 2023 einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,4 Prozent und für 2024 ein Wachstum von 0,7 Prozent. Die Inflationsrate wird nach der Prognose der fünf Wirtschaftsweisen voraussichtlich in diesem Jahr 6,1 Prozent betragen und im kommenden 2,6 Prozent. „Deutliche Wachstumshemmnisse für die kommenden Jahre sind die demografische Alterung, das geringe Produktivitätswachstum, der veraltete Kapitalstock sowie die geringe Anzahl junger und innovativer Unternehmen“, erklärten sie.
„Um die Wachstumsschwäche zu überwinden, muss Deutschland in seine Zukunft investieren“, sagte die SVR-Vorsitzende Monika Schnitzer. Um die Wachstumschancen zu erhöhen, seien mehr Innovationen und Investitionen notwendig. Dies erfordere liquidere Kapitalmärkte, eine stärkere Aktienkultur und mehr Wagniskapital. Erwerbsmöglichkeiten und -anreize sollten verbessert werden. Sie stützten das Arbeitsvolumen und senkten die Armutsgefährdung. Die fünf Weisen betonten, die demografische Alterung mache langfristig orientierte Rentenreformen nötig, die mehrere Reformoptionen kombinierten, um die Lasten der Alterung fairer zwischen den und innerhalb der Generationen zu verteilen.
„Die konjunkturelle Erholung in Deutschland verzögert sich“, konstatierte der SVR in seinem Jahresgutachten. Die Konjunktur werde noch immer von der Energiekrise und den durch die hohe Inflation gesunkenen Realeinkommen gebremst. 2024 sei aufgrund steigender Realeinkommen mit einer Ausweitung des privaten Konsums zu rechnen. Während die Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmitteln deutlich abnähmen, dürfte die Kerninflation aber auch im kommenden Jahr erhöht bleiben. Dies liege unter anderem an den stark gestiegenen Lohnstückkosten, die zu anhaltenden Preissteigerungen bei Dienstleistungen führen dürften.
Der SVR veranschlagt für dieses Jahr einen Rückgang der privaten Konsumausgaben um 0,8 Prozent, für nächstes dann aber eine Zunahme um 1,1 Prozent. „Im Prognosehorizont ist mit einem Anstieg der privaten Konsumausgaben zu rechnen“, erklärten die Wirtschaftsweisen in ihrem über 450 Seiten starken Gutachten. Konsumnahe Dienstleistungsbereiche dürften dabei besonders profitieren. Ein Grund dafür seien die Dienstleistungspreise, die relativ zu den Warenpreisen weniger stark gestiegen seien. In Deutschland dürften vom Staat keine konjunkturellen Impulse ausgehen, da Unterstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Energiekrise ausliefen.
Studie: Vermögen weniger ungleich verteilt als bisher bekannt
Berlin – Die Vermögen in Deutschland sind offenbar weniger ungleich verteilt als bisher bekannt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), über welche die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.
Die Forscher haben erstmals umfassend Altersversorgungsansprüche berücksichtigt; bisher wurden der ärmeren Hälfte der Bevölkerung nur zwei Prozent des Vermögens zugerechnet, mit Rentenansprüchen sind es gut neun Prozent. Die Forscher berechneten dafür den Wert der Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung, an Betriebsrenten und an Beamtenpensionen – diese Ansprüche wurden bisher typischerweise nicht in die Berechnungen einbezogen. Doch sie haben großes Gewicht: Dem DIW zufolge summieren sich die Ansprüche auf diese sogenannten Rentenvermögen auf etwa 7,5 Billionen Euro. Dadurch ändert sich das Bild deutlich, die ärmere Hälfte der Bevölkerung kommt nun auf einen Vermögensanteil von 9,2 Prozent, dieser wächst laut DIW „erheblich“, auch der Anteil der Mittelschicht nimmt deutlich zu – von gut einem Drittel auf 41 Prozent.
Hintergrund ist, dass die Renten bei diesen Gruppen den größten Vermögensposten darstellen. Im Gegensatz zu dem einen Prozent mit den höchsten Vermögen. Sie sind laut DIW häufig selbständig und zahlen nicht für eine gesetzliche oder betriebliche Rente ein. Zudem sind ihre anderen Vermögenswerte deutlich höher.
Ihr Anteil am Kuchen schrumpft so von gut 30 auf immer noch beachtliche 20,4 Prozent. Die Ergebnisse bedeuteten allerdings nicht, „dass die Problematik der ungleich verteilten Vermögen in Deutschland weniger dramatisch ist“, sagte Timm Bönke, Co-Leiter des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik beim DIW und einer der Autoren der Studie, der SZ. Auch wenn man das Rentenvermögen berücksichtige, gebe es große Vermögensunterschiede. Allerdings zeigten die Ergebnisse, wie wichtig das Rentenvermögen für die ärmere Hälfte der Bevölkerung in Deutschland sei, sagte Bönke. Es mache 70 Prozent des gesamten Vermögens dieser Gruppe aus.
COMMENT: das ist nichts Neues unter der Sonne. Gleiches gilt für Österreich. Rechnet man die Pensions-Anwartschaften mit ein, dann relativiert sich die Ungleichheit nicht unwesentlich. Problem: Anwartschaften sind anders als Vermögen 1) nicht vererbbar, 2) man kommt an das „Vermögen“ nur zitzerlweise heran: nach Pensionsantrag nur Monat für Monat. Dennoch kann man Anwartschaften nicht außer Acht lassen. Österreichs Pensionssystem geriert sich wie ein Füllhorn, das ausgeschüttet wird, im Vergleich zu Deutschland und sofern der Pensionist, die Pensionistin die gesamte Versicherungsdauer Pensionsversicherungsbeiträge eingezahlt hat. Frauen leiden, da ihre Beitragszeiten im Schnitt verhältnismäßig kurz sind: unbezahlte Familienarbeit und Teilzeitarbeit trugen und tragen weiterhin dazu bei.
Siehe dazu auch die unterschiedlichen Darstellungen in:
Ärmere Haushalte mit deutlich höherem Anteil am Vermögen als bisher gedacht – Die Welt, 7.11.2023
Die Unterschicht in Deutschland ist vermögender als bisher gedacht. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie. Auch die Mittelschicht verfügt demzufolge über deutlich mehr des Gesamtvermögens – nämlich über 41 Prozent. Billionen Euro wurden in der Bilanz bisher schlichtweg vergessen.
Die Vermögen in Deutschland sind einer Studie zufolge weniger ungleich verteilt als bisher bekannt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) habe bei seiner Untersuchung erstmals umfassend die Altersversorgungsansprüche berücksichtigt, wie die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf das ihr vorab vorliegende Papier berichtete. Wurden der ärmeren Hälfte der Bevölkerung bislang nur zwei Prozent des Vermögens zugerechnet, seien es mit Rentenansprüchen nun gut neun Prozent.Die Forscher berechneten den Angaben zufolge dafür den Wert der Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung, an Betriebsrenten und an Beamtenpensionen. Diese seien bisher typischerweise nicht in die Berechnungen einbezogen worden, hätten aber ein großes Gewicht. Dem DIW zufolge summierten sich die Ansprüche auf dieses sogenannte Rentenvermögen auf etwa 7,5 Billionen Euro.
Dadurch wachse nicht nur der Vermögensanteil der ärmeren Hälfte der Bevölkerung auf 9,2 Prozent, auch der Anteil der Mittelschicht nehme deutlich zu – von gut einem Drittel auf 41 Prozent. Hintergrund ist, dass die Renten bei diesen Gruppen den größten Vermögensposten darstellen. Im Gegensatz zu dem einen Prozent mit den höchsten Vermögen, die dem DIW zufolge häufig selbstständig sind und nicht für eine gesetzliche oder betriebliche Rente einzahlen.
Die Ergebnisse bedeuteten allerdings nicht, „dass die Problematik der ungleich verteilten Vermögen in Deutschland weniger dramatisch ist“, sagte Timm Bönke, Co-Leiter des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik beim DIW und einer der Autoren der Studie, der Zeitung. Auch wenn man das Rentenvermögen berücksichtige, gebe es große Vermögensunterschiede. Allerdings zeigten die Ergebnisse, wie wichtig das Rentenvermögen für die ärmere Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ist, sagte Bönke. Es mache 70 Prozent des gesamten Vermögens dieser Gruppe aus.
