bookmark_borderN+C – Zeitenblick KW 46/47

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Zur freundlichen Erinnerung:

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Oh Corona! Die vergangene Woche dominierte die Pandemie meine Informationsquellen auf gewohnt kakophonische Weise, Wirtschaftsmeldungen gerieten geradezu in den Hintergrund.
Impfpflicht, Impfzwang, Sanktionen bei Zuwiderhandeln: ein demokratiepolitisches Problem tut sich auf. Wenn es brennt, dann werden nicht komplizierte und langwierige basisdemokratische Vorgangsweisen in Gang gesetzt; allenfalls berät ein ausgesuchtes und erfahrenes Expertenteam – die Elite! – wie der Feuersbrunst zu begegnen sei. So geschehen bei der Löschung des Brandes von Notre Dame in Paris: mit gutem Erfolg – Rettung in letzter Minute.

Was epidemiologisch-medizinisch relativ einfach zu beantworten ist, ist es in Hinsicht auf die Impfpflicht nicht so ohne Weiteres. Wie ist das mit dem Tuberkulose-Gesetz? Siehe dazu §§ 14 bis 20 des österreichischen Tuberkulosegesetzes i.d.g.F., insbesondere den §18 dieses Gesetzes, sowie die §§ 7 und 7a des österreichischen Epidemiegesetzes i.d.g.F. Aber diese Paragraphen betreffen Krankheitsverdachtsfälle und diagnostisch gesicherte Krankheitsfälle.

Demokratie – eine Schönwetter-Regierungsform?

Vorsicht! Das frugen auch Hermann Heller und Carl Schmitt, wie auf diesen Seiten bereits andernorts ausgeführt: macchiavellisch aus Staatsräson die Verfassung beugen, zur Rettung der Demokratie? Angelehnt an Schmitt: Der Souverän jener, der den Ausnahmezustand beherrscht? Souverän gar der, der den Bürgerkrieg verhindert?
Heller und vor allem Schmitt öffneten mit ihrem Demokratierettungsdenken die Büchse der Pandora. Ihr entstieg das Ungeheuer des Nationalsozialismus. Wehret den Anfängen der Auflösung verfassungsbasierter Demokratie. Wann liegt ein Notstand vor, wann darf ein demokratischer Staat über Notstandsgesetze verfügen? Wie ging man 1968 in der Bundesrepublik Deutschland mit der Frage der Notstandsgesetzgebung um? Welche Folgen hatte dies 1968? Ging man da nicht auch auf die Straße, brannten da nicht Autos, wurden da nicht Schaufenster eingeschlagen? Kam es da nicht zur Rebellion?

Aber Halt! Kann man die 1968er Jahre mit heutigen Anti-Corona-Demonstrationen legitimer Weise vergleichen?

Wir dürfen gespannt sein, ob und wie man in Österreich die Corona-Impfpflicht verfassungsgemäß verankern wird. Die Zukunft wird es zeigen. Österreichische Juristen und Verfassungsjuristen zeigen sich diesbezüglich schon jetzt optimistisch.

Nach zurückhaltender Diskussion im Sommer (pars pro toto hier; 25.7.2021) meldeten sich neben anderen einige prononcierte Stimmen in jüngerer und jüngster Zeit zu Wort, so der Verfassungsjurist Heinz Mayer hier (23.8.2021), hier (7.9.2021) und speziell hier (20.11.2021: Zwangsisolierung), hier (21.11.2021: Zwangsisolierung) und hier (21.11.2021: hohe Geldstrafen) sowie der steirische Star-Jurist Hubert Niedermayr hier (2.11.2021), der vor Kurzem über seine beruflichen Füße stolperte (hier; 10.11.2021).

Ist die Regierung unfähig, die Pandemie zu meistern? Und falls sie sich erst jetzt zu sachnotwendigen Maßnahmen aufschwang: warum erst jetzt, warum nicht schon früher?

Wie mir zugetragen wird aus regierungsfernen und im politischen Apparat tätigen Personen: seit den Zeiten sachlich über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeitender Sozialpartnerschaft noch bis in die 1980er Jahre dominierten – so meine Zuträger*innen – zunehmend Unfähigkeit und mangelnde Kommunikation zwischen den einzelnen Einrichtungen unserer schönen Republik, vor allem: zwischen ihnen und der Regierung. Stattdessen gebe es einen der Sache nach nicht dienlichen Hang zu Glanz und Glamour, zu Schönredereien und so etwas wie Fake News.

