Tagesblick, 11.6.2022 Samstag

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# # # CORONA-PANDEMIE # # #

CORONA – MEDIZIN – COVID-19 in der Schwangerschaft: Vorläufige Hinweise auf neurologische Einschränkungen beim Kind – Bloße Assoziationen werfen Fragen auf und regen weitere Forschungen an – Warnung vor voreiligen Schlussfolgerungen – NACHTRAG: 10.6.2022
CORONA – ÖSTERREICH – Klein im Sommer, größer im Herbst: Experte warnt vor doppelter Corona-Welle in Österreich – Omikron-Impfstoff von Moderna im Herbst erwartet – Auffrischung 6 Monate nach dem letzten Stich empfohlen: individueller Schutz überwiegt – 11.6.2022

….. THEMENKRANZ …..

UMWELTTECHNOLOGIE – Weltrekord: Turbine läuft nur mit Wasserstoff – Umwelterfolg der Universität Stavanger – Wirkungsgrad soll in weiteren Schritten erhöht werden – NACHTRAG: 10.6.2022
SOCIALMEDIA – Social Media schüren antisemitischen Hass – TikTok als Brutstätte identifiziert – Antijüdische Nutzernamen um 1.375 Prozent angestiegen – TikTok: Brutstätte für gewalttätigen und extremistischen Content – NACHTRAG: 10.6.2022

# # # AUS ALLER WELT # # #

INTERNATIONAL – OECD-Wirtschaftsausblick: Russlands Krieg gegen die Ukraine kommt die ganze Welt teuer zu stehen – inkl. Graphik – NACHTRAG: 8.6.2022

INTERNATIONAL – Wachstum der US-Wirtschaft verlangsamt sich: USA bleiben für 2022e und 2023e mit 2,5 und 1,2 Prozent hinter China (4,4/4,9), Australien (4,2/2,5) und Kanada (3,8/2,6) zurück – Großbritannien schlimmer dran (3,6/0,0) – Pessimistische Prognose der OECD wegen Arbeitskräftemangel, Inflation und hoher Energiepreise – Inflation nahe 40-Jahres-Hoch – Risiken für Wachstums- und Inflationsprojektionen erheblich – NACHTRAG: 10.6.2022

INTERNATIONAL – ILO erklärt Sicherheit und Gesundheit zum Grundrecht – 11.6.2022

BÖRSEN – USA: Aus TINA wird TARA – US-Retail-Aktien wurden abgebaut – NACHTRAG: 2.6.2022
Von Martin Lüscher

USA – EUROPA – Terms of Trade offenbaren: Wohlstandsverluste in Europa, Wohlstandsgewinnen in den USA – USA werden mehr konsumieren können: europäische Konsumausgaben werden im laufenden Quartal stark rückläufig sein – NACHTRAG: 1.6.2022
USA – Verschlechterte Finanzierungsbedingungen für US-Unternehmen bedeuten eine Gefahr für das Wirtschaftswachstum – NACHTRAG: 3.6.2022
USA – Jetzt geht’s ans Eingemachte: US-Sparguthaben beginnen zu schrumpfen – Chart des Tages – NACHTRAG: 9.6.2022

%%% UKRAINE-KRIEG %%%

n-tv-Liveticker zum Ukraine-Krieg – 12.6.2022

RUSSLAND – UKRAINE – Die Kriegsnacht im Überblick: Geheimdienst: Pläne des Kreml reichen bis Oktober – Schwere Kämpfe um Sjewjerodonezk *** Chemiewerk Azot laut Gouverneur weiterhin unter Kontrolle – Geheimdienst: Moskaus Planungen reichen bis in den Oktober – Chemiewerk Azot laut Gouverneur weiterhin unter KontrolleGeheimdienst: Moskaus Planungen reichen bis in den Oktober – Schwierige Lage für ukrainische Truppen – Rheinmetall verfügt über auslieferungsbereite „Marder“ – Kandidaten-Status für Ukraine wird auch EU stärker machen – Das wird heute wichtig – inkl. Kartenwerk * Meldungskranz am Ende des Beitrags – 12.6.2022, 7:16

RUSSLAND – UKRAINE – Der 108. Kriegstag im Überblick: Chemiefabrik in Sjewjerodonezk brennt – Polen enttäuscht von Scholz *** Ukrainisches Militär leistet Widerstand – Gouverneur: „Russen haben Sjewjerodonezk ruiniert“ – Hinweise auf Munitionsmangel der Kreml-Truppen – Gebietsgewinne für Ukraine im Süden – Russen verteilen Pässe in Cherson – Überraschungsbesuch: Von der Leyen in Kiew – Unbestätigter Bericht: Reisepläne von Scholz mit Macron und Draghi – Warschau vermisst guten Willen bei deutschen Panzerlieferungen * Meldungskranz am Ende des Beitrags – 11.6.2022, 22:03

RUSSLAND – UKRAINE – SCHWEIZ – Schweiz übernimmt neue EU-Sanktionen – Pflichtlager für Benzin und Heizöl – Massnahmen im Finanzsektor – Weitere Personen mit Sanktionen belegt – NACHTRAG: 10.6.2022

RUSSLAND – UKRAINE – KOMMENTAR – Wladimir Sorokoin: „In Moskau ist eine moralische Epidemie ausgebrochen“ – Handelsblatt Insight: Russische Impressionen – 10.6.2022

….. Weitere Meldungen zum Ukraine-Krieg ..…

RUSSLAND – UKRAINE – DEUTSCHLAND – 220 ukrainische Verletzte und Erkrankte in deutschen Kliniken – 11.6.2022

# # # AUS ALLER WELT (Fortsetzung) # # #

EUROPA – Gewinnrevisionen verschlafen? – NACHTRAG: 8.6.2022
SCHWEIZ – OECD-Ausblick für die Schweiz – Wirtschaftswachstum 2022e bei 2,5 und 2023e bei 1,3 Prozent – Nachfrageabschwächung schwächt Export-und Investitionswachstum – Verbesserter Arbeitsmarkt und Abbau der hohen Sparquote stützt Privatkonsum – Geldpolitik angemessen: Kapitalzufluss stützt, Inflation nur 2022e mit 2,5 Prozent über SNB-Zielkorridor – Haushaltskonsolidierung fortführen – Belastung durch starken Flüchtlingsstrom – NACHTRAG: 8.6.2022
ITALIEN – Steigende Zinsen verursachen Zittern in Rom – Chart des Tages – NACHTRAG: 10.6.2022
DEUTSCHLAND – OECD-Ausblick für Deutschland – Unsicherheit, Lieferkettenengpässe und hohe Inflation belasten die Wirtschaft – inkl. Schaubildern und Tabelle – NACHTRAG: 8.6.2022

DEUTSCHLAND – KOMMENTAR – Warum eine Übergewinnsteuer keine gute Idee ist – Sondersteuer für Energieunternehmen verunsichert Investoren und ist Ausdruck politischer Willkür – NACHTRAG: 10.6.2022
DEUTSCHLAND – KOMMENTAR – Was aus der Erhöhung des Mindestlohns folgt – Der Chefökonom – NACHTRAG: 10. 6.2022
DEUTSCHLAND – IG Metall will mindestens die Reallöhne sichern – Weitere staatliche Entlastungen gefordert – IG Metall will angesichts der hohen Gewinne 8,2 Prozent durchsetzen – 11.6.2022
ÖSTERREICH – OECD-Ausblick für Österreich – Wirtschaftswachstum 2022w bei 3,6 und 2023e bei 1,4 Prozent – Binnennachfrage treibt Wirtschaft – Angespannter Arbeitsmarkt – Erhebliche Abwärtsrisiken: gestiegene Unsicherheit, höhere Energiepreise, Arbeitskräftemangel und Störungen der Lieferketten – Ökosoziale Steuerreform ausbauen – Starke Erdgasabhängigkeit – Österreichische Bankkredite in Russland zu klein, um riskant zu sein – Prioritäten: mehr Energiesicherheit durch einen Ausbau der Erneuerbaren und eine bessere Aktivierung der Arbeitskräftereserven – inkl. Schaubildern und Tabelle – NACHTRAG: 8.6.2022
ÖSTERREICH – Bäckereien unter Druck – Preisanstieg schon vor Kriegsbeginn wegen Missernten – Mitarbeitermangel ist das größere Problem – 11.6.2022
ÖSTERREICH – Moody’s hebt Kärntens Bonitätsrating von Aa3 auf Aa2 an – 11.6.2022

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Zur freundlichen Erinnerung:

KURZWELLENEMPFANG – Weitere ORF-Radio-Journale werden via Kurzwelle ausgestrahlt – 1.3.2022
Ab sofort bietet der ORF zusätzlich zum “Ö1 Morgenjournal” (6155 kHz, 7.00 Uhr, Montag bis Samstag), täglich auch das “Ö1 Mittagsjournal” (13730 kHz, 12.00 Uhr, Montag bis Samstag) und das “Ö1 Abendjournal” (5940 kHz, 18.00 Uhr, Montag bis Freitag und Sonntag) via Kurzwelle an.
https://www.leadersnet.at/news/56617,weitere-orf-radio-journale-werden-via-kurzwelle-ausgestrahlt.html

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# # # CORONA-PANDEMIE # # #

CORONA – MEDIZIN – COVID-19 in der Schwangerschaft: Vorläufige Hinweise auf neurologische Einschränkungen beim Kind – Bloße Assoziationen werfen Fragen auf und regen weitere Forschungen an – Warnung vor voreiligen Schlussfolgerungen – NACHTRAG: 10.6.2022
Boston – Eine US-Studie liefert vorläufige Hinweise darauf, dass eine SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft mit neurologischen Einschränkungen beim Kind assoziiert sein könnte.
Insgesamt erhielten 6,3 % der gegenüber einer mütterlichen SARS-CoV-2-Infektion exponierten Kinder und 3,0 % der nicht exponierten Kinder im 1. Lebensjahr die Diagnose einer neurologischen Entwicklungsstörung (JAMA Network Open, 2022; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.15787).
Experten raten allerdings zu einer extrem vorsichtigen Interpretation dieser Ergebnisse. In einem begleitenden Editorial betont etwa die US-Geburtshelferin Dr. Torri Metz vom Department of Obstetrics and Gynecology der University of Utah Health in Salt Lake City, dass die retrospektive Kohortenstudie nur Assoziationen aufzeigen, aber keine Beweise für Kausalität liefern kann.
„Diese Art von Arbeiten sind dazu da, Hypothesen zu generieren, und dieses Ziel wurde erreicht. Sie wirft eine ganze Reihe von Fragen auf, die weiter erforscht werden müssen.“
Für die Studie verglichen Dr. Andrea Edlow vom Department of Obstetrics and Gynecology am Massachusetts General Hospital in Boston und ihre Kollegen retrospektiv 2 Kohorten: 222 Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren, und 7.550 Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft nicht positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren.
*** SARS-CoV-2-Exposition in utero mit höherer Diagnoserate assoziiert
In der Kohorte mit in der Schwangerschaft positiv auf SARS-CoV-2- getesteten Müttern wurde bei 14 Kindern (6,3 %) in den ersten 12 Lebensmonaten eine neurologische Entwicklungsstörung diagnostiziert. Vorwiegend handelte es sich dabei um Einschränkungen bei der Sprech- und Sprachentwicklung sowie bei den motorischen Fähigkeiten. In der in utero nicht gegenüber SARS-CoV-2 exponierten Kohorte wurde eine solche Diagnose bei 227 Kindern (3,0 %) gestellt.
SARS-CoV-2-Positivität bei der Mutter in der Schwangerschaft war mit einer höheren Rate an Diagnosen neurologischer Entwicklungsstörungen bei den Kindern assoziiert. Dies war sowohl ohne Adjustierung (OR 2,17) als auch mit Adjustierung um Ethnizität, Versicherungsstatus, Geschlecht des Kindes, mütterliches Alter und Frühgeburtlichkeit der Fall (aOR 1,86).
*** Stärkerer Effekt im letzten Trimenon
Als am stärksten erwies sich der Effekt, wenn die Infektion ins 3. Trimenon fiel (aOR 2,34). Die Studie zeigte außerdem, dass es bei den gegenüber SARS-CoV-2 exponierten Frauen häufiger zu Frühgeburten kam: 14,4 % (32) vs. 8,7 % (654).
Die Autoren um Edlow betonen, dass es sich um vorläufige Hinweise handele und prospektive Studien mit längerem Follow-up erforderlich seien, um andere Ursachen für die beobachteten Ergebnisse auszuschließen und diese Assoziationen zu bestätigen.
*** Expertin: Für diese Assoziation gibt es viele andere Erklärungen
Für Marian Knight, Professorin für Maternal and Child Population Health an der University of Oxford, reicht dieses Zugeständnis allerdings nicht wirklich aus. Auf Nachfrage kritisiert sie: „Für die Studie wurden kodierte Krankenhausdaten von 4 Kliniken in den USA verwendet. Die Autoren berichten basierend auf nur 14 Kleinkindern mit einem Diagnosecode, dass Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft positiv auf SARS-CoV-2 getestete wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Code für eine neurologische Entwicklungsstörung haben.“
Für diese Beobachtung gibt es Knight zufolge aber eine ganze Reihe möglicher Erklärungen. So sei zum Beispiel nicht bekannt, weshalb die Frauen auf SARS-CoV-2 getestet wurden.
„Viele Krankenhäuser testen Patienten routinemäßig bei der Aufnahme – vielleicht wurden Frauen, die bereits Schwangerschaftskomplikationen hatten, mit höherer Wahrscheinlichkeit getestet“, so die Expertin. „Bei solchen Frauen ist demzufolge die Wahrscheinlichkeit, dass eine SARS-CoV-2-Infektion entdeckt wird, höher – selbst wenn diese gar keine Auswirkungen auf die Schwangerschaft haben sollte.“
**** Kritik an mangelnden Angaben
Des Weiteren machen die Autoren kaum Angaben zu Schwangerschaftskomplikationen. „Nur zu Diabetes, Prädiabetes und Blutungen gibt es Zahlen. Aber auch Unterschiede bei anderen Schwangerschaftskomplikationen könnten diese Ergebnisse erklären“, betont Knight.
Zweifel hegt die Expertin auch an den in die Studie einbezogenen Diagnosen: „Was bedeutet der Code ‚Umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache, , nicht näher bezeichnet‘ bei Kleinkindern unter 12 Monaten“, fragt sie. Denn das sei die neurologische Entwicklungsstörung, die für die Hälfte der Kinder SARS-CoV-2-positiver Mütter angegeben worden sei.
*** Warnung vor voreiligen Schlussfolgerungen
Sie stellt klar: „Auf Basis dieses Papers kann man nicht schlussfolgern, dass COVID-19 in der Schwangerschaft Entwicklungsprobleme bei den Kindern verursacht. Um herauszufinden, ob das eine berechtigte Sorge ist, sind andere Studien nötig, die validierte Parameter für die Entwicklung von Kindern anwenden und dies, wenn die Kinder schon etwas älter sind.“ © nec/aerzteblatt.de
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/134959/COVID-19-in-der-Schwangerschaft-Vorlaeufige-Hinweise-auf-neurologische-Einschraenkungen-beim-Kind