Renten:Die Armen sind ein bisschen weniger arm – SZ, 7.11.2023, ZAHLPFLICHT
Die Vermögen in Deutschland sind nicht ganz so ungleich verteilt, wenn man Rentenansprüche berücksichtigt. Das zeigt eine Studie des DIW. Große Unterschiede gibt es aber trotzdem. …
Studie: Finanzmärkte verschärfen Wohnungskrise in Deutschland
Einer Studie zufolge haben börsennotierte Wohnungsunternehmen und die Logik der Finanzmärkte die Krise auf dem Immobilienmarkt in Deutschland befeuert. Statt sich auf den Neubau bezahlbaren Wohnraums zu konzentrieren, stehen die Gewinne im Fokus dieser Firmen, erklärten die Forschenden von Finanzwende Recherche, einer Teilorganisation der Bürgerbewegung Finanzwende, in Berlin. Schneller steigende Preise und ein zunehmend instabiler Wohnungsmarkt seien die Folge.
COMMENT: das ist auch Sinn und Zweck der Finanzmärkte: dem Moral Hazard ungebremster Kreditaufnahmen zwecks Kauf von Immobilien ein Ende zu setzen. Diese Krise ist leider nötig. Das ist schmerzhaft und hat Auswirkungen nicht nur auf die betroffenen Unternehmen, hier: die Immobilienunternehmen, sondern auch für die Allgemeinheit, hier: die wohnungssuchende Bevölkerung, die mit steigenden Mieten bei knapper werdendem Wohnungsangebot konfrontiert wurde. Vielen Dank an die Immobilienunternehmer und auch an die EZB. Die aber wird sich „abputzen“ und argumentieren, dass sie für das Moral Hazard Verhalten der Immobilienunternehmen nicht verantwortlich ist. Nun ja: Preise setzen Anreize zum Kauf oder Nicht-Kauf. Der Zins ist der Preis des Geldes. Die EZB hat Anreize gesetzt, das Geld „zu kaufen“ in Form von ungehemmten Hypothekarkrediten. Inwieweit ist die EZB verantwortlich?
Scholz: Wollen 2024 wieder Wachstum sehen
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)–Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich optimistisch für einen Konjunkturaufschwung im kommenden Jahr gezeigt und unter anderem die mit den Ländern vereinbarten Verfahrensbeschleunigungen als wichtigen Punkt hervorgehoben. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir jetzt wieder auf die Spur kommen und die Wachstumsprozesse voranbringen“, sagte Scholz bei der Übergabe des Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) an ihn. „Deshalb sind wir auch zuversichtlich“, hob der Kanzler hervor. „Es geht um zukünftiges Wachstum, und das wollen wir 2024 wieder sehen.“
Scholz betonte, bevorstehende große Herausforderungen müssten bewältigt werden, „indem wir Investitionen, private und öffentliche, auslösen“. Dazu habe die Regierung selber ein großes Paket an Investitionen möglich gemacht. Die Regierung wolle „mehr Tempo nach Deutschland bringen“, sagte er mit Blick auf den von ihm vorgeschlagenen „Deutschlandpakt“ und den mit den Ländern vereinbarten Pakt zur Planungsbeschleunigung. „Wir wollen auch die Konjunktur anregen mit dem Wachstumschancengesetz“, ergänzte der Kanzler.
„Die aktuelle Konjunkturentwicklung in Deutschland ist immer noch belastet durch die Energiekrise und durch die gesunkenen Realeinkommen“, sagte die Vorsitzende der fünf Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. „Mittelfristig aber, so zeigen wir in unserem Gutachten, wird das Wachstum vor allem gebremst durch die demografische Alterung, das geringe Produktivitätswachstum, den veralteten Kapitalstock der Industrie und die geringe Anzahl junger, innovativer Unternehmen.“ Der Titel des Gutachtens laute deshalb „Wachstumsschwäche überwinden – in die Zukunft investieren“.
Unter anderem werde darin die Bedeutung der Kapitalmarktfinanzierung und die Notwendigkeit rascher Reformen im Steuer- und Transfersystem und im Rentensystem betont. Auch gehe der SVR auf die Notwendigkeit ein, „die deutsche Dateninfrastruktur für das 21. Jahrhundert fit zu machen“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates. Das Beratungsgremium der Regierung will sein Gutachten um 14.30 Uhr bei einer Pressekonferenz offiziell vorstellen.
Scholz erwartet gute Lösung für Gespräche mit Siemens Energy
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine gute Lösung für die aktuellen Gespräche über staatliche Garantien zwischen dem Energiekonzern Siemens Energy und der Bundesregierung in Aussicht gestellt. Bei der Eröffnung einer sogenannten Gigafactory von Siemens Energy und dem französischen Gasunternehmen Air Liquide in Berlin lobte Scholz die positiven Aussichten für Siemens Energy und betonte, dass sich mit Energieproduktion Geld verdienen lasse.
COMMENT: Worte des großen Vorsitzenden und Weichspülmoderators Scholz.
ÖSTERREICH
STATISTIK AUSTRIA
„Teuerung zehrt Wachstum des Einzelhandels auf“ von Statistik Austria finden Sie als PDF
WAHLUMFRAGEN
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WEITERE MELDUNGEN
Babler: SPÖ „auf gutem Kurs“, aber „Luft nach oben“
Arbeiten im Pensionsalter: Koalition einig bei Anreizen
Bombendrohungen an mehreren Wiener Schulen
Derzeit läuft ein Großeinsatz der Wiener Polizei wegen Bombendrohungen an mehreren Wiener Schulen. Die betroffenen Schulen werden evakuiert. Um welche Schulen es sich handelt, wollte die Polizei mit Verweis auf den laufenden Einsatz nicht bekanntgeben. Mehr dazu in wien.ORF.at
UNTERNEHMEN
Insolvenzgefahr: Benkos Signa im Sog der Ungewissheit
Die schlechten Nachrichten für die Signa-Gruppe rund um Firmengründer Rene Benko reißen nicht ab, ebenso wenig die Unsicherheiten, wie es mit dem Immobilienkonzern weitergehen soll. Benko stellt Bedingungen für seinen von Investoren geforderten Rückzug, die Verhandlungen ziehen sich. Die US-Ratingagentur Fitch hat unterdessen die Bonitätsnote für eine der Signa-Beteiligungsfirmen auf „hochriskant“ herabgestuft. Und in Deutschland wächst die Unruhe nach dem Baustopp des prestigeträchtigen Elbtowers in Hamburg. …
MEDIZIN – PSYCHOLOGIE – FORSCHUNG
Hirnschäden nach Corona-Pandemie: Studie deckt alarmierenden Leistungsabfall auf
Gedächtnisprobleme und weniger Gehirnleistung: Die Corona-Pandemie hat zu nachhaltigen Schäden bei älteren Menschen geführt. Mehrere Faktoren spielen eine Rolle.
London – Die Corona-Pandemie hat bei vielen Menschen ihre Spuren hinterlassen. Und das nicht nur bei denjenigen, die an dem Virus erkrankten und gegebenenfalls heute noch mit Langzeitfolgen, wie Long Covid zu kämpfen haben. Einer aktuellen Studie zufolge hat die Gehirnleistung bei Erwachsenen über 50 Jahren und unabhängig von einer Infizierung mit Covid seit Beginn der Pandemie merkbar abgenommen.
Studie zeigt Leistungsabfall nach Coronapandemie
In der nun vorgestellten Studie, die im Fachjournal The Lancet veröffentlicht wurde, hat ein Forschungsteam Daten von der sogenannten Protect-Studie ausgewertet. Die britische Langzeitstudie wurde bereits 2015 gestartet, um besser verstehen zu können, wie das Gehirn altert und herauszufinden, wie das Risiko von Demenz und psychischen Gesundheitsrisiken reduziert werden kann. Ein Team aus Forschenden der Universität Exeter und des King’s College in London nutzte die dort gesammelten Daten von insgesamt 3124 Menschen über 50 Jahren für ihre Analyse.
Die Teilnehmenden nahmen dazu an computerunterstützten Hirnfunktionstests teil. Dabei wurden Tests aus der Zeit vor der Pandemie, während des ersten und des zweiten Pandemiejahres ausgewertet. Keiner der Getesteten war zu Beginn der Datenerhebung mit Demenz diagnostiziert.