Doch zurück: mehr oder weniger eng stehen demokratiepolitische Bedenken, mehr aber noch covidiotische Bestrebungen hinter Krawall-begleiteten Demonstrationen nicht nur in Österreich. Dabei bedienen sich aufwiegelnder Weise rechtsextreme, nationalistische und antisemitische Kräfte der Instrumentalisierung geistesarmer Covidioten. Hier liegen mehr oder weniger gute Anknüpfungspunkte zur 1968er-Bewegung in Deutschland.

Die Masse ist verführbar, das wissen die der Massenpsychologie nicht unbaren Propagandisten und Indoktrinierer. Es empfiehlt sich für das nähere Verständnis eine Lektüre, die aus der Frankfurter Schule Horkheimer’scher und Adorno’scher Prägung hervorgegangen ist, nämlich die der „Studien über Autorität und Familie“ und dort ab Seite 77 die des „Sozialpsychologische[n] Teil[s]“, verfasst von Erich Fromm (1936) (Text hier). Ein Licht wird aufgehen! Die erleuchtende Sonne gibt hier die Psychoanalyse Fromm’scher Prägung – gut verständlich und lesenswert! In einer Art gekürzter Version auch hörenswert!

Was brachte die vergangene Woche noch an Meldungen?

Die Geldentwertung schreitet in mehreren europäischen Ländern und in den USA fort, die Kaufkraft sinkt entsprechend. Diese Erscheinung geht nach monetaristischer Theorie mit einer Erhöhung, einem „Aufblasen“ (inflare, lat.; aufblasen) der umlaufenden Geldmenge einher, eine Sicht, die neuere Geldtheorien ablehnen. Inflationär im engen Sinn ist die Entwicklung nicht, will man diesen neuen Geldtheorien glauben. Was aber die Preise treibt und damit die Kaufkraft erniedrigt, das ist die Warenknappheit in Folge der Lieferengpässe einerseits und die nach längeren Lockdown-Entbehrungen hinaufschnellende Nachfrage nach allerlei Waren – vom Rohstoff über Halbfabrikate und Investitionsgütern bis hin zu Dingen des täglichen und des Luxusbedarfs. Der zurückgedrängten Kaufmöglichkeiten halber haben sich die Ersparnisse in den privaten und Unternehmenshaushalten erhöht, vermehrt ströme Nachfrager-Geld in den Markt. So die verbreitete Sicht der Ökonomen. Also dreht doch ein Geldmengen-Überhang an der Preisschraube, aber eben nicht über die Druckerpresse der Zentralbanken – so die Modern Monetary Theory. Nun ja.

Abermals steht im Raum die Furcht vor einer Stagflation. Entsprechend reichlich die teils sehr widersprüchlichen Äußerungen der Zentralbanken zur Inflationsfrage: sie sei vorübergehend, so die einen; sie könne durchaus bleiben so die anderen.

Unter den Zentralbank-Aussagen stechen jene zu den Risiken hervor: Blasenentwicklungen auf den Immobilien- und Finanzmärkten werden nur stärker als je thematisiert – allen voran mit erfrischender Deutlichkeit von der US-amerikanischen Notenbank in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht vom heurigen November; die europäische Zentralbank äußert sich verhaltener: langfristig könnten Risiken entstehen. Wie letzte Woche schon ist es das Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel, das zur verstärkten Inflationsbeobachtung rät. Zaghaft stimmt Generallissima Lagarde ein, um wenige Tage danach rasch zu beschwichtigen: nicht zu schnell brauche man die Inflation bekämpfen, die Geldpolitik straffen; aber vielleicht 2023.

Doch Blasenentwicklungen bedürfen eines, um im Absturz zu enden: Kreditaufnahmen auf Aktienbeständen und Immobilien. Geht die Wirtschaft schlecht, steigt die Zinserhöhungs-gebietende Inflation, dann ist’s Oha mit der Aktien- und Immobilienparty. Baissen auf beiden Märkten sind angesagt, die sich gegenseitig verstärken – schon ist ein eindrücklicher Immobilien- und Aktienkrach im Gange. Was sagen uns diesbezügliche Margin-Debt-Statistiken? Nichts Gutes. Wenn ich richtig höre, so höre ich ein Knistern im Gebälk hoch hinaufgepreister Immobilien und Unternehmensanteile. Das hören auch die Damen und Herren in den Notenbanken – daher u.a. die Unruhe dort.

Wer zahlt dann die Misere? Alle, allen voran die kleine Frau, der kleine Mann auf der Straße.

Die bösen Börsenspekulanten*innen aber auch, weg mit ihnen!