CORONA – ÖSTERREICH – Klein im Sommer, größer im Herbst: Experte warnt vor doppelter Corona-Welle in Österreich – Omikron-Impfstoff von Moderna im Herbst erwartet – Auffrischung 6 Monate nach dem letzten Stich empfohlen: individueller Schutz überwiegt – 11.6.2022
Der Experte sieht im „Heute“-Talk eine Sommer- und Herbstwelle auf uns zukommen. Die Impfempfehlung gibt’s aber frühestens im Herbst. Ist das klug?
Das Nationale Impfgremium (NIG) verweist aktuell auf den Herbst, wenn es um die vierte Corona-Impfung geht. Wenn die Herbsttemperaturen die Menschen wieder in die Innenräume treiben, bietet dies den idealen Nährboden für die Vermehrung des Virus und eine weitere Infektionswelle – das zeigt die Erfahrung. Aktuell sind die Zahlen wieder im Ansteigen. Wäre es daher nicht ratsam, bereits jetzt zur Impfung zu raten, um der drohenden Herbstwelle zuvorzukommen? Dies vor dem Hintergrund, dass der von Moderna an Omikron angepasste Impfstoff bessere Antikörperlevel gegen die Fluchtvarianten zu erzeugen scheint. „Heute“ sprach dazu mit Pharmakologe Prof. Markus Zeitlinger von der MedUni Wien.
Zeitlinger geht von einer „kleineren Sommerwelle und einer größeren Herbstwelle“ aus. Ob man sich jetzt oder im Herbst impfen lassen soll, hängt laut Prof. Zeitlinger vom Zeitpunkt der letzten Impfung ab: „Empfohlen wird eine Auffrischung nach sechs Monaten und mit dem gehe auch ich d’accord.“ Da die Antikörper mit der Zeit bei jedem Menschen absinken, sinkt auch der Impfschutz. Mit der Auffrischungsimpfung holt man Immunschutz wieder dorthin wo er vorher war.
*** Omikron-Impfstoff von Moderna im Herbst erwartet
Die Virologin, Dorothee von Laer werde auf den Omikron-angepassten Impfstoff im Herbst warten, wie sie gestern in der „ZiB 2“ bekannt gab.
Der neue von Moderna präsentierte Impfstoff „mRNA-1273.214“ besteht zur Hälfte aus dem ursprünglichen Moderna-Impfstoff „Spikevax“ – in der EU zugelassen – und zur Hälfte aus einem speziell auf die Omikron-Variante zugeschnittenen Impfstoff-Kandidaten. Die Studienergebnisse zeigen einen Anstieg der neutralisierenden Titer gegen Omikron etwa um das 8-fache gegenüber dem Ausgangswert. Der ursprünglichen Impfstoff, der noch auf das Wuhan-Virus zugeschnitten war, erhöhte die neutralisierenden Titer gegen Omikron um das 4-fache. Das Niveau der neutralisierenden Antikörper gegen Omikron war beim neuen Impfstoff rund doppelt so hoch. Daten zur Dauer des Schutzes durch das neue mRNA-Vakzin hat Moderna noch nicht und auch Zulassung gibt es noch keine.
Der 8-fache Anstieg sei aber nicht 1:1 übersetzbar mit „Der Impfstoff schützt doppelt so gut“, so der Pharmakologe. In der Epidemiologie sei ein doppelter Anstieg kein Quantensprung, insofern sei man auch mit den bisherigen Vakzinen bestens beraten.
*** Individueller Schutz überwiegt
Zeitlinger empfiehlt nicht auf bestimmten Impfstoff zu warten, denn „die Impfstoffentwicklung wird dem realen Geschehen immer ein bisschen hinterher hinken.“ Auch beim neuen Impfstoff ist der Experte vorsichtig. „Es ist ungewiss, wie gut dieser angepasste Impfstoff zur dann grassierenden Herbstvariante passen wird.“
Für Zeitlinger zählt das individuelle Infektionsrisiko mehr als die Epidemiologie, weil schon eine Grundimmunisierung in der Bevölkerung vorliegt. „Wer also im Sommer einen optimalen Schutz haben möchte und vor sechs Monaten (Stichwort „Weihnachten“) oder mehr zuletzt gegen Corona geimpft wurde, kann sich jetzt durchaus eine Auffrischung holen.“ Der aktuelle Impfstoff ist an die ursprüngliche Wuhan-Variante angepasst.
https://www.heute.at/s/experte-warnt-vor-doppelter-corona-welle-in-oesterreich-100211737

….. THEMENKRANZ …..

UMWELTTECHNOLOGIE – Weltrekord: Turbine läuft nur mit Wasserstoff – Umwelterfolg der Universität Stavanger – Wirkungsgrad soll in weiteren Schritten erhöht werden – NACHTRAG: 10.6.2022
Stavanger (pte002/10.06.2022/06:05) – Forscher der Universität Stavanger (UiS) http://uis.no haben eigenen Angaben nach erstmals eine Gasturbine mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben. Normale Gasturbinen, die mit Erdgas befeuert werden, sind ohne einen Umbau dazu nicht geeignet, weil die Verbrennungstemperatur deutlich zu hoch ist. Die Schaufeln würden schmelzen. Das Problem lässt sich beispielsweise durch das Eindüsen von Wasser in den Brennraum lösen.
*** Strom und Wärme produziert
Die Turbine treibt einen Generator mit einer Leistung von 100 Kilowatt an. Der Strom wird in Institutsgebäuden genutzt, Überschüsse ins Netz des Stromversorgers Lyse eingespeist. Die Abgase der Turbine sind so heiß, dass ihre Wärmeenergie in einem Wärmetauscher genutzt wird, um warmes Brauchwasser für den Eigenbedarf herzustellen. Ein Teil fließt in das Fernwärmenetz vor Ort. Bei der Verbrennung von Wasserstoff in Gasturbinen entsteht im Wesentlichen Wasserdampf, wegen der hohen Temperaturen bei der Verbrennung allerdings auch Stickoxide, die in einem Katalysator zerstört werden.
„Wir haben einen Weltrekord bei der Wasserstoffverbrennung in Mikrogasturbinen aufgestellt. Niemand war bisher in der Lage, auf diesem Niveau zu produzieren“, sagt UiS-Forscher Mohsen Assadi. Der Wirkungsgrad sei zwar ein wenig geringer als bei der Verbrennung von Erdgas. Der Vorteil sei jedoch die Möglichkeit, die vorhandene Erdgas-Infrastruktur weiterhin benutzten zu können. Allerdings musste sie modifiziert werden, weil die winzigen Wasserstoffmoleküle durch Dichtungen schlüpfen können, die für Erdgasmoleküle undurchdringlich sind. „Zudem gibt es bei dieser Form der Energieumwandlung keinerlei CO2-Emissionen“, so Assadi.
*** Großturbinen bleiben das Ziel
Ziel ist es, Großturbinen, wie sie in GuD-Kraftwerken eingesetzt werden, ebenfalls mit Wasserstoff zu betreiben. Dieser Kraftwerkstyp zeichnet sich durch einen Wirkungsgrad von rund 60 Prozent aus. Die modernsten Kohlekraftwerke kommen auf knapp 50 Prozent. Die hohe Effektivität wird erreicht, weil der Brennstoff quasi doppelt genutzt wird. Die Abgase aus der Turbine sind noch so heiß, dass sie für die Erzeugung genutzt werden. Dieser lässt einen zweiten Turbogenerator rotieren, der zusätzlichen Strom erzeugt.
https://www.pressetext.com/news/20220610002

SOCIALMEDIA – Social Media schüren antisemitischen Hass – TikTok als Brutstätte identifiziert – Antijüdische Nutzernamen um 1.375 Prozent angestiegen – TikTok: Brutstätte für gewalttätigen und extremistischen Content – NACHTRAG: 10.6.2022
Waltham (pte004/10.06.2022/06:15) – Laut der Anti-Defamation League http://adl.org war das Jahr 2021 ein Tiefpunkt in der Geschichte des US-Antisemitismus. Die Organisation verzeichnete in diesem 2.717 antisemitische Vorfälle. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1979. Das Buch „Antisemitism on Social Media“, herausgegeben von Sabine von Mering von der Brandeis University http://brandeis.edu und Monika Hübscher von der University of Haifa http://haifa.ac.il hat untersucht, wie Twitter, Facebook, Tiktok und Co diesen Anstieg sogar noch anheizen könnten.
*** Von „read siege“ bis „deep state“
Den Autoren nach handelt es sich bei der Rechten heute um eine lose, chaotische und dezentrale Ansammlung von Gruppen. Werde eine Gruppierung von einer Plattform gesperrt, wechsle sie zur nächsten. Anfang der 2010er-Jahre verankerten Rechte im Social Web die Botschaft „read siege“, ein Verweis auf einen gewalttätig antisemitischen Text von James Mason aus den 1980er-Jahren. Da die Meme kodiert war, wurde sie von den Plattformen der sozialen Medien nicht als Hassrede gekennzeichnet und es kam zu einer weiten Verbreitung.
Den meisten Studien nach machen antisemitische Postings weltweit unter ein Prozent aus. Eine groß angelegte Umfrage kam sogar zu dem Ergebnis, dass es nur 0.00015 Prozent sein dürften. Das Gros der Ergebnisse weise darauf hin, dass antisemitischer Content viel weniger sichtbar sein dürfte als allgemein angenommen. Die QAnon-Bewegung, die die sozialen Medien nutzt, um von den Rändern in den politischen Mainstream zu gelangen, scheint sich vorwiegend darauf zu konzentrieren, Verschwörungstheorien über Donald Trump und die Demokratische Partei zu verbreiten.
*** Verschwörungstherorien boomen
Auch wenn Gruppen nicht explizit auf Antisemitismus setzen, so die Autoren, beziehen sich ihre Verschwörungstherorien trotzdem auf historisch antisemitisches Wissen und Themen. Der „deep state“ lasse sich bis in das späte 18. Jahrhundert zurückverfolgen, als der lutherische Pfarrer Johann Heinrich Schulz die Juden beschuldigte, sich von den Gesellschaften in denen sie lebten, abzuschotten und so einen „Staat im Staate“ zu bilden, der mittels ihrer eigenen religiösen Gesetze regiert werde.
Auch in den Protokollen der Weisen von Zion geht die Idee vom Staat im Staat Hand in Hand mit der Vorstellung einer jüdischen Weltverschwörung. Es gebe Parallele zwischen der Besessenheit von QAnon in Bezug auf den jüdischen Fianzier und Philantrophen George Soros und historischen antisemitischen Verschwörungstheorien über die jüdische Bankiersfamilie Rothschild. Die Konzentration von QAnon auf Pädophilie und sexuellen Missbrauch hingegen habe ihre Wurzeln in der Ritualmordlegende, nach der Juden christliche Kinder beim Passahfest rituell opfern.
*** Oft Gefahr für Tweens und Teens
TikTok ist den Wissenschaftlern nach inzwischen Magnet und Brutstätte für gewalttätigen und extremistischen Content geworden. Das gebe vor allem Anlass zur Besorgnis, da die Plattform bei Tweens und Teens sehr beliebt ist. Die Experten haben jeweils die Inhalte von Februar bis Mai 2020 und 2021 untersucht. Dabei stellten sie eine Zunahme der antisemistischen Postings um 41 Prozent fest. Antisemitische Kommentare stiegen um 912 Prozent an. Antisemitische User-Namen erlebten einen Anstieg um 1.375 Prozent.
Trotz dieser hohen Anstiege, blieb das tatsächliche Ausmaß des Contents im Vergleich zur Gesamtmenge gering, heißt es Eine Nutzerzahl von mehr als einer Mrd. bedeutet aber trotzdem, dass bereits ein Posting eine Vielzahl von Menschen erreichen kann. Auf einen antisemitische Song über Juden, die in Auschwitz getötet werden, wurde weltweit mehr als sechs Mio. Mal zugegriffen.
https://www.pressetext.com/news/20220610004

# # # AUS ALLER WELT # # #

INTERNATIONAL – OECD-Wirtschaftsausblick: Russlands Krieg gegen die Ukraine kommt die ganze Welt teuer zu stehen – inkl. Graphik – NACHTRAG: 8.6.2022
Russlands Überfall auf die Ukraine hat die Erholung der pandemiegeschwächten Konjunktur direkt gebremst. Die Weltwirtschaft ist damit auf einen Pfad niedrigeren Wachstums und höherer Inflation geraten.
Laut den Projektionen des jüngsten Wirtschaftsausblicks der OECD wird sich das weltweite Wachstum dieses Jahr drastisch auf 3 Prozent verlangsamen und 2023 auf 2,8 Prozent sinken. Damit ist es deutlich schwächer als im Wirtschaftsausblick vom Dezember vorhergesagt.
Europa leidet am stärksten unter den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Kriegs. Viele europäische Länder sind durch ihre Energieimporte und den Flüchtlingszustrom unmittelbar betroffen.
Die hohe Inflation schmälert die Einkommen und Ausgaben der privaten Haushalte. Sozial Schwache trifft dies besonders hart. In den ärmsten Volkswirtschaften der Welt ist die Gefahr einer schweren Nahrungsmittelkrise aufgrund von Lieferengpässen und hohen Kosten immer noch akut.
Weiter steigende Nahrungsmittel- und Energiepreise sowie anhaltende Lieferengpässe tragen maßgeblich dazu bei, dass die Verbraucherpreisinflation ein höheres Niveau erreicht und auch länger hoch bleiben wird als zuvor angenommen. In einigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird nun ein Inflationsniveau erwartet, wie wir es seit den 1970er Jahren nicht mehr erlebt haben. Der Kostendruck dürfte im Jahresverlauf 2023 nachlassen, wenn sich der Effekt steigender Zinsen allmählich bemerkbar macht. Die Kerninflation wird in vielen großen Volkswirtschaften aber voraussichtlich im bzw. über dem Zielkorridor der Zentralbanken verharren.
„Die höheren Rohstoffpreise treffen Länder in aller Welt, sie verstärken den Inflationsdruck, schmälern die realen Einkommen und Ausgaben und bremsen so die Erholung“, so OECD-Generalsekretär Mathias Cormann bei der Vorstellung des Wirtschaftsausblicks. „Diese Konjunkturverlangsamung ist direkt Russlands unprovoziertem und durch nichts zu rechtfertigendem Angriffskrieg zuzuschreiben, der weltweit die realen Einkommen, das Wachstum und die Beschäftigungsaussichten beeinträchtigt.“
Der Ausblick ist mit großer Unsicherheit und vor allem erheblichen Abwärtsrisiken behaftet. Wir wissen nicht, wie lange Russlands Krieg gegen die Ukraine noch dauern und wie weit er eskalieren wird.
Viele Niedrigeinkommensländer und aufstrebende Volkswirtschaften stehen vor noch größeren Herausforderungen. Neben steigenden Nahrungsmittel- und Energiepreisen sehen sie sich auch mit einem geringeren Nachfragewachstum auf ihren Exportmärkten und möglichen Kapitalabflüssen infolge steigender Zinsen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften konfrontiert.
Hinzu kommt, dass auch die Pandemie nicht vorüber ist. Aggressivere bzw. ansteckendere Varianten könnten sich verbreiten und Chinas Null-Covid-Strategie könnte zu weiteren Störungen der Lieferketten führen.
„Die Aussichten sind ernüchternd, und Russlands Angriff auf die Ukraine kommt die Welt bereits jetzt teuer zu stehen“, sagte Chefvolkswirtin Laurence Boone. „Wie teuer genau – und wie die Lasten verteilt werden –, das hängt stark von den Entscheidungen der Politik und der Bürger:innen ab. Hungersnöte dürfen wir um keinen Preis akzeptieren.“
Mehr internationale Zusammenarbeit ist unerlässlich, damit eine Nahrungsmittelkrise vermieden werden kann. Um den von Lieferstörungen betroffenen Ländern zu helfen, gilt es, Exportbeschränkungen entgegenzuwirken, die die Preise auf den Weltmärkten steigen lassen. Auch braucht es verstärkte Anstrengungen für den Transport von Rohstoffen aus der Ukraine sowie gezielte Direkthilfen.
Die Regierungen müssen dringend handeln, um einkommensschwache Haushalte vor den Kosten des Kriegs zu schützen. Die beste Lösung, um den Effekt der höheren Preise abzufedern, sind aber befristete, gezielte und bedürftigkeitsabhängige Fiskalmaßnahmen.
In den meisten Volkswirtschaften mit einer gesunden Wachstums- und Beschäftigungsentwicklung ist eine akkommodierende Geldpolitik angesichts des Inflationsniveaus nicht mehr gerechtfertigt. Je stärker verbreitet und verfestigt die Inflation ist, umso rascher muss der Kurswechsel einsetzen. In vielen aufstrebenden Volkswirtschaften sind vermutlich weitere Zinserhöhungen notwendig, um die Inflationserwartungen zu verankern und destabilisierend wirkende Kapitalabflüsse zu verhindern.
Der Krieg hat erneut gezeigt, wie wichtig die Energieversorgungssicherheit ist. Eine raschere Energiewende würde nicht nur die CO2-Emissionen senken, sondern auch die Versorgungssicherheit verbessern. Regulatorische und fiskalische Maßnahmen können Anreize für die Umstellung auf alternative Energieträger schaffen. Der großflächige Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert jedoch auch Kupfer, seltene Erden und andere Rohstoffe, über die nur wenige Länder verfügen. Ein offener Welthandel ist daher sowohl für die Energiewende als auch die Energieversorgungssicherheit unerlässlich.
https://www.oecd.org/berlin/presse/oecd-wirtschaftsausblick-russlands-krieg-gegen-die-ukraine-kommt-die-ganze-welt-teuer-zu-stehen.htm
Gesamter Bericht inkl. Schaubildern sowie weiterführende Informationen:
https://www.oecd.org/economic-outlook/
21-Seiten-PDF – Präsentation: Schaubilder und Tabellen:
https://manage.oecd-berlin.de/assets/download/EO111_Presentation_de.pdf