Verschlechterungen der Gehirnleistungen nach Corona-Erkrankung bei älteren Menschen
Das Auffällige dabei: Die Auswertung der Daten ergab, dass im ersten Pandemie-Jahr, also von Anfang März 2020 bis Ende Februar 2021, deutliche Verschlechterungen im Kurzzeitgedächtnis und beim Lösen komplexer Aufgaben auftraten. Noch stärker zeigte sich dieser kognitive Verfall bei Menschen, die schon vor der Pandemie von einem solchen altersbedingtem Abbau betroffen waren. Teilweise betrug die Einschränkung sogar über 50 Prozent der Leistung.
Und auch im zweiten Jahr, im Testzeitraum von Anfang März 2021 bis Ende Februar 2022, hielt der Abbau der Leistungen bei den Teilnehmenden an. Die Forschenden gehen in ihrer Studie davon aus, dass diese sinkenden kognitiven Fähigkeiten mit mehreren Bereichen zusammenhängen, die während der Pandemie eingeschränkt waren. Sie nennen dazu verschiedene Faktoren wie weniger Bewegung, mehr Alkoholkonsum und eine Zunahme von Einsamkeit und Depressionen zu dieser Zeit.
Zu wenig Bewegung und Alkohol als Ursachen für den Abbau kognitiver Fähigkeiten
Laut der Forschenden sei Bewegungsmangel ein bekannter Risikofaktor für den Abbau von kognitiven Fähigkeiten. „Für die meisten Erwachsenen, haben die Umstände während der Pandemie dafür gesorgt, dass Gewohnheiten gestört wurden, was zu weniger regelmäßiger, intensiver und dauerhaften Bewegung geführt hat“, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Veröffentlichung ihrer Studie. Auch erhöhter Alkoholkonsum und Einsamkeit und Depression können demnach zum Abbau kognitiver Fähigkeiten führen. Gleichzeitig gelten sie auch als bekannte individuelle Risikofaktoren für eine Demenz-Erkrankung.
Doch laut der Forschenden sei es noch nicht zu spät für Maßnahmen, um den Leistungsabfall bei Betroffenen zu stoppen und so auch das Risiko für eine Demenz zu verringern. Frühere Forschungen hätten demnach ergeben, dass körperliche Aktivität, die Behandlung bestehender Depressionen und die Rückkehr in die Gemeinschaft und die Kontaktaufnahme mit Menschen, wichtige Möglichkeiten sind, um die Gesundheit des Gehirns zu erhalten. Sie fordern dazu das Gesundheitswesen auf, diese Gruppe mehr in den Blick zu nehmen. Außerdem appellieren sie an die Politik, die Ergebnisse der Studie zu nutzen, um sich auf zukünftige Pandemien vorzubereiten.
UMWELT
2023 vermutlich wärmstes Jahr seit 125.000 Jahren
Dieses Jahr wird dem EU-Klimawandeldienst zufolge das wärmste seit 125.000 Jahren werden. Nach dem Temperaturrekord im Oktober sei das „ziemlich sicher“, so das Copernicus Climate Change Service (C3S) am Mittwoch.
BILDUNG
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MEDIEN – IT
UNESCO-Umfrage: „Fake News“ beschädigen Politik
Weltweit machen sich die Menschen große Sorgen über die Ausbreitung und Wirkung von Desinformation in den sozialen Netzwerken. In einer Umfrage im Auftrag der UNO, die auch Österreich umfasst, zeigten sich 87 Prozent überzeugt, dass die Politik in ihrem Land durch „Fake News“ und Hassrede bereits beschädigt wurde. Die UNO fordert daher die staatliche Regulierung von sozialen Netzwerken. Lesen Sie mehr …
GM setzt Produktion künftiger Robotaxi-Fahrzeuge aus
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RECHT
Ohio: Recht auf Abtreibung kommt in Verfassung
Seenotrettung: Die SZ (Ronen Steinke) berichtet über einen versteckten Passus im Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Rückführungsverbesserungsgesetz, der eine Kriminalisierung von Seenotrettung in Deutschland ermöglichen würde. Bislang wird lediglich bestraft, wer „einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt“. Nach der von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgeschlagenen Änderung, mit der das Tatbestandsmerkmal der Entgeltlichkeit gestrichen werden soll, könnte künftig auch die uneigennützige Seenotrettung mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Während Jurist:innen und der Grünen-Abgeordnete Julian Pahlke den Vorschlag kritisieren, teilte das Bundesinnenministerium der SZ (Ronen Steinke) mit, dass eine Strafbarkeit privater Seenotrettung nicht beabsichtigt sei.
Asyl: Die SZ (Wolfgang Janisch) prüft die Beschlüsse des Bund-Länder-Migrationsgipfels auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Die geplante Ausdehnung der abgesenkten Sozialleistungen für Asylbewerber:innen von bislang 18 Monaten auf 36 Monate in Kombination mit der vermehrten Gabe von Sach- statt flexibleren Geldleistungen verstoße voraussichtlich gegen die grundgesetzliche Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums. In einem Grundsatzurteil hatte das Bundesverfassungsgericht 2012 entschieden, dass „die in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren ist“. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte kündigte bereits jetzt eine Klage an, sollten die Beschlüsse umgesetzt werden. Die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten, die laut Gipfel geprüft werden soll, hält Rechtsprofessor Jürgen Bast für „illusorisch“, weil das rechtsstaatliche Verfahren in Drittstaaten voraussichtlich nicht effektiv gewährleistet werden kann. Eine Verkürzung der gerichtlichen Asylverfahren sei jedoch möglich, wie Rheinland-Pfalz zeige.
GenStA München – Billigung des Hamas-Terrors: Das Amtsgericht München lehnte die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft im beschleunigten Verfahren gegen einen 27-Jährigen wegen Billigung des Hamas-Terrors mangels einfach gelagerter Beweislage ab. Wie LTO und bild.de (Oliver Grothmann) vorab berichteten, hatte die Generalstaatsanwaltschaft gegen den 27-jährigen Versammlungsteilnehmer die erste Anklage wegen Billigung des Hamas-Terrors nach § 140 StGB erhoben, weil er Verständnis für die Terrortaten der Hamas aufbrachte. Der Mann hatte gegenüber dem Bayrischen Rundfunk geäußert, dass er für den Angriff am 7. Oktober allein kein Verständnis habe, jedoch angesichts der Ereignisse in den vorhergehenden Jahren finde: „Das ist viel zu wenig“. Nach Angaben von focus.de kann die Generalstaatsanwaltschaft nun entscheiden, ob sie regulär Anklage gegen den 27-Jährigen erheben möchte.
USA – Trump/Immobiliengesellschaften: Im Betrugsprozess gegen Donald Trump vor einem New Yorker Gericht wegen des Vorwurfs unrichtiger Vermögensangaben sagte nun seine Tochter Ivanka Trump aus. Sie bestreitet, in gewisse geschäftliche Vorgänge involviert gewesen zu sein, und sagt aus, sich an die Details der Immobiliengeschäfte nicht erinnern zu können. Es berichten spiegel.de, zeit.de und focus.de.
USA – Trump/Wahlausschluss: Jurastudent Benedikt Gremminger beschäftigt sich auf LTO mit der Frage eines möglichen Wahlausschlusses Donald Trumps wegen der möglichen Beteiligung „an einem Aufstand oder einer Rebellion“ gemäß Abschnitt 3 des 14. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung. Derzeit gibt es zwei anhängige Verfahren in Colorado und Minnesota, die einen Ausschluss Trumps anstreben. Die zugrundeliegende Regelung des 14. Zusatzartikels der US-Verfassung stammt aus der Zeit nach dem Amerikanischen Sezessionskrieg und wurde bislang kaum angewendet.
Türkei – Pressefreiheit: Das türkische Verfassungsgericht wies den Antrag auf Streichung einer Regelung im sogenannten Desinformationsgesetz ab, nach der Journalist:innen wegen vorgeworfener Falschinformationen verhaftet werden können. Die FAZ (Friederike Böge) beschreibt, dass bislang unter anderem Journalist:innen, die zu Korruptionsvorwürfen recherchierten, auf Basis des Gesetzes festgenommen wurden.
