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Die zurückliegende Woche war einmal mehr mit reichlichen Meldungen gesegnet – Lesestoff für eine ganze Woche sozusagen. Hier die geraffte Übersicht.
FÜR DEN EILIGEN LESER wiederholt sich das wöchtentliche Mantra, denn summa summarum gibt es nur zu vermerken, das es der Wirtschaft rund um den Erdball noch – noch! – immer “supertoll” geht. Aber die Molltöne werden etwas lauter, blickt man auf die diversen Konjunkturberichte. Wermutstropfen fallen in die Wirtschaftsaussichten und Geschäftsstimmungen der USA, von Asien, Großbritannien, der Schweiz, der Europäischen Union, Spanien, Italien, Belgien und Deutschland. Die Konsument*innen sehen das da und dort anders: ihre Stimmung hellt auf. Doch was wirtschaftsmäßig 2021 nicht ganz so bringen wird, wie vor einigen Monaten noch verkündet, das bringt nun 2022 – dank der „ausgehungerten“ und durch Sparen „reich“ gewordenen Verbraucher. So der neue Glaube an ein kräftiges Wirtschaftswachstum: es hat sich ja bloß verschoben.
Doch Zentralbanken und Analysten sehen noch schärfer hin als zuvor: ist die jüngst unüblich stark angeschwollene Inflation ein vorüberziehendes Mentekel – und somit eigentlich gar keines. Oder bleibt sie für längere Zeit bestehen. Indiz für die Inflations-bedingte Unruhe in den Chefetagen der Zentralbanken bietet die Menge an Aussendungen und das zurückhaltende, aber denn doch Drehen an der Zinsschraube. Die Notenbanken von Brasilien und Norwegen erhöhen, die Türkei senkt mit dem Hinweis und möglicherweise mit Schielen auf Herrn Erdogan, sie habe die Zinsschraube etwas überdreht. Und die EZB-Chefin verkündet wieder einmal: die Inflation wird kein Dauergast sein.
Andernorts mehren sich noch etwas lauter als zuletzt jene Stimmen, die ein anderes Menetekel heraufdämmern sehen: das der Stagflation. Hintergrund dafür liefern die anhaltenden Störungen in den Lieferketten. Deren Auswirkungen rieseln wie feine Sandkörnchen langsam, langsam in das Getriebe der Weltwirtschaft. Sandkörnchen? Nun ja, wenige wiegen nicht viel. Sehr viele rieselnde Sandkörnchen können mit der Zeit einen Sandberg aufschütten. Wir kennen das woanders her: die Sanduhr produziert, die Zeitspanne abmessend, im Rieselnlassen der Sandkörnchen auch einen Sandhaufen. Wie groß ist die Zeitspanne der gerade dahinrieselnden „Sanduhr Lieferkettenstörung“? Wie groß wird der Sandhaufen im unteren Teil dieser Sanduhr werden?
Ob Flaschenhals- oder Sanduhr-Rezession: die Auswirkungen bei unerwartet langem Andauern der Lieferkettenstörungen wären fatal, und das doppelt, denn gegen Lieferhemmnisse helfen auch keine aufgedrehten Geldhähne. Also müssen andere in die Bresche springen: die Staaten und ihre Subventionen. Das ändert aber nichts am Marktmechanismus: knappe, stark nachgefragte Ware verteuert sich, der Geldtauschwert schwindet. Und dann? Noch weiter zurück im Staatsinterventionismus, zur Planwirtschaft gar?
Wie aber geht man um mit Mangelwirtschaft? Ein Blick zurück lehrt: der Öl-Mangel der 1970er Jahre bescherte eine rund zehnjährige Phase der Stagflation, der relative Mangel an Gütern und Nahrungsmitteln im 16. Jahrhundert bedingte die damalige Preisrevolution für Jahrzehnte. Und heute: wie wird das mit feineren, digital aufmunitionierten, wissenschaftlich-evidenzbasierten geld- und anderen politischen Instrumenten sein? Welch‘ kluges, mit guten Absichten planvolles Handeln wird zu welchen ungeplanten Ergebnissen führen? Und inwieweit führte bereits und führt weiterhin das zu Verzerrungen innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften? Die einen darben, die anderen reüssieren. Ganz unterschiedlich und bisweilen in extremer Weise entgegengesetzt entwickeln sich Branchen und Wirtschaftssektoren. Wirtschaftliche Verzerrungen aber bedeuten letztlich gesellschaftliche Verzerrungen.
Das es neben Wirtschafts-Ach und Weh, dem Stöhnen unter der Stagflation noch ein Drittes gibt, das pfeifen inzwischen die Spatzen vom Dach: die Klimakrise. Während sich die Pandemie langsam, langsam über die Häuser hauen wird, wird uns die Frage der Eindämmung des Klimawandels noch lange, sehr lange beschäftigen.
Da aber kommen sich die wirtschaftspolitischen Ziele ins Gehege: Stützen und Befeuern der Wirtschaft mit Blick auf niedrige Arbeitslosenzahlen und damit auch politischer Stabilität lässt sich mit den so notwendigen konsumeindämmenden Maßnahmen nur schwer in Einklang bringen. Auch das lässt erwarten, dass die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Gesellschaft sicher nicht schwächer werden werden. Wird nicht da ein erstarkender Staat mit Macht den Deckel auf den brodelnden Topf drücken?
Die Zeiten sind unruhig. Sie werden es wohl noch mehr werden.
„N+C – Montagsblick KW 38/39“ weiterlesen