INTERNATIONAL – Wachstum der US-Wirtschaft verlangsamt sich: USA bleiben für 2022e und 2023e mit 2,5 und 1,2 Prozent hinter China (4,4/4,9), Australien (4,2/2,5) und Kanada (3,8/2,6) zurück – Großbritannien schlimmer dran (3,6/0,0) – Pessimistische Prognose der OECD wegen Arbeitskräftemangel, Inflation und hoher Energiepreise – Inflation nahe 40-Jahres-Hoch – Risiken für Wachstums- und Inflationsprojektionen erheblich – NACHTRAG: 10.6.2022
Paris/Washington (pte003/10.06.2022/06:10) – Laut einer Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) http://oecd.org wird das Wachstum der US-Wirtschaft in diesem Jahr auf nur noch 2,5 Prozent einbrechen. 2023 wird es danach noch schlimmer. Dann soll das Wachstum auf 1,2 Prozent fallen. Der Wirtschaftsausblick schätzt das Wachstum des BIP für Nationen auf der ganzen Welt. Die USA bleiben beispielsweise hinter China (4,4/4,9 Prozent, Australien (4,2/2,5) und Kanada (3,8/2,6) zurück.
*** Großbritannien schlimmer dran
Die USA sind allerdings in einer besseren Lage als Großbritannien, das laut OECD im Jahr 2022 zwar einen BIP-Anstieg von 3,6 Prozent erleben wird, gefolgt von einem Null-Wachstum im Jahr 2023. Das Gross Domestic Product ist der Wert aller fertigen Waren und Dienstleistungen, die im Laufe eines Jahres innerhalb der Grenzen eines Landes produziert werden, und gilt als wichtiger Maßstab für die Gesundheit einer Volkswirtschaft. Laut US Bureau of Economic Analysis http://www.bea.gov wuchs das BIP im Jahr 2021 um 10,1 Prozent.
Die Prognose für die USA steht im Gegensatz zu Schätzungen des Congressional Budget Office (CBO) http://cbo.gov , die im vergangenen Monat veröffentlicht wurden. Das CBO erwartet, dass das BIP im Jahr 2022 um 3,1 Prozent und im Jahr 2023 um 2,2 Prozent wachsen wird. Die OECD glaubt, dass mehrere Faktoren „das Wachstum belasten werden“, wie etwa Lieferkettenprobleme und der Anstieg der Ölpreise sowie das Ende der lockeren Geldpolitik, die zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie eingeführt wurde.
*** Inflation nahe 40-Jahres-Hoch
„Der Preisdruck könnte mit einer Erholung der Energiepreise im Jahr 2023 nachlassen, aber die Inflation wird voraussichtlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Federal Reserve bleiben“, heißt es in dem Bericht. Die annualisierte Inflationsrate lag im April bei 8,3 Prozent, nahe einem 40-Jahres-Hoch. Die Inflationszahlen für Mai werden vom Bureau of Labor Statistics am 13. Juni veröffentlicht.
„Die Risiken für die Wachstums- und Inflationsprojektionen sind erheblich“, heißt es in dem OECD-Bericht. „Der Krieg in der Ukraine könnte sich stärker negativ auf das reale BIP-Wachstum auswirken und auch die Inflation deutlich in die Höhe treiben. Gleichzeitig könnte der anhaltende Arbeitskräftemangel dazu führen, dass sich die Nominallöhne erheblich beschleunigen.“
https://www.pressetext.com/news/20220610003

INTERNATIONAL – ILO erklärt Sicherheit und Gesundheit zum Grundrecht – 11.6.2022
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu einem Grundrecht von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen weltweit erklärt. Die Delegierten nahmen eine entsprechende Resolution bei der Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf gestern an.
Die Grundsatzentscheidung bedeutet laut ILO, dass alle Mitgliedsstaaten – darunter Österreich – sich dazu verpflichten, Sicherheit und Gesundheit in der Arbeit „zu respektieren und zu fördern“.
Zu den weiteren Grundprinzipien der ILO gehören die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, die Beseitigung der Zwangsarbeit, die Abschaffung der Kinderarbeit sowie das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.
Die Sonderorganisation der Vereinten Nationen hat derzeit 187 Mitgliedsstaaten weltweit. Zu ihren Aufgaben gehört es, Arbeitsstandards festzulegen und Strategien und Programme für gute Arbeitsbedingungen zu entwickeln. red, ORF.at/Agenturen
https://orf.at/stories/3270621/

BÖRSEN – USA: Aus TINA wird TARA – US-Retail-Aktien wurden abgebaut – NACHTRAG: 2.6.2022
Von Martin Lüscher
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Seit Monaten schwächelt der Aktienmarkt. Ein Grund sind die steigenden Zinsen. Aber nicht wegen dem höheren Diskontfaktor, sondern wegen TINA. Das Akronym stand im Niedrigzinsumfeld für die Alternativlosigkeit von Aktien – vom englischen «There Is No Alternative».
Heute sieht das anders aus. TINA ist passé. Nun gibt es vernünftige Alternativen – oder auf englisch «There Are Reasonable Alternatives». Auch darum sind laut den Analysten von Goldman Sachs in den sieben Wochen bis zum 27. Mai 26 Mrd. $ aus US-Aktienfonds abgeflossen.
Goldman Sachs schätzt zudem, dass die Retail-Investoren fast alle ihre Positionen, die sie in den zwei Jahren seit dem Beginn der Pandemie aufgebaut haben, unterdessen wieder abgestossen haben (Fläche unter der Kurve in der Grafik).
Schuld daran ist sicher auch die enttäuschende Entwicklung der Lieblingsaktien der Retail-Investoren, die ihre Outperformance gegenüber dem breiten Markt während der Pandemie wieder abgeben mussten (blaue Linie). (Grafik: Goldman Sachs)
https://www.fuw.ch/article/der-chart-des-tages-2324
Siehe dazu:
=> Zykliker sind relativ günstig – Chart des Tages – 31.5.2022
https://www.fuw.ch/article/der-chart-des-tages-2322
ERLÄUTERUNG: es fragt sich, ob die Gewinnschätzungen mit Sicht auf 12 Monate belastbar sind. Sind sie es nicht, so sind auch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse auf Sicht von 12 Monaten zu günstig. Dass sie möglicherweise zu günstig geschätzt sind, darauf verweist der untenstehende Beitrag unter EUROPA – Gewinnrevisionen verschlafen? – NACHTRAG: 8.6.2022.

USA – EUROPA – Terms of Trade offenbaren: Wohlstandsverluste in Europa, Wohlstandsgewinnen in den USA – USA werden mehr konsumieren können: europäische Konsumausgaben werden im laufenden Quartal stark rückläufig sein – NACHTRAG: 1.6.2022
Von Sylvia Walter
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Tauschbedingungen bestimmen im internationalen Handel, welches Land gegenüber den Partnern im Vorteil ist. Das reale Austauschverhältnis (Terms of Trade) gibt an, wie viele Mengeneinheiten des Importgutes für eine Einheit des Exportgutes getauscht werden können. Eine Verbesserung der Terms of Trade bedeutet, dass das Inland mehr Importgüter pro Einheit des Exportgutes erhält als vorher.
In der Energiekrise kommt den USA nicht nur zugute, dass die wirtschaftlichen Verbindungen zu Russland generell weniger eng sind als diejenigen der europäischen Länder. Auch die Unabhängigkeit von Energieimporten spielt den Amerikanern in die Karten. In der Folge entwickeln sich die Terms of Trade der USA und der Eurozone diametral.
Je tiefer dieses Austauschverhältnis ist, desto weniger Importgüter kann sich ein Land im Austausch leisten, und der Wohlstand nimmt ab. Das Austauschverhältnis veranschaulicht den Druck auf die Haushaltseinkommen in den europäischen Ländern. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass die Konsumausgaben im laufenden Quartal stark rückläufig sein werden. (Grafik: Capital Economics)
https://www.fuw.ch/article/der-chart-des-tages-2323

USA – Verschlechterte Finanzierungsbedingungen für US-Unternehmen bedeuten eine Gefahr für das Wirtschaftswachstum – NACHTRAG: 3.6.2022
Von Alexander Trentin
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Für die Finanzierungsbedingungen der Wirtschaft sind nicht nur die aktuellen Leitzinsen der Notenbank relevant. Zu den wichtigen Faktoren gehören auch die Renditen auf den Anleihenmärkten, die Risikobereitschaft der Investoren und die Freizügigkeit der Banken bei der Kreditvergabe.
Für die Analysten von Barclays ist klar: In den USA haben sich die Finanzierungsbedingungen deutlich eingetrübt – und das ist in den Wachstumserwartungen noch nicht reflektiert. Die Kredite sind für den Privatsektor insgesamt nun so teuer wie zuletzt im Jahr 2013. Gleichzeitig sehen die Barclays-Ökonomen, dass es einen deutlich niedrigeren Zins als damals bräuchte, um das gleiche Ausmass an Wachstum zu erzeugen. Die verschärften Finanzierungsbedingungen könnten in zwei Jahren einem Wachstumsrückgang von 1,5 Prozentpunkten entsprechen, schätzt Barclays.
Die Mehrheit der anderen Bankökonomen hat in den vergangenen Monaten zwar die Wachstumserwartungen für die USA bereits nach unten revidiert. Das zeigen in der obigen Grafik die blauen und hellblauen Balken (Consensus). Doch berücksichtigt man die erschwerten Finanzierungsbedingungen (Financial Conditions Index, FCI), sollte der Output der US-Wirtschaft noch schwächer ausfallen. «Die US-Wirtschaft könnte unter ihrem Trendwachstum ab Ende des Jahres wachsen – das ist früher, als Ökonomen im Konsens erwarten», heisst es von Barclays.
Das Fazit: «Es gibt ein grösseres Abwärtsrisiko für den Wachstumsausblick. Neue Datenpunkte werden wohl negativ überraschen.» (Quelle der Grafik: Barclays)
https://www.fuw.ch/article/der-chart-des-tages-2325

USA – Jetzt geht’s ans Eingemachte: US-Sparguthaben beginnen zu schrumpfen – Chart des Tages – NACHTRAG: 9.6.2022
Von Peter Rohner
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Die Pandemie hatte einen sonderbaren Nebeneffekt. Die aufgezwungenen und die freiwilligen Konsumeinschränkungen, kombiniert mit stabilem oder zusätzlichem Einkommen – etwa dank Regierungsschecks wie in den USA –, haben die meisten Haushalte vermögender gemacht.
Die Bank Barclays schätzt, dass in den USA die Ersparnisse (Personal Saving) dadurch zusätzlich um 2,5 Bio. $ angeschwollen sind. Das wird durch die obige Kurve (Cumulative Excess) dargestellt.
Nun aber ist die Sparquote eingebrochen, und die Bargeldreserven beginnen zu schmelzen. «Die hohe Inflation und die real rückläufigen Einkommen zwingen die US-Konsumenten, ihre Ersparnisse anzuzapfen», schreiben die Barclays-Ökonomen.
Noch scheint das Cash-Polster der US-Privathaushalte komfortabel. Die Konsumausgaben sollten daher nicht zu stark unter der Teuerung leiden.
Allerdings täuschen die aggregierten Daten darüber hinweg, dass der Grossteil der Ersparnisse auf verhältnismässig wenige reiche Haushalte konzentriert ist und die US-Mittel- und Unterschicht schon jetzt kaum mehr Reserven hat. Barclays folgert daraus, dass die Nachfrage nach Konsumgütern in den USA trotz hoher Gesamtersparnisse nachlassen wird. (Quelle der Grafik: Barclays)
https://www.fuw.ch/article/der-chart-des-tages-2328

%%% UKRAINE-KRIEG %%%

n-tv-Liveticker zum Ukraine-Krieg – 12.6.2022
https://www.n-tv.de/politik/07-22-CSU-Politikerin-fuer-befristetes-Weiterlaufen-der-Atomkraftwerke–article23143824.html

RUSSLAND – UKRAINE – Die Kriegsnacht im Überblick: Geheimdienst: Pläne des Kreml reichen bis Oktober – Schwere Kämpfe um Sjewjerodonezk *** Chemiewerk Azot laut Gouverneur weiterhin unter Kontrolle – Geheimdienst: Moskaus Planungen reichen bis in den Oktober – Chemiewerk Azot laut Gouverneur weiterhin unter KontrolleGeheimdienst: Moskaus Planungen reichen bis in den Oktober – Schwierige Lage für ukrainische Truppen – Rheinmetall verfügt über auslieferungsbereite „Marder“ – Kandidaten-Status für Ukraine wird auch EU stärker machen – Das wird heute wichtig – inkl. Kartenwerk * Meldungskranz am Ende des Beitrags – 12.6.2022, 7:16
Die schweren Gefechte im Donbass gehen weiter. In der Stadt Sjewjerodonezk halten die Verteidiger nach eigenen Angaben das umkämpfte Chemiewerk Azot. Der ukrainische Militärgeheimdienst davon aus, dass Moskau seine Kriegsplanungen bis in den Oktober hinein angepasst habe. Unterdessen berichtet der Rüstungskonzern Rheinmetall von ersten auslieferungsbereiten „Marder“-Panzern.
*** Chemiewerk Azot laut Gouverneur weiterhin unter Kontrolle
In der Ostukraine wird weiter unter anderem um die Großstadt Sjewjerodonezk gekämpft. Das russische Militär habe die zivile Infrastruktur in der Stadt sowie im benachbarten Lyssytschansk und drei weiteren Orten beschossen, teilte der ukrainische Generalstab mit. Ukrainische Einheiten hätten russischen Angriffen aus mehreren Richtungen standgehalten. Die Angaben sind nicht unabhängig zu überprüfen.
Das Chemiewerk Azot in dem Hunderte Zivilisten Zuflucht gefunden haben, sei weiterhin unter ukrainischer Kontrolle, teilte der Gouverneur der Region, Serhij Gaidai, mit. Nach ukrainischen Angaben haben sich rund 800 Menschen in mehreren Bunkern unterhalb des Werks in Sicherheit gebracht, darunter etwa 200 Mitarbeiter des Werkes und 600 Einwohner der Industriestadt.
Sjewjerodonezk ist die letzte Großstadt im Gebiet Luhansk, die sich noch nicht vollständig unter Kontrolle russischer Truppen oder prorussischer Separatisten befindet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von fortlaufenden Straßenkämpfen. Laut Bürgermeister Olexandr Strjuk kontrollieren ukrainische Truppen ein Drittel von Sjewjerodonezk. Die Stadt sei seit rund zwei Monaten ohne Strom und Wasserversorgung, betonte er.
*** Geheimdienst: Moskaus Planungen reichen bis in den Oktober
Die russische Armee richtet sich nach Informationen des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR auf eine noch länger andauernde Operation in der Ukraine ein. Der GUR-Vizedirektor Vadym Skibitsky habe Informationen, wonach die russische Armeeführung ihre Planung für 120 weitere Tage, bis in den Oktober hinein, angepasst habe, berichtete das US-Militärforschungsinstitut ISW.
Skibitsky zufolge passt die Armeeführung ihre Operationsziele monatlich an – ein Eingeständnis, dass die Anfangsziele der russischen Offensive nicht erreicht wurden. Der Geheimdienstler behaupte zudem, dass Russland zusätzlich zu den 103 in der Ukraine eingesetzten Kampfbataillonen noch über 40 weitere Bataillone verfüge. Die Experten des ISW gehen aber davon aus, dass es sich um zusammengewürfelte Bataillone mit Personal anderer Einheiten handelt. Es sei unwahrscheinlich, dass Russland bedeutende Reserven zurückhalte angesichts des Personalmangels an der Front.
*** Schwierige Lage für ukrainische Truppen
Selenskyj und andere ukrainische Politiker appellierten in den vergangenen Tagen an westliche Verbündete, schleunigst mehr schwere Waffen und Geschosse zu schicken. Denn der Konflikt in der Ostukraine entwickelt sich zu einem Artillerie-Duell, in dem die russische Armee dank größerer Waffen- und Munitionsbestände einen Vorteil hat.
Die russischen Truppen verzeichnen nach ukrainischen und westlichen Schätzungen weiter hohe Verluste. Selenskyj sprach am Samstag in seiner täglichen Videoansprache von bisher rund 32.000 getöteten russischen Soldaten. Am Vortag hatte einer seiner Berater die Verluste der ukrainischen Armee seit der russischen Invasion am 24. Februar auf etwa 10.000 Getötete beziffert.
*** Rheinmetall verfügt über auslieferungsbereite „Marder“
Mehrere von der Bundeswehr ausgemusterte, aber aktuell modernisierte Schützenpanzer „Marder“ des Herstellers Rheinmetall sind einsatzbereit und könnten sofort an die Ukraine ausgeliefert werden. „Wir sind dabei, 100 Marder Schützenpanzer instandzusetzen, erste Fahrzeuge sind bereits so weit“, sagte Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender von Rheinmetall, der „Bild am Sonntag“. „Wann und wohin die Marder geliefert werden, ist die Entscheidung der Bundesregierung.“ Die Schützenpanzer sind von der ukrainischen Regierung angefragt worden, doch der Sicherheitsrat der Bundesregierung hat eine Freigabe bislang nicht erteilt.
*** Kandidaten-Status für Ukraine wird auch EU stärker machen
Selenskyj warb noch einmal für den EU-Beitritt seines Landes. Er sei überzeugt, dass mit der Entscheidung über einen Kandidatenstatus für die Ukraine auch die Europäische Union gestärkt werden könne. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte bei ihrem Besuch in Kiew am Samstag gesagt, die Auswertung des Beitrittsantrags der Ukraine werde Ende der kommenden Woche abgeschlossen. Ihre Behörde soll eine Empfehlung mit Blick auf einen möglichen Kandidaten-Status für das Land abgeben. Die Ukraine hofft, dass sie diesen beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU am 23. und 24. Juni zuerkannt bekommt.
*** Das wird heute wichtig
* Das Kriegsgeschehen in der Ostukraine vor allem rund um Sjewjerodonezk wird weiter im Mittelpunkt stehen. An der langen Frontlinie gab es zuletzt eher kleine Veränderungen. Die ukrainische Armee versucht, den Vormarsch der russischen Truppen aufzuhalten und sie an mehreren Stellen zurückzudrängen.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa
https://www.n-tv.de/politik/Geheimdienst-Plaene-des-Kreml-reichen-bis-Oktober-Schwere-Kaempfe-um-Sjewjerodonezk-article23392763.html
Weitere Meldungen zum Ukraine-Krieg
Heftige Kämpfe um Sjewjerodonezk Richter: „Schlichtweg brutal, was auf Straßen passiert“
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Richter-Schlichtweg-brutal-was-auf-Strassen-passiert-article23391818.html
London vermutet Munitionsmangel Gehen Russland die modernen Raketen aus?
https://www.n-tv.de/politik/Gehen-Russland-die-modernen-Raketen-aus-article23391790.html
Russische Übermacht an der Front Geheimdienstler: „Wir verlieren in Bezug auf Artillerie“
https://www.n-tv.de/politik/Geheimdienstler-Wir-verlieren-in-Bezug-auf-Artillerie-article23390258.html
Warten auf Freigabe der Ampel Rheinmetall hat erste „Marder“ für Ukraine fertig
https://www.n-tv.de/politik/Rheinmetall-hat-erste-Marder-fuer-Ukraine-fertig-article23392689.html
Pläne für EU-Beitritt Von der Leyen fordert von Selenskyj Reformen
https://www.n-tv.de/politik/Von-der-Leyen-fordert-von-Selenskyj-Reformen-article23392503.html
Meldungen in anderen Medien
https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-june-11