Iran – Anklage gegen Schweden: Nach Informationen der FAZ (Friederike Böge) hat die iranische Justiz Anklage gegen einen schwedischen EU-Mitarbeiter erhoben. Dem Schweden wurde bei Festnahme Spionage vorgeworfen, ein üblicher Tatbestand, den das iranische Regime nutze, um iranische Straftäter:innen im Ausland durch politisch motivierte Geiselnahmen im Iran freizupressen.
Großbritannien – Cum-Ex/Sanjay Shah: Der britische Investmentbanker Sanjay Shah muss sich wegen Cum-Ex-Manipulationen nächstes Jahr vor einem Londoner Gericht einer Schadensersatzklage der dänischen Steuerbehörde über 1,65 Milliarden Euro stellen. Zuvor hatte das Oberste Gericht Großbritanniens den Einwand von Shahs Anwält:innen abgewehrt, das Londoner Gericht habe keine örtliche Zuständigkeit, so die FAZ (Marcus Jung).
Pro-palästinensische Meinungsäußerungen: Anlässlich der Beschlagnahmung eines Plakats mit der Aufschrift „From the xxx to the xxx, xxx will be free“ durch die Berliner Polizei setzt sich die taz (Christian Rath) mit der strafrechtlichen Bewertung dieser Parole auseinander. Zumindest Menschen, die sich mit dem Israel-Palästina-Krieg beschäftigen, können die Losung als „From the river to the sea, Palestine will be free“ erkennen, die unter Umständen so verstanden werden kann, dass das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird. Daher sei das Schwärzen von Teilen der Parole für eine mögliche Strafbarkeit nicht von Belang. Allerdings ist die Originalparole für sich nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Berlin und des Verwaltungsgerichts Berlin grundsätzlich nicht strafbar. Ausnahmsweise kommt eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung oder Billigung von Gewalttaten in Betracht, wenn sich dies aus dem Kontext ergibt.
Islamistische Demonstrationen: Im Gespräch mit der FAZ (Reiner Burger) erläutert NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), dass ein Versammlungsverbot nur unter besonderen Umständen möglich ist, weil auch „Abwegiges, Abstruses und schwer Erträgliches von der Versammlungs- und Meinungsfreiheit gedeckt ist.“ Die Forderung nach Errichtung eines Kalifats, wie vergangene Woche in Essen auf einer islamistische Versammlung erhoben, ist nur ein Verbotsgrund, wenn „jemand wirklich zu einem Systemwechsel aufruft“. Sein Ministerium prüfe derzeit, ob die Einführung von Deutsch als Demonstrationssprache mit den Grundrechten vereinbar sei.
Pogromnacht: Aufgrund des Gedenkens an die Pogromnacht vor 85 Jahren, die den „Beginn eines Völkermords mit Ansage“ darstellte, mahnt Reinhard Müller (FAZ), dass der Staat „keine Bewegungen gewähren lassen darf, die mit Gewalt die freiheitliche demokratische Grundordnung abschaffen“ möchten.
AfD S-A: Im Frage-Antwort-Format schildert die SZ (Christoph Koopmann) die Folgen der Einstufung der sachsen-anhaltinischen AfD durch den Landesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ und gibt die aktuelle Einschätzung der Verfassungsschutzämter zu weiteren AfD-Landesverbänden- und des Bundesverbands wieder. Nach Angaben der FAZ prüft der Landesvorstand der sachsen-anhaltinischen AfD nun rechtliche Schritte gegen die Einstufung. Edo Reents (FAZ) meint, dass die Formulierung „gesichert rechtsextremistisch“ durch „rhetorischen Übereifer“ des Verfassungsschutzes zustande komme, der „gewisse Versäumnisse bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus wettmachen“ möchte.
Meerschweinchen-Dieb: In Iserlohn fahndet die Polizei derzeit nach einem Einbrecher, der ein Meerschweinchen gestohlen hat. Anscheinend hatte er das Tier aus einer Gartenlaube mitgenommen, nachdem er dort keine Wertsachen vorfand, wie bild.de schreibt.
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BVerwG zu Suizidmedikament: Sterbewillige haben gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) keinen Anspruch auf die Erlaubnis zum Erwerb des tödlichen Betäubungsmittels Natriumpentobarbital. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschränkung von Ausnahmeerlaubnissen im Betäubungsmittelgesetz auf Heilungszwecke greife zwar in das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein, so das Gericht. Dies sei jedoch aufgrund des hohen Missbrauchspotentials des tödlichen Medikaments gerechtfertigt. Verhältnismäßig sei der Eingriff auch, weil es „andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung des Sterbewunsches“ gebe, insbesondere die Unterstützung durch Sterbehilfeorganisationen. Die vom Gericht 2017 entwickelte verfassungskonforme Auslegung des BtMG, wonach in „extremen Notlagen“ doch ein Anspruch auf Natriumpentobarbital bestehe, spielte diesmal keine Rolle. Es berichten SZ (Wolfgang Janisch), taz (Christian Rath), tagesschau.de (Kolja Schwartz), beck-aktuell und LTO.
spiegel.de (Sara Wess) stellt einen der Kläger vertieft vor: Harald Mayer ist 52 Jahre alt, leidet unter Multipler Sklerose und hat die Absicht, sein Anliegen bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu tragen.
Daniel Deckers (FAZ) beklagt, dass der Gesetzgeber in einem hochsensiblen Bereich nach wie vor untätig ist und so das „Richterrecht eine vorherrschende Rolle einnimmt.“ Immerhin sei nun der „Sophistik“ des contra legem ergangenen BVerwG-Urteils von 2017 ein Ende gesetzt worden. Die früheren Bundesgesundheitsminister könnten sich mit ihrem auf das damalige Urteil folgenden Nichtanwendungserlass bestätigt fühlen. Auch Christian Rath (LTO) bezeichnet das aktuelle Urteil in seinem Kommentar als richtig. Die Aufbewahrung des tödlichen Medikaments bei den Sterbewilligen sei zu gefährlich. Bemerkenswert sei zudem die Wertschätzung, die Sterbehilfevereine mittlerweile offenbar auch beim BVerwG genießen. Dass sie „plötzlich Teil der verantwortungsbewussten, professionellen Lösung“ seien, verdankten sie nicht zuletzt dem „radikalen Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts, das im Februar 2020 das Verbot geschäftsmäßiger Förderung der Sterbehilfe kassierte. An der mangelhaften Kontrolle der Sterbehilfeorganisationen stört sich Ronen Steinke (SZ). Das „extrem liberale, fast fahrlässige“ deutsche Recht übersehe geflissentlich die Lebenswirklichkeit alter kranker Menschen, deren scheinbar selbstbestimmter Wunsch zu sterben oftmals eben doch äußeren Zwängen folge.
Schwarzfahren: Die SPD-Fraktion im Bundestag spricht sich in einem Positionspapier für eine Entkriminalisierung des sogenannten Schwarzfahrens aus. Die Leistungserschleichung passe nicht in die Systematik des Strafrechts, außerdem sei die Kriminalisierung unverhältnismäßig. LTO berichtet.
USA – Trump/Immobiliengesellschaften: Über die denkwürdige Zeugenaussage des früheren US-Präsidenten Donald Trump im Verfahren über einen möglichen durch unrichtige Vermögensangaben berichten nun auch FAZ (Roland Lindner), spiegel.de (Ines Zöttl) und zeit.de (Martin Klingst). Trump habe seine Aussage als Bühne für einen kämpferischen Auftritt genutzt und durch seine weitschweifigen Ausführungen den Unwillen des Gerichts hervorgerufen.
Andreas Ross (FAZ) kommentiert, dass bislang noch „jede Anklage Trumps Kandidatur beflügelt habe.“ Nachdem seine Erzählungen über einen Wahlbetrug oder das Alter seines Amtsnachfolgers „keinen großen Neuigkeitswert mehr“ besäßen, könne sich der mutmaßliche Präsidentschaftskandidat vor den Schranken von Gerichten als „unerschrockener Anführer“ inszenieren und nutze dies in gewohnter Großspurigkeit.
