Tagesblick – Sommerausgabe, 18.9.2022 Sonntag

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RUSSLAND – UKRAINE – 18.9.2022: Selenskyj wirft Moskau ‚Nazi‘-Praktiken vor – Die Nacht im Überblick

WOCHENEND-ÜBERBLICK – 18.9.2022

EU-Kommission will Ungarn Milliardenhilfen kürzen
Länder drohen mit Nein im Bundesrat gegen drittes Entlastungspaket
Scholz sichert Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsplätze in Schwedt zu
US-Politikerin Pelosi verurteilt Aserbaidschans „illegalen Angriff“ auf Armenien
„Sehr gefährlicher“ Taifun erreicht Japan

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Zur freundlichen Erinnerung:

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RUSSLAND – UKRAINE – 18.9.2022: Selenskyj wirft Moskau ‚Nazi‘-Praktiken vor – Die Nacht im Überblick

KIEW (dpa-AFX) – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Vorgehen der russischen Besatzer in seinem Land mit den Nazi-Gräueln im Zweiten Weltkrieg verglichen. Es gebe grausamste Folter, Deportationen, verbrannte Städte, bodenlosen Hass und nichts Lebendiges mehr unter russischer Besatzung, sagte Selenskyj in einer am Samstag in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Zwar würden die Russen anders als die Nazis keine Seife aus den getöteten Ukrainern machen – und keine Lampenschirme aus ihrer Haut. „Aber das Prinzip ist das gleiche“, meinte der Staatschef nach mehr als sechs Monaten Krieg.

Selenskyj bezeichnete die vor einer Woche aus dem Gebiet Charkiw geflohenen Besatzer als „Raschisten“ und sagte, so hätten sich auch die „Nazis“ verhalten. „Raschismus“ vereint die Wörter Russland und Faschismus und wird von vielen Ukrainern als Begriff für „russischer Faschismus“ benutzt. Wie die „Nazis“ würden auch die „Raschisten“ auf dem Schlachtfeld und vor Gericht für ihre Taten zur Verantwortung gezogen, sagte Selenskyj.

„Wir werden die Identitäten aller ermitteln, die gefoltert und misshandelt haben, die diese Grausamkeiten von Russland hier auf ukrainisches Gebiet gebracht haben“, betonte der 44-Jährige. Bei ihrer Flucht hätten die Besatzer Foltergeräte zurückgelassen. Ukrainische Behörden veröffentlichten unterdessen Fotos, die Folterkammern und -geräte zeigen sollen. Es seien inzwischen mehr als zehn Folterkammern in verschiedenen Städten des befreiten Gebiets Charkiw entdeckt worden, sagte er. „Folter war eine weit verbreitete Praxis in dem besetzten Gebiet.“

Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen in der Ukraine gefordert

Nach Darstellung Selenskyjs wurden Menschen mit Drähten und Stromschlägen gequält. So sei etwa auf einem Bahnhof in Kosatscha Lopan ein Folterraum mit elektrischen Folterwerkzeugen entdeckt worden. Auch bei den in einem Waldstück nahe der Stadt Isjum gefundenen Leichen seien neue Beweise für Folter sichergestellt worden. Die Exhumierung der Toten auf der „Massengrabstätte“ sei am Samstag fortgesetzt worden, sagte Selenskyj.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht forderte die Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen. „Diese furchtbaren Verbrechen müssen unbedingt aufgeklärt werden – am besten von den Vereinten Nationen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die UN sollten schnellstmöglich Zugang bekommen, damit Beweise gesichert werden könnten. „Die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen müssen vor Gericht gestellt werden.“

In Isjum sind mehr als 440 Gräber mit Leichen gefunden worden. Die Menschen sollen ersten Erkenntnissen zufolge ums Leben gekommen sein, als Russland die Stadt Ende März heftig beschossen habe.

Ende März waren auch in dem Kiewer Vorort Butscha nach dem Abzug russischer Truppen Hunderte getötete Zivilisten – einige mit Folterspuren und gefesselten Händen – gefunden worden. Butscha gilt seitdem als Symbol für schwerste Kriegsverbrechen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Selenskyj kündigt Befreiung aller besetzten Gebiete an

In seinem Video kündigte Selenskyj an, dass neben der Ermittlungsarbeit zur Aufklärung der russischen Verbrechen im Gebiet Charkiw das normale Leben zurückkehren solle. Die Menschen sollten Nahrungsmittel, Medikamente, Strom und ihre Renten erhalten. Auch der öffentliche Verkehr solle wieder hergestellt werden. Zwar räumte Selenskyj ein, es gebe aktuell keine „signifikanten Änderungen der Lage“ an der Front. Zugleich betonte er aber, dass alle besetzten Gebiete befreit würden – und Russland keine Chance habe.

Es sollten die Gebiete Cherson, Luhansk, Donezk samt der dortigen Großstadt Mariupol, aber auch Bedyansk in der Region Saporischschja sowie die von Russland schon 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim befreit werden. Überall werde wieder die ukrainische Flagge wehen, betonte Selenskyj. „Aber wir brauchen dafür noch Zeit.“ Vor allem setzt die Ukraine auf schwere Waffen des Westens, um die russischen Besatzer aus dem Land zu drängen.