RUSSLAND – UKRAINE – Der 108. Kriegstag im Überblick: Chemiefabrik in Sjewjerodonezk brennt – Polen enttäuscht von Scholz *** Ukrainisches Militär leistet Widerstand – Gouverneur: „Russen haben Sjewjerodonezk ruiniert“ – Hinweise auf Munitionsmangel der Kreml-Truppen – Gebietsgewinne für Ukraine im Süden – Russen verteilen Pässe in Cherson – Überraschungsbesuch: Von der Leyen in Kiew – Unbestätigter Bericht: Reisepläne von Scholz mit Macron und Draghi – Warschau vermisst guten Willen bei deutschen Panzerlieferungen * Meldungskranz am Ende des Beitrags – 11.6.2022, 22:03
In der Chemiefabrik in Sjewjerodonezk bricht ein Großbrand aus, doch die ukrainischen Truppen leisten weiterhin Widerstand, meldet der ukrainische Generalstab. Auch im südlichen Cherson soll es Rückschläge für die Kreml-Truppen geben, obwohl Russland bereits Pässe an Zivilisten austeilt. EU-Kommissionschefin von der Leyen reist überraschend nach Kiew, während Bundeskanzler Scholz dies möglicherweise plant. Warschau ist unzufrieden mit der Bundesregierung. Der 108. Kriegstag im Überblick.
*** Ukrainisches Militär leistet Widerstand
Die Kämpfe um die Großstadt Sjewjerodonezk in der Ostukraine halten nach Angaben des ukrainischen Militärs weiter an. Die russische Armee habe die zivile Infrastruktur in der Stadt sowie im benachbarten Lyssytschansk und drei weiteren Orten beschossen, teilte der Generalstab der ukrainischen Armee per Facebook mit. Die ukrainischen Soldaten seien dabei, sich Angriffen der Russen in Sjewjerodonezk zu widersetzen. In dem Vorort Metelkino sei ein Angriff erfolgreich abgewehrt worden, die russische Armee habe sich zurückgezogen, hieß es in dem Lagebericht. In einem weiteren Vorort hielten die Kämpfe an.
*** Gouverneur: „Russen haben Sjewjerodonezk ruiniert“
Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gaidai, sagte auf Telegram, Sjewjerodonezk sei von den russischen Streitkräften „ruiniert“ worden. „Das ist ihre Taktik – Menschen werden nicht gebraucht, die Infrastruktur wird nicht gebraucht, Häuser werden nicht gebraucht, alles soll einfach ruiniert werden.“ Die Zahl der zivilen Opfer sei „enorm und schrecklich“. Der russische Beschuss habe in der Chemiefabrik Azot zu einem Großbrand geführt. Zuvor sei tonnenweise Öl aus dem Werk ausgetreten, sagte Gaidai im Staatsfernsehen. In der Fabrik befinden sich ukrainischen Informationen zufolge noch Hunderte Zivilisten. Gaidai sagte nicht, ob das Feuer bereits gelöscht ist.
Der Gouverneur der südlich der Frontlinie gelegenen Stadt Mykolajiw, Witalyj Kim, appellierte an den Westen, sein Land militärisch stärker zu unterstützen. „Die russische Armee ist stärker, sie hat viel Artillerie und Munition“, betonte Kim. Die Kämpfe in der Ukraine würden aktuell als „Artillerie-Krieg“ geführt – „und uns geht die Munition aus“.
*** Hinweise auf Munitionsmangel der Kreml-Truppen
Allerdings gibt es Hinweise, dass die russische Munition nicht mehr ewig reicht: Bei der Bombardierung von Zielen in der Ukraine nutzen die russischen Streitkräfte laut britischen Informationen inzwischen auch alte Anti-Schiffs-Raketen. Seit April hätten russische Bomber wahrscheinlich Dutzende unpräzise Marschflugkörper vom Typ Kh-22 (NATO-Bezeichnung: AS-4 Kitchen) gegen Landziele abgefeuert, teilte das Verteidigungsministerium in London auf Basis von Geheimdienstinformationen mit. Einen Munitionsmangel auf russischer Seite sieht auch der Vizechef des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Im ersten Kriegsmonat habe Moskau die Ukraine ständig mit Raketen angegriffen, aber in den letzten zwei Monaten habe der Beschuss etwas nachgelassen, sagte Vadym Skibitsky dem britischen „Guardian“.
*** Gebietsgewinne für Ukraine im Süden
Im Süden konnte die ukrainische Armee wohl kleinere Gebietsgewinne verbuchen. Wie die „New York Times“ unter Berufung auf lokale ukrainische Stellen berichtete, griffen ukrainische Soldaten die russischen Truppen in der Region Cherson an mehreren Stellen an. Dabei hätten sie ein Dorf namens Tawrijske eingenommen und seien auf mehrere andere vorgerückt. Weiter hieß es, ukrainische Kampfhubschrauber hätten eine Gruppe russischer Kräfte „zerstört“. In einem anderen Gefecht sei eine Einheit russischer Fallschirmspringer getötet worden.
*** Russen verteilen Pässe in Cherson
Russland händigte derweil in der besetzten ukrainischen Stadt Cherson erste russische Pässe an Einwohner aus. 23 Bewohner der Stadt im Süden der Ukraine erhielten während einer Zeremonie diesen Samstag ihre Ausweispapiere, wie die amtliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete. Die Region Cherson war zu Beginn der russischen Offensive in der Ukraine fast vollständig von der russischen Armee erobert worden.
*** Überraschungsbesuch: Von der Leyen in Kiew
Die EU-Kommission will bis Ende kommender Woche ihre Einschätzung zu der Frage vorlegen, ob der Ukraine der Status als Beitrittskandidat gewährt werden soll. Dies kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Nachmittag bei einem überraschenden Besuch in Kiew an. Gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wolle sie eine „Bestandsaufnahme der für den Wiederaufbau benötigten gemeinsamen Anstrengungen und der Fortschritte der Ukraine auf ihrem europäischen Weg vornehmen“, sagte von der Leyen bei ihrer Ankunft in der ukrainischen Hauptstadt.
Nach dem Treffen mit Selenskyj sagte sie, die Ukraine habe „viel für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit getan, aber es müssen noch Reformen vorgenommen werden, um beispielsweise die Korruption zu bekämpfen oder diese gut funktionierende Verwaltung zu modernisieren, um Investoren anzuziehen“.
*** Unbestätigter Bericht: Reisepläne von Scholz mit Macron und Draghi
Bundeskanzler Olaf Scholz plant einem Medienbericht zufolge noch vor dem G7-Gipfel Ende Juni eine gemeinsame Reise nach Kiew mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. Das berichtet die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf ukrainische und französische Regierungskreise. Ein Regierungssprecher in Berlin wollte dies am Abend auf ntv-Anfrage nicht bestätigen.
*** Warschau vermisst guten Willen bei deutschen Panzerlieferungen
Polen warf der Bundesregierung mangelndes Engagement bei der versprochenen Lieferung von Panzern vor. „Die Gespräche sind ins Stocken geraten. Man sieht keinen guten Willen, hoffen wir, dass sich das ändert“, sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsbüros beim Präsidenten, Pawel Soloch, dem Sender Radio Rmf.fm. Die Verteidigungsministerien seien dazu im Kontakt. Man habe in Berlin darum gebeten, Panzer zu erhalten, mit denen Panzer ersetzt werden sollen, die Polen an die Ukraine abgegeben hat, sagte Soloch. „Die deutsche Militärhilfe – sei es für die Ukraine oder sei es die Unterstützung von Ländern, die diese Hilfe leisten – bleibt hinter den Erwartungen zurück.“ Quelle: ntv.de, mau/AFP
https://www.n-tv.de/politik/Chemiefabrik-in-Sjewjerodonezk-brennt-Polen-enttaeuscht-von-Scholz-article23392602.html
Weitere Artikel zum Ukraine-Krieg
Heftige Kämpfe um Sjewjerodonezk Richter: „Schlichtweg brutal, was auf Straßen passiert“
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Richter-Schlichtweg-brutal-was-auf-Strassen-passiert-article23391818.html
Riskanter Weg nach Sjewjerodonezk Reporter filmt Granatenbeschuss auf „Straße des Lebens“
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Reporter-filmt-Granatenbeschuss-auf-Strasse-des-Lebens-article23391717.html
London vermutet Munitionsmangel Gehen Russland die modernen Raketen aus?
https://www.n-tv.de/politik/Gehen-Russland-die-modernen-Raketen-aus-article23391790.html
In besetzten Gebieten Russland verteilt Pässe an Ukrainer
https://www.n-tv.de/politik/Russland-verteilt-Paesse-an-Ukrainer-article23392281.html
Pläne für EU-Beitritt Von der Leyen fordert von Selenskyj Reformen
https://www.n-tv.de/politik/Von-der-Leyen-fordert-von-Selenskyj-Reformen-article23392503.html
Diplomat Ischinger zum Krieg „Ohne Hilfe der USA ist Erfolg der Ukraine kaum möglich“
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Ohne-Hilfe-der-USA-ist-Erfolg-der-Ukraine-kaum-moeglich-article23391525.html
Ferner
„Fauler Zirkus namens Prozess“: Soldaten-Familien empört über Todesurteil
https://www.n-tv.de/politik/Soldaten-Familien-empoert-ueber-Todesurteil-article23392408.html
„Es blockiert das Kanzleramt“: Kritik an schleppenden Waffenlieferungen nimmt zu
https://www.n-tv.de/politik/Kritik-an-schleppenden-Waffenlieferungen-nimmt-zu-article23392190.html
Tausende Opfer befürchtet: Bürgermeister meldet Cholera-Ausbruch in Mariupol
https://www.n-tv.de/politik/Buergermeister-meldet-Cholera-Ausbruch-in-Mariupol-article23392243.html
HINWEIS: Der gemeldete Cholera-Ausbruch in Mariupol wurde von der WHO bislang nicht bestätigt.

RUSSLAND – UKRAINE – SCHWEIZ – Schweiz übernimmt neue EU-Sanktionen – Pflichtlager für Benzin und Heizöl – Massnahmen im Finanzsektor – Weitere Personen mit Sanktionen belegt – NACHTRAG: 10.6.2022
Der Bundesrat hat die neuen Sanktionen der EU und das Embargo auf Rohöl gegenüber Russland und Belarus übernommen. Die Schweizer Liste der sanktionierten Personen und Organisationen entspricht vollständig derjenige
(AWP) Die Schweiz muss sich auf ein Embargo von russischem Rohöl vorbereiten. Der Bundesrat hat entschieden, die neuen Sanktionen der EU gegenüber Russland und Belarus zu übernehmen. Dazu gehört eine Sperre für Rohöl.
Das Embargo auf Rohöl und bestimmte Erdölerzeugnisse aus Russland tritt in der EU nach Übergangsfristen bis Anfang 2023 schrittweise in Kraft, wie der Bundesrat zum Entscheid mitteilte. Es handelt sich um das sechste Sanktionspaket der EU. Die entsprechenden Schweizer Verordnungen werden nun angepasst.
Zusätzlich hat der Bundesrat das Wirtschafts-, das Finanz- und das Energiedepartement beauftragt, zu prüfen, wie sich die Übernahme des Ölembargos auf die Schweiz auswirken werde. Über das Für und Wider eines Embargos für russisches Öl ist seit Wochen diskutiert worden.
Die Schweiz dürfte das Fehlen von Rohöl aus Russland in Europa zu spüren bekommen. Sie beziehe zwar kein Rohöl direkt aus Russland, importiere aber erdölbasierte Energieträger wie Dieselöl und Benzin zu fast drei Vierteln des Inlandsabsatzes aus der EU, schrieb das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) Ende Mai auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
*** Pflichtlager für Benzin und Heizöl
Welche Folgen die Übernahme des Öl-Embargos für die längerfristige Versorgungssituation der Schweiz habe, sei schwierig zu beurteilen. Die Konsequenzen würden von unterschiedlichen Faktoren abhängen, wie dem Zeitpunkt des Embargos, den Transportkapazitäten und ob andere Länder ihre Rohöl-Förderung erhöhen. Auf alle Fälle müsste sich der Markt neu organisieren und für Ersatz sorgen, schrieb das BWL.
Zur Überbrückung von Engpässen stehe das Mineralöl-Pflichtlager zur Verfügung. Vorbereitungen für ein solches Szenario seien seit einiger Zeit im Gang. Bei einer schweren Mangellage wäre der Bedarf an Autobenzin und Heizöl beispielsweise durch das Pflichtlager für 4,5 Monate gedeckt.
Die Versorgung mit Rohöl und Mineralölprodukten sei nicht gefährdet, sagte Fabian Bilger, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands der Brenn- und Treibstoffimporteure Avenergy Suisse, im Mai. Eine Übernahme des Embargos hätte keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Raffinerie in Cressier NE oder die allgemeine Versorgungslage.
*** Massnahmen im Finanzsektor
Zum Sanktionspaket der EU gehören zudem weitere Massnahmen im Finanzbereich. Das Erbringen von Audit- und Beratungsdienstleistungen für Unternehmen wird verboten, und die Verbote bezüglich der Erbringung von Dienstleistungen für Trusts wurden präzisiert.
Weiter verhängt die EU ein Verbot für Werbung in Inhalten, die von bestimmten russischen Medien wie RT (früher «Russia Today») oder Sputnik erstellt oder gesendet werden. Im Gegensatz zur EU verbot die Schweiz die Verbreitung von russischen Staatsmedien bisher nicht. RT wird von den Telekom-Anbietern Swisscom (SCMN 538.60 -2.74%), Sunrise UPC und Salt nicht mehr verbreitet.
*** Weitere Personen mit Sanktionen belegt
Unabhängig von den Umsetzungsarbeiten rund um das sechste EU-Sanktionspaket hat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) rund hundert weitere russische und auch belarussische Personen und Organisationen den Finanz- und Reisesanktionen unterstellt.
Dabei handelt es sich laut dem Bundesrat um Armeeangehörige, die für im ukrainischen Butscha begangene Verbrechen verantwortlich gemacht werden. Betroffen sind zudem in Politik und Propaganda tätige Personen. Darunter ist die angebliche Geliebte des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die frühere rhythmische Sportgymnastin Alina Kabajew.
Auch die Ehefrau und zwei erwachsene Kinder von Kremlsprecher Dmitri Peskow sind neu mit Sanktionen belegt. Auch weitere Angehörige von Oligarchenkreisen und deren Familienmitglieder stehen nun auf der Liste, zum Beispiel Aleksandra Melnitchenko.
Die Schweizer Liste der sanktionierten Personen und Organisationen entspricht vollständig derjenigen der EU, wie der Bundesrat schreibt. Er genehmigte zudem den Ausschluss von vier weiteren russischen und belarussischen Banken aus dem Nachrichtensystem Swift. Darunter ist die Sberbank, die grösste Bank Russlands.
Auch die Liste der mit einem Ausfuhrverbot belegten Güter, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung seines Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, sowie die Liste der zur Einfuhr verbotenen wirtschaftlich bedeutenden Güter wurden erweitert. Diese Anpassungen treten am Freitag um 18.00 Uhr in Kraft.
https://www.fuw.ch/article/schweiz-uebernimmt-neue-eu-sanktionen-2