USA – Todesstrafe per Stickstoff: In der vergangenen Woche entschied das Oberste Gericht des US-Bundesstaats Alabama, dass ein zum Tode Verurteilter auch per Stickstoffinhalation hingerichtet werden könne. Ein erster Vollstreckungsversuch per Giftinjektion sei zuvor gescheitert, schreibt spiegel.de (Anika Freier) und geht im Weiteren auf Details der bislang unerprpobten Hinrichtungsmethode ein. Aufgrund fehlender Erfahrungswerte könne nicht sicher gesagt werden, dass die zwangsweise Gabe reinen Stickstoffs zu einem schnellen Tode führt, wie dies Befürworter behaupten.
AfD S-A: Der sachsen-anhaltinische Verfassungsschutz stuft den Landesverband der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Aufgrund von Auswertungen von Aussagen von Funktions- und Mandatsträgern sei die Behörde zu der Erkenntnis gelangt, dass der Landesverband bestrebt sei, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Die SZ (Iris Mayer) berichtet.
Sprachpolizei: Vor der Beschäftigung mit den wirklich wichtigen Dingen des Lebens steht die Duma, das russische Parlament. Wie die SZ (Frank Nienhuysen) schreibt, hat die Regierungspartei Einiges Russland dort jüngst einen Gesetzentwurf eingebracht, der zum „Schutz der russischen Sprache“ den Gebrauch ausländischer Wörter auf „Ladenschildern, Inschriften, Infos über Aktionen, Preisnachlässe und Ausverkäufe“ untersagen will.
GESELLSCHAFT – RELIGION
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RUSSLAND – UKRAINE
Newsticker
DIE NACHT IM ÜBERBLICK – Ukraine
ROUNDUP: Russland beschießt zivilen Frachter – Nacht im Überblick
ODESSA/KIEW (dpa-AFX) – Ein russischer Kampfjet hat nach Angaben der ukrainischen Armee ein Frachtschiff unter der Flagge der westafrikanischen Republik Liberia in einem der Schwarzmeer-Häfen im Gebiet Odessa mit einer Rakete beschossen und beschädigt. Einer Meldung des Militärkommandos Süd zufolge wurde dabei am Mittwoch ein ukrainischer Lotse an Bord des Schiffes getötet. Drei philippinische Crew-Mitglieder und ein ukrainischer Hafenmitarbeiter seien verletzt worden.
Derweil verabschiedete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach der Empfehlung der EU-Kommission zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Ukraine ein Dekret zur Vorbereitung dieses Prozesses.
Das Präsidentenbüro berichtete am Mittwoch, die Regierung werde damit angewiesen, sich unter anderem mit der Angleichung der ukrainischen Gesetzeslage an das EU-Recht zu befassen. „Wir gehen die erwarteten Schritte bestens vorbereitet an“, sagte Selenskyj in seiner am Mittwoch in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft.
COMMENT: die Beitrittsverhandlungen werden sich über Jahre hinziehen. Wehrschütz im Ö11 Morgenjournal: „Für die Ukraine war das wie Weihnachten und Ostern an einem Tag politisch gesehen“. Die Ukraine hatte für sehr lange keine Perspektive gehabt, der EU beizutreten. 2017 gab es in den Niederlanden ein Referendum, dass ergab, dass der Assoziierungs- und Stabilitätspakt zwischen der EU und der Ukraine nur dann gültig sein könne, wenn die Ukraine niemals der EU beitrete. Der Kriegsbeginn Februar 2022 hat gegen Putins Intensionen die geopolitische Lage so verändert, dass quasi „über Nacht“ Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden, was die Bevölkerung und die ukrainischen Politiker euphorisch stimmt. Nicht bewusst sei beiden, dass sich die Beitrittsverhandlungen noch lange, in der Art eines Marathons, so Wehrschütz, hinziehen würden; ähnlich überoptimistisch hätten sich seinerzeit auch die Westbalkanstaaten verhalten. Es gebe viele ungelöste Probleme, allen voran die nach wie vor ausgeprägte Korruption in der Ukraine. Wie schwierig so ein Beitritt zu meistern ist zeigt die Tatsache, dass allein die Übersetzung des EU-Gesetzeskonvolutes von insgesamt rund 250.000 Seiten ins Ukrainische nötig mache, so Wehrschütz. FAZIT für Wehrschütz: wenn van der Leyen über die Ukraine spricht, dann rede sie über ein Land, das Wehrschütz so nicht kenne.
Nebstbei: die niederländische Bevölkerung hegte m.E. zu Recht Vorbehalte gegen einen Beitritt der Ukraine zur EU. Sollte dies in Jahren der Fall sein, könnte das zur Sprengung der EU beitragen. Man beachte die diplomatische Ausdrucksweise Wehrschütz‘ zu van der Leyens öffentlichen Äußerungen: die sind offenbar letztlich Fake. Bedenklich!
Bedenklich demokratiepolitisch für die gesamte EU und ihren Bevölkerungen. Wie lange das gut gehen kann, sprich: wie lange sich die europäischen Bevölkerungen angesichts der hohen Zahlungen der EU in die Ukraine das gefallen lassen werden, wird die Zukunft zeigen. Die Slowakei ist gerade schon mal ausgestiegen. Ungarn macht keine gute Miene zum EU-Spiel. Polen zeigte sich gespalten – vor der Wahl. Kurzum: es fragt sich, ob die Sanktionspolitik eine gute politische Entscheidung à la longue darstellt. Bezahlen tut das Abenteuer der kleine Mann über die Inflation, Aktionäre verdienten und werden weiter gut verdienen. Perfide!
Was die gedüpten Westbalkanländer betrifft, so sehe man dort, so Wehrschütz, die Beitrittsverhandlungen unter dem Primat geopolitischer Erwägungen stehen; die Erfüllung der EU-Beitrittsbedingungen sei dabei Nebensache, Hauptsache geopolitisch könne sich die EU und damit der Westen gegenüber Russland positionieren. Positiv merke man seitens von Ministern des Westbalkans an, dass die ins Stocken geratenen Beitrittsverhandlungen der Länder des Westbalkans einen neuen Impuls in Richtung Beitritt erhalten hätten.
Ukraine: Frachtschiff von Russland attackiert
Einer Meldung des ukrainischen Militärkommandos Süd zufolge setzte ein russischer Kampfjet eine Rakete vom Typ Ch-31P gegen das Frachtschiff ein, als dieses gerade in einen der Häfen der südukrainischen Region Odessa einlief. Vom Militär veröffentlichte Außen- und Innenaufnahmen des Schiffes zeigten Trümmer als Folge des Einschlags. Um welches Schiff genau es sich handelt und in welchem Hafen es passierte, teilte die Armee nicht mit. Der ukrainische Infrastrukturminister Olexander Kubrakow gab an, dass das Schiff Eisenerz nach China transportieren sollte. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben jedoch nicht.
Selenskyj spricht von erinnerungswürdigen Tag
Die Empfehlung der EU-Kommission zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der EU mit der Ukraine ist an Bedingungen gebunden. Vor der ersten Gesprächsrunde soll das Land begonnene Reformen für eine bessere Korruptionsbekämpfung, mehr Minderheitenschutz und weniger Oligarchen-Einfluss abschließen. Dies wird bis zum nächsten März für möglich gehalten. Selenskyj sprach am Abend von einem erinnerungswürdiger Tag der ukrainischen Geschichte.
Ukraine verurteilt Besatzungschef von Cherson zu 15 Jahren Haft
Der von Moskau eingesetzte regionale Verwaltungschef des südukrainischen Gebiets Cherson, Wladimir Saldo, wurde von einem ukrainischen Gericht in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt. Saldo wurde nach Angaben des Gerichts des Hochverrats, der Kollaboration mit russischen Besatzern und der Rechtfertigung von Russlands Einmarsch in die Ukraine schuldig gesprochen. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig und könne nach dem gesetzlich festgelegten Verfahren angefochten werden, hieß es in der online veröffentlichten Gerichtsentscheidung. Saldos Vermögen soll demnach konfisziert werden.
Wladimir Saldo war zwischen 2002 und 2012 Bürgermeister von Cherson. Nach der russischen Besetzung der Region wurde Saldo von Moskau zum Chef der dortigen russischen Militärverwaltung und anschließend zum „amtierenden Gouverneur“ der Region Cherson ernannt.
Nato-Generalsekretär begrüßt Fortschritt bei F-16-Projekt für Ukraine
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich erfreut über die Fortschritte beim Projekt zur Ausrüstung der Ukraine mit westlichen Kampfflugzeugen. Er begrüße, dass die ersten niederländischen F-16-Jets zur Ausbildung ukrainischer Piloten in Rumänien angekommen seien, sagte er am Mittwoch in Brüssel.