Nato-Militär: Westliche Militärhilfe macht echten Unterschied

Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Admiral Rob Bauer, sieht in der westlichen Militärhilfe und der Kriegsführung des ukrainischen Militärs entscheidende Faktoren für die jüngsten Erfolge Kiews. „Die Munition, Ausrüstung und Ausbildung, die die Verbündeten und andere Nationen liefern, machen auf dem Schlachtfeld einen echten Unterschied“, sagte der Niederländer am Samstag in Estlands Hauptstadt Tallinn, wo sich der Ausschuss traf, dem die Generalstabschefs der 30 Mitgliedsstaaten angehören.

Die ukrainische Armee hatte zuletzt bei einer Gegenoffensive im Osten des Landes von russischen Kräften besetztes Gebiet zurückerobert. Nach Angaben von Bauer haben die Generalstabschefs bei ihrer zweitägigen Konferenz darüber beraten, wie die Unterstützung der Verbündeten für die Ukraine „aufrechterhalten und ausgebaut werden kann“. „Die Nato wird die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist. Der Winter kommt, aber die Unterstützung soll unerschütterlich bleiben“, sagte er.

Der Nato-Militärausschuss berät den Nordatlantikrat, das höchste politische Gremium der Nato, in militärischen Fragen. Ein Schwerpunkt der Konferenz in Tallinn war die Umsetzung der Beschlüsse des Nato-Gipfels in Madrid Ende Juni. Als Gäste nahmen zum ersten Mal die Verteidigungschefs von Finnland und Schweden an der Konferenz teil. Die beiden nordischen EU-Länder hatten nach Russlands Angriff auf die Ukraine die Aufnahme in das Verteidigungsbündnis beantragt.

Was am Sonntag wichtig wird

Im befreiten ostukrainischen Gebiet Charkiw wollen ukrainische Ermittler weiter Beweise für Kriegsverbrechen nach dem Abzug von Moskaus Streitkräften sichern. In dem Waldstück nahe der Stadt Isjum geht die Exhumierung der Leichen weiter. Geklärt werden sollen die Identität der Menschen und die Todesursache. Zudem geht die Debatte weiter um Lieferungen etwa von deutschen Kampfpanzern an die Ukraine. Kanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt dies ab./mau/DP/he

WOCHENEND-ÜBERBLICK – 18.9.2022

EU-Kommission will Ungarn Milliardenhilfen kürzen

Wegen Korruptionsvorwürfen will die Europäische Kommission Ungarn milliardenschwere Fördermittel kürzen. Die Kommission schlage vor, 7,5 Milliarden Euro EU-Hilfen einzufrieren, sagte EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn bei einer Pressekonferenz am Sonntag. Entscheiden müssten über die Kürzung letztlich die EU-Mitgliedsländer, die Kommission will Budapest aber noch die Möglichkeit zu Reformen geben.

Länder drohen mit Nein im Bundesrat gegen drittes Entlastungspaket

In den Bundesländern formiert sich heftiger Widerstand gegen das von der Ampel-Koalition geplante dritte Entlastungspaket. Erste Länder drohten am Wochenende damit, im Bundesrat nicht zuzustimmen und den Vermittlungsausschuss anzurufen. „In der jetzigen Form ist das Entlastungspaket keinesfalls zustimmungsfähig“, sagte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) der Welt am Sonntag. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) forderte, der Bund müsse „deutlich nachbessern“.

Scholz sichert Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsplätze in Schwedt zu

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach der Entscheidung zur Treuhandverwaltung der deutschen Rosneft-Tochterfirmen Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsplätze zugesichert. Für die Raffinerie Schwedt müsse „viel investiert werden“, sagte Scholz am Samstag in seinem wöchentlichen Internet-Format „Kanzler kompakt“. „Wir ertüchtigen die Pipeline aus Rostock, bauen den Hafen dort aus“, sagte er. „Und wir sorgen dafür, dass die Arbeitsplätze gesichert sind, dass die Löhne gesichert werden, auch wenn es Schwierigkeiten gibt.“

US-Politikerin Pelosi verurteilt Aserbaidschans „illegalen Angriff“ auf Armenien

Nach den jüngsten Gefechten zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen hat die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Aserbaidschan für die Eskalation verantwortlich gemacht. Die Spitzenpolitikerin sprach am Sonntag bei einem Besuch in Eriwan von „illegalen und tödlichen Angriffen Aserbaidschans auf armenisches Gebiet“. Im Namen des US-Kongresses verurteilte sie diese „Angriffe“ auf das Schärfste, die die Aussichten auf ein „dringend benötigtes Friedensabkommen“ gefährdeten. Pelosi war am Samstag für einen dreitägigen Besuch in Armenien eingetroffen.

„Sehr gefährlicher“ Taifun erreicht Japan

Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 234 Stundenkilometern und starken Regenfällen hat der als „sehr gefährlich“ eingestufte Taifun „Nanmadol“ Japan erreicht. Wie der nationale Wetterdienst mitteilte, traf der Sturm am Sonntagabend (Ortszeit) auf die Stadt Kagoshima im äußersten Südwesten Japans. Im Vorfeld hatten bereits mindestens 20.000 Bewohner der südwestlichen Insel Kyushu vor dem als „sehr gefährlich“ eingestuften Taifun Zuflucht in Notunterkünften gesucht.