RUSSLAND – UKRAINE – KOMMENTAR – Wladimir Sorokin: „In Moskau ist eine moralische Epidemie ausgebrochen“ – Handelsblatt Insight: Russische Impressionen – 10.6.2022
Wladimir Sorokin ist Russlands bedeutendster Schriftsteller der Gegenwart. Er sieht
einen ethischen Verfall in seiner Heimat, kritisiert den deutschen Sonderweg
gegenüber Moskau und prognostiziert eine Niederlage Putins im Ukrainekrieg.
Von Mathias Brüggmann
Regimeanhänger haben seine Bücher vor dem Bolschoitheater in Moskau verbrannt.
Denn die Werke Wladimir Sorokins ziehen literarisch eine Parallele von der Gewalt
Iwans des Schrecklichen über die Vernichtung von Millionen Russen unter Stalin und
den Irrwitz der Sowjet-Jahrzehnte bis hin zur Herrschaft Wladimir Putins. Der
bedeutendste russische Gegenwartsschriftsteller liebt und verflucht seine Heimat
zugleich.
Das Handelsblatt trifft Sorokin im „Europa Center“, dem alten Zentrum Westberlins.
Dies ist der Ort, an dem der Schriftsteller zum ersten Mal den Westen betreten hat,
im Oktober 1988 bei seiner ersten Auslandsreise aus der Sowjetunion. Zehn junge
Moskauer Künstler kamen damals in den Westen der geteilten deutschen Stadt, zehn
junge Westberliner bereisten die russische Hauptstadt. „Hier hat sich nichts
geändert“, sagt Sorokin. Der Charme des alten Moskau indes existiere nicht mehr.
Sorokin ist besorgt, dass Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine Russland für
Jahrzehnte zu einem international geächteten Paria macht.
HANDELSBLATT: Herr Sorokin, in einem Ihrer Werke haben Sie russisches Uran in Atomraketen zu Zucker werden
lassen und so auf den miserablen Zustand der Armee hingewiesen, über den alle westlichen
Militärexperten jetzt so überrascht sind. Woher wussten Sie das, haben Sie seherische Fähigkeiten?
SOROKIN: Schriftsteller haben eine innere Antenne. Damit kann man einiges einfangen, wenn auch nicht
bewusst. Ich sehe keine Zukunft, aber ich fühle einiges. Und manchmal kommt es dann auch so.
HANDELSBLATT: Wie auch in Ihrem letzten Buch „Rote Pyramide“ ein Staatsaufbau mit Allmacht für Putin?
SOROKIN: Die Konstruktion unseres Staates ist eine tiefdunkle Pyramide. Und diese Pyramide hat Iwan der
Schreckliche im 16. Jahrhundert errichtet, und sie wurde seither kaum verändert. Seither lebt
Russland wie in einem mittelalterlichen Konstrukt mit einem Menschen an der Spitze. Und unten,
das sind keine Bürger, sondern Untergebene …
HANDELSBLATT: … wie Heinrich Mann die Deutschen auch in „Der Untertan“ beschreibt?
SOROKIN: Genau. Hinzu kommt aber eine moralische Verrohung. Putin macht in der Ukraine dasselbe wie
Iwan der Schreckliche 1570 gegen Nowgorod. Damals wurde die westrussische Stadt, seinerzeit
eine moderne, nach Europa gerichtete Hanse-Republik, in einer Strafmission erobert, die 2000
reichsten und bekanntesten Familien wurden vernichtet und die Stadt geplündert. Danach kam
Nowgorod nie wieder auf die Beine. Als sie die Stadt verließen und unterworfen haben, wurden
auch noch die umliegenden Dörfer abgebrannt und das Vieh getötet. Das ist die Taktik von
Okkupanten, und das ist das Paradigma: Die Machthaber in diesem riesigen Land können nur als
Okkupanten herrschen. Brutal, unberechenbar und erbarmungslos – gegen die eigene Bevölkerung.
HANDELSBLATT: Im Westen heißt es oft, es sei Putins Krieg. Ist es nicht auch der Krieg der Russen?
SOROKIN: Der russische Patriarch Kirill hat vor Kurzem gesagt, Russland habe nie Eroberungsfeldzüge
geführt. Das ist Nonsens. Seit der Zeit Iwans des Schrecklichen hat Russland immer wieder
Eroberungskriege geführt. Deshalb kann man diesen Krieg sowohl Putins Krieg als auch Russlands
Krieg nennen. Erinnern wir uns an den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan oder an Stalins
Versuch, Finnland zu erobern. Aber: Die Ukrainer werden, wie seinerzeit die Finnen, diesen
russischen Putin-Krieg gewinnen.
HANDELSBLATT: Wie erklären Sie sich, dass eine Mehrheit der Russen für diesen Krieg ist?
SOROKIN: In Kriegszeiten kann man Meinungsumfragen doch vergessen. Einer von 50 beantwortet vielleicht
die Frage ehrlich: „Bist du für oder gegen Putin?“ Mit jedem Tag wird außerdem deutlicher, dass
dies ein sehr erfolgloser Krieg ist. Mit jedem Tag steigt die Zahl derer, die gegen diesen Krieg sind.
Dennoch: Wenn Ukrainer ihre russischen Verwandten anrufen, wird ihnen oft nicht geglaubt.
HANDELSBLATT: Woher kommt also dieser russische Glaube, Putin sei auf dem richtigen Weg?
SOROKIN: Seit 20 Jahren läuft diese Konditionierung über das Fernsehen. Und in der Provinz gibt es kaum
Menschen, die nicht in diese Kiste schauen. Da bleibt etwas hängen. Zudem bedeuten 70 Jahre
Sowjetunion leider auch Jahrzehnte intellektueller und menschlicher Degradierung, was Soziologen
nachgewiesen haben. Stalin hat denkende Menschen vernichtet. Später kamen sie in Lager, in den
1990er-Jahren hat der Wildwest-Kapitalismus, der in Russland einzog, gerade die schlecht bezahlte
Intelligenzija zerstört. Putin hatte dann Glück, dass der Ölpreis anstieg und der Staat Geld hatte und
die Propagandamaschine Fernsehen anwerfen konnte. Die hat viele Menschen geistig verstrahlt.
HANDELSBLATT: Oder sind viele Russen schlicht doch imperialistisch gestimmt und sehen wie Putin im Zerfall der
Sowjetunion die „größte Tragödie des 20. Jahrhunderts“?
SOROKIN: Für mich war der Zusammenbruch des Monsters einfach nur ein Riesenglück. Das Volk aber will
diese Droge, will sich als Großmacht zu fühlen. Deshalb sind die Atomwaffen auch so wichtig.
Aber ich nehme an, dass diese Nuklearwaffen sich in einem genauso miserablen Zustand befinden
wie die anderen Teile der Armee.
HANDELSBLATT: Woher rührt diese Großmacht-Seligkeit?
SOROKIN: In Russland wurde die sowjetische Vergangenheit nie aufgearbeitet wie der Nationalsozialismus in
Deutschland. Wir haben unsere Vergangenheit nie wirklich beerdigt. Verlierer, wie die Deutschen
es waren, haben es leichter als Sieger. Die UdSSR hat ja keine Niederlage erlitten. Aber Russland
wird jetzt genau das passieren. Putin ist ein Spieler, der beim Roulette alles auf Schwarz setzt. Er
braucht jetzt den Sieg um jeden Preis. Er glaubt, dass er nicht gegen die Ukraine kämpft, sondern
gegen die westliche Zivilisation. Diesen Hass hat er beim KGB aufgesogen. Aber diesen Krieg wird
er verlieren.
HANDELSBLATT: Wenn man die Andeutungen in Ihren Büchern sieht, dann führte ja vieles in diese Richtung. War
das ein linearer Prozess, oder gab es irgendeinen Punkt, an dem Putin sich völlig verändert hat?
SOROKIN: Kanzlerin Angela Merkel hatte ja schon vor einiger Zeit bemerkt, dass Putin in einer anderen Welt
lebt. Dazu geführt haben die absolute Macht und die Tatsache, dass er kein besonders intelligenter
Mensch ist und aus einer sehr einfachen Familie kommt. Der russisch-orthodoxe Bankier
Pugatschow war ja sehr eng mit Putin, bevor er aus Russland gen Westen floh. Kürzlich wurde er
gefragt, ob Putin gläubig sei, er bekreuzige sich ja so oft. Pugatschow antwortete: Nein, Putin
glaubt nur an die Heiligkeit seiner eigenen Macht. Er glaubt an seine angebliche Mission.
HANDELSBLATT: Was heißt das für den Krieg?
SOROKIN: Er wird immer mehr Holz ins Feuer legen, immer mehr Soldaten und Militärtechnik mobilisieren.
Aber gegen die gute ukrainische Armee und den Westen kann er nicht gewinnen. Putin setzt auf
eine angebliche Entnazifizierung der Ukraine, was die Zerstörung des eigenständigen ukrainischen
Nationalcharakters bedeutet. Er will die Ukraine vernichten wie Iwan der Schreckliche Nowgorod
und das Land zu einer russischen Provinz machen.
HANDELSBLATT: Aber Putin behauptet doch, dass Russland und die Ukraine ein Volk seien.
SOROKIN: Das stimmt überhaupt nicht. Die Ukrainer, vor allem jene im Westen des Landes, sind echte
Europäer, Individualisten. Sie tragen nicht diesen russischen Kollektivismus in sich. Deshalb ist
ihre Armee auch anders als die russische. Russlands Armee lebt in der Tradition der Sowjets und
der Zaren, wo man der Führung nie widersprechen darf. Da muss man wie ein Sklave Befehle
ausführen. In der sowjetischen Armee wurden Soldaten ständig erniedrigt. Die ukrainischen
Truppen haben das abgeschüttelt. Russland und die Ukraine haben unterschiedliche Zivilisationen
und eine unterschiedliche Zukunft. Putin will zurück in die Vergangenheit. Aber die Ukraine, die
doch auch Russisch spricht, will nicht in die Vergangenheit zurück. Das war der größte Schock für
Putin.
HANDELSBLATT: In Ihren Werken, aber auch bei den Zerstörungen im Kiewer Vorort Butscha ist unglaublich viel
Gewalt zu sehen. Woher kommt in Russland diese unfassbare Gewalt?
SOROKIN: In meiner Kindheit war auch alles mit Gewalt durchtränkt, in der Familie, auf der Straße, im
Kindergarten, in der Schule. Gewalt, Erniedrigung und die Angst davor – darauf war das gesamte
System Sowjetunion errichtet. Und das sogar noch in den 60er- und 70er-Jahren, in denen ich
aufwuchs und die die besten Jahre der Sowjetunion waren. Nach außen war da vieles prima, aber
die Angst saß völlig in den Menschen. Jeder hatte einen dunklen Fleck. Mein Vater etwa wuchs im
von den Deutschen besetzten Gebiet bei Kaluga auf. Er wurde ein sehr guter Wissenschaftler auf
dem Feld der Metallurgie, aber er wurde nie in die Kommunistische Partei aufgenommen und durfte
nie ins Ausland reisen, weil er in einem besetzten Gebiet aufwuchs. Die Angst war überall. Putin
nutzt dies geschickt aus.
HANDELSBLATT: Wie sehen Sie Deutschlands Haltung in diesem Krieg?
SOROKIN: Wenn Deutschland nicht deutlich mehr für die Ukraine tut, werden die Deutschen sich noch sehr
lange rechtfertigen müssen vor anderen. Das wird nicht leicht. Das Misstrauen gegenüber
Deutschland nach 16 Jahren Merkel, in denen sie Brücken zu Putin gebaut hat und sich bis heute
nicht für ihre Haltung gegenüber Russland entschuldigt hat, ist gewachsen.
HANDELSBLATT: Trotz all Ihrer Skepsis, Russland war immer auch eine große Kulturnation. Was bedeutet dieser
Krieg für die Kultur?
SOROKIN: Jetzt ist vielleicht nicht die richtige Zeit, über Kultur zu sprechen, solange Krieg herrscht. Aber der
Krieg, wie immer er ausgeht, hat schon jetzt einen großen Schaden für die russische Kultur
angerichtet.
HANDELSBLATT: Welchen?
SOROKIN: Der Krieg – den haben die Russen verursacht. Die Gräuel von Butscha – das waren die Russen.
Warum soll ich da noch ihre Literatur lesen? Das ist wie im Zweiten Weltkrieg, wo viele fragten:
Warum soll ich jetzt noch Goethe lesen?
Sehen Sie die Gefahr, dass Tschechows „Kirschgarten“ oder Tschaikowskis „Nussknacker“ nicht
mehr auf westliche Bühnen kommen?
SOROKIN: In diesem Jahr wird der Krieg enden, und dann wird sich zeigen, wie die Welt noch mit russischer
Kultur umgeht. Die Klassiker dürften überleben. Hitler hat Wagner geliebt, trotzdem ist Wagner
Wagner geblieben. Auch Tolstoi und Dostojewski dürften nirgendwohin verschwinden, aber was
mit der Gegenwartskunst wird, steht in den Sternen.
HANDELSBLATT: Werden Ihre Bücher denn in Russland noch verkauft?
SOROKIN: Bisher ja. Aber eine Abgeordnete der Duma hat schon gefordert, die Bücher von „Verrätern“ zu
verbieten. Wenn das jetzt noch Monate so weitergeht, der Krieg und die Propaganda, werden wohl
Verbote kommen.
HANDELSBLATT: Kehrt dann die Zeit des Samisdat zurück, der Untergrundverlage wie zu Sowjetzeiten?
SOROKIN: Warum nicht? Ich habe als Schriftsteller ja auch so angefangen. Dass die Zensur immer schärfer
wird, ist jedenfalls klar. Weil es auf dem Schlachtfeld nicht so läuft wie gewünscht, werden sie mit
der „fünften Kolonne“ kämpfen, den Kritikern im eigenen Land, die angeblich die Kampfmoral
untergraben.
HANDELSBLATT: Schreiben Sie denn aktuell noch?
SOROKIN: Nein. Es geht momentan nichts von der Hand. Ich sauge nur Informationen auf. Aber ich habe auch
früher schon mal Pausen gemacht. Ein Schriftsteller muss auch schweigen können. Man kann nicht
täglich schreiben, muss auch mal Kraft schöpfen.
HANDELSBLATT: Oder herrscht bei Ihnen Sprachlosigkeit angesichts des Grauens?
SOROKIN: Ja, eine moralische Stummheit. Ich kann momentan nicht schreiben.
HANDELSBLATT: Fühlen Sie sich denn in dem von Russen so geliebten Berliner Stadtteil Charlottenburg heimisch,
oder wollen Sie wieder zurück nach Russland?
SOROKIN: Meine Frau und ich sind zwei Tage vor Kriegsbeginn ausgereist. Und wir hoffen, eines Tages
zurückkehren zu können. Aber momentan habe ich das Gefühl, dass in Moskau eine mentale
Epidemie ausgebrochen ist. Aus normalen Menschen wurden Zombies. Ich hoffe, dass die
russischen Menschen wieder gesunden.
HANDELSBLATT: Herr Sorokin, vielen Dank für das Interview.
WLADIMIR GEORGIJEWITSCH SOROKIN wurde 1955 geboren. Er studierte am Moskauer
Gubkin-Institut für Öl- und Gas und wurde Ingenieur. Weil er sich weigerte, dem KPJugendverband Komsomol beizutreten, verlor er seinen Job. Seit Februar 2022 lebt er mit seiner Frau in Berlin-Charlottenburg.
Das Werk Sorokin gilt als Vertreter des Moskauer Konzeptualismus. In Büchern wie „Der himmelblaue Speck“, „Der Tag des Opritschniks“ oder „Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs“ bildet er das heutige Russland mit grotesken Mitteln der Satire ab.
6-Seiten-PDF
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….. Weitere Meldungen zum Ukraine-Krieg ..…