Ok, nehmt sie an die Kandare, schon versiegt die vornehmste und wichtigste Aufgabe von Börsen und Märkten, nämlich die, Informationen und Transparenz zu ernötigen. In den Hinterzimmern staatlicher Zentralplanung wird dann wieder intransparent „interveniert“ und auf der Vorderbühne Pseudo-Parlamentarismus zelebriert werden. Wohin das führte, das konnte die Welt in allen Staaten zentralplanerischen Wirtschaftens erleben.

Davon war nicht nur die historisch gewordenen UdSSR betroffen, sondern auch die ach so marktaffinen Vereinigten Staaten von Amerika. Finanzkrisenauslösend waren politische Wünsche Reagans und Clintons, allen US-Amerikaner*innen den Erwerb von Grund und Boden zu ermöglichen, den amerikanischen Traum zu verwirklichen. Schließlich wollten beide Herren wiedergewählt werden, Greenspan erwies sich als willkommener Begünstiger solcher Träume. Aber um welchen Preis? Nun, der ist inzwischen bekannt.

Doch zurück zu den Blasen: was bringt sie zum Platzen? Oftmals Kleinigkeiten. Die weltpolitische Lage hält allerdings schon eher Großigkeiten denn Kleinigkeiten parat, wie die weiter unten versammelten Meldungen erzählen.

Eine davon ist diese: Blähung, Aufblasen auch von Staatsschulden, und dies nicht erst seit der Coronakrise. Nun ist es in den USA wieder einmal so weit: Mitte Dezember ist die mächtige USA zahlungsunfähig, wenn nicht, tja, wenn nicht die US-Verschuldungsgrenze angehoben werden wird. Wozu kann eine Theorie, vor allem eine ökonomische, dienen? Um zu begründen, was politisch gewollt ist. Staatsschulden sind wurscht, also hinauf mit der Verschuldensgrenze, das ist gut für die Wirtschaft.

Noch nicht ganz in den Gehirnen der Entscheidungsträger angekommen ist aber dies: geht’s der Wirtschaft gut, geht’s dem Klima mies.

Womit wir beim dilemmatösen Zustand sind, in den sich die Welt seit Jahren, nein: seit Jahrzehnten interventionistisch schuldentreibend und ungleichheitsfördernd aktiv hineinbemüht hat: Wirtschaft rauf, Lebensqualität auf der Erde infolge fortschreitenden Klimawandels runter. Oder: Konsum- und Energieeinschränkung rauf, Wirtschaft runter. Schon stehen die Arbeitslosen auf den Straßen. Sie werden aber kaum Freudenlieder anstimmen, sondern ihre Fäuste schwingen – und dreinschlagen. An Stelle einer Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der üblichen Defintion bedarf es einer ökologisch-ökonomisch ausgerichteten Gesamtrechnung. In dieser bekäme das Sparen im Sinne einer Ressourcenschonung anderen „Klang“, anderes Gewicht. Diese Art der Gesamtrechnung aber ist noch nicht Allgemeingut in den Volkswirtschaftslehrbüchern geworden.

Dilemmata aller Arten fördern Unsicherheiten und Ängste, ein großes Dilemma wie das geschilderte große Unsicherheiten und Ängste. Diese wiederum fördern – je größer, umso mehr – Aggressionen und Faschismus, und zwar bei allen Beteiligten.

Sehr hoffe ich, dass meine Sichtweise viel, viel zu schwarz ist. Und glücklicherweise: ich könnte mich ja irren.

Und ja: … die vornehmste und wichtigste Aufgabe von Börsen und Märkten, nämlich die, Informationen und Transparenz zu ernötigen. Eine blauäugige Sicht?

Ist es diese auch: Straßen werden gebaut, um geordneten Waren- und Personenverkehr zu ermöglichen – und dies spätestens und in gekonnter Weise seit römischen Zeiten? Werden Straßen gebaut, damit sich dort Verkehrsrowdys auf asoziale Weise austoben können? Nach langem historischen Prozess: Sind Börsen und Märkte eingerichtet, damit gierig-schmierige Spekulanten*innen sich dort auf asoziale Weise bereichern können?

Hier wie dort bedarf es Regelungen, um die soziale Funktion von Verkehrswegen und Märkten sicherzustellen. Im Falle der Wirtschaft gewährleistet dieses meines Erachtens noch am ehesten der Ordoliberalismus, die Soziale Marktwirtschaft, womit ich meinen (ordo)liberalen Schlusspunkt setze.

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