Die Niederlande hatten am Dienstag die ersten fünf Kampflugzeuge vom Typ F-16 für die Ukraine auf den Weg in ein Ausbildungszentrum in Rumänien gebracht. Dort sollen künftig ukrainische Piloten ausgebildet werden. Es wird geschätzt, dass das Training der Piloten mindestens sechs Monate dauern wird.
Slowakei stoppt Pläne für Munitionslieferung an Ukraine
Die neue slowakische Regierung unter dem linksnationalen Ministerpräsidenten Robert Fico lehnte am Mittwoch erwartungsgemäß ein noch von der Vorgängerregierung geschnürtes Waffenpaket für die Ukraine ab. Das vor allem aus Munitions-Schenkungen bestehende Paket im Umfang von rund 40 Millionen Euro war kurz vor der Parlamentswahl vom damaligen Verteidigungsminister Martin Sklenar als Vorlage für einen Regierungsbeschluss zusammengestellt worden.
Was am Donnerstag wichtig wird
Die Ukraine setzt im Osten und im Süden des Landes ihre Offensive gegen die russische Invasion fort. Die ukrainischen Streitkräfte wollen die Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk von der russischen Besatzung befreien./ash/DP/zb
Weitere Meldungen – Ukraine
Slowakei stoppt geplante Militärhilfen für die Ukraine
Die neue Regierung der Slowakei hat bereits geplante Militärhilfen für die Ukraine im Umfang von mehr als 40 Millionen Euro gestoppt. „Die Regierung stimmt dem Vorhaben für die Lieferung von militärischer Ausrüstung an die Ukraine nicht zu“, hieß es in einer auf der offiziellen Website veröffentlichten Erklärung. Die seit Oktober regierende Koalition unter Ministerpräsident Robert Fico, an der auch die ultrarechte Slowakischen Nationalpartei (SNS) beteiligt ist, hatte angekündigt, dass sie die Unterstützung für die Ukraine künftig nur noch auf „humanitäre und zivile Hilfe“ beschränken werde.
Putin: Zusammenarbeit mit China im Militärbereich „immer wichtiger“
Die Zusammenarbeit zwischen Russland und China im Militärbereich wird nach Angaben des russischen Präsidenten Wladimir Putin „immer wichtiger“. „Unsere Kontakte im militärischen und militärisch-technologischen Bereich werden immer wichtiger“, sagte Putin, der am Mittwoch den chinesischen General Zhang Youxia in Moskau empfing. Zhang ist der stellvertretende Vorsitzende der Zentralen Militärkommission in Peking.
Bundeswehr beendet am Freitag Patriot-Einsatz in Polen
Nach zehn Monaten wird die Bundeswehr am Freitag ihren Einsatz mit dem Patriot-Luftabwehrsystemen in Polen beenden. Die Luftverteidigung werde dann wieder durch das polnische Militär übernommen, teilte das Bundesverteidigungsministerium mit. Minister Boris Pistorius (SPD) würdigte den Einsatz als „ein ganz wichtiges Zeichen der Solidarität“ im Nato-Bündnis und der Freundschaft beider Länder. Deutschland und Polen hätten dabei „Schulter an Schulter beim Schutz der Nato-Ostflanke“ gestanden.
G7-Außenminister bekräftigen Entschlossenheit zur Unterstützung der Ukraine
Die G7-Staaten haben der Ukraine ihre anhaltende Unterstützung zugesichert. Bei ihrem Treffen in Tokio bekräftigen die Außenminister der G7 ihre Entschlossenheit, ungeachtet des Kriegs in Nahost die Ukraine weiter zu unterstützen und „scharfe Sanktionen gegen Russland zu verhängen“, wie das japanische Außenministerium mitteilte. Es sei wichtig, dass die G7-Staaten vor dem Hintergrund des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas „geschlossen ein klares Signal an die internationale Gemeinschaft senden, dass unser unerschütterliches Engagement für die Unterstützung der Ukraine niemals nachlassen wird“, erklärte die japanische Außenministerin Yoko Kamikawa.
USA: Schlimme Konsequenzen für Ukraine ohne Freigabe weiterer Mittel
WASHINGTON (dpa-AFX) – Die US-Regierung hat vor schwerwiegenden Konsequenzen für die Ukraine gewarnt, sollte der Kongress nicht schnell neue finanzielle Mittel für das von Russland angegriffene Land bewilligen. Auch die westlichen Verbündeten müssten wissen, dass die USA an der Seite der Ukraine stünden, sagte James O’Brien, der im US-Außenministerium für Europa-Angelegenheiten zuständig ist, am Mittwoch vor einem Senatsausschuss.
Wenn die USA künftig kein Geld mehr für die Ukraine bereitstellen würden, müssten die Verbündeten sich fragen, ob ihre Bemühungen ausreichten und ob sie weitermachen sollten, sagte O’Brien. Die Freigabe neuer US-Hilfen für die Ukraine wird derzeit von einem innenpolitischen Streit zwischen Demokraten und Republikanern im US-Parlament blockiert.
O’Brien nahm in der Anhörung auch Bezug auf eine Aussage von Kremlchef Wladimir Putin. Dieser hatte vor rund einem Monat gesagt, dass die Ukraine durch die westlichen Milliardenhilfen und Waffenlieferungen nur noch künstlich am Leben gehalten werde. „Stellen Sie sich vor, die Lieferungen enden morgen, dann überlebt sie nur eine Woche“, so Putin damals. Das sei es, was nun mit Blick auf weitere Unterstützung seitens der USA auf dem Spiel stehe, warnte O’Brien vor dem Ausschuss.
Erin McKee von der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) machte deutlich, dass die humanitäre Hilfe für die Ukraine ohne zusätzliche Mittel erheblich zusammengestrichen werden müsste. USAID habe die Mittel für humanitäre Hilfe bereits vollständig ausgeschöpft. „Angesichts des nach wie vor enormen Bedarfs sind zusätzliche Mittel von entscheidender Bedeutung“, betonte sie.
Sollte der Kongress keine neuen Mittel bewilligen, müssten die Partnerorganisationen der USA in der Ukraine die Zahl der Menschen, die humanitäre Hilfe erhalten, um bis zu 75 Prozent reduzieren, oder humanitäre Programme ganz aussetzen, sagte McKee./nau/DP/ngu
ORF – Ukraine
Selenskyj sichert EU weitere Reformen zu
BAHA NEWS – Ukraine
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ISRAEL – HAMAS
Newsticker
DIE NACHT IM ÜBERBLICK – Israel
ROUNDUP: Israels Militär will Korridor offenhalten – Nacht im Überblick
TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) – Angesichts der heftigen Gefechte mit der islamistischen Hamas im Norden des Gazastreifens wollen die israelischen Streitkräfte die Flucht von Zivilisten in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens weiter ermöglichen. „Wir werden diesen humanitären Korridor in den Süden weiterhin aufrechterhalten“, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Mittwoch. Dies gelte auch für Donnerstag. Demnach hätten am Mittwoch schätzungsweise 50 000 Menschen den Evakuierungskorridor genutzt.
Unterdessen wuchs die Sorge vor einer Ausweitung des Gaza-Krieges auf die ganze Region. Als Reaktion auf die jüngsten Angriffe proiranischer Milizen flog das US-Militär im Osten Syriens einen weiteren Luftangriff. Ziel sei ein Waffenlager gewesen, das von Irans Revolutionsgarden sowie deren Verbündeten genutzt worden sei, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Bereits Ende Oktober hatten die USA im Osten Syriens Luftangriffe gegen zwei ähnliche Ziele geflogen. Dies verschärfte die Befürchtungen, dass sich der Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas zu einem größeren Konflikt ausweiten könnte.
Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas und anderer Gruppen bei Massakern und Angriffen im israelischen Grenzgebiet mehr als 1400 Menschen getötet und zahlreiche Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die israelischen Streitkräfte flogen daraufhin Luftangriffe und rückten mit Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein. Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist nach Angaben des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums auf mehr als 10 500 gestiegen. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Netanjahu bekräftigt: Keine Waffenruhe ohne Freilassung von Geiseln
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu machte unterdessen eine Waffenruhe im Gazastreifen erneut von der Freilassung der Geiseln abhängig. „Ich möchte alle Arten von falschen Gerüchten, die wir aus allen möglichen Richtungen hören, beiseite legen und eines klarstellen: Es wird keine Waffenruhe ohne die Freilassung unserer Geiseln geben“, sagte Netanjahu. Unklar war jedoch, ob er damit die Freilassung aller Geiseln auf einmal meinte. Zuvor hatte es unbestätigte Medienberichte zu Verhandlungen über eine humanitäre Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung von bis zu 15 Geiseln im Gazastreifen gegeben. Ein hochrangiges Mitglied der islamistischen Hamas sagte der Deutschen Presse-Agentur, es liefen „ernsthafte Verhandlungen“.
UN: Konvoi mit Medikamenten erreicht Klinik im Gazastreifen
Ein Konvoi mit medizinischen Gütern erreichte nach Angaben der Vereinten Nationen das Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen. Dies sei erst die zweite Lieferung lebensrettender Hilfsgüter an die Klinik seit Beginn des Gaza-Kriegs, teilten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) mit. Die Lieferung sei zwar willkommen, reiche jedoch bei weitem nicht aus, um den enormen Bedarf im Gazastreifen zu decken. „Die medizinischen Bedingungen in dem größten Krankenhaus im Gazastreifen und einer der ältesten palästinensischen Gesundheitseinrichtungen sind katastrophal“, hieß es in der Mitteilung.
Zahl getöteter UN-Mitarbeiter im Gazastreifen steigt auf 92
Die Zahl der getöteten Mitarbeiter der Vereinten Nationen im Gaza-Krieg stieg auf 92. Die UN hätten weltweit noch in keinem Konflikt innerhalb eines Monats so viele Todesfälle zu verzeichnen gehabt, sagte der Generalkommissar des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, in einem Interview des Schweizer Medienhauses Tamedia, wie die nationale Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Er warnte vor dem Kollaps der öffentlichen Ordnung. Mehr als 700 000 Menschen seien inzwischen in die Einrichtungen des Hilfswerks geflüchtet.
US-Regierung zur Zukunft Gazas: Haben viele Fragen, wenige Antworten
Die US-Regierung mahnte diplomatische Gespräche über die Zukunft des Gazastreifens an. „Ich denke, was wir haben, sind viele Fragen, aber nicht viele Antworten“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, im US-Fernsehsender CNN. „Wir wissen, was wir nach dem Konflikt in Gaza nicht sehen wollen. Wir wollen nicht, dass die Hamas die Kontrolle übernimmt. Wir wollen keine Rückeroberung durch Israel sehen.“ Aber was eine gute Lösung für den Küstenstreifen sei, müsse man nun erst noch rausfinden. Die USA könnten das Problem nicht allein lösen. „Wir werden diplomatische Gespräche mit den Menschen in der Region führen müssen, um eine Lösung zu finden.“
Israel: Ganze Division von Reservisten im Gazastreifen im Einsatz
An der Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen ist nach Militärangaben eine ganze Division von Reservisten beteiligt. Eine Division umfasst für gewöhnlich mindestens 10 000 Soldaten. Es sei das erste Mal seit dem Libanon-Krieg 1982, dass eine ganze Division von Reservisten auf feindlichem Gebiet im Einsatz sei, teilte das Militär mit. Die 252. Division, die seit Samstag im Norden des Gazastreifens agiere, umfasse vier Infanteriebrigaden und eine Panzerbrigade. Außer der Division seien noch weitere Truppen beteiligt.
Was am Donnerstag wichtig wird
Frankreich organisiert eine internationale Hilfskonferenz, um humanitäre Unterstützung für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu mobilisieren. Bei dem Treffen mit Vertretern von Staaten und Hilfsorganisationen geht es nach Angaben des Élyséepalasts am Donnerstag darum, sich für die Einhaltung internationalen Rechts in dem Küstenstreifen und einen verstärkten humanitären Zugang einzusetzen. Hilfe in den Bereichen Wasser, Gesundheit, Energie und Ernährung soll die Menschen erreichen können.
Auf der Konferenz werden neue Finanzzusagen für die Unterstützung der Bevölkerung in Gaza erwartet. Zu dem Treffen unter Leitung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron werden unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel, der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie der zyprische Präsident Nikos Christodoulidis erwartet./stz/DP/zb
Finanznachrichten – Israel
USA gegen „Wiederbesetzung“ des Gazastreifens durch Israel
Die USA haben sich gegen eine erneute langfristige Besetzung des Gazastreifens durch Israel ausgesprochen. „Generell unterstützen wir die Wiederbesetzung des Gazastreifens nicht und Israel auch nicht“, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel, vor Journalisten. „Wir sind der Meinung, dass die Palästinenser bei diesen Entscheidungen an vorderster Stelle stehen müssen und dass der Gazastreifen palästinensisches Land ist und bleiben wird.“ Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte zuvor erklärt, nach dem Krieg für eine „unbestimmte Zeit“ die „Gesamtverantwortung für die Sicherheit“ des Palästinensergebiets übernehmen zu wollen.
Netanjahu: Waffenruhe nur gegen Geisel-Freilassung
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat jegliche Waffenruhe im Gazastreifen ausgeschlossen, solange die dort herrschende radikalislamische Hamas ihre 241 Geiseln nicht freilässt. Ohne eine Freilassung der in den Gazastreifen Entführten werde es keine Lieferung von Treibstoff in das Gebiet, keine Zulassung palästinensischer Arbeiter in Israel und keine Waffenruhe im Gazastreifen geben, sagte Netanjahu.
Katar verhandelt offenbar Freilassung mehrerer Hamas-Geiseln gegen Waffenpause
Der Golfstaat Katar verhandelt offenbar derzeit mit der islamistischen Hamas und Israel über die mögliche Freilassung mehrerer Geiseln im Austausch für eine kurze Waffenpause. Die Verhandlungen unter der Vermittlung Katars in Abstimmung mit den USA seien „im Gange, um die Freilassung von zehn bis 15 Geiseln im Austausch für einen ein- bis zweitägigen Waffenstillstand sicherzustellen“, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus informierten Kreisen.
Baerbock: Nach Krieg darf es keine Besetzung des Gazastreifens geben
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich mit Blick auf die Zukunft des Gazastreifens gegen eine erneute Besetzung des Palästinensergebiets durch Israel ausgesprochen. Trotz des anhaltenden Kriegs zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas müsse schon jetzt über die Zukunft des Küstengebiets nachgedacht werden, sagte Baerbock nach einem Treffen der G7-Außenminister in Tokio. Ein entscheidender Punkt sei, „dass es keine Besetzung von Gaza geben darf, sondern bestmöglich einen internationalen Schutz“.
G7-Außenminister befürworten „humanitäre Pausen“ im Gazastreifen
Die G7-Staaten haben sich angesichts der Notlage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen für „humanitäre Pausen“ im Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas ausgesprochen. Humanitäre „Pausen und Korridore“ seien nötig, um die Lieferung von Hilfsgütern und die Freilassung von Geiseln zu ermöglichen, hieß es in dem Abschlussdokument eines zweitägigen G7-Außenministertreffens in Tokio. Die G7-Staaten riefen „alle Parteien“ auf, humanitären Helfern Zugang zu gewähren und die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln, Wasser und Medizin zuzulassen.
Weitere Meldungen – Israel
Hamas-Führer Sinwar: Israels schwere Fehleinschätzung
Seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober steht er ganz oben auf der „Most Wanted“-Liste Israels: Jahja Sinwar, der 61-jährige Chef der Hamas in Gaza. Er gilt als „Mastermind“ des offenbar seit Jahren geplanten Angriffs mit rund 1.400 Toten in Israel. Und ausgerechnet bei Sinwar unterlief Israels politischen und militärischen Entscheidungsträgern eine schwere Fehleinschätzung.
Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers Joav Galant von Dienstagabend wurde Sinwar durch den Einsatz der israelischen Bodentruppen in seinem Bunker isoliert. Seine Befehlskette schwäche sich ab, so Galant. Für Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist Sinwar seit dem 7. Oktober ein „dead man walking“, und Galant warnte Sinwar – und den Chef der Al-Kassam-Brigaden, Mohammed Deif – man werde sie in Gaza „finden und eliminieren“.