RUSSLAND – UKRAINE – DEUTSCHLAND – 220 ukrainische Verletzte und Erkrankte in deutschen Kliniken – 11.6.2022
Berlin – Kliniken in Deutschland haben über das Kleeblattverfahren mehr als 200 Kranke und Verletzte aus der Ukraine aufgenommen. Von insgesamt 620 Hilfeleistungsersuchen auf europäischer Ebene habe Deutschland im Rahmen dieses Verfahrens bereits 220 Patienten zur Behandlung übernommen, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben).
„Mehr als 50 weitere Patientenübernahmen werden bald (kriegsbedingt teilweise verzögert) abgeschlossen sein.“ Weiter hieß es: Von den 220 übernommenen Patienten „sind 52 ins Kleeblatt Süd gebracht worden, 50 ins Kleeblatt Nord, 44 ins Kleeblatt Ost, 39 ins Kleeblatt West und 35 ins Kleeblatt Südwest“. Die Patientenverlegungen auf EU-Ebene werden demnach über das EU-Katastrophenschutzverfahren organisiert. Die Übernahme von stationär behandlungsbedürftigen ukrainischen Patienten aus den Nachbarstaaten der Ukraine nach Deutschland koordiniere das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium, dem Robert-Koch-Institut und mit Unterstützung der Bundeswehr.
Der Bund hatte das Kleeblattkonzept nach Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 erarbeitet, zunächst zur bundesweiten Verlegung von intensivpflichtigen Corona-Erkrankten. Seit März 2022 nutzen Bund und Länder das System zur Verteilung von Menschen, die wegen des Krieges in der Ukraine medizinisch behandelt werden müssen. © 2022 dts Nachrichtenagentur
https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2022-06/56285638-220-ukrainische-verletzte-und-erkrankte-in-deutschen-kliniken-003.htm

# # # AUS ALLER WELT (Fortsetzung) # # #

EUROPA – Gewinnrevisionen verschlafen? – NACHTRAG: 8.6.2022
Von Sylvia Walter
GRAPHIK: https://www.fuw.ch/wp-content/uploads/2022/06/eps-640×447.png
In Rezessionen bricht der Gewinn pro Aktie üblicherweise deutlich ein. Die Gewinnschätzungen der Aktienanalysten für die jeweils kommenden zwölf Monate (Earnings per Share, EPS, 12 months forward) nehmen den tatsächlichen Rückgang der Gewinndynamik idealerweise vorweg.
In der Coronakrise sind die Erwartungen an den Gewinn pro Aktie der Titel im MSCI EMU, der die Valoren des Euroraums umfasst, um 30% eingebrochen. In der Euro- und der Schuldenkrise fielen die Schätzungen um 18%, in der grossen Finanzkrise betrug der Fall vom Höchst gar 43%.
Doch im aktuellen Umfeld scheinen die Analysten noch völlig unbesorgt zu sein, die vorausschauenden Gewinnschätzungen befinden sich vielmehr weiterhin im Höhenflug. Bei abnehmendem Wirtschaftswachstum und der Angst vor einer ausgewachsenen Rezession würde man zumindest ein Abflachen der Gewinnschätzungen erwarten.
Zu befürchten ist, dass der Abwärtstrend der Revisionen unmittelbar bevorsteht. Gemäss den Ökonomen von Gavekal Research ist der Aktienmarkt der Eurozone bei den derzeitigen Bewertungen noch deutlich zu teuer. (Quelle der Grafik: Gavekal Research)
https://www.fuw.ch/article/der-chart-des-tages-2327

SCHWEIZ – OECD-Ausblick für die Schweiz – Wirtschaftswachstum 2022e bei 2,5 und 2023e bei 1,3 Prozent – Nachfrageabschwächung schwächt Export-und Investitionswachstum – Verbesserter Arbeitsmarkt und Abbau der hohen Sparquote stützt Privatkonsum – Geldpolitik angemessen: Kapitalzufluss stützt, Inflation nur 2022e mit 2,5 Prozent über SNB-Zielkorridor – Haushaltskonsolidierung fortführen – Belastung durch starken Flüchtlingsstrom – NACHTRAG: 8.6.2022
Das BIP wird den Projektionen zufolge 2022 um 2,5% und 2023 um 1,3% steigen. Der Krieg in der Ukraine führt zu einer Nachfrageabschwächung, was das Export-und Investitionswachstum bremsen dürfte. Die sich weiter verbessernde Arbeitsmarktlage dürfte zusammen mit einer Verringerung der hohen Sparquote den Verbrauch stärken. Steigende Preise für Energie und von Lieferengpässen betroffene Waren lasten auf dem Wachstum und bewirken, dass die Gesamtinflation 2022 über den Zielkorridor der Schweizerischen Nationalbank auf voraussichtlich 2,5% ansteigt. 2023 dürfte sie dann wieder auf 1,8% sinken. Der geldpolitische Kurs ist angemessen, da die langfristigen Inflationserwartungen verankert bleiben und der Schweizer Franken als sicherer Hafen durch Kapitalzuflüsse gestützt wird. Die verstärkten makro-prudenziellen Maßnahmen sollten fortgeführt werden. Auch die Haushaltskonsolidierung sollte sich fort-setzen, allerdings sind gezielte Maßnahmen nötig, um den Flüchtlingszustrom zu bewältigen. Die Struktur-reformen sollten beschleunigt werden, um die Arbeitsmarktintegration zu fördern, Wettbewerbshindernisse zu beseitigen, für mehr ökologische Nachhaltigkeit zu sorgen und die Energieversorgungssicherheit zu verbessern. …
https://read.oecd-ilibrary.org/view/?ref=1143_1143919-m73ep09pb6&title=Country-profile-Switzerland-OECD-Wirtschaftsausblick-Ausgabe-2022-1

ITALIEN – Steigende Zinsen verursachen Zittern in Rom – Chart des Tages – NACHTRAG: 10.6.2022
Von Peter Rohner
GRAPHIK: https://www.fuw.ch/wp-content/uploads/2022/06/screen-shot-2022-06-10-at-09.50.01.png
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern zwar noch nicht die Leitzinsen erhöht, aber klar signalisiert, dass sie die Zügel wegen der Inflation bald straffen wird. Ab nächstem Monat kauft sie keine Anleihen mehr, und dann soll in der Julisitzung der Einlagenzins um 25 Basispunkte (Bp) angehoben werden. Beobachter gehen von einem weiteren Schritt um 50 Bp im September aus.
Der forsche Kurs kommt an den Finanzmärkten nicht gut an. Nach der gestrigen Sitzung tauchten die Börsen in Europa und danach auch in New York. Die Anleihenrenditen stiegen wieder, wobei Papiere mit einem gewissen Kreditrisiko stärker abgestossen wurden als risikolose Staatsanleihen. Die Renditeaufschläge (Spreads) nehmen zu.
Ein Problem für die EZB ist dabei vor allem die Spread-Ausweitung in der Eurozoneperipherie. Die Aufschläge von Griechenland, Italien, Spanien und Portugal sind auf dem höchsten Niveau seit dem Coronaschock im Frühjahr 2020.
Im Falle von Italien ist der Aufschlag zu deutschen Bundesanleihen um 30 auf 220 Bp gestiegen. Anscheinend hatten die Märkte mehr Klarheit darüber erwartet, mit welchen Massnahmen die EZB dieser Entwicklung entgegentreten will. Denn es scheint klar, dass nur sie die Fragmentierung verhindern kann, bei der Länder der Peripherie viel höhere Finanzierungskosten haben als Deutschland oder die Niederlande.
Wie wichtig die Anleihenkäufe der EZB sind, zeigt die obige Grafik des Bankenverbands Institute of International Finance (IFF) am Beispiel von Italien. Die schwarze Linie zeigt das Volumen der ausgegebenen Anleihen in Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), die farbigen Balken zeigen die Käufer. 2017 und während der Pandemie hat die EZB im Rahmen der quantitativen Lockerung (QE) und des Notfallprogramms PEPP über die Banca d’Italia (blau) praktisch als Einzige italienische Bonds gekauft. Banken (rot), Haushalte (grün) und ausländische Investoren (violett) spielten keine Rolle. In Spanien sieht das Bild ähnlich aus, mit dem Unterschied, dass sich dort ausländische Investoren wieder engagieren.
Doch wie will die EZB Rom nun helfen, wenn sie die QE-Anleihenkäufe einstellt, aber nicht gezielt die Anleihen der Staaten kaufen kann, die in Schwierigkeiten sind, weil sie sonst das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verletzt?
IIF sieht keine Lösung, ausser, die Geldpolitik weiterhin locker zu halten und die Normalisierung zu vertagen.
(Quelle der Grafik: Institute of International Finance)
https://www.fuw.ch/article/der-chart-des-tages-2329
ERLÄUTERUNG: Zur Verhinderung eines Auseinanderdriftens der Anleihezinsen in den einzelnen EU-Ländern wird die EZB „total flexibel“ Anleihekäufe aus Tilgungserlösen, die aus dem PEPP-Portfolio fließen, weiterhin tätigen. Das PEPP-Portfolio umfasst 4,95 Billionen Euro. Ein entsprechender Nachkauf von hier italienischen Anleihen, um getilgte Anleihen welchen Herkommens auch immer zu ersetzen, ist zumindest theoretisch denkbar. Den vollmundig angekündigten Stopp der Anleihekäufe gibt es, aber in durchaus eingeschränkten Maße wie geschildert. Siehe dazu den Tagesblick für Donnerstag, 9.6.2022

DEUTSCHLAND – OECD-Ausblick für Deutschland – Unsicherheit, Lieferkettenengpässe und hohe Inflation belasten die Wirtschaft – inkl. Schaubildern und Tabelle – NACHTRAG: 8.6.2022
Die Wirtschaft wird den Projektionen zufolge 2022 um 1,9% und 2023 um 1,7% wachsen, der Krieg in der Ukraine und das Ölembargo gegen Russland beeinträchtigen ihre Erholung. Der Inflationsanstieg schwächt die Kaufkraft der privaten Haushalte, wodurch die Belebung des privaten Verbrauchs gedämpft wird. Das Anleger-und Verbrauchervertrauen ist eingebrochen und die Lieferkettenengpässe haben sich verschärft. Dadurch verzögert sich die Erholung der Industrieproduktion und der Exporte trotz eines hohen Auftrags-bestands bis Ende 2022.
Die Erholung könnte durch einen plötzlichen Stopp der Gasimporte aus Russland oder länger andauernde Lockdowns in China noch stärker ins Stocken geraten.
Die Förderprogramme zur Abfederung der steigenden Energie-und Nahrungsmittelpreise müssen zielgenau auf vulnerable Haushalte und Unternehmen ausgerichtet sein. Höhere Infrastrukturinvestitionen und bes-sere Planungs-und Genehmigungsverfahren und -kapazitäten, insbesondere auf kommunaler Ebene, würden die Digitalisierung und die Energiewende beschleunigen, ein entscheidender Faktor, um die Abhän-gigkeit von Energieimporten zu verringern.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sollte die Er-werbsbeteiligung von Frauen sowie älteren und geringqualifizierten Arbeitskräften erhöht und die Ausbildung und Erwachsenenbildung verbessert werden. Außerdem sollten die Berufszulassungsanforderungen gelockert werden, um den Wechsel in stark nachgefragte Berufe zu erleichtern. Als weitere Maßnahme sollte die Anerkennung der Qualifikationen von Zugewanderten und Geflüchteten erleichtert werden. …
https://read.oecd-ilibrary.org/view/?ref=1143_1143916-sl8hwexue4&title=Country-profile-Germany-OECD-Wirtschaftsausblick-Ausgabe-2022-1

DEUTSCHLAND – KOMMENTAR – Warum eine Übergewinnsteuer keine gute Idee ist – Sondersteuer für Energieunternehmen verunsichert Investoren und ist Ausdruck politischer Willkür – NACHTRAG: 10.6.2022
Von Professor Clemens Fuest
Eine Sondersteuer für Energieunternehmen verunsichert Investoren und ist Ausdruck
politischer Willkür. Deutschland sollte deshalb die Finger davonlassen,
Derzeit mehren sich Forderungen, die steigenden Gewinne von Energieunternehmen mit einer
Sondersteuer zu belegen, die auch als „Übergewinnsteuer“ bezeichnet wird. Den Unternehmen wird
vorgeworfen, vom Krieg zu profitieren, der zu einer Verknappung des Energieangebots und zu stark
steigenden Preisen geführt habe. Einige Politiker heizen die Stimmung an, indem sie von
„Kriegsgewinnlern“ und einer „Steuer auf Gier“ sprechen.
Historische Vorbilder für Sondersteuern auf Unternehmensgewinne finden sich während der beiden
Weltkriege. Damals wurden etwa in den USA und Großbritannien Steuern erhoben, um
kriegsbedingte Gewinne abzuschöpfen und zur Deckung der Kriegslasten beizutragen. Ist es auch
im Fall weniger gravierender Krisen sinnvoll, Sondersteuern auf Gewinne von Unternehmen zu
erheben, die von Krisen profitieren?
In Italien ist kürzlich eine Sondersteuer für Energieunternehmen eingeführt worden. Sie bezieht sich
allerdings primär auf die Monate vor dem Ukrainekrieg, als die Energiepreise bereits anzogen. Dort
wird nicht der Gewinn besteuert, sondern der Zuwachs an Wertschöpfung. Die Wertschöpfung ist
die Differenz zwischen Umsätzen und Ausgaben für Vorleistungen. Lohnzahlungen sind also
ebenso wie Gewinne in der Bemessungsgrundlage enthalten. Verglichen wird die Wertschöpfung
im Zeitraum 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 mit jener im gleichen Zeitraum ein Jahr davor. Die
Differenz wird mit einem Steuersatz von zehn Prozent belegt, allerdings nur, wenn der Zuwachs
mindestens zehn Prozent beträgt und fünf Millionen Euro übersteigt.
Sollte Deutschland dem folgen?
Aus folgenden Gründen ist das keine gute Idee:
1. Gewinne von Unternehmen, die von der aktuellen Krise profitieren, werden in Deutschland
bereits besteuert, zunächst in Höhe von etwa 30 Prozent, bei Ausschüttung an die Aktionäre steigt
die Gesamtbelastung auf rund 48 Prozent. Wer hohe Gewinne macht, zahlt auch hohe Steuern und
umgekehrt. Warum eine zusätzliche Steuer notwendig oder fair sein soll, ist unklar.2
2. Auf den ersten Blick erscheint es zumindest fiskalisch attraktiv, Unternehmen mit einer
Sondersteuer zu überraschen, weil sie dieser Steuer nicht mehr ausweichen können. In Italien wirkt
die Steuer sogar rückwirkend. Tatsächlich hat ein solcher Schritt aber zur Folge, dass die
Unsicherheit im Steuerrecht steigt. Investoren werden für die Zukunft einpreisen, dass sie jederzeit
mit einer Sondersteuer überrascht werden können. Die deutschen Unternehmensteuern sind im
internationalen Vergleich bereits sehr hoch. Eine zusätzliche Übergewinnsteuer würde es noch
weniger attraktiv machen, in Deutschland zu investieren. Die Aussicht auf hohe Gewinne führt
dazu, dass Unternehmen für Krisen vorsorgen.
3. Die Aussicht auf knappheitsbedingt hohe Gewinne ist ein wichtiger Anreiz für Unternehmen,
aufziehende Versorgungskrisen zu erkennen und vorzusorgen. Dieses Vorsorgen wird zwar gern als
Spekulation verunglimpft, ist aber gesamtgesellschaftlich sehr nützlich, weil andernfalls die
Versorgungsprobleme im Krisenfall noch größer wären. Hohe Gewinne führen außerdem dazu, dass
andere Unternehmen in den Markt eintreten. Dadurch verbessert sich das Angebot, und Preise
sowie Gewinne sinken wieder. Sondersteuern beeinträchtigen diese Marktsignale.
4. Den Energieunternehmen wird vorgeworfen, es sei unmoralisch, vom Krieg in der Ukraine zu
profitieren. Aber die Energiepreise sind schon vor dem Ukrainekrieg stark gestiegen – für die
Gewinne der Energieunternehmen ist dieser Faktor vermutlich wichtiger als der Ukrainekrieg.
Unabhängig davon divergieren die Meinungen darüber, welche Geschäfte moralisch mehr oder
weniger wertvoll sind, auch deshalb ist es nicht sinnvoll, auf dieser Basis Sondersteuern zu erheben.
5. Dass die Energiepreise gestiegen sind, hat auch damit zu tun, dass in den letzten Jahren vor allem
Unternehmen aus westlichen Staaten immer weniger in die Förderung fossiler Brennstoffe investiert
haben, unter anderem deshalb, weil der politische Druck groß war, diese Investitionen abzubauen.
Den Unternehmen, die trotz des entgegengesetzten politischen Drucks Knappheiten vorausgesehen
haben und das Risiko auf sich genommen und investiert haben, sollte man nun keine Vorwürfe
machen. Die Gewinne sind insofern verdient, als ohne diese Investitionen die Knappheit noch
größer wäre.
6. Steuersysteme machen die Steuerlast in der Regel nicht davon abhängig, warum Einkommen
oder Gewinn erzielt wurde oder ob Gewinne eher aus Gier oder aus edleren Motiven erwirtschaftet
wurden. Tatsächlich werden Gewinne aus vielen Gründen erzielt – Gewinne können entstehen, weil
ein Unternehmen zufällig ein Produkt herstellt, das plötzlich stark gefragt ist. Das galt
beispielsweise für Hersteller von Gesichtsmasken beim Ausbruch der Coronapandemie oder für
Onlinehändler. Gewinne werden aber auch erwirtschaftet, weil Unternehmen hart gearbeitet und
Risiken auf sich genommen haben, um ihre Kunden mit Produkten versorgen zu können, die ihnen
besonders wichtig sind. Gewinne können auch anfallen, weil Unternehmen Kartelle bilden. Dann3
verstoßen sie allerdings gegen Gesetze und müssen zwar keine Sondersteuern zahlen, aber sie
müssen mit Strafen rechnen und eventuell Schadensersatz leisten.
7. Gewinne werden meistens über alle Sektoren hinweg einheitlich besteuert. Es gibt Ausnahmen,
etwa bei Erdöl fördernden Unternehmen in Großbritannien, aber diese Ausnahmen sind nicht
zeitlich begrenzt und haben mit besonderen Rechten und Pflichten dieser Firmen zu tun. Das
aktuelle Gerechtigkeitsempfinden oder die besonderen Interessen einzelner Politiker, Parteien oder
öffentliche Stimmungen sind für die Besteuerung nicht maßgeblich. Gleichbehandlung aller
Steuerzahler ist wichtig, um sie vor ungerechter Belastung und Willkür zu schützen.
8. Widersprüchlich ist es im Übrigen, zunächst die Gewinne der Mineralölkonzerne durch die
Benzinsteuersenkung in die Höhe zu treiben und dann zu verlangen, die Gewinne mit anderen
Steuern wieder abzuschöpfen. Dass in einer Extremsituation wie den beiden Weltkriegen vor allem
Rüstungsunternehmen erhöhter Besteuerung unterworfen wurden, ist nachvollziehbar. Die heutige
Lage Deutschlands ist damit jedoch nicht vergleichbar.
Technisch ist es möglich, Sondersteuern von Energieunternehmen zu erheben, wie der Fall Italien
zeigt. Die Steuer würde die Rahmenbedingungen für künftige Investitionen in Deutschland aber
verschlechtern und eine Welle von Gestaltungen zur Vermeidung derartiger Sondersteuern nach
sich ziehen.
Die verbreitete Behauptung, eine solche Abgabe diene der Steuergerechtigkeit, ist irreführend. Sie
wäre eher ein Ausdruck von Willkür. Warum hat man Hersteller von Covidimpfungen oder
Digitalunternehmen, die von der Coronapandemie profitiert haben, keiner Sondersteuer
unterworfen? Warum nicht zumindest Bau- und Möbelmärkte oder Fahrradhersteller, die ebenfalls
profitiert haben?
Sondersteuern zu erheben, wenn Knappheiten entstehen und es populär ist, gegen die Anbieter der
betroffenen Produkte Stimmung zu machen, ist mit gerechter und effizienter Steuerpolitik
unvereinbar. Deutschland sollte die Finger davonlassen.
Widersprüchlich ist es im Übrigen, zunächst die Gewinne der Mineralölkonzerne durch die
Benzinsteuersenkung in die Höhe zu treiben und dann zu verlangen, die Gewinne mit anderen
Steuern wieder abzuschöpfen.4
CLEMENS FUEST leitet das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München und lehrt an der
dortigen Ludwig-Maximilians-Universität. Seine Spezialgebiete sind Wirtschafts-, Finanz- und
Steuerpolitik sowie Fragen der europäischen Integration.
(c) Handelsblatt, Clemens Fuest
4-Seiten-PDF https://click.redaktion.handelsblatt.com/?qs=67f852c7e6443bf32fb38d035588c8d857e58d2257decd3c9fd1cbc9f9c9e1dad023ffa835c364672654bd34a0ccf8ff50cde6fbeef34c8d

DEUTSCHLAND – KOMMENTAR – Was aus der Erhöhung des Mindestlohns folgt – Der Chefökonom – NACHTRAG: 10. 6.2022
Von Bert Rürup und Axel Schrinner
Beschäftigte im Niedriglohnsektor bekommen auf Beschluss des Bundestags
demnächst ein Viertel mehr Lohn. Damit untergräbt die Bundesregierung eine
bewährte Kooperation der Sozialpartner.
Ein gesetzlicher Mindestlohn ist in einer Marktwirtschaft ein Fremdkörper. So lernen es ÖkonomieStudierende in den ersten Semestern. Denn ein zu niedriger Mindestlohn ist wirkungslos, und ein zu
hoher treibt einen Keil zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage, was unfreiwillige Arbeitslosigkeit
und damit Wohlfahrts- und Wachstumsverluste zur Folge hat.
Die Wirklichkeit ist indes komplizierter. So ist Arbeitskraft kein homogenes Gut. Zudem
beeinflusst der Staat über Umverteilung, Steuern, Ausgaben und Sozialleistungen das
Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.2
In unserer Sozialen Marktwirtschaft ist das 2005 anstelle der Arbeitslosenhilfe eingeführte
Arbeitslosengeld II eine dieser Sozialleistungen. Die Idee: Jeder Erwerbsfähige erhält eine
Grundsicherung in Höhe des Existenzminimums, wenn er trotz eigener Bemühungen den
Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht bestreiten kann. Wer Arbeit hat, aber das am Markt
erzielte Einkommen nicht ausreicht, um davon sich und die eigene Familie zu ernähren, dem stockt
der Staat das Einkommen entsprechend der amtlich festgestellten Bedürftigkeit auf.
Die Einführung solch eines Kombilohn-Modells war ökonomisch richtig, um Anreize zu setzen,
eine reguläre Arbeit aufzunehmen. Allerdings hätte diese Regelung von vornherein durch einen
gesetzlichen Mindestlohn flankiert werden müssen, um Lohndumping über Verträge zulasten des
Sozialstaats zu verhindern.
Diese Trivialität erkannte – wenn auch erst fast zehn Jahre später – die damalige Bundesregierung
und führte 2015 einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde ein. Laut Gesetz
wird der Mindestlohn turnusmäßig angepasst. Dazu soll eine unabhängige Kommission prüfen,
welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Schutz der Beschäftigten
beizutragen, faire Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen und die Beschäftigung nicht zu
gefährden.
Dabei orientiert sie sich nachlaufend an der zwischen den Sozialpartnern ausgehandelten
Tarifentwicklung. Die Kommission besteht aus sechs stimmberechtigten Mitgliedern aus dem Kreis
der Sozialpartner sowie zwei beratenden Wissenschaftlern. Die grundgesetzlich verankerte
Tarifautonomie wurde mithin auch beim Mindestlohn erhalten; die Tarifparteien erhielten das
Recht, Vereinbarungen über Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen frei von staatlichen Eingriffen zu
schließen.
Dieses kluge wie bewährte Modell hat der Bundestag am vergangenen Freitag mit den Stimmen der
Regierungsmehrheit suspendiert und eine Erhöhung dieser Lohnuntergrenze von derzeit 9,82 auf
zwölf Euro ab dem 1. Oktober dieses Jahres beschlossen. Laut Sozialminister Hubertus Heil (SPD)
steigen dadurch die Löhne von mehr als sechs Millionen Beschäftigten. Für viele sei dies
„möglicherweise der größte Lohnsprung ihres Lebens“. Mit diesem Beschluss löste die SPD ein
Wahlkampfversprechen ein.
Nun gilt auch in einer Sozialen Marktwirtschaft, dass letztlich jeder Beschäftigte die Kosten seines
Arbeitsplatzes über seine Produktivität erwirtschaften muss. Ist dies nicht der Fall, droht dem
Arbeitgeber Insolvenz und/oder den Beschäftigten ein Verlust des Arbeitsplatzes.
Höchst fragile Lage3
Fakt ist: Zu den von vielen Ökonomen lange Zeit einem Mantra gleich beschworenen
Arbeitsplatzverlusten ist es durch die Einführung und mehrmalige Anhebung dieser
Lohnuntergrenze nicht gekommen. Grund dürften das Augenmaß der Kommissionsempfehlungen
sowie der beschäftigungsintensive Aufschwung in der vergangenen Dekade gewesen sein. Heute
hingegen trifft die von der Politik festgelegte Anhebung der Lohnuntergrenze die deutsche
Volkswirtschaft in einer höchst fragilen Lage. Eingeklemmt zwischen Inflation, Krieg,
Energieknappheit, Dekarbonisierung und Lieferengpässen ist nennenswertes reales Wachstum nicht
in Sicht.
Hinzu kommt der noch in dieser Legislaturperiode einsetzende massive Alterungsschub, der das
bisherige Potenzialwachstum von knapp 1,5 Prozent merklich drücken wird. Der bereits heute in
vielen Branchen offenkundige Arbeitskräftemangel dürfte sich daher verstärken, was auch ohne
staatliche Eingriffe zu einer sukzessiven Erhöhung des Lohnniveaus geführt hätte.
Die kräftige Anhebung des Mindestlohns sollte daher nicht zu einem Entlassungsschub führen,
wohl aber das gesamte untere und mittlere Lohngefüge verschieben. So hob jüngst ein
Lebensmitteldiscounter öffentlichkeitswirksam seine niedrigste Entgeltgruppe von 12,50 auf 14
Euro Stundenlohn an. Im Wettbewerb um Aushilfen und Fachkräfte werden andere Arbeitgeber
nachziehen müssen, sodass es bald zu großflächigen Lohnanhebungen kommen dürfte. Der Staat
hat daher mit seiner lohnpolitischen Entscheidung den Einstieg in die von Bundesbank und EZB
gefürchtete Lohn-Preis-Spirale befördert.
Um solch einer Spirale vorzubeugen, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jüngst im Bundestag
„eine konzertierte Aktion gegen den Preisdruck“ angekündigt. Gemeinsam mit Arbeitnehmern und
Arbeitgebern will er Auswege aus der hohen Inflation, richtiger: der angebotsseitig bedingten
Teuerung suchen. Es gehe um eine „gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen
Situation“. Im Mai war die Inflationsrate in Deutschland mit 7,9 Prozent auf den höchsten Stand seit
Januar 1952 geschnellt.
Scholz setzt damit auf ein Modell aus den späten 1960er-Jahren. Der damalige Wirtschaftsminister
Karl Schiller, hatte Politik, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und die Bundesbank an einen
„Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“ gebeten, wie der SPD-Politiker diese Runde nannte.
Relevante Empfehlungen gab dieses Forum jedoch nicht; in der ersten Hälfte der 1970er wurde es
sang- und klanglos aufgelöst.
Der amtierende Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und die neue DGB-Chefin Yasmin Fahimi
erklärten sich zu konstruktiven Gesprächen bereit. Verständlicherweise wollen sie den Kanzler und
seinen Vorstoß nicht verprellen. Klar sei aber auch, betonte Fahimi, „Tarifverhandlungen werden4
nicht im Kanzleramt geführt“. Im Übrigen wäre solch ein runder Tisch machtlos gegenüber
importierten Teuerungsschüben, wie sie Deutschland derzeit erlebt. Die Regierung kann auf Dauer
weder „Tankrabatte“ noch „Energiegeld“ für weite Teile der Bevölkerung finanzieren, sondern
bestenfalls wirklich Bedürftige unterstützen.
Doch die Kaufkraftverluste und die damit verbundenen Wohlstandseinbußen blieben dauerhaft
bestehen. Diese gesamtwirtschaftlichen Folgen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu
verteilen sollte Aufgabe der Tarifpartner bleiben – und zwar in guten wie in schlechten Zeiten. Das
sollte auch für die Festlegung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns gelten. Fraglich ist nur, ob
die Politik einen Weg zurück zu dem klugen Agreement von 2014 finden wird oder ob die jetzige
Intervention zum Präzedenzfall wird.
Der Chefökonom
Prof. BERT RÜRUP ist Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI) und Chefökonom des
Handelsblatts. Er war viele Jahre Mitglied und Vorsitzender des Sachverständigenrats und Berater
mehrerer Bundesregierungen sowie ausländischer Regierungen.
Mehr Analysen, Kommentare und Studien von Professor Rürup und seinem Team erhalten Sie auf
der Webseite https://research.handelsblatt.com/de/
(c) Handelsblatt, Bert Rürup, Axel Schrinner
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DEUTSCHLAND – IG Metall will mindestens die Reallöhne sichern – Weitere staatliche Entlastungen gefordert – IG Metall will angesichts der hohen Gewinne 8,2 Prozent durchsetzen – 11.6.2022
Frankfurt/Main – Die IG Metall hat in der bevorstehenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie das Ziel, angesichts der hohen Preissteigerung mindestens die Reallöhne zu sichern. „Die Tarifpolitik wird nicht alleine einen Ausgleich für 2022 und 2023 leisten können“, sagte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann den Zeitungen der „Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft“ (Samstagausgaben).
Hinzu müssten weitere Entlastungen des Staates kommen. Der IG-Metall-Vorstand will seine Forderungsempfehlung für die größte deutsche Industriebranche mit 3,9 Millionen Beschäftigten am 20. Juni vorlegen. Die Verhandlungen starten auf regionaler Ebene Mitte September. Die Forderung dürfte niedriger ausfallen als in der Stahlindustrie, wo die IG Metall angesichts der hohen Gewinne 8,2 Prozent durchsetzen will.
Die Bundesregierung erwartet, dass die Preise in diesem Jahr im Durchschnitt um 6,1 Prozent steigen, im nächsten Jahr um 2,8 Prozent. Hofmann verlangte von der Bundesregierung, in der „Konzertierten Aktion“ ein drittes Entlastungspaket vorzulegen. Dazu gehöre wie in diesem Jahr eine Energieprämie von 300 Euro für Erwachsene und 100 Euro für Kinder. „Man darf nur nicht wieder die gute Maßnahme diskreditieren, indem man die Rentner ausnimmt“, sagte der IG-Metall-Vorsitzende.
Zudem seien ein Gaspreisdeckel nötig, um den normalen Haushaltsverbrauch zu sichern, und eine Senkung des Strompreises. „Hier verdient der Staat kräftig mit.“ Zur Finanzierung schlug er vor, die Schuldenbremse auch 2023 auszusetzen. © 2022 dts Nachrichtenagentur
https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2022-06/56285892-ig-metall-will-mindestens-die-realloehne-sichern-003.htm