Dabei hatte Israel jahrelang in der Überzeugung agiert, Sinwar sei zwar radikal und wolle Israels Ende, aber zugleich auch ein Realpolitiker, zumindest mit dem Interesse, die eigene Herrschaft beziehungsweise jene der Hamas abzusichern.
Mit Deals – wie der Erteilung von mehr Arbeitsgenehmigungen, der Erlaubnis an Katar, in Koffern Geld in Millionenhöhe an die Hamas zu liefern, damit sie ihre Leute entlohnen kann, und einer Linderung der Blockade von Gaza – glaubten Netanjahu und auch die militärische Führung, die militärische Auseinandersetzung mit der Hamas zumindest in den gewohnten Grenzen halten zu können: also zeitweise Angriffe mit Ballonen, selbst gebaute Raketen und vereinzelte Trupps, die nach Israel einzudringen versuchen.
Netanjahus „Konzept“
Geblendet wurde Netanjahu dabei von seinem eigenen, seit mehr als 20 Jahren verfolgten „Konzept“, so das Gros der Kommentatorinnen und Kommentatoren in Israel in seltener Einigkeit: Man müsse Hamas bis zu einem gewissen Maß stärken, um so die gemäßigte Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu schwächen und damit internationalem Druck für eine politische Lösung des Nahost-Konflikts das Wasser abzugraben. Letzteres funktionierte tatsächlich, hat sich aber nun in den Augen eines Großteils der Israelis – darunter auch Netanjahu-Wähler – als folgenschwerer strategischer Fehler erwiesen, den rund 1.400 Menschen in Israel mit dem Tod bezahlen mussten.
Denn am „schwarzen Schabbat“ des 7. Oktober zeigte sich, dass all die Taktiken, derer sich die Hamas in den letzten Jahren bediente, Einzelteile des von langer Hand geplanten Angriffs waren und alles scheinbare Eingehen Sinwars auf Verhandlungen über Erleichterungen nur dazu diente, sich gemäß dem „Konzept“ und den Erwartungen der Israelis zu verhalten und sie so in Sicherheit zu wiegen.
Viermal verurteilt
Sinwar kam im Flüchtlingslager Chan Junis im Süden des Gazastreifens zur Welt, seine Familie stammte aus dem heute israelischen Aschkelon. Sinwar studierte an der Islamischen Universität in Gaza Arabistik und politisierte sich in dieser Zeit. 1987, während der ersten Intifada, gehörte er zu den Gründern des militärischen Arms der Hamas.
Er wurde mehrmals zu lebenslanger Haft verurteilt – unter anderem wegen der Tötung zweier israelischer Soldaten und der Ermordung von zwölf Palästinensern. Denn Sinwar führte den internen Sicherheitsapparat Madschd (dt.: Ehre) an, der Kollaborateure in den eigenen Reihen ausfindig machte und eliminierte.
Die Israelis „wollten, dass das Gefängnis zu unserem Grab wird. (…) Aber dank Gottes und unseres Glaubens in unsere Sache verwandelten wir das Gefängnis in Gebetshäuser und Lernstätten“, so Sinwar laut „New York Times“ einst über die Haft.
Israel genau studiert
23 Jahre saß er insgesamt in Israel im Gefängnis, wo er auch Hebräisch lernte und Israel studierte, indem er etwa Biografien über Menachem Begin und Jizchak Rabin las. „Er hat uns vom Anfang bis zum Ende genauestens studiert“, so ein ehemaliger Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienst Schin Beit, Micha Kobi, gegenüber der „Financial Times“.
Laut Kobi, der Sinwar selbst einst verhörte, erzählte ihm dieser, wie er angeblich den Kollaborateur einer verfeindeten Fraktion bestrafte. Er habe dessen Bruder, der bei der Hamas war, dazu „gezwungen, den eigenen Bruder lebendig zu begraben“. Sinwar werde von verschiedenen Leuten, die ihn über die Jahrzehnte besser kennenlernten, als charismatisch, wortkarg, brutal, manipulativ, rasch auffahrend, entschlossen und mitreißend beschrieben, so die „Financial Times“.
In Haft wurde Tumor entfernt
In israelischer Haft wurde Sinwar rasch zum Anführer der politischen Häftlinge. 2004 wurde ihm in Haft von israelischen Ärzten ein Tumor im Gehirn entfernt. 2011 kam Sinwar frei – als einer von tausend palästinensischen Gefangenen, die gegen den französisch-israelischen Soldaten Gilad Schalit ausgetauscht wurden.
2017 wurde Sinwar zum politischen Führer der Hamas im Gazastreifen gewählt, nachdem sein Vorgänger Ismail Hanija Chef der Organisation wurde und ins Exil ging.
Wegbegleiter von Scheich Jassin
Sinwar, der im Slum von Chan Junis in Nachbarschaft zu Deif aufwuchs, war einst auch einer der Ideengeber von Scheich Achmad Jassin, der zentralen Figur der Hamas. Jassin, der 2004 von Israel getötet wurde, baute den Ableger der Muslimbruderschaft in Gaza entscheidend aus – zunächst als rein soziale Bewegung, die sich aber in der Auseinandersetzung mit der Fatah einerseits und Israel andererseits rasch radikalisierte und zur Terrororganisation umwandelte.
Israel gegenüber zeigte sich Sinwar immer wieder für gewisse Arrangements – wirtschaftliche Erleichterung gegen Verzicht auf Angriffe – verhandlungsbereit. Im Nachhinein stellt sich das für Israel nun als gezieltes politisch-diplomatisches Manöver dar, um das Land in falscher Sicherheit zu wiegen.
So geschlossen sie derzeit nach außen auftritt – intern gibt es in der Hamas durchaus verschiedene Strömungen und unterschiedliche Abstufungen an Radikalität. Dazu kommen interne Machtkämpfe – zwischen Exilführung und jener in Gaza und zwischen politischer und militärischer Führung. Eine Streitfrage ist etwa, wie weit der Schulterschluss der Terrororganisation mit dem schiitischen Iran gehen soll.
Strategisches Ziel verfehlt
Die hohe Zahl an Opfern und Geiseln, die der von Sinwar geplante Überfall von Israel forderte, ist nicht nur in den Augen der Terrororganisation selbst, sondern auch in denen vieler Palästinenser ein großer Erfolg. Gemäßigtere Teile der Bevölkerung freilich sehen vor allem das enorme Leid und Elend, das Sinwar damit über die eigene Bevölkerung gebracht hat.
Und das damit verbundene strategische Ziel, Israel in einen Fünffrontenkrieg zu ziehen, scheint nicht aufzugehen. Denn die Appelle von Sinwar und der restlichen Hamas-Führung an die arabischen Israelis, die Palästinenser im besetzten Ostjerusalem und im besetzten Westjordanland sowie die Hisbollah im Libanon, um sie in die kriegerische Auseinandersetzung mit Israel hineinzuziehen, wurden von diesen weitgehend ignoriert.
Ohne Rücksicht auf „Kosten“
Die Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien wurde „erfolgreich“ unterbrochen. Den Preis für die provozierte Eskalation nie da gewesenen Ausmaßes bezahlt aber nicht nur die eigene Bevölkerung mit vielen Toten, Verwundeten, Traumatisierten und der Zerstörung ihrer Existenzgrundlage; auch die Terrororganisation selbst dürfte – setzt Israel sein erklärtes Kriegsziel nur annähernd um – ihre Existenzgrundlage weitgehend verlieren, zumindest aber in ihren Möglichkeiten um Jahre zurückgeworfen werden.
Sinwars größte Hoffnungen ruhen derzeit einerseits auf den mehr als 200 Geiseln, die die Hamas in ihren Händen hält, andererseits darauf, dass Israel offenbar noch keinen Plan hat, wie es politisch nach dem Krieg in Gaza weitergehen soll, geschweige denn sich die für eine Umsetzung nötige Unterstützung vor allem der USA und Ägyptens gesichert hat.
Sollten aber mittelfristig aus der aktuellen Katastrophe ernsthafte Friedensbemühungen in Gang kommen, würde das Sinwars Plan zu einer aus seiner Sicht fatalen Fehleinschätzung umwandeln. Vorausgesetzt, Terrorchef Sinwar lebt dann noch.
guti, ORF.at
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G-7 für „humanitäre Pausen“ im Gazastreifen
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