ÖSTERREICH – OECD-Ausblick für Österreich – Wirtschaftswachstum 2022w bei 3,6 und 2023e bei 1,4 Prozent – Binnennachfrage treibt Wirtschaft – Angespannter Arbeitsmarkt – Erhebliche Abwärtsrisiken: gestiegene Unsicherheit, höhere Energiepreise, Arbeitskräftemangel und Störungen der Lieferketten – Ökosoziale Steuerreform ausbauen – Starke Erdgasabhängigkeit – Österreichische Bankkredite in Russland zu klein, um riskant zu sein – Prioritäten: mehr Energiesicherheit durch einen Ausbau der Erneuerbaren und eine bessere Aktivierung der Arbeitskräftereserven – inkl. Schaubildern und Tabelle – NACHTRAG: 8.6.2022
Die österreichische Wirtschaft wird den Projektionen zufolge 2022 um 3,6% und 2023 um 1,4% expan-dieren. Die russische Invasion in der Ukraine hat die Wachstumsaussichten eingetrübt. Angesichts eines deutlichen Beschäftigungszuwachses und steigenden Stellenangebots ist der Arbeitsmarkt zunehmend angespannt. Als wichtigster Wachstumsmotor dürfte sich der private Verbrauch erweisen. Die gestiegene Unsicherheit, höhere Energiepreise, ein Arbeitskräftemangel und Störungen der Lieferketten beeinträch-tigen die Unternehmensinvestitionen und das Exportwachstum. 2022 ist mit einer deutlichen Zunahme der Gesamtinflation auf 6,7% zu rechnen, im Laufedes Jahres 2023 dürfte sie aber wieder leicht zurückgehen.
Im Projektionszeitraum wird eine allmähliche Straffung der Finanzpolitik erwartet, da die pandemiebedingten Hilfsprogramme enden. Die Regierung hat allerdings neue Unterstützungsmaßnahmen eingeführt, um die Folgen der steigenden Energiepreise für Haushalte und Unternehmen abzumildern. Diese Hilfen sollten zielgenau sein, um eine Schwächung der Preissignale zu vermeiden und die Fiskalkosten in Grenzen zu halten.
Die ökosoziale Steuerreform ist ein begrüßenswerter Schritt hin zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft, allerdings sind weitere Maßnahmen nötig, um bis 2040 Treibhausgasneutralität zu erreichen und die Energieversorgungssicherheit zu erhöhen. Die Inflation isthoch und steigt weiterDie Wirtschaftsaktivität hat sich im ersten Quartal 2022 deutlich belebt.
Der Arbeitsmarkt hat sich voll-ständig von der Pandemie erholt, was eine deutliche Belebung des privaten Verbrauchs begünstigt.
Der Verbraucherpreisauftrieb ist auf den höchsten Wert seit September 1975 gestiegen. Inflationstreiber waren ursprünglich die Energiepreise, doch mittlerweile wird die Teuerung auf relativ breiter Ebene beobachtet. Die Preissteigerungsrate auf der Erzeugerstufe ist ebenfalls so hoch wie zuletzt Mitte der 1970er Jahre und dürfte den Druck auf die Verbraucherpreisinflation im weiteren Verlauf des Jahres 2022 noch ver-stärken.
ONLINE-GRAPHIKEN und TABELLE: Entwicklung von Arbeitsmarkt und Budgetdefizit; Kennzahlen-Tabelle
Österreich ist stark von Erdgasimporten aus Russland abhängig. Vor der russischen Invasion in der Ukraine deckten sie 80% des österreichischen Erdgasverbrauchs ab. Der russische Anteil an den Rohöleinfuhren betrug hingegen nur rd.8% und wurde bereits deutlich gesenkt. Davon abgesehen sind die Handelsbeziehungen (inkl. Tourismus) mit Russland eher begrenzt.
Das Gesamtvolumen deraus-stehenden Kredite, die Russland von österreichischen Banken gewährt wurden, gehört zu den höchsten in der Europäischen Union. Trotzdem hält sich das Risiko für den österreichischen Bankensektor in Grenzen, denn gemessen an allen offenen Auslandskrediten beträgt der russische Anteil nur rd.4%. Bis Mai sind rd. 70000 Menschen aus der Ukraine nach Österreich geflüchtet und die Zahl steigt weiter. Die Geflüchteten haben gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Behörden unterstützen sie mit Leistungen in Höhe von rd.0,12% des BIP.
*** Der fiskalpolitische Kurs wird gestrafft
Das Defizit im Primärhaushalt dürfte 2022 abgebaut werden und für 2024 wird ein Überschuss erwartet. Grund hierfür ist insbesondere das Ende der Coronahilfen. Die Grundtendenz der Haushaltspolitik ist restriktiv, die öffentlichen Investitionen werden jedoch bis 2026 mit Zuschüssen aus der Aufbau-und Resilienzfazilität in Höhe von rd.0,8% des BIP unterstützt. Außerdem federn die Behörden die Effekte der steigenden Energiepreisedurch neue diskretionäre Maßnahmen ab. 2022 sind dafür insgesamt 0,8% des BIP vorgesehen, gefolgt von 0,2% im Jahr 2023. Die Regierung plant außerdem, im Rahmen dieses Pakets nationale strategische Gasreserven anzulegen. Darüber hinaus tritt im Juli 2022 die ökosoziale Steuerreform in Kraft. Sie umfasst eine Reihe von Maßnahmen und sieht u.a. eine schrittweise Erhöhung der CO2-Bepreisung und Senkungen der Lohn-und Einkommensteuer sowie der Körperschaftsteuer vor.
*** Die Projektionen unterliegen erheblichen Abwärtsrisiken.
Die Expansion der Wirtschaftstätigkeit setzt sich dank eines deutlichen Wachstums des privaten Verbrauchs fort. Hohe Energiepreise und Lieferengpässe aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine und der darauffolgenden Sanktionen werden allerdings die Unternehmensinvestitionen und Exporte hemmen. In vielen Branchen wird das Wachstum durch einen Fachkräftemangel gebremst.
2022 ist mit einem deutlichen Anstieg der Gesamtinflation auf 6,7% zu rechnen und im Lauf des Jahres 2023 dürfte die Teuerung nur leicht zurückgehen.
Die Rohölpreise werden aufgrund des Ölembargos der EU gegen Russland auf hohem Niveau verharren.
Die Lohnverhandlungen orientieren sich üblicherweise an den Inflationsraten der letzten zwölf Monate und könnten daher 2022 und 2023 für zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die Preise sorgen. 2022 werden die Reallöhne sinken, 2023 allerdings wird sich das verfügbare Real-einkommen u.a. dank deutlicher Lohnzuwächse stabilisieren.
Die Wachstumsprojektionen sind mit be-trächtlichen Abwärtsrisiken behaftet. Eine weitere Pandemiewelle mit neuen Gesundheitsschutzmaß-nahmen, die die Wirtschaftstätigkeit in den Dienstleistungsbranchen hemmen, würde das Wachstum 2022 gefährden. Eine Störung der Erdgasversorgung hätte schwerwiegende Konsequenzen für die ökonomische Aktivität, da es für die russischen Gasimporte auf kurze Sicht keinen Ersatz gibt.
*** Mehr Energiesicherheit durch einen Ausbau der Erneuerbaren und eine bessere Aktivierung der Arbeitskräftereserven sind zentrale Prioritäten
Die Politikmaßnahmen sollten darauf abzielen, die Erdgasversorgung besser zu diversifizieren und das inländische Potenzial an erneuerbaren Energieträgern auszuschöpfen. Dies würde die Bemühungen der letzten Zeit zur beschleunigten Befüllung der Erdgasspeicher ergänzen und dazu beitragen, die negativen Auswirkungen einer potenziellen plötzlichen Unterbrechung der Erdgasimporte zumindest zum Teil zu neutralisieren. Das Wachstum wird durch einen Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel gebremst. Um ihn zu bekämpfen, muss Österreich seine Arbeitskräftereserven besser aktivieren. Ein Schwerpunkt sollte sein, die Beschäftigung von Frauen stärker zu fördern, z.B. indem das frühkindliche Betreuungsangebot im ganzen Land ausgebaut und verbessert wird. Stärkere Anreize für ein späteres Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und gute Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer*innen würden helfen, das Angebot an Fachkräften zu erhöhen.
https://read.oecd-ilibrary.org/view/?ref=1143_1143913-ow11k22541&title=Country-profile-Austria-OECD-Wirtschaftsausblick-Ausgabe-2022-1

ÖSTERREICH – Bäckereien unter Druck – Preisanstieg schon vor Kriegsbeginn wegen Missernten – Mitarbeitermangel ist das größere Problem – 11.6.2022
Seit dem Ukraine-Krieg ist Brot spürbar teurer geworden, weil Hunderttausende Tonnen Getreide auf dem Weltmarkt fehlen, wodurch die Bäcker mehr fürs Mehl bezahlen müssen. Dazu kommt noch, dass es immer weniger Leute gibt, die den Teig verarbeiten.
Die Kostensteigerungen seien enorm, sagt der Branchenobmann der Vorarlberger Bäcker, Wolfgang Fitz. So habe der Preis für Mehl seit Dezember um satte 40 Prozent zugelegt. Fitz betreibt selbst eine Bäckerei und Konditorei in Wolfurt. „Täglich kommt ein neues Mail oder ein Schreiben von Rohstofflieferanten, dass sie ihre Rohstoffe wieder um acht oder zwölf Prozent erhöhen. Das ist für uns natürlich ein immenser Druck und wir können nicht so schnell reagieren und unsere Preise innerhalb von ein oder zwei Tagen anpassen“, so Fitz.
*** Preisanstieg schon vor Kriegsbeginn wegen Missernten
Der Preisanstieg beim Getreide wurde vom Krieg zwar befeuert, war aber schon vorher ein Thema. Vor Kriegsbeginn haben Missernten in Ländern wie der Ukraine und auch Polen – wo große Getreideflächen sind – den Preis in die Höhe getrieben, erklärt Fitz. Und obwohl Vorarlbergs Bäcker ihr Getreide zu 90 Prozent aus Österreich beziehen, machten sich weitentfernte Getreideausfälle auch hier bemerkbar, sagt der Branchenobmann. „Das ist ja das Absurde. Wir könnten uns theoretisch selbst versorgen, aber natürlich werden uns die Rohstofferzeuger das Getreide nicht schenken, wenn sie auf dem Weltmarkt 100 Euro mehr für die Tonne bekommen“, sagt Fitz. Der Weizenpreis richte sich nach der Getreidebörse in Paris.
*** Mitarbeitermangel ist das größere Problem
Die gestiegenen Kosten sind aber nicht das einzige Problem. Ein viel größeres sieht Fitz im Mitarbeitermangel. „Ich glaube, dass jeder Bäcker in Vorarlberg Mitarbeiter sucht. Ich zum Beispiel suche seit Jänner zwei Bäckergesellen, die bei mir in der Produktion mitarbeiten könnten, im Verkauf drei bis vier Verkäuferinnen und muss sagen, da tut sich gar nichts“, so Fitz.
Der Grund für den Mitarbeitermangel liegt aus Sicht des Branchenobmanns in den Arbeitszeiten. Während die Viertagewoche in anderen Branchen immer mehr zum Thema wird, sei bei den Bäckern immer noch die Sechstagewoche sowie das Arbeiten am Wochenende und in der Nacht üblich. Hier wünscht sich Fitz, dass die Politik etwas bewegt. Gerade das Arbeiten am Wochenende könnte aus seiner Sicht attraktiver gemacht werden. Zum Beispiel durch steuerliche Erleichterungen. red, vorarlberg.ORF.at
https://vorarlberg.orf.at/stories/3160276/

ÖSTERREICH – Moody’s hebt Kärntens Bonitätsrating von Aa3 auf Aa2 an – 11.6.2022
Die Ratingagentur Moody’s hat Kärntens Bonität um eine weitere Stufe angehoben. Nämlich von Aa3 auf Aa2 – das ist die dritte von insgesamt 21 Ratingsstufen. Kärnten wird damit eine „sehr gute Bonität“ beschieden und dies bei stabilem Ausblick.
„Dies ist eine neuerliche Bestätigung dafür, dass Kärntens Weg zur risikolosen, rechtssicheren Befreiung von den Hypo/HETA-Haftungen richtig war. Und es ist auch eine Anerkennung für unsere Finanzpolitik der Pandemiejahre, die auf Absicherung der wichtigsten Lebensbereiche und Investitionen in Zukunftsthemen ausgerichtet war und ist“, kommentieren Landeshauptmann Peter Kaiser und Finanzreferentin LHStv.in Gaby Schaunig (beide SPÖ) das Rating-Upgrade.
*** „Solide Finanz-Performance“
Moody’s begründet die Besserstufung Kärntens unter anderem mit einer „soliden Finanz-Performance“ und „nur moderatem Defizit“. Die Anstrengungen, das Ausgabenwachstum einzudämmen, seien effektiv gewesen und Kärnten sei es gelungen, die Herausforderungen der Pandemie mit geringem zusätzlichen Schuldenaufbau zu bewältigen. Kärntens Finanzpolitik und das Budgetmanagement seien „umsichtig, sehr transparent und gut vorhersehbar“.
Den stabilen Ausblick erklärt Moody’s damit, dass sich aktuelle Budgetdefizite über die Jahre verringern werden und Kärnten zu ausgeglichenen Haushalten zurückkehren werde.
*** Kaiser: Teuerungswelle abdämpfen
„Die wichtigste Herausforderung des heurigen und wohl auch des kommenden Jahres ist es, die Teuerungswelle abzudämpfen und jene Menschen, die davon am stärksten betroffen sind, zu unterstützen. Darüber hinaus setzen wir unsere Ausgabenschwerpunkte ganz klar in den Zukunftsbereichen Bildung, Gesundheit und Nachhaltigkeit. Jeder hier eingesetzte Euro zahlt auf das Konto unserer Kinder und Enkel ein“, so Kaiser. Dass Kärnten diese Schwerpunkte setzen kann, ist auch der Tatsache geschuldet, dass das Bundesland dank der rechtssicheren Lösung der Hypo/HETA-Haftungsfrage bereits seit 2016 wieder unbelastet und autonom wirtschaften kann. Dies führte zu Budgetüberschüssen in den Jahren 2017, 2018 und 2019 und ermöglichte eine tatkräftige Krisenbewältigung ab 2020.
*** Kritik von FPÖ
FPÖ-Chef Erwin Angerer sagte in einer Aussendung, dass die am Freitag von Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger im Hypo-U-Ausschuss getätigten Aussagen bestätigen würden, dass auch etwaige Haftungen des Landes Kärnten für die Hypo-Bank niemals zum Tragen gekommen wären. „Eine offenbar damals von der Kärntner SPÖ, aus welchen Gründen auch immer, ins Spiel gebrachte Insolvenz der Landes Kärnten, wäre somit niemals in Frage gekommen. Die damaligen, auf einer drohenden Insolvenz basierenden Moodys-Abwertungen waren somit ‚hausgemacht‘“, so Angerer. Die Landesregierung würde außerdem neue Schulden hauptsächlich über die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) aufnehmen. Das Rating spiele somit kaum eine Rolle, so der FPÖ-Chef.
Er merkte außerdem an, dass es für Armutsgefährdete während der Pandemie keine zusätzlichen Unterstützungen von Seiten der Kärntner Landesregierung gegeben habe und die Sozial- und Hilfsleistungen nicht erhöht worden seien. Auch im Teuerungsjahr 2022 wurde bisher sowohl auf Landes- als auch auf Bundesseite wenig getan, um den explodierenden Treibstoff-, Wohn- und Heizkosten entgegenzuwirken, so Angerer. red, kaernten.ORF.at
https://kaernten.orf.at/stories/3160252/